Heinrich-Otto Buja Handbuch der Tief-, Flach-, Geothermie- und Horizontalbohrtechnik
Heinrich-Otto Buja
Handbuch der Tief-, Flach-, Geothermieund Horizontalbohrtechnik Bohrtechnik in Grundlagen und Anwendung Mit 792 Abbildungen und 119 Tabellen PRAXIS
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1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © Vieweg +Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Dipl.-Ing. Ralf Harms | Sabine Koch Vieweg+Teubner Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.viewegteubner.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: STRAUSS GMBH, Mörlenbach Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8348-1278-0
Vorwort In unserer heutigen, von Wissenschaft und Technik geprägten Welt haben sich feste Begriffe entwickelt, die unlösbar mit bestimmten Verfahren und Techniken, Maschinen und auch mit Namen bedeutender Wissenschaftler, Erfinder, Konstrukteure und Unternehmer verbunden sind. Hinter diesen Begriffen bedeutender Ereignisse und Entwicklungen treten, wie so oft in der Geschichte, entscheidende Einzelheiten in den Schatten, obwohl gerade diese Einzelheiten Basis oder Anstoß für veränderte Techniken und für den Fortschritt der Menschheit sind. Eines dieser im Zusammenhang wichtigen Objekte, das in seinem Ursprung bis in die alte ägyptische und chinesische Geschichte reicht, auf unserem Kontinent seine Wurzeln im mittelalterlichen Bergbau hatte, ist die Bohrtechnik. Was wäre heute unsere Wirtschaft ohne die Möglichkeit, Grundstoffe, wie Erdöl, Erdgas, Erze, Kohle, Salze, mit modernen Bohreinrichtungen aufzusuchen und mit modernen Fördermethoden auszubeuten? Wo würden wir mit unserer Trinkwasserversorgung stehen, wenn uns für das Aufsuchen dieses lebenswichtigsten Elementes keine Bohrgeräte zur Verfügung ständen? Was wären Planer, Städte-, Straßen- und Brückenbauer ohne moderne Untersuchungsund Fundamentierungsgeräte? Wie wären wir in der Lage, den Energie- und Materialbedarf ohne moderne Bohr- und Sprengtechnik zu decken? Wie könnte der Bergmann Frischluft zu entfernten Strecken und Bauen bringen, wie könnte er vorzeitig Gefahren durch Gas- und Wassereinbrüche erkennen, wie verschüttete und in Lebensgefahr befindliche Mineure und Bergleute retten, wie z. B. die Rettungsaktion nach einem Grubenunglück in Chile (August 2010), wo 33 Bergleute in 700 m Tiefe eingeschlossen wurden, wenn nicht durch die Bohrtechnik? Durch modernste Bohr- und Fördertechnik wird versucht, den Anteil der Gewinnung von Rohöl und Gas in Deutschland zu steigern. Die deutsche Gasförderung deckt z. B. 20 % des Gesamtverbrauchs. Selbstverständlich ist die Aufzählung dieser Aufgaben der Bohrtechnik nicht vollständig. Für die Bohrtechnik und für den Einsatz von Bohrausrüstungen gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Problemstellungen und Möglichkeiten. Klare Folgerungen können aber aus den vorliegenden Sätzen gezogen werden: Es haben Parallelentwicklungen stattgefunden oder ein Verfahren ist aus einem anderen hervorgegangen. Weiterhin hat man sich Erfahrungen, die bei einer Bohraufgabe oder einem bestimmten Verfahren gesammelt wurden, bei anderen Aufgaben zunutze gemacht. Es wurden auch gleiche Ausrüstungen und Werkzeuge, unverändert oder modifiziert, bei unterschiedlichen Aufgaben und Verfahren eingesetzt. Oder anders ausgedrückt: eine Entwicklung hat von der anderen profitiert. So wird und sollte es auch in Zukunft sein. Die Weiterentwicklung von Bohrtechnik und Ausrüstung wird ohnehin von Prioritäten bestimmt, die von allgemeinen Wirtschaftsbedürfnissen gesetzt werden. Obwohl die Ursprünge der Bohrtechnik über 4000 Jahre zurückliegen, sind sie doch ein Kind der Neueren Zeit und der Neuesten Zeit. Entscheidend für die Entwicklung war die Vergrößerung der Weltbevölkerung und die Steigung der Bedürfnisse der Menschen. Vergleichbar ist die Bohrtechnik mit anderen technischen Entwicklungen; sehr oft waren die Entwicklungen auch abhängig von diesen anderen Techniken. Dazu gehören Bergbau-, Agrar-, Bautechnik und nicht zuletzt die Entwicklungen des Maschinenbaus. Die nachfolgenden weni-
VI
Vorwort
gen Beispiele sollen einige der wichtigen Impulse für die Entwicklung der Bohrtechnik und der Bohrausrüstungen herausstellen: Mit dem Anwachsen der Bevölkerung und dem zunehmenden Bedarf an Salz in der Neueren Zeit mussten Salzlagerstätten in Mitteleuropa erbohrt werden. Die Erfindung der Dampfmaschine erforderte Brennstoffe in großer Menge und besserer Qualität. Die Folge war die vermehrte Aufsuchung von Kohle mit Hilfe der Bohrtechnik. Die Erfindung der Brennkraftmaschinen (Otto-Motor, Diesel-Motor) lassen den Erdölbedarf erheblich ansteigen, die Bohrtechniken und die Ausrüstungen bis auf den heutigen Stand werden ständig weiter entwickelt. Mit Verbesserung und Erweiterung der Verkehrswege werden große Brücken erforderlich, mit weiterem Anwachsen der Bevölkerung und Vergrößerung der Städte und Verkehrsanlagen ändert sich die Gründungstechnik. Die Bohrtechnik entwickelte sich zum festen Bestandteil der Bautechnik. Die Energieverbrauchssteigerung und die Verknappung der Rohstoffe sind der Anstoß für die Entwicklung der Meeresbohrtechnik. In der Umweltfreundlichen Energiegewinnung hat die Nutzung der Erdwärme (Geothermietechnik) einen maßgeblichen Anteil. Das gilt sowohl für den privaten Gerbrauch als auch für die industrielle Nutzung (Fernwärmeanlagen und Wärmekraftwerke) zu. Möglich war diese ebenfalls nur durch die moderne Bohrtechnik. Ebenfalls hat die Steuerbare Horizontalbohrtechnik und hier insbesondere das HDD-Verfahren (HDD = Horizontal Directional Drilling) einen ungeahnten Aufschwung genommen, ob wohl erst in den 70er Jahren in Amerika entwickelt und seit 1986 in Europa eingeführt. Ökologisch sensible Bereiche, schützenswerte Landschaften, Verkehrsanlage, Gewässer usw. können für Ver- und Entsorgungsleitungen, Öl- u. Gasleitungen, Kabel und v. a. m. unterfahren werden. Dabei ist die Bohrtechnik der maßgebende Faktor. In der Bautechnik nimmt die Bohrtechnik einen immer größeren Stellenwert ein. Für Hochhäuser bis zu 1000 m Höhe kommen für die Gründung Bohrpfähle mit eine Durchmesse bis zu 4,50 und Tiefen bis zu 120 m zur Anwendung. Alle vorgenannten Teilbereiche der Bohrtechnik wurden in den Buchteilen Grundlagen, Tiefbohrtechnik, Flachbohrtechnik, Geothermiebohrtechnik und Horizontalbohrtechnik eingehend behandelt. Da die Bohr- und Explorationskosten zu den wesentlichen Kosten der Erdöl- und Erdgasgewinnung gehören, hat die Verringerung der Bohrkosten eine immer größere Bedeutung. Das führte neben allgemeinen Sparmaßnahmen zu einer verstärkten Weiterentwicklung von neuen Bohrtechniken und Technologien. Hier sind insbesondere Geräte wie die modernen Verschraubeinrichtungen für Rohre und Gestänge, die Pipehandling Systeme, der Topdrive, die modernen Feststoffkontrollgeräte wie Linearschwinger und Zentrifugen, die verbesserte Antriebstechnik von Tiefbohranlagen, die modernen Hebewerkskonstruktionen, die Fahrstände (Driller‘s Cabin) von Tiefbohranlagen sowie die modernen Bohrmasten zu nennen, die zum einen die Totzeiten im Bohrbetrieb, also die Roundtrip- und Umbauzeiten verkürzen. Container-Systeme können die Aufbauzeit wesentlich verringern. Zum andern tragen diese Anwendungen auch in ganz entscheidendem Maße zur Erhöhung der Arbeitssicherheit auf der Arbeits- und Gestängebühne bei. So ist es nicht verwunderlich, dass viele Bohrunternehmer heutzutage nicht mehr Bohranlagen „von der Stange", erwerben, sondern individuell erstellte Anlagen fordern, die den speziellen Gegebenheiten und Anforderungen entsprechen. Gerade hier hat in den letzten Jahren ein sehr starkes Umdenken eingesetzt. Seit einigen Jahren ist eine neue Bohrgeräte-Generation im Einsatz, bei denen statt Hebewerke Zylinder- bzw. Zahnstangen verwendet werden.
Vorwort
VII
Alle diese Entwicklungen haben letztendlich mit dazu beigetragen, dass der Anteil der Bohrkosten an den gesamten Explorationskosten erheblich gesunken ist und die Arbeitssicherheit auf den Anlagen gesteigert wurde. Neben den ausführlichen Beschreibungen der modernen Geräte und Maschinen wird in diesem Buch auch auf Einsatzbeispiele eingegangen. Das die modernen Bohrtechniken auch enorme Risiken mit sich bringen, zeigt die Explosion und der Untergang der Bohrplattform „Deepwater Horizon“ im Persischen Golf am 20. April 2010 mit 11 Toten und bisher nie da gewesenen Schäden für die Umwelt. Hierzu ist ebenfalls ein Beitrag im Buch enthalten. Das Thema Bohrtechnik ist sehr komplex, daher soll abschließend noch Folgendes bemerkt werden: Ausführlichkeit und Darstellung von Details konnten nicht immer in der Vollkommenheit erfolgen, wie es manchem Leser als wünschenswert erscheinen mag. Dem Autor ist bewusst, dass die meisten Einzelkapitel des Buches schon für sich allein zu einem Fachbuch ausgebaut werden könnten. Andererseits müssen erfahrene Praktiker um Verständnis gebeten werden, wenn Begriffe und Vorgänge erläutert werden, die dem Fachmann als trivial erscheinen mögen. Dies gilt auch für die Behandlung von Bohrverfahren und von Bohrausrüstungen, die in hochentwickelten Ländern nur noch begrenzte Bedeutung besitzen, in anderen Ländern, vor allem aber in Entwicklungsländern, noch in vollem Umfang eingesetzt sind. Problematisch war und ist auch die Übersetzung fremdsprachlicher Fachausdrücke und Begriffe in die deutsche Sprache. Eine Sammlung von Fachbegriffen befindet sich im Anhang dieses Buches. Es ist durchaus möglich, dass die Beschreibungen der Geräte und die technischen Daten sowie verschiedene Verfahren bei Erscheinen des Buches nicht immer dem neuesten Stand der Technik entsprechen. Die Geräte und Verfahren sind zum Teil das Ergebnis sehr aufwendiger Entwicklungen und können somit aus Wettbewerbsgründen mindestens für eine gewisse Zeit nicht veröffentlicht werden. Das Buch wird trotz dieser Einschränkungen für Bohrmeister, Bohrtechniker und Bohringenieure sowie den Studierenden der Fachrichtungen Geotechnik, Energie- und Fördertechnik, den ausführenden Unternehmen, Ingenieurbüros und Aufraggebern eine wertvolle Unterstützung im Studium und in der Praxis sein. Großer Dank gilt allen, die zum Gelingen dieses Buches beigetragen haben, sei es durch Textbeiträge, Bildmaterial oder Korrekturanmerkungen. Insbesondere möchte ich mich sehr herzlich bei meinem Verlag für die gute Zusammenarbeit bedanken. Möge das Buch in der Fachwelt Interesse finden und Nutzen bringen. Murrhardt im Dezember 2010
Der Autor
Inhaltsverzeichnis Teil I A
Bohrtechnik im Wandel der Zeiten
1
Allgemeines ....................................................................................................................................... 2
2
Einführung ......................................................................................................................................... 3
3
Werkzeuge der Jungsteinzeit ............................................................................................................. 4
4
Bohrtechnik in der Bronze- und Eisenzeit ......................................................................................... 5
5
Seilschlagbohren in China ................................................................................................................. 6
6
Mittelalter bis zur Neuzeit ................................................................................................................. 7
7
Bohrtechnik der Neuzeit .................................................................................................................... 9
8
Chronik der Bohrtechnik ................................................................................................................. 12
B
Geologische Grundlagen
1
Allgemeines ..................................................................................................................................... 18
2
Die Gesteine .................................................................................................................................... 22
3
Die Festgesteine ............................................................................................................................... 26 3.1 3.2 3.3
3.4
4
Die Böden (Lockergesteine) ............................................................................................................ 43 4.1 4.2 4.3 4.4
5
1
Allgemeines ......................................................................................................................... 43 Der Wasserkreislauf ............................................................................................................. 46 Das Grundwasser ................................................................................................................. 48 Die Quellen .......................................................................................................................... 49
Allgemeines ..................................................................................................................................... 51 5.1 5.2 5.3
C
Tiefen- und Ganggesteine .................................................................................................... 27 Ergussgesteine oder Vulkanite ............................................................................................. 27 Die Schichtgesteine.............................................................................................................. 30 3.3.1 Allgemeines ........................................................................................................... 30 3.3.2 Mechanische Schichtgesteine ................................................................................. 31 Lagerungsformen der Festgesteine ...................................................................................... 37 3.4.1 Allgemeines ........................................................................................................... 37 3.4.2 Lagerungsformen der Erstarrungsgesteine ............................................................. 37 3.4.3 Lagerungsformen der Schichtgesteine (Sedimente) ............................................... 38
Erdgeschichtliche Zeit- und Formationstafeln ..................................................................... 51 Kreislauf der Gesteine.......................................................................................................... 55 Klassifizierung und Eigenschaften der Gesteine .................................................................. 56
Mechanische Gesteinszerstörung beim Bohren Gesteinszerstörung verschiedener Werkzeuge ................................................................................. 59 1.1 1.2
Elementarvorgänge der mechanischen Gesteinszerstörung ................................................. 59 Schematische Darstellung mechanischer Gesteinszerstörung .............................................. 60
X
Inhaltsverzeichnis
1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 1.9 1.10 1.11
2
Rollenbohrwerkzeuge ...................................................................................................................... 70 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5
3
Kraterbildung unter Andruck ............................................................................................... 70 Kraterbildung unter Sprödbruch ........................................................................................... 71 Gesteinszerstörung beim Einsatz von Disken-Schneidrollen ............................................... 71 Kraterbildung in harten und weichen Formationen .............................................................. 72 Gesteinszerstörung beim Einsatz von Diskenschneidrollen ............................................... 72
Bohrbarkeit der verschiedenen Gesteine .......................................................................................... 73 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7
D
Belastungsarten .................................................................................................................... 61 Schlagend arbeitende Bohrwerkzeuge ................................................................................. 62 Gesteinszerstörende Schneidelemente.................................................................................. 62 Kraterbildung beim schlagenden Bohren ............................................................................. 63 Gesteinsablösung durch Spanen ........................................................................................... 63 Drehschlagend arbeitende Bohrwerkzeuge .......................................................................... 64 Drehschlagende Gesteinszerstörung mit Drehschlagbohr-köpfen ........................................ 64 Drehschlagende Gesteinszerstörung mit Rollenmeißel ........................................................ 65 Drehend arbeitende Bohrwerkzeuge .................................................................................... 65 1.11.1 Werkzeuge mit festen Schneiden oder Schneidkörpern ......................................... 65 1.11.2 Bohrschneidkörper ................................................................................................. 66 1.11.3 Darstellung des Bohrfortschritts ............................................................................. 66 1.11.4 Geometrische Verhältnisse beim Bohren mir Diamanten ....................................... 67 1.11.5 Gesteinszerkleinerung durch ein Diamantkorn ....................................................... 67 1.11.6 Rillen- (Furchen-) bildung ...................................................................................... 68 1.11.7 Bohrfortschritt beim Bohren mit Fischschwanz, Blatt- und Flügelmeißel ............. 68 1.11.8 Bohrfortschritt mit Diamantmeißeln....................................................................... 69
Relative Härteskalen ............................................................................................................ 75 Gesteinsfestigkeiten und Bohrbarkeit .................................................................................. 76 Faktoren für den Bohrfortschritt........................................................................................... 80 Hydraulische Einflussgrößen auf den Bohrvorgang ............................................................. 82 Einfluss von Gebirgsdruckfestigkeiten beim Einsatz unterschiedlicher Bohrwerkzeuge ..... 83 Grenzwerte für die Wirtschaftlichkeit verschiedener Bohrwerkzeuge ................................. 84 Klassifikation von Gesteinen nach ihrer Härte ..................................................................... 85
Aufgaben der Bohrtechnik
1
Allgemeines ..................................................................................................................................... 86
2
Arten von Bohrungen ....................................................................................................................... 87 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8
2.9 2.10
Bohrungen auf Erdöl und Erdgas ......................................................................................... 87 Bohrungen in der Bauindustrie ............................................................................................ 88 Bohrungen im Bergbau, Tunnel- und Stollenbau ................................................................. 90 Bohrungen für Bergbau und Steinbruchbetriebe .................................................................. 91 Bohrungen für die Wasserversorgung, Brunnenbau ............................................................. 93 Bohrungen für Entsorgung von Abfällen und Altlasten ....................................................... 94 Bohrungen auf Erdöl und Erdgas ......................................................................................... 95 Unterscheidungsmerkmale der Bohrverfahren ..................................................................... 96 2.8.1 Das Spülbohrverfahren ........................................................................................... 96 2.8.2 Das Trockenbohrverfahren ..................................................................................... 96 Unterscheidungsmerkmale der Bohrverfahren ..................................................................... 97 Übersicht über die Bohrverfahren ........................................................................................ 98
Inhaltsverzeichnis
XI
Teil II E 1 2
Bohrplatzeinrichtung und Gerätetechnik Allgemeines ................................................................................................................................... 100 Der Bohrplatz ................................................................................................................................ 102 2.1 2.2 2.3
3
Gerätetechnik ................................................................................................................................. 118 3.1 3.2
3.3 3.4
3.5
3.6
4
Allgemeines ....................................................................................................................... 102 Örtliche Festlegung des Bohrplatzes .................................................................................. 109 Sonstige vorbereitende Arbeiten ........................................................................................ 111 2.3.1 Gründung und Verkehrsbereiche.......................................................................... 111 2.3.2 Der Fundamentbereich ......................................................................................... 111 2.3.3 Einbringen des Standrohres .................................................................................. 111 2.3.4 Anlagen außerhalb des Bohrplatzes ..................................................................... 114 2.3.5 Kostensituation..................................................................................................... 116 2.3.6 Kostenbeispiele für den Onshorebereich .............................................................. 117 Allgemeines ....................................................................................................................... 118 Bohranlagen ...................................................................................................................... 118 3.2.1 Allgemeines ......................................................................................................... 118 3.2.2 Begriffsbestimmung ............................................................................................. 119 3.2.3 Entwicklung ......................................................................................................... 119 3.2.4 Organisation des Auf- und Abbaus ...................................................................... 131 3.2.5 Derzeitiger Stand der deutschen Tiefbohrgeräteindustrie .................................... 132 3.2.6 Neue Entwicklungen von Tiefbohrgeräten ........................................................... 140 Auswahl der Bohranlagen .................................................................................................. 149 Kraftmaschinen und Kraftübertragung............................................................................... 150 3.4.1 Allgemein ............................................................................................................. 150 3.4.2 Verbrennungsmotoren .......................................................................................... 151 3.4.3 Dieselmotoren ...................................................................................................... 152 3.4.4 Elektromotoren..................................................................................................... 154 3.4.5 Hydrostatischer Antrieb ....................................................................................... 155 Antriebskonzepte für Tiefbohranlagen .............................................................................. 155 3.5.1 Allgemeines ......................................................................................................... 155 3.5.2 Mechanisches Kraftübertragungssystem .............................................................. 156 3.5.3 Dieselelektrisches Kraftübertragungssystem ........................................................ 157 3.5.4 Vollelektrisches Kraftübertragungssystem ........................................................... 161 3.5.5 Diesel-hydraulisches Kraftübertragungssystem ................................................... 162 Hebe- und Verschraubeinrichtung ..................................................................................... 163 3.6.1 Allgemeines ......................................................................................................... 163 3.6.2 Hebewerke ........................................................................................................... 165 3.6.3 Moderne Hebewerkskonstruktionen ..................................................................... 178 3.6.4 Seilspulsysteme .................................................................................................... 181 3.6.5 Automatische Nachlassvorrichtung ...................................................................... 184 3.6.6 Elevatoren ............................................................................................................ 185 3.6.7 Traveling Block, Kronenlager und Haken............................................................ 189 3.6.8 Pipe Handling Systeme ........................................................................................ 190 3.6.9 Verschraubeinrichtung ......................................................................................... 195
Fahrseile ........................................................................................................................................ 200 4.1
Einleitung ........................................................................................................................... 200
XII
Inhaltsverzeichnis
4.2
4.3 4.4 4.5
4.6
5
Anschlagmittel ............................................................................................................................... 232 5.1 5.2
6
Einleitung ........................................................................................................................... 232 Arten von Anschlagmitteln ................................................................................................ 233 5.2.1 Drahtseile ............................................................................................................. 233 5.2.2 Seilendformen ...................................................................................................... 233 5.2.3 Ketten ................................................................................................................... 236 5.2.4 Tragfähigkeit von Anschlagmitteln ...................................................................... 238 5.2.5 Prüfungen und Schäden von Anschlagmitteln ...................................................... 239
Rotationseinrichtungen .................................................................................................................. 241 6.1 6.2
6.3
7
Seilkonstruktionen.............................................................................................................. 200 4.2.1 Materialien ........................................................................................................... 200 4.2.2 Seilaufbau ............................................................................................................. 201 Berechnung von Fahrseilen ................................................................................................ 208 Hakenlast, Seilzug und Wirkungsgrade ............................................................................. 211 Seilkürzungsprogramme..................................................................................................... 218 4.5.1 Allgemeines .......................................................................................................... 218 4.5.2 Belastungen von Bohrseilen im Flaschenzugsystem ............................................ 219 4.5.3 Wartung und Pflege von Fahrseilen ..................................................................... 219 4.5.4 Seilarbeit............................................................................................................... 221 4.5.5 Kürzungsprogramme ............................................................................................ 225 Seilverschleiß ..................................................................................................................... 230 4.6.1 Ablegereife von Seilen ......................................................................................... 230 4.6.2 Kritische Verschleißerscheinungen ...................................................................... 231
Einleitung ........................................................................................................................... 241 Drehtisch ............................................................................................................................ 242 6.2.1 Allgemeines .......................................................................................................... 242 6.2.2 Aufbau des Drehtisches ........................................................................................ 242 6.2.3 Drehtischeinsätze.................................................................................................. 244 6.2.4 Abfangkeile .......................................................................................................... 247 6.2.5 Drehtisch-Antrieb ................................................................................................. 249 Topdrives ........................................................................................................................... 250 6.3.1 Allgemeines .......................................................................................................... 250 6.3.2 Kelly Spinner........................................................................................................ 251 6.3.3 Anwendungsbereiche und Vorteile des Topdrives ............................................... 251 6.3.4 Aufbau von Topdrive Systemen ........................................................................... 253 6.3.5 Antrieb von Topdrive Systemen ........................................................................... 258 6.3.6 Arbeiten mit dem Topdrive System...................................................................... 260 6.3.7 Topdrive Layout ................................................................................................... 263 6.3.8 Portable Topdrive Systeme................................................................................... 264 6.3.9 Zusammenfassende Betrachtung .......................................................................... 264 6.3.10 Beispiele für moderne Topdrive ........................................................................... 265
Geräte der Spülungstechnik ........................................................................................................... 266 7.1 7.2
Einleitung ........................................................................................................................... 266 Spülpumpen ....................................................................................................................... 267 7.2.1 Allgemeines .......................................................................................................... 267 7.2.2 Aufbau und Arbeitsweise von Spülpumpen ......................................................... 267 7.2.3 doppelt wirkende Duplexpumpe ........................................................................... 270 7.2.4 einfach wirkende Triplexpumpe ........................................................................... 273 7.2.5 Vergleich zwischen Duplex- und Triplexpumpen ................................................ 275 7.2.6 Saugseitige Maßnahmen ....................................................................................... 276
Inhaltsverzeichnis
7.2.7 7.2.8 7.2.9 7.2.10 8
Druckseitige Maßnahmen .................................................................................... 282 Volumetrischer Wirkungsgrad ............................................................................. 284 Mechanischer Wirkungsgrad ................................................................................ 286 Schlussbetrachtung ............................................................................................... 287
Feststoffkontrolle ........................................................................................................................... 287 8.1 8.2
8.3
8.4
8.5
9
XIII
Allgemeines ....................................................................................................................... 287 Grundlagen der Feststoffkontrolle und Korngrößenverteilung .......................................... 288 8.2.1 Allgemeine Grundlagen der Feststoffkontrolle .................................................... 288 8.2.2 Korngrößenverteilung .......................................................................................... 289 8.2.3 Kornverteilungskurven ......................................................................................... 292 8.2.4 Ziel der Feststoffkontrolle .................................................................................... 296 Feststoffkontrolltechnik ..................................................................................................... 297 8.3.1 Allgemeines ......................................................................................................... 297 8.3.2 Geräte der Feststoffkontrolle ................................................................................ 298 8.3.3 Schüttelsiebe ........................................................................................................ 299 8.3.4 Sandfallen............................................................................................................. 314 8.3.5 Desander und Desilter .......................................................................................... 315 8.3.6 Desander............................................................................................................... 324 8.3.7 Desilter ................................................................................................................. 325 8.3.8 Installation von Desandern und Desiltern ............................................................ 326 8.3.9 Mud Cleaner ......................................................................................................... 327 8.3.10 Zentrifugen ........................................................................................................... 329 Feststoffkontroll-Systeme .................................................................................................. 336 8.4.1 Allgemeines ......................................................................................................... 336 8.4.2 Feststoffkontrollsysteme für unbeschwerte Spülungen ........................................ 337 8.4.3 Feststoffkontrollsysteme für beschwerte Spülungen ............................................ 338 Degasser ............................................................................................................................. 340 8.5.1 Aufgabe und Installation von Degassern .............................................................. 340 8.5.2 Grundlagen der Spülungsentgasung ..................................................................... 342 8.5.3 Arten von Degassern ............................................................................................ 343 8.5.4 Ermittlung der Abfuhrkosten................................................................................ 347
Instrumentierung von Bohranlagen................................................................................................ 348 9.1 9.2
9.3
9.4 9.5
Allgemeines ....................................................................................................................... 348 Bohrdaten ........................................................................................................................... 350 9.2.1 Allgemeines ......................................................................................................... 350 9.2.2 Hakenlast / Meißelbelastung (weight indicator) ................................................... 352 9.2.3 Drehtisch-Drehmoment, Verschraubmoment und Drehtischdrehzahl .................. 355 9.2.4 Pumpen- und Steigleitungsdruck sowie Casingdruck .......................................... 357 9.2.5 Pumpenhubzähler ................................................................................................. 358 Spülungsdaten .................................................................................................................... 359 9.3.1 Allgemeines ......................................................................................................... 359 9.3.2 Tankstandsmessung .............................................................................................. 359 9.3.3 Rückflussmessung ................................................................................................ 361 9.3.4 Differenzflussmessung ......................................................................................... 362 Sonstige Daten ................................................................................................................... 363 Datenaufzeichnung ............................................................................................................ 364 9.5.1 Allgemeines ......................................................................................................... 364 9.5.2 Mehrkanalschreiber .............................................................................................. 365 9.5.3 Kreisblattschreiber ............................................................................................... 366 9.5.4 Data Akquisitionssystem ...................................................................................... 366
XIV
Inhaltsverzeichnis
F 1 2
Drehbohrverfahren Allgemeines ................................................................................................................................... 367 Rotary-Bohrverfahren .................................................................................................................... 367 2.1 2.2
3
Lufthebe-Bohrverfahren................................................................................................................. 373 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6
3.7 3.8 3.9 3.10 4
Entwicklung des Rotary-Bohrverfahren ............................................................................. 367 Das Prinzip des Rotarybohrens .......................................................................................... 368 Allgemeines ....................................................................................................................... 373 Die Arbeitsweise der Lufthebe-Pumpe .............................................................................. 373 Schema des Lufthebesystems ............................................................................................. 375 Vereinfachte Darstellung der Förderhöhe .......................................................................... 376 Prinzip des Lufthebeverfahrens .......................................................................................... 377 Lufthebebohrtechnik – Daten und Hinweise ...................................................................... 378 3.6.1 Berechnungen, Richtgrößen und Faustformeln .................................................... 378 3.6.2 Optimale Luftvolumenströme, Drücke und Teufen für unterschiedliche Gestängedurchmesser ........................................................................................... 379 3.6.3 Erforderlicher Volumenstrom für das Austragen.................................................. 380 3.6.4 Aufstiegsgeschwindigkeit im Gestänge ................................................................ 380 3.6.5 Radiale Strömungsgeschwindigkeit unter dem Meißel ........................................ 380 3.6.6 Berechnung der Sinkgeschwindigkeit im Ringraum Bohrloch – Gestänge Schwerstangendurchmesser .................................................................................. 380 3.6.7 Änderung von Bohrparametern ............................................................................ 380 3.6.8 Einfluss von geänderten Bohrparametern auf den Förderstrom und die Bohrpraxis ...................................................................................................... 382 Bedeutung der Förderkennlinie .......................................................................................... 383 Der Bohrfortschritt ............................................................................................................. 385 Bohrlochsicherheit ............................................................................................................. 386 Spülungszirkulation............................................................................................................ 387
Saugbohrverfahren ......................................................................................................................... 388 4.1 4.2
Systembeschreibung ........................................................................................................... 388 Schema des Saugbohrverfahrens ........................................................................................ 389
5
Saugstrahlverfahren ....................................................................................................................... 390
6
Sicherung des Bohrloches beim Bohren ........................................................................................ 391
G
Gestänge und Werkzeuge
1
Allgemeines ................................................................................................................................... 393
2
Bohrstrang beim Rotary-Bohrverfahren......................................................................................... 394 2.1 2.2 2.3
2.4 2.5 2.6 2.7 2.8
Zusammensetzung des Bohrstranges .................................................................................. 394 Mitnehmerstange ................................................................................................................ 396 Bohrgestänge ...................................................................................................................... 396 2.3.1 Allgemeines .......................................................................................................... 396 2.3.2 Schraubbohrgestänge ............................................................................................ 397 Schwerstangen ................................................................................................................... 401 Heavy-Weight-Drill-Pipe ................................................................................................... 402 Übergänge und Passstücke ................................................................................................. 403 Hinweise zu API ................................................................................................................ 404 Stabilisatoren...................................................................................................................... 404
Inhaltsverzeichnis
2.9 2.10 3
Bohrgestängeantrieb ...................................................................................................................... 407 3.1 3.2 3.3 3.5
4
4.3
1
Allgemeines ....................................................................................................................... 418 Bohrwerkzeuge für das Bohren mit direkter Spülung – Rotary-Bohrverfahren ................. 419 4.2.1 Rollenbohrwerkzeuge/Rollenmeißel .................................................................... 419 4.2.2 IADC – Code für Rollenmeißel............................................................................ 428 4.2.3 Gesteinszerstörung durch Rollenmeißel ............................................................... 428 4.2.4 Klassifizierung von Rollenbohrwerkzeugen ........................................................ 429 4.2.5 Verschleißbeurteilung von Rollenbohrwerkzeugen ............................................. 430 4.2.6 Diamantbohrwerkzeuge ....................................................................................... 432 4.2.7 Meißelkostenberechnung ..................................................................................... 437 4.2.8 Arbeitsweise von Diamantbohrwerkzeugen ......................................................... 438 Gestänge und Werkzeuge für das Bohren mit indirekter Spülung ..................................... 439 4.3.1 Allgemeines ......................................................................................................... 439 4.3.2 Schraubgestänge für das Lufthebeverfahren ........................................................ 440 4.3.3 Flanschbohrgestänge ............................................................................................ 441 4.3.4 Stabilisatoren und Übergänge .............................................................................. 444 4.3.5 Schwerstangen...................................................................................................... 445 4.3.6 Bohrmeißel für das indirekte Spülbohrverfahren ................................................. 446 4.3.7 Fangwerkzeuge .................................................................................................... 451 4.3.8 Spülkopf (Rotary swivels) .................................................................................... 453
Spülung – Verrohrung – Zementation Spülung .......................................................................................................................................... 455 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5
2
Drehtisch ............................................................................................................................ 407 Der Topdrive – [Kraftdrehkopf]......................................................................................... 409 Der Bohrmotor – (Downhole Motor) ................................................................................. 410 Neue Downhole-Systeme................................................................................................... 411 3.5.1 Entwicklung ......................................................................................................... 411 3.5.2 Das AutoTrak-System .......................................................................................... 412 3.5.3 Forschung in der Tiefe ......................................................................................... 413 3.5.4 AutoTrak-Funktions-System ................................................................................ 414 3.5.5 Vertikalbohrsystem .............................................................................................. 415 3.5.6 Ein weiteres neues System in der Tiefbohrtechnik .............................................. 416 3.5.7 Wired Drill Pipe ................................................................................................... 418
Drehbohrwerkzeuge ....................................................................................................................... 418 4.1 4.2
H
Stoßdämpfer ....................................................................................................................... 406 Schlagschere ...................................................................................................................... 407
Allgemeines ....................................................................................................................... 455 Spülungskreislauf und Aufbereitung.................................................................................. 455 Spülungsbestandteile.......................................................................................................... 462 Fließverhalten von Bohrspülungen u. Bohrlochhydraulik ................................................. 466 Spülungsuntersuchungen ................................................................................................... 468
Verrohrung (Futterrohre, Casing) .................................................................................................. 473 2.1 2.2 2.3 2.4
Bohrlochkonstruktion ........................................................................................................ 473 Arten von Rohrtouren (Casing String) ............................................................................... 474 Futterrohrverbinder ............................................................................................................ 476 Berechnung von Futterrohren ............................................................................................ 479 2.4.1 Allgemeines ......................................................................................................... 479
XV
XVI
Inhaltsverzeichnis
2.4.2 2.4.3 3
Zementation ................................................................................................................................... 481 3.1 3.2 3.3
I 1 2
Allgemeines ................................................................................................................................... 487 Kick-Entstehung ............................................................................................................................ 489 Drucksituation .................................................................................................................... 489 Unzureichende Spülungsdichte .......................................................................................... 490 Unzureichend gefülltes Bohrloch ...................................................................................... 493 Spülungsverluste ................................................................................................................ 495 Vergaste Spülung ............................................................................................................... 500 Menschliches Versagen ...................................................................................................... 502
Kickerkennung ............................................................................................................................... 502 3.1
3.2
3.3 3.4 4
Zementationsverfahren ....................................................................................................... 481 Tiefbohrzemente ................................................................................................................ 485 Zementationskontrolle........................................................................................................ 486
Bohrlochkontrolle
2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 3
Durchzuführenden Berechnungen ........................................................................ 480 Ein- und Anbauteile.............................................................................................. 481
Kickanzeichen während des Bohrens ................................................................................. 503 3.1.1 Warnzeichen ......................................................................................................... 503 3.1.2 Positive Kick-Anzeichen ...................................................................................... 507 Anzeichen während des Roundtrips ................................................................................... 509 3.2.1 Das Bohrloch nimmt während des Roundtrips nicht das berechnete Spülungsvolumen auf ......................................................................... 509 3.2.2 Das Bohrloch läuft während des Einbauens stark über......................................... 509 Anzeichen, wenn sich kein Gestänge im Bohrloch befindet .............................................. 509 Der Flowcheck ................................................................................................................... 510
Bohrlochbeherrschung ................................................................................................................... 511 4.1 4.2
4.3
Primäre Bohrlochbeherrschung .......................................................................................... 511 Sekundäre Bohrlochbeherrschung ...................................................................................... 512 4.2.1 Allgemeines .......................................................................................................... 512 4.2.2 Einschließverfahren beim Bohren ........................................................................ 513 4.2.3 Einschließen während des Roundtrips .................................................................. 516 4.2.4 Einschließen, wenn sich kein Bohrstrang im Bohrloch befindet .......................... 516 4.2.5 Grenzen beim Einschließen einer Bohrung .......................................................... 517 Identität des Kicks .............................................................................................................. 519
5
Konventionelle Totpumpverfahren ................................................................................................ 520
6
Warte- und Beschwere-Methode.................................................................................................... 526 6.1 6.2 6.3
7
Allgemeines ....................................................................................................................... 526 Vorgehensweise bei der Warte- und Beschwere-Methode ................................................. 527 Druckverläufe..................................................................................................................... 528
Die Bohrmeistermethode ............................................................................................................... 529 7.1 7.2
Allgemeines ....................................................................................................................... 529 Vorgehensweise bei der Bohrmeistermethode ................................................................... 530
8
Gleichzeitige Methode ................................................................................................................... 532
9
Beschweren der Spülung ................................................................................................................ 533
10
Unkonventionelle Totpumpverfahren ............................................................................................ 534
Inhaltsverzeichnis
11
Die Volumetrische Methode .......................................................................................................... 535
12
Die Low Choke Methode............................................................................................................... 537
13
Die dynamische Totpumpmethode ................................................................................................ 538
14
Die Über-Kopf-Totpumpmethode.................................................................................................. 539
15
Totpumpmethode mit linksläufigem Spülungsumlauf ................................................................... 540
16
Vergleich der Verfahren ................................................................................................................ 541
17
Drücke im Bohrloch ...................................................................................................................... 543 17.1 17.2 17.3 17.4
18
Spezielle Probleme der Bohrlochkontrolle .................................................................................... 556 18.1
18.2 18.3 18.4 18.5
18.6 18.7 18.8
19
Allgemeines ....................................................................................................................... 571 Bohrlochkontrolle in stark geneigten und Horizontalbohrungen ....................................... 571 Bohrlochkontrolle in Slimhole Bohrungen ........................................................................ 577 Bohrlochkontrolle beim Underbalanced Drilling ............................................................... 581
Vorbeugende Maßnahmen ............................................................................................................. 583 20.1 20.2
20.3
20.4 21
Untertage-Blowouts ........................................................................................................... 556 18.1.1 Entstehung von Untertage-Blowouts .................................................................... 556 18.1.2 Anzeichen für Untertage-Blowouts ...................................................................... 557 18.1.3 Bekämpfungsmaßnahmen .................................................................................... 558 Kicks nach der Zementation .............................................................................................. 560 Gestänge-Ausbrüche .......................................................................................................... 561 Sauergas – Kicks ................................................................................................................ 561 Behinderung der Zirkulation .............................................................................................. 562 18.5.1 Durchspüler .......................................................................................................... 563 18.5.2 Verstopfter Strang ................................................................................................ 564 Shallow Kicks .................................................................................................................... 565 Spülungsverluste ................................................................................................................ 566 Stripping und Snubbing ..................................................................................................... 567 18.8.1 Allgemeines ......................................................................................................... 567 18.8.2 Stripping (Abpumpen).......................................................................................... 568 18.8.3 Strippen mittels zwei Preventern .......................................................................... 569 18.8.4 Druck-Kontrolle beim Strippen ............................................................................ 569 18.8.5 Snubbing (Einschleusen) ...................................................................................... 570
Bohrlochkontrolle .......................................................................................................................... 571 19.1 19.2 19.3 19.4
20
Einschließdrücke ................................................................................................................ 543 Bohrlochsohlendruck ......................................................................................................... 545 Drücke im Ringraum.......................................................................................................... 546 Der MAASP ....................................................................................................................... 551
Allgemeines ....................................................................................................................... 583 Die Erkennung abnormaler Druckhorizonte ...................................................................... 584 20.2.1 Definition ............................................................................................................ 584 20.2.2 Erkennen von abnormalen Drücken vor Bohrbeginn ........................................... 587 20.2.3 Erkennen von abnormalen Drücken beim Bohren................................................ 587 Ermittlung von Rohrabsetzteufen ...................................................................................... 589 20.3.1 Allgemeines ......................................................................................................... 589 20.3.2 Ermittlung von Rohrabsetzteufen bei gegebenem Verlauf von Porenund Formationsdrücken ........................................................................................ 590 Swab- und Surge-Drücke ................................................................................................... 592
Abkürzungen ................................................................................................................................. 594
XVII
XVIII
Inhaltsverzeichnis
J
Bohrlochabsperrungen (Preventer)
1
Allgemeines ................................................................................................................................... 595
2
Rechtliche Grundlagen und Vorschriften ....................................................................................... 595
3
Bohrlochverflanschungen .............................................................................................................. 597
4
Bohrloch-Absperreinrichtungen ..................................................................................................... 603 4.1 4.2
4.3
4.4 4.5 5
Preventer-Schließanlagen............................................................................................................... 625 5.1 5.2
5.3 5.4 5.5 6 7
Choke- und Kill-Lines, Chokemanifold, Düsen ............................................................................. 642 Allgemeines ....................................................................................................................... 642 Choke-Lines und Chokemanifold ...................................................................................... 642 Düsen (Chokes) .................................................................................................................. 646 Kill-Lines ........................................................................................................................... 648 Düsen-Fernsteuerstand ....................................................................................................... 649 Druck- und Funktionsprüfungen von Druckkontrolleinrichtungen .................................... 651 7.6.1 Funktionsprüfungen .............................................................................................. 651 7.6.2 Druckprüfungen.................................................................................................... 651
Messgeräte für die Bohrlochkontrolle ............................................................................................ 657 8.1 8.2 8.3
9
Allgemeines ....................................................................................................................... 625 Schließanlage ..................................................................................................................... 625 5.2.2 Pumpen ................................................................................................................. 626 5.2.3 Druckspeicher (Akkumulatoren) .......................................................................... 627 5.2.4 Manifold ............................................................................................................... 630 5.2.5 Steuerventile ......................................................................................................... 630 Fernsteuerstand .................................................................................................................. 632 Hydraulikleitungen............................................................................................................. 635 Auslegung der Druckspeicherbehälter ............................................................................... 635
Preventeranordnungen ................................................................................................................... 638 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6
8
Allgemeines ....................................................................................................................... 603 Backenpreventer................................................................................................................. 605 4.2.1 Allgemeines .......................................................................................................... 605 4.2.2 Aufbau und Funktion der Backenpreventer .......................................................... 606 4.2.3 Preventerbacken ................................................................................................... 610 4.2.4 Arretieren von Preventerbacken ........................................................................... 614 Ringpreventer ..................................................................................................................... 615 4.3.1 Allgemeines .......................................................................................................... 615 4.3.2 Aufbau und Funktion der Ringpreventer .............................................................. 616 4.3.3 Diverter................................................................................................................. 619 4.3.4 Stripper ................................................................................................................. 619 4.3.5 Rotationspreventer................................................................................................ 619 Preventer für Workoverarbeiten ......................................................................................... 621 Gestänge-Preventer ............................................................................................................ 622
Auslaufmessgerät ............................................................................................................... 658 Tankstandsanzeige ............................................................................................................. 658 Moderne Kick-Früherkennungssyteme .............................................................................. 659
Ölunfall im Golf von Mexiko ........................................................................................................ 659 9.1 9.2
Allgemeines ....................................................................................................................... 659 Die Bohrplattform .............................................................................................................. 660
Inhaltsverzeichnis
9.3 9.4 9.5 9.6 9.7 9.8
K 1
Besonderheiten der Offshore-Bohrtechnik Offshore- (Meeres-) Bohrtechnik .................................................................................................. 669 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 1.9
2
1
Allgemeines ....................................................................................................................... 669 Entwicklung der Offshore-Bohrtechnik ............................................................................. 669 Besonderheiten der Offshore-Bohrtechnik......................................................................... 670 Gruppen von Offshore Bohranlagen .................................................................................. 673 Offshore-Bohrungen in der Nordsee .................................................................................. 679 Erdgas aus dem „Entenschnabel“....................................................................................... 680 Erdöl- und Erdgasgewinnung in der Tiefsee ...................................................................... 681 Die Geschichte eines „Giganten“ ....................................................................................... 683 Erdöl und Erdgas in der Nordsee ....................................................................................... 684
Offshore-Tiefbohranlage aus deutscher Produktion ...................................................................... 685 2.1 2.2
L
Der Unfallhergang ............................................................................................................. 661 Versagen des Blowout-Preventers ..................................................................................... 663 Auslaufendes Öl und Ölkatastrophe................................................................................... 664 Maßnahmen zur Schadensbegrenzung ............................................................................... 664 Gründe für Bohrungen in großen Meerestiefen ................................................................. 667 Schlussfolgerung des Autors .............................................................................................. 668
Allgemeines ....................................................................................................................... 685 Aufbau und Kenndaten ...................................................................................................... 685
Onshore Bohrtechnik Aufbau und Einrichtung ................................................................................................................ 690 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5
1.6
1.7 1.8 1.9 1.10
1.11 1.12
Arbeitsvorbereitungen........................................................................................................ 690 Einrichtung und Aufbau ..................................................................................................... 691 Probelauf ............................................................................................................................ 692 Setzen der Ankerrohrtour ................................................................................................... 692 Voruntersuchungen ............................................................................................................ 693 1.5.1 Allgemeines ......................................................................................................... 693 1.5.2 Geowissenschaftliche Untersuchungen ................................................................ 694 Gewinnung von Bohrkernen .............................................................................................. 699 1.6.1 Allgemeines ......................................................................................................... 699 1.6.2 Beschreibung des Seilkernrohr-Verfahrens .......................................................... 699 Technische Rohrtouren ...................................................................................................... 703 Festlegung des Anfangsdurchmessers ................................................................................ 704 Senkrechte Bohrungen ....................................................................................................... 704 Bohrmotoren, Bohrturbinen und MWD-Antriebe .............................................................. 705 1.10.1 Allgemeines ......................................................................................................... 705 1.10.2 Beschreibung des Verfahrens ............................................................................... 705 1.10.3 Datenübertragung durch Schlamm ....................................................................... 706 1.10.4 Bohrmotoren und -turbinen für das Senkrechtbohren .......................................... 707 1.10.5 Anwendung, Bedienung und Auswertung ............................................................ 708 Horizontalbohrtechnik ....................................................................................................... 709 Weiterer Verlauf der Bohrung ........................................................................................... 711 1.12.1 Einbau der Produktionstour und Produktionsstrang ............................................. 711 1.12.2 Abschluss der Bohrung ........................................................................................ 711
XIX
XX
Inhaltsverzeichnis
2
Neue Verfahren in der Bohrtechnik ............................................................................................... 712 2.1 2.2 2.3
3
Einsatzbericht über eine moderne Tiefbohranlage ......................................................................... 714 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8 3.9 3.10 3.11 3.12 3.13 3.14
M
Allgemeines ....................................................................................................................... 712 Dehnbare Futterrohre ......................................................................................................... 712 Bohr-Futterrohre mit Elastomere ....................................................................................... 713 Allgemeines ....................................................................................................................... 714 Beschreibung des Projektes ................................................................................................ 714 Beschreibung der Bohranlage ............................................................................................ 715 Unterbau, Rigfloor und Pipehandler .................................................................................. 718 Bohrmast ............................................................................................................................ 718 Top-Drive mit integriertem Hebewerk ............................................................................... 719 Driller-Kabine .................................................................................................................... 720 Hydraulische Power-Packs ................................................................................................. 720 Spülungspumpen ................................................................................................................ 721 Feststoffkontrolle ............................................................................................................... 721 Tankanlage ......................................................................................................................... 722 Energieversorgung ............................................................................................................. 722 Besondere Features im Zusammenhang mit dem Projekt .................................................. 723 Ergänzungen zu den STREICHER Tiefbohranlagen ......................................................... 725
Erdöl- und Erdgas-Gewinnung in Deutschland
1
Übersicht ........................................................................................................................................ 727
2
Überwindung ungünstiger geol. Verhältnisse ................................................................................ 727
3
Öl- und Gasreserven ...................................................................................................................... 728
4
Förderung ....................................................................................................................................... 728
5
Horizontalbohrtechnik und Multi-Frac-Technik ............................................................................ 729
6
Erdöl-Förderung ............................................................................................................................. 730
7
Sekundär- und Tertiärverfahren ..................................................................................................... 732
8
Offshore - Förderung in der Nordsee ............................................................................................. 733
9
Erdölförderung im Wattenmeer ..................................................................................................... 733
10
Erdöl-Aufbereitung ........................................................................................................................ 735
11
Exploration und Produktion 2007 .................................................................................................. 735 11.1 11.2 11.3 11.4 11.5 11.6 11.7 11.8 11.9
12
Kurzfassung ....................................................................................................................... 735 Einleitung ........................................................................................................................... 736 Bohrtätigkeit ...................................................................................................................... 736 Explorationsbohrungen ...................................................................................................... 736 Aufschlussbohrungen ......................................................................................................... 737 Teilfeldsuchbohrungen im Gebiet Elbe-Weser .................................................................. 737 Feldesentwicklungsbohrungen ........................................................................................... 738 Bohrmeter .......................................................................................................................... 739 Aktuelle Kennzahlen der Erdöl- und Gasförderung ........................................................... 739
Historik der Öl- und Gasgewinnung in Deutschland ..................................................................... 740
Inhaltsverzeichnis
N 1
XXI
Erdöl- und Erdgasspeicherung Untertage-Speichertechnik............................................................................................................. 743 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 1.9 1.10 1.11 1.12 1.13 1.14 1.15 1.16 1.17
Allgemeines ....................................................................................................................... 743 Grundzüge der Untertage-Gasspeicherung ....................................................................... 745 Bohrarbeiten ...................................................................................................................... 746 Komplettieren .................................................................................................................... 746 Einspeicherung................................................................................................................... 746 Entnahme ........................................................................................................................... 747 Sicherheitseinrichtungen .................................................................................................... 748 Lage und Kenndaten der Erdgas und Erdölspeicher .......................................................... 748 Speicher aus der Solegewinnung ....................................................................................... 751 Untertage-Kavernen-Speicheranlage Epe ) ........................................................................ 752 Näheres zum Salzbergwerk Epe ........................................................................................ 753 Bedeutung der Anlage........................................................................................................ 753 Geologie der Salzlagerstätte Epe ....................................................................................... 753 Gewinnung ......................................................................................................................... 754 Erdölspeicherung im Kavernenfeld Epe ............................................................................ 756 Erdgasspeicherung im Kavernenfeld Epe .......................................................................... 756 Übersicht über die Kavernenspeicher in Epe ..................................................................... 758
Teil III O
Bohrungen in der Bautechnik
1
Allgemeines ................................................................................................................................... 760
2
Geräte ............................................................................................................................................ 760 2.1
2.2
2.3
2.4
2.5
Seilbagger .......................................................................................................................... 760 2.1.1 Baugruppen .......................................................................................................... 760 2.1.2 Mobilseilbagger.................................................................................................... 762 2.1.3 Raupenseilbagger ................................................................................................. 764 Hydraulikbagger ................................................................................................................ 769 2.2.1 Allgemeines ......................................................................................................... 769 2.2.2 Mobil-Hydraulikbagger........................................................................................ 770 2.2.3 Raupen-Hydraulikbagger ..................................................................................... 771 Drehbohrgeräte .................................................................................................................. 772 2.3.1 Allgemeines ......................................................................................................... 772 2.3.2 Drehbohreinrichtungen ohne Führung ................................................................. 772 2.3.3 Drehbohrgeräte mit feststehenden Drehantrieben ................................................ 773 2.3.4 Drehbohrgeräte mit geführten Drehantrieben....................................................... 775 Spülbohrgeräte ................................................................................................................... 795 2.4.1 Allgemeines ......................................................................................................... 795 2.4.2 Spülbohranlagen ................................................................................................... 795 Verrohrungseinrichtungen ................................................................................................. 797 2.5.1 Allgemeines ......................................................................................................... 797 2.5.2 Statische Auflast................................................................................................... 797 2.5.3 Hydraulische Verrohrungsmaschinen – oszillierend ............................................ 798 2.5.4 Hydraulische Verrohrungsmaschinen – durchdrehend ......................................... 804
XXII
Inhaltsverzeichnis
2.6
2.7
2.8
3
2.5.5 Verrohrung über den Kraftdrehkopf (Primärverrohrung) ..................................... 806 2.5.6 HW-Verfahren (pneumatisches System) .............................................................. 809 2.5.7 Vibrationsverfahren .............................................................................................. 810 Sondergeräte....................................................................................................................... 812 2.6.1 Allgemeines .......................................................................................................... 812 2.6.2 Bohrarbeiten bei geringer Arbeitshöhe ................................................................. 812 Verrohrung ......................................................................................................................... 813 2.7.1 Allgemeines .......................................................................................................... 813 2.7.2 Bohrrohre ohne Verbindungselemente ................................................................. 813 2.7.3 Nietbohrrohre (Brunnenrohre) .............................................................................. 814 2.7.4 Bohrrohre mit Gewindeverbindung ...................................................................... 814 2.7.5 Bohrrohre mit Bajonettverschluss ........................................................................ 814 2.7.6 Bohrrohre mit Schnellverbindung (Nippelbohrrohre) .......................................... 815 2.7.7 Schneidschuhe ...................................................................................................... 819 2.7.8 Schneidschuhbestückung ...................................................................................... 820 2.7.9 Zubehör ................................................................................................................ 823 2.7.10 Grundsätzliche Hinweise ...................................................................................... 824 2.7.11 Sicherheitstechnische Hinweise ........................................................................... 824 Schlagbohrwerkzeuge ........................................................................................................ 825 2.8.1 Allgemeines .......................................................................................................... 825 2.8.2 Mechanische Seilbohrgreifer ................................................................................ 825 2.8.3 Bohrgreifer-Einseilbetrieb .................................................................................... 825 2.8.4 Bohrgreifer-Zweiseilbetrieb ................................................................................. 825 2.8.5 Greifersysteme...................................................................................................... 826 2.8.6 Seilbohrgreifer System Leffer .............................................................................. 826 2.8.7 Kiespumpen .......................................................................................................... 830 2.8.8 Schlamm- und Schlagbüchsen .............................................................................. 831 2.8.9 Bohrmeißel ........................................................................................................... 832
Drehbohrwerkzeuge ....................................................................................................................... 835 3.1 3.2
3.3
3.4
3.5 3.6
Allgemeines ....................................................................................................................... 835 Meißel und Pilotbohrer für Drehbohrwerkzeuge................................................................ 836 3.2.1 Allgemeines .......................................................................................................... 836 3.2.2 Schneidenausbildung für rollige Böden................................................................ 837 3.2.3 Schneidenausbildung für bindige Böden .............................................................. 838 3.2.4 Meißelbestückung für Fels und felsähnliche Böden ............................................. 839 3.2.5 Wahl der Piloten ................................................................................................... 839 3.2.6 Sonderformen ....................................................................................................... 839 3.2.7 Normalbohrschnecken .......................................................................................... 840 Bohrverfahren mit durchgehenden Bohrschnecken............................................................ 852 3.3.1 Allgemeines .......................................................................................................... 852 3.3.2 Teilverdrängungsbohrschnecken .......................................................................... 852 3.3.3 Vollverdrängungsbohrschnecken ......................................................................... 855 3.3.4 Automatische Bohrrohrkupplung ......................................................................... 860 3.3.5 Schneckenabstreifer.............................................................................................. 861 Tiefloch-Bohrhämmer ........................................................................................................ 862 3.4.1 Allgemeines .......................................................................................................... 862 3.4.2 System der Tieflochhammerbohrung ................................................................... 863 3.4.3 Nutzungshinweise für Imloch-Bohrhämmer......................................................... 865 Spülbohrverfahren mit Rollenmeißel-Flachbohrköpfen ..................................................... 871 Sonstige Geräte .................................................................................................................. 872
Inhaltsverzeichnis
P 1 2
Baugrunderkundungsbohrungen Allgemeines ................................................................................................................................... 875 Bohrgeräte ..................................................................................................................................... 875 2.1 2.2
2.3
3
Allgemeines ....................................................................................................................... 875 Drehbohrgeräte für die Baugrunderkundung ..................................................................... 876 2.2.1 Baugruppen der Drehbohrgeräte .......................................................................... 876 2.2.2 Fahrwerke und Trägergeräte ................................................................................ 876 2.2.3 Gerätekomponenten ............................................................................................. 881 2.2.4 Antrieb der Bohrwerkzeuge ................................................................................. 885 2.2.5 Verrohrungseinrichtungen .................................................................................... 889 2.2.6 Seilschlagwerk ..................................................................................................... 892 2.2.7 Winden ................................................................................................................. 893 2.2.8 Pumpen................................................................................................................. 894 2.2.9 Antriebsmotor ...................................................................................................... 897 2.2.10 Hydraulikaggregat ................................................................................................ 898 2.2.11 Kompressoren ...................................................................................................... 899 2.2.12 Steuerstand ........................................................................................................... 900 2.2.13 Sonstige Ausstattungen ........................................................................................ 901 Verschiedene Bohrgeräte neuer Bauart .............................................................................. 906 2.3.1 Geräte der Fa. Nordmeyer GmbH & Co. KG, Peine ............................................ 906 2.3.2 Bohrgeräte der Geotec Bohrtechnik GmbH, Nordkirchen ................................... 912 2.3.3 Bohrgeräte der SATVIA Maschinen- und Bohrgerätebau GmbH ........................ 922 2.3.4 Vertikal- Flachbohranlage der Prakla Bohrtechnik GmbH, Peine........................ 927
Bohrtechnik in der Baugrunderkundung ........................................................................................ 931 3.1 3.2 3.3
3.4
3.5
Allgemeines ....................................................................................................................... 931 Unterscheidungsmerkmale der Bohrverfahren ................................................................... 932 Beschreibung der Bohrverfahren ....................................................................................... 933 3.3.1 Allgemeines ......................................................................................................... 933 3.3.2 Schlagbohrverfahren ............................................................................................ 933 Drehbohrverfahren ohne Spülung ...................................................................................... 936 3.4.1 Allgemeines ......................................................................................................... 936 3.4.2 Schneckenbohrverfahren ...................................................................................... 936 3.4.3 Bohren mit Verdrängungsbohrschnecken ............................................................ 939 3.4.4 Bohren mit Hohlbohrschnecke ............................................................................. 939 3.4.5 Bohren mit Drehbohrschappen ............................................................................. 940 3.4.6 Bohren mit Trockenkernrohre .............................................................................. 940 3.4.7 Rammkernbohrverfahren...................................................................................... 941 Drehbohrverfahren mit Spülung ........................................................................................ 944 3.5.1 Allgemeines ......................................................................................................... 944 3.5.2 Bohrverfahren ...................................................................................................... 944 3.5.3 Kernbohrungen mit dem Einfachkernrohr ............................................................ 945 3.5.4 Kernbohrungen mit dem Doppelkernrohr ............................................................ 947 3.5.5 Kernbohrungen mit dem Seilkernrohr .................................................................. 948 3.5.6 Diamantbohrkronen für das Kernspülverfahren ................................................... 951 3.5.7 Bohrkronensystem................................................................................................ 957 3.5.8 Bohrgestänge ........................................................................................................ 969
XXIII
XXIV
Inhaltsverzeichnis
Q 1
Bohrungen im Bergbau und Ölfeld Erkundungsbohrungen ................................................................................................................... 971 1.1
1.2
1.3
1.4 2
Schachtbohrungen .......................................................................................................................... 975 2.1 2.2
2.3 3
Allgemeines ....................................................................................................................... 975 Großloch-Bohrtechnik........................................................................................................ 976 2.2.1 Großbohrungen für Schächte..................................................................................... 976 2.2.2 Großbohranlage der Fa. Herrenknecht ................................................................. 977 2.2.3 Schachtbohrsystem (SBS) der Herrenknecht AG ................................................. 980 2.2.4 Beschreibung einer Schachtbohrung mit der Großbohranlage VSM 2500 von Herrenknecht ............................................................................ 983 2.2.5 Ausblick ............................................................................................................... 988 Aufsatzbohranlagen............................................................................................................ 989
Bohrungen im Salzbergbau ............................................................................................................ 995 3.1 3.2 3.3 3.4
4
Exploration in den Steinkohlenlagerstätten ........................................................................ 971 1.1.1 Vorbemerkungen .................................................................................................. 971 1.1.2 Exploration ........................................................................................................... 971 1.1.3 Exploration über Tage .......................................................................................... 972 1.1.4 Bohrexploration .................................................................................................... 972 1.1.5 Exploration unter Tage ......................................................................................... 972 1.1.6 Sondervermessungen ............................................................................................ 972 1.1.7 Stereo Photogrammetrie ....................................................................................... 972 1.1.8 Bohrexploration .................................................................................................... 973 Bohrtechnik ........................................................................................................................ 973 1.2.1 Allgemeines .......................................................................................................... 973 1.2.2 Horizontalbohrtechnik im Gestein ........................................................................ 973 1.2.3 Horizontalbohrtechnik in der Kohle ..................................................................... 973 1.2.4 Vertikalbohrtechnik .............................................................................................. 973 Seismik ............................................................................................................................... 974 1.3.1 Allgemeines .......................................................................................................... 974 1.3.2 Flözwellenseismik ................................................................................................ 974 Zusammenfassung .............................................................................................................. 974
Allgemeines ....................................................................................................................... 995 Bohrverfahren .................................................................................................................... 995 100ste Bohrung für Solvay hergestellt .............................................................................. 996 Neues Verfahren reduziert Flächenverbrauch .................................................................... 996
Rohstoffsituation und Vorräte in Deutschland ............................................................................... 997
Teil IV R
Geothermiebohrungen
1
Die Geothermie ............................................................................................................................ 1000
2
Geothermiequellen ....................................................................................................................... 1001 2.1 2.2
Allgemeines ..................................................................................................................... 1001 Niedertemperatur-Geothermiequellen .............................................................................. 1001
Inhaltsverzeichnis
2.3 2.4 3
Gewinnungsarten ..........................................................................................................................1003 3.1
3.2
3.4
3.5 3.6
3.7 4
Mitteltemperatur-Geothermiequellen ................................................................................1002 Hochtemperatur-Geothermiequellen .................................................................................1002 Erdwärmesonden ..............................................................................................................1004 3.1.1 Allgemeine ..........................................................................................................1004 3.1.2 Systembeschreibungen ........................................................................................1004 3.1.3 Funktion einer erdgekoppelten Wärmepumpe.....................................................1005 3.1.4 Erdwärmesonden-Felder .....................................................................................1007 Bohr- und Einbautechnik für Erdwärmesonden ................................................................1008 3.2.1 Allgemeines ........................................................................................................1008 3.3.2 Bohrverfahren .....................................................................................................1008 3.3.3 Einbau der Sondenrohre ......................................................................................1009 3.3.4 Verpressung der Sondenbohrung ........................................................................1009 3.3.5 Bohrdurchmesser und Sondenrohre ....................................................................1010 3.3.6 Bohrrohre, Innengestänge und Bohrköpfe...........................................................1011 3.3.7 Auswahl der Bohranlage für die Oberflächennahe Geothermie ..........................1012 Erdberührte Bauteile .........................................................................................................1018 3.4.1 Allgemeines ........................................................................................................1018 3.4.2 Energiepfähle ......................................................................................................1018 3.4.3 Energie-Spiralkörbe ............................................................................................1021 3.4.4 Erdwärmekörbe ...................................................................................................1021 3.4.5 Erdwärmekollektoren ..........................................................................................1023 Neuere Entwicklungen ......................................................................................................1023 Energie aus dem Grundwasser ..........................................................................................1027 3.6.1 Voraussetzungen .................................................................................................1027 3.6.2 Lage der Brunnen ................................................................................................1027 Saisonale Wärmespeicher .................................................................................................1028
Tiefengeothermie ..........................................................................................................................1029 4.1 4.2 4.3 4.4
4.5
Allgemeines ......................................................................................................................1029 Entstehung und Vorrat der Erdwärme...............................................................................1030 Tiefe Erdwärmesonde .......................................................................................................1030 Petrothermale Systeme......................................................................................................1032 4.4.1 Allgemeines ........................................................................................................1032 4.4.2 Allgemeines zu Tiefbohranlagen im Bereich der Erdwärmeerschließung .........1034 Geräte für Geothermie-Tiefbohrungen .............................................................................1034 4.5.1 Allgemeines ........................................................................................................1034 4.5.2 Technische Daten, Beschreibungen und Details .................................................1036 4.5.3 Platzbedarf ..........................................................................................................1038 4.5.4 Fahrerstand (Driller´s Cabin) ..............................................................................1038 4.5.5 Pipe Handling Systeme .......................................................................................1038 4.5.6 Top Drive ............................................................................................................1039 4.5.7 Elevator und Verschraubeinheit ..........................................................................1039 4.5.8 Schallschutz ........................................................................................................1040 4.5.9 Vorteile des Zylinderhebewerkes gegen Seilhebewerk .......................................1040 4.5.10 Gestängelager + PipeHandler ..............................................................................1040 4.5.11 Antriebssysteme ..................................................................................................1041
5
Genehmigungsverfahren ...............................................................................................................1041
6
Zusammenfassung ........................................................................................................................1041
XXV
XXVI
Inhaltsverzeichnis
S 1
Horizontalbohrungen Horizontalbohrsysteme ................................................................................................................ 1043 1.1 1.2
2
Horizontal-Schneckenbohrverfahren ........................................................................................... 1049 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5
3
Allgemeines ..................................................................................................................... 1049 Langrahmenmaschinen System Bohrtec .......................................................................... 1049 Kompaktmaschinen System Bohrtec................................................................................ 1050 Ungesteuerter Vortrieb ..................................................................................................... 1051 Gesteuertes Vortriebsverfahren ........................................................................................ 1052 2.5.1 Pilotvortrieb ........................................................................................................ 1052 2.5.2 Messtechnik ........................................................................................................ 1053 2.5.3 Dreistufiges Gesteuertes Pilotverfahren mit Aufweitung ................................... 1053 2.5.4 Zweistufiges Gesteuertes Pilotverfahren ............................................................ 1056 2.5.5 Zweistufiges Gesteuertes Pilotverfahren mit Stahlrohreinbau ............................ 1057 2.5.6 Pilotrohrvortrieb mit aktiver Aufweitung ........................................................... 1058 2.5.7 Gesteuertes Front-Steer-Verfahren ..................................................................... 1058 2.5.8 Aktive Aufweitung mit Innenverrohrung ........................................................... 1059 2.5.9 Aufweitung mit Backreamer und Einzug von Kunststoffrohren ........................ 1060 2.5.10 Produktrohre ....................................................................................................... 1061
Horizontalbohrungen nach dem AVN-Verfahren ........................................................................ 1062 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7
4
Allgemeines ..................................................................................................................... 1043 Baugrundverhältnisse ....................................................................................................... 1044 1.2.1 Allgemeines ........................................................................................................ 1044 1.2.2 Das Baugrundrisiko ............................................................................................ 1047
Allgemeines ..................................................................................................................... 1062 Start- und Zielschächte ..................................................................................................... 1062 Dehnerstationen ............................................................................................................... 1063 Schmierung ...................................................................................................................... 1063 Rohrmaterial..................................................................................................................... 1065 Mess- und Navigationstechnik ......................................................................................... 1065 Microtunnelbau ................................................................................................................ 1066 3.7.1 Allgemeines ........................................................................................................ 1066 3.7.2 Microtunnelbau mit Schneckenförderung .......................................................... 1067 3.7.3 Microtunnelbau mit Spülförderung .................................................................... 1069 3.7.4 Microtunnelbau mit Spülförderung und Druckluftpolster .................................. 1070 3.7.5 Microtunnelbau mit Dickstoffförderung und Erddruckstützung (EPB) .............. 1070 3.7.6 Microtunnelbau mit pneumatischer Förderung ................................................... 1070 3.7.7 Vorteile des Minitunnelverfahrens ..................................................................... 1071
Horizontal-Spülbohrtechnik (HDD) ............................................................................................. 1072 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7
Allgemeines ..................................................................................................................... 1072 Vorteile des Verfahrens.................................................................................................... 1073 Pilotbohrung (Arbeitsschritt 1)......................................................................................... 1073 Räumen des Bohrkanals (Arbeitsschritt 2) ....................................................................... 1074 Einziehvorgang (Arbeitsschritt 3) .................................................................................... 1075 Anwendungsgebiete des HDD Verfahrens ....................................................................... 1075 Geräte und Werkzeuge ..................................................................................................... 1076 4.7.1 Allgemeines ........................................................................................................ 1076 4.7.2 HDD-Bohranlagen .............................................................................................. 1077 4.7.3 Details der HDD-Anlagen .................................................................................. 1087 4.7.4 Einsatzbeispiel .................................................................................................... 1089
Inhaltsverzeichnis
4.8
4.9
4.10
4.11 4.12 4.13
4.7.5 Komponenten der Bohranlage .............................................................................1090 4.7.6 Bohrspülungen ....................................................................................................1097 4.7.7 Bohrstrang und Bohrwerkzeuge ..........................................................................1113 4.7.8 Steuerungs- und Ortungstechnik .........................................................................1126 4.7.9 Bedienpult ...........................................................................................................1130 4.7.10 Transport- und Versorgungsvorrichtung .............................................................1131 4.7.11 HDD-Kompaktanlagen mit Mischanlage ............................................................1132 4.7.12 Recycling-Anlage (optional) ...............................................................................1133 4.7.13 HDD-Zubehör .....................................................................................................1133 HDD-Felsbohrtechnik mit spülungsarmen Mud-Motoren ................................................1133 4.8.1 Allgemeines ........................................................................................................1133 4.8.2 Grundsätzliche Eigenheiten von Mud-Motoren ..................................................1134 4.8.3 HDD- Einsatzfelder von Mud-Motoren ..............................................................1134 4.8.4 Arbeitsweise von Mud-Motoren..........................................................................1135 4.8.5 Leistungscharakteristik........................................................................................1137 4.8.6 Besonderheiten von HDD -Mud- Motoren ..........................................................1137 4.8.7 HDD-Motoren für kleine Bohrgeräte ..................................................................1138 Beispiele für interessante Baumaßnahmen im HDD-Verfahren .......................................1140 4.9.1 Allgemeines ........................................................................................................1140 4.9.2 Unterführung der Elbe zwischen Freiburg und Brunsbüttel ................................1140 4.9.3 Grabenlose Auswechslung von Erdkabelleitungen .............................................1143 Grabenlose Rohrleitungsverlegungen in massivem Fels, Geröll und Blockmaterial ........1146 4.10.1 Geröllbohrungen unter den Alpenflüssen ............................................................1147 4.10.3 Unterbohrung des Orco-Flusses bei Turin...........................................................1148 4.10.3 Verbindungsleitungen in steiler Hanglage ..........................................................1148 4.10.4 Steilhangunterbohrung am Albtrauf ....................................................................1148 4.10.5 Mit HDD durch die Beige ...................................................................................1150 4.10.6 Bohrung durch einen Bergrücken im Schweizer Jura .........................................1150 4.10.7 HDD-Einsätze im Hochgebirge...........................................................................1151 4.10.8 Bohrungen unter Verkehrswegen mit felsigem Untergrund ................................1151 4.10.9 Autobahnunterbohrung in Tieflage bei Münzenberg/Wetterau ...........................1151 4.10.10 Unterbohrung eines Schifffahrtsweges und eines Weinberges bei Bernkastel-Kues ..................................................................................................1152 4.10.11 Heutige Möglichkeiten mit HDD-Mudmotoren ..................................................1155 4.10.12 HDD-Einsätze in Mittelgebirgen, im Alpenraum und Voralpenraum .................1155 4.10.13 Fazit.....................................................................................................................1155 Werkzeugtechnik für das HDD-Bohren in schwierigen Formationen...............................1156 Resümee ............................................................................................................................1158 Beispiel für ein HDD Großprojekt in Russland 56‘‘ Pipelineverlegung erstmals jenseits der 1000 m...........................................................................................................1158 4.13.1 Vorbemerkungen .................................................................................................1158 4.13.2 Bauausführung ....................................................................................................1160
Anhang Literaturverzeichnis ......................................................................................................................1163 Verzeichnis der Informationsunterlagen .......................................................................................1164 Fachbegriffe in der Bohrtechnik ...................................................................................................1166 Technische Richtlinien, Merkblätter und Empfehlungen für die Erdöl- und Erdgasindustrie ......1174
XXVII
XXVIII
Inhaltsverzeichnis
Technische Regeln und DIN-Vorschriften ................................................................................... 1175 Sachwortverzeichnis .................................................................................................................... 1179
Teil I A Bohrtechnik im Wandel der Zeiten B Grundzüge der Geologie C Mechanische Gesteinszerstörung beim Bohren D Aufgaben der Bohrtechnik
A Bohrtechnik im Wandel der Zeiten 1 Allgemeines Die Bohrtechnik zählt zweifellos mit zu den ältesten technischen Betätigungen der Menschheit. In der Steinzeit bohrte der Mensch, um sich Werkzeuge zu schaffen, Löcher in Steine zu bohren. Bereits beim Bau der Pyramiden und Königsgräber wurden Kernbohrungen ausgeführt. Aus China sind uns Aufzeichnungen überliefert, auf denen mehr oder weniger gut ausgebildete Bohreinrichtungen dargestellt sind. Es bedurfte jedoch mehr als 6000 Jahre von den Bohrungen der Steinzeitmenschen bis zum heutigen vollhydraulischen Großdrehbohrgerät. Zweifellos beginnt die eigentliche und entscheidende Weiterentwicklung jedoch erst mit der Industrialisierung Anfang bis Mitte des 19. Jh. Das Kapitel soll die Verfahren und Geräte der Bohrtechnik, wie sie von den Altvorderen angewendet wurden bis zur Entwicklung der heutigen vollhydraulischen Bohrgeräte aufzeigen. Schwerpunkt liegt dabei in der Anwendung für die Bautechnik.
Abb. A-1: Rekonstruktion einer chinesischen Bohranlage etwa 600 v. Chr.
H. -O. Buja, Handbuch der Tief-, Flach-, Geothermie- und Horizontalbohrtechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-9943-9_1, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
A Bohrtechnik im Wandel der Zeiten
3
2 Einführung
A
Heute ist als einer der jüngsten Zweige der Technik eine regelrechte Bohrindustrie entstanden, die ihre Entwicklung dem gewaltigen Aufschwung der Erdölbohrungen verdankt. Beim Bohren nach Erdöl wurden Verfahren entwickelt, um das Deckgebirge, unter dem erst in über tausend Metern Teufe Erdöl führende Schichten anstehen, schnell durchfahren zu können. Das Seilschlagbohren, schon 600 v. Chr. von den Chinesen angewendet, wurde hierzu weiterentwickelt. Kernbohrungen, die von den Ägyptern bereits 2000 v. Chr. angewendet wurden, kamen für diesen Zweck erst Mitte des 19. Jh. zur Anwendung. Die Gründung immer bedeutenderer Ingenieurbauwerke auf jeder Art von Baugrund hat den Ingenieur gezwungen, im Voraus die Festigkeitseigenschaften der Böden festzustellen, um sie gegebenenfalls verfestigen oder abdichten zu können. Da solche Aufschlüsse nur durch Bohrungen wirtschaftlich tragbar gewonnen werden können, hat sich die Bohrtechnik auch in dieser Richtung entwickelt. Hierbei handelt es sich um flache Bohrungen, bei denen es nicht darauf ankommt, große Bohrgeschwindigkeiten zu erzielen, sondern die mechanischen und hydrologischen Eigenschaften des Bodens zu untersuchen. Die zunehmende Verknappung des Baugrunds führte dazu, dass auch Bereiche mit schlecht tragfähigem Untergrund für die Bebauung genutzt werden mussten. Daraus entwickelte sich die Technik der Brunnen- und Bohrpfahlgründungen. Diese Entwicklungen stehen auch in Verbindung mit der Entstehung einer regelrechten Bohrgeräteindustrie.
Abb. A-2: Löffelbohrer
4
A
3 Werkzeuge der Jungsteinzeit
3 Werkzeuge der Jungsteinzeit 4000-1800 v. Chr.) Für die Herstellung von Werkzeugen bohrten die Steinzeitmenschen bereits Löcher in Steine. Insbesondere mit Hilfe von Feuersteinen fertigten sie neben Waffen (z. B. Pfeilspitzen) Geräte zum Schneiden, Schaben, Spalten und auch Bohren (Abb. A-2). Zum Bohren benutzten sie, wie Funde beweisen, vermutlich sog. Löffelbohrer. Mit Holzstangen verlängert wurden diese Bohrer vermutlich auch für die Herstellung von Erdlöchern für die Pfahlbauten und Palisaden verwendet. In den verschiedenen Perioden der Steinzeit sind Werkzeuge aus besonders harten Natursteinen wie Flint, Diorit und Granit angefertigt worden. Aus ihren Formen lässt sich der Einsatzzweck erkennen, desgleichen die Art der Herstellung. Zuerst wurde die rohe Schlagtechnik Stein auf Stein –angewendet; später zum Glätten und Verfeinern eine Reibtechnik mit Sand oder Sandstein.
Abb. A-3: Rekonstruktion einer steinzeitlichen Sägemaschine (links) und einer Bohrmaschine (rechts).
In fast allen Gebieten der Erde fand man Steinwerkzeuge. Auch bei den Ausgrabungen an den Pyramiden und Grabmälern sind Bohrungen aus der Steinzeit gefunden worden. Diese Bohrungen sind z. T. unregelmäßiger als die späteren Kernbohrungen.
A Bohrtechnik im Wandel der Zeiten
4 Bohrtechnik in der Bronze- und Eisenzeit (1800-1. Jh. v. Chr.) Aus dieser Epoche dürften die maßgeblichen Kernbohrungen stammen, die bei den archäologischen Ausgrabungen in Ägypten (Pyramiden und Pharaonen-Gräber) gefunden wurden. Zahlreiche Funde von Bohrlöchern und Bohrkernen (Abb. A-3) lassen erkennen, dass die Kernbohrtechnik zum alltäglichen Baugeschehen gehörte (Abb. A-4).Bis auf einige Wandmalereien in den Grabkammern wurden jedoch keine Reste von Bohrwerkzeugen gefunden. Unter Verwendung damaliger Materialien sowie an Hand von Bohrkernen und Bohrlöchern hat man jedoch Bohrverfahren und Werkzeuge nachempfunden.
Abb. A-4 rechts: Granitbohrkern, gefunden von W. M. Flinders Petrie links: Kernbohrloch für den Fenstersturz aus dem Granittempel von Gizeh
5
A
6
A
5 Seilschlagbohren in China
Petrie vermutete, dass Diamanten eingesetzt wurden, verwarf diese Möglichkeit aber sofort wieder, da Diamanten in Ägypten nicht vorkommen. Die Diskussion über das angewendete Verfahren und über die verwendeten Schneidmaterialien hält allerdings immer noch an. Unzweifelhaft wurde aber, dass gesetzte Schneidstoffe zum Bohren verwendet wurden, dies zeigen die Rillen auf den gefundenen Bohrkernen und Bohrlöchern (/Abb. A-4 r). Das gleiche Rillenmuster ergibt sich nämlich auf einem Bohrkern, der mit einer modernen Diamant-Kernbohrmaschine erbohrt wurde.
5 Seilschlagbohren in China (ca. 600 v. Chr.) Es ist bekannt, dass es in China bereits um 600 v. Chr. eine verhältnismäßig hoch entwickelte Bohrtechnik gab, die zur Gewinnung von Salzsole und der Versorgung mit Trinkwasser diente. Das Schema dieser Bohrtechnik zeigen die Abb. A-1 und A-5.
Abb. A-5: Brunnenbohrung im alten China um 600 v. Chr.
Charakteristisch hierbei ist, dass für die Durchführung schwerer Arbeiten neben Menschenauch Tierkraft eingesetzt wurde, um z. B. an Hanfseilen befestigte Schöpfgefäße im Bohrloch auf- und ab zu bewegen. Dies geschah durch Wasserbüffel, die das Förderseil je nach Drehrichtung auf einer senkrecht stehenden Seiltrommel auf- oder abwickelten, vergleichbar den Pferdegöpeln im europäischen Erzbergbau früherer Jahrhunderte, mit denen die Förderung von Grubenwasser und Erz betrieben wurde. In China wurden auch Zugtiere wie Esel und Maultiere eingesetzt, um mit Salzsole gefüllte Gefäße auf Türme aus Bambusstangen zu transportieren, von wo aus eine Weiterleitung der Flüssigkeit über hölzerne Rohrleitungen erfolgte. Ob
A Bohrtechnik im Wandel der Zeiten
und wann Kenntnisse über die damalige chinesische Bohrtechnik durch den venezianischen Chinareisenden Marco Polo (1254 bis 1324) nach Europa gelangten, ist nicht eindeutig geklärt worden. Die Reiseberichte werden seit geraumer Zeit angezweifelt, da Marco Polo nicht in China gewesen sein soll. Die Reiseberichte stammen demnach von Seiden- und Gewürzhändlern der damaligen Zeit, die von Marco Polo gesammelt und aufgeschrieben wurden. Das Vorhandensein derartiger Bohrungen ist aber mehrfach bestätigt worden. Es gibt aber, wie bei den ägyptischen Kernbohrungen, leider keine authentischen Beweise für die verwendeten Verfahren und Geräte. Die Rekonstruktionen entstanden nach mündlichen Überlieferungen. Das in Abb. A-5 dargestellte chinesische Bohrverfahren wurde bei uns erst Anfang des 19. Jh. in abgewandelter Form für das Seilschlagbohren eingesetzt. Bei der sich im ausgehenden Mittelalter in Europa entwickelten Bohrtechnik können keine Anregungen hieraus erkannt werden. Auf einem federnden Baumstamm, der an einem Ende beschwert und befestigt ist und im richtigen Verhältnis (Hebelgesetz) abgestützt wird, sitzen ein bis zwei Männer und bewegen den Baumstamm auf und ab. An seinem freien Ende ist das Bohrseil aus Bambus mit dem Bohrer befestigt. Die Hubhöhe beträgt ca. 10 bis 15 cm. Um einen Brunnen von 1000 m Tiefe zu bohren, benötigte man zwei bis fünf Jahre; Hauptziel dabei war, dass die Brunnenbohrer und deren Kinder sowie weitere Nachkommen Wasser hatten. Größere Teufen konnten nur in standfesten Böden und Fels erreicht werden, da eine Verrohrung mit ausgehöhlten Baumstämmen nur für geringe Tiefen möglich war.
6 Mittelalter bis zur Neuzeit (600 bis 1700 n. Chr.) Bohrungen bzw. Schachtungen auf Burg-, Schloss- und Festungsanlagen sind aus dem frühen Mittelalter noch erhalten. Oft wurden dabei mehrere hundert Meter durchteuft, um ins Grundwasser zu gelangen. Vor der Erfindung des Schwarzpulvers erfolgte der Vortrieb im Fels durch Erhitzung mittels Befeuerung und Abschreckung mit Wasser. Der so spröde und rissig gewordene Fels musste dann mit den Bergmannswerkzeugen „Schlägel und Eisen“ sehr mühselig und schweißtreibend gelöst und in Schachtförderkübel geladen werden. Zum Teil konnten nur wenige Dezimeter je Tag gelöst werden. Eine 100 m tiefe Schachtung dauerte je nach Felsart und Felsanteil durchaus 5 bis 10 Jahre. Ebenso wurden Geheim- und Fluchtgänge aufgefahren. Für diese Arbeiten kamen überwiegend Bergleute aus dem Erzbergbau zum Einsatz. In der Charteuse bei Grenoble brachten Mönche im Fels einen Brunnen mit einem Durchmesser von ca. 100 cm und einer Tiefe von 305 m nieder. Die Arbeiten dauerten bei einem Bohrfortschritt von ca. 20 cm pro Tag mehr als 6 Jahre. Soweit ein Schachtausbau bzw. eine Verrohrung nötig war, wurden Eisenringe (ähnlich Radreifen oder Fassringe) mit senkrecht eingetriebenen Schachtbrettern oder später auch genietete Blechrohre verwendet. Die Schachtgerüste bestanden i. d. R. aus hölzernen Dreiböcken mit einer Umkehrrolle und einer Handwinde. Die Schachtungen wurden problematisch bei Wassereinbruch. Durch Hin-
7
A
8
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6 Mittelalter bis zur Neuzeit
terspülung ging die Abstützung in kürzester Zeit verloren, und die Brunnenbauer auf der Sohle wurden verschüttet. Die starke Verflechtung der bergmännischen Tätigkeit mit dem Brunnen- und Schachtbau hat dazu geführt, dass der Bergmannsgruß „Glückauf“ auch im Brunnenbau üblich war und zum Teil heute noch gepflegt wird. Für das Ausheben von Großbrunnen und Schächten (Zisternen) verwendete man ebenfalls an langen Stangen befestigte Hebevorrichtungen. Man bezeichnete derartige Geräte als BaggerApparate, so auch den Sackbagger. In Kombination mit einem Bohrer entstand dann der Sackbohrer (Abb. A-6).
Abb. A-6: Sackbohrer (links) – Indische Schaufel (rechts)
Ein großer Schraubenbagger sollte bei jedem Hub 0,6 m3 Erdmaterial hochheben können. Zu diesen Geräten gehört auch die „indische Schaufel“ (Abb. A-6r). Sie wird in senkrechter Stellung in den Boden gedrückt, danach wird mittels einer Windenkette die Schaufel horizontal hochgehoben, das Gerät hochgezogen und die Schaufel entleert. Eine Weiterentwicklung war dann der Schrauben-Bagger (Schraubenbohrer). Eine flachgängige Schraube, die unten an einer langen Stange befestigt ist, bohrt sich in den Boden ein. Ein an der Stange auf- und abziehbarer Mantel aus Blech nimmt die von der Schraube gelöste Erde, die in diesen unten offenen Kübel eingepresst wird, beim Hinaufziehen mit (Abb. A-7). Diese Geräte sind die Vorläufer der heutigen „Bohrschnecken“. Das Verfahren eignete sich jedoch nur für leichte Böden ohne Wasserzutritt, da das Drehen der Schraubenbohrer sehr viel Kraftaufwand benötigte. Für die Drehbewegung waren bis zu 20 Mann an entsprechend langen Eisenrohren oder Rundhölzern erforderlich. Alle diese Geräte dienten dem Abteufen von Schächten, Brunnen und sonstigen Bohrungen. Es zeigt sich, dass unter dem Wort „Bagger“ die vielfältigsten Vorrichtungen verstanden und der „Bagger“ nicht das Gerät bedeutete, das wir heute unter dieser Bezeichnung verstehen.
A Bohrtechnik im Wandel der Zeiten
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Abb. A-7: Historische Bohrschnecken (links)-: Brunnenbohrgerät mit Dampfantrieb (rechts)
7 Bohrtechnik der Neuzeit Mit der Industrialisierung begann eine rasante Entwicklung in der Bautätigkeit. Dampfbetriebene Baukräne und Bagger bestimmten zunehmend den Baubetrieb. In der Bohrtechnik war die Entwicklung eher zögerlich, da die Dampfmaschinen für die kurzlebigen Baustellen viel zu schwerfällig und umständlich zu handhaben waren. Eine dampfbetriebene Brunnenbohrmaschine zeigt (Abb. A-7). Die Erfindung der Diesel- und Otto-Motore führte zu einem rasanten Anstieg des Ölbedarfs und damit die Entwicklung der Bohrtechnik für die Ölgewinnung. Die Abb. A-8-links zeigt einen Ausschnitt des Ölfeldes Wietze bei Hannover um das Jahr 1910. Hier waren mehrere hundert Bohrgeräte im Einsatz. Das Zeitalter der Drehbohrtechnik begann etwa 1960 mit dem Calweld-Anbau-Drehbohrgerät mit Kellystange (Abb. A-9) und später mit dem legendären Lafetten-Schnecken-Drehbohrgerät BB 10 von Salzgitter, dem Vorgänger des ersten Bauer-Drehbohrgerätes BG-Serie.
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7 Bohrtechnik der Neuzeit
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Abb. A-8: Bohrtürme um 1900 [WEG]
Eine bahnbrechende Entwicklung in der verrohrten Bohrtechnik lieferte das 1920 zum ersten Mal eingesetzte Benote Pfahlbohrgeräte mit dem sog. Hammer-Bohrgreifer und hydraulischer Verrohrungseinrichtung (Abb. A-9), das ab ca. 1955 fast auf keiner Pfahlbaustelle fehlte. Es folgte eine rasante Weiterentwicklung von Drehbohrgeräten in hydraulischen Verrohrungseinrichtungen für Bohrdurchmesser bis 3300 mm sowie entsprechende Bohrwerkzeuge und Bohrrohre (Abb. A-10).
A Bohrtechnik im Wandel der Zeiten
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Abb. A-9: rechts: Benoto-Greiferbohranlage mit Verrohrungseinrichtung links: Caldweld-Anbau-Bohrgerät
Abb. A-10: Greifer-Bohranlage mit einer selbstfahrenden durchdrehenden hydraulischen Verrohrungsmaschine für einen Bohrdurchmesser bis 3300 mm und mit einem modernen KugelGreifer-System Leffer. Auf einer Baustelle in Hongkong werden damit Bohrtiefen Bis 120 Meter erreicht [Leffer]
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8 Chronik der Bohrtechnik
8 Chronik der Bohrtechnik Die nachfolgende Chronik wurde auszugsweise dem von der Firma Alfred Wirth GmbH, Erkelenz, 1979 herausgegebenen Handbuch der Bohrtechnik entnommen und ergänzt. Es wird nicht genau ermittelt werden können, wie alt die Bohrtechnik eigentlich ist. Nachstehend sollen aber einige wichtige geschichtliche Daten der Entwicklung der Bohrtechnik und der Bohrgeräte festgehalten werden. 2550 bis 2315 v. Chr. Die Ägypter benutzen für den Bau der Pyramiden und Grabdenkmäler in Gizeh Diamantbohrwerkzeuge (nicht eindeutig belegt). 600 bis 260 v. Chr. Chinesen bringen Bohrungen nieder, die bereits damals bis zu etwa 356 mm Durchmesser hatten und Tiefen bis etwa 610 m erreichten. 1126 Kartäusermönche aus der Chartreuse bei Grenoble, bringen eine Brunnenbohrung bis etwa 305 m Tiefe nieder. Ende des 13. Jahrhunderts Marco Polo bereist Asien und berichtet über Bohrungen (nicht eindeutig belegt). ca. 1410 In der Münchener Bilderhandschrift des Giovanni Fontana wird ein Gerät zum Erbohren von Wasserbrunnen gezeigt. um 1640 Der Franzose Pallisy teuft bei Modena und im Artois nach einer uns unbekannten Methode freifließende Brunnen (arthesische Brunnen) ab. 1652 Erste Ölfunde in der Lüneburger Heide bei Wietze, Kreis Celle. Austritt von Erdöl an „Teekuhlen. Die Heidebauern nennen die übel riechende Flüssigkeit „Smeer“ und benutzen sie als Wagenschmiere sowie als Heilmittel. 1790 Gründungsjahr der Fa. Bauer, Schrobenhausen. Sie gehört inzwischen zu den weltweit größten Unternehmen für die Herstellung von Spezialtiefbaugräten und Ausführungen von Spezialtiefbauarbeiten 1810 Die erste Salzbohrung wird in Deutschland ausgeführt. 1814 In Cumberland, Kentucky, wird eine Ölbohrung abgeteuft. 1828 Die erste Seilbohrung in Europa wird niedergebracht. 1840 Die erste Trockenrotarybohrung wird in Südfrankreich durch Fauvelle bis zu etwa 579 m Tiefe ausgeführt.
A Bohrtechnik im Wandel der Zeiten
1845 Der Engländer Beart erhält ein Patent auf ein Rotarybohrverfahren. 1845 Fauvelle lässt sich sein Zirkulationssystem patentieren. 1847 Die Bohrung Neusalzwerk erreicht 695 m Teufe. 1856 In Dithmarschen trifft ein Bauer beim Ausschachten eines Brunnens auf erdölhaltigen Sand, der ab 1858 im Tagebau genutzt wird. Durch Destillation in eisernen Retorten werden Leichtöl, Schmieröl und Asphalt gewonnen. Die erste Ölbohrung wird in Pechelbronn, Elsass, niedergebracht. Zum ersten Mal wird eine Dampfmaschine bei einer Brunnenbohrung eingesetzt. 1859 Die erste auf Erdöl angesetzte Bohrungen wird in Wietze bei Celle abgeteuft. Die geologische Auswertung gibt Hinweise auf eine Öllagerstätte, die jahrelang 25 Zentner Öl pro Jahr erbringt 1863 Erste Diamantkernbohrung kann in der Schweiz durch Leschot abgeteuft werden. 1873 Die erste Bohrlochvermessung wird durchgeführt. 1878 Das erste Patent auf einen Zweirollenmeißel wird eingereicht. In der Nähe von Peine wird eine Bohrung mit einer eruptiven Förderung von 40 – 70 m³ Erdöl pro Tag fündig und löst in Deutschland bis dahin ungekanntes Ölfieber aus. 1882 Der Blow-out-Preventer für Seilschlagbohrgerät kommt zum Einsatz. 1886 Bohrung Schladebach erreicht 1748 m Tiefe. 1892 Die ersten Stahlbohrtürme sind im Einsatz. 1893 Die Diamantbohrung Paruschowitz, Oberschlesien, wird in 2003 m Tiefe eingestellt. 1897 Die erste Offshorebohrung auf einem Pfahlrost in Santa Barbara, USA, wird ausgeführt. 1897 Anton Racky, deutscher Bohrpionier, legt den Grundstock für die heutige Bohrgerätefabrik Wirth GmbH in Erkelenz. Ab 1900 Erdförderung im Gebiet Hönigsen/Nienhagen mit eine Produktionsmenge von zunächst 500 Tonnen pro Jahr. 1903 Zum ersten Mal wird Zement zum Absperren von Wasser in Bohrlöchern eingesetzt.
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1908 Der erste Rollenmeißel kommt zum Einsatz. 1910 Erster Erdgasfund bei Hamburg-Bergedorf. 1919 Die bahnbrechende Entdeckung der Refraktionswelle durch den deutschen Wissenschaftler Ludger Mintrop leitet ein neue Entwicklung in der Lagerstättenforschung ein. 1923 Schwerspat kommt in Bohrspülungen zur Anwendung. 1925 Hartmetall wird als Kronen- und Meißelbesatz verwendet. 1925 Erste Rotarybohrung unter Einsatz eines Dieselmotors in Deutschland abgeteuft. 1925 API führt einen Standart für Ketten und Tool Joint ein. 1928 Hartmetallpanzerung als Kaliberschutz für Bohrwerkzeuge eingesetzt. 1929 Zum ersten Mal kommt Bentonit für Bohrspülungen zur Anwendung. 1930 Erster Erdölfund im Stoßfurtkarbonat des Zechsteins in der Kaligrube Volkenroda (Thüringen). Die Förderung des Erdöls erfolgt untertägig. Ab 1930 Entscheidende Verbesserung der Kenntnisse über den Geologischen Aufbau Deutschlands durch sorgfältige geologisch-geophysikalische Vermessung der ölhoffig angesehenen Gebiete. 1931 In Rincon, USA, wird die erste Bohrung über 3000 m Teufe (3049 m) niedergebracht. 1937 Die Deutsche Bohrmeisterschule in Celle wird gegründet. 1938 Die Bohrung Holstein wird in 3818 m Teufe eingestellt. 1938 Die erste Rotaryluftspülbohrung wird ausgeführt. Im Emsland; im hannoverschen Raum, in Schleswig-Holstein und im Oberrheintal werden neue Ölfelder entdeckt. 1945 Durch die starke Ausbeutung der Lagerstätten im 2. Weltkrieg ohne gleichzeitige Entdeckung neuer Felder wird ein völliger Neubeginn (insbesondere in der Exploration auf Erdöl und Erdgas) erforderlich. 1947 Die Bohrung Caddo County, USA, wird 5418 m tief. 1949 Der erste Warzenrollenmeißel wird eingeführt.
A Bohrtechnik im Wandel der Zeiten
1950 Bohrung Sublette County, USA, wird 6238,4 m tief. IN Deutschland steiler Anstieg der Erdölförderung. 1953 Der Düsenmeißel wird eingeführt. 1953 Die erste vollhydraulische Bohranlage kommt zum Einsatz. 1956 Die erste Großlochbrunnenbohranlage mit 2,00 m Durchmesser wird eingesetzt. 1960-65 Starke Zunahme der Erdgasförderung. 1963 Die Bohrung Münsterland 1, hergestellt mit einer Wirth-Bohranlage, erreicht 5966 m. 1966 Die Bohrung Arsten, ebenfalls hergestellt mit einer Wirth-Bohranlage, erreicht 6276 m. 1968 Der erste Großlochrollenmeißel für Pfahlgründungen bis 3,00 m Durchmesser kommt zum Einsatz. Höhepunkt der deutschen Erdölförderung . 1968 Die Bohrung Meilion 2, Frankreich, wird 6306 m tief. 1969 In Der Altmark (Salzwedel-Peckensen) beginnt die Erschließung des größten deutschen Onshore-Erdgasvorkommens. Höhepunkt der Jahresförderung: 12 Mrd. m³ Rohgas im Jahre 1988. 1970 Die Bohrung St. Bernhard, Parish, USA, erreicht eine Tiefe von 7782 m. 1974 Die Bohrung Lone Star, Beckham Co, USA, 9558 m tief, gilt als die zur Zeit tiefste Bohrung der Welt. 1975 Das erste Dampfflutprojekt im Emsland läuft an. Zur Verbesserung der Ölausbeute wird Dampf in den Porenraum der Speichergesteine eingepresst. 1976 Die Fa. Bauer stellt ihr erstes Großdrehbohrgerät die BG 7 in dienst. 1977 Großvolumige Frac-Behandlung im Raum Südoldenburg zur Erschließung tief liegender, wenig durchlässiger Erdgaslagerstätten durch künstliche Rissbildung im Gebirge 1978 Die Bohrung Vorderriss, hergestellt mit einer Wirth-Bohranlage, erreicht eine Tiefe von 6408 m. 1981 Start des Einsatzes der Dampffluttechnik im Erdölfeld Emlichheim.
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1984 Aufnahme der ersten deutschen Offshore-Erdölförderung im Feld Schwedeneck-See in der Eckernförder Bucht. 1987 Vor der schleswig-holsteinischen Westküste beginnt die Testförderung im Feld Mittelplate. Ab 1992 3D-Seismik und Horizontalbohren finden zunehmend Anwendung. 1994/95 In der Produktionsbohrung „Söhlingen Z 10“ wird ein Multi-Frac (mehrere Fracs hintereinander) mit der Horizontalbohrtechnik kombiniert. 1995 Die für Deutschland tiefste Bohrung, die Kontinentalbohrung in der Oberpfalz, die eigentlich die tiefste Bohrung der Welt werden sollte, musste bei 9101 m aufgegeben werden, da hier bereits die plastische Zone erreicht wurde. 1998/99 Das größte deutsche Erdölfeld “Mittelplate“, das sich unter dem Wattenmeer befindet, wird mit Hilfe von Extended-Reach-Bohrungen auch von Land aus erschlossen. Bohrstrecken von rund 8 km unterhalb des Wattenmeeres sollen es möglich machen, dass die östlichen Teile des Erdölvorkommens von Land aus gefördert werden können. 2000 Aufnahme der Erdgasförderung im ersten Offshore-Projekt in der deutschen Nordsee (Projekt „Entenschnabel“). 2005 Popeline-Anbindung der Bohr- und Förderinsel „Mittelplate“ an die Landstation Dieksand und Ausbau der Bohrkapazität durch Installation der neuen Bohranlage T-150. 2005 Der weltmarktführende Hersteller von Tunnelbohrmaschinen, die Herrenknecht AG, stellt sein erstes Vertikal-Tiefbohrgerät für Bohrtiefen bis 6000 Meter in Dienst. Es verwendet statt Windenhebewerke einen Zylindervorschub. 2009 150 Jahre industrielle Erdölförderung in Deutschland.
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Abb. A-11: Ölfeld Celle um 1900 – erstes Ölfieber in Deutschland.
B Geologische Grundlagen 1 Allgemeines Wie die Geschichte aller Völker und Zeiten lehrt, hängt die Entwicklung eines Volkes, sein wirtschaftliches Leben sowie sein geistiger und kultureller Aufstieg weitgehend von der Beschaffenheit des Bodens, insbesondere den Mineralvorkommen und den Energiequellen seines Landes ab. Auf dem Boden wachsen die für seine Ernährung und das Leben notwendigen land- und forstwirtschaftlichen Erzeugnisse. Die Gesteins-Ablagerungen bergen die für die Volkswirtschaft wertvollen mineralischen Rohstoffe, wie Brennstoffe, Salze und Erze. Die Erdkruste selbst baut sich aus verschiedenartigen Gesteinen auf, die Bau- und Industriezwecken dienen. In ihren Schichten fließt das zur Erhaltung des Lebens unentbehrliche Grundwasser. Auch die für die Gesunderhaltung so wichtigen Heilquellen und Mineralwässer entspringen dem Boden. Schon daraus geht hervor, welche Bedeutung eine genaue Kenntnis des Erdbodens und zwar seiner äußeren Oberflächenformen, seiner gesteinsmäßigen Zusammensetzung, seines inneren Aufbaus, seiner Mineralvorkommen und ihrer Bildungsgeschichte besitzt. Von ganz besonderem Wert sind die Grundkenntnisse der Geologie1 für den Bohringenieur, Bohrtechniker und Bohrmeister, dessen Aufgabe es ist, die Bohrungen auf die erforderliche Tiefe zu bringen. Dazu muss er über die Eigenschaften der Boden- und Felsarten, die sich unter dem Bohrmeißel befinden informiert sein. Er muss die geförderten Bodenproben ansprechen und beurteilen können. Darüber hinaus sind die anzuwendenden Bohrverfahren vom anstehenden Boden (Fels) und seinen Lagerungsverhältnissen abhängig. Die Geologie ist zwar eine beschreibende und erklärende, letzten Endes aber eine „historische“ Wissenschaft. In engster Verbindung mit der Geologie als Kernwissenschaft steht eine Reihe
von Hilfswissenschaften, wie die Mineralogie, als Lehre von den Mineralen, d. h. den einzelnen Bausteinen der festen Erdkruste (Kohlen, Erze, Salze, Edelsteine und Bestandteile der Gesteine), weiter die Gesteinslehre oder Petrographie2 bzw. Petrologie und Petrochemie; d. h. Lehre von den Gesteinen (am Aufbau der Erdkruste beteiligte, aus Mineralen zusammengesetzte Mineralmassen), ferner die Versteinerungslehre oder Paläontologie3 Lehre von den pflanzlichen und tierischen Lebewesen früherer Zeiträume und schließlich die Lagerstättenkunde als Lehre von dem Auftreten und den Entstehungsursachen der Anhäufungen nutzbarer mineralischer Rohstoffe in der Erde. Für das Verständnis über Entstehung und Aufbau der Fels- und Bodenformationen ist ein kurzer Einblick in die Geologie unerlässlich. Diese Kenntnisse unterstützen nicht zuletzt die richtige Auswahl der Bohrverfahren und Werkzeuge und damit deren Effektivität. Als Baugrund kommt dabei nur ein ganz geringer Teil der bis zu 60 km mächtigen Erdkruste in Frage. Davon sind gerade knapp 10 km durch Bohrungen oder Bergbau erschlossen. Für den Grundbau und damit den Baugrundaufschluss sind Tiefen bis zu 100 m üblich. Bedingt durch vulkanische Tätigkeiten, Verwerfungen, Faltungen usw. muss bei den Bohrarbeiten mit den unterschiedlichsten Gesteinsarten gerechnet werden. Daher ist eine kurze Betrachtung der in diesem Bereich vorkommenden Gesteine von Vorteil.
1 2 3
gr. gé = Erde, lógos = Lehre gr. Pétros = Stein, gráphein = beschreiben gr. Palaiós = alt, ón, óntos = Lebewesen
H. -O. Buja, Handbuch der Tief-, Flach-, Geothermie- und Horizontalbohrtechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-9943-9_2, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
B Geologische Grundlagen
Beschaffenheit der festen Gesteine ist durch unmittelbare Beobachtungen an der Oberfläche und in der Tiefe (Bergbau und Bohrlöcher) bekannt. Der weitere Aufbau des Erdkörpers, insbesondere des Erdkerns, beruht auf seismologischen sowie geophysikalischen Beobachtungen und Untersuchungen, so dass die Erkenntnisse zum Teil noch als „Hypothese“ gelten müssen, kennen wir doch nicht einmal 1/1000 des Abstandes der Erdoberfläche zum Erdmittelpunkt. Fest steht nur, dass die Wärme mit der Tiefe zunimmt, dass das Erdinnere eine hohe Wichte hat und zum Teil glutflüssig ist. Beweise für die ständige, wenn auch bisweilen unregelmäßige Zunahme der Wärme nach der Tiefe, liefern uns u. a. Beobachtungen in Bohrlöchern, Bergwerken, Tunnels sowie heiße Quellen und die Vulkanausbrüche. Aus entsprechenden Messungen in Mitteleuropa ergibt sich, dass hier im Allgemeinen eine Temperaturerhöhung von 1 °C auf je 30 m Tiefenzunahme eintritt (gegenüber um etwa 1 °C auf 50-120 m Tiefenzunahme z. B. auf dem amerikanischen Kontinent). Die „geothermische Tiefenstufe“ ist aber durchaus nicht überall gleich. Beachtlich ist, dass sich in etwa 25 m Teufe um die ganze Erde eine neutrale Zone (mit gleich bleibender Temperatur von + 9° C) hinzieht. Die erheblichen Schwankungen der Außentemperatur im Sommer und Winter reichen nicht bis zu dieser Zone, sondern halten sich im Gleichgewicht. Erst von hier ab kann man von der absoluten Gebirgstemperatur sprechen, die durch die geothermische Tiefenstufe bestimmt wird. Deutschlands tiefste Bohrung, die so genannte „Kontinentaltiefbohrung“ in der Oberpfalz, musste bei 9101 m aufgegeben werden, da die plastische Zone erreicht wurde. Die tiefste Bohrung ist zurzeit noch eine Ölbohrung in Oklahoma, USA, mit 9558 m Endtiefe. Die „Allgemeine Geologie“ untersucht den stofflichen Aufbau und die Struktur der Erde, die geologischen Kräfte, Prozesse und Phänomene sowie die dahinter stehenden Gesetzmäßigkeiten. Sie unterscheidet dabei zwischen exogenen und endogenen Kräften. Mit den Platten und ihren Bewegungen befasst sich die Plattentektonik. Gewissermaßen als Weiterentwicklung der „theoretischen Geologie“, die sich mit der Entstehung der Erde befasst, hat im Laufe der Zeit die „praktische Geologie“, zu der auch die „Ingenieurgeologie“ gehört und die u. a. auch für den Bereich der Bauwirtschaft maßgebend ist, an Bedeutung zugenommen. Man versteht darunter den Zweig der Geologie, der sich auf die Bedürfnisse des praktischen Lebens erstreckt. Hierzu gehört die Beschaffenheit der Erdkruste für die Sonderzwecke der Technik und Wirtschaft (Lagerstättenkunde, Grundwasserverhältnisse, Bauwesen, Wasserwirtschaft usw.).
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1 Allgemeines
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Tafel 1-B: Erdgeschichtliche Untergliederung nach „Dachroth“ Teil 1
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Tafel 1-B: Teil 2: Erdgeschichtliche Untergliederung nach „Dachroth“
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2 Die Gesteine
2 Die Gesteine B
2.1 Aufbau des Erdkörpers Aufgrund der vorgenannten Feststellungen und Annahmen kommt man zu einer Einteilung des gesamten Erdkörpers in vier Kugelschalenzonen (Abb. B-1). Erdkruste, etwa 29 bis 56 km mächtig, aus sauren und basischen Gesteinen mit einer mittleren Dichte von etwa 2,7 bis 3,0 g/cm3. Erdmantel, etwa 1200 km mächtig, aus den kieselsauren Verbindungen der Leicht- und Schwermetalle mit einer mittleren Dichte von etwa 3,4 g/cm3. Erdkruste und Erdmantel werden als „Lithosphäre1“ zusammengefasst. Zwischenschicht (Chalkossphäre2), etwa 1700 km mächtig, aus verschiedenen Eisenverbindungen mit einer mittleren Dichte von 6,4 g/cm3. d) Eisen-Nickel-Kern (Barysphäre3), etwa 3500 km mächtig, vorwiegend aus Eisen (etwa 90 %) sowie Nickel, Platin, Gold u. a. Bestandteilen. Die mittlere Wichte wird mit 9,0 bis 10,0 g/cm3 angenommen
Abb. B-1: Kreisausschnitt des Erdkörpers [V]
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gr. Líthos = Stein, sphaíra=Kugel gr. Chalkós = Erz gr. barÝs = schwer
B Geologische Grundlagen
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2.1.1 Die Erdkruste Aufbau und Form der Erdkruste werden bestimmt durch exogene (äußere) und endogene (innere) Kräfte.
2.1.1.1 Exogene (äußere) Kräfte Exogene Kräfte wirken von außen; dazu gehören Luft (Wind), Wasser, Eis, die Sonneneinstrahlung. Exogene Vorgänge sind u. a. Erosion, Verwitterung und Sedimentation; sie sind maßgebend für die Entstehung der Böden. Die an einer Freilegung der Festlandsoberfläche durch Verwitterung bzw. flächenhafte Erniedrigung der Geländeformen beteiligten Abtragungskräfte werden unter dem Begriff der Denudation zusammengefasst. Ihr Endziel ist die Einebnung von Hochflächen zu Rumpfflächen. Sie erfolgt durch die zwar langsam, aber pausenlos fortschreitende Ausräumung und Wegführung des verwitterten Gebirgsschuttes durch Regen, Eis und Wind (Erosion). Durch die Erosion werden Gesteine und Minerale der Erdoberfläche, besonders die durch Verwitterung entstandenen Lockermassen und Böden, abgetragen und in ein tieferes Niveau verfrachtet. Unterschieden wird Erosion durch fließendes Wasser, durch Gletscher (Exaration), durch Wind (Deflation, Ablation) und durch die Brandung an Meeresküsten (Abrasion). Die Erosion hat die Tendenz – im Gegenspiel mit den Erdinneren Kräften – die Relief- und Niveauunterschiede der Erdoberfläche auszugleichen und Gefälle zu verflachen.
Abb. B-2: Beispiele für die Deflation [V]
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2 Die Gesteine
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Abb. B-3: Durch Abrasion (Einfluss der Meeresbrandung) entstandene Gesteinsreliefs [V]
Neben der abblasenden und transportierenden Tätigkeit (z. B. Dünen) leistet der Wind auch noch eine ausnagende Arbeit (Deflation, Ablation). Er greift den durch die Wirkung der Sonnenbestrahlung zermürbten Felsen durch den ständigen Anprall der von Wind bewegten Sandkörnchen (gleichsam wie ein Sandstrahlgebläse) mehr oder weniger stark an und schleift ihn dabei ab. Auf diese Weise entstehen ausgeprägte Gesteinsreliefs, besonders, wenn härtere und weichere Gesteinsbänke miteinander wechsellagern (Abb. B-2). Endogene Kräfte wirken aus dem Erdinneren Die Meeresbrandung (Abrasion) hat einen wesentlichen Einfluss auf die Gestaltung der Küste und anschließender Landgebiete. Hierbei wirkt sowohl die Kraft der Meereswogen als auch der Angriff der der Küste vorgelagerten und durch die Wellen bewegten Gesteinstrümmer auf diese ein. Die Wirkung des Meeres setzt vielfach mit der Herausbildung ein. Je nach der Beschaffenheit des Gesteins kommt es dabei nicht selten zu merkwürdigen Bildungen wie Felsentore (Abb. B3), Grotten, Felsnadeln u. a. Im Laufe der Zeit kann die gesamte Steilküste landeinwärts rücken. Gleichzeitige Senkung des Landes unter den Meeresspiegel beschleunigt diese Vorgänge.
2.1.1.2 Endogene (innere) Kräfte Sie gehen auf thermische Energie zurück, denn die Erde wird durch radioaktiven Zerfall aufgeheizt, und sie enthält Restwärme ihres ehemals glutflüssigen Urzustandes. Wärmeunterschiede bewirken Dichteunterschiede. Diese versuchen sich durch Bewegung auszugleichen. Die dadurch hervorgerufenen Kräfte sind für Plattenbewegungen, Vulkanismus und Plutonismus, für Erdbeben sowie Hebungen und Senkungen der Erdkruste verantwortlich. Die Tektonik untersucht speziell die Strukturen, Deformationen und Störungen der Erdkruste( z. B. Schichten, Falten, Verwerfungen. Mit den Platten und ihren Bewegungen befasst sich die Plattentektonik.
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Abb. B-4: Schematische Darstellung eines Vulkans [V]
Die Vulkane sind eine Landschaftsform, die auf dem Festland oder auf dem Meeresboden durch vulkanische Aktivitäten, insbesondere durch die Förderung von Lava, vulkanischen Lockermassen und Gasen entstanden ist. Das Magma dringt aus dem Erdinneren durch einen oder mehrere Schlote oder durch Spalten an die Erdoberfläche. Aus der erstarrten Lava und dem vulkanischen Lockermaterial (Vulkanite) baut sich der flache, deckenförmige oder kegelförmige Vulkan auf (Abb. B-6). Je nach der Zusammensetzung der Lava kann diese relativ ruhig ausfließen oder aber explosionsartig ausbrechen. Am Ort der Eruption bildet sich meist ein Krater (Abb. B-4), der vielfach als Kratersee (Maar) ausgebildet ist (Abb. B-5).
Abb. B-5: Schematischer Querschnitt durch ein Maar der Eifel [V]
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3 Die Festgesteine
Nach Form und Aufbau des Vulkans werden u. a. unterschieden in Schildvulkan, Schichtvulkan und Stratovulkan. Die Zahl der heute oder in historischer Zeit aktiven Vulkane wird auf etwa 500 geschätzt, wobei untermeerische Vulkane oder gletscherbedeckte Vulkane nicht berücksichtigt sind. Vulkane sind besonders zahlreich an den aktiven Rändern von Platten. Für die weiteren Betrachtungen wollen wir uns nur mit der Erdkruste befassen. Diese besteht aus den zwei Gesteinsarten-Hauptgruppen, und zwar • Festgesteine und • Lockergesteine
3 Die Festgesteine Die Festgesteine werden unterteilt in: • Erstarrungsgesteine oder Eruptivgesteine • Kristalline Schiefer oder metamorphe Gesteine • Schichtgesteine oder Sedimentgesteine
Abb. B-6: Verschiedenartige Gesteinsablagerungen der Erstarrungsgesteine im Hinblick auf ihre Entstehung [V]
Die Erstarrungsgesteine lassen sich weiter unterteilen in die • Tiefen- und Ganggesteine (hierzu gehören: Granit, Gabbro, Diorit) • Ergussgesteine (hierzu gehören: Quarz, Basalt, Diabas) • Kristalliner Schiefe (hierzu gehören: Gneis, Glimmerschiefer, Phyllit) • Schichtgesteine
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3.1 Tiefen- und Ganggesteine Bei den Tiefen- und Ganggesteinen handelt es sich um Erstarrungsgesteine, die aus der Erdtiefe in Form lavaartiger Gesteinsschmelzen von hoher Temperatur unter Luftabschluss erkaltet und erstarrt sind. Vielfach ist das begrenzende Kontaktgestein durch die Hitzewirkung verändert. Zu den wichtigsten Vertretern gehören Granit, Syenit, Diorit, Gabbro, Diabas, Quarzporphyr und Piridoit.
Abb. B-7: Beispiel für Granit mit deutlich großen Feldspatanteilen [V]
Hiervon gehört der Granit wohl zu dem bekanntesten und am weitesten verbreiteten Vertreter. Er hat ein sehr feines Gefüge und besteht vorwiegend aus Feldspat, Quarz und Glimmer. Kennzeichnend für den Granit ist seine besonderen Gesetzen unterworfene Teilbarkeit und Klüftung. Er bildet den Kern vieler deutscher Mittelgebirge und der Alpen. Für den Grundbau haben diese Gesteine jedoch nur eine untergeordnete Bedeutung. Sie können bei den Bohrarbeiten aber zu erheblichen Schwierigkeiten und hohem Werkzeugverschleiß führen.
3.2 Ergussgesteine oder Vulkanite Die Ergussgesteine stellen aus der Tiefe hochgestiegene und an der Erdoberfläche (bzw. am Meeresboden) schnell ohne Luftabschluss, erstarrte Eruptivmassen dar, die meist ausgedehnte Decken bilden. Infolge des stark verminderten Druckes konnten die Gase schneller entweichen, so dass die Ausbildung der Einzelkristalle eine sehr unvollkommene war. Die Gesteine zeigen daher meist eine feste kristalline Grundmasse oder Einzelkristalle als Einsprenglinge. Bei noch schnellerer Erstarrung wird ihre Beschaffenheit „glasig“ oder „schaumig“. Zu den Ergussgesteinen zählen u. a. Basalt, Quarz, Trachyt, Diabas, Porphyr, Leparit, Dolerit und Andesit.
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3 Die Festgesteine
Ergussgesteine und Vulkanite sind der beste Baugrund. Sie haben die größte Tragfähigkeit und geben unter den Bauwerkslasten so gut wie nicht nach. Außerdem sind sie hervorragend als Baustoff verwendbar (Straßenbau, Stützmauern usw.).
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Abb. B-8a: Basaltsäule – der sog. Teufelsturm in Wyoming [V]
Zu den Ergussgesteinen zählen ebenfalls die so genannten Tuffe. Diese sind aus lockeren Auswurfmassen (Vulkanasche) entstanden, die nach ihrem Absatz durch plötzliche Entgasung bzw. Quellung wieder zu festen Gesteinen wurden und sehr häufig geschichtet sind (Abb. B8a). Je nach Ursprungsgestein werden die Tuffe unterteilt in: Porphyr-, Diabas-, Trachyt-, Phonolith- und Basalttuffe. Große Vorkommen von Tuffen, die ebenfalls größtenteils schichtartig gelagert sind, kann man in der Eifel antreffen.
3.2.1 Wichtige Vulkangesteine) Granit (Abb. B-7) ist ein fein bis grobkörniges, kristallinisch gemengtes, magmatisches Gestein mit richtungslos-körniger Struktur. Es setzt sich aus Feldspat, Quarz und Glimmer sowie kleinen Anteilen weiterer Minerale wie Zirkon, Apatit, Magnetit, Ilmenit und Titanit zusammen. Er ist hell, meist grau oder leicht rötlich, und mit dunkleren Kristallen gesprenkelt. Granit ist ein Tiefengestein, das in größeren Tiefen der Erdkruste aus einem Magma erstarrt ist. Vom Magmaherd können Gänge ausstrahlen, in denen sich der grobkörnige Pegmatit bildet. Granit gehört zu den verbreitetsten Gesteinen der Erdkruste. Die Dichte von Granit beträgt 2,63 bis 2,75g/cm³. Seine Bruchfestigkeit reicht von 7 bis 30 kN/cm2. Granit hat eine höhere Festigkeit als Sandstein, Kalkstein und Marmor und ist folglich schwieriger abzubauen. Da er äußerst widerstandsfähig gegen Witterungseinflüsse ist, dient er als vielseitiges Baumaterial, z. B. für Pflastersteine, Brückenpfeiler o. ä. Er kommt hauptsächlich in geologisch älteren Gebirgen vor, z. B. im Schwarzwald oder im Bayerischen Wald, und bildet dort das so genannte Grundgebirge.
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Basalt ist das verbreitetste vulkanische Gestein. Es ist ein feinkörniges, dichtes und dunkles, graues bis schwarzes Gestein. Es enthält Feldspat, Quarz und Foide sowie Spuren von Hornblende, Pyroxene, Biotit, Olivin, Magnetit, Ilmenit und Apatit. Basalt sondert oft bei der Erstarrung der Lava schöne polyedrische (vielflächige) Säulen ab (Abb. B-8b), die senkrecht zur Abkühlungsfläche stehen. Er bildet Kuppen und mächtige Decken und Plateaus.
Abb. B-8b: Basaltsäulen [V]
Basalt ist ein besonders zähes und wetterfestes Gestein; es wird u. a. zu Gleisschotter und Splitt verarbeitet. Basalt kommt in Deutschland u. a. im Siebengebirge, Westerwald, Vogelsberg und in der Rhön vor. Diorit, ein klein- bis mittelkörniges Tiefengestein von meist grauer oder dunkelgrauer Farbe, wird in Form von Nadeln oder Körnern sowie beigemengter Hornblende auch Grünstein genannt. Diorit besteht vorwiegend aus Feldspat, Quarz und geringeren Mengen Hornblende, Augit, Biotit, Titanit, Apatit, Zirkon und Granat.
Abb. B-9: Quarz-Diorit [V]
Diabas ist dem Diorit ähnlich, aber heller. Er besteht hauptsächlich aus Augit und Feldspat. Porphyr (griechisch porphyros: purpur), ist ein Eruptivgestein, das große, gut ausgebildete, in einer feinkörnigen Masse eingebettete Kristalle besitzt, die in einer dichten, gleichartigen bis glasartigen Grundmasse abgelagert sind. Die feinkörnige Matrix nennt man Grundmasse und
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3 Die Festgesteine
die größeren Kristalle Einsprenglinge. Es ist die ursprüngliche Bezeichnung für ein in Ägypten gefundenes Gestein, das markante, in eine rote oder purpurne Matrix eingelagerte Feldspatkristalle besaß.
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Abb. B-10: Porphyr-Steinbruch [V]
Syenit, ein mittel- bis grobkörniges, hell- bis dunkelgraues Tiefengestein, besteht vorwiegend aus Feldspat und Hornblende. Im Unterschied zum ansonsten ähnlichen Granit enthält Syenit keinen oder nur wenig Quarz. Statt Quarz kann Syenit auch geringe Mengen an Feldspatvertretern enthalten. Nebengemengeteile sind Magnetit, Apatit, Zirkon. Syenit kommt in Deutschland im Schwarzwald und bei Dresden vor.
Abb. B-11a: Beispiel für Syenit [V]
3.3 Die Schichtgesteine 3.3.1 Allgemeines Die Schichtgesteine umfassen die Absätze zerstörter ehemaliger Ergussgesteine, kristalliner Schiefer oder älterer Sedimente vorwiegend im Wasser. Sie wurden hauptsächlich im Meerwasser der flachen Kontinentalränder (Schelfgebiete), in der Tiefsee oder in den Sammelmulden vor den Gebirgen durch Flüsse bzw. durch Schmelzwasser abgesetzt.
B Geologische Grundlagen
Das besondere Kennzeichen der Schichtgesteine sind die plattenförmigen Lagen, die wie Blätter eines Buches übereinander liegen. Ungeschichtete Absätze (wie z. B. Geschiebemergel, Terrassenschotter u. a.) gehören zu den Ausnahmen. Weitere Kennzeichen sind der Mangel an kristalliner Struktur und ihre von den Ergussgesteinen nicht selten abweichende chemische Zusammensetzung. Entsprechend der Art und Weise ihrer Entstehung können unterschieden werden: • mechanische Schichtgesteine (Sedimente) • chemische Schichtgesteine • organische Schichtgesteine • Umwandlungsgesteine
3.3.2 Mechanische Schichtgesteine Die mechanischen Schichtgesteine sind in der Hauptsache aus den durch Verwitterung zerstörten Bruchstücken älterer Gesteine entstanden, die durch Regen, Wind, Eis oder fließendes Wasser weggeführt und abgesetzt wurden (Diagenese genannt). Sie werden auch als Trümmergesteine bezeichnet. Die wesentlichen mechanischen Schichtgesteine sind: Sandstein, Schiefer, Schieferton bzw. Tonschiefer, Kalkstein, Marmor, Alabaster. Der Sandstein unterscheidet sich durch die Korngröße und (je nach Eisengehalt) nach der Farbe (z. B. roter Sandstein). Auch die anderen Gesteine können je nach Zusammensetzung sehr unterschiedliche Strukturen und Farben zeigen (z. B. der Marmor). Die durch fließendes Wasser in Küstennähe abgesetzten lockeren Gesteinsbrocken werden je nach ihrem Abstand von der Küste bzw. ihrer Wichte meist immer kleiner und unterliegen einer natürlichen Aufbereitung. Die vulkanischen Tuffe können aufgrund ihrer Schichtung auch als Sedimente angesehen werden. Je nachdem, ob die Gesteinsbrocken oder Körner noch nicht miteinander verbunden oder schon wieder verfestigt sind, unterscheidet man zwischen lockeren Trümmergesteinen (die im Allgemeinen als Böden bezeichnet werden) und verfestigten Trümmergesteinen.
3.3.2.1 Verfestigte Trümmergesteine Diese sind wiederverfestigte Trümmergesteine und bestehen vorwiegend aus mehr oder weniger abgerundeten Quarzkörnern mit Einzelkorngrößen von • > 2 mm bei grobkörnigen Quarzkörnern (Konglomerate) • 2 – 0,02 mm in mittelkörnigen Quarzkörnern (Sandstein, Grauwacke) • < 0,02 mm bei feinkörnigen Quarzkörnern (Schieferton, Tonschiefer). Sie sind durch ein toniges, dolomitisches, kieseliges, oder mehr mergeliges Bindemittel verkittet. Ein von jedem Bohrmeister gefürchteter Vertreter dieser Gesteinsart ist das „Nagelfluhgestein“ der Alpenvorberge. Sein Gefüge ähnelt dem des Betons. Bohrtechnisch lässt es sich jedoch wesentlich schlechter beherrschen als der Beton. Breccien sind ebenfalls Konglomerate, jedoch mit nicht abgerundeten, eckig-kantigen Gesteinsbruchstücken. Ebenso ist die Grauwacke, ein unvollkommen ausgearbeitetes graues Gestein mit eckigen Bruchstücken aus Gesteinen wie Feldspat, Kieselschiefer, Ton und Schiefer, zu den Konglomeraten zu zählen. Nachfolgend einige Vertreter der verfestigten Trümmergesteine.
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3 Die Festgesteine
Es entstand aus: Gebirgsschutt > Breccie (eckige Körner) Geröll > Konglomerat (runde Körner) Sand > Sandstein tonigem Sand > Sandschiefer Ton > Schiefer
Abb. B-11b: Beispiel für Breccie (hier bunte Breccie) [V]
Abb. B-12: Beispiel für Buntsandstein [V]
3.3.2.2 Verschiedene Trümmergesteine Sandstein (Abb. B-12) besteht aus Sandkörnchen, die durch nach Art und Menge sehr verschiedene Bindemittel zusammengekittet sind. Nach der Art der Bindemittel (Quarz, Calciumcarbonat, Eisenoxid) unterscheidet man kieselige oder Quarzsandsteine, kalkige, tonige, mergelige, eisenhaltige u. a. Sandsteine. Die Farbe hängt weitgehend von den Bindemitteln ab. Eisenoxid führt zu einer roten oder rotbraunen, andere Bindestoffe zu einer weißen, gelblichen oder grauen Farbe. Sandstein ist nicht nur ein natürlicher Speicher für Öl- und Erdgasvorkommen, sondern wird auch als Baumaterial verwendet. Grauwacke (B-13) ist farblich bunt, vorwiegend dunkelgrau. Die Korngröße schwankt in weiten Grenzen, so dass sie auch als Bindeglied zwischen der Breccie bzw. den Konglomeraten und dem Sandstein angesehen werden kann. Das Bindemittel ist meist kieselig.
B Geologische Grundlagen
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Abb. B-13: Beispiel für Grauwacke [V]
Schieferton (Abb. B-14) ist ein Sedimentgestein, das aus verfestigten Tonen entstanden ist, meist grau bis graublau, kann noch mit dem Messer geschnitten werden. Bei Wasseraufnahme quillt er und zerfällt beim Austrocknen blättrig. Roter, grüner und violetter Schieferton und schwach verfestigter Ton wird Tonstein oder mancherorts Letten genannt; diese Bezeichnung soll jedoch in der Bodenmechanik nicht verwendet werden. Die Korngrößen liegen unter 0,02 Millimeter. Das Gestein enthält noch Wasser, ist aber im Unterschied zum Ton nicht mehr plastisch verformbar.
Abb. B-14: Schieferton-Steinbruch [V]
Die im Meer sedimentierten Tone werden durch den Druck überlagernder Schichten verfestigt. Dabei wird das in den Poren sitzende Wasser ausgepresst und das Gestein komprimiert. Durch den Druck bilden sich manche Tonminerale um, und es entstehen zum Teil neue Tonminerale. Steigt der Druck weiter an, kann die Grenze zur Metamorphose (Umwandlung) erreicht werden; dabei entsteht Tonschiefer, der eine Mittelstellung zwischen Schichtgesteinen (Sedimenten) und Umwandlungsgesteinen (Metamorphiten) einnimmt. Bei der Verfestigung des Gesteins werden die Tonminerale parallel ausgerichtet. Der Schieferton erhält dadurch ein paralleles oder plattiges Gefüge, die „Schieferung“. Berühmt ist der Schieferton für die gut abgebildeten Fossilien (Versteinerungen von Meerestieren und Pflanzen (z. B. Fische und Muscheln, Farne usw.). Tonschiefer (Abb. B-15) ist stärker verfestigt, hart und quillt im Wasser nicht auf, verwittert aber leicht an der Oberfläche. Tonschiefer geht durch erhöhten Druck aus einem Schieferton hervor und ist durch eine echte Schieferung geprägt. Weitere Druckerhöhung wandelt Tonschiefer zu kristallinem Schiefer um. Tonschiefer ist sehr feinkörnig und dicht, meist durch
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3 Die Festgesteine
Bitumen oder Graphitschüppchen grau oder schwarz gefärbt, durch eisenhaltige Minerale auch rötlich bis braun.
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Abb. B-15: Beispiel für Tonschiefer [V]
Neben Tonmineralen enthält Tonschiefer Quarz und Glimmer und vor allem Muskovit, der sich aus Tonmineralen gebildet hat. Das Rheinische Schiefergebirge ist nach den hier weit verbreiteten Tonschiefern benannt. Hier wird auch, ebenso wie im Frankenwald, der sehr gleichmäßig geschieferte, gut spaltende und leicht zu verarbeitende so genannte Dachschiefer abgebaut, der aus dem Karbon stammt. Man verwendet ihn zum Dachdecken und Verkleiden von Wänden. Sandschiefer (streifiger Schieferton) ist eine häufig im Karbongebirge vorkommende Abwandlung des Schiefertons. Es weist eine feine Wechsellagerung von sandigen (hellen) und tonigen (dunklen) Streifen verschiedener Dicke auf. Mal überwiegen die einen, mal die anderen Streifen nach Häufigkeit und Dicke. Man wird sandstreifige Schiefertone bei Überwiegen der sandigen Streifen, tonstreifige Schiefertone bei Überwiegen der tonigen Streifen und einfach streifige Schiefertone bei ungefähr gleichem Verhältnis unterscheiden können. Je nach der Zusammensetzung verhalten sie sich verschieden gegen Schlagen, Ritzen, Beißen, Tasten usw. Ihre Härte und technischen Eigenschaften wechseln nach dem Vorherrschen der einen oder anderen Komponente.
3.3.2.3 Chemische Schichtgesteine Zu den chemischen Schichtgesteinen gehören Salze und Kalisalze, Gips und Anhydrit, Erze, Mineralien und Kieselsteine. Auch einige Ablagerungen von Kalksteinen und Dolomiten sowie Marmor gehören dazu. Sie entstanden durch chemische Prozesse infolge von Ausfällung leicht löslicher Stoffe an Ort und Stelle aus übersättigten Lösungen bzw. durch natürliche Eindampfung. Chemische Schichtgesteine sind wesentlich seltener als mechanische Sedimente.
3.3.2.4 Organische Schichtgesteine Hierzu können gezählt werden: Korallenkalke, Kieselerden, Humusgesteine (Torf Braunkohle, Steinkohle, Anthrazit), bituminöse Gesteine (Kohlenwasserstoff, Erdöl), Phosphatgesteine (Phosphorit, Asphalt), Schreibkreide. Streng genommen sind die organischen Sedimente nicht mehr als eigentliche Absatzgesteine zu bezeichnen, da es sich bei ihnen vornehmlich um Bildungen handelt, die auf Lebenstätigkeit von Organismen zurückzuführen sind z. B.:
B Geologische Grundlagen
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Tiere ՜ Korallen, Erdöl, Ölschiefer Pflanzen ՜ Braunkohle, Steinkohle, Torf Der Kalkstein, ein typischer Vertreter der organischen Sedimentgesteine, besteht vorwiegend aus Calcit (Calciumcarbonat, CaCO3). Er entsteht im Meer und in geringem Umfang auch in Seen und an Quellen. Der Kalk fällt entweder direkt aus der Lösung aus oder entstammt den kalkigen Schalen und Skeletten abgestorbener Muscheln, Schnecken, Korallen, Schwämme oder Algen. Er kann Druckfestigkeiten bis 35 kN/cm2 aufweisen und ist zum Teil reich an Fossilien.
Abb. B-16: Kalksteinbruch [V]
3.3.2.5 Umwandlungsgesteine Diese „metamorphen1 Gesteine“ sind Gesteine, die infolge gewaltiger Drücke bei Gebirgsfaltungen oder hohen Temperaturen ihr Gefüge derart verändert haben, dass eine neue Gesteinsart mit kristalliner oder auch schiefriger Textur entstanden ist. Hierzu gehören auch die Kontaktzonen der Ganggesteine. Als Beispiel hierfür gilt Augengneis. So ähneln die kristallinen Schiefer den Eruptivgesteinen durch ihre Kristallinität und ihren Mineralbestand, unterscheiden sich aber von ihnen durch ihre gerichtete Textur. Von den Sedimentgesteinen sind sie durch den meist auftretenden Mangel an gut erhaltenen Versteinerungen verschieden. Die wichtigsten Vertreter der kristallinen Schiefer sind die Gneise, lagenförmige Gemenge kristallinisch-körniger Gesteine, bestehend aus Quarz, Feldspat und Glimmer mit einigermaßen paralleler Textur. Sie gliedern sich in Orthogneise (ehemalige Eruptivgesteine), Metagneise (von granitischen Lösungen durchdrungene Sedimente) und in Paragneise (frühere Sedimente). Dazu gehören Phyllite, feinschuppige farbige oder dunkle Gesteine mit großem Tongehalt, Glimmerschiefer und andere. In wirtschaftlicher Beziehung stehen die metamorphen Gesteine weit hinter den Eruptiv- und Sedimentgesteinen zurück. Das Vorkommen der kristallinen Schiefer beschränkt sich aber nicht auf die Gesteine der Urzeit. Gesteine weit jüngerer Formationen können infolge starker metamorpher Veränderung kristalline Struktur zeigen, wie z. B. die fossil führenden Bündnerschiefer in den zentralen Teilen der Westalpen und anderen Orten.
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gr. metamórphois = Umgestaltung, Verwandlung
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3 Die Festgesteine
3.3.2.6 Gesteinsbildende Mineralien
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Die wichtigsten Mineralien für die Gesteinsbildung sind: • Feldspat • Quarz • Glimmer Der Feldspat gehört zur Gruppe der wichtigsten, gesteinsbildenden Mineralien. Feldspäte sind Mischkristalle im Dreistoffsystem zwischen den Endgliedern Kalifeldspat (Orthoklas), Natronfeldspat (Albit) und Kalkfeldspat (Anorthit). Feldspäte sind Hauptbestandteile vieler magmatischer und metamorpher Gesteine wie Granit, Gneis oder Basalt. Durch Verwitterung dieser Gesteine und Sedimentation in trockenen Klimaten gelangen sie auch in Sedimente. Feldspäte sind die häufigsten Minerale; sie sind zu etwa zwei Dritteln am Aufbau der kontinentalen Erdkruste beteiligt. Bei einer Härte von 6 bis 6,5 liegt die Dichte zwischen 2,5 und 2,8 g/cm3. Sie zeigen einen glasigen Glanz und variieren in ihrer Farbe von Weiß oder Farblos bis hin zu verschiedenen rosafarbenen, gelben, grünen und roten Schattierungen. Feldspäte verwittern leicht, dabei entstehen unter anderem Tone und Kaolinit. Diese Verwitterungsprodukte sind wichtige Komponenten bei der Bodenbildung. Der Quarz ist ebenfalls eine gesteinsbildende Mineralgruppe verschiedener Modifikationen der Kieselsäure oder des Siliciumdioxids, SiO2. Die wichtigste Modifikation, der so genannte Tiefquarz, ist nach Feldspat das zweithäufigste Mineral der oberen Erdkruste. Quarz tritt gesteinsbildend in Magmatiten, Sedimentgesteinen und Metamorphiten auf. Quarz besitzt eine Härte von 7 und eine Dichte von 2,65 g/cm3. Quarzkristalle können glasig oder speckig glänzen. In reiner Form sind sie farblos und durchsichtig, meist jedoch durch Beimengungen milchig getrübt, weiß oder verschieden gefärbt. Der Milchquarz etwa verdankt seine milchig-weiße Farbe zahllosen winzigen, flüssigen oder gasförmigen Einschlüssen.
Abb. B-17: links: Feldspat - rechts: Quarz [V]
Als Sand ist Quarz Ausgangsstoff für die Herstellung von Glas sowie wichtiger Bestandteil von Zement und Mörtel. Gemahlener Quarz dient als Schleifmittel beim Steinschneiden, Sandblasen und Glasschleifen. Pulverisierter Quarz findet in der Herstellung von Porzellan, Scheuerseifen, Schmirgelpapier und Holzfüllern Anwendung.
B Geologische Grundlagen
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Der Glimmer ist vor allem enthalten in Magmatiten, Metamorphiten und einigen Sedimenten. Er bildet Kristalle im monoklinen System und lässt sich sehr gut in dünne, biegsame und elastische Blättchen spalten. Glimmerminerale sind komplexe Aluminiumsilikate. Ihre Härte liegt zwischen 2 und 3 und das spezifische Gewicht zwischen 2,7 und 3,3 cm3.
Abb. B-18: Beispiel für Glimmer [V]
3.3.2.7 Schlussbetrachtung Insgesamt sind 40 Gesteinsarten bekannt, die hier nicht alle genannt werden konnten. Zudem sind sie für die Bohrtechnik und das Baugeschehen nicht alle von Bedeutung. In der Bohrtechnik haben wir es vielfach mit einer Vermischung vieler hier aufgeführten Gesteinsarten zu tun. So können wir in einem Bohrloch Gerölle, Kiese, Sande, Ton, Torf und die unterschiedlichsten Arten von Festgesteinen antreffen. Einen sehr einheitlichen Schichtenaufbau findet man dagegen in den deutschen Küstenregionen, wo im wesentlichen Sande, Tone, Schluffe und Torf anzutreffen sind. Diese Böden sind zwar zum Teil ein schwieriger Baugrund, verursachen aber keine besonderen Probleme hinsichtlich der Bohrtechnik. Einheitlicher wird der Schichtaufbau in größeren Tiefen (wichtig bei Tiefbohrungen in der Exploration)
3.4 Lagerungsformen der Festgesteine 3.4.1 Allgemeines Der entstehungsbedingten Verschiedenheit der drei Hauptgesteinsgruppen entsprechend weichen auch ihre natürlichen Lagerungsformen sehr voneinander ab. Sie sind davon abhängig, ob die Steine aus dem Schmelzfluss erstarrt, aus dem Wasser abgesetzt bzw. mit Hilfe von Organismen entstanden sind oder ob sie metamorph verändert wurden.
3.4.2 Lagerungsformen der Erstarrungsgesteine Die Erstarrungsgesteine haben – im Gegensatz zu der bei den Schichtgesteinen vorzugsweise in einer Ebene entwickelten Ausdehnung – vielfach nach allen Richtungen verschiedene Erstreckungen. Handelt es sich doch in den aus der Tiefe in schmelzflüssigem Zustand aufgestiegenen Gesteinsmassen um so genannte Eindringungskörper und nur ausnahmsweise um Auflagerungsgesteine.
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3 Die Festgesteine
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Abb. B-19: Lagerungsformen der Ergussgesteine [V] (oben:. Kappen – unten: Decken)
An der Erdoberfläche fallen diese Gesteine zunächst als Vulkanberge ins Auge. Sie bilden bei Dickflüssigkeit des Lavamaterials über der Ausflussöffnung zum Teil gewaltige Kuppen (so genannte Quellkuppen) oder bei Dünnflüssigkeit des ausfließenden Materials flussartige Lavaströme mit wulstförmigen Erstarrungsformen auf der Ober- und Unterseite sowie teppichartige Decken
3.4.3 Lagerungsformen der Schichtgesteine (Sedimente) Im Gegensatz zu den aus der Tiefe aufgestiegenen Tiefengesteinen haben wir es bei den Schichtgesteinen mit ursprünglich flächenartig abgelagerten Gesteinsbrocken zu tun. Die Mächtigkeit der Schichten kann sehr verschieden sein. Örtlich zeigen die Schichten erhebliche Abweichungen von der horizontalen Lage. So sieht man nicht selten Gebirgsfaltungen (Abb. B-20) an den zutage tretenden Gesteinsbänken und nahezu steil stehende Schichten. Sie können gleichförmig oder auch ungleichförmig zueinander gelagert sein, das heißt verschiedene Neigungen zeigen. Dabei werden geneigt stehende Schichten teilweise abgetragen und durch horizontale Schichten überlagert. Für das Baugeschehen können solche Ablagerungsformen von großer Bedeutung sein, insbesondere für die Tragfähigkeit und die Gefahr von Rutschungen, sofern die geneigt liegenden Schichten von Bändern aus Schluff oder Ton unterbrochen sind und in Verbindung mit Wasser zu Abschiebungen führen können. Dies ist besonders bei Bauvorhaben in Hanglage zu beachten. Ihre richtige Kenntnis ist für die Baupraxis bedeutungsvoll, weil durch sie nicht selten an der Oberfläche und den darauf stehenden Gebäuden Schäden entstehen können, für die der Bauherr unter Umständen dann verantwortlich gemacht werden kann. Auch bohrtechnisch können derartige Lagerungsformen zu großen Schwierigkeiten führen. Es kann unter anderem zu Bohrabweichungen, Kernverlusten und Verklemmen der Futterrohre kommen.
B Geologische Grundlagen
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Abb. B-20: Gebirgsfaltungen [V]
3.4.3.1 Schichtenbiegungen (Falten) Falten und Faltungen sind durch erdinnere Kräfte hervorgerufene Verbiegungen von geschichteten Gesteinen. Es handelt sich hierbei um tektonische Einengungs- oder Stauchungsformen. Sie hängen oft mit Gebirgsbildung zusammen (Faltengebirge), bei denen starke horizontale Kräfte wirksam werden. Sie treten hier nicht einzeln auf, sondern meist in so genannten Faltengemeinschaften. Jede Falte besteht aus einem Scheitel und zwei Flanken, Flügeln oder Schenkeln. Sind die Flügel nach unten geöffnet, spricht man von einem Sattel, bei nach oben geöffneten Flügeln von einer Mulde. Die gedachte Linie, um die die Falte gebogen ist, heißt Faltenachse (Sattelachse, Muldenachse). Ist die Faltenachse geneigt, so taucht die Falte ab, d. h., sie verschwindet nach einer gewissen Strecke unter einer (gedachten) horizontalen Fläche. Die Ebene, in der alle Faltenachsen liegen, heißt Achsenfläche. Sie kann eben oder gekrümmt sein. Je nach Neigung der Achsenfläche unterscheidet man stehende Falten (mit senkrechter Achsenfläche), mehr oder weniger geneigte Falten (mit entsprechend geneigter Achsenfläche) und liegende Falten (mit stark geneigter oder waagerechter Achsenfläche). Die Achsenfläche kann sogar über die Waagerechte hinaus weiter geneigt werden, dann nennt man die Falte überkippt. Da sich große Gebiete der Erde, besonders ihre Gebirge, aus Faltengebirgen zusammensetzen, gehört die Faltung (Abb. B-20 + B-21) von Gebirgsschichten zu den bekanntesten, aber auch wichtigsten geologischen Erscheinungen
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3 Die Festgesteine
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Abb. B-21: Schematische Darstellung der Faltung [V]
3.4.3.2 Schichtenzerreißungen (Verwerfungen) Im Gegensatz zu den nur die Lage der Schichten verändernden Faltungen stehen Zerreißungen von Gebirgsschichten längs steil einfallender Klüfte oder Spalten. Derartige Brüche oder Risse (Scherrisse) entstehen, wenn Schichten ihre Zusammensetzungskraft verlieren. Diese Erscheinungsformen nennt man auch Störungen (bergmännischer Ausdruck).
Abb. B-22: Abschiebung (Schema) [V]
3.4.3.3 Abschiebungen Vergleichbar mit den Verwerfungen sind Abschiebungen oder Sprünge. Unter einer Abschiebung versteht man die abwärts gerichtete Bewegung eines Gebirgsstücks.
B Geologische Grundlagen
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Ab b. B-23: Überschiebung (Schema) [V]
3.4.3.4 Überschiebungen Eine vergleichbare Erscheinungsform sind Überschiebungen. Hierbei können sich ebenfalls durch seitlichen Schub Schichten übereinander schieben, so dass sich eine Schichtenfolge in einer bestimmten Tiefe wiederholen kann (Abb. B-23).
Abb. B-24: Verschiebung (Schema) [V]
3.4.3.5 Verschiebung Unter einer Verschiebung (Abb. B-24) versteht man die horizontale Verschiebung einer Schichtenfolge.
Abb. B-25: Überlagerung [V]
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3 Die Festgesteine
3.4.3.6 Überlagerung
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Bei den Überlagerungen werden steil stehende bzw. geneigt stehende Schichten durch Wind Wasser abgetragen und später durch die gleichen Kräfte wieder zum Teil von mächtigen Schichten überlagert (z. B. das Karbongebirge im Ruhrgebiet Abb. B-25).
3.4.3.7 Gräben und Horste Gräben und Horste sind durch Zerrungen während und nach Gebirgsfaltungen entstanden. Durch das Auseinanderklaffen konnten großflächige Gebirgsteile absacken und so Gräben oder Horste (Abb. B-26) bilden. Diese Erscheinungen dürfen nicht mit den Gräben verwechselt werden, die durch Flüsse eingeschnitten wurden, z. B. Grand Canyon (Arizona, Amerika). Die hier gemeinten Gebirgsformen sind heute jedoch in dieser scharfkantigen Form nicht mehr zu erkennen, sondern sind zum Teil aufgefüllt oder stark abgerundet bzw. abgeflacht (z. B. Rheingraben).
Abb. B-26: Schematische Darstellung von Gräben, Horsten und Brüchen [6]
3.4.3.8 Streichen und Fallen Man versteht unter Streichen einer Schicht ihre Erstreckung in einer bestimmten Himmelsrichtung. Diese wird bestimmt durch den Horizontalwinkel, der die Nordrichtung mit einer Streichlinie (Schnitt der Schichtebene mit der Horizontalebene) einschließt. Die Streichrichtung wird durch den gemessenen Winkel „a“ im Uhrzeigersinn (z. B. a = 90°) bestimmt (Abb. B-27).
Abb. B-27: Schematische Darstellung von Streichen und Fallen [V]
B Geologische Grundlagen
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Das Fallen ist das Maß der Neigung einer Schicht gegen die Horizontale. Der Einfallwinkel „ß 0 " ist der Winkel zwischen der Falllinie (verläuft senkrecht zur Streichlinie) und der Richtung der Falllinie; sie verläuft senkrecht zur Streichlinie, aber in der Horizontalen (z. B. ß = 35°). Bei einer horizontal gelagerten Schicht wäre das Einfallen ß = 0° (Abb. B-27).
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Zusammenfassung Die hier gezeigten Beispiele von Ablagerungs- und Schichtenformen stellen nur eine kleine Auswahl dar und erheben damit auf keinen Fall Anspruch auf Vollständigkeit. Weitere Erläuterungen zu diesen geologischen Erscheinungen würden zu weit führen und sind auch im Zusammenhang mit dem Gesamtthema wenig sinnvoll.
4 Die Böden (Lockergesteine) 4.1 Allgemeines Alle Böden haben ihren Ursprung in den Festgesteinen. Zunächst wurden die Festgesteine durch Sonne, Regen, Schnee, Frost, Wind und die verschiedenartigen Einflüsse der Pflanzen in ihrem Gefüge verändert, gelockert und zerkleinert. Der Wind trug die Feinstteile fort und lagerte sie irgendwo ab. Den größten Teil allerdings nahmen Gletscher und fließendes Wasser auf und transportierten den Trümmerschutt zum Teil über sehr große Strecken. Dabei erfolgte eine weitere Zerkleinerung und Sortierung. Wenn die Transportkraft z. B bei abnehmender Fließgeschwindigkeit oder Niedrigwasser nicht mehr ausreichte, erfolgten die Ablagerung und eventuell später auch ein Weitertransport bei höherem Wasserstand oder erneute Überlagerungen. Je weiter der Abstand vom Ursprung, desto feinkörniger wurde das Material bis zur Küste hin. Feinsand, Schluff und Schlick wurden im Küstenbereich abgelagert (Abb. B-28).
Abb. B-28: Absatz lockerer Schichtgesteine, gesondert nach Gewicht und Entfernung von der Küste bzw. dem Flussufer [V] Auf den Gletschern gelangten auch Gerölle und große Findlinge bis in die Norddeutsche Tiefebene, wo sie bei Ausschachtungsarbeiten noch heute gefunden werden. In Flussmitte verblieben im Wesentlichen die Gerölle (vom Transport abgeschliffene und abgerundete Gesteinsbrocken). In den Flussbiegungen lagerten sich außen die Feinteilchen und innen die gröberen Materialien ab. Schifffahrt, Hochwasser, Veränderungen der Fließgeschwindigkeit durch Be-
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4 Die Böden (Lockergesteine)
gradigungen der Flüsse usw. haben dazu geführt, dass heute fast überall die gesamte Korngrößenpalette anzutreffen ist, insgesamt also der Verwitterungsschutt des vom Fluss bewegten Materials (Gerölle) bzw. die vom Eis (Gletscher) mitgeführten und zum Teil abgeschliffenen Gesteinsbrocken und Moränenschutt. Die Unterteilung erfolgt in den Größenbereichen Schotter, Kies, Sand, Schluff und Ton (siehe unten).
Abb. B-29: Gletscherfindlinge [V]
Die Böden werden zunächst unterteilt in die Hauptgruppen • nichtbindige (rollige) Böden und • bindige Böden Im Wesentlichen haben wir es allerdings mit Mischböden zu tun, die aus sehr unterschiedlichen Korngrößen, Zusammensetzungen und Beimengungen bestehen. Zu den Ausnahmen gehören u. a. der Fluss- bzw. Meeressand, der aus nahezu gleich großen und dicht gelagerten Quarzkörnern besteht, und Schluffe, die in mächtigen Schichten anzutreffen sind (z. B. Löß). Kiese sind dagegen überwiegend gemischt abgelagert. Als typische Mischböden, die begrifflich nicht genau festgelegt sind, bezeichnet man: Lehm ist ein weit verbreitetes Verwitterungsprodukt, das aus Ton, Schluff und Sand besteht. Da der Anteil der verschiedenen Körnungsklassen sehr verschieden sein kann, präzisiert man ihn durch die Begriffe sandig, tonig und schluffig. Lehm entsteht durch die Verwitterung der verschiedensten Gesteine und enthält Tonminerale und Eisen. Die Eisenverbindungen sorgen für die gelblich bis braune Farbe. Je nach der Entstehung unterscheidet man Lößlehm, Geschiebelehm, der aus entkalktem Geschiebemergel entstanden ist, und Auelehm, der sich aus den Sedimenten der Flusstäler bildet. Mergel ist ein sedimentäres Lockergestein, das aus Ton, Kalk und gelegentlich sehr wenig Sand besteht. Die genaue Bezeichnung richtet sich nach dem Verhältnis der Bestandteile: z. B. Tonmergel, Mergelton, sandiger Mergel oder Kalkmergel. Die so genannten Geschiebemergel der Norddeutschen Tiefebene sind in der Eiszeit entstanden. Sie enthalten abgerundete Gesteinsbrocken, die so genannten Geschiebe.
B Geologische Grundlagen
Organische Böden bestehen vollständig aus organischen Stoffen (z. B. Torf) oder auch aus einem Gemisch von Feinsanden und Schluffen mit einem hohen Anteil an organischen Stoffen (z. B. Humus, Faulschlamm). Der Humus ist ein im Zersetzungsprozess befindliches organisches Material im Boden, das von toten Tieren und Pflanzen stammt. Im Anfangsstadium der Zersetzung wird ein Teil des Kohlenstoffes, Wasserstoffes, Sauerstoffes und Stickstoffes rasch als Wasser, Kohlendioxid, Methan und Ammoniak abgeleitet. Die anderen Bestandteile zersetzen sich langsam und bleiben als Humus zurück. Der Löß, ein gelblich-braunes Lockersediment, der in Deutschland großflächig in zum Teil mächtigen Schichten auftritt, muss etwas genauer betrachtet werden. Er besteht in der Regel aus etwa 10 bis 25 % Ton (Korndurchmesser < 0,002 mm) und 70 bis 80 % Schluff (Korndurchmesser 0,002 bis 0,063 mm). Der Rest von ungefähr 10 bis 15 % ist Fein- (Korndurchmesser 0,063 bis 0,2 mm) und Mittelsand (Korndurchmesser 0,2 bis 0,63 mm). Die Zusammensetzung variiert je nach Herkunftsgebiet sehr stark. Hauptbestandteil ist immer Quarz (zwischen 60 und 70 %). Daneben treten Glimmer, Feldspat und Kalziumkarbonat in wechselnden Anteilen auf. Löß entstand aus einem vom Wind ausgeblasenen, verfrachteten und abgelagerten Flugstaub aus den vegetationslosen Schotter- und Sandflächen des Pleistozäns (Eiszeitalter). Die Mächtigkeit der Ablagerungen und die Korngrößen nehmen mit der Entfernung zum Liefergebiet ab. Die Ablagerung erfolgt meistens vor Mittelgebirgsschwellen. So gibt es in Deutschland die mächtigsten Lößschichten nördlich der Mittelgebirge in den so genannten Börden (Magdeburger Börde, Soester Börde usw.) und im Rheintal. Die Vorkommen im Voralpenland sind, bedingt durch das Liefergebiet (Kalkalpen), sehr karbonatreich (bis zu 35 %). Die Mächtigkeiten der Lößablagerungen können in Deutschland bis zu 40 Metern (in China zum Teil mehrere hundert Meter) betragen. Bohrtechnisch stellt der Löß keine besonderen Anforderungen. Da er meistens eine steife bis halbfeste Konsistenz aufweist, lässt er sich sehr gut mit der Schnecke bohren und auch leicht kernen. Je nach Bohraufgabe kann auch zum Teil auf eine Verrohrung verzichtet werden. Daneben sind auch örtliche Bezeichnungen verschiedener Mischböden bekannt. Dazu gehören Klei, Essener Grünsand, Mudde, Seeton, Keupermergel, Bänderton, Seekreide, Granitzersatz usw., deren Zusammensetzungen sehr unterschiedlich sind. Diese Böden sind, mit Ausnahme der Gebirgs- und Vorgebirgsgegenden, das wesentliche Betätigungsfeld des Grundbaus. Sie sind es auch, die mit ihren vielen Erscheinungsformen die Probleme bei den Gründungen liefern. An dieser Stelle muss aber der Ansicht widersprochen werden, dass Festgesteine wesentlich problemloser sind. Dies trifft nur zu, wenn es sich um nahezu flache Lagerungen einheitlicher Schichten handelt. Sobald diese Schichten stark wechseln, geneigt, gestört und von Gleitschichten unterbrochen sind, beginnen die Schwierigkeiten. Diese werden verstärkt, wenn wasserführende Schichten hinzukommen und Hanglagen zu beachten sind. Hier sind zuverlässige Baugrundaufschlüsse unerlässlich, um größere Bauschäden zu vermeiden.
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4 Die Böden (Lockergesteine)
Tafel 2-B: Bezeichnungen, Korngrößen und Eigenschaften der Böden Gruppe
Bodenart
B Rollige Böden
Grobkies Mittelkies Feinkies Grobsand Mittelsand Feinsand Bindige Grobschluff Böden Mittelschluff Feinschluff Ton Böden Schluffe mit organischen mit orga- Beimengungen nischen Beimen- Tone mit organischen gungen Beimengungen
Organische Böden
Auffüllungen
grob- bis gemischtkörnige Böden mit kalkigen, kieseligen Beimengungen nicht bis mäßig zersetzte Torfe zersetzte Torfe Mudden Faulschlamm Gyttja unterschiedliche Mischböden, bestehend aus:
Korngrößenbereich in mm
> 20,0 bis 63,0 > 6,3 bis 2,0 > 2,0 bis 6,3 > 0,6 bis 2,0 > 0,2 bis 0,6 > 0,06 bis 0,2 > 0,02 bis 0,06 > 0,06 bis 0,02 < 0,002 bis 0,06 < 0,002 durch unterschiedliche Beimengungen nicht bestimmbar siehe oben
Lagerungs- dichten Lagerungsdichten locker mitteldicht dicht locker mitteldicht dicht
Steifigkeit Steifigkeit
halbfest steif weich breiig
keine Kornbestimmung
hart bis breiig halbfest, weich, breiig halbfest, weich, breiig halbfest , weich, breiig weich bis breiig
siehe oben keine Kornbestimmung
weich bis breiig weich bis breiig
durch die stark unterje nach Zusamschiedliche Zusammen- mensetzung losetzung ist keine Korn- cker bis dicht größenbestimmung möglich
fest halbfest weich
siehe oben
4.1 Der Wasserkreislauf Auf der Erde gibt es über 1,4 Milliarden Kubikkilometer Wasser, das sich fortwährend im Kreislauf durch Flüsse, Meere, Atmosphäre, Böden und Gesteine befindet. Gemessen an der Wassermenge, die in jedem Teil des Kreislaufes ist, sind Flüsse nur ein sehr kleiner Teil des Systems. Der weitaus größte Teil des Wassers ist salzig, wobei die Meere 96,5 % des gesamten Wassers der Erde enthalten. Von den übrigen 3,5 %, die Süßwasser sind, ist der größte Teil entweder in den Kälteregionen in polaren Eisdecken, Gletschern und Schnee (69 %) oder unterhalb der Erdoberfläche als Grundwasser (30 %) gebunden. In Seen befinden sich weitere 0,25 %, während die Atmosphäre 0,04 % enthält. In Flüssen sind nur 0,006 % des
B Geologische Grundlagen
gesamten Süßwassers der Erde enthalten. Hier fließt das Wasser unter dem Einfluss der Schwerkraft, wodurch es die Energie erhält, die Landschaft durch Erosion, Transport und Ablagerung von Gesteinen zu gestalten. Der Wasserkreislauf ist eine dynamische, erneuerbare und natürliche Grundlage für menschliches, pflanzliches und tierisches Leben. Der Wasserkreislauf (Abb. B-30) beginnt, wenn Wasser aus den Meeren verdunstet und dabei in die Atmosphäre gelangt. Das atmosphärische Wasser gelangt als Niederschlag in Form von Hagel oder Schnee auf die Erdoberfläche zurück. Welche Wassermenge den Boden erreicht, hängt von vielen Faktoren ab. Im Allgemeinen erhalten höhere Lagen mehr Niederschlag als tiefere. Die meisten Flüsse entstehen im Gebirge. Ein Teil des Niederschlages wird von Pflanzen, insbesondere Bäumen, abgefangen und kehrt durch Rückverdunstung direkt in die Atmosphäre zurück, bevor er auch nur den Boden erreicht. Der Wasserverlust durch diesen Vorgang kann beträchtlich sein. Die Rodung von Bäumen für den Nutzpflanzenanbau (Entwaldung) kann die Menge und Geschwindigkeit des Niederschlags, der den Boden erreicht, bedeutend erhöhen. Dadurch kommt es örtlich zu einer verstärkten Bodenerosion und zu einem erhöhten Hochwasserrisiko.
Abb. B-30: Der Wasserkreislauf (schematische Darstellung)
Wenn der Niederschlag den Erdboden erreicht, sickert er gewöhnlich in den Boden ein, wo er entweder bis zum Grundwasser vordringt oder langsam als Zwischenabfluss hangabwärts fließt. Bei schweren Stürmen kann aber dort, wo menschliche Eingriffe zu einer Verdichtung der Bodenoberfläche oder einer Abdeckung mit Beton geführt haben und wo der Boden bereits gesättigt ist, nicht das gesamte Wasser versickern. Das überschüssige Wasser sammelt sich an der Oberfläche, um dann als Oberflächenabfluss hangabwärts zu dem nächstgelegenen Fluss zu fließen. Das Wasser, das den Fluss entweder durch Zwischenabfluss oder Oberflächenabfluss erreicht, wird als Abfluss bezeichnet.
47
B
48
4 Die Böden (Lockergesteine)
4.2 Das Grundwasser
B
4.2.1 Grundbegriffe der Hydrologie Grundwasser ist das im Untergrund frei bewegliche, nur der Schwerkraft unterliegende und alle Poren ausfüllende Wasser. Schichten, die Grundwasser enthalten, nennt man Grundwasserleiter oder Grundwasser führende Schichten.
Abb. B-31: Der Grundwasserspiegel (schematische Darstellung)
Die untere Grenzfläche ist eine wasserundurchlässige Boden- oder Gesteinsschicht (Grundwasserstauer). Die obere Grenzfläche ist der Grundwasserspiegel (Abb. B-31), der sich im Brunnen oder in der Bohrung einstellt. Das Grundwasser kann einen Grundwasserstrom oder – wenn es ruht – ein Grundwasserbecken bilden. Grundwasserarten sind: Das freie, ungespannte Grundwasser steht nicht unter Überdruck. An seiner Oberfläche sind der Wasser- und Luftdruck gleich groß (Abb. B-32a). Freies, schwebendes Grundwasser ist vorhanden, wenn unter der Grundwassersohle nochmals eine lufthaltige Zone folgt (Abb. B-32b). Gespanntes (artesisches) Grundwasser steht unter Überdruck (Abb. B-32c). Von Grundwasserstockwerken spricht man, wenn mehrere Grundwasserleiter durch undurchlässige Schichten (Stauer) voneinander getrennt sind (Abb. B-32d).
Abb. B-32: Grundwasserarten (schematische Darstellungen)
B Geologische Grundlagen
Wasser oberhalb des Grundwasserspiegels Durch Oberflächen-, Grenz- oder Kapillarkräfte wird Wasser oberhalb der Grundwasseroberfläche im Boden gehalten; es ist also nicht frei beweglich. Nach der Art der Wasserbindung sind zu unterscheiden: Hygroskopisches Wasser (Saugwasser) wird von den Oberflächenkräften der Bodenteilchen angesaugt (adsorbiert) und umgibt die Körner mit einer Hülle verdichteten Wassers. Als Folge dieser verdichteten Wasserhüllen werden die Körner nicht wassergesättigter, bindiger Böden durch freie Oberflächenkräfte aneinander gezogen (Kohäsion). Haftwasser wird durch Grenzflächenkräfte an den Bodenteilchen festgehalten. Das Haftwasser erfährt keine Verdichtung und steht nicht mit dem Grundwasser in Verbindung. Kapillarwasser (Porensaugwasser) steht dagegen mit dem Grundwasser in Verbindung. Es steigt vom Grundwasserspiegel infolge der Kapillarwirkung in den Haarröhrchen des Bodens auf und wird durch die Oberflächenspannung des Wassers gehalten. In der unmittelbar über dem Grundwasserspiegel liegenden Zone füllt das Kapillarwasser alle Poren (Bereich des geschlossenen Kapillarwassers). In größerer Höhe über dem Grundwasserspiegel sind nur noch einzelne Poren mit Wasser, die restlichen mit Luft gefüllt (Bereich des offenen Kapillarwassers). Sickerwasser stellt die Verbindung zwischen dem Niederschlags- und dem Grundwasser her und ergänzt den Grundwasserhaushalt. Unter dem Einfluss der Schwerkraft sickert es zum Grundwasser. Auf dem Weg ergänzt es zunächst das Haft- und Kapillarwasser der durchsickerten Schichten, so dass schließlich nur das überschüssige Wasser zum Grundwasser gelangt.
4.3 Die Quellen 4.3.1 Allgemeines Der natürliche Austritt des unterirdischen Wassers wird als Quelle bezeichnet. Über Tage liegt diese Stelle im Schnittpunkt des Grundwasserspiegels mit der Tagesoberfläche. Unter Tage liegt sie am tiefsten Punkt der durch Bohrungen oder Bergbau angefahrenen wasserführenden Zonen. Viele dieser Quellen führen Mineralsubstanz. Sie werden als „Heil- und Mineralquellen“ bezeichnet, wenn sie eine entsprechende Menge fester Bestandteile (Schwefel, Salze, Eisen, Sulfat, radioaktive Stoffe usw.) oder freie Kohlensäure besitzen. Je nach der Tiefe, aus der das Wasser aufsteigt, sind die Mineralquellen „kalt“ (unter 20 °C), „warm“ (über 20 °C) oder „heiß“ (bis etwa 72 °C, z. B. Aachen). Die Wärme entspricht normalerweise der Tiefe, aus der die Quellen stammen. Die Quellen können – aufsteigend oder – absteigend sein. Zu der zweiten Gruppe gehören die Schichtquellen, Überfallquellen, Stauquellen, Verwerfungsquellen, Kluftquellen und Zapfquellen (Abb. B-33). Aufsteigende Quellen sind solche, die durch hydrostatischen Druck oder Gasauftrieb bewegt werden. Überwiegend handelt es sich dabei um artesische Brunnen. Die Austrittsstellen von „gespanntem“ (artesischem) Wasser bilden sich dort, wo sich infolge Überdeckung durch eine undurchlässige Schicht oder Lagerung zwischen zwei undurchlässigen Schichten ein freier
49
B
50
B
4 Die Böden (Lockergesteine)
Grundwasserspiegel nicht bilden kann. Artesische Quellen bzw. Brunnen sind vielfach besonders wasserergiebig, weil das Wasser unter großem Druck austritt. Dabei ist die Steighöhe dieses Wassers infolge der Reibung etwas geringer als die des freien Grundwasserspiegels bei gespanntem Wasser. Alle Quellwasser enthalten Fremdstoffe, die vorwiegend den durchflossenen Gesteinen entstammen. Artesisch gespanntes Wasser kann u. a. zu erheblichen Schwierigkeiten bei Gründungsarbeiten führen (Bohrpfähle, Tiefgründungen), wenn das Wasser unerwartet angeschnitten wird (Grundbruchgefahr). Es ist daher bei den Untersuchungsbohrungen genau zu erfassen, damit bei den Bauarbeiten rechtzeitig Gegenmaßnahmen (z. B. durch Auflast) getroffen werden können.
Abb. B-33: Verschiedene Quellenarten
B Geologische Grundlagen
51
5 Allgemeines 5.1 Erdgeschichtliche Zeit- und Formationstafeln
Tafel 1a-B
B
52
4 Die Böden (Lockergesteine)
B
Tafel 1b-B
B Geologische Grundlagen
53
B
Tafel 1c-B
54
4 Die Böden (Lockergesteine)
B
Tafel 1d-B
B Geologische Grundlagen
55
5.2 Kreislauf der Gesteine
B
Tafel 2-B: Kreislauf der Gesteine
56
4 Die Böden (Lockergesteine)
5.3 Klassifizierung und Eigenschaften der Gesteine
B
Klassifizierung der Lockergesteine und bindigen Böden
Tafel 3-B: Klassifikation der Lockergesteine (nach Konta)
B Geologische Grundlagen
57
Klassifizierung von Fels
B
Tafel 4-B: Klassifizierung von Fels
Tafel 5-B: Klassifizierung der Gesteine nach Abrasivität [Sheperd/Sievers/Sterba]
58
4 Die Böden (Lockergesteine)
B
Tab. 6–B: Schwellendruckwerte bei mechanischer Gesteinszerstörung und Druck- sowie Scherfestigkeitswerte unter atmosphärischen Bedingungen für verschiedene Gesteine
Tab. 7-B: Verbesserte (ergänzte) Mohrssche Härteskala
C Mechanische Gesteinszerstörung beim Bohren
1 Gesteinszerstörung verschiedener Werkzeuge 1.1 Elementarvorgänge der mechanischen Gesteinszerstörung Das Bohren kann man als Eindringen eines Werkzeugs in das gewachsene Gebirge (Gestein, Lockergebirge) unter Herauslösung zerstörter Gebirgsteile aus dem (Gesteins-) Verband bezeichnen. Dabei wird unter Abförderung der gelösten Teile zum Bohrlochmund ein langgestreckter mehr oder weniger runder Hohlraum hergestellt. Das Werkzeug wird je nach Konstruktion und Aufgabe stoßend, schlagend, drehschlagend oder drehend eingesetzt. Die eigentlichen Wirkungselemente oder Werkzeuge arbeiten spaltend, kerbend, drückend, zertrümmernd oder schneidend; spanend, schabend oder schleifend. Vorgenannte Wirkungen entsprechen der Abb. C-1 auf der nächsten Seite. Aus den Elementarwerkzeugen lassen sich die dargestellten Lösungsschritte ableiten, die im Wesentlichen die Grundformen der Schneidelemente vieler Bohrwerkzeuge bilden. Die Schneidelemente bestimmen die Art der Gesteinsablösung aus dem Gebirgsverband und beeinflussen den Bohrfortschritt. Falsch ausgewählte Bohrwerkzeuge führen zu einer falschen Interpretation der Bohrbarkeit des Gebirges und zu unwirtschaftlichem Einsatz nachfolgend eingesetzter Werkzeuge. Die Bohrwerkzeuge unterscheiden sich wesentlich nach der Art des Bohrverfahrens. Ausgewählt wird im Allgemeinen das Verfahren, das bei geringstem Energieeinsatz optimale Bohrleistungen erbringt. Der Energieaufwand für stoßendes, drehendes und schlagendes Bohren bei gleicher Bohrlochsituation ist in der Abbildung C-2, dargestellt. Abhängig vom Bohrwerkzeug und dem Wirkungselement erfolgt die Gesteinsablösung unter Bildung eines Kraters bzw. von radialen oder zirkularen Nuten, Furchen oder Rillen. Je größer bei vergleichbarer Energie die Ausbildung dieser Vertiefungen erfolgt, umso höher ist der wirtschaftliche Bohrfortschritt. Die Größe z.B. eines Kraters, hängt auch vom Sprödbruch- und plastischen Verhalten des Gesteins ab (Abb. C-3)
H. -O. Buja, Handbuch der Tief-, Flach-, Geothermie- und Horizontalbohrtechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-9943-9_3, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
60
1 Gesteinszerstörung verschiedener Werkzeuge
1.2 Schematische Darstellung mechanischer Gesteinszerstörung
C B
Abb. C-1: Schematische Darstellung der Elementarvorgänge mechanischer Gesteinszerstörung 2 [whb]
2
[whb] steht für „Wirth Bohrhandbuch“
C Mechanische Gesteinszerstörung beim Bohren
61
1.3 Belastungsarten
C
Abb. C-2: Belastungsarten [whb]
Belastungsarten beim stoßenden (1), drehenden (2) und schlagenden (3) Bohren. Bei 1 hohe Zerstörungsenergie bei geringer Schlagfrequenz, bei 2 hohe axiale und konstant anhaltende Druckkraft, bei 3 geringe konstante primäre Druckkraft mit geringer Zerstörungsenergie bei hoher Schlagfrequenz (nach Hunsdorfer).
1.1.3 Kraterbildung
Abb. C-3: Kraterbildung unter dem Schneidelement unter Einfluss hydrostatischen Spülungsdruckes (nach Mauer). [whb]
62
1 Gesteinszerstörung verschiedener Werkzeuge
1.4 Schlagend arbeitende Bohrwerkzeuge
C B
Beim schlagenden Bohren werden Schlagimpulse in einem pneumatischen oder hydraulischen Bohrantrieb erzeugt, über Verbindungselemente auf das Bohrwerkzeug übertragen. Die gesteinszerstörenden Elemente aus Hartmetall (Abb. C-4) zeigen dabei je nach Ausbildung kerbende, spaltende, drückende und zertrümmernde Wirkung. Das Bohrwerkzeug bleibt auch beim Umsetzen im ständigen Kontakt mit der Bohrlochsohle Das Bohrgut wird spülend, mit Luft oder Flüssigkeit ausgetragen. Der Vorläufer des Schlagbohrens ist das Stoßbohren, dadurch gekennzeichnet, dass das Bohrwerkzeug in Intervallen Bohrarbeit leistete und zwischenzeitlich keinen Gesteinskontakt hatte (Abb. C-5). Beim schlagenden Bohren mit spangebender Wirkung bewirkt der Schlagimpuls ein ununterbrochenes Abscheren des Gesteins (Abb. C-6). Das Bohrelement muss im ständigen Kontakt mit dem Gebirge stehen und einem relativ hohen Andruck ausgesetzt sein. Beim Abscheren bildet sich eine Spankette aus größeren Anteilen und Restkörpern die nach dem Verdrängen des Hauptspans beseitigt werden. Ein Freiwinkel unter dem Schneidelement muss wie beim schneidenden Bohren immer vorhanden sein, damit es nicht zum Gleiten bzw. Schleifen der Schneide ohne Bohrfortschritt kommt.
1.5 Gesteinszerstörende Schneidelemente
1) Schneide 2) Kegelstift 3) Kugelstift Abb. C-4:Gesteinszerstörende Schneidelemente aus Hartmetall [whb]
C Mechanische Gesteinszerstörung beim Bohren
63
1.4 Kraterbildung beim schlagenden Bohren
C
Abb. C-5: Kraterbildung beim schlagenden Bohren. [whb] 1 Schneide, 2 Bohrlochsohle, 3 zerstörtes Gestein, 4 Rissbildung, 5 Hauptspan
1.5 Gesteinsablösung durch Spanen
Abb. C-6: 1 Meißel mit eingesetztem Schneidelement, 2 Bohrlochsohle, 3 unmittelbare Gesteinszerstörung, 4 Scherspan, 5 kleine Restspäne, 6 Eindringtiefe (Spandicke) [whb]
64
1 Gesteinszerstörung verschiedener Werkzeuge
1.6 Drehschlagend arbeitende Bohrwerkzeuge
C B
Beim drehschlagenden Bohren sind spangebende und schlagende Wirkung vereinigt (Abb. C7). Durch ständigen hohen Andruck und zusätzliche Schlagimpulse wird die Eindringwirkung in das Gestein gesteigert und damit die Gewinnung des Spanvolumens. Drehschlagendes Bohren wird nicht nur mit Hartmetall-Schlagbohrköpfen sondern auch mit dafür geeigneten Rollenbohrwerkzeugen im harten Gestein angewendet. Die Zerstörung des Gebirges erfolgt dann drückend – zertrümmernd bei Bildung eines Kraters Abb. C-8). Das Volumen des Kraters ist neben dem Rollenmeißelandruck (in der Hauptsache Warzenmeißel) auch von der Verweildauer der Warze im Krater und der in dieser Zeit ablaufenden Schlagfolge abhängig.
1.7 Drehschlagende Gesteinszerstörung mit Drehschlagbohrköpfen
Abb. C-7: Drehschlagende Gesteinszerstörung mit Drehschlagbohrköpfen [n. Schwate]
1. Schneidenform und Winkelbezeichnungen: α = Freiwinkel β = Keilwinkel γ = Spanwinkel 2 . Gesteinszerstörung: 1 Schneidenstellung nach erfolgtem Schlag 2 Bohrlochsohle, abgewickelt 3 Krater 4 Scherspäne 5 Schneidenstellung vor dem Schlag 6 Kerb- (Schlag-) abstand 7 erbohrtes Gestein im Krater 8 Scherspäne h = Eindringtiefe s = Spandicke
C Mechanische Gesteinszerstörung beim Bohren
65
1.8 Drehschlagende Gesteinszerstörung mit Rollenmeißel
C
Abb. C-8: Drehschlagende Gesteinszerstörung mit Rollenmeißel (Mining bits) [whb]
1 Rollenkörper, 2 Lagerung, 3 Hartmetallstifte (mittelhart), 4 Kaliberwarze, 5 Krater, 6 Bohrlochsohle, 7 Bohrlochstoß
1.9 Drehend arbeitende Bohrwerkzeuge 1.9.1 Werkzeuge mit festen Schneiden oder Schneidkörpern Die Wirkungsweise der Schneidelemente ist schneidend, schabend oder spangebend bei variierten Drehzahlen und Andrücken (Abb.C-9 und Abb. C-10). Zu diesen Werkzeugen gehören hart-metallbelegte Flügelmeißel und Gesteinsdrehbohrer sowie PDC-, PKD-, PCD- und TSDbits. Zu den drehenden Werkzeugen mit festen Schneiden (Schneidkörpern) sind auch 1. Diamantwerkzeuge mit gesetzten natürlichen Diamanten und 2. imprägnierten Schneidlippen zu zählen. Die Wirkungsweise zu 1 ist als drückend – zertrümmernd und auf den Weg bezogen als spaltend / furchend anzusehen, zu 2 wird bei entsprechend hohen Geschwindigkeiten eine schleifende Wirkung erzielt. Die Abhängigkeit von Bohrandruck und Drehzahl sind für Blattmeißel im Diagramm 1-C und für Diamantmeißel im Diagramm 2-C dargestellt.
66
1 Gesteinszerstörung verschiedener Werkzeuge
1.9.2 Bohrschneidkörper
C B
Abb. C-9: Bohrschneidkörper [whb]
1 Winkel einer Schneide, 2 Einfluss der Bohrfortschrittsrate Fo pro Umdrehung auf den Freiwinkel (hoher Fortschritt, großer Freiwinkel), 3 Abhängigkeit der absoluten Bohrgeschwindigkeit v von der Rotationszeit wr und Eindringtiefe Fo, 4 Dreieck der Geschwindigkeitsvektoren einer Bohrmeißelschneide an zwei Schneidradiuspunkten.
1.9.3 Darstellung des Bohrfortschritts
Abb. C-10: Vergleichende Darstellung des Bohrfortschritt und der Winkel an der Schneide bei unterschiedlichen Gebirgsarten [whb]
C Mechanische Gesteinszerstörung beim Bohren
67
1.9.4 Geometrische Verhältnisse beim Bohren miW Diamanten
C
Abb. C-11: Geometrische Verhältnisse beim Bohren mit Diamanten, schematische Darstellung [whb] a = Korndurchmesser b = drückende Fläche = 10 s s = Eindringtiefe = 1/30 a, Bindung = 2/3 a, Exposure = 1/3 a
1.9.5 Gesteinszerkleinerung durch ein Diamantkorn
Abb. C-12: Ablauf der Gesteinszerkleinerung durch ein Diamantkorn. 1. Zone maximaler Kompression 2. Veränderung der Kompressionszone durch Bewegung und Bildung eines Spanes aus der rückwärtigen Bewegungsseite des Diamantkorns.
68
1 Gesteinszerstörung verschiedener Werkzeuge
1.9.6 Rillen- (Furchen-) bildung
C B
Abb. C-13: Darstellung der Rillen- (Furchen-) bildung bei Bewegung eines Diamantkorns auf der Bohrlochsohle. 1. Erste Druckbelastung, 2 . R i s s - u n d K r a t e r b i l d u n g , 3. und 4. Riss-, Span- und Furchenbildung
1.9.7 Bohrfortschritt beim Bohren mit Fischschwanz, Blatt- und Flügelmeißel
Diagramm 1-C : Abhängigkeit vom Bohrandruck und Drehzahl auf den Bohrfortschritt beim Bohren mit Fischschwanz, Blatt- und Flügelmeißel [whb]
C Mechanische Gesteinszerstörung beim Bohren
69
1.9.8 Bohrfortschritt mit Diamantmeißeln Beispiel: Bohrdurchmesser 6 1/16" , Teufe 1500 m, Gebirge, Sandstein, hart, dicht, Diamantbesatz 7,6 Steine / cm2 Steingröße 8 Steine / Karat Perfekte Bespülung, Spülungsdichte 1,4 kg / Liter
Diagramm 2-C: Abhängigkeit vom Bohrdruck und Drehzahl auf den Bohrfortschritt beim Bohren mit Diamantmeißeln [whb]
C
70
2 Rollenbohrwerkzeuge
2 Rollenbohrwerkzeuge
C B
Die Schneidelemente der Rollenbohrwerkzeuge bestehen entweder aus hartmetallbelegten Zähnen, aus Hartmetallwarzen oder aus Disken die entweder gepanzert oder mit Warzen bestückt sind. Je nach Meißelkonstruktion ist die Wirkungsweise der Schneidelemente schabend / grabend bei großem off-set oder drückend / zertrümmernd bei Rollenmeißel ohne off-set. ) In jedem Fall kommt es zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Kraterbildung (Abb. C-14 bis C-16). Die Wirkungsweise der Disken ist scherend bis drückend /zertrümmernd. Es kommt auch zu größeren Abspaltungen wenn vorlaufende Disken oder Pilotbohrungen Gebirgssentspannungen ausgelöst haben (Abb. C-17 + C-18).
2.1 Kraterbildung unter Andruck
Abb. C-14: Theoretische Darstellung der Kraterbildung unter Andruck (z.B. Rollenmeißelzahn). FB = Bohrandruck, Pm = hydrostatischer Druck der Spülungssäule, Pfl = Flüssigkeitsdruck des Gebirgsporenwassers. 1 Bildung von Rissen 2 Bildung von Gleitlinien 3 Zone der stärksten Zertrümmerung 4 Zone kleiner Spanbildung 5 Zone großer Spanbildung
C Mechanische Gesteinszerstörung beim Bohren
71
2.2 Kraterbildung unter Sprödbruch
C
Abb. C-15: Kraterbildung [whb]
2.3 Gesteinszerstörung beim Einsatz von Disken-Schneidrollen
Abb. C-16: Gesteinszerstörung bei Disken-Schneidrollen [whb] Bohren einer Ortsbrust mit DiskenSchneidrollen. 1. Andruck der Einzeldisk, 2. Rissbildung, 3. Spanbildung bei entspanntem Gebirge durch vorlaufende Disken, 4. Spanbildung ohne Vorentspannung.
72
2 Rollenbohrwerkzeuge
2.4 Kraterbildung in harten und weichen Formationen
C B
Abb. C-17: Kraterbildung in harten und weichen Formationen [whb] 1. Kraterbildung bei Einsatz von Spülflüssigkeiten. Der Krater bleibt während des Druckvorgangs gefüllt. 2. Kraterbildung bei Einsatz von Ausspülungen. Der Krater entleert sich bereits während des Druckvorgangs. Das bedeutet bei gleiche Verweildauer des Zahnes im Krater, wird ein höherer Bohrfortschritt erreicht. 3. grabend-schabende Kraterbildung in weichen Formationen.
2.5 Gesteinszerstörung beim Einsatz von Diskenschneidrollen
Abb. C-18 Einsatz von Diskenschneidrollen [whb]
C Mechanische Gesteinszerstörung beim Bohren
73
Einsatz im entspannten Gebirge, bei vertikalen Bohrungen mit Pilotloch 1. Diskenschneidrolle 2. Bohrlochsohle (geneigt zur Bohrrichtung bzw. Richtung des Aufbringens der Andruckkraft - Pfeil) 3. kleinere Scherspäne 4. zermalmtes Gestein (Krater) und Rissbildung 5. größere Scherspäne (entspanntes Gebirge) 6. Abspalten bei Vorhandensein eines Vorbohrloches bzw. beim Mehrstufenbohrkopf.
3 Bohrbarkeit der verschiedenen Gesteine Die Bohrbarkeit von Gestein soll ein Maß für die Größe und Art des Widerstandes sein, den das Gestein dem Eindringen einer "Bohrschneide“ entgegensetzt. Das Gesteinsverhalten wird beurteilt durch • einen aktiven Bohrwiderstand, der durch die Abrasivität des Gesteins, den Verschleiß bestimmt • einen passiven Bohrwiderstand, der dem Eindringen des Schneidelements entgegenwirkt. Die Bohrbarkeit des Gesteins wird von nachfolgenden Gesteinseigenschaften beeinflusst: • Einachsige Druckfestigkeit σD, für den passiven Bohrwiderstand • Scherfestigkeit σs • Einachsige Zugfestigkeit σz • Gehalt in % an schleifscharfen Mineralen • Härte und Korngröße der gesteinsbildenden Minerale und der Bindemittel. Zwischen der Verschleißfestigkeit des Werkzeuges und der Abrasivität (Schleißschärfe, engl. abrasiveness) des Gebirges besteht ein direkter Zusammenhang. Untersuchungen haben gezeigt, dass der Gehalt an verschleißfesten Mineralen, die Korngröße des Quarzes und die Zugfestigkeit zusammen den Verschleiß an Bohrwerkzeugen hervorrufen. Eine ähnliche Definition der Bohrbarkeit ist für Böden und Lockergebirge anwendbar. Für eine Beurteilung der Bohrbarkeit hat der Begriff der Gesteinshärte eine nur geringe Bedeutung. Die Gesteinshärte ist ein Maß für den Eindringwiderstand eines Körpers in das zu untersuchende Gestein, Im Feld erfolgt die Bestimmung durch Ritzen mit einem Messer oder Schlagen mit dem Hammer. Das bekannteste Verfahren ist die Bestimmung der Ritzhärte nach Mohs (Tab. 1-C). Für die Klassifizierung der Gesteinsbohrbarkeit wird oft auf Gesteinsfestigkeitswerte zurückgegriffen. Als Beispiel soll der Gesteinsfestigkeitswert nach Protodjakonow dienen. Die Tab. 2-C bis 6-C weist die Zuordnung vorgenannter Gesteinsfestigkeitswerte zu einer umfangreichen Tabelle von Boden- und Gesteinsarten aus. Beiden Tabellen ist wiederum die einheitliche Bohrbarkeitsklassifikation der ehemaligen UdSSR zugeordnet. Die ermittelte Bohrbarkeit des
C
74
C B
3 Bohrbarkeit der verschiedenen Gesteine
Gesteins ist bei einigen Bohrverfahren nicht gleichzusetzen mit der Bohrbarkeit des zu durchbohrenden Gebirges. Die Bohrbarkeit des Gebirges wird, außer von den vorgenannten Gesteinseigenschaften, von den Faktoren Klüftigkeit, Lagerung, Störzonen und Zwischenmitteln sowie den aufgeführten weiteren Gebirgseigenschaften bestimmt Bei allen spülenden Bohrverfahren ist der Einfluss der Hydraulik im Bohrloch und Bohrwerkzeug auf die Bohrbarkeit ein nicht zu übersehender Faktor. Spülungsdichte bzw. Differenzdruck auf Sohle beeinflussen z.B. direkt den Bohrfortschritt ebenso wie die Bohrlochsohlenreinigung In der Erd- und Gesteinsbohrtechnik (Felsbohrtechnik) werden für die Bestimmung der Bohrbarkeit andere Möglichkeiten eingesetzt. Grundlage für die Klassifizierung der Böden und Gesteine ist die DIN 18 300. Die Angaben der DIN 18 300 lassen kaum eine Ableitung der Bohrbarkeit zu. Über die Gewinnungsklassen-Einteilung nach Kögler-Scheidig erhält man eine präzisere Aussage, bezieht man das Lösewerkzeug und den Arbeitsaufwand mit ein. Die Werkzeugauswahl bei unterschiedlichen Gebirgsdruckfestigkeiten lassen nach Erfahrungswerten einen Hinweis auf die Bohrbarkeit zu (Dia. 1-C). Ermittelte Grenzwerte des Bohrfortschritts für verschiedene Werkzeuge und bestimmte Gebirge erfassen Bohrbarkeit und Wirtschaftlichkeit (Dia. 2-C). Die Bohrbarkeit von Gestein und Gebirge sollte getrennt nach Bohrverfahren und Bohraufgabe betrachtet werden. Besondere Unterschiede in der Bewertung der Bohrbarkeit ergeben sich z.B. in folgenden bohrtechnischen Bereichen: 1. Erd- und Gesteinsbohrungen, auch Großlochbohrungen, in der Bautechnik und im Brunnenbau 2. Gestängeloses Großlochbohren im Gestein (Fels) 3. Kernbohrtechnik in der Bautechnik und im Übertagebergbau 4. Kernbohrtechnik im Untertagebergbau 5. Gesteinsbohrtechnik im Bergbau und beim Massenabbau von Gesteinen 6. in der Tiefbohrtechnik.
C Mechanische Gesteinszerstörung beim Bohren
75
3.1 Relative Härteskalen
C
Diagramm 2-C: Härteskalen
76
3 Bohrbarkeit der verschiedenen Gesteine
3.2 Gesteinsfestigkeiten und Bohrbarkeit
C B
Tab. 2-C:Gesteinsfestigkeien und Bohrbarkeit (1)
C Mechanische Gesteinszerstörung beim Bohren
77
C
Tab. 3-C: Gesteinsfestigkeiten und Bohrbarkeit (2)
78
3 Bohrbarkeit der verschiedenen Gesteine
C B
Tab. 4-C: Gesteinsfestigkeiten und Bohrbarkeit (2)
Tab. 5-C: Gesteinsfestigkeiten und Bohrbarkeit (3)
C Mechanische Gesteinszerstörung beim Bohren
79
C
Tab. 6-C: Gesteinsfestigkeiten und Bohrbarkeit (4)
80
3 Bohrbarkeit der verschiedenen Gesteine
3.3 Faktoren für den Bohrfortschritt Folgende Faktoren beeinflussen den Bohrfortschritt bei tiefen Bohrungen:
C B
1
Gebirgseigenschaften
1
Härte
2 3 4
Abrasivität Bohrbarkeit Gebirgsverhalten (plastisch – spröde) physikalische 1 Eigenschaften Druck- und 2 Zugfestigkeit Verschmiertendenz (sticki- 3 ness, balling up) 4 5 6
5 6 7
2
Mechanische Faktoren
1
Werkzeugbelastung
2 3 4 5
Werkzeugdrehzahl Werkzeugzustand Werkzeugdurchmesser Werkzeugtyp
1
2 3 4 5 6
Teil 1
Durchlässigkeit Porosität Flüssigkeitsinhalt Porenfließdruck Einschließdruck Gebirgstemperatur
Art der Gesteinsablösung: schabend-grabend oder drückendzertrümmernd oder kombiniert Geometrie der Schneidelemente Art der Spülungswege Richtung u. Größe der Spülungswege Einfluss der drückenden Werkzeugfläche Einfluss des Schneidwinkels bei scherenden Werkzeugen
C Mechanische Gesteinszerstörung beim Bohren
4
Spülungseigenschaften
1 2 3 4 5 6
5
gering erfassbare Faktoren
1
2
6
ergänzende Faktoren
1
81
Dichte statische u. dyn. Filtrationseigenschaften Feststoffanteile Viskosität Fließgrenze Art der Spülung Leistungsfähigkeit des Personals
Leistungsfähigkeit der Bohranlage
korrosive Bohrlochgase
C 1
Verantwortung
2 3
psychologische Faktoren Ausbildungsstand
1
Zustand der Anlage
2 3 4
richtige Größenauswahl einfache Bedienung Umbaubarkeit
1
typ. Bohrprobleme, formationsbezogen; Spülungsverluste, Kicks; Endteufe Blow-Outs
2 2
Teil 2
Wetter und Klima
1
Bohrplatz; verkehrstechn. Verhältnisse; Betriebswasser
82
3 Bohrbarkeit der verschiedenen Gesteine
3.4 Hydraulische Einflussgrößen auf den Bohrvorgang
C B
Abb. C-19: Einflussgrößen auf den Bohrvorgang [whb]
C Mechanische Gesteinszerstörung beim Bohren
83
3.5 Einfluss von Gebirgsdruckfestigkeiten beim Einsatz unterschiedlicher Bohrwerkzeuge
C
Diagramm 3-C
84
3 Bohrbarkeit der verschiedenen Gesteine
3.6 Grenzwerte für die Wirtschaftlichkeit verschiedener Bohrwerkzeuge
C B
Diagramm 4-C
C Mechanische Gesteinszerstörung beim Bohren
85
3.7 Klassifikation von Gesteinen nach ihrer Härte
C
Tab. 7-C: Klassifikation von Gesteinen gemäß Härteprüfung nach Schreiner.
D Aufgaben der Bohrtechnik 1 Allgemeines Bohrungen dienen sehr unterschiedlichen Zwecken. Für die Definition der Bohrungen im Allgemeinen Begriffe wie Flachbohrungen, Trockenbohrungen, Schürfbohrungen, Tiefbohrungen, Großlochbohrungen sehr verwirrend und zum Teil unzutreffend. So wird der Begriff „Trockenbohrung” so definiert: „Wird das Bohrgut periodisch in einem Bohrwerkzeug gefördert, so spricht man vom „Trockenbohren”. Dabei ist unerheblich, ob die Bohrarbeit über oder unter dem Grundwasserspiegel erfolgt. Bei einer Kernbohrung mit Wasserspülung wird das Bohrgut bzw. der Bohrkern ebenfalls periodisch gefördert; trotzdem gilt dieses Verfahren nicht als Trockenbohrung. Auch für den Begriff „Flachbohrung” variieren die Teufenangaben in der Literatur von 300 bis 1500 m. In der Erdölbohrtechnik bezeichnet man z.B. Bohrungen bis 500 m Teufe als Flachbohrungen und solche über 500 bis 5000 m Teufe als Tiefbohrungen. Alle tieferen Bohrungen (über 5000 m Teufe) gelten als übertiefe Bohrungen. Ebenso ungeklärt ist die Definition der Großlochbohrungen und Bohrungen mit kleinen Durchmessern. Vorschläge gehen dahin, jede Bohrung, die drehend nach dem direkten oder indirekten Spülverfahren und nicht mehr mit einem handelsüblichen Dreikegelrollenmeißel, also größer als 26 Zoll ≈ 600 mm niedergebracht wird, als Großlochbohrung zu bezeichnen. Trotz aller unterschiedlichen Meinungen gilt in diesem Buch die Festlegung, dass Bohrungen bis zu einer Teufe von 300 m als Flachbohrungen zu bezeichnen. Dies ist auch der maximale Bereich der Bohrtätigkeit in der Bautechnik und den sog. Schürfbohrungen, Baugrunderkundungsbohrungen und sonstiger Bohrungen, die in diesem Teufenbereich ausgeführt werden und für die auch die Geräte ausgelegt sind. Die moderne Bohrtechnik hat heute umfangreiche Aufgaben in vielen Wirtschaftsbereichen zu erfüllen, entsprechend haben die Arten von Bohrungen zugenommen. In diesem Buch wird die Art der Bohrungen unabhängig von der Tiefe und dem Durchmesser dem Zweck bzw. der Aufgabe zugeordnet, was sinnvoller erscheint. Die wichtigsten Bohrungsarten, branchen- und einsatzbezogen geordnet, werden nachstehend angesprochen. Nicht enthalten sind Bohrungen, die mit gestängelos arbeitenden Ausrüstungen niedergebracht bzw. vorgetrieben werden. Bohrungsbezeichnungen in englischer Sprache, für die auch im jeweiligen Fachbereich keine deutschen Ausdrücke benutzt werden, wurden englisch belassen, z. T. übersetzt oder nur umschrieben. Bohrungsbezeichnungen, die in anderen Abschnitten dieses Buches im Zusammenhang genauer erläutert wurden, haben einen entsprechenden Hinweis und werden nur kurz beschrieben. Behandelt werden ebenfalls hier die Horizontalbohrtechniken (gesteuerte Spülbohrungen HDD und Bohrungen in der Geothermie). Nicht behandelt werden Tunnelbohrungen. Ein besonderes Kapitel widmet sich den Explorations- und Förderbohrungen in der Erdöl- und Erdgasgewinnung und -erkundung.
H. -O. Buja, Handbuch der Tief-, Flach-, Geothermie- und Horizontalbohrtechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-9943-9_4, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
D Aufgaben der Bohrtechnik
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2 Arten von Bohrungen 2.1 Bohrungen auf Erdöl und Erdgas • Aufschlussbohrungen sind Bohrungen in geologisch nicht oder gering bekannten Gebieten, die entweder Aufschluss über fehlende geologische Kenntnisse erbringen, oder den Nachweis förderungswürdiger Kohlenwasserstoffe liefern sollen. Eine Besonderheit bilden Tiefenaufschlüsse für Forschungszwecke. • Fundbohrung, ist eine Bohrung, die Erdöl- oder Erdgaslagerstätten aufgeschlossen hat und zur Förderbohrung ausgebaut werden kann. • Durch Erweiterungsbohrungen werden die Ausdehnungen durch Aufschlussbohrungen gefundener Erdöl- und Erdgasproduktionsfelder ermittelt. • Produktions- oder Förderbohrungen sind Bohrungen in bekannten Feldesteilen, die mit ziemlicher Sicherheit fündig werden sollten, in der Regel in einem Raster gesetzt. • Re-entry Well ist eine Bohrung in einem Erdöl-Altfeld, die aus einer vorhandenen vertikalen, verrohrten Bohrung heraus durch ein Fenster der Verrohrung abgelenkt wird. Die Neigung der Bohrung wird bis zur Horizontalen bzw. bis zum Einfallen der Lagerstätte aufgebaut, um eine möglichst lange Strecke, z.B. eines Ölsandes entölen zu können. • Pfahlbohrungen werden entweder stoßend oder drehend im Trockenbohrverfahren mit Hilfe von Verrohrungseinrichtungen niedergebracht. Das gilt für Bohrpfähle im Lockergebirge, bei anstehendem Fels, bei der Offshore-Gründung (Abb. D-1) oder wenn nicht gerammt werden kann, werden Pfahlbohrungen nach einem umgekehrten Zirkulationsverfahren drehend und spülend gebohrt. Bohrpfähle übertragen Bauwerklasten auf tragfähigen Baugrund. • Wasser- und Laugenlösungsbohrungen dienen der Vorentwässerung von Abbaugebieten oder als Sicherungsmaßnahmen bei der Entspannung von Laugennestern im Kali- und Salzbergbau.
Abb. D-1: Offshore Pfahlbohrungen für die Gründung von Bohrplattformen [Wirth]
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2 Arten von Bohrungen
• Gaslösungsbohrungen sind fächerförmig angesetzte, abgedichtete Bohrungen, vornehmlich im Steinkohlenbergbau, um Methangase vor Abbaumaßnahmen abzusaugen. Sie können flözgängig (mittl. Länge ca. 50 m) oder bankschräg (bis über 200m) vorgetrieben werden.
2.2 Bohrungen in der Bauindustrie
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• Baugrund-Aufschlussbohrungen werden in der Regel als Kernbohrungen (in kernfähigem Untergrund), sonst als Bohrungen für gestörte und ungestörte Bodenproben niedergebracht • Pegelbohrungen werden vertikal niedergebracht, um Setzungen von in bekannter Tiefe liegenden, bestimmten Bodenschichten kontrollieren zu können. • Injektionsbohrungen werden für Verpressungen des Untergrundes durchgeführt um erstens Abdichtungen von fließendem Wasser im Fels oder in alluvialen Sanden, Kiesen oder Geröllen zu erreichen. Klassische Bereiche sind die Bildung von Dichtungsschirmen oder -schleiern unter Dämmen und Talsperren mit Hilfe einer großen Anzahl von Injektionsbohrungen, oder das nachträgliche Abdichten der Bauwerke selbst. Zweitens werden Injektionen durch diese Bohrungen für die Verfestigung (Verbesserung) des Baugrundes vorgenommen. • Bohrung für Dehnungsmessung ist im Prinzip die gleiche Bohrung wie zuvor, nur horizontal angeordnet. Das eingebaute Dehnungsmessgerät soll daher horizontale Gebirgsverschiebungen messen. • Die Deformationsrohrbohrung wird mit einem biegsamen Futterrohr ausgestattet, das sich, z. B. bei seitlicher Bodenbewegung auf Gleitflächen, verbiegt. Die Veränderungen werden gemessen. • Die Piezometerbohrung dient zur Messung der Druckhöhe des Wassers im Untergrund. • Sondierbohrungen Ⴜ Drucksondierungen dienen zur Ermittlung des Spitzenwiderstands, getrennt von der Mantelreibung der Sonde und damit zur Feststellung nicht tragfähigen Baugrundes. Ⴜ Standard-Penetrations-Test dient zur Ermittlung der Druckfestigkeit des Bodens. • Mit Hilfe von Suchbohrungen sollen Eingeschlossene in Räumen, die als Fluchtorte vermutlich in Frage kommen, aufgefunden werden. • Versorgungsbohrungen dienen der vorübergehenden Versorgung der Eingeschlossenen bis zur Fertigstellung der Bergungsbohrung. • Pfahlwände werden durch die Aneinanderreihung sich tangierender oder überschneidender Einzelpfähle gebildet. Pfahlbohrungen werden senkrecht oder geneigt, schlagend oder drehend gebohrt. • Mit Schlitzwandbohrungen werden mit Hilfe von beweglich angeordneten (Umkehrspülung/ Zirkulation) Spülbohrgeräten und thixotropen Flüssigkeiten (z.B. Bentonit / Polymerspülungen) mehrere Meter tiefe Schlitze im Baugrund erstellt und mit Ortbeton unter Verdrängung der Stützflüssigkeit aufgefüllt. Schlitzwände werden heute überwiegend unter Einsatz von speziellen Schlitzwandgreifern oder –fräsen hergestellt. • Pfahlbohrungen dienen der Herstellung von Gründungpfählen zur Abtragung der Gebäudelasten auf den tragfähigen Baugrund. Angewendet werden unterschiedliche Bohrverfahren wie z. B. Schnecken- und Greiferbohrungen.
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Abb. D-2: Raupenseilbagger mit hydraulischer Verrohrungsmaschine bei der Bohrpfahlherstellung
Ankerbohrungen dienen zur Herstellung von Bauankern. Sie haben im Gegensatz zum Pfahl, der fast ausschließlich Druckbelastungen ausgesetzt ist, Zugkräfte aufzunehmen. Verankerungen werden u.a. senkrecht, z. B. als Ankerpfähle, oder als Schräganker gesetzt. Nach dem Bohren werden Ankerkonstruktionen in das Bohrloch eingebracht und im Bohrloch befestigt. Neben der Anlage von Gebirgsankern mit relativ kleinen Durchmessern, werden auch Großlochbohrungen mit über 2 m Durchmesser für Verankerungen niedergebracht.
Abb. D-3: Ankerbohrgerät KLEMM Typ 606 2 B
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2 Arten von Bohrungen
2.3 Bohrungen im Bergbau, Tunnel- und Stollenbau
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• Aufschlussbohrungen werden überwiegend als Kernbohrung mit großer Teufe bzw. Länge ausgeführt. Sie werden sowohl senkrecht auf- und abwärts, horizontal oder geneigt gebohrt. Im Erz, in der Kohle überwiegend konventionell, im Salz auch nach dem Counterflush-Verfahren. • Sprenglochbohrungen sind Kleinkalibrige Gesteinsbohrlöcher zur Aufnahme von Sprengladungen z.B. beim Strecken- (Tunnel-) vortrieb und beim Abbau von Salzen u. ä. • Einbruchbohrung sind Großlochbohrungen bis über 200 mm Durchmesser Sie werden aus wirtschaftlichen Gründen wie Erhöhung der Abschlaglängen, Verringerung der Sprengbohrlochanzahl und des Sprengstoffverbrauches ausgeführt.
Abb. D-4: Herstellen von Großlochbohrungen mit einem modernen, ferngesteuerten Bohrgerät zur Erhöhung der Abschlaglänge im Salzbergbau
• Strossenbohrungen sind Sprenglochbohrungen für den treppenartigen Abbau (Strossenbau) von Erz- oder Salzlagerstätten unter Tage und über Tage. • Rollochbohrungen sind großkalibrige Bohrungen für die Abwärtsförderung von Erzen, Salzen oder Versatzbergen unter Ausnutzung der Schwerkraft des Minerals. • Wetterbohrlocher sind Großbohrlöcher für die Wetterführung, z. B. zwischen zwei Sohlen, zwischen Grubenbauen und Tagesoberfläche oder bei der Herstellung von Aufbrüchen oder Gesenken. • Die Pilotbohrung ist das Bohrloch des kleinsten Schneiddurchmessers eines Stufenbohrwerkzeuges. • Zielbohrung ist die richtungsgenaue Vorbohrung eines Großbohrloches oder Bohrschachts. • Gefrierbohrungen sind Hilfsbohrungen für das Abteufen von Schächten im wasserführenden Deckgebirge. Die Bohrungen werden auf einem Lochkreis um eine projektierte Schachtscheibe angesetzt. Die verrohrten Bohrungen dienen dazu, einen Kälteträger (Kühlflüssigkeit) zirkulieren zu lassen, der dem Gebirge Wärme entziehen und eine ringförmige, unten geschlossene Frostmauer bilden soll. Im Schutze dieser Frostmauer werden die Abteufarbeiten vorgenommen.
D Aufgaben der Bohrtechnik
• Schachtvorbohrlöcher sind vorwiegend Kernbohrungen, die der Erkundung der Deckgebirgsverhältnisse wie Gesteinsausbildung, Lagerung und Wasserführung für den geplanten Schacht dienen. Sie werden überwiegend bis über die geplante Schachtendteufe hinaus geführt. Die Ansatzpunkte werden so gewählt, dass die Bohrungen später, während der Gefrier- und Teufphase, als Mittelloch oder Temperaturmessloch genutzt werden können. • Das Mittelloch wird während der Gefrierphase für Messungen und Beobachtungen genutzt. Beobachtet werden: Ⴜ Das Schließen des Frostmantels. Ⴜ Die Gebirgswasserverdrängung bei der Bildung des Frostmantels. Ⴜ Die Temperaturen im Bohrloch während der Vorgefrierzeit • Über das Temperaturmessloch werden während der Frostmantelbildung Temperaturmessungen innerhalb und außerhalb des Frostmantels vorgenommen. Sie dienen u.a. der Überwachung der Temperaturentwicklung im Gebirge. • Eine Rettungsbohrung wird niedergebracht zur Rettung unter Tage eingeschlossener Bergleute, Stollen- oder Tunnelbauer. • Bergungsbohrungen können sowohl von über Tage aus niedergebracht werden, als auch von unter Tage aus. Bergungsbohrungen müssen einen lichten Enddurchmesser von mindestens 500 mm haben, um das Passieren sogenannter Rettungsbomben zur Bergung der Eingeschlossenen zu ermöglichen. Die Bohrungen sollten bis in die Nähe des eingeschlossenen Baues verrohrt sein, um Unfälle bei der Rettung zu vermeiden. Der Durchschlag wird oft vom gesümpften Loch aus nach einem Trockenbohrverfahren durchgeführt. • Seismische Schussbohrungen werden in der Reflexionsseismik benötigt. Sie haben Durchmesser von ca. 3 bis 6 Zoll und erreichen je nach Erfordernis Teufen von 5 bis 150 Metern. Nach dem Bohren werden die Löcher mit Sprengstoff besetzt. Durch die Detonation der Sprengladung werden Erschütterungswellen erzeugt, die an den Grenzflächen der unterschiedlichen Boden- und Gesteinsschichten reflektiert werden. Die Laufzeiten der Wellen werden von Geophonen aufgenommen und von Seismographen registriert. Aus den Ergebnissen werden geologische Profile entwickelt. • Wasserbohrungen werden geteuft, um Süßwasser für den Betrieb der Fördereinrichtungen (Betriebsanlagen) zu gewinnen. In den Trockengebieten der Erde müssen sehr oft Wasserbohrungen für die Sicherstellung der Durchführung von Tiefbohrungen mit Spülung vorher geteuft werden. • Ankerbohrlöcher dienen zur Aufnahme von Gesteinsankern zur Festigung des Gesteinsverbandes und damit zur Sicherung untertägiger Hohlräume im Bergbau, Stollen- und Tunnelbau.
2.4 Bohrungen für Bergbau und Steinbruchbetriebe • Aufschlussbohrungen werden ausgeführt für die Erkundung und Erschließung von Kohle, Salz, Erz und anderen Mineralen. • Gewinnungsbohrungen werden ausgeführt als Sprenglochbohrungen, dienen zur Gewinnung von Erzen in Tagebauen und dem Massenabbau von Gesteinen. • Mit Hilfe von Förderbohrungen wird natürliche Sole aus Salzlagerstätten für die Gewinnung von Salz oder für Kurzwecke (Solbäder) gewonnen. In vielen Fällen wird Süßwasser über dieselben Bohrungen zur Anreicherung in die Salzlagerstätten geleitet.
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2 Arten von Bohrungen
• Grundwasserabsenkungsbohrungen haben im Braunkohlen-Tagebau die Aufgabe, den Abbaubereich trocken zu halten und Sohlenaufbrüche zu verhindern. Es handelt sich um großkalibrige Bohrungen, die als Bohrbrunnen ausgebaut werden. Für die Überwachung der natürlichen und abgesenkten Grundwasserspiegel dienen Pegel- und Beobachtungsbohrungen. • Schachtbohrungen sind mit Hilfe des Lufthebebohrverfahrens niedergebrachte Großbohrlöcher, die unmittelbar nach den Bohrarbeiten ausgebaut (verrohrt) werden. Sie können später als Wetter-, Versorgungs- oder Fahrschächte dienen.
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Abb. D-5: Wirth-Raise-Schachtbohranlage für einen Durchmesser bis 7,00 m
• Einpressbohrungen sind Bohrungen für Sekundär- und Tertiärfördermaßnahmen. In der Hauptsache zum Einpressen von Salzwasser, Gas, Polymeren oder Heißdampf, um die durch laufende Produktion verloren gehenden Formationsdrücke z. T. zu ersetzen oder (und) einen besseren Entölungsgrad zu erreichen. • Schluckbohrungen dienen die überwiegend zur Beseitigung des mitgeförderten und abgeschiedenen Salzwassers dienen, soweit es nicht für Sekundärmaßnahmen eingesetzt wird. Die Einpresshorizonte befinden sich im abgedichteten Teil des Deckgebirges der Ölfelder • Speicherbohrungen sind: Ⴜ Kavernenspeicherbohrungen als großkalibrige Bohrungen, die durch das Deckgebirge bis in einen Salzstock oder eine Salzlagerstätte geführt werden. Sie dienen nacheinander dem Solprozess, der Befüllung mit Gas, Erdöl oder Destillaten, der Entnahme bzw. weiteren Füll- und Entnahmevorgängen. Eine Besonderheit bilden Druckluftspeicher, die in Verbindung mit Gasspeichern zur Spitzenstromerzeugung vorgehalten werden. Ⴜ Porenspeicherbohrung, Aquiferspeicherbohrung dienen der Anlage von Gasspeichern im Untergrund.
D Aufgaben der Bohrtechnik
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Ⴜ Man unterscheidet: – Injektionsbohrungen für das Einpressen von Gas, – Entnahmebohrungen für möglichst große Förderraten und Druckbeobachtungsbohrungen am Rande des Speichers, im Salzwasser (Randwasser) stehend. Geothermische Bohrungen werden in Gebieten geothermischer Anomalien niedergebracht. Die Energie wird entweder bei Vorhandensein von heißen Gesteinen durch Umzirkulieren und Erhitzen von Wasser durch das Bohrloch zu Tage gebracht, oder bei anstehendem Wasser in Poren, Rissen oder Klüften in Form von Heißwasser oder Dampf gefördert. Der Anwendungsbereich von Stabilisierungsbohrungen erstreckt sich von der Sicherung von Baugrubenauskleidungen, über Kaimauern, Talsperren, Brückenpfeilern bis zur Sicherung von schweren, ortsfesten Offshore Plattformen. Beim Pipeline-Bau auf Felsuntergrund unter Wasser werden Unterwasser-Ankerbohrgeräte für die Befestigung der Leitungsrohre eingesetzt. Hangentwässerungsbohrungen werden meistens in Böschungen oder in Gebirgshänge getrieben, um das Abrutschen von Lockergebirgen auf Gleitflächen zu verhindern. Die Bohrungen sind horizontal oder schwach geneigt angeordnet und überwiegend mit perforierten Rohren ausgerüstet. Bei größeren Entwässerungen werden zusätzlich vertikale Bohrungen als Absenkungs-, Dränage-, Sammel- oder Verdunstungsbrunnen angesetzt. Gefrierbohrungen werden im Bauwesen zur Lösung zahlreicher Aufgaben wie Abdichtungen, Unterfangungen, Unterfahrungen von Hochbauten beim U-Bahnbau, Bodenbefestigungen, Sicherung gegen Wassereinbrüche usw. eingesetzt. Sprenglochbohrungen mit kleinem Durchmesser dienen u. a. beim Verkehrswegebau und ähnlichen Arbeiten im felsigen Untergrund für die Beseitigung von Hindernissen im Sprengverfahren. Grundwasserabsenkungs-Bohrungen werden für die Trockenhaltung von Baugruben im Hochbau sowie im Kanal- und Pipelinebau erforderlich. Es kommen Spülfiltern und Bohrbrunnen für Einzel-, Reihen- und Staffelabsenkungen zum Einsatz. Flachbrunnen werden mit einer Tiefe von 8-10 m hergestellt, wenn Absenkungen bis ca. 5 m Tiefe erforderlich werden.
2.5 Bohrungen für die Wasserversorgung, Brunnenbau Eine Brunnen- oder Wasserbohrung wird zur Erstellung eines Bohrbrunnens, im Gegensatz zum Schacht- oder Kesselbrunnen bzw. zum Spül- oder Rammfilterbrunnen, niedergebracht. Die Verrohrung wird nach Einbringen der Filter im Bereich der Wasserhorizonte wieder gezogen. Brunnen können nach allen üblichen Trockenbohrverfahren, wie Schlämmen, Stoßen, Schlagen, Drehen sowie nach normalen Rotary-Bohrverfahren mit Spülung, Wasser oder Luft als Zirkulationsmedium oder nach Gegenspülverfahren niedergebracht werden. Kombinationen aller zuvor beschriebenen Bohrverfahren sind möglich. Das Grundwasser aus Bohrbrunnen wird normalerweise durch Tiefpumpen wie Unterwassertauchpumpen, Unterwasserwellenpumpen, Gestängekolbenpumpen oder Mammutpumpen gefördert.
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2 Arten von Bohrungen
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Abb. D-6: Brunnenbohrung mit einer Wirth-LufthebeBohranlage
Neben Brunnenbohrungen für Trinkwasser- und Industriewassergewinnung werden auch Bohrungen für die Gewinnung von Mineralwässern wie eisenhaltige, arsenhaltige, jodhaltige, schwefelhaltige, radioaktive und radiumhaltige Wässer sowie Kohlensäure-Wässer und Sole geteuft. Durchmesser der Bohrungen, Teufen und Ausbau der Brunnen richten sich nach der Art des Fördermediums, seiner Lage und Ergiebigkeit der Wasserhorizonte. In ariden Zonen können Brunnenbohrungen über 500 m tief sein, sehr oft wird dann auch fossiles, d.h. nicht erneuerbares Wasser gefördert. In Gebieten mit kurzzeitigem hohem Regenanfall (z.B. in Monsun-Regionen), der eine ausreichende Versickerung und Speicherung des Wassers nicht zulässt, werden Sickerbrunnen bis in die zur Förderung genutzten Wasserhorizonte gebohrt, um einen Teil des abfließenden Wassers zu speichern. Neben Lotrechtbohrungen werden auch Horizontalbohrungen als Wasserfassungen (Brunnen) gebohrt. Bei waagerechten Fassungen unterscheidet man zwei Gruppen: • Bohrungen aus einem Stollen oder Vertikalschacht heraus gebohrt, um Wasser aus klüftigen Schichten zu gewinnen. • Spülfilter in Sande oder Kiese aus einem Schacht heraus einzutreiben und gleichzeitig den Boden zu entsenden.
2. 6 Bohrungen für Entsorgung von Abfällen und Altlasten • Entsorgungsbohrungen werden für feste oder verfestigte Abfälle als Transportbohrung hergestellt. Großbohrlöcher oder Bohrschächte werden z. B. als Verbindung zu vorhandenen Grubenbauen gebohrt. Diese Bohrungen dienen, versehen mit einem entsprechenden Ausbau, ausschließlich als Transportweg der Abfälle unter Tage.
D Aufgaben der Bohrtechnik
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• Verpressbohrungen werden für flüssige, verflüssigte oder in Flüssigkeiten gelöste Abfälle niedergebracht. Die Abfallflüssigkeiten werden dann in geeignete Formationen verpresst. Eine Wertung der Art der Abfallbeseitigung wird hiermit nicht ausgedrückt. • Sondierbohrungen werden in standfesten Böden von Altdeponien als Schlitz- oder Rammkernsondierungen mit Ramm-/Bohrgeräten durchgeführt. Die Bohrungen werden verrohrt. Neben der Feststoffprobennahme werden auch Gas- und Wasserproben entnommen. Als Kontrollbrunnen ausgebaut, kann der Wasserstand in der Deponie gemessen werden. • Gasabsaugbohrungen dienen der Abführung bzw. Gewinnung von Deponiegas. Die Bohrungen werden trocken gebohrt und verrohrt niedergebracht.
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Abb. D-7: Durchführung von Sondier-bohrungen [Stump]
Abb. D-8: Onshore- (Land) Bohrstelle auf Gas im Rotary-Bohrverfahren [WEG]
2.7 Bohrungen auf Erdöl und Erdgas Die Erschließung von neuen Erdöl- und Erdgaslagerstätten erfordert innovative und fortschrittliche Bohrtechniken. Die Anforderungen an Bohrungen sind beständig gestiegen: immer tiefer, immer weiter und immer schneller. Mit neuen Bohrtechniken können heute Erdöl- und Erdgasvorkommen erschlossen werden, deren Nutzung zu früheren Zeiten nicht möglich war. Auf der Suche nach Erdöl oder Erdgas (Exploration) findet heute fast ausnahmslos das RotaryBohren Anwendung. Näheres siehe Kap. Bohrungen auf Erdöl und Erdgas
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2 Arten von Bohrungen
2.8 Unterscheidungsmerkmale der Bohrverfahren
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In den letzten Dekaden haben sich die Einsatzmöglichkeiten von Bohrausrüstungen in den Bereichen Tief-, Flach- u. Horizontalbohrtechnik HDD, Bautechnik, Wasserbau sowie Bergbau erheblich verändert und gesteigert. Eine gute Kenntnis der zurzeit zur Verfügung stehenden Bohrverfahren ist eine wichtige Voraussetzung für die Auswahl des geeigneten Verfahrens. Vor der Beschreibung der Verfahren werden hier zunächst die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale herausgestellt. Vernachlässigt man die historische Entwicklung sowie branchenbezogene, langjährig übliche Verfahrensbezeichnungen, kann man von zwei BasisBohrverfahren ausgehen:
2.8.1 Das Spülbohrverfahren Zu den Spülbohrverfahren gehören alle Bohrtechniken. die für die Beseitigung des abgelösten Bohrgutes von der Sohle und der Abförderung nach über Tage ein Spülmedium benötigen. Es ist dabei gleichgültig. ob das Spülmedium aus klarem Wasser, aus einer mit Feststoffen angereicherten Wasserspülung, aus gasförmigen Medien oder aus Spülungen anderer Art nach Abschnitt „Bohrspülungen“ bestehen. Es ist auch unerheblich, ob das Gestein vor dem Transport drehend, schlagend oder drehend und schlagend aus dem Gesteinsverband gelöst wird, oder ob der Dreh- oder Schlagantrieb über Tage oder unter Tage angeordnet ist. Der Abtransport des Bohrgutes kann durch den Ringraum zwischen Gestänge und Bohrlochwand (direktes Spülbohrverfahren) oder durch das Innere des Bohrgestänges (indirektes Spülbohrverfahren) erfolgen.
2.8.2 Das Trockenbohrverfahren Darunter werden alle Bohrverfahren verstanden, die eine Förderung des Bohrgutes mechanisch, ohne Zirkulation von Wasser, Spülung oder Luft als Spülmedium, zulassen. Trockenbohrverfahren werden vielfach in der Bau- und Brunnenbohrtechnik eingesetzt. Eine ausführliche Übersicht gibt Tabelle 1-D. Im Einzelnen unterscheiden sich Bohrverfahren: • nach der Art des Eindringens des Bohrwerkzeugs in den Boden oder in das Gestein • nach der Art der Lösung des Gesteins aus der Bohrlochsohle. • nach der Art der Förderung von Bohrgut, Proben (Cutting) oder Kernen von der Bohrlochsohle nach über Tage • nach der Art oder dem Zustand der geförderten Proben oder Kerne. • nach der Art der Bohrloch- (Bohrlochwand-) sicherung und -abstützung während des Teufens. • nach der Art des eigentlichen Bohrantriebes.
D Aufgaben der Bohrtechnik
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2.9 Unterscheidungsmerkmale der Bohrverfahren
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Tabelle 1-D: Unterscheidungsmerkmale der Bohrverfahren
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2 Arten von Bohrungen
2.10 Übersicht über die Bohrverfahren
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Tabelle 2-D: Übersicht über die Bohrverfahren
Teil II Tiefbohrtechnik E Bohrplatzeinrichtung und Gerätetechnik F Drehbohrverfahren G Gestänge und Bohrwerkzeuge H Spülung und Zementation I Bohrlochkontrolle J Bohrloch- Absperrvorrichtungen K Besonderheiten der Offshore Bohrtechnik L Onshore-Bohrtechnik M Erdöl- und Erdgasgewinnung in Deutschland N Erdöl- und Erdgasspeicherung
E Bohrplatzeinrichtung und Gerätetechnik 1 Allgemeines Die Ausführung einer Tiefbohrung ist eine große Investition und mit einem großen Risiko verbunden. Nur die Öl- und Gaskonzerne sind in der Lage diesen Kapitaldienst zu leisten. Die Vergabe der Bohrarbeiten auf Grundlage einer Ausschreibung wie im Bauwesen üblich, ist bei Tiefbohrungen nicht möglich und auch nicht üblich. Auch ein großes Tiefbohrunternehmen, könnte ein derartiges Risiko nicht übernehmen, daher erfolgt die Durchführung unter anderen Voraussetzungen. Auftraggeber für Tiefbohrungen auf Erdöl und Gas sind daher u. a. Öl- und Gasunternehmen wie Beispiel Shell, Exxon Mobil, BP, Wintershall oder die RWE-DEA. Zunächst sind umfangreiche Voruntersuchungen erforderlich (z. B. seismische Untersuchungen). Danach folgen Erkundungsbohrungen. Die Tatsache, dass im Durchschnitt nur je 7. Probebohrung fündig wird, lässt schon einen Teil des Risikos erkennen. Auch bei fündigen Bohrungen ist nicht gesichert, dass die Bohrung den gewünschten und auch erforderlichen Ertrag bringt. Bei den Bohrungen selber können Havarien und sonstige Probleme auftreten, die die Aufgabe der Bohrung nötig machen. Jede Bohrung muss daher eingehend vorbereitet werden. Nur zuverlässige Tiefbohrunternehmen werden mit den Arbeiten betraut. Geräte und Materialien müssen dem höchsten Standard entsprechen. Insbesondere sind die Sicherheitsvorschriften zu beachten. Der Investor kann sich verständlicherweise nicht alleine auf die ausführende Bohrunternehmung verlassen und hat daher ständig ein Vertreter auf der Bohrstelle (den Company Man), der auf der Baustelle in einem Büro- und Schlafcontainer wohnt und praktisch rund um die Uhr zugegen ist und in der Regel mit der übrigen Mannschaft wechselt. Da das Ölunternehmen in der Regel keine eigenen Bohrgeräte besitzt bzw. betreibt, mietet sich diese samt kompletter Bohrmannschaft von einem Auftragnehmer, dem sog. Contractor an. In Deutschland gehören dazu u. a. die bekannten Firmen Itag, KCA Deutag, Angers Söhne und Drilltec. Sie stellen das Bohrgerät (RIG), da Bedienungspersonal (Bohrmannschaft), Bohrgestänge und Werkzeuge sowie fast alles, was zum Niederbringen (Abteufen) der Bohrung benötigt wird. Ein Bohrmeister (Tool Pusher), Bohrtechniker oder auch ein Bohringenieur ist für den Einsatz und fachgerechten Einsatz seiner Bohrmannschaft zuständig. Er wohnt wie der Company Man und die Bohrmannschaft auf der Bohranlage, die er während seiner mehrwöchigen Einsatzzeit nie verlässt. Auf Onshore- (Land-) Bohrstellen werden i. d. R. außerhalb der Bohrplattform Wohn- und Sanitäranlagen eingerichtet oder Quartiere in Hotel angemietet. So ist das Personal außerhalb der Einsatzzeit ruhiger untergebracht. Der Einsatz der Bohrmannschaft erfolgt im Dreischichtbetrieb (jeweils 8 Std.) oder im Zweischichtbetrieb zu je 12 Stunden Arbeitszeit. Jede Schicht wird von einem Schichtführer (Driller) beaufsichtigt. Der Auftragnehmer bzw. Contractor für die eigentlichen Bohrarbeiten ist in erster Linie für die fachgerechte und sichere Handhabung der Bohranlage und des Bohrgestänges zuständig. Darüber hinausgehende speziellere Arbeiten und Aufgaben werden durch sog. Ausrüstungsfirmen (Service Company) oder auch Servicefirmen ausgeführt, deren Kosten nicht zu Lasten H. -O. Buja, Handbuch der Tief-, Flach-, Geothermie- und Horizontalbohrtechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-9943-9_5, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
E Bohrplatzeinrichtung und Gerätetechnik
des Contractors gehen, sondern von Investor getragen werden. Es handel sich zum Teil um besonders ausgebildetes Personal der Hersteller- und Lieferfirmen, z. B. die Lieferanten von Spülungsmitteln. Diese Servicefirmen gibt es für die verschiedensten Aufgaben rund um den Bohrbetrieb. Bohrloch. Folgende Dienstleistungen werden z. B. von diesen Service-Unternehmen ausgeführt: • Entwickeln und Anfertigen von Hightech-Ausrüstungen, • Ausbildung von Experten in firmeneigenen Schulungszentren für ihre vielfältigen Aufgaben, • Vermessung und Kontrolle von Bohrungen, • Ausrüstung und Steuerung des Bohrstranges um in Kurven und in beliebige Richtungen zu bohren • Spülungstechnik. • Sammeln und Auswerten von allen Daten aus einer Bohrung, • Empfehlungen für eine optimale Bohrmeißelwahl entspr. vorhandener Gesteine, • Zusammenstellung der passenden Bohrspülung für das Projekt, • Auskleidung der fertig gebohrten Bohrlöcher und zementieren, • Bestimmung der Gesteinseigenschaften beim Bohren. Für weitere Dienstleistungen stehen Fachleute (z. B. Geologen zur Verfügung und unterstützen den Bohrunternehmer im Sinne des Investors. Sobald die Arbeit erledigt ist, verlässt der „Service-Mann“ mit seinen Geräten die Bohrstelle, da die Dienstleistungen erhebliche Kosten für den Investor darstellen. Die Bohrstelle bzw. der Bohrplatz muss für die vorgesehenen Arbeiten mit allen erforderlichen Hilfseinrichtungen, Lagerplätzen, Be- und Entladungen, Entwässerungseinrichtungen, Energieversorgung sowie Entsorgung von Schadstoffen, Fäkalien und sonstigem Abfall eingerichtet werden. Unter Berücksichtigung aller anfallenden Kosten liegt der Meterpreis einer Bohranlage bei etwa 1500 bis 2000 € je Meter. Bei einer Bohrungsteufe von 6000 m ergeben sich somit Kosten von 9 bis 12 Millionen € je Bohrung.
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2 Der Bohrplatz
2 Der Bohrplatz 2.1 Allgemeines
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Tiefbohranlagen sind zeitlich begrenzte Einrichtungen, bei denen neben einem zum Teil enormen Eigengewicht von bis zu 800 Tonnen auch noch sehr hohe Lasten aus dem Bohrbetrieb auftreten. Heute sind Onshore-Bohranlagen im Betrieb, die zulässige Hakenlasten (Hook Load) von bis zu 1000 Tonnen und mehr erlauben. Bei den Fundamenten bzw. Gründungen sind somit Belastungen von bis zu 2000 Tonnen zu berücksichtigen, die auf den Untergrund abgeleitet werden müssen. Dementsprechend sind erforderliche Fundamente, Pfahlgründungen oder Bodenaustausch vorzusehen und zu bemessen. Für leichtere und mobile Bohranlagen (siehe später) können auch Fertigteil-Stahlbetonplatten verwendet werden. An den Stoßstellen müssen entsprechende Dichtungen vorgesehen werden, damit keine Schadstoffe versickert können. Die Fundamente werden jedoch nur im unmittelbaren Aufstellbereich der Bohranlage zu berücksichtigen sein. Daneben sind weitere befestigte Flächen erforderlich z. B. für • die Tankanlage, • die Magazine, • die Werkstatt, • das Gestängelager, • die Kauen und Sanitäranlagen, • die Abwasser- und Kläranlagen, • das Wohnlager, • die Zufahrten für die Ver- und Entsorgungsfahrzeuge • Parkplätze. Für die Gründungen auf Rasen- und Feldflächen sowie Waldböden gelten bestimmte Vorschriften (z. B. die BVOT § 31 – Schutz des Mutterbodens), wonach der Mutterboden so zu behandeln ist, dass er nutzbar bleibt, so dass er nach Abzug der Bohranlage und Rekultivierung des Platzes wieder verwendet werden kann. Typ und Größe der Tiefbohranlage bestimmen die benötigte Flächengröße. Leichte und mobile Bohranlagen beanspruchen naturgemäß Platz als schwere und große, stationäre Tiefbohranlagen. Die Platzgrößen schwanken daher zwischen etwa 3 000 und 6 000 m2 und mehr. Der Bohrplatz wird auch bei fündiger Bohrung wesentlich zurückgebaut, da für spätere Förderung (z. B. Pferdkopf-Pumpe) nur eine wesentlich geringere Fläche benötigt wird. Bei nicht fündiger Bohrung muss die gesamte Fläche rekultiviert, d. h. in den ursprünglichen Zustand versetzt werden. Hierfür gilt die BVOT § 34 – Herrichten des Geländes nach Betriebseinstellung.
E Bohrplatzeinrichtung und Gerätetechnik
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Abb. E-1:Schema für Gestaltung des Bohrplatzes nach WEG-Leitfaden [WEG]
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2 Der Bohrplatz
Die Flächengröße ist abhängig vom Gerätetyp. Kleinere und mobile Bohrgeräte kommen i. d. R. mit einer Fläche von 75 x 40 m entsprechend 3 000 m2 aus (z. B. Wirth B 12). Schwere, stationäre Geräte wie z. B. das RIG 27-IDECO E-3000 der ITAG mit einer zul. Hakenlast von 475 t, benötigen dagegen schon eine Fläche von 100 x 60 m entsprechend 6 000 m2. Bohrplatz für ITAG RIG 27 Technische Daten Max. Hakenlast: 750 t Top Drive: 50 kNm Spülpumpen: 3 × 1600 PS Spültanks: 200 + 150 m3
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Abb. E-2a: Beispiel für einen Onshore-Bohrplatz (Betreiber RWE-DEA) mit einem ITAG RIG 27
Beispiel für den Bohrplatz einer mobilen Tiefbohranlage System [SATVIA] Technische Daten: Typ: TB 1800 V Masthöhe: 39 m max. Bohrtiefe bis: ca. 3500 m Antriebs-Leistung: 2 × 440 kW max. Hakenlast. : 185 t Trägerfahrzeug: Daimler ACTROS 7 Achsen davon 4 Achsen angetrieben
Abb. E-2b: Mob. Tiefbohrgerät [SATVIA] TB 1800 V
E Bohrplatzeinrichtung und Gerätetechnik
105
E
Abb. E-3a: Bohrplatz der einer BentecTiefbohranlage Euro Rig Typ 350 MT [Bentec]
Abb. E-3b: Beispiel für einen Bohrplatz der H e r r e n k n e c h t TERRA INVADER 350 – Betriebssituation [Herrenknecht]
106
2 Der Bohrplatz
Die Einrichtung des Bohrplatzes ist im W.E.G-Leitfaden-Gestaltung des Bohrplatzes“ wie folgt geregelt:
I Allgemeines
E
In diesem Leitfaden sind die grundsätzlichen Mindestanforderungen an Bohrplätze beschrieben, deren geplante Nutzungsdauer als Bohrplatz max. 6 Monate beträgt und die damit nicht der VAwS unterliegen. Insbesondere werden hier die Erfordernisse des Gewässerschutzes berücksichtigt. Anforderungen des Naturschutzes sollen bereits bei der Planung durch die Minimierung von Flächenbedarf und versiegelten Flächen, die Verwendung von recyclingfähigem Material sowie die Minimierung von Abfällen beim Rückbau des Bohrplatzes, berücksichtigt werden. Arbeitssicherheitlichen Erfordernissen ist durch die Schaffung von sicheren Lauf-und Verkehrsflächen zu entsprechen. Bei der Gestaltung des Bohrplatzes ist sicherzustellen, dass neben der Zu-/Abfahrt durch die Schaffung von Flucht- und Rettungswegen (siehe auch Brandschutzplan) jeder Punkt auf dem Bohrplatz zugänglich ist. Weitergehende Anforderungen, die sich u.a. aus baustatischen Gründen (z. B. Bohranlagenfundamente sowie Fundamente für Hochtanks und Spülungspumpen) oder für die Auslegung der mit Maschinen und LKWs befahrenen Flächen hinsichtlich ihrer Beanspruchung ergeben können, werden in diesem Leitfaden nicht berücksichtigt. Bei der Durchführung von Bohrungen fallen auf dem Bohrplatz neben Bohrgut und Spülungsrückständen verschiedene Arten von Flüssigkeiten an. Aus Gründen des Umweltschutzes und insbesondere des Gewässerschutzes werden Bohrplätze so angelegt, dass keine wassergefährdenden Flüssigkeiten in den Boden gelangen können. Des Weiteren werden Flüssigkeiten so weit wie möglich voneinander getrennt und entsorgt.
II Aufteilung des Bohrplatzes Ein Bohrplatz besteht hinsichtlich der Wassergefährdung aus zwei unterschiedlichen Bereichen, die der Aufstellung von Maschinen, der Unterbringung von Lagerbehältern und der Abwicklung des Verkehrs dienen (siehe schematische Darstellung).
1. Wassergefährdungsklassenbereich (WGK-Bereich): Der WGK-Bereich umfasst die Bereiche, in denen Vorsorge zu treffen ist, dass wassergefährdende Flüssigkeiten (unabhängig von den Wassergefährdungsklassen) nicht in den Boden eindringen können. Dieser Bereich umfasst u.a. den Bohrturmunterbau mit Bohrkeller, die Maschinenstellfläche und das Dieselöllager und kann auch Spülungstanks, „solids control“Equipment und Bohrgutgrube bzw. -behälter umfassen, wenn hier mit wassergefährdenden Stoffen umgegangen wird. Gegebenenfalls können weitere Lagerbereiche für Stoffe und Materialien geschaffen werden, für die eine Grundwassergefährdung zu besorgen ist. Zum Beispiel müssen wassergefährdende Spülungschemikalien in einem WGK-Bereich gelagert werden. Wenn im Bereich des Rohrlagers mit wassergefährdenden Stoffen umgegangen wird (z. B. Reinigen / Fetten von Muffen und Zapfen), ist bei diesen Arbeiten dafür zu sorgen, dass diese Stoffe nicht in den Untergrund eindringen können (z. B. Wannen, Folien).
E Bohrplatzeinrichtung und Gerätetechnik
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Bei der Lagerung von Stoffen und Materialien ist auch das Gefährdungspotential (Gefahrstoffverordnung) zu berücksichtigen.
2 Sonstige Bereiche Die sonstigen Bereiche beinhalten die Bereiche des Bohrplatzes, auf denen eine Wassergefährdung nicht zu besorgen ist. Die sonstigen Bereiche umfassen unter anderem Verkehrsflächen, Stellflächen für Büro-, Sanitär-, Werkstatt- und sonstige Container, Lagerflächen von nicht wassergefährdenden Spülungszusätzen und das Rohrlager (siehe auch III.2).
III Trennung der Fluide aus den einzelnen Bereichen III.1 WGK-Bereich Da es sich bei einer Tiefbohrung um eine temporäre Maßnahme handelt, finden die Technischen Regeln zur VAwS keine Anwendung. Der WGK-Bereich ist dennoch als wasserundurchlässige Fläche auszuführen. Abhängig von der Art der Bohrung, der Nutzungsdauer und den örtlichen Gegebenheiten kann die Ausführung der wasserundurchlässigen Flächen in unterschiedlicher Weise und weitestgehend unter konstruktiven Gesichtspunkten erfolgen. Bei Ausführung der WGK-Fläche in Beton werden hinsichtlich der Betontechnologie (Auswahl und Zusammensetzung des Betons) und der Betonverarbeitung die Kriterien der DafStbRichtlinie „Wasserundurchlässige Bauwerke aus Beton“ (WD-Richtlinie) bzw. der DafStbRichtlinie „Betonbau beim Umgang mit wassergefährdenden Stoffen“ angewendet. Der WGK-Bereich wird durch eine ausreichend hohe umlaufende Aufkantung von den sonstigen Bereichen getrennt. Das Niederschlagswasser und sonstige Flüssigkeiten werden aufgefangen. Durch infrastrukturelle Maßnahmen (z. B. Ablaufsysteme, bedarfsgerechtes Absaugen) ist ein Überlauf zu verhindern. Die Flüssigkeiten können über ein Entwässerungssystem gesammelt, zum Ansetzen von Spülung verwendet oder per Saugwagen abgesaugt und fachgerecht aufbereitet oder entsorgt werden.
III.2 Sonstige Bereiche Die Minimalanforderung an die sonstigen Bereiche besteht aus einer ausreichend befestigten Fläche, z. B. Schotter, Fahrbahnmatten o.ä. Die mit Fahrzeugen befahrenen Bereiche sind für die zu erwartende Beanspruchung auszulegen. Das Niederschlagswasser kann in diesem Bereich versickern. Sollten in diesem Bereich wassergefährdende Stoffe eingesetzt werden (z. B. im Rohrlager oder in Teilbereichen des Rohrlagers), sind entsprechende Vorkehrungen zu treffen, die ein Eindringen dieser Stoffe in den Untergrund verhindern. Dies gilt insbesondere auch beim Umgang von mit wassergefährdenden Stoffen kontaminierten Rohren, wodurch das gesamte Rohrlager zum WGK-Bereich wird. Bestehen die sonstigen Bereiche aus einer wasserundurchlässigen Fläche, ist diese mit Gefälle, vorzugsweise zum Platzrand hin, anzulegen. Das Niederschlagswasser kann dann über Rinnen in ein Rückhaltebecken geleitet werden. Gegebenenfalls sind weitere Entwässerungs/Kanalsysteme zum Rückhaltebecken hin vorzusehen.
E
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2 Der Bohrplatz
Werden in sonstigen Bereichen zusätzliche Maschinen oder Lagerbereiche geschaffen, die eine Grundwassergefährdung besorgen können, werden diese Bereiche zu einem WGK-Bereich, der so anzulegen ist, dass ein Eindringen von Flüssigkeiten in den Boden vermieden wird (siehe 2.1). Auch hier ist eine sichere Abtrennung zwischen
IV Ableitungs- und Auffangsysteme IV.1 Rinnen
E
Werden die sonstigen Bereiche versiegelt, sind am Platzrand Rinnen oder Mulden erforderlich, die das Unterspülen des Platzes bzw. das Böschungsabspülen verhindern und eine gezielte Wasserableitung gewährleisten. Eine Mulde ist eine Bodenvertiefung im Seitenraum von Plätzen, die ungeführtes Niederschlagswasser aufnehmen und versickern lassen kann. Eine Rinne führt das anfallende Niederschlagswasser dagegen gezielt in z. B. ein Rückhaltebecken.
IV.2 Unterirdische Entwässerungsleitungen Unterirdische Rohrleitungen dienen der Oberflächenentwässerung des Bohrplatzes. Das Entwässerungssystem besteht aus für Schwerlastverkehr geeigneten Bodenabläufen sowie aus KG-Grundleitungen, die mit Gefälle verlegt werden. Die Dimensionierung eines ggf. erforderlichen Rückhaltebeckens erfolgt nach den jeweiligen örtlichen Niederschlagsmengen. Betriebliche Regelungen haben sicherzustellen, dass geeignete Maßnahmen beim Erreichen des ermittelten max. Füllstandes eingeleitet werden. Im Hinblick darauf, dass die Bohranlage nur über einen begrenzten Zeitraum betrieben wird und dass während der Bohrarbeiten zu jeder Zeit die Überwachung durch entsprechend geschultes Betriebspersonal gewährleistet ist, kann davon ausgegangen werden, dass evtl. austretende wassergefährdende Flüssigkeiten umgehend erkannt und entfernt werden. Sofern Flüssigkeiten dieser Art in das Entwässerungssystem gelangen sollten, wird das System mittels Wasser gespült und die Flüssigkeit in das Auffangbecken geleitet. Durch die Ausbildung des freien Gefälles und der Sichtkontrolle des Ablaufes ist sicherzustellen, dass keine Flüssigkeiten im System verbleiben. Die Verlegung der Rohrleitungen erfolgt nach DIN EN 1610 „Verlegung und Prüfung von Abwasserleitungen und -kanälen.“
IV.3 Absetz- und Kontrollsystem mit Absperrschieber ist der Bohrplatz mit einem Rückhaltebecken ausgestattet, kann das anfallende unbelastete Oberflächenwasser der gesamten Bohrplatzfläche über Kanalsysteme in ausreichend dimensionierte Rückhaltebecken und von dort über einen Absperrschieber in einen vorhandenen Vorfluter abgeleitet werden. Bei geeigneten Bodenverhältnissen ist auch eine Versickerung vor Ort möglich. Jegliche Ableitung bzw. Versickerung ist mit der Bergbehörde abzuklären und ggf. wasserrechtlich zu genehmigen. Im Falle der Ableitung in einen Vorfluter oder zur Versickerung hat das Rückhaltebecken folgende Anforderungen zu erfüllen: • Öl- und Schlammrückhaltung, • Feststellung der Belastungsfreiheit des Wassers durch visuelle Kontrolle und Messung von pH-Wert und Leitfähigkeit,
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• Auslaufmengenregulierung, • Verhinderung des Abflusses von verunreinigten Wässern. Es wird empfohlen, den Abfluss aus dem WGK-Bereich und aus den sonstigen Bereichen getrennt zu sammeln.
IV.4 Weitere Einrichtungen Schmutzwässer, wie z. B. Waschwasser, Fäkalien etc., werden in die Abwasserkanalisation geleitet oder in separaten Auffangbehältern gesammelt und durch Fachunternehmen in kommunale Kläranlagen entsorgt. Bei Anwendung ölbasischer Spülung kann durch den Einsatz zusätzlicher Öl-Wasser-Abscheider die Menge an zu entsorgenden, ölkontaminierten Flüssigkeiten reduziert werden. Stand der Veröffentlichung: 08/06 Richtlinien und Verordnungen: • WEG – Wirtschaftsvereinigung Erdöl- und Erdgasgewinnung e. V. • WGK – Wassergefährdungsklassenbereich
2.2 Örtliche Festlegung des Bohrplatzes Der günstigste Standort wäre in unmittelbarer Nähe über dem, durch die Voruntersuchung erkundeten Vorkommen. Die Oberflächensituation (Wald, Gebirge, Wasser, Bebauung usw.), Umweltschutzvorschriften und evtl. Probleme mehr bei der Anpachtung und andere mehr zwingen zur Verlegung. Durch die heute ausgereifte Technik der Horizontalbohrungen können derartige Probleme gelöst werden, was z. T. zu wesentlich höheren Kosten führt. Trotzdem sind heute schon Horizontalstrecken von bis zu 11.000 m ausgeführt worden. Ein Beispiel hierzu ist das Projekt Mittelplate. Da eine neue Offshore-Plattform im Bereich des Wattenmeeres nicht mehr möglich war, wurde das Ölfeld von der RWE-DEA u. WINTERSHALL mit 10.000 m langen Horizontalbohrungen erschlossen. Schutz und Sicherheit für das Wattenmeer sind seitdem durch eine vollkommene Abschottung der Anlage vom Wattenmeer gewährleistet. Die 70 x 95 Meter große Insel ist wie eine kompakte, flüssigkeitsdichte Stahl- und Betonwanne auf dem Sandwatt errichtet, mit hohen Spundwänden zum offenen Meer hin. Von der Insel kann nichts unkontrolliert nach außen dringen, selbst Regen und Spritzwasser werden gesammelt und aufbereitet. Ein lückenloses Entsorgungssystem stellt sicher, dass Nordsee und Wattenmeer nicht belastet werden. Bohrund Förderbetrieb sind durch komplexe Überwachungs- und Steuerungssysteme mehrfach abgesichert. Die Pilotphase endete 1991 erfolgreich. Seitdem haben RWE Dea und Wintershall mit innovativen Konzepten die Bohr- und Fördertechnik der Insel Mittelplate ständig verbessert und weiterentwickelt. Von der künstlichen Insel wurden bis Anfang 2009 von kleinster Fläche 22 Bohrungen niedergebracht – insgesamt hat die Insel Vorrichtungen (slots) für 44 Bohrlöcher. Die Bohrungen führen bis in 3.000 Meter Tiefe. Dort befinden sich die Öl führenden Sandsteinschichten. Für die technisch immer anspruchsvollere Offshore-Feldesentwicklung steht seit Ende 2005 eine leistungsstarke, elektrisch betriebene High-Tech-Bohranlage zur Verfügung, die durch
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2 Der Bohrplatz
ihre spezielle Ausstattung auf eine umweltgerechte Arbeit im sensiblen Wattenmeer ausgerichtet ist.
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Abb. E-4: Luftaufnahme der Bohr- und Förderinsel Mittelplate im Wattenmeer [Freigegeben durch das Bildarchiv der RWE-DEA]
Abb. E-5: Bohrsituation der Bohrungen von der Bohr- und Förderinsel Mittelplate [RWE-DEA]
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2.3 Sonstige vorbereitende Arbeiten 2.3.1 Gründung und Verkehrsbereiche Die Gründung richtet sich nach den Lastannahmen und Angaben des Geologen (z. B. Bodengutachter) und der statischen Berechnung. Durch Gerätehöhen bis zu 50 m und mehr treten nicht nur Vertikalkräfte, sondern auch Horizontalkräfte auf, die bei der Gründung zu berücksichtigen sind. Die Zufahrtswege und Stellplätze sind entsprechend den Boden- und Geländeverhältnissen nach den geltenden Regeln und Vorschriften zu erstellen. Die Arbeiten, die mit dem Bohrstandort zusammenhängen liegen im Verantwortungsbereich des Contractors, der auch die anfallenden Kosten übernimmt und werden von ihm an die entsprechen Fachunternehmen vergeben. Daher wird hier nicht weiter darauf eingegangen.
2.3.2 Der Fundamentbereich Bei allen Teilen des Platzes, auf denen wassergefährdende Stoffe verwendet bzw. gelagert werden, erfolgt die Entwässerung grundsätzlich in den Bohrkeller. Dieser Keller dient daneben auch zur Aufnahme der Preventeranlage, damit diese nicht zu weit über die Rasensohle hinausragt. Gerade beim Bohren mit Preventeranlagen hoher Arbeitsdruckstufen und damit großer Bauhöhen ist es wichtig, einen Teil in den Keller zu verlegen. Die Unterbauhöhen schwerer Anlagen können bei 13 – 14 m liegen. Ohne Bohrkeller würde sich diese Höhe noch weiter vergrößern. Der Bohrkeller hat eine Fläche von etwa 2,5 x 2,5 m und eine Tiefe von 2 – 3 m.
2.3.3 Einbringen des Standrohres Das Standrohr hat nach W.E.G- Richtlinien folgende Aufgaben: • Abdichtung der obersten Gebirgsschichten zur Sicherung der Turmfundamente, • Zurückhaltung flacher Grundwässer, • Ermöglichung eines Spülungsumlaufes, • gegebenenfalls Aufnahme von Absperreinrichtungen (Diverter) bis zum Einbau der Ankerrohrtour, • in Kombination mit Schutzrohrtour und/oder Ankerrohrtour ggf. Teillastaufnahme aus nachfolgenden Rohrtouren (z. B. bei Verwendung einer Stützplatte) Das Standrohr hat die Aufgabe, die unmittelbar unterhalb der Erdoberfläche meist lockeren und verwitterten Schichten abzudecken und damit den obersten Teil des Bohrloches zu stabilisieren. Bei Spülungsbohrungen soll durch Einbau des Standrohres auch gewährleistet werden, dass die im Ringraum des Bohrloches aufsteigende Bohrspülung nicht in das anstehende, sehr häufig aufgelockerte und sehr durchlässige Gebirge austritt, wo sie in extremen Fällen die Bohrturmfundamente unterspülen und die Standfestigkeit des Bohrturmes gefährden kann.
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2 Der Bohrplatz
25
Pumpensumpf
1,5 %
Standrohr D = 50 cm
E
Bodenauflast gegen Auftrieb
25
Tiefe entsprechend Bodenverhälnisse
Abb. nicht maßstäblich
200-300
Maße in cm
Bodenauflast gegen Auftrieb
Oberkante Rasensohle
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50 250
Abb. E-6: Beispiel für einen Bohrkeller mit Standrohr [V]
Mit dem Einbau des Standrohres und auch dem oberen Teil der anschließend einzubauenden Leitrohrtour sollen auch durchbohrte Grundwasserhorizonte vor Verschmutzung und Verseuchung geschützt werden. Das Standrohr wird in der Regel 2 bis 3 m tief eingebaut, und das hierfür erforderliche Bohrloch wird häufig bereits im Rahmen der Bohrplatzvorbereitung hergestellt. Im einfachsten Falle wird das Loch ausgehoben oder mit einem Schneckenbohrer hergestellt. Bei sehr tiefem Grundwasserstand wird das Standrohr bis zu einer Tiefe von 20 und mehr Metern und vorher noch ein sogenanntes Hilfsstandrohr von mehreren Metern Tiefe eingebaut. Am oberen Ende des Standrohres befindet sich seitlich ein Ab- bzw. Zuflussstutzen für die austretende oder (bei Umkehrspülbohrverfahren) in den Ringraum einfließende Bohrspülung. Die Abdichtung des Ringraumes erfolgt je nach Notwendigkeit durch bindiges Bodenmaterial oder durch Einbringen einer Zement- oder Betonfüllung.
E Bohrplatzeinrichtung und Gerätetechnik
Die Standrohre haben i. d. R. einen Durchmesser von 50 cm. Es ist inzwischen üblich, das Standrohr einzurammen. Die Rammtiefen betragen je nach Bodenverhältnissen 5 bis 30 m (max. 60 m). Die erforderliche Rammtiefe ist erreicht, wenn die sog. Hitze (Eindringung des Rammrohres bei 10 Rammschlägen) max. 10 cm beträgt. Dabei muss die Rammenergie dem Rammgut (Gewicht, Länge, Durchmesser) entsprechen. Der Boden wird nach dem Rammen entfernt. Grundsätzlich ist dies mit einem Bagger und Spezialgreifer (Schalengreifer wie bei der Brunnen- und Bohrpfahlherstellung üblich) möglich, besser ist aber ein Drehbohrgerät (mit Bohrschnecke oder Kastenbohrer). Ist ein Rammen aufgrund schwieriger Bodenverhältnissen nicht möglich, so muss das Rohr in ein vorgebohrtes Loch gestellt und einzementiert werden. Sehr wichtig ist, dass das Standrohr absolut senkrecht eingebracht wird, da das Standrohr im späteren Bohrbetrieb hohen Belastungen ausgesetzt ist. Dem Standrohr folgt bei Erdöl- und Erdgasbohrungen die Leitrohr- bzw. Ankerrohrtour. Die Bezeichnung Leitrohrtour ergibt sich aus ihrer Funktion für den weiteren, möglichst vertikalen Richtungsverlauf des Bohrloches. Wenn der Bohrlochabschnitt, in dem die Leitrohrtour eingebracht wird, ohne große Bohrlochabweichung verläuft, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich beim Weiterbohren eine größere Bohrlochneigung aufbaut, weitaus geringer als wenn bereits im oberen Teil eines Bohrloches größere Bohrlochabweichungen aufgetreten sind. Als Sicherheits- oder Ankerrohrtour wird die Leitrohrtour dann bezeichnet, wenn auf dieser Rohrtour die erforderlichen Sicherheitsarmaturen, wie sie für das Bohren auf unter Druck stehende Medien (Erdöl, Erdgas, Dampf, Kohlensäure usw.) erforderlich sind – allgemein als Preventer bezeichnet -, verankert, d. h. verschraubt werden. Die Leitrohrtour wird unter den geologischen Bedingungen Mitteleuropas in der Regel bis zur Basis der nicht oder wenig verfestigten Sedimente des Quartärs und des Tertiärs eingebaut, um auf diese Weise diesen wenig standfesten Teil des Bohrloches schnellstmöglich abzusichern. Sie kann eine Teufe von bis zu mehreren hundert Metern erreichen. Übergänge zwischen Kellersohle und Kellerwand müssen mit einem endlosen Fugenband versehen werden, damit ein Eindringen von Grundwasser und damit eine Unterspülung des Bohrkellers vermieden wird. Der Leitrohrtour folgen die Technischen Rohrtouren. Diese und weitere sogenannte Technische Rohrtouren sind notwendig, um Schichten mit vergleichbaren geologischen, geochemischen Eigenschaften und mit vergleichbaren Drücken fluider Medien in den Poren- und Klufträumen permeabler Schichten von solchen Bereichen zu trennen, die andersartige Eigenschaften und Druckverhältnisse aufweisen. So werden z. B. unter den geologischen Bedingungen Mitteleuropas einschließlich der Niederlande und Polens die Schichten des Mesozoikums in der Regel als nächster Schichtenkomplex nach dem Tertiär verrohrt und zementiert, bevor die darauffolgenden Schichten des Zechsteins angebohrt werden, weil der Zechsteinbereich mit seinen häufig stark plastischen Salzschichten und mit teilweise auch unter Überdruck stehenden Laugenhorizonten die Anwendung anderer Spülungsrepturen und Spülungsdichten erfordert als die Schichten des darüber liegenden Mesozoikums und auch als die des nachfolgenden Rotliegenden. Die Produktionsrohrtour ist die Rohrtour, die bei Bohrungen auf flüssigen oder gasförmigen Rohstoff wie Erdöl, Erdgas, Salzsole, Mineral- oder Thermalwasser vorgesehen ist. Es handelt sich um diejenige Rohrtour, die im Bereich einer durchbohrten Lagerstätte eingebaut wird. Damit ist aber nicht grundsätzlich gesagt, dass in der Produktionsrohrtour in jedem Falle auch das zu fördernde Fluid an die Oberfläche transportiert wird. Da die Produktionsrohrtour auch zementiert werden muss, würde das produzierende Bohrloch dann schnell unbrauchbar werden, wenn das zu
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2 Der Bohrplatz
fördernde Medium korrosive Komponenten enthält, wie z. B. H2S, Salzwasser, CO, und anderes mehr, die das Rohrmaterial durch Korrosion zerstören würden. In solchen Fällen wird in das Bohrloch eine Förderrohrtour, auch als Tubingstrang bezeichnet, eingebaut, die nicht zementiert, sondern mit Hilfe von Packern an der Innenwand der Produktionsrohrtour verankert wird. Die Fördertour besteht aus starkwandigen, mit Bohrungen oder Schlitzen versehenen Stahlrohren. Der Ringraum zwischen Produktionsrohrtour und Tubingstrang wird mit einer nicht korrodierenden Schutzflüssigkeit verfüllt. Unter diesen Bedingungen ist das Auswechseln der Fördertour relativ unkompliziert. Um den richtigen Zeitpunkt für das Auswechseln eines Förderstranges erkennen zu können, kann man sich mit folgender Maßnahme helfen: In den Strang bzw. in die übertägige Rohrleitung für das zu transportierende fluide Medium wird ein Metallstück eingehängt, das etwas korrosionsempfindlicher ist als das Material, aus dem der Tubingstrang hergestellt wurde. Dieses Metallstück wird in festgelegten Zeitabständen geprüft, und wenn eine Korrosion entsprechend weit fortgeschritten ist, kann der etwas korrosionsträgere Tubingstrang ausgebaut werden, ohne dass die Gefahr eines vorherigen Zusammenbruches dieses Rohrstranges im Bohrloch besteht. Die Beseitigung einer derartigen Havarie ist mit erheblichen materiellen Schäden und Produktionsausfällen verbunden. Andererseits ist es wiederum unwirtschaftlich, einen Tubingstrang zu früh auszuwechseln, bevor er seine optimale Betriebsdauer erreicht hat. Verlorene Rohrtour – Liner Innerhalb einer Bohrlochkonstruktion kann es aus unterschiedlichen Gründen notwendig und sinnvoll sein, die Produktionsrohrtour nicht bis nach übertage zu führen, sondern sie innerhalb des Bohrloches enden zu lassen. Eine solche Rohrtour wird, einem alten Sprachgebrauch in der Bohrtechnik folgend, als Verlorene Rohrtour bezeichnet. Beim Bohren auf Erdöl und Erdgas wurde inzwischen der im Angelsächsischen gewählte Ausdruck Liner übernommen. Der Einbau der Verlorenen Rohrtouren erfolgt vorwiegend in Tiefbohrungen, z. B. um gegebenenfalls Rohrmaterial einzusparen, wenn bei einer Erkundungsbohrung die Aussicht auf Fündigwerden gering ist. Verhältnismäßig selten werden Verlorene Rohrtouren mit begrenzten Längen in solchen Bohrlochbereichen eingebaut, die z. B. tektonisch stark gestört sind oder die intensive Laugenzuflüsse aufweisen. Der Einbau und die Zementation von Linern sind verhältnismäßig kompliziert und bergen in vielen Fällen die Gefahr, dass die durchgeführten Arbeiten nicht alle Anforderungen erfüllen. Sie werden in der Regel von Spezialisten durchgeführt.
2.3.4 Anlagen außerhalb des Bohrplatzes Kläranlage Außerhalb des Bohrplatzes befinden sich die Sammelgruben für Wasser und Fäkalien. Letztere werden zusammen mit dem Waschwasser aus den Kauen (Dusch- und Spülwasser) jeweils in die zuständigen, kommunalen Kläranlagen entsorgt.
E Bohrplatzeinrichtung und Gerätetechnik
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Abb. E-7: Schnitt durch eine 3-Kammer-Klärgrube (Schema) [BgH]
Das Niederschlagswasser aus der Umlaufrinne wird in ein Dreikammersystem (Abb. E-7) eingeleitet, das als 3-faches Überlaufsystem ausgebildet ist. Die erste Kammer ist die Vorkammer, in der das Wasser gesammelt wird, und in der gröbere Feststoffe sedimentieren. Die zweite Kammer (mittlere Kammer) ist mit Filterkoks gefüllt und dient der Aufnahme von Schwebstoffen und der Ölabscheidung, und die dritte Kammer sammelt schließlich das gereinigte Wasser. Auch werden aus dieser Kammer Wasserproben zur Untersuchung von Salinität (Salzhaltigkeit) und sonstigen Schadstoffen genommen. Von hier wird das Wasser in eine vierte Kammer geleitet, wo es gesammelt und von wo es entweder abgefahren oder z. B. zum Ansetzen von Spülung verwendet wird. Liegt eine wasserrechtliche Erlaubnis vor, und liegen der Ölgehalt bei null und die Salinität (Leitfähigkeitsmessung) im zulässigen Bereich, so kann die vierte Kammer entfallen, da das Wasser dann nach entsprechender Untersuchung aus der dritten Kammer direkt in den Vorfluter abgeleitet werden kann. Aus Sicherheitsgründen ist dann jedoch am Auslauf der dritten Kammer ein Absperrschieber installiert. Die Unbedenklichkeitsmessungen in der dritten Kammer des Abscheiders werden durch schreibende Messgeräte vorgenommen, so dass jederzeit der Nachweis erbracht werden kann, dass das eingeleitete Wasser frei von Schadstoffen war. Sonstige Nebenanlagen Der Bohrplatz jedoch nur ein Teil eines Bohrbetriebes. Hinzu kommen die zu den Nebenanlagen zählende Zufahrt, sowie ausreichende Parkplätze für Beschäftigte und Besucher. Außerdem befinden sich bei landgestützten Bohranlagen die Wohn- und Schlafeinrichtungen (Container) mit den sanitären Anlagen auch außerhalb des Bohrplatzes. Lediglich eine Tageunterkunft für Pausen und Einnahme der Mahlzeiten ist Bestandteil des unmittelbaren Bohrplatzbereiches. Die Zuwegung zum Platz wird in der Regel in einer Breite von 5,50 m angelegt, wovon 3 – 3,5 m mit einer Asphaltdecke befestigt werden. Im unmittelbaren Bohrplatzbereich wird die Straße auf etwa 8 m verbreitert, um das Abstellen von Versorgungsfahrzeugen zu ermöglichen. Außerdem werden an der Längsseite des Bohrplatzes in der Regel zwei Zufahrten eingerichtet, um ein reibungsloses An- und Abfahren zu ermöglichen (siehe Abb. E-1). Die Zufahrtsstraße selbst muss von den zuständigen Behörden und den betroffenen Gemeinden in ihrer Straßenführung bewilligt werden. Zunächst einmal muss eine geeignete Abfahrtsmög-
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2 Der Bohrplatz
lichkeit von einer öffentlichen Straße gesucht werden, wobei diese jedoch nicht immer in optimaler Nähe zum Bohrplatz liegt. Die Straßenführung im Feld wird meistens von den Gemeinden vorgegeben, wobei angestrebt wird, die landwirtschaftliche Nutzung des Gebietes so wenig wie möglich zu beeinträchtigen. Das führt häufig dazu, dass die Zuwegung nicht geradlinig verläuft, sondern Felder umfährt und damit beträchtliche Länge haben kann. Parkplätze für Beschäftigte und Besucher werden in ausreichender Zahl am Rande des Platzes in der Nähe der Zufahrt angelegt, wobei sich deren Ausbau nach geltenden Richtlinien und den örtlichen Gegebenheiten richtet. Bei der Planung eines Bohrplatzes sind außerdem zu berücksichtigen: • die Schallemissionen der Bohranlage im Nahbereich von Bebauungen, • Berücksichtigung des Umsturzbereiches entsprechend der Masthöhe, • Einhaltung von Sicherheitsabständen der Fackel zu umgebenden Gebäuden, Straßen und Waldgebieten • Zufahrten für Kräne, Schwerlastfahrzeuge, Feuerwehr, • Fluchtwege
2.3.5 Kostensituation Bei den Bohrplätzen kann man folgen Kostengruppen unterscheiden: • Reine Tiefbaukosten und Kosten für die Betonarbeiten, • Berücksichtigung von Lärm- und Gewässerschutzmaßnahmen, • Sondermaßnahmen der Gründung wie z. B. Pfahlgründungen und Bodenaustausch, • Anschlusskosten für die Energieversorgung, • Maßnahmen zur Wasserversorgung und Entwässerung, • Kosten für die Rekultivierung. Die anfallenden Kosten für den Bau von Bohrplätzen sind abhängig von der geplanter Erschließungstiefe und dem danach erforderlichen Bohrgerätetyp. Bei mobilen Geräten liegen die Kosten naturgemäß wesentlich unter den Kosten, die bei stationären und leistungsstarken Geräten entstehen. Die oben bereits erwähnten Kosten für den Umweltschutz und Rekultivierung haben einen immer höheren Anteil. Dazu kommen Sondergründungen und die Länge der Zufahrtswege, um nur einige Faktoren zu nennen. 1971 lagen die mittleren Platzkosten für einen Bohrplatz noch bei etwa. 100 000 DM. Danach stiegen sie bis 1993 fasst regelmäßig bis zu 700 000 DM. In den erwähnten Kosten sind allerdings die Aufwendungen für Straßenbau, spätere Rekultivierung sowie wie die Kosten für erschwerte Baubedingung oder den Lärmschutz nicht enthalten, wofür 25 – 30 % Steigerung anzusetzen sind. Diese Kostensteigerung ist sicherlich zum einen durch die allgemeine Kostenentwicklung in den letzten Jahren bedingt (z. B. Lohnkosten). Ein Großteil der gestiegenen Kosten lässt sich aber auf zusätzliche Anforderungen beim Umweltschutz zurückführen, wofür ein Kostenanteil von 25 – 30% anzusetzen ist. Setzt man bis 2008 eine jährliche Steigerung von 10 % zugrunde, so dürften die Kosten heute bei 800 000 € liegen. Dazu kommen noch die o. g. Kosten für den Umweltschutz, so dass die Gesamtkosten heute bei etwa 1,0 bis 1,4 Millionen € liegen dürften. Die Transportkosten für die kompl. Bohranlage betragen 200 bis 250 € / km. Bei einer Entfernung von etwa 600 km liegen die Kosten für eine Einrichtung und Räumung im Mittel demnach bei 270.000 €. Die Kosten können wesentlich gemindert werden, wenn der Transport zu einer Anschlussbohrstelle erfolgt.
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Die Kosten einer Bohranlage im Offshore-Bereich (Tiefsee bis 3.000 m Meerestiefe) bei 60.000 $ pro Tag. Solche Kosten können nur aufgebracht werden, wenn die Förderraten entsprechend hoch sind.
2.3.6 Kostenbeispiele für den Onshorebereich Zahlen aus einem Workshop Kostenoptimiertes Bohren“ von Dipl.-Ing. Thor Növig – ITAG. Kostenvergleich von Bohranlagen Gerätetyp Hakenlast Teufenkapazität bei Bohrloch-
Ø 8 ½‘‘ / 6 ‘‘
Bohrplatzbedarf Transportladungen (ohne Bohrstang) Tagesrate Betriebsstundensatz Bohrgerät Hakenlast Hebewerk Spülpumpen Drehtischleistung Schallschutz Stundensatz Zeitabhängige Kosten Bohranlage Energie Spülungsservice Geologische Bearbeitung Richtbohrservice Bohrungsaufsicht Externe Schallschutzwand Betriebskosten Bohranlage Bohranlagekosten Bohrzeit Roundtripzeit (Aus- u. Einbau Bohrgestänge) Werkzeugpreis Standlänge des Meißels Betriebskosten Einsparung ൊ
Fahrbare Anlage 150 – 200 t 3.000 m / 3.500 m 3.000 m2 35 12.000 € / d 500 € / h RIG 1 150 t 750 PS 2 × 800 PS 200 PS Teilweise gekapselt 500 € / h RIG 1 (€ / h) 500 100 65 50 400 40 30 1.185 RIG 1 1.185 €/h 50 h 12 h 5.000 € 250 m 314 €/m
Stationäre Anlage 200 – 500 t 3.000 – 7.000 m 3.500 í 9.000 m 5.000 m2 65 18.000 € / d 750 € / h RIG 2 180 t 900 PS 2 × 1000 PS 300 PS Voll gekapselt 550 € / h RIG 2 (€ / h) 550 120 65 50 400 40 – 1.225 RIG 2 1.225 €/h 50 h 10 h 5.000 € 300 m 262 €/m 20 %
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3 Gerätetechnik
Bohranlage Bohranlagekosten Bohrzeit Roundtripzeit (Aus- u. Einbau Bohrgestänge) Werkzeugpreis Standlänge des Meißels Betriebskosten Einsparung Ca.
RIG 1 500 €/h 50 h 12 h 5.000 € 250 m 314 €/m
RIG 2 550 €/h 50 h 10 h 5.000 € 300 m 262 €/m 20 %
E 3 Gerätetechnik 3.1 Allgemeines Die Gerätetechnik umfasst folgende Gruppen: • Bohranlage – Rig (Turm, Mast) • Bedienungsstand (Driller Console) • Preventer • Dieselmotoren • Generatoren • Spülpumpen • Spülungsbehälter • Spülungsmischanlagen • Aufbereitungsanlagen • Werkstatt-Container • Tankanlagen • Wohn- und Schlaf-Container (einschl. der außen liegenden Anlagen) • Sanitäre Anlagen • Lager für Spülungszusätze (Bentonit, Zement) • Kläranlagen
3.2 Bohranlagen 3.2.1 Allgemeines Grundsätzlich unterscheidet man für den Onshorebereich • die mobilen(fahrbare) Anlagen • die stationären Anlagen Für Bohrungen ab einer Teufe von ca. 1500 m werden i. d. R. wegen der höheren Hakenlasten stationäre Anlagen verwendet.
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Die mobilen Anlagen haben den Vorteil der geringeren Transport- und Einrichtungskost. Sie sind in kürzerer Zeit aufgebaut und benötigen dazu keine Kranhilfe.
3.2.2 Begriffsbestimmung Die Bohreinrichtungen wurden in früherer Zeit sehr individuell gestaltete. Eine Normung und Berechnung wird erst in der Neuzeit vorgenommen. Es keine festgelegten Typen, da jeder Hersteller seine eigenen Ideen verwirklichen wollte. Das trifft sowohl für die Konstruktion, wie auch für das Bohrsystem zu. Der Bohrturm ist i. d. R. allseits geschlossene und im Vergleich zu seiner Grundfläche sehr hoch. Ein Bohrgerüst als frei stehender Baukörper ist von den Abmessungen her dem Turm vergleichbar, jedoch nicht geschlossen, sondern besteht aus einer Gitterkonstruktion. Der Mast ist ein schlankes, hohes Bauwerk mit im Vergleich zur Höhe sehr kleiner Grundfläche. Bohranlage (Drill Rig) ist die heutige übliche Bezeichnung. Die Konstruktionen haben sich im Wesentlichen angeglichen (siehe später).
3.2.3 Entwicklung 3.2.3.1 Historische Bohrgerüste Die ersten historischen Bohrtürme dürften bei Solebohrungen in China etwa 2 000 v.Chr. eingesetzt worden sein und bestanden aus aufgerichteten und in der Spitze zusammengebundenen Bambusstangen, sind also der Kategorie der Masten zuzuordnen. Mit diesen manuell betriebenen Bohranlagen wurden bereits Bohrteufen von bis zu 1000 m erreicht. Im Teil I, Kap. A, Abb. A-1 ist eine solche Bohranlage dargestellt.
3.2.3.2 Hölzerne Bohrtürme Die nächste Entwicklung waren dann hölzerne Bohrtürme, die aus Balken, Bohlen und Brettern zusammengezimmert wurden, wobei diese Türme für jede Bohrung neu gebaut wurden (Abb. E-7). Abmessungen und Konstruktion entsprachen den jeweiligen Vorstellungen des Auftraggebers, so dass von einer Einheitlichkeit oder gar Normung nicht gesprochen werden konnte. Lediglich die Form des Pyramidenstumpfes hatte sich offensichtlich als optimal herausgestellt und wurde von allen Konstrukteuren angewendet. Solche Bohrtürme, die bis in die Spitze verkleidet waren, was zum einen als Wetterschutz, zum andern aber auch zur Abwehr neugieriger Blicke diente, wurden bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts verwendet. Der Vorteil dieser Türme war, dass sie im Falle der Fündigkeit stehen blieben und dann als Fördertürme benutzt wurden, wobei der Flaschenzug zum Aus- und Einbau von Tiefpumpe und Steigrohrsträngen benutzt wurde. Da seinerzeit noch schlagend gebohrt wurde, konnte der Bohrschwengel leicht in einen Pumpschwengel umgewandelt werden. Als es später auf das Gestänge-Schlagbohrverfahren mit zirkulierender Spülung überging, zeigte sich, dass die für das Seilschlagbohren ausreichende Turmhöhe nicht mehr geeignet war, weil man zum Meißelwechsel tunlichst nicht jede Gestängeverbindung des Bohrstranges brechen, sondern sog. Züge abschrauben und im Turm abstellen wollte.
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Abb. E-8: Bohrtürme auf dem Erdölfeld Öelheim bei Braunschweig um 1890 [WEG)
Diese Forderung wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als das Rotarybohren mit umlaufender Spülung immer mehr den Platz des Schlagbohrverfahrens einnahm, immer deutlicher. Zwar waren die ersten Rotarybohranlagen den Schlagbohranlagen noch durchaus vergleichbar, jedoch hatte man inzwischen das Prinzip des Turmbaus weitgehendst verlassen und baute nun Gerüste aus Holzbohlen. Inzwischen entstanden Bohrgerüste in allen Größen und Höhen. Auch hatten sich inzwischen kleine Zulieferindustrie etablierte, um die vielschichtigen Bedürfnisse der Bohrunternehmer zu befriedigen. Zu einer Normung der Bohrgerüste und zu einer zentralen Fertigung in speziellen Betrieben kam es jedoch erst wesentlich später. So kam es, dass die hölzernen Bohrgerüste jeweils nach Können und Vermögen der Zimmerleute ausgelegt wurden, und dass ihre Tragkapazität letztendlich zum einen von der Qualität der Zimmermannsarbeit, zum andern von der Beschaffenheit des verwendeten Holzes abhing. Eine systematische statische Berechnung fand nicht statt. Obwohl Holzbohrgerüste in den USA bereits ab 1910 systematisch vom dort entwickelten Stahlbohrgerüst verdrängt wurden, sind sie noch 1926 vom API genormt worden. In Deutschland wurden hölzerne Bohrgerüste noch bis um 1935 eingesetzt.
3.2.3.3 Stahlbohrgerüste Stahlbohrgerüste wurden 1910 in den USA erstmalig vorgestellt und traten von dort aus einen spontanen Siegeszug um die Welt an. Sie wurden ebenfalls 1926 von API genormt, wobei 9 verschiedene Typen erhältlich waren. Die gängigsten Stahlbohrgerüste waren die, in denen Dreierzüge (ca. 27 m) abgestellt werden konnten. Kleinere Bauhöhen wurden für flachere Bohrungen verwendet und konnten nur Zweierzüge abstellen. Sie wurden dort eingesetzt, wo heute fahrbare Anlagen zum Einsatz kommen. Vorübergehend waren auch Bohranlagen mit Höhen von 179 ft (~ 53 m) und 189 ft (~57 m) im Einsatz, da man glaubte, die Roundtripzeiten (Aus- und Wiedereinbauen eines Rohrstranges) durch das Fahren mit Viererzügen zu verkürzen.
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Abb. E-9: Stahlbohrgerüst [MTR]
Das stellte sich aber als Trugschluss heraus, da das manuelle Abstellen solcher Zuglängen mehr Zeit benötigte, als das von Dreierzügen. Heutzutage geht allerdings der Trend wieder hin zu Viererzügen, wobei jedoch das Pipehandling (Handhabung des Bohrgestänges) mittels Pipehandler (automatische Gestänge Aus- Einbauvorrichtung) geschieht, so dass Handarbeit hier nicht mehr erforderlich ist (nähere Beschreibung siehe später). Ursprünglich wurden die Stahlgerüste direkt auf Betonfundamenten abgestellt. Preventeranlage und Verflanschung waren im Bohrkeller untergebracht, benötigten also oberhalb der Rasensohle keinen Platz. Das war möglich, weil die Bohrteufen früher sehr gering waren und die Preventer und Verflanschungen somit nur für geringe Drücke ausgelegt werden musste, so dass ihre Bauhöhen entsprechend klein waren. Es zeigte sich bald, dass der Aufwand für den Bau eines Kellers unverhältnismäßig groß war und bemühte sich deshalb eine andere Lösung zu finden. So entstand ein stählerner Unterbau, unter den man Preventer und Verflanschung, nunmehr oberhalb der Rasensohle, unterbringen konnte. Später, bei größer werdenden Teufen und höheren Lagerstättendrücken, wurden dann bei normalen Onshorebohrungen Preventer und Verflanschung teils im Bohrkeller, teils oberhalb untergebracht, was in den 60er Jahren zu Unterbauhöhen von etwa 4 – 6 m führte, je nach Teufe und Preventer-Arbeitsdruckstufe sowie Preventerdurchgang. Heute betragen die Unterbauhöhen bis zu 10 m und mehr. Der Grund liegt bei den immer tieferen Bohrungen und aus Sicherheitsgründen die Preventer immer größere Baumaße haben. Durch die Einführung des Unterbaus wurde auch die Spülungstechnik grundlegend beeinflusst. Man war nun nicht mehr darauf angewiesen, die Spülung ebenerdig aus der Bohrung austreten und durch einen Teich, der im Boden angelegt war, zu leiten. Vielmehr wurde der Spülungsauslauf unmittelbar unter die Arbeitsbühne verlegt, so dass die Spülung über Schüttelsiebe in Stahltanks geleitet werden konnte. Der Vorteil war eine verbesserte Feststoffabscheidung durch die Schüttelsiebe und die Wiederverwendbarkeit der Tanks. Beides wurde zum festen Bestandteil von Tiefbohranlagen.
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Mit dem Stahlbohrgerüst mit Unterbau war eine ganz wesentliche Entwicklung in der Geschichte der Tiefbohrtechnik abgeschlossen worden. So konnte mit einer Bohranlage eine Vielzahl von Bohrungen abgeteuft werden, indem die Anlage mit Maschinen, Pumpen, Tankanlage, Gestängelager und Kauen von Lokation zu Lokation umgebaut wurde, was noch bis in die 70er Jahre von speziellen Umbautrupps der Bohrfirmen selbst gemacht wurde. Heute gibt es spezielle Serviceunternehmen, die sich auf den Umbau von Bohranlagen spezialisiert haben. Zum andern war mit dem Stahlbohrgerüst ein besserer Feuerschutz gegeben, die Windangriffsfläche wurde auf 1/3 verkleinert und die Tragfähigkeit der Gerüste konnte berechnet werden, was eine bessere Klassifizierung der Bohranlagen gemäß Hakenlast ermöglichte. Allerdings war der Umbau solcher Bohrgerüste zunächst noch sehr umständlich, da Krane mit entsprechenden Auslegern und der erforderlichen Tragkraft fehlten. Man behalf sich zunächst mit sog. Errichtemasten (wie beim Bau von Hochspannungsmasten üblich), die im Pyramidenstumpf des Mastes von Schuss zu Schuss eingehängt wurden. Die Mastneigung wurde durch Halteseile bewirkt, und die einzelnen Gerüstschüsse wurden über Flaschenzüge an dem Mast hochgehievt und in Position gebracht, was sicherlich eine nicht ganz ungefährliche und auch sehr anstrengende und aufwendige Prozedur war. Später wurden dann Hydraulikkrane mit langen Auslegern eingesetzt, was die Umbauzeiten der Gerüste wesentlich verkürzte. Da die Montage sehr zeitaufwendig war, wurde das Walzen oder Verrollen der stehenden Anlagen dort praktizierte, wo die Entfernungen zwischen den Bohransatzpunkten gering waren, und wo das Gelände eben ausgebildet war. Bei diesem Verfahren wurden Bohrgestängeabschnitte von etwa 1 m Länge zwischen die Bohlen- oder Schwellenbahn und die Kufen des Unterbaus gelegt und dienten somit als Rollenlager. Die Rohrabschnitte wurden jeweils vor der Anlage ausgelegt und hinter der Anlage wieder aufgenommen und erneut nach vorn transportiert. Die Anlage selbst wurde von schweren Raupenfahrzeugen gezogen. Die elegantere Form des Verwalzens war, den Unterbau mit Rad- oder Raupenfahrgestellen auszustatten und auf die neue Lokation zu schleppen. Dieses Verfahren wird auch heute noch bei selbsttragenden Klappmasten in Wüstenregionen angewendet, wobei die Fahrgestelle teilweise sogar mit eigenen Fahrmotoren ausgestattet sind. In Deutschland wurde dieses Verfahren nur während des ersten Ölbooms um 1900 angewandt, als die Bohrgerüst noch dicht an dicht standen (s. Abb. E-7). Wie erwähnt, wurden früher die Holzbohrtürme bei Fündigkeit auf der Lokation stehen gelassen und dienten dann als Fördergerüste oder -türme. Mit der Einführung der Stahlbohrgerüste war das naturgemäß nicht mehr möglich, so dass man ab etwa 1930 über einer fündigen Bohrung kleinere, leichtere Fördergerüste installierte, die dort permanent stehen blieben. Musste die Pumpe gezogen werden, wurde eine Ölfeldwinde, bestehend aus einem Fahrgestell und einer Seilwinde, an das Gerüst herangefahren, das Seil im Flaschenzug eingeschert und die Pumpenzieharbeit begonnen. Nach Beendigung der Arbeiten fuhr die Winde zum nächsten Job weiter, das Stahlgerüst blieb auf der Lokation. Aus dieser Zeit stammt auch der im deutschen Sprachraum gebräuchliche Begriff einer Ölfeldwinde für eine leichte, fahrbare Workoveranlage.
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3.2.3.4 Klappmaste Da ein solches Vorgehen sehr aufwendig und kostenintensiv ist, hatte Lee C. Moore bereits 1907 einen ersten Stahlbohrturm aus Rohren gebaut, der am Boden liegend zusammengebaut und dann über einen A-Bock errichtet wurde. Das war der erste Klappmast, der später sogar auf einen LKW montiert und somit zum ersten Workover Rig oder Ölfeldwinde wurde.
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Abb. E-10: Errichten eines Klappmastes mittels Lee C. Moore System [BgH]
Bedingt durch den 2. Weltkrieg wurde die Entwicklung und weltweite Verbreitung der Klappmaste verständlicherweise gestoppt. Nach dem Krieg kamen diese Bohrmasten dann auch nach Europa. Allerdings wurden zunächst, sozusagen als Entwicklungshilfe für die Wiederaufbauphase in Europa und insbesondere in Deutschland, API Bohrgerüste aus den USA importiert, da sich der amerikanische Markt verstärkt zu den Klappmasten wandte, so dass die „veralteten“ Gerüste zur Verfügung standen. Später wurden dann auch Klappmasten importiert.
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Da die amerikanische Bohrgeräteindustrie durch den 2. Weltkrieg kaum beeinträchtigt war, wurde die Entwicklung der Klappmasten in den USA weiter betrieben, was bis zum heutigen Tag die Vormachtstellung der USA auf diesem Gebiet begründet. Hinzu kommt, dass in den USA bis zum Beginn der Rezession Mitte der 80er Jahre bis zu 6000 Tiefbohranlagen im Einsatz waren, so dass Bohranlagen in Fließbandproduktion hergestellt werden konnten, während in Europa nur eine Einzelfertigung möglich war, was naturgemäß zu einer nicht unbeträchtlichen Verteuerung der Anlagen führte.
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Abb. E-11: Fahrbare Bohranlage mit Klappmast System INGERSOLL RAND Franks 700 [BgH]
Das Prinzip des Klappmastes ist bei allen Fabrikaten grundsätzlich gleich. Die Masten bestehen in der Regel aus zwei schlanken Gitterbeinen, werden zu ebener Erde zusammenge-
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baut und durch das Hebewerk der Bohranlage aufgerichtet. Vereinzelt geschah die Errichtung der früheren Anlagen auch mittels Fremdwinden. Um die Errichtung durch das Hebewerk durchführen zu können, muss das Flaschenzugseil der Bohranlage zwischen Turmrollenlager und Block (traveling block) eingeschert sein, meistens sogar mit einer sehr hohen Einscherung. Dann wird der Haken in ein spezielles Errichteseil eingehängt, das über ein Umlenkrollensystem in den Mastfüßen verankert ist. Wird nun das über einen Errichtebock (A-Bock) geführte Zugseil auf der Hebewerkstrommel aufgespult, so wird der Mast in Drehpunkten an den Mastfüßen bewegt und richtet sich dabei auf. Das Errichteseil wird dabei scheinbar immer länger, was dazu führt, dass der Haken bei der Errichtung immer weiter im Mast nach oben wandert. Ist der Mast aufgerichtet, so leitet er seine Kräfte auf den Unterbau oder eine Unterkonstruktion (Substructure, wenn sich die Mastfüße auf Rasensohlenniveau befinden) ab und ist jetzt frei stehend, so dass das Errichteseil gelöst werden kann. Frühere Klappmasten mussten noch mittels Abspannseilen gehalten werden. Heutige Konstruktionen sind alle frei stehend, so dass Seile, sofern noch vorhanden, lediglich zum Kompensieren von Windlasten dienen. Klappmaste sind von API seit 1947 genormt (API Std 4 D).
3.2.3.5 Sonderkonstruktionen In Deutschland und Österreich wurden in der späteren Nachkriegszeit einige Sonderkonstruktionen entwickelt, die zwar keine International Bedeutung erlangten, aber national eine größere Verbreitung gefunden haben. Sie sind z. T. noch heute bei einigen Bohrunternehmen zu finden. Es handelt sich z. B. um folgende Entwicklungen: – Der SALZGITTER Gulliver Mast der Anfang der 50er Jahre von der Salzgitter AG entwickelt wurde. Es ist ein Zweibeinröhrenmast, der als Gullivermast in die Bohrgeschichte einging – Typ AS 150 mit 150 t Hakenlast und der AS 300 mit 300 t Hakenlast. Die beiden Maströhren haben einen Durchmesser von 950 mm bzw. 1100 mm. Die Wandstärke beträgt lediglich 5 mm. Gebaut wurden hiervon immerhin 32 Stück. – Die Firma ELKOAG aus Düsseldorf brachte den Vierstielmast auf den Markt. Er besaß 4 bis 5 Beinsegmente mit 1,2 x 1,2 m Querschnitt. Die zwei Anlagentypen hatten zul. Hakenlasten von 300 t und immerhin schon 625 t. – Die Fa. TRATZL, Österreich, entwickelte einen sog. Vollsichtmast mit zwei Gitterbeinen (Abb. E-12a). Er wurde liegend montiert und dann über einen A-Bock hochgezogen und danach auf volle Höhe mit Kranhilfe teleskopiert. Die Anlage wurde kein Erfolg und nur in wenigen Exemplaren hergestellt.
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Abb. E-12a: TRAUZL- Bohrmast – Gittermastkonstruktion [BgH] Die vorstehenden Konstruktionen wurden nie API zertifiziert.
3.2.3.6 Moderne Mastkonstruktionen Die Rezession in den 60er Jahren führte dazu, dass eine Reihe von Herstellern von Bohranlagen die Produktion wegen sinkender Bohraufgaben aufgeben musste. Der verbleibende Rest nutzte die Zeichen der Zeit, denn die Exploration von Erdgaslagerstätten ein und damit größere Teufen (4 000 bis 6 000) mit wesentlich höheren Lagerstättendrücken. Diesen mussten die Preventeranlagen angepasst werden. Die wesentlich höheren Anlagen erforderten entsprechende Unterbauhöhen von bisher 4 – 6 m auf bis zu 14 m. Gefordert war somit ein Umdenken der Gerätekonstruktionen mit wesentlich höheren Hakenlasten. Der Preisdruck verlangte zudem kürzere Richtzeiten und ein verbessertes Handling zur Personaleinsparung. Bei den größeren Unterbauhöhen hatte man nun aber Schwierigkeiten mit der Statik, so dass man ein Konzept der 30er Jahre wieder aufgriff und die Mastfüße auf Bohrplatzniveau brachte und den Unterbau um die Mastbeine herum anordnete. Da allerdings die Mastfüße nicht direkt auf dem Fundament abgestellt werden können und man zudem eine bessere Lastverteilung benötigte, wurden lange Träger ausgelegt, auf denen die Mastfüße befestigt werden. Der Unterbau selbst wurde in drei Sektionen unterteilt: • den Mittelteil mit Drehtisch • den hinteren Teil (mit Hebewerk) • den vorderen Teil als Gestängeabstellbereich (set back area)
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Alle drei Teile sind voneinander unabhängig, so dass sie alle separat bezüglich der Statik ausgelegt werden können. Das hat einen entscheidenden Vorteil, wenn man die Lastverteilung auf einem Unterbau einmal getrennt betrachtet: • im mittleren Bereich entstehen z.T. erhebliche senkrecht nach unten gerichtete Kräfte, wenn ein Strang im Drehtisch abgehängt wird (z. B. Rohrstang beim Rohreinbau). Damit wirken auf diesen Teil nur senkrechte Kräfte, keine Momente. • sofern sich das Hebewerk auf dem Unterbau befindet, was auch heute noch häufige Praxis ist, wirken auf den hinteren Teil des Unterbaus schräg nach oben in Richtung Rollenlager gerichtete Kräfte, wenn z. B. ein Bohrstrang freigezogen werden oder eine schwere Rohrtour eingelassen werden muss. • ist ein Bohrstrang im Mast abgestellt, so wirken auf die Set Back Area ebenfalls nach unten gerichtete Kräfte, hervorgerufen durch die Last des abgestellten Stranges. In der Addition der Kräfte ergibt sich, dass der hintere Teil des Unterbaus angehoben und der vordere Teil abgesenkt wird, wobei sich um den mittleren Bereich eine Drehachse bildet. Das kann zu erheblichen Spannungen im gesamten Bereich der Arbeitsbühne führen, die kompensiert werden können, wenn man diese drei unterschiedlich belasteten Bereich kräftemäßig voneinander trennt, wie mit den modernen Unterbaukonstruktionen geschehen. Letztendlich führt das zu einer vereinfachten und leichteren Konstruktion, was den Rationalisierungsbestrebungen entgegenkommt. Diese neuen Unterbaukonstruktionen werden auch als Raised Floor System bezeichnet, weil beim Aufbau der Anlage diese drei Teile separat aufgerichtet werden. Ein klassisches System hierfür ist das von PYRAMID entwickelte System, wenngleich auch festgehalten werden muss, dass jeder Hersteller leicht modifizierte Errichtesysteme praktiziert, und dass selbst ein Hersteller wie PYRAMID mit unterschiedlichen Systemen arbeitet. Deshalb muss bezüglich des Aufbaus moderner Bohranlagen auf jeden Fall auf die jeweiligen Herstellerangaben verwiesen werden. Um eine Vorstellung vom Ablauf der Errichteprozedur zu geben, soll das in Abb. E-12b dargestellte System von PYRAMID erläutert werden:
Abb. E-12b: PYRAMID-Errichtesystem [BgH]
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Zunächst wird der Grundrahmen (substructure), bestehend aus einem etwa 1 m hohen DoppelT-Träger (oder ähnlichem Gebilde) ausgelegt (1). Hierauf wird der A-Bock auf dem mittleren Unterbauteil montiert (2). Dann wird das Hebewerk auf dem hinteren Teil des Unterbaus (Drawworks Elevator) montiert. Dieser Hebewerkselevator wird hinter der Substructure ausgelegt und mittels eines Scherensystems mit dem Grundrahmen verbunden (3). Mittels einer Winde wird dann der Elevator hochgezogen(4). Es wird darauf hingewiesen, dass dabei die Oberfläche des Hebewerkselevators nicht gekippt werden darf, sondern wie eine Hebebühne hochgefahren werden muss, wobei sie gleichzeitig nach vorn verschoben wird, bis sie an den mittleren Unterbauteil anschließt. Anschließend wird der Mast liegend in Richtung des späteren Gestängelagers montiert, die Errichte- und Flaschenzugseile werden eingeschert, und der Mast mittels des Hebewerkes hochgezogen (5). Dann wird der Gestängeabstellbereich liegend montiert und hochgekippt (6). Einige Bohranlagenhersteller sind jedoch inzwischen dazu übergegangen, das Hebewerk nicht auf die Arbeitsbühne zu heben, sondern unten, hinter dem Unterbau zu installieren, was sicherlich einige Vorteile hat. Zum einen hat man auf der Arbeitsbühne mehr Platz, z. B. zum Installieren des Iron Roughneck und z. B. eines Pipehandlers, zum anderen wird die Konstruktion vereinfacht (Elevatorsystem entfällt) und damit die Anlage billiger. Daneben wird die Geräuschbelästigung auf der Arbeitsbühne verringert.
Abb. E-12c: links: ITAG-Rig 30 [Deutag, Itag]– rechts: Rig KCA-Deutag Typ T 45
Einen völlig anderen Weg beschreitet die Firma DRECO mit ihrem sog. Slingshot bei dem der errichtete Mast mit Hebewerk auf dem Unterbau installiert ist. Dabei liegt der obere Teil des Unterbaus mit Arbeitsbühne bei der Montage auf einem Grundrahmen (Substructure). Sodann
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wird das Hebewerk auf der Arbeitsbühne montiert und der Mast liegend zusammengebaut und anschließend mit dem Hebewerk hochgezogen. Er steht nun aufgerichtet auf der Arbeitsbühne, die noch immer auf der Substructure liegt. Nun wird die Arbeitsbühne (analog zum Hebewerkselevator bei Pyramid) mittels eines Scherensystems hochgefahren, was mittels eines separaten Flaschenzugsystems und zwei Hydromotoren an den Seilwinden geschieht. Auch dieses System arbeitet mit Unterbauhöhen von bis zu 14 m und Hakenlasten von bis zu 1 000 t (z. B. DEUTAG T 47). Ein Gerät aus dieser Typenreihe ist das KSA-DEUTAG-Rig T 45 mit einer zul. Hakenlast von 450 t, ausgerüstet für ca. 8000 m Teufe und Das ITAG-Rig 23 (S. Abb. E-11) Wenngleich die amerikanischen Bohrgerätehersteller nach wie vor führend in der Welt sind, zumindest was die gebauten Stückzahlen angeht, so gibt es doch immer wieder Sonderkonstruktionen, die erforderlich werden, um den speziellen Anforderungen, gestellt sowohl vom Bohrkontraktor wie auch vom Operator gerecht zu werden. So hat z. B. DEUTAG/BENTEC in den letzten Jahren verschiedentlich Eigenkonstruktionen entwickelt und gebaut, um solche Anforderungen besser erfüllen zu können, als das mit konventionellen Serienfertigungen von Bohranlagen möglich ist. Ein Beispiel dafür ist die Bohranlage ProStar 2000 oder T-2000. Diese Anlage hat einen Pyramid Bootstrap Mast (fährt stufenweise aus, kein Teleskopieren) mit einer Hakenlast von etwa 4600 kN = 450 t und einer Höhe von 48,77 m. Der Unterbau besteht aus Containern, die aufeinander gesetzt werden und hat eine Höhe von 9 m. Dadurch, sowie durch die modulare Kompaktbauweise generell, konnten die Transporteinheiten von normalerweise 100 – 120 Einheiten bei vergleichbaren Anlagen auf 85 reduzieren ließen. Hinzu kommt ein hoher Grad an Automatisierung. Das beginnt bei einer Hebeeinrichtung zum Heben von Einzelstangen vom Gestängelager auf die Arbeitsbühne (VARCO BJ Wallmite Horizontal Pick-up Unit). Ein Pipehandler in Karussellbauweise (VARCO BJ SRS Star Racker System) zusammen mit dem Iron Roughneck ist in der Lage, während des Bohrens Züge aus Einzelstangen zusammen zu stellen. Dabei wird in der Regel mit Range III Gestänge mit einer Stangenlänge von 13 m gearbeitet, die zu Zweierzügen verschraubt werden. Das Hebewerk mit 2000 PS (1470 kW) wurde von WIRTH hergestellt. Technische Daten: Deutag-Rig T-2000 Hergestellt: 1995 Leistung: 2000 PS Hakenlast: 454 t Hebewerk: Wirth GH 2000 E Mast-Typ: Pyramid-Bootstrap Masthöhe: ca. 50 m Unterbauhöhe: ca. 10 m Spül-System: 144 + 106 m3 – 350 bar
Abb. E-13: Deutag-Rig T 200 aus dem Jahre 1995 (heute noch im Einsatz) [KCA-DEUTAG]
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Eine andere Konzeption einer modernen Tiefbohranlage mit Container-Unterbau wurde von ITAG mit Rig 30 entwickelt (Abb. E-12c). Die Besonderheit bei der ITAG Bohranlage Rig 30 wie auch z. B. bei den DEUTAG Anlagen T-46, T-43 und T-2000 ist, dass diese Anlagen nicht mehr über einen Klappmast verfügen, der horizontal montiert und dann hochgeklappt (und teilweise teleskopiert) wird, sondern dass diese Anlagen aus einem in Segmente zu zerlegenden Mast verfügen, der vertikal errichtet wird. Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem vertikalen Aufbau, bei dem die einzelnen Segmente des Mastes übereinander gesetzt werden, so dass der Mast immer höher wird (1-30), und dem sog. Bootstrap System. Bei letzterem werden die einzelnen Mastsegmente jeweils unter den bereits zusammengestellten Teil des Mastes montiert und der Mast dann um diese Segmentlänge hochgeschoben (T-2000, T-43). Hierzu ist es allerdings erforderlich, dass das den Auf- und Abbau durchführende Unternehmen (z. B. FOXDRILL) über Krane mit sehr großen Auslegern (bis zu 53 m) und ebenso großen Hakenlasten (bis zu 5000 kN = 500 t) verfügt. Der Vorteil des vertikalen Auf- und Abbaus von Bohrgerüsten ist, dass man weniger Platz benötigt als beim Klappen, so dass man insgesamt mit kleineren Bohrplätzen auskommt, was wiederum Kosten einspart. Auch wird in der Regel gegenüber dem Klappen teilweise bis zu 25% der Auf- oder Abbauzeit eingespart. Nachteilig dagegen ist, dass man höhere Krankosten hat, da mit schwerem Kranen gearbeitet werden muss, und dass diese Kosten, die immerhin in der Regel etwa 50% der gesamten Umbaukosten ausmachen, damit beim vertikalen Auf- und Abbau sehr stark zu Buche schlagen. Auch muss eine exakte Anlieferungsplanung gemacht werden, da man beim Umbau auf der neuen Lokation nur wenig Platz hat, um Anlagenteile zwischen zu lagern, so dass alle Teile immer dann anzuliefern sind, wenn sie auch verarbeitet werden. Grundsätzlich hat sich aber die Container-Bauweise durchgesetzt. Der Leitstand (Driller-Console) ist ebenfalls kompl. in einem Container untergebracht und i. d. R. schallisoliert und klimatisiert. Ein Beispiel für eine Driller-Console zeigt Abb. E-14.
Abb. E-14: Driller-Console [RWE-DEA]
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Technische Daten einiger Tiefbohranlagen Bohranlage ITAG Bezeichnung Maximale Hakenlast Topdrive Spülpumpen Spülungstanks
Rig 110 Wilson M 75 180 t Tesco 250 HMIS 2 ൈ 1100 PS Triplex 150 m3 aktives Vol.
Rig 30 Wirth GH-1250 EG 250 t AECO TDS-9S 2 ൈ 1300 PS Triplex 190 m3 aktives Vol.
Preventer
13 ǫ“ ൈ 350 bar
11“ ൈ 700 bar
Rig 27 IDECO E-3000 685 t MH DDM 500 3 ൈ 1600 PS Triplex 220 m3 aktives. Vol. 150 m3 Res. Vol. 13 ǫ“ ൈ 700 bar
3.2.4 Organisation des Auf- und Abbaus Die Arbeitsvorbereitung für den Auf- und Abbau kann nicht nach einem generellen Schema beim Auf- oder Abbau vorgehen, da jede Anlage eines besonderen, ganz spezifischen Aufund Abbaukonzeptes bedarf. Hierin ist festzulegen, in welcher Reihenfolge beim Auf- oder Abbau jeweils vorzugehen ist, welcher Kran mit welcher Hakenlast und welchem Ausleger wo verfügbar sein muss, ob ggfs. zwei Krane benötigt werden usw. Nach dem Aufbau des Mastes muss dann das jeweilige Equipment wie Topdrive mit Führungen, Winden, Serviceplattformen, Pipehandling System etc. eingebaut werden. Anschließend folgen die übrigen Installationen wie Beleuchtung, Kameras etc. Auch hierfür muss ein genauer Plan erarbeitet werden, damit man sich nicht gegenseitig behindert. Um einen sicheren und störungsfreien Ablauf der Arbeiten ebenso zu gewährleisten wie eine exakte Zusammenarbeit zwischen Aufbau- und Anlagenpersonal, finden sog. Kick-OffMeetings statt, in denen alle Einzelheiten und Ablaufpläne erörtert werden. ZwischenMeetings (Afternoon-Meetings) werden zusätzlich bei Bedarf angesetzt, um z. B. die nächsten Arbeiten zu besprechen, aber auch, um Kritik an den abgeschlossenen Arbeiten zu üben mit dem Ziel der Prozessverbesserung (Optimierung der Learning-Curve). Sog. Rig Move Manuals halten alle Schritte in der jeweiligen Reihenfolge für die jeweilige Anlage fest, so dass man jederzeit nachschauen kann, was wie zu tun ist. Wie der konventionelle Aufbau mit Klappmasten auch, ist ein Aufbau bis zu Windgeschwindigkeiten von 13 m/s möglich. Kritische Arbeiten, wie z. B. die Montage des Rollenlagers, sollten jedoch ab Windgeschwindigkeiten von 6 Beaufort (9 – 12 m/s) nicht mehr durchgeführt werden. Maßgebend ist immer die Windgeschwindigkeit, die am Kranauslegerende gemessen wird. Da es keine verbindlichen Vorschriften bezüglich der Windgeschwindigkeiten gibt, ist der Aufbaumeister letztendlich verantwortlich dafür, was gemacht werden kann. Hilfreich ist es, wenn im Rig Move Manual festgelegt wird, bis zu welchen Windstärken welche Arbeiten durchgeführt werden dürfen. Mit diesen Anlagen, die hier als Beispiel beschrieben wurden, aber auch mit den sonstigen Bohranlagenkonzepten haben insbesondere solche Bohrgerätehersteller (BENTEC, ITAG), die keine Massenproduktion fertigen gezeigt, dass man durchaus in der Lage ist, modernste Bohranlagen herstellen zu können. Hier zeigt sich im Übrigen eine Trendwende insofern, als Bohranlagen heutzutage mehr und mehr Projekt bezogen gebaut werden, um Kosten zu reduzieren und besondere Probleme besser handhaben zu können. Das Ende des Zeitalters der Massenproduktion von Bohranlagen nach feststehenden Konzepten und ohne den Zwang zu Innovationen, dürfte langsam gekommen sein.
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Abb. E-15: Aufbau ITG-Rig 30 in Container-Bauweise [Itag]
3.2.5 Derzeitiger Stand der deutschen Tiefbohrgeräteindustrie 3.2.5.1 Allgemeines Wie bereits erwähnt, wurde die Weiterentwicklung der Tiefbohrgeräte vor und während des 2. Weltkrieges in Deutschland vollkommen unterbrochen, da die Geräteindustrie während des Krieges fast ausschließlich der Rüstungsindustrie diente und nach dem Weltkrieg der Wiederaufbau im Vordergrund stand. Als eine Art Entwicklungshilfe erhielt Deutschland während der Wiederaufbauphase ausgediente API Bohrgerüste aus den USA, die bis zum heutigen Tag eine Vormachtstellung auf diesem Gebiet besitzt. Mehrere tausend Bohrgeräte arbeiten in der ganzen Welt an Land und auf den Weltmeeren. Nachdem viele Einschränkungen der Siegermächte nach und nach zurückgenommen wurden, begann, wie in den anderen Industrien, auch eine Wiederaufnahme der Produktion in der Bohrgeräteindustrie in Deutschland. Die Geräteentwicklungen im Bereich des Spezialtiefbaus und der Flachbohrtechnik hatte sehr bald mit Unternehmen wie z. B. Bauer, Delmag, Leffer, Herrenknecht, Liebherr u. v. a. eine weltweite Bedeutung erlangt. So arbeiteten z. B. bei für Tiefgründungen in Hongkong und den Arabischen Emiraten zeitweise bis zu über 300 hydraulische Verrohrungsmaschinen der Fa. Leffer bei Bohrpfahlgründungen bis zu einer Teuf von 120 m und Durchmessern bis 3800 mm. Bauer Spezialtiefbaugeräte, Delmag-Rammen und Liebherr-Großbagger kann man auf der ganzen Welt antreffen. Die deutsche Bohrgeräteindustrie konnte bis heute den enormen technischen Vorsprung der USA-Bohrgeräteindustrie nicht einholen. Trotzdem haben sich einige deutsche Unternehmen, wenn auch mit weit geringeren Stückzahlen, inzwischen am Markt behaupten können. Dies wurde insbesondere durch die Entwicklungen der deutschen Erdgasgewinnung und Erdwärmegewinnung (Geothermiebohrungen) begünstigt.
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Eine der führenden deutschen Tiefbohrgerätehersteller ist das Unternehmen Bentec GmbH.
3.2.5.2 Bentec-TiefbohrDQODJHQ Allgemeines Sitz der Bentec GmbH – Drilling & Oilfield Systems ist seit 1994 Bad Bentheim (gegründet bereits 1888). Sie betreibt Niederlassungen in O ma n , T yu me n ( Ru s s ia ) , Mo s k a u und T u r k me n i s t a n . Bentec produziert für ihre Anlagen in eigener Regie: • • • • • •
Tiefbohranlagen (Rig) Hebewerke (Drawworks) Spülpumpen (Mud Pumps) Drehantriebe (Top Drive) Gestängehandhabung (Pipehandling) Elektrische Steuerungs- und Schaltanlagen (Electrical Products)
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Abb. E-16-1: Luftbild der Fa. Bentec [Bentec]
Die Bentec-Rigs Folgende Onshore-Bohrgeräte- (Rig-) Typen werden z. Zt. produziert: Rig-Typ Höhe ges. Flurhöhe Hebewerk (Drawworks)
Euro-Rig 250 mt 40,44 m 6,50 m Bentec E-1250 920 kW 333 kN
Euro-Rig 350 mt 52,80 m 8,70 m Bentec E-1500 1150 kW 395 kN
Cluster Slider 500 mt 46,30 m 9,10 E-1500 1100 kW 395 kN
Nomad Rig 43,70 m 8,62 E-1500 1500 kW 440 kN
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Rig-Typ Top Drive
Spülpumpen
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Spültank Generatorantrieb
Euro-Rig 250 mt Bentec TD 500 500 mt 758 kW 63 kNm Bentec T1600 (2 bis 3) 1200 kW 350 bar Bentec 245 m3 3 ൈ86 m3 optional ges. ca. 6700 kW
Euro-Rig 350 mt Bentec TD 500 500 mt 580 kW 63 kNm Bentec T1600 3 St. 1200 kW 350 bar Bentec 245 m3 3 ൈ86 m3 optional ges. ca. 8900 kW
Cluster Slider 500 mt Bentec TD 500 500 mt 758 kW 63 kNm Bentec T1600 2, 3 optional 1200 kW 350 bar Bentec 245 m3 3 ൈ 86 m3 optional ges. ca. 7600 kW
Nomad Rig Bentec TD 500 500 mt 758 kW 63 kNm Bentec T1600 2, 3 optional 1600 kW 350 bar Bentec 245 m3 3 ൈ 86 m3 optional ges. ca. 8900 kW
Einsatzorte der Geräte sind: Deutschland, Österreich, Spanien, Nordsibirien, Turkmenistan, Algerien u. a. Besonders in Nordsibirien arbeiten die Rig’s unter den denkbar schwierigsten Bedingungen mit Erfolg. Die Bentec Hebewerke
Abb. E-16-2: Bentec-Hebewerk Die Bentec-Hebewerke befinden sich in allen Bentec-Rig’s
Bentec stellt auch die erforderlichen Flaschenzugblöcke (Travelling Block‘s) her. Sie sind für die max. Hakenlasten mit hohen Sicherheitszuschlägen ausgelegt. Die Abb. E-16-3 zeigt den Travelling Block TB 650-7.
Abb. E-16-3: Travelling-Block [Bentec]
E Bohrplatzeinrichtung und Gerätetechnik
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Kenndatentabelle
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Die Bentec Spülpumpe (Mud Pump) Maße und Gewichte: Einsatzgewicht: 37000 kg Länge: 6680 mm Breite: 2948 mm Höhe: 3385 mm
Abb. E-16-4 3 Spülpumpen auf einer Bentec-Rig [Bentec]
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3 Gerätetechnik
Leistungstabelle der Bentec-Mud Pump Typ T-1600-AC
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Das Bentec Pipe-Handling System Mit dem Bentec Pipe-Handling System (Catwalk System) wird der Bohrgestänge-Transport und die Handhabung teilautomatisiert. Es ermöglicht den Gestängewechsel ohne eine Zwischenlagerung im sog. „Mauseloch“. Damit kann der Personaleinsatz auf der Arbeitsplattform wesentlich reduziert und das Unfallrisiko erheblich vermindert werden.
Abb. E-16-5: Bentec Mechanized Catwalk System (Pipe Handling) [Bentec]
E Bohrplatzeinrichtung und Gerätetechnik
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Der Bentec Top Drive Ein Top Drive verfügt über einen Motor (elektrisch) und unterscheidet sich wesentlich von den konventionellen Drehtischen. Mit dem Top Drive wurde es möglich, mit sog. Dreierzügen (drei Bohrgestänge mit je 9–10 m bleiben zu einem „Zug“ von 27–30 m verbunden) zu arbeiten. Die Bedienung erfolgt vom Schichtführer (Driller) in der Kabine (Driller‘s Cabin). Damit entfällt bzw. verringert sich ein wesentlicher Unfallbereich. Die Entwicklung des Top Drive TD-500-HT der Bentec GmbH beruht auf 15jähriger Erfahrung und entspricht dem Qualitätsanspruch für Oilfield-Geräte und dem API-Standard. Darüber hinaus ist der Top Drive auch für den Offshore Einsatz konzipiert.
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Kenndaten: Antriebsleistung Drehmoment Drehzahl zul. Hakenlast Max. Spülungsdruck
758 63 0–230 500 500
kW kNm U/min t bar
Abb. E-16-6: links: Bentec-Topdrive D-500-HT im praktischen Einsatz – rechts: Bentec Top Drive TD-500-HT
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3 Gerätetechnik
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Abb. E-16-7: Bentec Top Drive beim Gestängehandling
Bentec – Driller’s Cabin
Abb. E-16-8: Bentec – Driller’s Cabin
In der Drillers‘ Cabin steuert und überwacht der Driller (Geräteführer) alle wesentlichen Arbeitsvorgänge. Er fährt den Top Drive und kann z. B. Gestänge brechen, aufsetzen und abnehmen ohne manuelle Hilfe seiner Mitarbeiter.
E Bohrplatzeinrichtung und Gerätetechnik
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Einige Bentec-Rig’s im praktischen Einsatz
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Abb. E-16-9: Bentec-Euro-Rig’s im praktischen Einsatz – rechts: Euro-Rig 250 mt in Österreich
Abb. E-16-10: rechts: Bentec-Rig Typ Cluster Slider HR 5000 auf einer Bohrung in Nordsibirien – links: Bentec-Euro-Rig 350 mt auf einer Geothermiebohrung in Süddeutschland.
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3 Gerätetechnik
3.2.6 Neue Entwicklungen von Tiefbohrgeräten
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Auf Grundlage der Bohrgerätekonstruktionen und Verfahrenstechnik in der Trockenbohrtechnik wurden von den Firmen Bauer AG, Schrobenhausen, Herrenknecht Vertical GmbH, Schwanau und Streicher GmbH, Deggendorf, völlig neue Tiefbohranlagen-Konzepte entwickelt. Die Geräte sind ausgelegt für Teufen bis 5000 m. Die Hersteller gehen davon aus, dass in den nächsten 15 Jahren mindestens 20 neue Bohranlagen benötigt werden. Die Fa. Bauer hat 2 Gerätetypen für Bohrtiefen von 3000 m und 5000 m im Programm. Außerdem hat die, zur Streicher-Gruppe gehörenden Fa. SATVIA GmbH, Gommern, eine neue Generation mobiler Tiefbohrgeräte für Bohrtiefen bis zu ca. 3500 m, entwickelt. Die vorgestellten Systeme verzichten auf Hebewerke wie bei konventionellen Geräten. Der Gestängevorschub u. -rückzug erfolgt über eine hydraulische Vorschubeinrichtung (Zylinder oder Zahnstange). Die Aufbauzeiten für diese Geräte sind wesentlich geringer als bei den bisher üblichen Tiefbohrgeräten.
3.2.6.1 Geräte der Fa. Bauer AG
Abb. E-17: Bauer-Tiefbohrgeräte [Bauer-Prospekt] – links: Tiefbohrgerät Bauer TBA 200 – rechts: Tiefbohrgerät Bauer TBA 300 [Bauer]
Die Tiefbohranlagen TBA 200 und TBA 300 sind geeignet zur Öl- und Gas-Exploration, für Produktions- und Geothermiebohrungen, vertikale und abgelenkte Bohrtechniken.
E Bohrplatzeinrichtung und Gerätetechnik
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Technische Daten Gerätetyp Bohrtiefe Hakenlast Gesamthöhe Install. Leistung Top Drive Vorschubzylinder Zug/Druck/Hub Winde Spülpumpen Gesamtgewicht Sonstiges
TBA 200 TBA 300 3000 m 5000 m 200 t 300 t 33 m 41 m 2.8 MW 4 MW 530 kW / 65 kNm kA / 35 kNm 100 t / 30 t / 9,50 m 138 t / 33 t / 14 m 200 t 300 t 2 × 900 kW / 350 bar 3 × 900 kW / 350 bar ges. 4800 l/min 7200 l/min 195 t 540 t Zylindervorschub, Pipe handling, VFD Control Room Bentec
1: TBA 300 2. Spülpumpen 3: Mischstation 6: Spülmitteltanks 7: Generatoren 4×1MW 8: Dieseltank Abb. E-18: Platzbedarf für die Bauer TBA 300 [Bauer]
4: Spültanks 5: Recyclinganlage 9: VFD 10: Pipe handling
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3 Gerätetechnik
3.2.6.2 Herrenknecht-Tiefbohranlage Typ B001-Terra Invader 350 (TI-350) Für die Herstellung wurde eine Tochtergesellschaft, die Herrenknecht VERTICAL GmbH, gegründet. Ausführliche Beschreibung siehe Kapitel „Geothermie“
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Abb. E-19: Tiefbohranlage Terra Invader 350 [Herrenknecht Tab. 2-E: Techn. Daten der Herrenknecht Tiefbohranlage B 001 [Herrenknecht] Leistung Hakenlast Bohrtiefe Masthöhe Topdrive Drehmoment Spülpumpe Flächenbedarf
4500 450 6000 52 4540 43.500 2186 2400
kW kN m m kN Nm l/min m2
Unterbau Zylinderhebewerk Verfahrweg Ladekran Leistung Misch- u. Vorratstank Reserve Gewicht
8,20 2000 22 34,34 298 100 60 370
m kW m kN kNm m3 m3 t
Für die Tiefbohranlage Typ B001-Terra-Invador gibt der Hersteller an, dass für die Bedienung des Gerätes pro Schicht lediglich 3Personen erforderlich sind (bei konventionellen Anlagen 5 – 6). Sowohl die Bauer Bohranlage als auch die Herrenknecht und Sreicher-Bohranlagen verfügen über halb automatische und fernbedienbare Gestängehandhabung (Pipehandler). Aufgrund der hohen technischen Erfahrung im Gerätebau für harte Einsätze (Herrenknecht Tunnelvortriebsmaschinen haben Weltruf und Bauer Spezialtiefbaugeräte ebenfalls), dürften keine größeren technischen Probleme auftreten.
E Bohrplatzeinrichtung und Gerätetechnik
143
3.2.6.3 Bohrgeräte der MAX STREICHER GmbH & C. KG oA Zur Unternehmensgruppe MAX STREICHER GmbH & Co. KG oA in 94469 Deggendorf, die 1909 gegründet wurde, gehören u. a. die: • MAX STREICHER GmbH in Deggendorf • SATVIA Maschinen- und Bohrgerätebau GmbH in Gommern • DrillTec GUT GmbH Großbohr- und Umwelttechnik in Deggendorf Die MAX STREICHER GmbH fertigt u. a. stationäre Tiefbohrgeräte für die Onshore- und Offshore-Technik sowie HDD-Großbohrgeräte. Die SATVIA Maschinen- und Bohrgerätebau GmbH in Gommern stellt neben mobilen Tiefbohrgeräten für Bohrtiefen bis 3.450 m auch Flachbohrgeräte bis zu Bohrtiefen von 1.000 m her. Die DillTec GUT GmbH führt u. a. Flach-, Tief- und Horizontalbohrungen aus. Da in der Tiefbohrtechnik besonders hohe Qualitätsansprüche gestellt werden, können die Kunden von Bohrgeräten der STREICHER Gruppe mit entsprechend hohen Qualität rechnen, die in der Praxis erprobt sind. Tiefbohranlage Typ VDD 370 Di o. g. Anlage ist für den Einsatz im Onshore-Bereich konzipiert und wird dort in der Exploration für die Erdöl- und Erdgasförderung, Geothermiebohrungen sowie sonstige Tiefbohrungen für Teufen bis 5.000 m mit Erfolg eingesetzt. Eines der wesentlichen Erneuerungen gegenüber der bisherigen Tiefbohranlagen ist der in einen Vorschubschlitten integrierte hydraulischer Top Drive und Hebewerkssystem. Die Vorschubkräfte und Drehmomente werden über die Zahnstangen und den Mast abgeleitet. Der Vorschubschlitten wird zusätzlich über Pendelrollensysteme auf dem Mast geführt. Auf dem Vorschubschlitten befinden sich sowohl die hydraulisch angetriebenen Vorschubeinheiten wie auch der Rotationsantrieb. Die Vorschubeinheiten sind mit einem speziell entwickelten Bremssicherungssystem ausgestattet, das unkontrollierte Bewegungen auch bei etwaigen Leitungs- oder Schlauchschäden sowie Ausfall der hydraulischen Versorgungseinheit verhindert. Die Anlage ist modular nach der Modulbauweise entwickelt. Alle Einheiten sind sowohl im Hinblick auf die Gewichte als auch die Abmessungen auf den Straßenverkehr abgestimmt. Der Bohrturm besteht neben dem eigentlichen Bohrgerät aus 6 Unterbaumodulen in der Größe von 40‘‘-Containern. Der Zeitaufwand für Transport und Montage ist wesentlich geringer als bei den StandardTiefbohrgeräten und liegt bei 5 – 6 Tagen. Für die Bedienung je Schicht werden lediglich 4 – 5 Mann benötigt. Dazu kommt Personal für die Wartung, Reparatur und Ersatz bei Personalausfall.
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3 Gerätetechnik
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Abb. E-20: Tiefbohranlage System MAX TREICHER Typ VDD 370
Tab. 3-E: Einige Technische Daten der MAX STREICHER Tiefbohranlage Typ VDD 370 Masthöhe Drehtisch-Drehmoment Tankvolumen
31 m 45 kNm 180 m3
Unterbau Pumpenantrieb elektro. 1 Pumpenantrieb diesel. 2
Spülungspumpen max. Brechmoment max. Verschraubmoment Tripgeschwindigkeit Spülpumpen Version 1 Spülpumpen Version 2 Spülungstanks aktiv Montagevorrichtung Arbeitsplattform
3 (je 880 kW) 105 kNm 85 kNm 400 m/h Elektroantrieb Generator 59 + 40 + 20 m3 2 × 196 kN 8 × 21 m
Maximale Bohrteufe
5000 m
Top Drive-Drehmoment max. Drehzahl Drehtisch /Moment Kompressor 3 Triplexpumpen 5 Metax- MP7 M Treibstofftank schwenkbare Hilfswinde Gesamtfläche –Bohranlage mit allen Komponenten lichte Arbeitshöhe
7,70 m 3 × 1.250 kVA 5 × 441 kVA 2 × 1.193 kVA 85 kNm 190 U/min 957 mm/45 kNm 3,5 m3/13 bar je 880 kW je 441 kW 20 m3 29,43 kN 35 × 40 m 17 m
E Bohrplatzeinrichtung und Gerätetechnik
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Abb. E-21a: links: Hydraulischer Top Drive und Hebewerk– rechts: Pipe Handling System [STREICHER/DrillTec]
Abb. E-21b: links: Teilansicht Unterbau – rechts: Drillers Cabine [Streicher/Drilltec]
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3 Gerätetechnik
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Abb. E-21c: links: Energiezentrale – rechts: Spülungsaufbereitung (unten) und Mast
Abb. E-21d: unten: Top –Drive System SATVIA
Der Topdrive (Abb. links) kann drehend und spülend eingesetzt werden. Dadurch reduziert sich die Gefahr des Festwerdens bei schwierigen Bohrlochbedingungen. Er steht jederzeit zur Verfügung, ohne erst eine Kelly-Montage durchführen zu müssen. Das Gestänge muss zum Nachsetzen nicht zurückgezogen werden. Da das Sicherheitsventil (Kellyhahn) hydraulisch steuerbar ist, lässt er sich in jeder beliebigen Position des Stranges schnell schließen.
E Bohrplatzeinrichtung und Gerätetechnik
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Der Verschleiß der Preventerpackungen durch die hexagonale Mitnehmerstange entfällt, da sich beim Bohren mit dem Topdrive nur glatte, runde Bohrstangen im Preventerbereich befinden. Der Aufwand beim Nachsetzen der Gestänge ist stark reduziert- Verminderung des Unfallrisikos! Mobile Tiefbohranlagen Fa. SATVIA, Gommern Die zur Streicher-Unternehmensgruppe gehörende SATVIA GmbH gehört zu den wenigen Unternehmen in Deutschland, die mobile Tiefbohranlagen mit hoher Qualität und Zuverlässigkeit herstellen und auch im eigenen Unternehmensbereich (DRILLTEC) einsetzen. Die mobilen (fahrbaren) Satvia Tiefbohranlagen TB 1300 V TB 1600 V und TB 1800 V werden seit Jahren im In- und Ausland für konventionelle Tiefbohrarbeiten sowie WorkoverLeistungen (Aufwältigung – Ein- und Ausbau von Rohren und Gestängen, Reparaturarbeiten an Förderbohrungen usw.) auch unter extremen klimatischen Bedingungen von + 50° bis -45° Celsius eingesetzt. Es können Bohrtiefen bis zu 3.450 m erreicht werden. Bei der Ausstattung mit Gerätekomponenten (Spülpumpen, Kompressoren, Winden usw.), der Wahl der Trägerfahrzeuge sowie der Schalldämmung werden Kundenwünsche so weit wie technisch möglich berücksichtigt. Tab. 4-E: Einige technische Daten der Fahrbaren Tiefbohranlagen System SATVIA Gerätetyp TB 1300 V TB 1600 V TB 1800 V
Bohrteufe m 2.800 3.200 3.450
Masthöhe m 34 38 39
Betriebslast t 100 140 185
Antrieb kW 400 2 x 419 2 x 440
Fahrzeug Achsen 5 6 7
Die Fahrzeugmaße entsprechen der STVO.
Abb. E-21e: SATVIA-Tiefbohranlage Typ TB 1300 V in Arbeitsstellung
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3 Gerätetechnik
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Abb. E-23: links: TB 1800 Ȃ
ǣSATVIA TB-1800 V im Einsatz
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Abb. E-21f: Haken-Seilrolle der TB 1800 V
3.3 Auswahl der Bohranlagen Die Auswahl der richtigen Bohranlage für ein bestimmtes Bohrprojekt ist insofern sehr wichtig und von hoher Priorität, weil davon die Bohrzeit und damit die Bohrkosten in ganz erheblichem Maße abhängen. Die exakte Planung des zum Einsatz zu gelangenden Equipments ist der Schlüssel zur Optimierung des Bohrprozesses und damit zur Minimierung der Kosten. Bei der Auswahl der geeigneten Bohranlage sind folgende Punkte besonders zu berücksichtigen: • Hakenlast • Gestängeabstelllasten • Pumpendrücke • Zirkulationsrate • installierte Leistung • Tankkapazität Um jedoch diese Daten zu bekommen, müssen zunächst einige grundlegende Informationen über die Bohrung selbst ermittelt werden wie: • Bohrungsverlauf • Bohrlochdurchmesser und Casingprogramm • Bohrstrang • erwartete Drehmomente und Zuglasten (torque & drag) • maximale Pumpendrücke und Strömungsraten gemäß Hydraulikprogramm • Spülungsdichten und Meißelhydraulik • Einsatz von DHM, Turbinen, MWD etc. • Hakenlast. Die erforderliche Hakenlast richtet sich nach dem schwersten Bohrstrang bzw. der schwersten einzubauenden Rohrtour. Beim Bohrstrang müssen neben dem Gewicht (es wird mit dem
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3 Gerätetechnik
Stranggewicht in Luft gerechnet)die zulässige Überlast (overpull) und die Schleiflasten (besonders bei Horizontalbohrungen) ermittelt und berücksichtigt werden. Dann ist zu prüfen, mit welcher Seileinscherung und welchem Seildurchmesser gearbeitet werden kann bzw. muss, damit der max. Seilzug im Zugseil unter Berücksichtigung des erforderlichen Seilsicherheitsfaktors nach API und BVOT, auch beim Aufbringen der Extremlasten nicht überschritten wird. Um das Gewicht von Haken, Flaschenzug, Spülkopf etc. zu ermitteln ist auch zu prüfen, ob die Anlage mit einem Topdrive bestückt sein soll, da sich dann das Gewicht entsprechend erhöht. Anhand von Herstellertabellen kann für die jeweiligen Pumpen ermittelt werden, welche Spülungsrate bei welchem max. Pumpendruck gefahren werden kann. Bei der Leistung der Anlage herangezogen werden. Dabei ist jedoch weiterhin noch zu berücksichtigen, dass es in jedem Maschinenelement zu Leistungsverlusten dadurch kommt. dass jede Maschine Wirkungsgrade hat. Hier ist deshalb zu prüfen, wie beispielsweise die Kraftübertragung vom Motor zur Maschine erfolgt (Ketten, Riemen, Getriebe, Wandler etc.), da jede Übertragungsmethode andere Verluste hat. Um absolut sicher zu gehen, wird teilweise empfohlen den Leistungsbedarf am Hebewerk, an der Rotationseinrichtung (Drehtisch, Topdrive) und an den Pumpen zu berechnen und zu addieren und als installierte Leistung der Anlage zugrunde zu leben. Daumenregel für das Tankvolumen = 1,5 x max. Bohrlochvolumen
3.4 Kraftmaschinen und Kraftübertragung 3.4.1 Allgemein Um eine Bohranlage mit der zum Betrieb der Einzelaggregate erforderlichen Energie zu versorgen, sind entsprechende Antriebsmaschinen oder Energieerzeuger notwendig. Die Energie für den Betrieb einer Bohranlage wird in der Regel auf der Lokation selbst erzeugt, wozu entsprechende Antriebsmaschinen (engl.: prime movers) benötigt werden, oder es wird Fremdenergie zugeführt, z. B. elektrische Energie aus dem Stromnetz. Folgende Antriebsmaschinen sind für Bohranlagen möglich: • Verbrennungsmotoren (= Motoren mit Funkenzündung – heute kaum noch im Einsatz), • Dieselmotoren (= Motoren mit Zündung durch Verdichtung) • Elektromotoren • Hydraulikmotoren • Als Antriebs- oder Kraftübertragungskonzepte kommen für Bohranlagen in Betracht: • Gasgeneratoren • dieselmechanische Antriebe (Dieselmotoren plus Getriebe) • dieselelektrische Antriebe (Dieselmotoren plus Generatoren plus Elektromotoren) • Elektromotoren mit Energieversorgung aus dem Netz • dieselhydraulische Antriebe (Dieselmotoren plus Hydraulikpumpen plus Hydraulikmotoren).
E Bohrplatzeinrichtung und Gerätetechnik
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3.4.2 Verbrennungsmotoren Verbrennungsmotoren mit Funkenzündung können Benzin- oder Gasmotoren sein, wobei ein zündfähiges Gemisch aus vergastem Benzin oder Gas und Luft in den Zylinder eingeleitet und verdichtet wird, ehe es durch einen Funken (Zündkerze) gezündet und somit zur Explosion gebracht wird. Die dabei freigesetzte Energie bewegt den Kolben und erzeugt somit mechanische Energie. Dieser Typ von Motoren wird nach seinem Erfinder auch als Ottomotor bezeichnet. Allerdings ist der Wirkungsgrad von Verbrennungsmotoren geringer als der von Dieselmotoren, so dass Verbrennungsmotoren für Maschinen mit größerer Leistung und stationärem Einsatz kaum zum Einsatz kommen, was insbesondere für Benzinmotoren gilt. Anders liegen die Verhältnisse bei Gasmotoren, die sich immer dann wirtschaftlich einsetzen lassen, wenn der Brennstoff Gas preisgünstig zur Verfügung steht, z. B. dann, wenn Erdölgas aus benachbarten Erdölfeldern zur Verfügung steht, oder wenn Erdgas über Feldseparatoren aus benachbarten Gasfeldern oder als Flüssiggas von nahegelegenen Flüssiggasanlagen verwendet werden kann. Allerdings wird hieraus schon ersichtlich, dass der Einsatz von Bohranlagen mit Gasmotoren an bestimmte standortbedingte Voraussetzungen geknüpft ist, und dass die Flexibilität der Anlagen dabei verloren geht. Anders ausgedrückt bedeutet das, dass solche Bohranlagen nur in Öl- oder Gasfeldern zur Anwendung kommen können, die die treibstoffbedingten Voraussetzungen erfüllen. Das ist in erster Linie im Offshorebereich der Fall, wenn z. B. Bohranlagen auf Multiwell-Plattformen installiert sind, wo zum einen nur Produktionsbohrungen abgeteuft werden, zum andern Produktion und Bohrbetrieb parallel laufen. Allerdings werden dann überwiegend Gasturbinen eingesetzt, wobei die Turbinen mit Generatoren gekoppelt sind, die elektrischen Strom erzeugen, der dann die Elektromotoren der Bohranlage betreiben. Naturgas hat eine Reihe von Vorteilen gegenüber anderen Brennstoffen, aber auch einige Nachteile. Als Vorteile sind zu nennen, dass Gas eine sehr hohe Klopffestigkeit hat, dass es sauber und ohne Rußrückstände verbrennt, wodurch Verunreinigungen des Schmieröls weitgehendst vermieden werden, dass bei der Verbrennungsmaschine eine Reihe von baulichen Vereinfachungen möglich sind, insbesondere bei den Filtern, und dass Gasmotoren sehr umweltfreundlich sind. Wird das Gas per Leitung antransportiert, so entfällt zusätzlich die ansonsten erforderliche Vorratshaltung, also die Installation entsprechenden Tankraumes. Als Nachteile sind zu nennen, dass die Zusammensetzung von Naturgasen Schwankungen unterworfen ist, besonders wenn das Gas direkt vom Feld und nicht von einem Gasversorgungsunternehmen geliefert wird, so dass der Heizwert des Gases variiert und Schwefelanteile im Gas enthalten sein können. Weiterhin ist Gas sehr feuer- und explosionsgefährlich, zumal bei nichtstationären Bohranlagen, wo die Zuleitungen nur in geringem Umfang verschweißt werden können und lösbare Verbindungen bevorzugt angewendet werden, so dass Undichtigkeiten nicht mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden können. Als weiterer Nachteil ist die eingeschränkte Flexibilität der Bohranlage durch die Abhängigkeit vom Energielieferanten zu nennen, wie bereits vorstehend ausgeführt wurde. Bei Flüssiggas kommt hinzu, dass der Verbrauch relativ hoch ist, was zu Problemen mit der Bevorratung führt.
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3 Gerätetechnik
3.4.3 Dieselmotoren
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Der Dieselmotor ist der verbreiteteste Antriebsmotor für Bohranlagen. Sein Funktionsprinzip beruht darauf, dass komprimierte Luft warm wird. Wird nun Luft in einem Zylinder auf einen Druck von etwa 35 bar komprimiert, so wird eine Temperatur von etwa 425° C erreicht. In diese erhitzte Luft wird dann Dieselöl über eine Sprühdüse in feinster Verteilung injiziert, wodurch sich das Gemisch explosionsartig entzündet. Die dabei freigesetzte Energie bewegt den Kolben und erzeugt somit mechanische Energie. Der hervorstechendste Vorteil des Dieselmotors ist sein thermischer Wirkungsgrad, was bedeutet, dass der Dieselmotor einen höheren Anteil der im Treibstoff enthaltenen Energie in mechanische Energie umsetzt als jede andere Verbrennungskraftmaschine. Da die Zündquelle (Zündkerze) entfällt, entfällt somit auch gleichzeitig ein wesentlicher, potentieller Störfaktor. Allerdings ist dafür Sorge zu tragen, dass der Dieselkraftstoff gefiltert wird, um ein Zusetzen der Sprühdüsen an der Brennkammer zu vermeiden. Auch in der Leistungsbilanz bei niedrigeren Drehzahlen gibt es einen Unterschied zwischen Diesel- und Verbrennungsmotoren mit Funkenzündung. Je niedriger die Drehzahl beim Benzin- oder Gasmotor ist, desto niedriger ist auch sein Wirkungsgrad. Beim Dieselmotor steigt der Wirkungsgrad jedoch wenn die Leistungsabgabe und damit die Drehzahl abnehmen. Das lasst sich wie folgt erklären: Beim Ottomotor muss das injizierte Gas-Luft-Gemisch immer dieselbe Zusammensetzung haben, um den Zündvorgang ablaufen zu lassen. Eine Störung des Volumenverhältnisses der beiden Komponenten stört auch den Zündvorgang. Das optimale Gas-Luft-Verhältnis liegt bei 12:1 bis 14:1. Beim Dieselmotor erfolgt die Zündung des injizierten Brennstoffes in der erhitzten Luft in der Brennkammer unabhängig vom Brennstoff-Luft-Verhältnis. Drehzahl und abgegebene Leistung des Dieselmotors werden somit direkt durch die injizierte Brennstoffmenge gesteuert. Je größer Drehzahl und abgegebene Leistung sind, desto mehr Dieselöl muss injiziert werden. Deshalb wird die Drehzahl des Motors auch über die Brennstoffzufuhr bzw. die BrennstoffFörderpumpe gesteuert. Beim Ottomotor erfolgt die Drehzahlsteuerung dadurch, dass mittels des Vergasers die Gemischmenge reguliert wird, das Mischungsverhältnis jedoch immer konstant bleibt. Das bedeutet, dass im Teillastbereich beim Ottomotor der Zylinder auch nur zum Teil mit Brennstoffgemisch gefüllt ist, die Zündtemperatur jedoch dieselbe ist wie im Volllastbereich. Der Dieselmotor arbeitet dagegen kälter, da der Anteil an Brennstoff gedrosselt wird, während der Luftanteil konstant bleibt. Das führt zu einer Absenkung der Temperatur. Da somit im Teillastbereich weniger Wärme entsteht, die durch das Kühlsystem abgeführt werden muss, ist die Ausnutzung des Energieinhalts des Brennstoffs größer und ergibt einen höheren Wirkungsgrad des Motors, besonders in diesem Lastbereich. Und da die Motoren im Bohrbetrieb nur selten im Nennlastbereich fahren, sondern, besonders die Hebewerksmotoren, in ständig schwankenden Lastbereichen arbeiten müssen, ergibt sich für Dieselmotoren im Bohrbetrieb beim dieselmechanischen Antriebskonzept insgesamt gesehen eine günstigere Leistungsbilanz. Moderne Hochleistungsdieselmotoren sind Langsamläufer, die im Drehzahlbereich zwischen 300 und 1000 min-1 arbeiten. Die Kraftstoffversorgung von Dieselmotoren erfolgt so, dass von einem Haupttank, der sich in der Regel aus Sicherheitsgründen außerhalb des Exschutzbereichs der Bohranlage befindet, der Kraftstoff mittels Transportpumpen zu den Motoren gepumpt wird. Dabei wird immer mehr Kraftstoff gepumpt als tatsächlich benötigt wird, damit für alle Motoren immer ausrei-
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chend Kraftstoff zur Verfügung steht und es hier auch bei kurzzeitigem Hochfahren der Motoren nicht zu einem Engpass kommt. Die Steuerung eines Dieselmotors vom Fahrstand der Bohranlage aus erfolgt so, dass die Hubzahl der Kraftstoffinjektionspumpe geregelt wird, wodurch die Kraftstoffzufuhr zum Dieselmotor entsprechend der gewünschten Motordrehzahl gesteuert wird. Ist die gewünschte Drehzahl eingestellt, sorgt ein Regler dafür, dass diese Drehzahl beibehalten wird, wenn die Leistungsabgabe des Motors sich ändert. In der Regel werden heute elektrisch gesteuerte Hydraulikregler hierfür verwendet. Der Elektromotor dient dazu, dass die hydraulische Regeleinheit vom Fahrstand aus feinfühlig ferngesteuert werden kann. Ein hydraulisch betätigter Hebel wirkt dann direkt auf den „Gashebel“ des Motors und regelt die Kraftstoffzufuhr entsprechend der voreingestellten Motordrehzahl. Gestartet werden die schweren Dieselmotoren mit einem Starter oder Anlasser, der die Kurbelwelle des Motors in Bewegung setzt und so die Luft in den Zylindern verdichtet und auf entsprechenden Druck und Temperatur bringt, so dass der injizierte Kraftstoff gezündet werden kann. Im Bohrbetrieb werden entweder Luftstarter, hydraulische Starter, elektrische Starter oder separate Startmotoren mit einigen Kilowatt installierter Leistung verwendet. Die Startgeschwindigkeit liegt bei schweren Dieselmotoren bei etwa 700 min-1. Der elektrische Starter besteht aus einem Elektro-Gleichstrommotor, einem Getriebe, das mit der Kurbelwelle des Motors verbunden ist, und in der Regel einem Batteriesatz, der den Starter unabhängig vom Netz macht. Luftstarter sind pneumatisch betriebene Motoren, die in ähnlicher Weise arbeiten wie die Elektrostarter, ebenso wie die Hydraulikstarter. Bekannte Hersteller von Großaggregaten für Tiefbohranlagen mit Dieselantrieb sind die Firmen CATERPILLER und MTU. Sie stellen Aggregate bis zu eine elektrischen Leisten von 7150 kVA her. Die üblichen Einzelleistungen für Tiefbohranlagen liegen bei max. 3000 kVA mit Antrieben von ca. 2500 PS.
Abb. E-23: Diesel-Stromaggregat in offener und verhaubter lärmgeschützter Ausführung (Container-Bauweise) System [Caterpiller]
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3 Gerätetechnik
Beispiel für die DRIVE GROUP bei dem KCA-DEUTAG-Rig T-2000: Antriebsenergie Typ (Engine type): Caterpiller 3516B Generatortyp (Generator rating): Piller NKT 2700-4 Gesamtleistung (Horsepower rating): 4 x 2150 PS = 8600 PS Generatorleistung (Generator rating): 4 x 2700 kVA mit 690/400 V, 50 Hz
3.4.4 Elektromotoren
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Als Elektromotoren sind im Bohrbetrieb bisher im wesentlichen Gleichstrommotoren im Einsatz wegen ihrer besseren Steuerbarkeit. Bei Gleichstrommotoren ist die Drehzahl eine Funktion der Spannung und das erzeugte Drehmoment eine Funktion der Stromstärke. Das bedeutet, dass über die Spannung die Drehzahl recht exakt zu regeln ist, während das abgenommene Drehmoment über die Stromaufnahme ermittelt werden kann. Als weiterer Vorteil ist zu nennen, dass der Motor bereits bei niedrigen Drehzahlen ein hohes Drehmoment erzeugt (das höchste Drehmoment ergibt sich bei Stillstand). Nachteilig ist dagegen, dass der Motor nicht im Stillstand mit Strom beschickt werden darf, da ansonsten die Gefahr besteht, dass die Schleifkontakte des Kommutators festbrennen. Als weiterer Nachteil ist zu nennen, dass die Bürsten, die dem Motor den Strom zuführen, auf dem Kommutator schleifen, wobei der Kommutator aus einzelnen Segmenten besteht, die jeweils mit einem Spulensystem im Rotor verbunden, und die gegeneinander isoliert sind. Um hier keine Bremswirkung zu haben, muss die Reibung zwischen den Bürsten und dem Kommutator gering sein. Beim Drehen des Rotors gleiten die Bürsten nun von einem Segment zum andern, wobei es bei jedem Segment zum Abriss der Stromzuführung kommt, wenn die Bürste sich weiter bewegt. Bei höheren Drehzahlen und höheren Spannungen führt das dazu, dass sich zwischen Bürste und Kommutatorsegment ein Funke bildet, dessen Länge der angelegten Spannung proportional ist. Für den Bohrbetrieb, wo sich die Motoren im Ex-Bereich befinden, bedeutet das, dass durch entsprechende Kapselung und Fremdbelüftung dafür Sorge getragen werden muss, dass diese Funken nicht mit der Atmosphäre in Berührung kommen, da die Luft mit Gas angereichert sein könnte, was dann zur Explosion führen würde. Das wiederum macht ersichtlich, dass Gleichstrommotoren recht aufwendig sind, was ihren Einsatz im Bohrbetrieb anbelangt. Diese Gefahr der Funkenbildung und des Festbrennens im Stillstand besteht bei Drehstrommotoren nicht wenn die Motoren mit Käfig- oder Kurzschlussläufern ausgestattet sind, da dann keine Schleifkontakte vorhanden sind. Das bedeutet, dass der Motor keiner Fremdbelüftung bedarf und im Stillstand unter Last gehalten werden kann, so dass z. B. bei einem Drehtischmotor über diesen ein Moment auf den festsitzenden Bohrstrang übertragen und gehalten werden kann. Die Drehzahlsteuerung erfolgt allerdings über eine Frequenzsteuerung, d. h. dass die Höhe der Stromfrequenz die Drehzahl des Motors bestimmt. Diese Frequenzregelung erfolgt dergestalt, dass der vom Generator erzeugte Drehstrom (Wechselstrom) zunächst gleichgerichtet und dann „zerhackt“ wird, wodurch ein Pseudo-Wechselstrom entsteht. Die Zerhackfrequenz bestimmt die Frequenz des Stromes und damit die Drehzahl des Motors. Der Drehstrommotor ist zwar aufwendiger zu betreiben, hat aber eine Reihe von Vorteilen, die dem Betriebsgeschehen im Bohrbetrieb entgegen kommen.
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3.4.5 Hydrostatischer Antrieb Hydromotoren basieren auf dem Prinzip der Kreiselpumpe, d. h. dass sich in einem Gehäuse ein Impeller oder Flügelrad befindet, das mit Hydraulikflüssigkeit beaufschlagt wird, wodurch der Impeller in Rotation versetzt wird. Je größer der Druck der Hydraulikflüssigkeit ist, desto größer ist das Moment, das erzeugt wird, und desto größer wird die Drehzahl, in Abhängigkeit von der Bremslast, die auf den Impeller wirkt. Ist das Drehmoment des Impellers größer als das von der Last erzeugte Moment, so wird die Last gehoben. Ist das Lastmoment größer, so wird die Last abgesenkt. Das wiederum bedeutet, dass durch die Rate der zugeführten Hydraulikflüssigkeit exakt gesteuert werden kann, mit welcher Geschwindigkeit eine Last bewegt werden soll. So ist es auch sehr einfach möglich, den Antrieb als Nachlassvorrichtung verwenden, indem das Drehmoment des Impellers leicht unter dem Lastmoment gehalten wird, so dass ständig Fahrseil abgespult wird, wenn das Hebewerk mit Hydromotoren bestückt ist.
Abb. E-24: Schema eines hydrostatischen Hebewerksantriebs [BgH]
3.5 Antriebskonzepte für Tiefbohranlagen 3.5.1 Allgemeines Die von den Antriebsmaschinen (Prime Mover) erzeugte Energie muss zu den wesentlichen Verbrauchern einer Bohranlage wie Hebewerk, Spülpumpen, Drehtisch oder Topdrive und anderen Verbrauchern geleitet werden. Je nach der Art der Antriebsmaschine wird mechanische, elektrische oder hydraulische Energie erzeugt, die dann entsprechend weitergeleitet werden muss. Dabei stellen die dieselelektrischen Antriebskonzepte insofern eine Besonderheit dar, als hier der Dieselmotor das eigentliche, primäre Antriebselement ist, der mittels einer starren Verbindung (Welle) mit einem Generator gekoppelt ist, der dann die elektrische Energie erzeugt, die an die Verbraucher weitergegeben wird. Der wesentliche Vorteil ist, dass bei einem mechanischen Antrieb die großen Dieselaggregate zu viel Platz auf der Arbeitsplattform einnehmen würden und eine enorme Lärm-, Wärme- und Abgasbelastung des Bohrpersonals bedeuten würden. Die heutige Anordnung erfolgt in einer
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Powerstation, wo alle Dieselaggregate zusammenfasst und miteinander gekoppelt sind. Bei einem plötzlichen hohen Energiebedarf steht diese so in ausreichender Menge zur Verfügung. Bei Bedarf kann die Station aus umwelttechnischen Gründen und örtlichen Erfordernissen auch noch mit einer Lärmschutzwand versehen werden. Die Kraftverteilung kann mechanisch, elektrisch oder hydraulisch erfolgen, je nachdem, welche Energieart erzeugt bzw. beim Verbraucher benötigt wird. Das entsprechende Kraftverteilungssystem wird im Englischen als compounding transmission oder kurz Compound bezeichnet, wobei diese Bezeichnung allerdings typisch für die mechanische Kraftverteilung ist. Bei den meisten Kraftverteilungssystemen wäre es durchaus möglich, mit einer einzigen Antriebsmaschine (Prime Mover) eine gesamte Bohranlage mit Energie zu versorgen. Allerdings wird das aus mehreren Gründen nicht gemacht. Zum einen möchte man eine größere Flexibilität haben z. B. für den Fall, dass ein Motor ausfällt, zum andern wäre es unwirtschaftlich, wenn nur ein Motor mit mehreren tausend kW installierter Leistung zur Verfügung stünde, der dann in den meisten Betriebssituationen im unteren Teillastbereich arbeiten müsste. Aus diesem Grunde werden immer mehrere Motoren bzw. Diesel-Generator-Sätze installiert, die jeweils mit geringerer Leistung ausgestattet sind, und die dann je nach Bedarf zu-oder abgeschaltet werden.
3.5.2 Mechanisches Kraftübertragungssystem Die mechanische Kraftübertragung vom Dieselmotor zum Verbraucher wird heute aus den o. g. bei den neuzeitlichen Bohranlagen nicht mehr angewendet, daher wird nachfolgend nur noch auf Wesentliches dieser Antriebsart eingegangen. Wie vorstehend bereits erwähnt, wird das mechanische Kraftübertragungssystem in der Tiefbohrtechnik kurz als Compound bezeichnet. Es handelt sich um ein Getriebe, das allerdings nicht als Schaltgetriebe ausgelegt ist, sondern als Verteilergetriebe was bedeutet, dass Drehzahlen und Drehmomente nicht über das Getriebe verändert werden können, sondern dass lediglich die vom Dieselmotor erzeugte Energie mittels Kettengetrieben zu den Verbrauchern wie Spülpumpen, Hebewerk und Drehtisch geleitet werden, wobei das Kettengetriebe allerdings so zu schalten ist, dass jeder einzelne Motor mit jedem Verbraucher verbunden werden kann. Das ist wichtig, wenn z. B. der Mast errichtet wird, weil dann die gesamte Leistung auf das Hebewerk geleitet werden muss. Außerdem ist so die Möglichkeit gegeben, dass z. B. bei Ausfall eines Motors wichtige Verbraucher wie z. B. das Hebewerk auch weiterhin mit Energie versorgt werden können. Das mechanische Kraftübertragungssystem (Abb. E-25) besteht in der Regel aus mehreren Dieselmotoren mit installierten Leistungen von jeweils mehreren hundert kW, die über Kupplungen und meistens Drehmomentenwandler mit den einzelnen Wellen des Compounds verbunden sind, wobei jeder Motor eine separate Welle hat. Im Compound selbst befinden sich die Kettenräder mit den Ketten und die Abtriebe zu den Verbrauchern. Bei den Spülpumpen wird an der motorabgewendeten Seite von in der Regel zwei Wellen eine weitere Kupplung befestigt, die dann die Energie mittels Ketten (früher wurden auch Riementriebe eingesetzt) an die Pumpen überträgt. Mehr als zwei Pumpen werden i.A. nicht vom Compound aus betrieben, da zum einen in früheren Zeiten die hydraulische Energie von zwei Pumpen ausreichend war und zum andern das Compound ansonsten zu lang und damit zu unhandlich geworden wäre. Wird mehr hydraulische Energie benötigt, so kann diese mittels separater und mit eigenem Antrieb versehenen Stand-by Pumpen erzeugt werden. Für den Antrieb des Hebewerks befin-
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det sich im Compound eine besondere Vorgelegewelle, von wo aus die Ketten zum Hebewerk führen. Der Drehtisch wird in der Regel vom Hebewerk aus ebenfalls mittels Kette betrieben. Ein typisches Compound besteht aus einer Anordnung von Wellen mit Kettenrädern, die mit Ketten verbunden werden, sowie einer Anzahl von Kupplungen. Früher hat es auch Kardanwellencompounds sowie solche mit Riementrieb gegeben, die jedoch alle nicht die Robustheit besaßen wie kettenbetriebene Compounds.
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Abb. E-25: Schematische Darstellung eines typischen dieselmechanisches Antriebskonzepts [BgH]
3.5.3 Dieselelektrisches Kraftübertragungssystem Die elektrischen Energieübertragungssysteme bestehen ausschließlich aus Leitungen, durch die der elektrische Strom zu den Verbrauchern transportiert wird, die wiederum mit Elektromotoren bestückt sind. Die Verbraucher (Hebewerk, Spülpumpen, Drehtisch, Topdrive und sonstige Verbraucher) unterscheiden sich nicht von denen, die auf einer dieselmechanischen Bohranlage verwendet werden. Bei den dieselelektrischen Konzepten muss grundsätzlich zwischen zwei Systemen unterschieden werden: • der reinen Gleichstromanlage, und • der Drehstrom-Gleichstromanlage mit Gleichrichter (SCR Anlage).
3.5.3.1 Gleichstromsystem Bei der reinen Gleichstromanlage (Abb. E-26) wird ein Gleichstromgenerator von einem Dieselmotor betrieben und erzeugt Gleichstrom. Dieser wird dann über Kabel zu den einzelnen Verbrauchern geleitet, die mit Gleichstrommotoren ausgestattet sind. Da beim Gleichstrommotor die Drehzahl eine direkte Funktion der angelegten Spannung an den Spulen des Elektromo-
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tors ist, muss der Generator über den ihn treibenden Dieselmotor so drehzahlgesteuert werden, dass die erzeugte Spannung der gewünschten Drehzahl des jeweiligen Motors entspricht. Das bedeutet, dass jeder Verbraucher aus steuertechnischen Gründen einen eigenen Motor-Generatorsatz benötigt, weil nicht alle Motoren mit gleicher Leistung und gleicher Drehzahl gefahren werden, so dass alle Generatoren unterschiedlich betrieben werden müssen. Reine Gleichstromanlagen (engl.: DC-DC-powered rigs) zeichnen sich dadurch aus, dass sie in der Regel über vier bis sechs Motor-Generatorsätze verfügen, wobei die Leistungen der einzelnen Dieselmotoren bzw. Generatoren sich im mittleren Bereich bewegen. Außerdem findet sich auf einer reinen DC-DC-Anlage noch ein Wechselstromgenerator, der den Strom für die zahlreichen Kleinverbraucher wie Rührwerke, Schüttelsiebmotoren etc. und die allgemeine Stromversorgung in Kauen und Werkstätten für Beleuchtung, Heizung etc. liefert. Der Wechselstromgenerator kann auch mittels einer sog. Tandemmaschine betrieben werden. Das ist ein Dieselmotor, der sowohl einen Gleich- wie auch einen Wechselstromgenerator antreibt.
Abb. E-26: Schema einer Gleichstromanlage (DC-DC-powered-rig) [BgH]
Für den Fall, dass ein Dieselmotor oder ein Generator ausfällt besteht jedoch die Möglichkeit der Querschaltung was bedeutet, dass ein anderer Generator auf den Verbraucher geschaltet werden kann, dessen Generator ausgefallen ist. Dadurch ist sichergestellt, dass insbesondere die wichtigen Verbraucher jederzeit betriebsbereit sind, auch im Falle einer Havarie. Auch kann die gesamte erzeugt elektrische Energie auf einen Hauptverbraucher wie beispielsweise das Hebewerk während des Errichtens des Mastes geschaltet werden. Als vorteilhaft für dieses System ist anzusehen, dass die Investitionskosten niedriger sind als die für ein SCR-System, und dass es wartungsfreundlicher ist. Als Nachteil ist zu nennen, dass man pro Verbraucher einen separaten Diesel-Generatorsatz benötigt, was zu einer größeren Anzahl solcher Einheiten führt, und dass ein echter Verbundbetrieb nicht möglich ist. Auch müssen die Dieselmotoren oftmals im Teillastbereich gefahren werden, also unterhalb der Nennleistung laufen, was ungünstige Wirkungsgrade, höhere Betriebsstunden und höheren Kraftstoffverbrauch zur Folge hat.
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Ein weiterer, entscheidender Nachteil dieses Systems ist, dass es sehr aufwendig ist, den Gleichstromgenerator in ex-geschützter Ausführung zu bauen, was jedoch für einen Generator im Bohrbetrieb unumgänglich ist. Das liegt daran, dass sich bei einem Generator normalerweise eine Spule in einem Magnetfeld dreht, das von einem Magneten erzeugt wird. Für Generatoren höherer Leistung wird statt eines Permanentmagneten ein Elektromagnet verwendet, der sich im Gehäuse des Generators befindet. Er wird durch Anlegen einer Erregerspannung aktiviert. Der Rotor als Mehrfachspule ausgeführt, dreht sich, angetrieben durch den Dieselmotor, in dem erzeugten Magnetfeld, wodurch ein Strom induziert wird, der dann mittels Schleifkontakten (Bürsten) am sog. Kommutator des Rotors abgenommen werden muss. Da im Bohrbetrieb recht hohe Spannungen von mehreren hundert Volt benötigt wird, lässt sich naturgemäß ein gewisses „Bürstenfeuer“ beim Übergang der Stromabnehmer von einer Schleife zur anderen auf dem Rotor nicht ganz vermeiden, insbesondere dann, wenn Bürsten und Kommutator schon etwas abgeschliffen sind. Da die Länge der dabei entstehenden Funken von der Spannung abhängig ist bedeutet das, dass bei hohen Spannungen auch längere Funken entstehen, die von der Umwelt isoliert werden müssen, z. B. indem der Generator gekapselt und fremdbelüftet wird.
3.5.3.2 Drehstrom-Gleichstromsystem mit Gleichrichtern (SCR-Anlage) Bei dem Drehstrom-Gleichstrom-System mit Gleichrichter werden mehrere Drehstromgeneratoren verwendet, die Drehstrom erzeugen. Dieser Strom wird dann auf eine Stromschiene geleitet, von wo die einzelnen Verbraucher den Strom entnehmen und ihn in einem separaten Gleichrichter in Gleichstrom umwandeln, der dann dem Gleichstrommotor am Verbraucher zugeleitet wird. Dieses System hat gegenüber dem reinen Gleichstromsystem mehrere Vorteile. Zunächst einmal kann Drehstrom erzeugt werden, was sich einfacher gestaltet als die Erzeugung von Gleichstrom, wie im vorstehenden Kapitel beschrieben. Ein Drehstromgenerator kann als sog. Innenpolmaschine gebaut werden was bedeutet, dass der Elektromagnet als Rotor ausgebildet werden kann, während die Spulen, in denen der Strom erzeugt wird, im stationären Gehäuse des Generators untergebracht werden. Das hat den Vorteil, dass man den Rotor nur mit der verhältnismäßig niedrigen Erregerspannung für den Elektromagneten versorgen muss, was wiederum über entsprechende Stromabnehmer geschieht. Da jedoch die Erregerspannung nur etwa 2 – 3% der erzeugten Spannung des Generators entspricht, sind auch die Probleme mit dem entstehenden Bürstenfeuer leichter zu bewältigen. Außerdem werden statt der Bürsten vielfach Gleitringe eingesetzt. Eine Alternative ist das bürstenlose Erregersystem (brushless exciter). Die hohe vom Generator erzeugte Spannung (600 — 700 V) wird dagegen an festen Klemmen am Generatorgehäuse abgenommen. Ein Drehstromgenerator erzeugt drei Stromphasen, die jeweils um 120° gegeneinander versetzt sind. Ein einfacher zweipoliger Generator hat drei Sätze oder Gruppen von Spulen, die jeweils um 120° gegeneinander versetzt angeordnet sind. Der in jeder Spulengruppe induzierte Strom ist zwar identisch, jedoch um 120° gegeneinander versetzt (Abb. E-27). Ein Zwei-Pol-Generator erzeugt eine positive und eine negative Halbwelle, also eine Sinusschwingung von 360° pro Umdrehung des Rotors. Ein Vier-Pol-Generator erzeugt dagegen zwei volle Sinusschwingungen, und der am häufigsten verwendete Sechs-Pol-Generator erzeugt drei Sinusschwingungen.
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Abb. E-27: Drei-Phasen-Strom, erzeugt von einem Drehstromgenerator [BgH]
SCR-Systeme haben gegenüber anderen Antriebskonzepten eine Reihe von Vorteilen und zwar: • Sie haben eine sehr hohe Flexibilität • Sie arbeiten mit niedrigen Verlustleistungen • Sie benötigen weniger Generatoren als vergleichbare Konzepte • Der Ausfall eines Dieselmotors oder Generators führt nicht zum Ausfall • irgendeiner Funktion der Bohranlage • Die gesamte installierte Leistung sämtlicher Generatoren kann auf einen • einzigen Verbraucher (z. B. Hebewerk beim Errichten des Mastes) geleitet oder auf verschiedene Verbraucher mit unterschiedlicher Leistungscharakteristik verteilt werden • Bürstenlose Generatoren reduzieren den Wartungsaufwand und vermeiden Funkenbildung am Kommutator • Es wird kein zusätzlicher Wechselstromgenerator für die „Normalverbraucher“ wie Beleuchtung, Heizung, Werkstatt, sonstige Motoren an Rührwerken, Schüttelsieben etc. benötigt, da 220 V Wechselstrom von der Stromschiene entnommen werden kann • SCR-Anlagen arbeiten trotz erhöhter Investitionskosten wirtschaftlicher als mechanische oder Gleichstromsysteme Nachteilig ist, dass SCR-Anlagen wartungsintensiver sind als reine Gleichstromanlagen, und dass in der Regel zur Wartung ein geschulter Elektriker benötigt wird, da die Elektrik der Anlage zu komplex ist, um vom Bohrpersonal betreut zu werden. Auch liegt der Kraftstoffverbrauch der Dieselmotoren meistens etwas höher, da die Motoren ständig mit Nennleistung gefahren werden müssen, während andere Dieselmotoren auch Phasen im Teillastbereich oder im Leerlauf haben.
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E Abb. E-28: Schema einer SCR-Anlage [BgH]
3.5.4 Vollelektrisches Kraftübertragungssystem Mobilität ist im Allgemeinen ein wesentliches Kriterium, das Bohranlagen erfüllen müssen, weil sie schnell und an jedem Ort einsatzbereit sein müssen. Das bedeutet auch, dass sie unabhängig von äußeren Gegebenheiten in den verschiedensten Gebieten betriebsbereit sein müssen. Ist eine Bohranlage jedoch auf leitungsgebundene Energie angewiesen, so ist ihre Einsatzbereitschaft stark eingeschränkt. Das trifft sowohl auf Anlagen zu, die mit Gasturbinen oder Gasmotoren bestückt sind, wie auch auf vollelektrische Anlagen, die ihren Strom aus dem Netz beziehen. Trotzdem gibt es, insbesondere für vollelektrische Bohranlagen, Einsatzbereiche, in denen die Frage der Stromversorgung von untergeordneter Bedeutung ist, weil andere Gründe eine höhere Priorität haben. Das trifft z. B. für Bohrungen in dicht-besiedelten Gebieten zu, wo besonders geräuscharme Bohranlagen vorgeschrieben sind, oder für Gebiete, wo Abgase der Dieselmotoren nicht gestattet sind. Jeder Verbrennungsmotor scheidet durch die Verbrennung von organischen Brennstoffen (Gas, Öl) Verbrennungsgase aus, die je nach Zusammensetzung des Brennstoffs Kohlendioxid (002) und Schwefeldioxid (SO2) neben Wasser als schädliche Bestandteile enthalten. Diese Schadstoffe gelangen über den Auspuff des Motors in die Umgebungsluft, egal, ob es sich um diesel-mechanische oder diesel-elektrische Bohranlagen handelt, da alle auf den Dieselmotor als Antriebsaggregat angewiesen sind. Diese Schadstoffimmission fällt bei voll-elektrischen Anlagen fort. Außerdem ist auch die Geräuschimmission geringer als bei anderen Anlagen. weil ein Elektromotor immer laufruhiger ist als ein Dieselmotor, der zwar bei dieselelektrischen Anlagen schallisoliert ist, was aber in manchen Fällen als nicht ausreichend genug angesehen wird. Neben diesen Vorteilen hat der voll-elektrische Betrieb noch den Vorteil, dass er der wirtschaftlichste Bohranlagenantrieb überhaupt ist. Leistungseinsparungen von 30% und mehr lassen sich durchaus erzielen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Entfernung zwischen dem Netz (es ist mindestens eine 20 kV Leitung erforderlich) und der Bohranlage nicht zu groß ist, so dass eine wirtschaftliche Versorgung möglich wird. Dabei gilt es auch zu beachten, dass das Netz so ausgelegt ist, dass dann. wenn die Bohranlage volle Leistung benötigt, das Netz nicht zusammenbricht und den nachgeschalteten Verbrauchern noch ausreichende Leistung zur Verfügung steht.
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Der dem Netz entnommene Strom wird zunächst von der Hochspannung auf etwa 600 V herunter transformiert und auf die Stromschiene geleitet, von wo die SCR-Gleichrichter, wie vorstehend beschrieben, eine gesteuerte Gleichrichtung durchführen. Vollelektrische Bohranlagen sind, wegen der geschilderten Einschränkungen, nur selten zu finden und wenn, dann im Wesentlichen bei stationären Anlagen mittlerer Hakenlasten. Allerdings sind schon eine Reihe von Herstellern leichter bis mittelschwerer fahrbarer Bohranlagen dazu übergegangen, diese Anlage auf Wunsch statt mit Dieselmotoren mit Elektromotoren zu bestücken. Da diese dann aus dem Netz oder einer anderen Stromquelle gespeist werden können (z. B. INGERSOLL RAND FRANKS, Serie 900E bzw. 750E, bestückt mit GE 752- bzw. GE 761Motoren). Allerdings dürfte der Einsatz solcher Anlagen tatsächlich auf ganz spezielle Sonderfälle beschränkt bleiben, da besonders fahrbare Bohranlagen sehr mobil sein müssen und nur kurze Zeit auf einer Lokation verbleiben, so dass der Netzanschluss unverhältnismäßig teuer wird. Neuerdings gehen einige Bohranlagenbetreiber dazu über, SCR-Anlagen in vollelektrische Anlagen umzurüsten. Grund hierfür ist die Liberalisierung auf dem Strommarkt, wo Verträge mit Energie-Versorgungsunternehmen abgeschlossen werden können, die den Netzstrom erheblich billiger bereitstellen können als er bei der Eigenstromerzeugung wäre. Dabei ergibt sich ein doppelter Vorteil, da zur größeren Wirtschaftlichkeit noch die reduzierte Umweltbelastung (Schadstoff-, Lärmimmission) hinzu kommt.
3.5.5 Diesel-hydraulisches Kraftübertragungssystem Neben den dieselmechanischen und den diesel-elektrischen Kraftübertragungssystemen gibt es auch den hydrostatischen Antrieb, der in anderen Bereichen der Technik wie Baggern, Panzern, Kränen, Lokomotiven etc. bereits einen breiten Raum einnimmt, als Antriebssystem von Bohranlagen jedoch bisher im wesentlichen nur bei Schürf-, Flach- oder Lufthebebohranlagen zu finden ist, weniger jedoch bei Tiefbohranlagen. Im Tiefbohrbetrieb findet sich der hydrostatische Antrieb lediglich bei einigen separaten Drehtischantrieben oder beim Antrieb des hydraulischen Topdrives, der jedoch gegenüber dem elektrisch betriebenen Topdrive auch nur eine untergeordnete Rolle spielt. In Deutschland wurde bisher nur eine diesel-hydraulische Bohranlage gebaut (WIRTH GH 1500H, 180 t Hakenlast, Baujahr 1985, Eigner ITAG), wobei zwei Dieselmotoren (MTU mit je 625 kW) hydrostatische Primärpumpen betreiben, die wiederum das Hydrauliköl über Schlauchleitungen auf einen Verteiler übertragen, wo das Öl unter 220 bar Druck gehalten wird. Von diesem Hydraulikbehälter entnehmen die Verbraucher so viel Hydraulikflüssigkeit, wie sie für ihre hydrostatischen Antriebsmotoren benötigen. Die Flüssigkeit wird nach dem Durchlaufen der Motoren in einen Niederdrucksammler geleitet, der unter 16 bar steht und als Vorratsbehälter für die Hydraulikpumpen dient. Damit wird die Hydraulikflüssigkeit ständig im Kreislauf gefahren. Das Wesentliche dieses Antriebskonzeptes ist, dass die Primäreinheit (Dieselmotor mit Primärpumpe) und die Sekundäreinheiten (Hydromotoren an den Verbrauchern) über konstanten Systemdruck miteinander gekoppelt sind. Der Betriebsdruck wird ohne Steuer- und Regelorgane direkt bis an die Verbraucher herangeführt, so dass auch im Teillastbereich der Wirkungsgrad günstige Werte annimmt Die Beeinflussung von Drehzahl, Drehmoment bzw. Leistung wird direkt an der Sekundäreinheit durchgeführt, indem mehr oder weniger Hydraulikflüssigkeit zugeführt wird. Vorteilhaft bei diesem System ist, dass die Hebewerkstrommel zum Heben und Senken der Lasten mit den Hydraulikmotoren kraftschlüssig gefahren wird, so dass auch das Abbremsen mit den Motoren
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durchgeführt werden und die sonst übliche Bandbremse entfallen kann. Bei dem Hebewerk ist eine Scheibenbremse als Feststellbremse eingebaut. Auch kann der Hydromotor als Nachlassvorrichtung arbeiten, wobei sich Absenkgeschwindigkeiten von 0,2 – 20 m/h einstellen lassen. Die Vorgehensweise beim automatischen Nachlassen von Fahrseil beim Bohren muss die Last etwas größer sein als die Kraft der Hydraulikflüssigkeit, die in entgegengesetzter Richtung auf die Schaufeln des Motors wirkt, um ein langsames Absenken der Last (Bohrstrang) zu bewirken. Soll die Absenkgeschwindigkeit gesteigert werden, so muss lediglich die Zufuhr an Hydraulikflüssigkeit zum Motor gedrosselt werden. Ansonsten kann eine diesel-hydraulische Bohranlage wegen der Charakteristik der hydrostatischen Antriebe sehr feinfühlig gesteuert werden, was für den Bohrbetrieb eine ganze Reihe von Vorteilen bringt. Allerdings ist der Wartungsaufwand gegenüber elektrischen Antriebskonzepten etwas aufwendiger, da auf jeden Fall Leckagen oder gar ein Platzen eines Schlauches vermieden werden muss. Auch muss die Hydraulikflüssigkeit regelmäßig gefiltert werden, insbesondere nach dem Ablassen derselben, damit die Düsen nicht verstopfen. Auch ist darauf zu achten, dass die Flüssigkeit nicht eindickt (z. B. bei extrem kalten Temperaturen) oder ausflockt.
Abb. E-29: Schema für ein diesel-hydraulisches Antriebskonzept [BgH]
3.6 Hebe- und Verschraubeinrichtung 3.6.1 Allgemeines Wie bereits erwähnt, muss der Bohrturm in der Lage sein, das Gewicht des Bohrstranges und der Verrohrung abzufangen und zu bewegen sowie auch gelegentliche Überlasten zu bewältigen. Tatsächlich ist die Hakenlast einer Bohranlage das wichtigste Konstruktionsmerkmal.
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Die meisten Bohranlagen verwenden zur Bewältigung dieser Lasten einen im Turm hängenden Flaschenzug, der mit dem Hebewerk kombiniert ist. Ein Flaschenzug besteht bekanntlich aus einem Seil, das über ein System aus Umlenkrollen geführt wird. Angesichts der hohen Lasten, die der Flaschenzug einer Tiefbohranlage übernehmen muss, handelt es sich je nach Kapazität der Anlage um ein ausreichend dickes Stahldrahtseil mit einem Durchmesser von 25 bis 50 mm. Das eine Ende des Seils, das Totseil, ist an der Struktur des Turmes fixiert, das andere Ende, das Fahrseil, endet auf der Seiltrommel des Hebewerkes. Je nach Drehrichtung der Seiltrommel wird es eingezogen oder nachgelassen und führt auf diese Weise zu einem Heben oder Senken der am Kloben eingehängten Last. Je mehr Umlenkrollen im Spiel sind, je größer die „Einscherung“ also ist, desto schwerere Lasten können gehoben werden, dafür muss andererseits aber auch immer mehr Fahrseil bewegt werden, um eine bestimmte Hubstrecke zu überwinden. Die Umlenkrollen des Flaschenzuges im Bohrturm befinden sich zum einen ganz oben am Mast im sogenannten Kronenblock und zum anderen im oberen Bereich des Kranhakens, dem Kloben (Abb. E-30). Das Hebewerk steht auf der Arbeitsbühne und wird durch den Schichtführer, den Driller, bedient.. Aufgrund des schweren Bohrstranges am Kloben ist das Fahrseil ständig auf Zug belastet. Eine Bremse an der Seiltrommel des Hebewerkes reicht deshalb aus, um den Strang beim Bohren fein dosiert nach unten nachzulassen und so immer die optimale Andruckkraft des Bohrmeißels auf der Bohrlochsohle bereitzustellen. Moderne Hebewerke verfügen über jeweils eine fein dosierbare Arbeitsbremse zum Nachlassen des Seiles und eine kräftige Feststellbremse, mit der der Bohrstrang bei Bedarf in einer beliebigen Position festgehalten werden kann. Auch das Totseil des Flaschenzuges steht unter Zugbelastung. Je größer das Gewicht am Kranhaken ist, desto größer ist auch die Spannung des Seiles. Aus der Spannung am Totseilanker kann man demzufolge die aktuelle Hakenlast bestimmen. Sie ist eine der wichtigsten Messgrößen, die der Driller zum Bohren braucht, er muss sie ständig im Blick haben. An seinem Arbeitsplatz befindet sich deshalb ein großes, auffälliges rundes Anzeigegerät mit zwei Zeigern. Die Anzeige ist mit dem Kraftsensor am Totseilanker verbunden. Der eine Zeiger ist so geeicht, dass er direkt die gemessene Hakenlast anzeigt. Der andere soll dagegen die Meißelbelastung anzeigen, mit der der Bohrmeißel auf die Sohle gepresst wird. Beide Größen sind ja unmittelbar miteinander verknüpft. Wenn die Hakenlast bei abgehobenem Bohrstrang beispielsweise 100 Tonnen beträgt und nach dem Herablassen auf die Sohle nur noch 95, dann muss der Bohrmeißel nun folglich mit fünf Tonnen Last auf der Sohle stehen. Der Driller hebt also den Bohrstrang zunächst ein wenig von der Sohle ab, dreht dann an einem kleinen Rädchen am Anzeigegerät, bis der Meißellast-Zeiger auf null steht und fährt anschließend den Bohrmeißel zum Bohren wieder auf die Sohle. Der zweite Zeiger zeigt nun die „fehlende“ Hakenlast als Meißelbelastung an. Über die Genauigkeit dieser Art der Bestimmung der Meißelbelastung kann man sich sicher streiten, speziell wenn Kurven und längere geneigte oder sogar horizontale Abschnitte gebohrt werden sollen und die Meißellastanzeige stark durch Reibungseffekte im Bohrloch beeinflusst wird, aber es ist nun einmal die übliche Methode der Praxis. Das Flaschenzug-Prinzip war praktisch von Anbeginn der Tiefbohrtechnik an konkurrenzlos. Erst seit Neuestem kommen Hersteller von Bohranlagen auf den Markt, die das altbewährte Flaschenzug-Prinzip in zunehmendem Maße durch alternative Konzepte ersetzen. So gibt es beispielsweise bereits verschiedene Bohrmastkonstruktionen, bei denen die Hub- und Senkbewegungen des Klobens durch Hydraulikzylinder realisiert werden. Auch Varianten, bei denen
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der Kloben über ein Zahnrad entlang einer vertikalen Zahnstange am Mast bewegt wird, wurden bereits umgesetzt und erfolgreich im Feld eingesetzt.
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Abb. E-30: Flaschenzug, Hebewerk, Totseilanker und Reserveseiltrommel einer Tiefbohranlage – schematische Darstellung [BgH]
3.6.2 Hebewerke 3.6.2.1 Allgemeines Die Hebeeinrichtungen gehören zu den wesentlichsten Komponenten einer Tiefbohranlage, da das Heben und Senken von schweren Lasten den Alltag im Bohrbetrieb entscheidend bestimmt. Aus diesem Grunde müssen Hebeeinrichtungen mit installierten Leistungen von 4500 kW und mehr auf einer schweren Tiefbohranlage vorhanden sein. Früher bestimmte die Leistung des Hebewerkes in entscheidender Form die gesamt installierte Leistung eine Bohranlage. Später wurde die Bedeutung der Bohrlochhydraulik erkannt, was
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dazu führte, dass die hydraulische Leistung (Pumpenleistung) ausschlaggebend für die Gesamtleistung einer Bohranlage wurde, zumal diese Leistung nahezu vollständig für die Hebeeinrichtungen zur Verfügung steht, wenn sie dort benötigt wird, weil dann die Pumpen ohnehin nicht aktiviert sind. Tab. 5-E: Leistungsverteilung mittlerer Tiefbohranlagen
E Mit zunehmenden Bohrteufen mussten immer schwerere Lasten bewegt werden, was mit der einfachen Umlenkrolle und der Seiltrommel nicht mehr möglich war. Man machte deshalb Anleihen im Bergbau oder bei Schiffen oder anderen Industriezweigen, wo bereits der Flaschenzug zur Arbeitserleichterung eingesetzt wurde. Bis sich jedoch schließlich das Hebewerk heutiger Art für den Bohrbetrieb entwickelte, war es noch ein weiter Weg, obwohl die Grundlagen von damals auch in der modernen Hebewerkstechnik zu finden sind. Als Hebewerk (Drawworks, Hoist = Aufzug) bezeichnet man das Windwerk einer Bohranlage, das aus der Seiltrommel mit Vorgelegewellen, davon auch heute noch vielfach einer Welle, die als Spillwelle ausgestattet ist, und einer, die als Schlämmseiltrommelwelle dient, dem Zahnradoder Kettengetriebe, sowie den Bremsen besteht. Die wesentlichen Funktionen eines Hebewerkes sind das Übertragen der Energie von den Antriebsmaschinen auf die Seiltrommel, um mittels des Fahrseils den Bohr- oder Verrohrungsstrang auf- oder abwärts zu bewegen und beim Bohren den Strang so in Spannung zu halten, dass nur ein Teil des Stranggewichtes als Meißelbelastung auf dem Bohrwerkzeug ruht und dieses in das Gebirge drückt.
3.6.2.3 Rückschau Die frühen Hebewerke (um 1890) bestanden aus einzelnen Wellen, z. B. einer Vorgelege- und einer Haupttrommelwelle, die mittels Schellen an den hölzernen Bohrgerüsten befestigt wurden. Diese sog. turmgebundenen Hebewerke verursachten lange und kostspielige Umbauzeiten, da sie bei jedem Umbau in die Einzelteile zerlegt und dann wieder neu montiert und justiert werden mussten. Später (um 1930) wurden dann die sog. turmfreien Hebewerke gebaut, wobei die einzelnen Wellen in einem eigenen Stahlrahmen fest eingebaut waren, so dass dieser Rahmen mitsamt den Wellen transportiert werden konnte. Er wurde am Bohrgerüst verankert. Diese Hebewerke hatten bereits bis zu 6 Geschwindigkeiten, konnten über Klauen- oder luftgesteuerte Mehrscheibenkupplungen geschaltet werden und waren mit Bandbremsen ausgestattet. Später kamen die ersten Wasserwirbelbremsen als Zusatz- bzw. Hilfsbremsen hinzu. Um 1950 wurden die Hebewerke mit Flüssigkeitskupplungen und Drehmomentenwandlern ausgestattet und zur Erhöhung der Sicherheit mit einem Gehäuse versehen. Drehmomentenwandler waren bei dieselmechanischen Antrieben erforderlich, um eine weiche Ankoppelung des Motors an das Getriebe zu ermöglichen. Bei elektrischen Antrieben werden Drehmomentenwandler zumindest bei Hebewerken nicht mehr benötigt.
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Alle früheren Hebewerke waren mit einer Spillwelle ausgestattet, da man über die Spillköpfe (Catheads) mittels eines Seils, das um diese Köpfe geschlungen und mit der Hand darüber gezogen wurde, sowohl die Handverschraubung des Gestänges durchführen konnte wie auch Lasten auf die Arbeitsbühne zog. Ebenso gehörte zur Grundausstattung eine Schlämmtrommel, bestückt mit einem dünneren Drahtseil, das für Schlämmarbeiten oder zum Einfahren von Messsendern oder Probenehmern verwendet wurde. Beide Einrichtungen werden heute nicht mehr benötigt, da jede Bohranlage mit einer Messund einer Transportwinde ausgestattet ist, und da der Einsatz des sog. losen Spills wegen der damit verbundenen Gefahren nur noch eingeschränkt erlaubt ist. Auch haben die älteren Hebewerke noch immer einen gesonderten Abtrieb, über den der Drehtisch angetrieben werden kann. Das war sinnvoll bei den dieselmechanisch betriebenen Bohranlagen, weil die Installation eines separaten Drehtisch-Dieselmotors, was durchaus gemacht wurde, wegen der Größe, des Lärms und der Abgase des Motors problematisch war. Deshalb wurde der Drehtisch in der Regel mittels Ketten oder Kardanwellen vom Hebewerk aus gefahren. Bei elektrischen Bohranlagen ist es jedoch einfacher und besser, schon wegen der besseren Steuerbarkeit, einen separaten Drehtisch-Elektromotor im Unterbau unter der Arbeitsbühne zu installieren. Hebewerke standen in der Frühzeit immer unmittelbar hinter der Arbeitsbühne, da Unterbauten damals noch nicht bekannt waren. Mit dem Aufkommen der Notwendigkeit von Unterbauten ergaben sich zwei Trends. Das Hebewerk wurde entweder ebenerdig unmittelbar hinter dem Unterbau installiert, oder es wurde und wird noch immer mit auf die Arbeitsbühne gehoben, wo es ebenfalls am maschinenseitigen Ende steht. Wegen der Lärmschutzverordnungen wird das Hebewerk jedoch in beiden Fällen meistens mit schallisolierenden Wänden verkleidet, so dass es auf jeden Fall, ob oben oder unten stehend, ferngesteuert werden muss. Das ist bei modernen Hebewerken ohnehin kein Problem mehr, weil heutzutage nicht nur die Steuerung der Kupplungen hydraulisch oder pneumatisch erfolgt, sondern weil auch der mechanische Bremshebel zum Betätigen der Bandbremse in den meisten Fällen schon durch einen Joystick ersetzt wurde, was bei gekapselten Hebewerken in der Regel ohnehin erforderlich ist. Die optische Überwachung des Seillaufes erfolgt dann mittels Fernsehkameras. Hebewerke werden entweder mit Kettengetrieben oder mit Zahnradgetrieben ausgestattet, wobei beide Systeme ihre Vor- und Nachteile haben. Die Kette zeigt eine größere Elastizität bei Stößen, ist leichter auszuwechseln und übt im Stillstand keine Vorspannung auf die Lager aus. Sie ist allerdings lauter als das Zahnradgetriebe, verschleißt stärker und schneller und kann reißen, was zu Betriebsstörungen führt. Zahnräder können dagegen nur in einer speziellen Werkstatt und nicht vor Ort ausgewechselt werden, haben dafür aber auch eine entscheidend längere Lebensdauer. Beide Systeme konkurrieren schon seit langem miteinander, wobei die verbreitetste Antriebsart noch immer der Kettentrieb ist.
3.6.2.4 Weiterentwicklung Hebewerke bestehen aus einer Reihe von Wellen mit Kettenradpaaren und Ketten, der Hauptbremse (Bandbremse) und der Zusatzbremse sowie den Antriebsmotoren. Bei älteren Ausführungen ist das Bedienungspult (Driller's Console) vielfach zusammen mit dem Hebewerk auf einem Rahmen montiert. Bei modernen Konstruktionen befindet sich das Bedienungspult separat im meistens abgekapselten Führerstand der Bohranlage. Die wesentlichen Komponenten sind:
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• Bedienungspult = Driller's Consol • Seiltrommel • Bandbremse = Hauptbremse • Hilfsbremse • Spillwelle mit Schlämmtrommel • Abtrieb zum Drehtisch Der Antrieb tendierte immer mehr zum Elektroantrieb, da dadurch der schwere Dieselmotor mit seiner Geräusch- und Abgasentwicklung von der Arbeitsplattform verbannt werden konnte. Sämtliche Wellen, teilweise auch das Bedienungspult, sowie die Hilfsbremse sind auf einem stabilen Stahlrahmen montiert, so dass das gesamte Hebewerk als eine Einheit transportiert werden kann. Bei sehr großen Hebewerkseinheiten kann diese für den Transport in zwei Teile zerlegt werden, wenn der Transport der gesamten Einheit Probleme verursachen würde. Im Betrieb ist das Hebewerk mit einer Metallverkleidung versehen, so dass alle beweglichen Teile verborgen sind und keine Unfallgefahr darstellen. Lediglich oberhalb der Seiltrommel ist eine Öffnung, durch die das Fahrseil auf die Trommel spulen kann. Das Gehäuse kann zwecks Inspektion von Ketten und Getrieben sowie zur Wartung derselben auch auf der Lokation leicht entfernt werden.
3.6.2.5 Bremsen Hauptbremse Bei den Bremsen einer Tiefbohranlage ist zu unterscheiden zwischen Bremsen für folgende Betriebsarten: • Stoppbremsen • Haltebremsen • Sicherheitsbremsen Stoppbremsen dienen dazu, rotierende Massen abzubremsen bis zum Stillstand. Haltebremsen dienen dazu, eine zum Stillstand gekommene Masse in diesem Zustand zu sichern, und Sicherheits- oder Fail-Safe-Bremsen dienen dazu, im Notfall eine rotierende Masse zum Stillstand zu bringen, dann, wenn die Stoppbremse nicht mehr hierzu in der Lage ist. Bandbremsen In der Vergangenheit waren auf Tiefbohranlagen als Stopp- und Haltebremsen ausschließlich Bandbremsen eingesetzt. Neuerdings finden sich immer mehr Scheibenbremsen, die bei kleineren Anlagen und damit kleineren zu bremsenden Lasten als Universalbremse eingesetzt werden können, bei größeren Anlagen mit größeren Lasten im wesentlichen als Halte- und Sicherheitsbremse.
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Abb. E-31: Kraft- und Druckverteilung bei einer Bandbremse [BgH]
Die Abb. E-31 zeigt die Kraftverteilung entlang eines Bremsbandes einer Bandbremse. Aus dieser Zeichnung ist auch ersichtlich, dass die Kraft vom Bremshebel nicht direkt auf das Bremsband übertragen wird, sondern über einen Hebel, so dass eine Kraft von nur 67 daN (= 670 N = ca. 67 kg) am Anfang des Bremsbandes eine Kraft von 1094 daN (= 10,94 kN = 1,094 t) erzeugt. Die Flächenpressung im Band steigt von 96 kPa (96 000 N/m2) am losen Ende auf 745 kPa (745 000 N/m2) am toten Ende. Die Bremswirkung einer Bandbremse ist das Gewicht bzw. die Kraft, die in einer bestimmten Zeit bis zum Stillstand abgebremst werden kann. Sie hängt von folgenden Faktoren ab: • Durchmesser der Bremstrommeln • Breite von Bremstrommel und Bremsband • Umschlingungswinkel. Der Durchmesser der Bremstrommel hängt vom Durchmesser der Fahrseiltrommel selbst ab, und dieser wiederum von der Masthöhe. Die Fahrseiltrommeldurchmesser liegen zwischen 11“ und 36“ (ca. 300 – 1000 mm). Der Durchmesser der Bremstrommeln liegt zwischen 3 und 5 ft (1 – 1,50 m). Die Breite des Bremsbandes liegt zwischen 200 und 260 mm. Als Belag werden handelsübliche Bremsbeläge verwendet. Die einzelnen Bremsbelagplatten sind schwach gebogen, etwa 30 cm lang und 2,5 – 3 cm dick. Sie werden mit dem Bremsband verschraubt oder vernietet. Der Umschlingungswinkel soll mindestens 270° betragen. Da die heutigen kompakten Hebewerke mit E-Antrieb und hochwirksamen HydraulikScheibenbremsen arbeiten, würde eine Beschreibung der Bandbremsen-Berechnung den Umfang dieses Buches nur unnötig vergrößern. Scheibenbremsen Neben den Bandbremsen gibt es neuerdings auch Scheibenbremsen als Hauptbremsen. Diese bestehen aus den folgenden Hauptkomponenten:
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• den Bremsscheiben • den Bremsbacken • dem Hydrauliksystem Ein Scheiben- Bremssystem besteht bei schweren Hebewerken aus zwei Bremsscheiben, bei leichteren Hebewerken aus einer Bremsscheibe mit gehärteter Oberfläche und innen liegenden Kühlwasserkanälen. Je nach Größe der Bohranlage und damit zu erwartenden Lasten sind die Bremsscheiben zwischen 2 und 3 Zoll dick. Der Scheibendurchmesser ist etwa 4 – 5 Zoll größer als der vergleichbarer Bremstrommeln.
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Überfahrsicherung Der Driller muss den Kloben beim Fahren ständig beobachten, damit dieser nicht in gefährliche Grenzsituationen kommt. Beim Absenken von Lasten müssen diese rechtzeitig abgebremst werden, damit der Kloben nicht auf den Drehtisch oder die Abfangeinrichtungen aufschlägt. Beim Hochfahren muss der Kloben rechtzeitig zum Stillstand gebracht werden, damit er nicht gegen das Rollenlager fährt und dieses möglicherweise aus der Verankerung reißt. Die optische Kontrolle wird heute schon vielfach durch Fernsehüberwachung durchgeführt. Zusätzlich sind die Bohranlagen in der Regel mit einem pneumatisch arbeitenden Notaus ausgestattet. Dabei handelt es sich um einen Sensor, der sich am Seileinlauf des Hebewerkes über der Fahrseiltrommel befindet. Er ist so eingestellt, dass er dann, wenn eine bestimmte Seillage eine bestimmte Stelle erreicht, vom aufspulenden Seil zur Seite gedrückt wird und dann die Energiezufuhr zum Hebewerk automatisch ausschaltet und so das Hebewerk stillsetzt (Crown-OMatic). Um das Hebewerk erneut zu starten, muss der Driller den Sensor erneut setzen (Resetting) und die Steuerluft ablassen. Hilfsbremsen Wenn der Driller die Band- oder Scheibenbremse löst, so bewegt sich der Flaschenzugblock mitsamt der Last durch die Schwerkraft nach unten und spult dabei das Fahrseil von der Seiltrommel ab. Durch die teilweise sehr großen Lasten ergeben sich hohe Geschwindigkeiten, so dass der Block manchmal nur schwer abzubremsen ist. Aus diesem Grunde haben Hebewerke auf der vom Driller Stand abgewandten Seite eine Hilfsbremse, die immer dann zugeschaltet wird, wenn sich der Kloben nach unten bewegt, so dass die Last immer mit einer bestimmten Geschwindigkeit bewegt wird und nicht in den freien Fall übergehen kann. Außerdem übernimmt die Hilfsbremse dadurch einen Teil der Bremskraft, die dann nicht mehr vom Driller über die Hauptbremse aufgebracht zu werden braucht. Hilfsbremsen arbeiten entweder hydraulisch (Wasserwirbelbremsen) oder elektrisch (Wirbelstrombremsen). Wasserwirbelbremse Die Wasserwirbelbremse besteht gern. Abb. E-32a aus einem Stator (C) mit festen Rippen (F) und einem innen liegenden Rotor (A) mit Rippen (E), die sich mit dem Rotor bewegen. Die Wirkung der Bremse beruht darauf, dass sie mehr oder weniger, je nach beabsichtigter Bremswirkung, mit Wasser gefüllt wird. Dieses Wasser wird vom Rotor in Bewegung versetzt und dabei gern. der Fliehkraftgesetze nach außen geschleudert. Hier wird es im Gehäuse zur Seite bewegt, wobei es in den Bereich der beiden außen liegenden Statorengerät.
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Abb. E-32a: Wasserwirbelbremse [BgH]
Das bedeutet, dass der Rotor das Wasser ständig scheren muss, wozu naturgemäß Energie benötigt wird. Je mehr Wasser sich in der Bremse befindet und je größer die Rotorgeschwindigkeit, desto größer ist die Reibung und damit die zum Scheren benötigte Energie, die letztlich dem System entzogen wird, was zur Bremswirkung führt. Das bedeutet, dass der Driller den Befüllungsgrad der Bremse mit Wasser der abzusenkenden Last anpassen muss. Je schwerer die Last, d. h. je tiefer die Bohrung, umso mehr, Wasser muss in die Bremse geleitet werden. Durch die Reibung in der Bremse wird Wärme erzeugt, so dass das Wasser sich aufheizt. Dabei läuft man allerdings Gefahr, dass man in den Bereich der Dampfentlösung kommt, was die Bremswirkung beträchtlich beeinträchtigen bzw. sogar ganz ausschalten würde. Die Austrittstemperatur des Wassers aus der Bremse soll etwa 80°C nicht überschreiten. Deshalb muss das Wasser ständig im Kreislauf durch die Bremse geleitet und nach dem Verlassen der Bremse entweder gekühlt oder abgeleitet werden. Das offene System, wobei Wasser aus der Wasserversorgung in die Bremse geleitet und anschließend entsorgt wird, wird immer dann angewendet, wenn genügend und entsprechend preiswertes Wasser zur Verfügung steht. Ist das nicht der Fall, so wird im geschlossenen System mit Wasserkühlung gefahren. Das Wasser wird dann nach dem Verlassen der Bremse durch einen Kühlturm oder Kühlschlangen geleitet. Die Hilfsbremse ist mittels einer Freilaufkupplung mit der Trommelwelle verbunden, so dass sie automatisch immer dann eingerastet wird, wenn die Last nach unten bewegt wird. Beim Ziehen läuft die Welle frei, die Bremse wird dann nicht aktiviert. Wirbelstrombremse Die Wirbelstrombremse besteht aus einer stromdurchflossenen, stationären Spule und einer auf der Welle befestigten Trommel, die mit der Welle wie die Fahrseiltrommel gedreht wird. Vom Fahrstand aus wird nun ein Strom (Gleichstrom) durch die Spule geschickt, wodurch die Spule zu einem Elektromagneten wird, dessen Magnetkraft von der Spannung des Stromes abhängt. Die magnetischen Feldlinien, die von den Magneten ausgehen, durchdringen die Trommel, die
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durch dieses stationäre Feld rotiert wird. Dabei werden in der Trommel sog. Wirbelströme (eddy currents) und damit elektromagnetische Kräfte induziert, die so gerichtet sind, dass sie die Bewegung (der Trommel), der sie ihre Entstehung verdanken, zu bremsen versuchen. Somit wird auf die Trommel ein Bremsmoment ausgeübt, das auf die Trommelwelle übertragen wird. Je größer somit Stromstärke und Wirbelströme sind, desto stärker ist auch das Reaktionsoder Bremsmoment. Auf diese Weise kann ein abgesenkter Strang nur mit Hilfe der Wirbelstrombremse bis zum Stillstand gebracht werden. Allerdings entsteht durch die Umwandlung von mechanischer Energie in elektrische Energie Wärme, die abgeführt werden muss. Das geschieht mittels Wasserkühlung. Das Wasser wird durch den Bremsenkörper hindurch geleitet, wobei es sich erwärmt. Auch hier gilt, dass das Wasser ausreichend gekühlt werden muss, bzw. dass im offenen Kreislauf mit ständiger Frischwasserzufuhr gearbeitet wird. Die Wirbelstrombremse muss nicht, wie die Wasserwirbelbremse, beim Hochfahren des Klobens mechanisch von der Trommelwelle getrennt werden, da bei dieser Bremse keine Teile mechanisch im Einsatz sind. Das bedeutet auch, dass der Verschleiß an dieser Bremse sehr gering ist. Beim Hochfahren muss der Driller lediglich die Bremse vom Stromnetz trennen. Die Trommel wird dann zwar bewegt, es werden jedoch keine bremsenden Wirbelströme erzeugt, also auch keine Bremswirkung. Die Vorteile der Wirbelstrombremse sind: • hohes Bremsmoment bei niedrigen Drehzahlen • Setzen der Keile ohne Benutzung der Band- oder Scheibenbremse • keine Freilaufkupplung erforderlich • keine Verschleißteile • geringere Belastung der Hauptbremse, Auffangen von Stößen beim Fahren der Trommel Abgesehen davon, dass die Kugellager zwischen Trommel und Welle von Zeit zu Zeit inspiziert und geschmiert werden sollten, und dass das Kühlsystem und der Wasserstand öfter zu kontrollieren sind, läuft eine Wirbelstrombremse nahezu wartungsfrei, da keine Verschleißteile vorhanden sind.
3.6.2.6 Kupplungen Kupplungen sind diejenigen Maschinenelemente, die die getriebenen Wellen mit den treibenden Wellen verbinden oder von diesen lösen und so verschiedene Geschwindigkeiten oder Drehmomente bewirken oder Maschinenteile wie z. B. Bremsen einrasten oder lösen. In einem Hebewerk werden folgende Arten von Kupplungen verwendet: • positive Kupplungen • Reibungskupplungen • Hydraulikkupplungen • Freilaufkupplungen Positive Kupplungen Die positive Kupplung ist der einfachste Kupplungstyp. Die einfachste positive Kupplung ist die Klauenkupplung (jaw clutch), wobei zwei Klauenpaare miteinander verbunden werden, wenn die Kupplung eingerastet wird. Eine andere Art ist die Splintkupplung. Hierbei besteht der eine Teil der Kupplung aus einem Wellenteil mit zahnartigen Erhebungen (Splinten), die in entsprechende Ausnehmungen der anderen Welle passen. Positive Kupplungen können nur im Stillstand geschaltet werden. Diese Kupplungen werden deshalb immer dort verwendet, wo ein häufiges Schalten nicht erforderlich ist. Im Bohrbetrieb befindet sich eine Klauenkupplung zwischen dem Compound und der Zwischenwelle zum He-
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bewerk, um die Antriebsmaschinen mit dem Hebewerk zu verbinden oder das Hebewerk still zu setzen. Positive Kupplungen stellen eine schlupffreie Verbindung zwischen zwei Wellenteilen dar. Beim Einrasten der Kupplungen ist darauf zu achten, dass die miteinander zu verbindenden Elemente genau gegenüber stehen, damit sie einrasten können. Reibungskupplungen Bei den im Bohrbetrieb gebräuchlichen Reibungskupplungen handelt es sich entweder um Einoder Mehrscheibenkupplungen (Lamellenkupplungen) oder um luftbetriebene sog. AirflexKupplungen. Alle diese Kupplungen lassen sich während des Betriebes schalten, wobei Luft als Steuermedium verwendet wird. Ein- und Mehrscheibenkupplungen bestehen aus Scheiben, die große Reibflächen haben, die zusammengepresst werden und dabei selbst sehr große Drehmomente übertragen können. Bei den Mehrscheibenkupplungen sind zwei Arten von Lamellen abwechselnd eingebaut, wobei auf einer Lamelle ein Sinterbelag o.ä. aufgebracht ist. Bei den sog. Sinuslamellenkupplungen sind auf der treibenden Welle sinusförmige Scheiben befestigt, die auf der Achse verschiebbar gelagert sind, und die beim Aktivieren der Kupplung gegen die mit dem Außenring der Kupplung verbundenen scheibenförmigen Elemente gepresst werden, wobei die Sinuslamellen elastisch verformt bzw. geglättet werden und dadurch ein Drehmoment von dem treibenden zum getriebenen Teil übertragen.
Abb. E-32b: Sinus-Lamellenkupplung [BgH]
Flüssigkeitskupplungen Neben den Reibungskupplungen werden auch Flüssigkeitskupplungen eingesetzt, die bezüglich ihrer Konstruktion aus den Strömungsgetrieben bzw. Drehmomentenwandlern hervorgegangen sind. Sie bestehen aus einem Pumpen- und einem Turbinenrad (Primär- und Sekundärrad), wobei letzteres auf der zu treibenden Welle sitzt. Die beiden schalenförmigen Räder stehen sich mit geringem Abstand gegenüber. Im Inneren sind sie mit radial verlaufenden, senkrecht stehenden Rippen versehen, die als Schaufeln dienen.
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Die Abdeckhaube des Turbinenrades (auf der getriebenen Welle) ist mit dem Pumpenrad (auf der treibenden Welle) verschraubt und bildet gemeinsam mit diesem das rotierende Gehäuse. Im Betrieb schleudert das Pumpenrad die Ölfüllung radial nach außen, wobei diese in das Turbinenrad übertritt und dann wieder zurück in das Pumpenrad strömt. So entsteht ein Flüssigkeitskreislauf, wobei die Energie vom Pumpenrad auf das Turbinenrad durch die Flüssigkeit übertragen wird, da diese auf die Schaufeln des Turbinenrades trifft und dieses somit in Drehbewegung versetzt. Flüssigkeitskupplungen haben einen geringen Schlupf von etwa 3%. Ohne einen solchen Schlupf wäre die Übertragung eines Drehmomentes nicht möglich, da die Flüssigkeit bei gleicher Drehzahl von Pumpen- und Turbinenrad aufhören würde zu zirkulieren und damit keine Kräfte mehr übertragen könnte.
Abb. E-33: Flüssigkeitskupplung [BgH]
Bei Flüssigkeitskupplungen kann die Sekundärseite festgebremst werden, ohne dass dadurch der Motor „abgewürgt“ wird. Nun beträgt allerdings der Schlupf 1 00%, was zu einer sehr starken Scherung der Flüssigkeit führt, die sich infolgedessen sehr stark erwärmt. Um generell eine Überhitzung der Kupplung auszuschließen, sind Flüssigkeitskupplungen mit Schmelzsicherungen ausgestattet, die bei Temperaturen von 160 — 200°C schmelzen und so die Kupplungsfüllung abfließen lassen. Freilaufkupplungen Freilaufkupplungen (overrunning clutch) sind Spezialkupplungen, die in einer Drehrichtung eingerastet werden, in der anderen jedoch ausrasten. Beides geschieht automatisch und hat den Vorteil, dass ein Maschinenelement wie beispielsweise die Hilfsbremse nur dann eingeschaltet wird, wenn sich der Haken nach unten bewegt, nicht jedoch, wenn er nach oben fährt. Durch das Dazwischenschalten einer Freilaufkupplung kann z. B. niemals vergessen werden, die Hilfsbremse beim Hochfahren auszuschalten. Wird die Kupplung entgegen dem Uhrzeigersinn gedreht (= Hochfahren des Klobens), wie aus Abb. E-34) ersichtlich wird, so drehen die Klemmrollen ebenfalls rechts herum auf dem glatten Laufring des äußeren Zahnrades und werden dabei nach rechts in die keilförmige Ausnehmung des inneren Rades, also des angetriebenen Rades, gedreht. Die Rollen haben hier genügend Platz um sich frei zu drehen. Ein Kraftschluss entsteht nicht, der äußere Zahnkranz bewegt sich nach rechts, die innere Scheibe bleibt stehen.
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Abb. E-34: Freilaufkupplung [BgH]
Wird nun der äußere Zahnkranz nach links bewegt (im Uhrzeigersinn), so drehen sich die Klemmrollen auf ihrer Laufbahn ebenfalls nach links und bewegen sich dabei auch nach links in den Keil des angetriebenen Rades hinein. Dort verklemmen sie und übertragen das Drehmoment von dem äußeren Zahnring auf die innere Scheibe (Abb. E-34 rechts). Bei Änderung der Drehrichtung werden mit Hilfe von Druckfederplatten (in Abb. E-34 nicht dargestellt) die Klemmrollen wieder in den erweiterten Teil gedrückt und somit frei. Die Verbindung zwischen den beiden Kupplungsteilen ist somit wieder gelöst.
3.6.2.7 Ketten Ketten werden nicht nur in Kettenhebewerken, sondern ebenso in den Verbundgetrieben oder Compounds verwendet. Die in beiden Maschinen eingesetzten Ketten unterscheiden sich grundsätzlich nicht voneinander. Ketten werden je nach Anforderungen und zu übertragender Kraft als Einfach-, Duplex-, Triplex- oder Mehrfachketten ausgelegt. Es werden heute ausschließlich Rollenketten verwendet. Ketten für den Bohrbetrieb sind hinsichtlich ihrer Abmessungen, Metergewichte und Belastbarkeit von API genormt.
Abb. E-35: Aufbau einer Rollenkette [BgH]
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Bei den Rollen- oder Laschenketten werden die parallelen Laschen (roller link plate) durch Distanzhülsen (bushings) zusammengehalten. Auf den Distanzhülsen sitzen Rollen (rollers), die außen und innen kalt gehärtet sind. Das geschieht dadurch, dass Stahlkügelchen auf das Material aufgeschleudert werden (Kugelstrahlung), wodurch die Rollenkörper ermüdungsfest und unempfindlich gegen Stöße und Eindrücke der Kettenräder werden. Die Distanzhülsen sind nicht beweglich, die Rollen beweglich. Durch Bolzen (pins) werden die Kettenglieder miteinander verbunden. Dabei sind die Bolzen fest mit entsprechenden Laschen (pin link plate) verbunden und liegen im Inneren der Distanzhülsen. Wird eine Kette über ein Kettenrad gebogen, so geschieht die Biegung zwischen den Kettengliedern zwischen Bolzen und Distanzhülse. Bei Mehrfachketten greift der Bolzen durch mehrere Distanzhülsen hindurch. Die inneren Kettenglieder werden wiederum von den Bolzen und den Laschen zusammengehalten (s. Abb. E-36). Alle Ketten werden nach folgenden Maßen bewertet (Abb. E-36): Teilung (pitch): das ist der Mittenabstand zwischen zwei benachbarten Bolzen (A). Rollendurchmesser (roller diameter, (B) lichter Weite zwischen den Innenlaschen (roller width, (C) Gesamt-Breite der Kette (D). Diese Maße werden auch als Eingriffsmaße bezeichnet, da sie Form und breite des für die Kette passenden Kettenrades bestimmen. Abb. E-36: Kettenmaße [BgH]
Abb. E-37: Mehrfachkette [BgH]
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Nach API Spec 7F gibt es folgende Kettencodierung anhand der erkannt wird, um welche Type Kette es sich jeweils handelt. Die Codierung ist wie folgt aufgebaut:
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Ketten-Serie: H =
heavy series Pitch = ¾" und größer dickere Verbindungsplatten kann höhere Kräfte übertragen, geringe Geschw. Ohne Buchstaben = Standard Serie Kettenart: 0 = Rollenkette 1 = Leichtkette mit Ketten-Nr. 41 = Standard = einzige Leichtkette 5 = rollenlose Kette mit Ketten-Nr. 25 und 35 = einzige rollenlose Ketten Anzahl der Stränge: 2 = Duplexkette 3 = Triplexkette etc. Rollenketten erhalten eine erste Schmierung bei der Herstellung. Dabei wirkt erwärmtes Schmiermittel unter Vakuum auf die Kette ein und dringt somit auch in das Innere der Kette, das später nicht mehr erreicht wird, ohne dass sich dort Lufttaschen bilden. Solche Bereiche würden im späteren Betrieb sehr schnell verschleißen. Im Betrieb muss stets für ausreichende Schmierung der Ketten gesorgt werden. Das geschieht entweder dadurch, dass die Ketten durch ein Ölbad geleitet werden, oder dass Schmieröl mittels Pumpen über die Ketten gesprüht wird. Auch durch entsprechend Abdeckung dafür zu sorgen, dass Verunreinigungen oder Spritzwasser etc. von den Ketten ferngehalten werden. Gleichzeitig dienen entsprechende Kettenkästen als Unfallschutz. Ketten müssen immer die entsprechende Vorspannung haben, damit die Kräfte auch bei höheren Geschwindigkeiten exakt übertragen werden können und die Ketten nicht schlagen. Trotzdem soll eine maximale Kettengeschwindigkeit von 16 m/s nicht überschritten werden. Kettenräder bestehen aus verschleißfestem Manganstahlguss. Sie müssen exakt ausgerichtet sein, damit die Ketten nicht schräg laufen. Das würde zu extremem, einseitigem Verschleiß an Kette und Kettenrad führen.
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3.6.3 Moderne Hebewerkskonstruktionen
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In den vorstehenden Kapiteln wurde der Aufbau von „normalen“ Hebewerken besprochen mit Kettengetriebe, Bandbremse, Schlämmtrommelwelle und Spillwelle, Hilfsbremsen und den entsprechenden Kupplungen. Diese Art von Hebewerken ist auch heute noch überwiegend im Einsatz, da die amerikanischen Hersteller nach wie vor nach dieser Konzeption arbeiten, und da Hebewerke in der Regel eine sehr große Lebenserwartung haben, so dass die meisten Bohranlagen weltweit noch mit diesen Hebewerken bestückt sind. Moderne Hebewerkskonstruktionen haben jedoch eine etwas andere Grundkonstruktion. So wurden z. B. in Deutschland von der Firma WIRTH schon in den 60er Jahren Hebewerke mit Zahnradgetrieben statt Kettengetrieben ausgestattet. Diese Hebewerke wurden als Getriebehebewerke (GH) bezeichnet. GH wurde zum Markenzeichen der WIRTH Hebewerke. Solche Zahnradgetriebe sind heute in der Hebewerkstechnik üblich und ersetzen das Kettengetriebe. Auch fallen heute Spill und Schlämmtrommelwelle mit Zubehör weg, da diese Elemente nicht mehr benötigt werden, wie bereits zum Ausdruck gebracht wurde, und die Konstruktion nur unnötig belasten und verteuern. Außerdem kann heute auf die Bandbremse als sog. Hauptbremse verzichtet werden, weil das Abbremsen der Last am Haken sowohl durch andere Maßnahmen wie die Vier-Quadranten-Technik besser, sicherer und sanfter erfolgen kann als mittels der Bandbremse. Aus diesem Grunde werden moderne Hebewerke u.a. mit Scheibenbremsen ausgestattet, die dann im Wesentlichen als Feststellbremsen dienen. Das Getriebehebewerk des GH 1250 EG besteht aus folgenden Baugruppen [3]: • Schaltgetriebe • Aufsteckgetriebe • Seiltrommel • Elektromotor • Nachlassvorrichtung • Scheibenbremsen • Wirbelstrombremse • Hydraulikaggregat für Scheibenbremsen • und den sonstigen Zubehörteilen wie Grundrahmen, Abdeckung etc. Der Grundrahmen dient zur Aufnahme des Schaltgetriebes, der Flaschenzugtrommel, der Scheibenbremse, des Öltanks und der Wirbelstrombremse. Das Aufsteckgetriebe ist auf der Trommelwelle montiert und wird am Grundrahmen gegen Verdrehen gehalten. Dieses Getriebe verbindet die Ausgangswellen der beiden dreistufigen Schaltgetriebe mit der Trommelwelle. Als Antriebsmotor dient ein Gleichstrommotor mit 1250 kW der eine Windenkraft von 2776 kN erzeugt. Die Leistungsübertragung erfolgt jeweils durch drehelastische Kupplungen in die beiden dreistufigen Schaltgetriebe. Im Schaltgetriebe sind drei hydraulisch arbeitende Scheibenkupplungen angeordnet. Die Ausgangswellen der beiden Getriebe sind parallel am Aufsteckgetriebe platziert und durch Bogenzahnkupplungen mit den Getriebewellen des Aufsteckgetriebes verbunden. Die Fahrseiltrommel ist mit einem LEBUS Seilspulsystem ausgerüstet und wird im Normalbetrieb mit drei Seillagen gefahren. Die auftretende Belastung im Flaschenzugseil wird durch eine Scheibenbremse mit drei Bremszangen gehalten. Die Scheibenbremse ist als Halte- und Parkbremse konzipiert und wird durch Federkraft geschlossen. Die Bremse wird bei jedem Anfahrvorgang und beim Einschalten
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der Nachlassvorrichtung hydraulisch gelüftet und nach jedem Anhaltevorgang bzw. bei Stromausfall automatisch durch Federkraft geschlossen (Fail-Safe-Einrichtung). Das Abbremsen erfolgt mittels des Antriebsmotors, der so gefahren wird, dass der abzusenkenden Last, die aufgrund ihres Gewichtes eine bestimmte Beschleunigung bewirkt und damit eine nach unten gerichtete Kraft ausübt, eine entsprechende Gegenkraft entgegen gesetzt wird, die nur eine bestimmte Sinkgeschwindigkeit zulässt. Die Steuerung erfolgt über die Stromzufuhr zum Motor. Dadurch kann das Motormoment variiert werden und bis zum Stillstand des Hakens gebracht werden. Das Hebewerk ist mit einer Nachlassvorrichtung ausgestattet, die es ermöglicht, das Bohrwerkzeug feinfühlig mit einer Geschwindigkeit von 0,5 – 52 m/h im Senkbetrieb zu fahren. Eine Sicherheitsschaltung gewährleistet, dass die Last auf jeden Fall übernommen wird. Die Nachlassgeschwindigkeit lässt sich über ein in der Bedienungskabine befindliches Regelorgan stufenlos zwischen den genannten Geschwindigkeiten einstellen. Mit Hilfe der Nachlassvorrichtung ist es auch möglich, den Strang zu heben, um z. B. im Notfall bei Ausfall der Elektromotoren, den Meißel von Sohle zu ziehen bzw. den Strang in sehr langsamem Tempo auszubauen. Die Leistungsumsetzung der Nachlassvorrichtung erfolgt durch zwei Drehstrom-Elektromotoren von je 22 kW mit Frequenzregelung. Nachlassvorrichtung und Hebewerk werden über eine Fernbedienung vom Driller-Stand aus gesteuert und überwacht.
Abb. E-38: Getriebewindwerk AkerWirth Typ GH 1250 EG [BgH / Wirth]
Das Hebewerk ist mit drei Gängen ausgestattet, die jeweils im Stillstand vorgewählt werden müssen, wobei der 1. Gang über Federkraft geschaltet, jedoch hydraulisch gelüftet wird. Dies hat den Vorteil, dass bei Ausfall des Schaltdruckes oder Stromausfall in jedem Fall der 1. Gang eingelegt ist. Die Anhängelasten des 2. und 3. Ganges werden jeweils am Drillometer überwacht. Bei Überlast in einem dieser Gänge betätigt ein Druckschalter am Drillometer das
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jeweilige Magnetventil für die Gangwahl, schaltet automatisch den 1. Gang ein und schließt die Bremse. So ist sichergestellt, dass die Last in jedem Fall gehalten wird. In Abb. E-38 ist das WIRTH-Hebewerk GH 1250, schematisch dargestellt, wobei die einzelnen Einheiten besonders gekennzeichnet sind. Moderne Hebewerke sind mit einem Anti Collision System (ACS) ausgestattet sind. Dieses System bestimmt u. a. auch den Punkt über der Arbeitsbühne, ab dem der Block aus der konstanten Geschwindigkeit in die Verzögerung eintritt, und mit welcher Verzögerung gefahren werden muss, damit der Block auf den Punkt genau über der Arbeitsbühne bzw. dem Drehtisch zum Stehen kommt. Das ACS erfasst über Sensoren die Geschwindigkeit und die jeweilige Position des Blocks und berechnet zu jedem Zeitpunkt den Bremsweg bis zum Stillstandspunkt oberhalb des Drehtisches. Ergibt die Berechnung, dass der Bremsweg größer ist als der verbleibende Weg, so wird eine Notbremsung eingeleitet. Dabei werden automatisch, also ohne jegliches Dazutun des Drillers, alle Bremsen eingerückt (Fail-Safe-Situation). Eine der modernsten Hebewerkskonstruktionen ist das AkerWirth Hebewerk GH 6000 Abb. E-39), das folgende Hauptkenndaten hat: E-Motor-Leistung [Power rating): 6000 kW Windenzugkraft (Pulling force): 11900 kN Seilgeschwindigkeit (max. hock speed): 1,7 m/s Maße (Dimension) L x B x H: 9400 x 4800 x 3200 mm Gewicht (Weight): ca. 100 t
Abb. E-39: AkerWirth- Getriebewindwerk Typ GH 6000 EG [Wirth]
Die AkerWirth Getriebewindwerke haben einen ausgezeichneten Ruf. Eine sehr große Anzahl der weltweit betriebenen Rigs im Onshore- und Offshore-Bereich sind mit diesen Hebewerken ausgerüstet.
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Tafel E-1: Tabelle einiger AkerWirth-Hebewerke 1250 – 2500 PS Type GH Antriebsleistung PS Zugkraft kN Seilgeschwindigkeit m/s Maße L/B/H mm Gewicht t
1250 EG DC-LV 1250 2776 1,80 8200/2500/2400 35
1500 EG AC-SV 1500 2961 1,80 7200/3500/2350 38
2000 EG AV-SV 2000 4536 1,54 7800/3500/2400 57
2500 EG AC-SV 2500 6004 1,54 7800/3500/2400 57
Tafel E-2: Tabelle einiger AkerWirth-Hebewerke 3000 – 6000 PS Type GH Antriebsleistung PS Zugkraft kN Seilgeschwindigkeit m/s Maße L/B/H mm Gewicht t
3000 EG AC-LV 3000 7663 1,54 9500/3000/2450 57
4500 EG AC-LV 4500 8881 1,75 11300/3200/4600 87
5000 EG DC-SV 5000 9328 1,70 8900/4600/3000 95
6000 EG AC-SV 6000 11900 1,70 9400/4800/3200 100
3.6.4 Seilspulsysteme Beim Aufspulen eines Seiles oder eines Kabels auf eine Trommel muss darauf geachtet werden, dass das Seil oder Kabel Lage für Lage auf die Trommel aufgespult wird, so dass es nicht an einer Seite der Trommel zu einer Anhäufung von Seil kommt, während sich an der anderen Seite kein Seil befindet. Das ist jedoch recht schwierig zu bewerkstelligen, so dass Seiltrommeln in der Regel mit einem Seilspulsystem ausgestattet sind. Das können im einfachsten Fall gewindeförmige Rillen gleichmäßiger Steigung sein, die auf den Trommelmantel aufgebracht werden. Dadurch wird das Seil bei sich drehender Trommel gewindeförmig auf die Trommel aufgespult und verteilt sich dabei gleichmäßig über die Trommeloberfläche. Die nachfolgenden Seillagen legen sich in umgekehrter, gewindeförmiger Richtung über die vorhergehende Seillage. Nachteil dieses Systems ist es jedoch, dass sich die obere Seillage nicht in die Rillen oder Zwischenräume zwischen benachbarten Seilen der unteren Lage einfügen können, da sie entgegengesetzt gerichtet sind (z. B. untere Lage verläuft nach links, obere nach rechts). Dadurch liegen die Seile der einzelnen Lagen immer kreuzweise übereinander, was zum Einschneiden der Seile der einzelnen Lagen und damit zum Verschleiß führt. An dem Punkt, wo das Seil von der ersten in die zweite Lage usw. überspringt kommt es außerdem zur Bildung eines Wulstes, wie aus Abb. E-40 hervorgeht, was wiederum zu Unwuchten und damit zu starken Trommel- und Seilschwingungen und zu erheblichen Lagerbelastungen führt.
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Abb. E-40 : Wulstbildung beim Übergang von der unteren in die obere Seillage beim normalen Aufspulen des Seiles [BgH]
LEBUS hat deshalb ein Seilführungssystem eingeführt, das diese Nachteile vermeidet. Das LEBUS Prinzip, das heutzutage bei allen Fahrseiltrommeln im Tiefbohrbetrieb zu finden ist, beruht darauf, dass der Umfang des Trommelkernes in vier Abschnitte unterteilt ist, und zwar zwei parallele, in denen das Seil parallel läuft, und in zwei Steigungsabschnitten, in denen die Seildrillung mit halben Seildurchmesser als Steigung verläuft. Die beiden parallelen Abschnitte nehmen etwa 70 – 80% des Trommelumfanges ein. Um das Seil in der ersten Lage einwandfrei zu führen, sind an den Steigungsabschnitten Keile und Steigungssegmente angebracht, die dem halben Seildurchmesser entsprechen. An einer Seite der Trommel ist der Flansch durchbohrt. Durch dieses Loch wird das Seilende von der Trommel hinweg durch den Trommelflansch nach außen geführt und verkeilt. Dieser Keil wird immer dann, wenn das Seil gekürzt werden soll, gelöst, so dass das zu kürzende Seilende freigelegt und abgeschnitten werden kann.
Abb. E-41: Seiltrommel mit LEBUS Seilspulsystem [LRBUS]
Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass die LEBUS Berillung dem jeweiligen Seildurchmesser angepasst werden und bei Änderung des Fahrseiles ausgewechselt werden muss. Das gilt auch für den Fall, dass das Berillungssystem entsprechenden Verschleiß aufweist. Aus diesem Grund wird die Berillung in gesonderte, gewölbte Platten eingebracht, die dann als Halbschalen auf den Trommelmantel aufgeschraubt werden (Abb. E-41).
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Das Seilspulsystem ist so aufgebaut, dass sich bei mehreren Seillagen ein pyramidenförmiger Aufbau im Querschnitt durch die Trommel ergibt, wobei die Kraftlinien jeweils durch die Mittelpunkte des Seilquerschnittes gehen. Durch den pyramidenförmigen Aufbau der Seillagen wird ein Kreuzen und Einschneiden der Seile auch dann vermieden, wenn das Seil unter Zuglast steht und auf die Trommel gepresst wird.
Abb. E-42: LEBUS Seilspulsystem im Querschnitt [LEBUS]
Abb. E-42 zeigt den Querschnitt durch eine Seiltrommel mit LEBUS Seilführungssystem. Ist dieses System z. B. für einen Seildurchmesser von 1.1/8“ ausgelegt, so ist auch die einwandfreie Spülung von Seildurchmessern möglich, die einen etwas kleineren Durchmesser als den Nenndurchmesser (1.1/8“) haben, nämlich 1.1/16“, z. B. durch Verschleiß des Seiles, oder die einen etwas größeren Durchmesser haben, nämlich 1.11/64“ (Seil mit Übertoleranzen). Auch ist zu erkennen, dass die Anzahl der Seillagen keinen negativen Einfluss auf den pyramidenförmigen Aufbau der Seillagen hat, wenngleich in der Praxis nicht mehr als zwei Seillagen angestrebt werden sollten. Ermittlung des Fassungsvermögens einer Seiltrommel Das Fassungsvermögen an Fahrseil lässt sich für Seiltrommeln nach folgender Gleichung ermitteln: LS = (A + B) × A × B × K [m] H − D − 2Y A= [cm] 2 Es bedeuten: B D H K Y
Flanschenabstand [cm] Trommeldurchmesser [cm] Durchmesser der Trommelflansche [cm] Faktor gem. Tabelle Flanschhöhe, die nicht mit Seil gefüllt ist.
Seildurchmesser [in] 1 1.1/8 1.1/4 1.3/8 1.1/2 1.5/8 1.3/4 1.7/8 2
Faktor K 0,00445 0,00355 0.00283 0,00236 0,00199 0,00165 0,00143 0,00126 0,00111
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Berechnungsbeispiel: Wie viel Meter 1.3/8″ ҏSeil passen auf eine Trommel mit folgenden Abmessungen: Flanschdurchmesser H = 125,0 cm Trommeldurchmesser D = 28“ = 71,12 cm Seildurchmesser 1.3/8“ K = 0,00236 Flanschhöhe Y = 20,44 cm Trommelbreite B = 175,00 cm 125,00 − 71,12 − 2 ⋅ 20, 44 A= =6,50 cm 2 LS = (6,50 + 71,12) 6,5 · 175,00 · 0,00236 = 208,37 m
Abb. E-43: Fahrseiltrommel mit Abmessungen gem. Seillängenberechnung [BgH]
3.6.5 Automatische Nachlassvorrichtung In früheren Zeiten wurde der Bohrstrang beim Bohren dadurch nachgelassen, so dass immer genügend Belastung auf dem Bohrwerkzeug war, indem man die Bandbremse des Hebewerks kurz lockerte, um so Fahrseil nachzulassen und den Strang entsprechend dem abgebohrten Betrag abzusenken. Diese Vorgehensweise ist jedoch nicht optimal, da man zum einen niemals den exakten Betrag der Meißelbelastung halten kann, zum andern führt das ständige Lösen und Feststellen der Bandbremse zu einer erheblichen Lärmbelästigung. Aus diesen Gründen versuchte man schon frühzeitig, sog. automatische Nachlassvorrichtung zu entwickeln, die den einmal eingestellten Betrag der Meißelbelastung konstant hielten, indem sie das benötigte Fahrseil automatische entsprechend dem Bohrfortschritt nachließen. Diese Systeme arbeiteten jedoch zunächst alle mechanisch über die Bandbremse, so dass die Lärmbelästigung nur unbedeutend verringert werden konnte. Man versuchte deshalb Systeme zu entwickeln, die unabhängig von der mechanischen Bremse arbeiten, bei denen somit die Bremse vollständig gelöst ist.
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Hierfür bieten sich zwei Arten von Motoren an, die mit der Haupttrommelwelle verbunden und so eingestellt werden, dass sie ein Drehmoment aufbringen, das nur unwesentlich unter dem Drehmoment liegt, das die Last am Bohrhaken erzeugt. In einem solchen Fall würde die Last am Haken langsam nach unten gleiten, gebremst von dem vom Motor aufgebrachten Gegenmoment. Die beiden Motorarten sind zum einen der Hydromotor, zum andern der Drehstrommotor. Der Hydromotor kann ebenso wie der Drehstrommotor auch als Antriebsmotor des Hebewerkes eingesetzt werden und so die Welle steuern. Da jedoch hydrostatische Antriebe wie auch Drehstrommotoren als Hauptantrieb von Tiefbohranlagen noch recht ungebräuchlich sind, werden diese Motoren als Hilfsantriebe geschaltet, wobei im wesentlichen der Drehstrommotor Verwendung findet, wenn keine Hydraulikaggregate auf der Anlage verfügbar sind. Der Motor wird dann mittels eines Getriebes mit der Haupttrommelwelle verbunden und bremst diese wie beschrieben ab. Der Drehstrommotor ist hierfür insofern besser geeignet als der Gleichstrommotor, weil der Drehstrommotor mit einem Kurzschlussläufer versehen ist, so dass er unter Last im Stillstand gehalten werden kann, ohne dass dabei, wie beim Gleichstrommotor, die Bürsten auf dem Kommutator festbrennen. Wie bereits bei der Besprechung der modernen Hebewerke beschrieben wurde, haben die Drehstrommotoren für die Nachlassvorrichtung geringe Leistungen (z. B. 2 x 22 kW) und sind über das Getriebe nicht nur in der Lage, den Strang nachzulassen, sondern diesen auch im Notfall langsam von Sohle zu ziehen bzw. sogar auszubauen. Der Vorteil dieser Nachlassvorrichtungen liegt in der guten Steuer- und Regelbarkeit. So können variable Nachlassgeschwindigkeiten (z. B. 0,5 -52 m/h beim WIRTH GH 2000 EG Hebewerk) eingestellt werden. Allerdings ist eine bestimmte Mindestgeschwindigkeit bzw. Mindestdrehzahl des Motors erforderlich, damit das System kontinuierlich abspult und nicht ruckelt. Hinzu kommt, dass sie nicht mehr mechanisch arbeiten und somit weniger anfällig, weniger laut und damit umweltfreundlicher arbeiten. Generell kann gesagt werden, dass mittels einer Nachlassvorrichtung schonender und besser gebohrt werden kann, als wenn das von Hand mittels der Bandbremse geschieht.
3.6.6 Elevatoren 3.6.6.6 Allgemeines Elevatoren sind Hebeeinrichtungen, die den Bohr- oder Casingstrang umfassen, so dass er angehoben oder abgesenkt werden kann. Der Elevator hat an beiden Seiten Laschen, mit denen er in die Augen der Elevatorbügel eingehängt wird und so mit dem Haken verbunden werden kann. Diese Bügel haben eine Länge zwischen etwa 0,5 und 3,0 m, da der im Elevator hängende Strang immer um einen gewissen Betrag über den Kopf des Elevators herausragt, und außerdem der Elevator um den Strang befestigt werden muss, wozu ein gewisser Fahrweg benötigt wird. Man unterscheidet zwischen den Klappen-Elevatoren und den Slip-Type Elevatoren. • Klappen-Elevatoren • Side Dorr Elevatoren • Centre Latch Elevatoren • Slip-Type Elevatoren
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3.6.6.7 Klappen-Elevatoren Klappen-Elevatoren sind relativ einfach in ihrem Aufbau. Sie bestehen aus einem schalenförmigen Stahlgusskörper, der so gestaltet ist, dass er um den Strang (Bohr-oder Casingstrang) gelegt und geschlossen werden kann. Der Innendurchgang des Elevators entspricht somit dem Außendurchmesser des Stranges. Der Elevator hat am oberen Ende eine Schulter, mit der er unter den Tooljoint oder Casingverbinder fährt. Somit wird die gesamte Stranglast vom Verbinder auf den Elevatorkörper übertragen. Man unterscheidet bei diesem Typ von Elevatoren zwischen den Side Door Elevatoren und den Centre Latch Elevatoren.
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Side Door Elevatoren Die Side Door Elevatoren haben eine kompakte, hintere Halbschale und eine türförmige, vordere Halbschale, die mittels eines Scharniers mit dem festen Teil verbunden ist. Diese Tür wird geöffnet und der Elevator unterhalb des Tooljoints oder Verbinders gefahren. Dann wird der Strang in die hintere Halbschale gelegt und die Tür geschlossen und mittels eines speziellen Mechanismus, bestehend aus einer Sperrklinke (pawl) und einem Riegel (latch) verriegelt.
Abb. E-44: links: Elevator mit bügeln – rechts: Side Door Elevator [BgH]
Centre Latch Elevatoren Die Centre Latch Elevatoren bestehen aus zwei Teilen, die in der Mitte mittels eines Scharniers (hinge) miteinander verbunden sind (Abb. E-45). Beide Teile werden somit seitlich weggeklappt, wenn der Elevator über den Strang gefahren wird. Sodann werden die beiden Teile zentrisch zusammengeklappt und mittels Sperrklinke (pawl) und Nocken (cams) verriegelt. Bei beiden Typen muss noch unterschieden werden, mit welcher Abfangschulter der Elevator ausgestattet ist. Es gibt Elevatoren mit 90° Schulter, die unter die entsprechende Schulter von
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Verbindern greifen, und solche, die mit einer 18° Schulter ausgestattet sind, um unter die entsprechende Schulter des Tooljoints von Bohrgestänge zu greifen. Wichtig ist, dass der Verschluss dieser Elevatoren gut und fest schließt und unter Last nicht geöffnet werden kann. Verschlüsse und Scharniere, die zu viel Spiel haben, können dazu führen, dass der Elevator im unteren Bereich geöffnet wird, wodurch die Gefahr besteht, dass der Strang aus dem Elevator gleitet. Um ein Öffnen unter Last zu vermeiden, sind die Verschlüsse mit entsprechenden Sicherungen versehen.
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Abb. E-45: links: Centre Latch Elevator – [BgH]
3.6.6.8 Slip-Type Elevatoren Slip-Type Elevatoren greifen nicht unter die Schulter des Stranges und vermeiden somit die hohen Kräfte, die ansonsten auf die Verbinder aufgebracht werden, da das gesamte Stranggewicht, bei Fangarbeiten sogar noch die aufgebrachten Überlasten, von einem einzelnen Verbinder getragen werden muss. Diese Elevatoren sind mit einem Keilkranz ausgestattet, der sich um den Rohrkörper schließt und somit eine Radialkraft überträgt. Die mit Messern versehenen Keile gleiten im Elevator auf einem Konus und schließen somit fest um das Rohr. Je größer die zu hebende Last, desto größer wird die Axialkraft, die die Keile in den Konus zieht und damit radial auf den Rohrkörper presst.
Abb. E-46a: Slip-Type Elevator [BgH]
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Die Keile sind auswechselbar, da sie dem Verschleiß unterliegen. Um sicher zu stellen, dass der Elevator seiner Aufgabe genügt, müssen die Messer immer sauber gehalten und bei Verschleiß ausgetauscht werden. Die Keile werden dadurch aktiviert, dass ein Setzring (setting ring) unter den Verbinder des Stranges rutscht und dadurch eine Axialkraft auf die Keile (slips) ausübt und diese in den Konus presst. Wird die Axialkraft auf null reduziert, indem z. B. der Strang in den Abfangkeilen abgesetzt und der Elevator entlastet bzw. nach unten gefahren wird, so lösen entsprechende Federn die Keile wieder vom Strang, so dass der Elevator gelöst werden kann.
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3.6.6.9 Spezielle Casing-Elevatoren Neben den vorstehend besprochenen Elevatoren gibt es auch noch spezielle Casing-Elevatoren, die speziell für größere Rohrdurchmesser konzipiert sind. Hierzu zählen im Wesentlichen die sog. Spider-Elevatoren (spider = Spinne), Elevatoren, die besonders für sehr hohe Lasten zum Einbauen von sehr langen, schweren, großkalibrigen Casingsträngen verwendet werden. Sie haben am unteren Ende eine konische Führungsglocke (guide bell), damit dann, wenn der Elevator über das Rohr gefahren wird, ein besseres Einfädeln möglich ist und Beschädigungen an der oberen Schulter des Verbinders vermieden werden. Im Inneren des Elevators befindet sich wieder ein Keilkranz, der jedoch in diesem Fall vom Operator, teilweise aber auch automatisch gesetzt wird, wenn der Elevator nach oben bewegt wird. Das bedeutet, dass der Spider-Elevator an jeder Stelle des Rohrkörpers gesetzt werden kann. Das Lösen der Keile erfolgt bei kleinen Elevatoren manuell, bei großen pneumatisch. Vielfach wird beim Rohreinbau mit zwei Spider-Elevatoren gearbeitet, wobei ein Elevator als Elevator (traveling elevator), der andere als Abfangelement eingesetzt wird.
Abb. E-46b: Elevator System Aker [Aker/Wirth]
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3.6.7 Traveling Block, Kronenlager und Haken 3.6.7.1 Traveling Block Der Traveling Block ist die lose Rolle des Flaschenzuges, der im Bohrgerüst auf und ab bewegt wird. Er besteht aus einem Gehäuse mit einer Welle, auf der sich die Seilscheiben befinden, durch die das Fahrseil geleitet wird. Diese Scheiben haben einen Durchmesser von bis zu 1,5 m (60“) und mehr, um die Reibung und die Seilermüdung zu reduzieren. Der effektive Durchmesser hängt vom Seildurchmesser ab. Je größer der Seildurchmesser, desto größer muss auch der Scheibendurchmesser sein, damit die Biegung des Seiles möglichst gering ist. Der Seilumschlingungswinkel soll mindestens 120° betragen. Die Seilscheiben haben Rillen (grooves), in denen das Fahrseil geführt wird. Diese haben eine Tiefe, die 1,5 mal dem Seildurchmesser entspricht. Ist die Rille zu eng, so kommt es zu erhöhtem Verschleiß des Seiles an den Seitenwänden der Rillen. Bei zu großen Rillen wird das Seil nicht ordnungsgemäß geführt, was zur Abplattung des Seiles unter Last führt und somit ebenfalls dem Verschleiß, insbesondere Drahtbrüchen, Vorschub leistet. Die Rillen haben nach außen eine Öffnung von 30°. Um den Verschleiß der Rillen zu kontrollieren, muss der Radius ständig überprüft werden, wozu nach API besondere Radiuslehren verwendet werden (Abb. E-47). Taucht der halbkreisförmige Kopf der Radiuslehre zu tief in die Rille ein, so ist diese ausgescheuert oder verschlissen. Die Seilscheibe muss ausgetauscht werden. Die Seilscheiben sind auf einer Welle mit einem Durchmesser von bis zu 10“ (25,4 cm) mittels Wälzlagern befestigt.
Abb. E-47: links-oben: Seilscheibe im Schnitt – rechts-oben Scheibenrille – rechts-unten: Radiuslehre für Seilrillen [BgH]
3.6.7.2 Kronenlager Das Kronenlager (crown block) besteht wie der Traveling Block aus den Seilscheiben, die analog denen im Traveling Block ausgebildet sind. Allerdings befindet sich im Kronenlager eine Seilscheibe mehr als im Traveling Block. Das ist die Totseilscheibe, über die das Fahrseil zum Totseilanker und zur Reservetrommel geleitet wird.
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3.6.7.3 Haken Der Bohrhaken ist das Element, an dem der gesamte Strang sowohl beim Bohren wie auch beim Roundtrip oder dem Rohreinbau hängt. Der Haken ist entweder lose mit dem Traveling Block verbunden (Abb. E-48) oder integraler Bestandteil des Blocks und besteht aus dem Hakenmaul, in das der Bügel des Spülkopfes beim Bohren eingehängt wird, und seitlich angebrachten Ösen oder Augen, in die die Elevatorbügel eingehängt werden
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Abb. E-48: links: Haken-Block-Kombinationstreicher – rechts: separater Haken [Wirth]
Der Haken ist drehbar gelagert, kann beim Bohren aber auch festgestellt werden, so dass er sich nicht mit der Mitnehmerstange mit dreht. Beim Roundtrip, insbesondere, wenn sich der Strang im offenen Loch befindet, wird die Sperre gelöst, so dass der Strang beim Fahren rotieren kann. Im verrohrten Bohrlochabschnitt wird er jedoch auch beim Roundtrip in der Regel fixiert. Moderne Haken sind so gebaut, dass sich Haken und Elevator automatisch in die richtige Position bewegen, damit die Arbeit des Bühnenmannes erleichtert wird, und nicht den Haken erst drehen muss, ehe er den jeweiligen Zug aus- oder einhängen kann.
3.6.8 Pipe Handling Systeme Seit Jahren ist man bestrebt, die Arbeit am Bohrturm zu automatisieren, da entsprechende Untersuchungen ergeben haben, dass die Arbeiten am Bohrloch und auf der Aushängebühne am
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unfallträchtigsten sind. Vorschriften in einigen Ländern besagen bereits, dass sich keine Personen in unmittelbarer Nähe des Bohrloches aufhalten dürfen, so dass z. B. das Setzen von Abfangkeilen ebenso wie das Anschlagen von Zangen manuell nicht mehr durchgeführt werden darf. Folge hiervon ist. dass diese Arbeitsvorgänge automatisiert werden müssen. Das geschieht z. B. durch den Einsatz von sog. Iron Roughnecks zum automatischen Ver- und Entschrauben des Gestänges und durch den Einsatz von automatischen Abfangkeilen. die vom Steuerstand der Bohranlage aus betätigt werden können. Daraus folgt allerdings auch zwangsläufig, dass dann auch die weiteren Arbeitsvorgänge beim Roundtrip des Bohrstranges automatisiert werden müssen, wenn die Unfallgefahr weiter gesenkt und der entstehende Zeitgewinn voll ausgeschöpft werden sollen, und das bedeutet, dass sog. Pipe Handling Systeme eingesetzt werden müssen, so dass sich beim Roundtrip weder auf der Arbeits- noch auf der Gestängebühne Menschen aufhalten müssen. Alle Arbeitsvorgänge lassen sich dann von dem Fahrstand aus über einen speziellen Bedienungsstand steuern. Pipehandlingssysteme sind unabdingbar beim Offshorebohren, insbesondere beim Bohren von schwimmenden Bohrgeräteträgern aus, weil hier zum einen der Strang aus Platzgründen unter Deck gelagert werden muss, zum anderen, weil durch die teilweise sehr rauen Wetterbedingungen das Handling des Stranges in den meisten Fällen viel eher nicht mehr möglich ist als das Bohren. Das bedeutet, dass wegen der Unmöglichkeit des manuellen Nachsetzens von Bohrgestänge die Bohrarbeiten vorzeitig unterbrochen werden müssten, was zu einer erheblichen Kostensteigerung führen würde. Pipe Handling Systeme sind jedoch auch dann noch in der Lage, Strangelemente zu handhaben, wenn das manuell nicht mehr möglich ist. Deshalb kommt die eigentliche Entwicklung solcher Systeme aus dem Offshorebereich. Durch die nicht unerheblichen Vorteile wurden sie dann in den 80er Jahren auch beim Onshorebohren eingeführt und sind heute schon in vielen Fällen Bestandteil einer modernen Tiefbohranlage. Zusammen mit einem Topdrive, mit dem beim Bohren Gestängezüge statt Einzelstangen nachgesetzt werden können, bringen Pipe Handling Systeme beträchtliche Zeitersparnis. Allerdings werden die Vorteile dieser Zeitersparnis beim Bohren bei vielen Systemen dadurch zunichte gemacht, dass die nachzusetzenden Gestängezüge vor Bohrbeginn zusammengestellt und im Rackingsystem des Bohrmastes abgestellt werden müssen. Das kostet zusätzliche Zeit, die von der Bohrzeit abzuziehen ist. Deshalb sind moderne Systeme bereits in der Lage, Gestängezüge während des Bohrens und somit unabhängig vom eigentlichen Flaschenzug der Bohranlage zusammenzustellen und abzustellen. Das geschieht z. B. mittels Hilfselevatoren und einem Verschraubsystem, das die vom Gestängelager aufgenommenen Einzelstangen im Mauseloch zu einem Zug verschraubt und dann In das Magazin der Anlage befördert. Heute gibt es eine ganze Reihe von Systemen, angefangen von einfachen Systemen mit Einzelarmen (Rig Floor Manipulator) bis hin zu komplexen Operationssystemen mit drei Armen. Auch die Abstellmöglichkeiten variieren. So können die Gestängezüge entweder in parallel angeordneten Gestellen abgestellt werden, oder sie werden in sternförmig um eine drehbare, vertikal im Bohrmast stehende Säule angeordneten Kammern abgestellt. Viele Systeme können neben Dreierzügen der gängigen Gestängedurchmesser auch Schwerstangen mit Durchmessern bis zu 10“ und Einzelstangen handhaben. Außerdem sind die meisten Systeme so ausgestattet, dass sie über Computer gesteuert werden, die wiederum bestimmte Arbeitssequenzen verlangen. Dadurch wird vermieden, dass z. B. ein Arbeitsschritt ausgelassen wird und es dadurch zu Havarien oder Unfällen kommt. Vielfach kommen noch weitere Vorteile hinzu. Es können längere Züge gehandhabt werden, z. B. Viererzüge mit Range II Gestänge (ca. 9 m pro Einzelstange) oder Dreierzüge mit Einzelstangen mit Längen von jeweils etwa 13 m (Range III Gestänge).
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Abb. E-49: Pipe Handling System, MARITIM HYDRAULICS [MARITIM]
Die Pipehandling Systeme arbeiten nach sehr unterschiedlichen Konzepten, entweder mit zwei bis drei drehbaren Greifern oder mittels eines hin- und her gleitenden Brückenkranes an der Aushängebühne und einem Hilfsarm an der Arbeitsbühne. Ein Pipehandling System von MARITIM HYDRAULICS (SYSTEM 1) ist mit drei Greifarmen bestückt, wovon zwei, der obere und mittlere Arm (upper racker arm und intermediate racker arm, zwischen den Gestänge-Abstellflächen Betback arms) platziert sind, der dritte Arm
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(drillfloor manipulator arm) gegenüber, im Bereich der Führungsschienen des Topdrives und unmittelbar über der Arbeitsbühne. Der obere Arme ist ausfahrbar und drehbar, so dass der Gestängezug von der Bohrlochmitte weg zwischen die Finger der Aushängebühne gefahren und dann durch eine entsprechende Drehung zwischen den Fingern platziert werden kann. Diese Operationen werden vom Assistant Driller aus einer gesonderten Kabine auf der Arbeitsbühne durchgeführt. Damit der abgestellte Gestängezug gesichert wird, werden Stangen, sog. Locking Spears, quer zu den Fingeröffnungen gefahren, die den Zug blockieren. Das wird vom Derrikman aus einer gesonderten Kabine im Bereich der Fingerbühne gemacht. Das bedeutet, dass bei diesem System für die entsprechenden Manipulationen zwei Personen erforderlich sind. Eine Weiterentwicklung ist das nur von einer Person zu bedienende sog. Synchro Pipe Handling System von MARITIM HYDRAULICS (Abb. E-49). Dieses setzt den Topdrive, den Iron Roughneck und Automatikkeile auf der Anlage voraus. Bei diesem System befindet sich in Höhe der Aushängebühne ein Brückenkran (bridge crane) mit Greifarm und ein zusätzlicher Greifarm (lower arm) im Bereich der Arbeitsbühne. Die beiden Greifarme können synchron oder unabhängig arbeiten, wodurch die Flexibilität des Systems erhöht wird. Der Brückenkran fährt mit dem Gestängezug zwischen die Finger der Aushängebühne auf die Position, wo der Zug abgestellt werden soll, der Greifarm wird geschwenkt und platziert den Zug in Position. Alle Arbeitsgänge werden vom Assistant Driller von einer separaten Kabine auf der Arbeitsbühne bzw. oberhalb der Aushängebühne aus durchgeführt. Diese Kabine kann, bei modernen Bohranlagen, auch in die Drillers Kabine integriert werden, so dass diese Kabine dann zwei Arbeitsplätze beherbergt.
Abb. E-50: Pipe Handler Systeme im praktischen Einsatz links: System „AkerSolutions“ – rechts: System „STREICHER“ [AkerSolution/STREICHER]
Eine Besonderheit findet sich auf der von BENTEC gebauten Bohranlage T-2000. Auch hier wurde ein Star Racking System eingebaut. Zusätzlich ist es aber möglich. Gestängezüge während des Bohrens zusammen zu stellen. Das geschieht dadurch, dass mittels eines Einzelstangen-Elevators (Abb. E-51) einzelne Bohrstangen vom Gestängelager vor der Anlage auf die Arbeitsbühne gehoben und dort von einem Hilfselevator übernommen werden. Dieser setzt die Stange im Mauseloch ab. Die nächste Stange wird dann mit der abgestellten Stange verbunden.
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Soll noch eine dritte Stange hinzu gefügt werden, so werden die beiden Stangen von dem Elevator übernommen und dann mit der dritten, wiederum im Mauseloch abgestellten Stange, verschraubt. Der gesamte Zug wird dann in den Pipe Handler übernommen. Diese Arbeiten können durchgeführt werden, während der Bohrstrang am Haken hängt und bohrt. Auf diese Weise lässt sich zusätzlich erforderliche Zeit zum Zusammenstellen für den nächsten Bohrlochabschnitt vermeiden.
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Abb. E-51: Konzept einer automatischen Bohranlage von DEUTAG [Deutag]
Entsprechende Analysen haben gezeigt, dass Pipe Handling Systeme wirtschaftlich eingesetzt werden können, weil der Roundtrip in der Regel verkürzt werden kann. Von ebenso großer Bedeutung ist aber, dass der Anteil der manuellen Arbeit auf Arbeits- und Fingerbühne reduziert wird, was ganz entscheidend zur Arbeitssicherheit beiträgt. Ein Blick in die Zukunft zeigt, dass sich der Automatisierungsprozess beim Pipe Handling verstärken wird. Folgende Systeme sind inzwischen entwickelt und eingesetzt worden:
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Mechanized Catwalk System Hierbei handelt es sich um einen von BENTEC entwickelten, rinnenförmig ausgebildeten Catwalk (Steg zwischen den beiden Rohrlagern vor der Bohranlage), in das die Rohre (von 2.7/8“ bis 20“ mit 20“ bis 48' Länge) automatisch per sog. Lifter vom schräg Richtung Catwalk geneigten Rohrlager eingelegt werden. Die Rinne wird dann einseitig angehoben und auf Niveau der Arbeitsbühne gebracht. Dann wird das eingelegte Rohr in Richtung Arbeitsbühne (Bohrloch) geschoben, so dass der Elevator das Rohr übernehmen kann. Das System kann mit Einzelstangen wie auch, bei entsprechender Verlängerung der Rinne, mit Doppelstangen (bei Bohrgestänge) arbeiten, sowohl beim Rohr- und Gestängeeinbau wie auch beim -ausbau. Der Vorteil dieses Systems ist, dass es sicher ist (hands-off Betrieb), dass es einfach zu bedienen ist, und zeit- und kostensparend arbeitet. Durch die modulare Bauweise kann es allen Betriebsbedingungen angepasst werden. Der Antrieb ist elektrisch, und die Anlage kann bei Ausfall zur Seite gerollt werden, da sie auf Fahrgestellen montiert ist, so dass der Rohr- und Gestängeein- und -ausbau manuell fortgesetzt werden kann. Mechanical Derrickman Eine andere BENTEC-Entwicklung ist der mechanical Derrickman, ein ringförmiger Greifer, der in einer Schiene unter dem Mittelsteg der Aushängebühne läuft und an einer Zahnstange geführt wird. Er rangt am hinteren Ende des Mittelsteges (der vom Bohrloch abgewandten Seite) über die Aushängebühne heraus und ergreift hier einen Gestängezug (Dreierzug), der zuvor mittels Hilfselevator und separater Verschraubeinrichtung in einem außerhalb des Unterbaus der Bohranlage befindlichen Mauseloch zusammengestellt wurde, und bewegt diesen dann in eine Kammer der Fingerbühne. Somit können währen des Bohrens und außerhalb der Arbeitsbühne neue Gestängezüge zusammengestellt werden. Das spart Zeit und Kosten und erhöht die Arbeitssicherheit. Das Gerät ist nachrüstbar auf bestehenden Bohranlagen. Entwicklung Bei den neuzeitlichen Tiefbohranlagen gehören die Pipe Handling Systeme zur Standardausrüstung. sodass der Personalbedarf hier wesentlich geringer ist als bei den älteren Anlagen. Soweit möglich, werden einige dieser Anlagen sicherlich aus Wettbewerbsgründen noch nachgerüstet.
3.6.9 Verschraubeinrichtung 3.6.9.1 Rotaryzangen Zum Ver- und Entschrauben des Bohrgestänges sowie der Verrohrung wurden in früherer Zeit die sog. Rotaryzangen verwendet. Die klassische Methode ist und war, zwei solcher Zangen jeweils auf dem Muffen- und Zapfenteil des Tooljoints zu befestigen und dann die Verbindung mittels der oberen Zange, die mittels eines Zugseiles mit dem Spill des Hebewerkes oder einer Winde verbunden ist, zu kontern bzw. zu lösen, bzw. zu lösen, während die untere Zange als Haltezange dient. Dabei wird der Zangenarm halbkreisförmig Richtung Zugeinrichtung (Hebewerk) bewegt, bis Zangenarm und Zugseil oder -kette nahezu eine Gerade bilden, so dass ein weiteres Ziehen nicht mehr möglich ist. Dann muss die Zange gelöst und erneut so am Tooljoint angeschlagen werden, dass wiederum gezogen werden kann. Da eine solch umständliche Verschraubung nur sinnvoll ist, wenn die Kraftverschraubung erstellt wird, muss der Handanzug, also das Einschrauben des Zapfens in die Muffe, mittels einer Kettenzange von Hand
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erfolgen. Die früher hierfür verwendete Kette, die um den Tooljointteil mit Zapfen geworfen und mittels des Spills gezogen und dabei mit den Händen am Tooljoint gehalten wurde, ist in Deutschland seit Jahren nicht mehr gestattet, da es zu gefährlich ist, wird im Ausland jedoch noch angewendet.
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Abb. E-52: Handling mit der Rotaryzange beim Aufsetzen bzw. Abnehmen des Bohrgestänges [RWE-Dea]
Die schwere und gefährliche Arbeit mit der Rotaryzange wird auch aufgrund des hohen Personalaufwandes bald der Vergangenheit angehören. Auf neuzeitlichen Anlagen wird diese Arbeit von einem besonderen Bedienungsstand oder der Driller-Kabine aus von einem Mann mittels Fernsteuerung wahrgenommen, während auf älteren Anlagen hierzu noch drei bis vier Leute erforderlich sind. Nachteilig ist, dass die Konter- bzw. Brechzange, die mittels Seil oder Kette gezogen wird, nur dann das volle Drehmoment auf den Verbinder überträgt, wenn der Zangenarm mit dem Zugseil bzw. der Kette einen rechten Winkel bildet. Auch wird nur in dieser Position ein exaktes Konter- oder Lösemoment anzeigt, da das Anzeigeinstrument ein Zugmesser ist, der sich im Zugseil befindet, und dessen Skala das Drehmoment in Nm anzeigt. Dazu müssen jedoch zum einen exakt ein rechter Winkel zwischen Zugseil und Zangenarm bestehen, zum andern muss die Länge des Zangenarmes in die Berechnung der Skaleneinteilung eingehen. Ändert sich die Länge des Zangenarmes, so muss auch die Skala entsprechend geändert werden. Beim Ziehen der Zange wird diese in der Regel so angeschlagen, dass der Winkel ein spitzer ist , der sich jedoch im Laufe des Verschraubens in einen stumpfen Winkel verwandelt Somit ist es sehr schwierig, ein exaktes Konter- oder Lösemoment zu ermitteln, was heutzutage weder beim Bohrgestänge noch bei Futterrohren, insbesondere bei gasdichten Verbindern, geduldet werden kann. Beim Verschrauben großkalibriger Rohre kommt noch hinzu, dass die Zangen nur sehr
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schwer zu handhaben sind, was zum einen zu Lasten der Arbeitssicherheit, zum andern zu Lasten der Verschraubgeschwindigkeit geht. Beides kann im modernen Bohrbetrieb nicht mehr akzeptiert werden, so dass hier schon früh nach Ersatzlösungen gesucht werden musste, die schließlich gegen Ende 1960 in den Hydraulik-Drehmomentenzangen gefunden wurde.
3.6.9.2 Hydraulikzangen Hydraulikzangen bestehen aus einem Messerkranz mit einem Umschlingungswinkel von etwa 270°, der sich sanft um das Gestänge legt, was zu einer wesentlichen Schonung des Gestänges im Bereich des Zangenanschlags führt, da die Flächenpressung bei diesen Zangen wesentlich geringer ist als bei den Rotaryzangen, wo nur etwa 30-40° Umschlingung vorliegen. Auch werden die Zangenmesser durch die Hydraulikzylinder gleichmäßig und exakt an den Zangenkörper angepresst, so dass ein Durchrutschen der Messer, was bei Rotaryzangen sehr häufig geschieht, hier kaum vorkommt. Einmal angelegt, braucht die Hydraulikzange nicht mehr gelöst und neu befestigt zu werden wie die Rotaryzange, sondern der Messerkranz wird nach dem Schließen der Öffnung, durch die das Rohr in die Zange eingelegt wird, im Kreis rotiert, solange, bis die Verschraubung gelöst oder das eingestellte Verschraubmoment erreicht ist. Dabei wird der Strang im Drehtisch festgelegt und die Zange an einem Halteseil geführt, so dass sich ein Moment aufbauen kann. Abb. E-53 zeigt eine solche Hydraulikzange. Diese Art von Hydraulikzangen gibt es zum Ver- und Entschrauben von Rohrdurchmessern zwischen 3.1/8“ (ca. 80 mm) bis 24“ (ca. 610 mm). Die Zangen sind in der Regel mit zwei Geschwindigkeitsstufen ausgestattet, dem high gear (Schnellgang) zum Einschrauben des Zapfens, und dem low gear (Langsamgang) zur Kraftverschraubung bzw. zum Lösen einer gekonterten Verbindung. Die Drehzahlen beim Ver- oder Entschrauben liegen je nach gewählter Geschwindigkeitsstufe zwischen wenigen Umdrehungen pro Minute bis hin zu etwa 100 Umdrehungen pro Minute. Die dabei erzeugten Dreh- oder Verschraubmomente gehen bis etwa 67800 Nm.
Abb. E-53: Beispiel einer Hydraulikzange, die es auch als Doppel-Casing-Zange gibt [BgH]
Heute ist es im Zuge der Automatisierung des Bohrprozesses und verbunden damit dem Bestreben, menschliche Präsenz auf der Arbeitsbühne gegen Null zu fahren, möglich, auch den Ver- und Entschraub-Prozess so zu gestalten, dass die Zangen ferngesteuert werden. Das be-
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deutet, dass die Zangeneinheit, bestehend aus Schraub- und Haltezange, von nur einem Mann, ohne Unterstützung der Bohrmannschaft, betätigt werden kann. Dazu werden die Zangen mittels eines hydraulischen betätigten Arms in Position gebracht, der im Mast befestigt wird. Eine andere Möglichkeit ist, die Zangen in einem Rahmen, ähnlich dem Iran Roughneck, zu befestigen und damit an das Bohrloch heran zu fahren. Die Betätigung kann von einem Steuerstand auf der Arbeitsbühne oder aus der Driller's Kabine heraus erfolgen.
3.6.9.3 Iron Roughneck
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Hydraulikzangen müssen ebenso wie die manuellen Rotaryzangen von Hand am Rohr befestigt und bedient werden. Deshalb zielt die nächste Entwicklungsstufe auf eine Verschraubeinrichtung, bei der der gesamte Verschraubprozess vollautomatisch abläuft und von einem entfernten Bedienpult aus gesteuert werden kann. Diese Verschraubeinrichtungen beinhalten einen Spinner zur Handverschraubung, sowie eine hydraulisch gesteuerte Kraftverschraubeinheit. Sie werden von VARCO unter der Bezeichnung IRON ROUGHNECK (eiserner Bohrarbeiter) vermarktet, einer Bezeichnung, die inzwischen für diese Art von Verschraubeinheiten zum gängigen Begriff geworden ist. Das Gerät ist auf der Arbeitsbühne der Bohranlage fest installiert und wird auf Schienen aus seiner Abstellposition (außerhalb des Arbeitsbereiches am Drehtisch) an das zu ver- oder entschraubende Gestänge herangefahren. Jegliches Anschlagen von Zangen entfällt, da das Gerät hydraulisch arbeitet und mittels entsprechender Hydromotoren auf Position gebracht werden kann. Dazu gehört zunächst einmal, dass das Gerät aus seiner Abstellposition an das Bohrloch heran gefahren wird. Als nächstes werden die Zangen (Verschraub- und Haltezange) am Tooljoint auf Position gefahren, da das Abfangen des Gestänges nicht immer in derselben Position erfolgt. Anschließend werden die Zangenmesser um den Tooljoint zum Eingriff gebracht und dann die Verbindung gebrochen. Danach greift der Spinner, in der Regel ein Rollenpaar, am Bohrgestängekörper an- und entschraubt mit höherer Drehzahl und geringerem Drehmoment. Beim Verschrauben des Gestänges wird zunächst der Spinner zum Einsatz gebracht, anschließend wird kraftverschraubt. Danach werden die Zangen wieder gelöst und das Gerät in seine Abstellposition gefahren. Die Abstellposition ist bei Bohranlagen, bei denen sich das Hebewerk hinter dem Unterbau auf dem Fundament befindet, im hinteren Bereich der Arbeitsbühne, bei Anlagen, bei denen sich das Hebewerk auf der Arbeitsbühne befindet, meistens etwas seitlich versetzt neben dem Hebewerk. Abb. E-55 zeigt schematisch das Layout der Arbeitsbühne mit dem Iron Roughneck. Die Iron Roughnecks können entweder direkt am Gerät bedient oder sie werden mittels einer Fernsteuerung bedient. Diese kann sich entweder am Steuerstand der Bohranlage befinden (Drillers House), oder es handelt sich um einen separaten Bedienstand, der mit Remote Control Stand (Bildmitte unten – Remote Control Stand) bezeichnet ist, und der sich gegenüber dem Iron Roughneck befindet. Von hier können alle Funktionen des Gerätes gesteuert und überwacht werden. Diese Art der Bedienung des Iron Roughnecks ist insofern die sicherste, weil der Geräteführer das Gerät genau beobachten kann, weil er direkten Kontakt zur Bohrmannschaft auf der Arbeitsbühne hat, und weil kein Mensch direkt am Bohrloch arbeiten muss, eine Forderung, die aus Sicherheitsgründen immer stärker wird. Soll mittels des Iron Roughnecks vollautomatisch gearbeitet werden, so müssen zusätzlich Automatikkeile eingesetzt und ein Pipe Handling System installiert sein.
E Bohrplatzeinrichtung und Gerätetechnik
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E Abb. E-54: Iron Roughneck (VARIO)
Abb. E-55: Arbeitsplattform mit Iron Roughneck [BgH]
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4 Fahrseile
Beim Iron Roughneck können die Gestängebacken gegen Casingbacken verschiedener Größe ausgetauscht werden. Auch ist es bei einigen Exemplaren möglich, im Spinnerteil einen Kellyhahn einzusetzen, der dann bei Kicksituationen beim Roundtrip mittels des Iron Roughnecks auf das Gestänge aufgesetzt werden kann.
4 Fahrseile E 4.1 Einleitung Die Entwicklung des Drahtseiles ist in der Reihe der technischen Erfindungen ähnlich zu bewerten wie die Erfindung des Rades. Seile als Zug- und Trag- sowie Befestigungsmittel sind schon im Altertum bekannt gewesen, und ein Seil aus „Eisendraht oder geglühtem Kupfer“ hat bereits Leonardo da Vinci Anfang des 16. Jahrhunderts für ein Schöpfwerk entworfen, jedoch ist die eigentliche Erfindung des Drahtseiles dem Clausthaler Oberbergrat August Julius Albert (1787 – 1846) zuzuschreiben. Der Harzer Bergbau, eine wesentliche Einnahmequelle der Herzöge von Braunschweig, drohte bereits im 16. und 17. Jahrhundert mehrfach zum Erliegen zu kommen, weil man sich nicht mehr in der Lage sah, das in der Grube losgebrochene Erz zutage zu fördern. Die Hanfseile, die aus dem Ausland importiert werden mussten, waren zu teuer und durch die Nässe im Schacht mit zunehmender Förderteufe zu schwer geworden, so dass sie kaum noch Erzlasten transportieren konnten, und die eingesetzten Ketten konnten ebenfalls nur noch sich selbst tragen, da sie in den Bereich der Reißlänge kamen. So hatte ein etwa 400 m langes sog. Kettenseil das Fünffache des Gewichtes der von ihm zu hebenden gefüllten Erztonne. Seil- oder Kettenbrüche führten immer wieder zu katastrophalen Unfällen mit Personenschäden und der Beschädigung des gesamten Schachtausbaus, dessen Erneuerung Monate in Anspruch nahm. Vor diesem Hintergrund wurde die Erfindung des Drahtseiles durch Albert im Jahre 1834 zum Retter in der Not und gab dem Harzer Bergbau einen ungeahnten Aufschwung. Ein erster Versuch mit dem neuen Drahtseil (bestehend aus 3 Litzen zu je 4 Drähten) wurde am 23. Juli 1834 erfolgreich auf der Grube Carolina in Clausthal durchgeführt und so ein neues Gewerbe, die Drahtseilerei entstand. Drahtseile sind heute aus der Technik nicht mehr wegzudenken, wenngleich das Fahrseil für Bohranlagen heute kaum noch einen bedeutenden Produktionszweig darstellt, da Aufzug-, Seilbahn und sonstige Seile wie solche für Fensterheber in Autos heutzutage den Hauptteil der Produktion ausmachen, nachdem auch Schachtförderseile nur noch beschränkt hergestellt werden müssen.
4.2 Seilkonstruktionen 4.2.1 Materialien Drahtseile werden aus Stahldrähten hergestellt, die aus entsprechenden Stählen in einer Drahtzieherei gezogen werden. Das Ausgangsprodukt ist ein Walzdraht mit 5 mm Durchmesser, der mittels sog. Ziehsteine im Kaltziehverfahren auf den erforderlichen Drahtdurchmesser redu-
E Bohrplatzeinrichtung und Gerätetechnik
ziert wird. Da der Draht durch das Ziehen zwar eine höhere Festigkeit, gleichzeitig aber auch eine erhöhte Sprödigkeit bekommt, wird er zwischen den einzelnen Ziehvorgängen auf 850 bis 1100°C zwischenerhitzt und anschließend im Bleibad bei 400 bis 550°C abgekühlt, wodurch sich die beim Ziehen gebildete Zeilenstruktur des Gefüges in die ursprüngliche, körnige Struktur zurückverwandelt. Durch dieses sog. Patentieren wird der Draht wieder weich und biegsam. Die für Drähte bzw. Drahtseile verwendeten Stähle sind hochwertige Stähle, vergleichbar Kugellagerstählen oder Stählen, wie sie im Reaktorbau verwendet werden. Die Stähle werden im Sauerstoffblasverfahren erschmolzen und sind saure bis basische Siemens-Martin Stähle großer Reinheit ohne besondere chemische Eigenschaften. Der C-Gehalt liegt zwischen 0,3 und 0,9 %. Der Stahl wird in einen Strang gegossen. Die so gefertigten Knüppel werden allseitig geschliffen, um noch vorhandene Oberflächenfehler zu beseitigen, und dann ausgewalzt zum Walzdrahtrohling. Tab. 6-E: Nennfestigkeit der Drähte Draht-Durchmesser
Nenn-Festigkeit IPS EIPS 2 mm N/mm N/mm2 0,46 – 1,5 1770 1960 1,51 – 2,50 1770 1860 2,51 – 3,5 1670 1860 3,51 – 5,0 1570 1770 Der mittlere Drahtdurchmesser in den Konstruktionsklassen errechnet sich nach DIN 3051, Teil 3
Die Begriffe IPS stehen für improved plow steel, und EIPS für extra plow steel Für die Gütestufen von Stählen für solche Drähte, die zur Fertigung von Fahrseilen verwendet werden, die in der Erdölindustrie zur Anwendung kommen, gilt in Deutschland die DIN 5881, die auf den Anforderungen der API Std. 9 A aufbaut. Danach ergeben sich für die Nenn-Festigkeiten der Drähte, die in Tab. 6-E aufgelisteten Werte.
4.2.2 Seilaufbau Das als Fahrseil verwendete Drahtseil besteht aus Litzen, die zum Seil verdrillt werden, wobei sich im Innern des Seils eine Seileinlage oder Seele befindet, um die die Litzen geschlungen werden. Dabei gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, wie die Litze und schließlich das Seil aufgebaut sein können und in welcher Art die Verdrillung von Litze und Seil erfolgt. Hierauf soll, bezogen auf Fahrseile, im folgenden näher eingegangen werden.
4.2.2.1 Litzen Die Litze besteht aus einer Litzeneinlage und einer oder mehreren Lagen von Drähten, die schraubenförmig um die Litzeneinlage verdrillt werden. Die Litzeneinlage besteht wiederum aus einem Draht, dem sog. Kerndraht, oder aus mehreren Drähten bzw. aus Fasergarnen. Litzen können hergestellt werden als Rundlitzen, Flachlitzen oder Dreikantlitzen, wobei jedoch für Fahrseile nur Rundlitzen verwendet werden. Dreikantlitzen haben den Vorteil, dass sie bei der Verseilung eine glattere Seiloberfläche mit weniger Zwischenräumen bilden, so
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4 Fahrseile
dass diese Litzen bevorzugt für Schlämmseile verwendet werden, die in Stopfbuchsen abgedichtet werden müssen. Konstruktionsmerkmale der Litzen sind die Schlaglänge, der Schlagwinkel und die Schlagrichtung.
E Abb. E-56: Litzenformen
Abb. E-57: a+b : Konstruktionsmerkmale c: Schlagrichtung einer Litze [BgH]
Die Schlagrichtung kann rechtsgängig (Kurzzeichen Z) oder linksgängig (Kurzzeichen S) sein, wobei sich diese Bezeichnung auf die äußere Drahtlage einer Litze bezieht. Unter der Schlaglänge I, versteht man die Ganghöhe der schraubenlinienförmig liegenden Außendrähte. Der Schlagwinkel a ergibt sich aus der Abwicklung der Drähte. Beide Größen stehen in folgender Beziehung zueinander: π tan α = d D [Formel 1E] l1 Hierin sind: α=
Schlagwinkel
E Bohrplatzeinrichtung und Gerätetechnik
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dD = Durchmesser des Kreises, der durch die Mittelpunkte der Querschnittsflächen der Außendrähte gelegt ist. L1 = Schlaglänge der Litze
Die Verseilung selbst kann im Parallelschlag (Parallelverseilung) oder im Standardschlag (Standardverseilung) erfolgen. Bei der Parallelverseilung liegen die Drähte aller Lagen parallel zueinander, haben also die gleiche Schlaglänge und Schlagrichtung. Allerdings können die Drähte der einzelnen Lagen gruppenweise unterschiedliche Durchmesser haben. Das bedeutet, dass nicht jeder einzelne Draht unterschiedlichen Durchmesser hat, sondern einzelne Gruppen von Drähten, wie auch aus den Schnittbilddarstellungen in Abb. E-58 für einige typische Litzen, die zur Herstellung von Fahrseilen verwendet werden, dargestellt wird.
Abb. E-58: links: Filier Wire
Mitte: Seale
rechts: Warrington
Beim Filier Wire haben die einzelnen Drahtlagen gleichen oder ungleichen Durchmesser, bezogen auf den Kerndraht, jedoch untereinander gleichen Drahtdurchmesser. Die Hohlräume zwischen den Drahtlagen sind mit dünnen Fülldrähten (filier wires) ausgefüllt. Beim Seale hat die erste Drahtlage einen kleineren, die äußere einen größeren Durchmesser. Beim Warrington haben Kerndraht und Drähte der ersten Lage gleichen Durchmesser, während die äußere Drahtlage abwechselnd aus Drähten größeren und kleineren Durchmessers bestehen. Bei der Standardverseilung (Abb. E-59) haben die Drähte aller Lagen i.a. die gleiche Schlagrichtung, jedoch stets verschiedene Schlaglängen. Die Drähte benachbarter Lagen überkreuzen sich daher. Die Schlaglängen der Drähte der einzelnen Lagen sind so aufeinander abgestimmt, dass der Schlagwinkel in allen Lagen gleich ist. Bei der Fertigung werden die Drähte lagenweise in aufeinanderfolgenden Arbeitsgängen verseilt. Alle Drähte haben i.a. gleichen Durchmesser. Der Kerndraht soll jedoch dicker sein, um den übrigen Drähten eine ausreichende Auflage zu geben.
Abb. E-59: Litze der Standardverseilung (Kerndraht gleicher Durchmesser wie Lagendrähte) [BgH]
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4 Fahrseile
4.2.2.2 Seile
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Man unterscheidet verschiedene Seilarten (Abb. E-60). Zunächst einmal wird unterteilt in Rund- und Flachseile. Zu den Rundseilen gehören das Rund- oder Spiralseil, das Litzenseil, das Kabelschlagseil und das Flechtseil. Flachseile werden ausschließlich als Gewichtsausgleichsseile (Unterseile) bei der Schachtförderung verwendet. Sie werden von Hand „genäht“ oder geklammert. Flechtseile sind geflochtene Seile, die aus einer geraden Anzahl Rundlitzen geflochten werden, von denen die eine Hälfte links-, die andere Hälfte rechtsgängig verseilt ist. Kabelschlagseile sind dreifach verseilte Rundlitzenseile, wobei die Drähte zu Litzen, die Litzen zum Seil und die Seile wiederum zum Kabelschlagseil verseilt werden. Der Vorteil dieser Seile ist, dass sie drallfrei sind. Spiralseile gleichen im Aufbau der Rundlitze mit rechts- und linksgängigen Drähten, die um einen Draht als Einlage verseilt werden. Sie sind in der einfachsten Ausführung offen, ansonsten verschlossen, wobei entsprechend geformte Außendrähte ineinander greifen und so das Herausspringen gebrochener Drähte verhindern. Gleichzeitig erhält das Seil dadurch eine glatte Oberfläche. Spiralseile sind einfach verseilt. Bei den Litzenseilen unterscheidet man zwischen Rundlitzenseilen, bestehend aus Rundlitzen, sowie Formlitzenseilen, bestehend aus Dreikant- oder Flachlitzen. Diese Seile sind in der Regel zweifach verseilt.
Abb. E-60: Verschiedene Seiltypen [BgH]
E Bohrplatzeinrichtung und Gerätetechnik
Als Fahrseile werden ausschließlich Litzenseile, aus Rundlitzen verseilt, verwendet, wobei an Litzen die Macharten Filler, Seale und Warrington zum Einsatz kommen. Das Seil besteht in der Regel aus mehreren Litzen, die in einer oder mehreren Lagen schraubenförmig um eine Einlage oder Seele verseilt sind. Die Seileinlage kann eine Faser- oder eine Stahleinlage sein. Fasereinlagen bestehen aus Naturfasern (Sisal, Manila) oder Chemiefasern (Polypropylen, Polyamid, Polyester). Stahleinlagen können aus einem Draht, einer Rundlitze oder einem Litzenseil bestehen. Stahlseileinlagen werden in einem gesonderten Arbeitsgang hergestellt. Generell dienen die Einlagen zur Abstützung der Litzen. Wie bei der Litze sind auch beim Seil Schlaglänge und Schlagwinkel sowie -richtung wichtige Konstruktionsmerkmale. Die Schlaglänge 12 einer bestimmten Litzenlage in einem Drahtseil ist die Ganghöhe der schraubenlinienförmig liegenden Litzen dieser Lage. Zwischen Schlaglänge und Schlagwinkel ß der schraubenförmig verlaufenden Litzenmittellinie besteht die Beziehung die gem. Formel 1-E. Bei Rundseilen unterscheidet man wie bei den Litzen zwischen der rechtsgängigen und der linksgängigen Schlagrichtung. Bei Litzenseilen bezieht sich die Schlagrichtung auf die Außenlitzen. Je nachdem in welcher Richtung die Drähte der Litzen und die Litzen selbst verseilt sind, ergibt sich für ein Drahtseil der Kreuzschlag oder der Gleichschlag.
Abb. E-61: Konstruktionsmerkmale des Seils [BgH]
Beim Kreuzschlag ist die Schlagrichtung der Drähte in der Litze entgegengesetzt der Schlagrichtung der Litzen im Seil, beim Gleichschlag ist die Schlagrichtung der Drähte in den Litzen gleich der Schlagrichtung der Litzen im Seil. Bei beiden Schlagarten ist dann noch zu unterscheiden, ob die Schlagrichtung rechts- oder linksgängig ist. Unterscheidungssymbol sind auch hier wieder die Buchstaben S und Z (nach DIN 3051). Die Schlagrichtung kann aber vereinfachend auch festgestellt werden, indem man das Seil in die rechte bzw. linke Hand nimmt. Verlaufen die Drähte bzw. Litzen in Richtung der gekrümmten Finger der rechten Hand, so liegt Rechtshängigkeit vor, verlaufen sie in Richtung der gekrümmten Finger der linken Hand, so liegt Linkshändigkeit vor. Während man früher beim Seilbohren tunlichst Seile verwendete, die ein großes Drallvermögen aufwiesen, damit ein automatisches Umsetzen des Meißels auf der Bohrlochsohle nach jedem Hub erfolgte, ist man heutzutage eher bestrebt, drall- oder spannungsarme bzw. sogar drallfreie Seile einzusetzen. Drallarm oder spannungsarm sind Seile, wenn Litzen und Drähte nach dem Entfernen der Abbindung vom Ende des Seiles nicht oder nur wenig aus dem Seil-
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4 Fahrseile
verband austreten. Ein drallarmes Seil neigt nicht zur Bildung von sog. Klanken oder Kinken, es „liegt tot“. Ein Seil ist drehungsfrei bzw. drehungsarm, wenn es sich unter der Einwirkung einer in Richtung der Seilachse wirkenden, ungeführten Kraft (Last) nicht oder nur wenig um seine Längsachse dreht. Dieses Phänomen wird durch eine besondere Konstruktion und die Art der Verseilung bewirkt und z. B. bei Rundlitzenseilen durch die Mehrlagigkeit erzielt (mindestens dreilagig, zweilagige Seile sind höchsten drallarm). Rundseile können auch eine besondere Formgebung erhalten durch Vor- oder Nachformung. Kennzeichnend für das vorgeformte Seil ist, dass Drähte und Litzen die Schraubenlinienform, die sie im fertigen Seil einnehmen, schon bei der Verseilung erhalten, indem sie ein Rollensystem durchlaufen. Bei nachgeformten Seilen wird die Verformung dagegen am fertigen Seil vorgenommen, wiederum, indem das Seil ein Rollensystem durchläuft, unmittelbar nach der Seilfertigung. Der Vorteil der vorgeformten Seile ist die Drallarmut und die erhöhte Biegsamkeit, die sich positiv auf die Lebensdauer des Seiles auswirken. Drahtseile werden i.a. unterschieden nach der Machart der Litzen und der Anzahl der Drähte pro Litze bzw. pro Seil. Dieses Verfahren wird anhand einiger Beispiele nachstehend erläutert: → 6 x 19 Seale + SE das Seil besteht aus 6 Litzen der Seale Machart je 19 Drähten mit Stahleinlage Die Litze besteht aus 1 + 9 + 9 Drähten, also 1 Kerndraht plus 2 Lagen je 9 Drähten. → 8 x 21 Filler + SE das Seil besteht aus 8 Litzen der Filler Machart je 21 Drähten mit Stahleinlage Die Litze besteht aus 1 + 5 + (5 F) + 10 Drähten, also 1 Kerndraht plus 1 Lage von 5 Drähten plus 5 Fülldrähten und 1 äußere Lage von 10 Drähten.
Abb. E-62: Beispiel für die Bezeichnung von Fahrseilen (Seale, Filler) [BgH]
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Seile, die in der Erdölindustrie eingesetzt werden, sind in der DIN 5881 zusammengefasst. Hier wurde insbesondere für Hebewerke eine von normalen Kranbetrieben abweichende Norm geschaffen, um den besonderen Bedingungen der Erdölindustrie, z. B. den Lastwechseln, Geschwindigkeitsänderungen und Stoßbelastungen, die im normalen Kranbetrieb nicht in dem extremen Maße auftreten wie im Bohrbetrieb, Rechnung zu tragen. Ursprünglich umfasste die DIN 5881 nur 6-litzige Fahrseile. 8-litzige Seile wurden erstmalig in der DIN 5881 von 1977 aufgenommen, weil diese Seile zunehmend im Bohrbetrieb eingesetzt werden, und weil diese Seile, besonders in den größeren Durchmesserbereichen, den 6litzigen Seilen überlegen sind. Durch Annäherung an die ideale Kreisform, sind die Lücken zwischen den Litzen weniger groß, so dass bei 8-litzigen Seilen wegen der besseren Auflage der Flächendruck zwischen Seil und Scheibe stark reduziert wird. Auch Verformungen der Außendrähte mit allen negativen Folgen treten in geringerem Maße auf, was die Zahl der Drahtbrüche merklich verringert. Zu beachten ist, dass ein Fahrseil ein sehr flexibles Maschinenelement ist, bei dem ständig bis zu 220 bewegliche Reibungselemente (Drähte) in Funktion sind, so dass jedes Seil entsprechend geschmiert werden muss, um eine Trockenreibung zu vermeiden. Zwar erhält das Seil bei der Fertigung eine Primärschmierung, um insbesondere die inneren Bereiche mit Fett zu versorgen, jedoch reicht diese nicht für die Einsatzdauer des Seiles aus, zumal das Fett durch den Kontakt mit Wasser und besonders Spülung (insbesondere MgCl2 Spülung!) teilweise sehr stark ausgewaschen wird. Eine Nachschmierung auf der Lokation wird deshalb von den Seilherstellern dringend empfohlen, wenngleich regelrechte Nachfett-Programme in der Bohrindustrie nicht existieren und ein Nachschmieren auch nur in Ausnahmefällen angewendet wird. man ein Abschleudern des nachträglich aufgetragenen Fettes infolge der hohen Fahrgeschwindigkeiten nicht vermeiden kann, was u.a. dem Umweltschutz entgegen steht, zum andern daran, dass man befürchtet, durch die aufgetragene Fettschicht die optische Inspektion des Fahrseiles zu beeinträchtigen.
Abb. E-63: Einfluss der Seilschmierung auf die Lebensdauer
Das liegt zum einen daran, dass Und schließlich wird argumentiert, dass beim Schneiden von Fahrseil immer wieder zu beobachten ist, dass sich im Seilinneren noch genügend Fett befindet, wenngleich dieses Argument nur wenig zugkräftig sein dürfte.
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Unbestritten ist allerdings, dass die Seilschmierung die Lebensdauer des Seiles erheblich vergrößert, wie auch aus Abb. E-63, unter Laborbedingungen aufgenommen, hervorgeht. Die Schmierung soll in erster Linie das gegenseitige Verschieben der Drähte beim Biegen des Seiles begünstigen. Sie wirkt in zweiter Linie als Korrosionsschutz. Das Schmiermittel soll auch beim Belasten des Seiles in das Seilinnere eindringen und immer wieder an die Berührungsstellen kriechen, von denen es verdrängt wurde. Für die Nachschmierung haben sich hochdruckfeste Schmieröle bewährt. Besonders wichtig ist nach Auskunft der Hersteller, dass die kritischen Belastungsstellen im Seil von Zeit zu Zeit mit Fett versorgt werden. Als besonders kritische Stelle, die noch dazu zugänglich ist, ist der Übergang von einer Seillage zur anderen auf der Fahrseiltrommel anzusehen. Wenn hier ab und zu ein wenig Fett oder Öl aufgebracht wird, kann das die hier oft entstehenden, erheblichen Beschädigungen des Seiles, stark reduzieren. Aber auch das normale Auftragen von etwas Fett oder Öl auf das zugängliche Fahrseil mittels Pinsel oder Lappen trägt zur Verlängerung der Lebensdauer eines Seiles bei. Die Nachschmierung ist besonders wichtig bei Seilen, die eine hohe Lebenserwartung haben, wie beispielsweise den 8-litzigen Seilen, oder dann, wenn der Bohrfortschritt sehr gering ist (große Teufen), was zu einer geringen Seilarbeit pro Zeiteinheit führt, da bei längeren Einsatzzeiten die Primärschmierung kaum ausreicht. Die Schmierung soll in erster Linie das gegenseitige Verschieben der Drähte und Litzen beim Biegen des Seiles begünstigen. Sie wirkt in zweiter Linie als Korrosionsschutz. Das Schmiermittel soll auch beim Belasten des Seiles in das Seilinnere eindringen und immer wieder an die Berührungsstellen kriechen, von denen es verdrängt wurde. Für die Nachschmierung haben sich hochdruckfeste Schmieröle bewährt. Besonders wichtig ist nach Auskunft der Hersteller, dass die kritischen Belastungsstellen im Seil von Zeit zu Zeit mit Fett versorgt werden. Als besonders kritische Stelle, die noch dazu zugänglich ist, ist der Übergang von einer Seillage zur anderen auf der Fahrseiltrommel anzusehen. Wenn hier ab und zu ein wenig Fett oder Öl aufgebracht wird, kann das die hier oft entstehenden, erheblichen Beschädigungen des Seiles, stark reduzieren. Aber auch das normale Auftragen von etwas Fett oder Öl auf das zugängliche Fahrseil mittels Pinsel oder Lappen trägt zur Verlängerung der Lebensdauer eines Seiles bei. Die Nachschmierung ist besonders wichtig bei Seilen, die eine hohe Lebenserwartung haben, wie beispielsweise den 8-litzigen Seilen, oder dann, wenn der Bohrfortschritt sehr gering ist (große Teufen), was zu einer geringen Seilarbeit pro Zeiteinheit führt da bei längeren Einsatzzeiten die Primärschmierung kaum ausreicht.
4.3 Berechnung von Fahrseilen Berechnung Um die Belastbarkeit eines Drahtseiles errechnen zu können, müssen zunächst einige spezielle Kenngrößen erläutert werden, die in die Berechnungen eingehen. Diese, wie auch die Berechnungen selbst, sind in der DIN 3051, Blatt 3, zusammengefasst. Da ein Drahtseil nicht wie eine Stahlstange gleichen Durchmessers aus einem homogenen Gefüge besteht, sondern aus einer Vielzahl von Einzeldrähten, die noch dazu nicht in gestrecktem Zustand parallel nebeneinander liegen, sonder schraubenlinienförmig gewunden sind, ergeben sich schon hieraus eine Reihe von Besonderheiten und Abweichungen gegenüber der Berechnung einer entsprechenden Stahlstange. Da ist zunächst der Füllfaktor f, der das Verhältnis zwischen dem metallischen Querschnitt des Seiles und dem Flächeninhalt seines Umkreises angibt. Für jede Seilkonstruktion ist der Füllfaktor festgelegt (s. Tab. 7-E). Beträgt der Füllfaktor beispielsweise 0,4800 so bedeutet das, dass nur 48% der Umkreisfläche aus Metall, der Rest aus Zwischenräumen besteht.
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Der metallische Seilquerschnitt qm [mm2] ist die Summe der Querschnitte aller Drähte im Seil. Er wird mit Hilfe des Füllfaktors wie folgt ermittelt: d2 [mm2] 4 Dabei ist d der Seil-Nenndurchmesser, der gemäß Abb. E-64 ermittelt wird. Der Füllfaktor f ist entsprechenden Tabellen z. B. nach DIN 3051 zu entnehmen. q m = f.
Tab. 7-E: Auszug aus DIN 3051 – Füll- und Verseilfaktoren für eine Auswahl von Fahrseilen mit Stahleinlage nach DIN 3051 (Index 2 kennzeichnet Seile mit Stahleinlage) Seilart 6 x 19 Filler 6 x Seale 6 x 19 Warrington
Füllfaktor f2 0,5800 0,5684 0,5684
Verseilfaktor k2 0,8007 0,8007 0,8007
8 x 19 Filler 8 x 19 Seale 8 x 19 Warrington
0,5876 0,5742 0,5742
0,7509 0,7509 0,7509
Abb. E-64: Messen des Seil-Nenndurchmessers [BgH]
Die Bruchkraft für die einzelnen Drahtdurchmesser und Stahlqualitäten (IPS, EIPS) ist Tab. 8-E zu entnehmen. Bei der Bruchkraft ist zu unterscheiden zwischen: Tab. 8-E: Bruchkraft der Rechnerischen Bruchkraft der Ermittelten Bruchkraft der Wirklichen Bruchkraft der Mindestbruchkraft
Fr Fe Fw Fmin
[kN] [kN] [kN] [kN]
Die rechnerische Bruchkraft des Seiles ist das Produkt aus dem metallischen Querschnitt des Seiles qm und der Nennfestigkeit der Drähte σz:
Fr =
q m⋅σ z 1000
[kN]
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Bruchkraft wurde in der alten Tiefbohrverordnung vom 1. Juli 1963 zur Ermittlung der Seilsicherheit zugrunde gelegt, hat aber heute keine Bedeutung mehr, zumal es sich hier um einen rein theoretischen Wert ohne jegliche praktische Bedeutung handelt. Die ermittelte Bruchkraft des Seiles ist die Summe der einzeln im Zugversuch festgestellten Bruchkräfte aller Drähte des Seiles. Auch hier wird die Verwindung der Drähte durch die Verseilung nicht berücksichtigt, da so getan wird, als ob die Drähte gestreckt parallel im Seil lägen (wie bei einer untergliederten Stange). Die wirkliche Bruchkraft des Seiles ist die durch Zerreißen des Seiles im ganzen Strang festgestellte Bruchkraft. Da sich das Seil jedoch unter extremer Belastung aufdreht, entsteht eine oftmals meterlange Bruchstrecke. Festgehalten wird der höchste Ausschlag des Kraftmessers der Zerreißmaschine. Die Mindestbruchkraft ist schließlich das Produkt aus der rechnerischen Bruchkraft und dem Verseilfaktor. Die Mindestbruchkraft ist der kleinste zulässige Wert der wirklichen Bruchkraft. Sie wird wie folgt ermittelt: Fmin = k · Fr [kN] Der Verseilfaktor k ist ein Erfahrungswert, der den Verseilverlust berücksichtigt. Dieser wiederum ist die Differenz zwischen der ermittelten und der wirklichen Bruchkraft. Die Größe des Verseilverlustes ist im Wesentlichen abhängig von der Konstruktion des Seiles, der Verseilart der Litzen und der Festigkeit der Drähte. Der Verseilverlust wird in Prozent der ermittelten Bruchkraft angegeben. Der Verseilfaktor ist ebenfalls Tab. 7-E zu entnehmen. Der Gewichtsfaktor w ist ein Rechenwert, der außer dem Gewichtsanteil der Seildrähte auch die Gewichtsanteile der Einlage und des Schmierstoffes berücksichtigt. Er wird angegeben in kg/(m · mm2). Auch dieser Faktor ist entsprechenden Tabellen nach DIN 3051 zu entnehmen. Das Längengewicht G eines Seiles ergibt sich aus dem Produkt aus Gewichtsfaktor und metallischem Seilquerschnitt, bezogen auf 1 m Seillänge wie folgt: G = qm · w [kg /m] Für Seile, die in einem Flaschenzugsystem einer Bohranlage eingeschert sind, gelten besondere Sicherheitsvorschriften bezüglich ihrer Belastbarkeit. Die Seilsicherheitsfaktoren werden in der Regel nach folgender Gleichung ermittelt: Mindestbruchkraft Sicherheitskennzahl = effektive Zugkraft im Zugseil Die Grenzwerte der Seilsicherheit errechnen sich dadurch, dass statt der effektiven Zugkraft im Zugseil die zulässige Zugkraft eingesetzt wird: Mindestbruchkraft Sicherheitskennzahl = zulassige Zugkraft im Zugseil API STD. 9 A, gültig im internationalen Bohrgeschäft, sofern keine nationalen Vorschriften wie beispielsweise in Deutschland die BVOT andere Berechnungen vorschreiben, enthält folgende Gleichung zu Berechnung des Sicherheitsfaktors: no min al strengt of rope [lb] Design Factor = calculated total load [lb] Der Ausdruck „nominal strength of rope“ ist identisch mit der Mindestbruchkraft. Die im Bohrbetrieb gebräuchlichen Sicherheitskennzahlen für Fahrseile sind:
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Tab. 9-E: Sicherheitszahlen Last
API Std. 9A
BVOT DIN 5881 Niedersachsen 1988
DIN 5881
Hakenregellast Hakenausnahmelast
3
3
2
2
3 –
Die Sicherheitsfaktoren für andere Seile sind: Tab. 10-E: Sicherheitsfaktoren Schlämmseile Masterrichteseile Spill- und Windenseile Abspannseile Nackenseile
3 – fach 2 – fach 3 – fach 2,5 – fach 2,5 – fach
4.4 Hakenlast, Seilzug und Wirkungsgrade Bei Flaschenzügen sind zwei Wirkungsgrade zu berücksichtigen: • der Wirkungsgrad der Seilscheiben • der Wirkungsgrad des Seiles Bei Seilscheiben unterscheidet man zwischen solchen mit Wälzlagern, die einen Wirkungsgrad von etwa 97% pro Seilscheibe haben, und solchen mit Gleitlagern, die einen Wirkungsgrad von etwa 93% pro Seilscheibe haben. Der Seilwirkungsgrad, bedingt durch die Umlenkwiderstände (Biegearbeit) und die Reibung des Seiles, kann mit etwa 98 – 99% veranschlagt werden. Daraus ergibt sich ein Gesamtwirkungsgrad pro Einscherung von etwa 96% bei Scheiben mit Wälzlagern bzw. etwa 92% bei Scheiben mit Gleitlagern. Heutzutage wird aber statt des Wirkungsgrades der K-Faktor pro Einscherung angegeben. Dieser beträgt: • bei Scheiben mit Wälzlager K = 1,04 • bei Scheiben mit Gleitlagern K = 1,09 Der Ausdruck von (1/K) · 100 ergibt den Wirkungsgrad in %. Generell wird in entsprechenden Publikationen von einem Reibungsverlust pro eingeschertem Seil von 2 – 4% gesprochen, so dass die hier getroffene Annahme als realistisch anzusehen ist. Daraus ergibt sich ein Flaschenzugwirkungsgrad von: ηfl =
K n −1 n(K − 1)K n
Hierin sind: n = Zahl der Einscherungen (z. B. 10-fach) K = Wirkungsgradfaktor pro Seilrolle und eingeschertem Seil (z. B. 1,04)
Es soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass zwar die Zahl der Einscherungen auch der Zahl der Seilscheiben in Turmrollenlager und Traveling Block entspricht, dass sich aber im Flaschenzugsystem einer Bohranlage jeweils noch eine weitere Seilscheibe befindet, die Totseilscheibe im Turmrollenlager. Das bedeutet, dass bei 10-facher Seileinscherung 11
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4 Fahrseile
Seilscheiben benötigt werden. Da sich jedoch die Totseilscheibe nur geringfügig hin und her bewegt, also quasi still steht und somit als reibungsfrei angesehen werden kann, geht sie nicht mit in die Wirkungsgradberechnung ein, so dass der Einscherfaktor n der Anzahl der Seilstränge entspricht, die sich zwischen Turmrollenlager und Traveling Block befinden (hier n = 10). Mittels entsprechender Berechnung ergeben sich folgende Flaschenzug Wirkungsgrade bei entsprechender Einscherung für Seilscheiben mit Wälzlagern: Tab. 11-E: Wirkungsgrade
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Einscherung 4 – fach 6 – fach 8 – fach 10–fach 12 – fach 14 – fach
Wirkungsgrad [%] 90,7 87,4 84,2 81,1 78,2 75,5
Die Hakenlast GH ergibt sich aus dem Kräftegleichgewicht des Gesamtsystems des Flaschenzuges als Summe der Zugkräfte der eingescherten Seilzüge (GH = F, + F2 + F3 + ... + Fn). Die Indizes stehen für die Nummer des jeweiligen Seils in der Einscherung (1. Seil, 2. Seil ....). Der Seilzug in den einzelnen eingescherten Seilabschnitten oder Seilzügen ergibt sich durch Multiplikation des jeweiligen vorhergehenden Seilzuges mit dem Wirkungsgrad der Seilrolle und dem eingescherten Seil wie folgt, wenn mit einem Wirkungsgrad pro Einscherung von 96% = 0,96 gerechnet wird: F1 = FZ · 0,96 F2 = F1 · 0,96 = FZ · η2 F3 = F2 · 0,96 = FZ · η3 Fn = Fn–1 · 0,96 = FZ · ηn Daraus errechnet sich die Hakenlast wie folgt: GH = Fz (η + η2 + η3 ... + ηn) Als geometrische Reihe geschrieben ergibt sich für die Hakenlast: G H = Fz ⋅
(1 − μ n ) = Fz · n · μFl (1 − μ)
In der Mechanik wird ein Flaschenzug in der Regel als Maschinenelement zum Heben von Lasten betrachtet, so dass sich die Berechnungen auf den Fall des Hebens, bzw. bezogen auf eine Bohranlage, auf den Ausbau des Stranges, beziehen. Außerdem wird, sofern entsprechende Zugkraftmessungen durchgeführt werden, die Zugkraft im Zugseil gemessen, nicht aber, wie bei Bohranlagen üblich, im Totseil, das bei physikalischen Flaschenzügen im Rollensystem selbst verankert ist und nicht als separates Seil aus dem System herausgeführt wird (über Totseilanker zur Reserveseiltrommel). Die aus der Physik zu entnehmende FlaschenzugHauptgleichung bezieht sich somit auch auf den Zug im Zugseil und lautet: GH Fz = n ⋅ ηFl
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Wird nun der Zug im Totseil zur Berechnung der Hakenlast herangezogen, so muss diese Gleichung entsprechend modifiziert werden. Bei statischer Betrachtungsweise kann davon ausgegangen werden, dass die Zugkraft in allen eingescherten Seilsträngen gleich groß ist, so dass also auch der Zug im Zugseil dem im Totseil entspricht. Der Ausbauvorgang ist jedoch ein dynamischer Prozess, so dass hier die durch Rollenreibung und Seilwalkung verursachten, vorstehend diskutierten Reibungsverluste zum Tragen kommen. Das bedeutet, dass beim Ausbauen der Zug im Zugseil gegenüber dem Zug im Totseil um die Summe der Reibungsverluste der im System befindlichen Seilstränge und Seilscheiben höher liegen muss. Der Seilzug im Totseil ergibt sich dann gemäß vorstehender Ausführung zu F1 = Fn+1 = Fn · 0,96 = FZ · ηn Der Ausdruck n+1 ist damit zu begründen, dass das Totseil bei n-facher Einscherung der n+1. Seilstrang ist, dass also bei 10-facher Einscherung der 10. Seilstrang der zwischen Traveling Block und Turmrollenlager ist, während das Totseil das 11. Seil ist, das von der Totseilrolle zum Totseilanker führt. Wird unterstellt, dass die 11. Seilrolle im System, also die Totseilrolle im Turmrollenlager, ohne Bewegung und somit ohne Reibung ist, so ist der Zug im 10. Seilstrang (zwischen Traveling Block und Turmrollenlager) gleich dem Zug in Totseilstrang, so dass nur mit n = 10 Seilsträngen zu rechnen ist. Basierend auf diesen Überlegungen ergibt sich folgende Abhängigkeit, wenn statt mit ηn mit (1/K)n gerechnet wird: n
§1· F1 = Fz · (1/K)n → Fz = ¨ ¸ ©K¹ Wird nun FZ gemäß nachstehender Gleichung (= Flaschenzughauptgleichung) GH Fz = n ⋅ ηFl
in diese Gleichung eingesetzt, so ergibt sich für Ft: §1· GH ⋅ ¨ ¸ ©K¹ Ft = n ⋅ ηFl
n
Diese Betrachtungsweise gilt jedoch nur für den Ausbauvorgang und basiert auf den Prinzipien der Mechanik. Wird eine Last abgesenkt (Einbauvorgang auf einer Bohranlage), so kehren sich die Verhältnisse um, da beim Absenken von Lasten das Seil von der Hebewerkstrommel abgespult wird und durch das Flaschenzugsystem hindurchgleitet , so dass die Reibungsdruckverluste nicht vom Zug-, sondern vom Totseil aufgebracht werden müssen. Das ergibt folgende Situationen für den Ausbau- bzw. den Einbauvorgang: Einbauvorgang: Ausbauvorgang:
F1 =
GH n ⋅ ηFl
§1· GH ⋅ ¨ ¸ ©K¹ Ft = n ⋅ ηFl
n
Fz =
GH n ⋅ ηFl
Die auf den Bohranlagen installierten Drillometer zeigen jedoch die Hakenlast gemäß folgender Gleichung an: GH = Ft · n Das bedeutet, dass die Hakenlast zum einen verlustfrei berechnet wird, so da: beim Ausbauvorgang eine Hakenlast angezeigt wird, die um den Betrag der Reibungsverluste zu niedrig ist,
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während beim Einbauvorgang ein zu hoher Wert angezeigt wird, wie nachstehendes Beispiel dokumentiert: Hakenlast GH 1000 kN Einscherung n 10-fach Flaschenzugwirkungsgrad ηFl 81,1 % (= 0,811) K 1,04 GH 1000 = = 123,30 kN Ausbauvorgang: Fz = n ⋅ ηFl 10 ⋅ 0,811
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Einbauvorgang:
§1· GH ⋅ ¨ ¸ ©K¹ Ft = n ⋅ ηFl
n
§1· GH ⋅ ¨ ¸ ©K¹ Ft = n ⋅ ηFl
n
Fz =
10
§ 1 · 1000 ⋅ ¨ ¸ © 104 ¹ = 10 ⋅ 0,881
= 83,30 kN
10
§ 1 · 1000 ⋅ ¨ ¸ © 104 ¹ = 10 ⋅ 0,881
= 83,30 kN
GH 1000 = = 123,30 kN n ⋅ ηFl 10 ⋅ 0,811
Daraus folgt, das beim Ausbauvorgang die Hakenlast mit GH = Ft · n= 83,30 · 10 = 833,0 kN und damit gegenüber der wahren Last von 1000 kN um 167 kN bzw. 16,7% zu niedrig angezeigt wird, während beim Einbauvorgang die Hakenlast mit GH = Ft · n = 123,30 · 10 = 1233,0 kN und damit gegenüber der wahren Last von 1000 kN um 233 kN bzw. 23,3% zu hoch angezeigt wird.
Abb. E-65: Versuchsanordnung nach LUKE & JUVKAM-WOLD.
E Bohrplatzeinrichtung und Gerätetechnik
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Abb. E-66: Zuglast im Totseil bei verschiedenen Bewegungsrichtungen des Traveling Blocks [BgH]
Die vorstehend getroffenen Aussagen, die Reibungsverluste im Flaschenzugsystem ebenso betreffend wie die Bewegungsrichtung, wurden von LUKE und JUVKAM-WOLD sowohl theoretisch wie auch durch praktische Versuche mittels einer Experimentier-Flaschenzuganlage (Abb. E-65) bestätigt. Bei der Messung der Zuglasten an den einzelnen Rollen des Turmrollenlagers (A, C, E) und des Traveling Blocks (B, D) wurde außerdem festgestellt, dass beim Heben von Lasten die Zuglast im Totseil am geringsten war und dann von Rolle A bis Rolle E ansteigend verlief, woraus zu schlussfolgern ist, dass auch die zugehörigen Seilzüge entsprechend ansteigend verlaufen, so dass sich im Zugseil der größte und im Totseil der geringste Zug ergibt, was bereits in der vorstehenden Berechnung zum Ausdruck gebracht wurde. Beim Senken von Lasten verlief die Zugverteilung umgekehrt, was sich ebenfalls in der Berechnung widerspiegelt. Gleichzeitig ergaben die Versuche aber auch, dass die Zuglasten an den Rollen bei konstanter Geschwindigkeit ebenfalls konstant blieben, woraus zu folgern ist, dass die Veränderung der Seillänge (Aufspulen beim Heben = Seilverkürzung, Abspulen beim Senken = Seilverlängerung) auf die Zuglasten keinen erkennbaren Einfluss hat. LUKE & JUVKAM-WOLD haben aber darüber hinaus auch noch analysiert, wie sich die Zugspannung im Totseil mit der Bewegungsrichtung des Traveling Blocks verändert, wobei jeweils Abschnitte mit konstanter Fahrgeschwindigkeit (60 s) mit Abschnitten des Stillstandes (30 s) abwechselten. Das Ergebnis ist Abb. E-66) zu entnehmen und zeigt, dass die Zugspannung zunächst, wie zu erwarten war, von der Bewegungsrichtung abhängt und beim Heben (raising) niedriger ist als beim Absenken (lowering). Erstaunlich ist dagegen die Feststellung, dass unter statischen Bedingungen (Stillstand) keine Änderung der Zuglast eintritt, und dass diese statische Last gleich der dynamischen der jeweiligen Bewegungsrichtung ist. Das heißt, dass beim Heben der niedrigere Wert und beim Absenken der höhere Wert, der sich bei dynamischer Betrachtung ergibt, erhalten bleibt, also eine Art Memory Funktion erfolgt. Und in beiden Fällen entspricht die Last im Totseil, multipliziert mit der Zahl der eingescherten Stränge, nicht der Hakenlast, wie bereits mittels der vorstehenden Gleichungen zum Ausdruck gebracht wurde. Um die gemachten Angaben sowie die Versuchsergebnisse von LUKE & JUVKAMWOLD zu überprüfen, wurden an der BOHRMEISTERSCHULE CELLE im Rahmen einer Projektarbeit des Techniker-Lehrgangs 1995/97 [14] ebenfalls Versuche mit einem Flaschenzugmodell durchgeführt. Dabei konnten die Ergebnisse beider Untersuchungen, der praktischen von LUKE & JUVKAM-WOLD ebenso wie die theoretischen der BOHRMEISTERSCHULE
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CELLE voll bestätigt werden, wie den nachstehenden Grafiken (vgl. Abb. 5-19 und 5-20) für den Aus- und Einbau von Lasten zu entnehmen ist. Viele Driller kennen auch hierzulande den Unterschied zwischen der Lastanzeige am Drillometer beim Aus- bzw. Einbau von Strängen. Das wird jedoch in der Regel auf die unterschiedlichen Reibungseinflüsse im Bohrloch zurückgeführt, was durchaus richtig ist, wenngleich, wie die Tests gezeigt haben, zusätzlich noch die vorstehend besprochenen Fehlanzeigen hinzu kommen. Zudem kann der Unterschied in der Drillometeranzeige ganz einfach ermittelt werden, wenn die Bohranlage über einen Topdrive und damit über ausreichende Haken-Grundlast verfügt. Wird der Topdrive, ohne Strang, mit konstanter Geschwindigkeit auf- bzw. abgefahren, so lassen sich schon leichte Unterschiede in den Anzeigen feststellen. Dass dabei keine Reibung im Bohrloch verantwortlich gemacht werden kann, weil sich kein Strang am Haken befindet, versteht sich von selbst. Um ein verlässliches Rechenverfahren zu bekommen, haben LUKE & JUVKAMWOLD bei Zugrundelegens der gängigen Verfahren unterschieden zwischen einem System mit reibungsfreier Totseilrolle (inactive dead-line sheave) und einer frei beweglichen Totseilrolle, die Reibungsverluste hat, wie jede andere Rolle auch (active dead-line sheave). Beim reibungsfreien Verfahren wird, wie im vorstehend entwickelten Rechenverfahren auch, der Wirkungsgrad nur mit den aktiven Seilscheiben und Seilsträngen berechnet, also mit n = 10 bei 10-facher Einscherung. Wird die Totseilrolle nicht als reibungsfrei betrachtet, so müsste statt mit n = 10 jeweils mit n = 11 bei 10-facher Einscherung gerechnet werden, weil in einem solchen Fall immer die zusätzlich im System befindliche Totseilrolle mit in die Berechnung eingehen müsste. Ein Vergleich der entsprechenden Rechenergebnisse mit den Versuchen zeigt jedoch, dass die verlustfreie Betrachtungsweise (inactive sheave oder n = 10 bei 10-facher Einscherung) die realistischeren Ergebnisse liefert. Das zeigt nachstehender beispielhafter Versuch: Hakenlast
1220 lbf (= 5427 N) Fahrgeschwindigkeit 31 ft/min (= 9,5 m/min) 256 lbf (= 1139 N) mittlere Zuglast im Totseil Rechenergebnisse mit Reibung in der Totseilrolle 1390 lbf (= 6183 N) ohne Reibung in der Totseilrolle 1230 lbf (= 5471 N) mit bisherigem Verfahren 1025 lbf (= 4559 N) Damit liegt das mit reibungsfreier Totseilrolle berechnete Ergebnis etwa 1 % über dem tatsächlichen Wert, während bei nicht-reibungsfreier Berechnungsmethode ein Fehler von + 14% auftritt und bei der bisherigen Methode, wobei die Hakenlast als Zuglast im Totseil mal Anzahl der Einscherungen angezeigt wird, um 16% unter der tatsächlichen Hakenlast liegt. Da das vorstehende, an der BOHRMEISTERSCHULE CELLE entwickelte Berechnungsverfahren ebenfalls darauf basiert, die Totseilrolle als reibungsfrei anzunehmen, werden mit diesem Verfahren die realistischsten Ergebnisse erzielt, was die Labor- und Feldversuche von LUKE & JUVKAM-WOLD unabhängig hiervon bestätigt haben. Das wiederum bedeutet, dass solange wie kein geeignetes Anzeigegerät (Drillometer oder Weight Indicator) zur Verfügung steht, der Driller selbst entsprechende Korrekturen der Lastanzeige vornehmen muss, sofern extreme Situationen anstehen wie beispielsweise Ziehen unter Ausnutzung der Zugreserven der Bohranlage, und dass hierfür das vorstehend vorgestellte Verfahren eine entscheidende Hilfe sein kann. Es wird für die Praxis folgendes Vorgehen vorgeschlagen: Angezeigte Hakenlast am Drillometer nach heutigem Messverfahren: GH* = Ft · n
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Effektive Hakenlast beim Ausbauvorgang: GH =
FT ⋅ n ⋅ ηFl §1· ¨ ¸ ©K¹
n
=
G H* ⋅ ηFl §1· ¨ ¸ ©K¹
n
beim Einbauvorgang: GH = FT n · ηL = GH* · ηFl Ein Beispiel, basierend auf den zuvor eingeführten Werten, soll auch hier die Vorgehensweise beim Gebrauch dieser Korrekturberechnung verdeutlichen: effektive Hakenlast GH = 1000 kN Dieser Wert ist rechnerisch aus der Drillometeranzeige zu ermitteln! Einscherung 10-fach n = 10 Ausbauvorgang Drillometeranzeige: GH* = Ft · n = 83,30 kN · 10 = 833,0 kN G ⋅η 833 ⋅ 0,811 = 999,99 kN eff. Hakenlast: GH = H* n Fl = 10 §1· § 1 · ¨ ¸ ¨ 1,04 ¸ ©K¹ © ¹ Einbauvorgang Drillometeranzeige: GH* = Ft · n
= 123,30 · 10 = 1233,0 kN
eff. Hakenlast: GH = GH* · ηFl ൌ 1233,0 · 0,811=999,96 kN Es zeigt sich, dass beim jeweiligen Arbeitsgang, Ausbauen oder Einbauen, die effektive Hakenlast relativ einfach aus der tatsächlichen Drillometeranzeige zu berechnen ist. Damit ist dem Driller ein Instrument an die Hand gegeben, die tatsächlichen Lasten genauer zu ermitteln und möglichen Schwierigkeiten vorzubeugen, besonders in extremen Situationen, denn nicht immer reicht die ohnehin vorhandene Seilsicherheit aus, diese Missweisungen aufzufangen. Die Versuche von LUKE & JUVKAM-WOLD haben außerdem gezeigt, dass das vorgeschlagene Berechnungsverfahren der Realität besonders nahe kommt, so dass einer praktischen Anwendung nichts im Wege steht. In Abb. E-67 ist die Lastverteilung in den einzelnen Strängen eines 10-fach eingescherten Flaschenzuges nochmals dargestellt. Dabei wird die Zugkraft im Zugseil gleich 100 gesetzt und dann berechnet, wie diese in den eingescherten Strängen beim Heben einer Last abnimmt, wenn mit einem Wirkungsgrad pro Einscherung von etwa 96% gerechnet wird, was einem KFaktor von 1,04 entspricht. In der täglichen Arbeit mit dem Bohranlagen-Flaschenzug sollte ein Seilsicherheitsfaktor von 5 angestrebt werden, um das Seil zwar auf der einen Seite optimal auszunutzen, auf der anderen Seite jedoch nicht übermäßig stark zu beanspruchen oder zu wenig zu beanspruchen. Liegt der Seilsicherheitsfaktor über 5, so wird zu viel Seil eingeschert und im System „spazieren gefahren“, was zu erhöhtem Seilverschleiß führt. Liegt der Sicherheitsfaktor unter 5, so wird das Seil sehr stark beansprucht und damit verschlissen, was, wie im nächsten Kapitel noch ausgeführt wird, zu einer Reduzierung des Grenz-Seilarbeitsbetrages führt, der zum Nachnehmen des Seiles herangezogen wird.
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Abb. E-67: Lastverteilung im Flaschenzugsystem bei 1 0-facher Einscherung (Zug im Zugseil = 100) [BgH]
Diese Sicherheitsfaktoren sollten extremen Situationen wie dem Freiziehen festgefahrener Bohrstränge oder dem Einbau extrem schwerer Rohrtouren vorbehalten bleiben. Der SeilSicherheitsfaktor von 5 wird sowohl von API wie auch allen führenden Seilexperten als der „Arbeits-Sicherheitsfaktor“ empfohlen.
4.5 Seilkürzungsprogramme 4.5.1 Allgemeines Wie vorstehend schon zum Ausdruck gebracht, ist das Fahrseil ein Maschinenelement in der Zeitfestigkeit, so dass die Belastungen, die während des Betriebes auftreten, größer sind als die Materialfestigkeit, bezogen auf einen bestimmten Zeitraum bzw. eine bestimmte Anzahl von Lastwechseln entsprechend der Wöhlerkurve. Es ist deshalb unumgänglich, dass das Seil von Zeit zu Zeit aus dem Flaschenzugsystem herausgenommen werden muss, ehe es zu Seilbrüchen kommt. Nun wäre es sicherlich unklug, das gesamte Seil solange im System zu belassen, bis ein bestimmter Verschleißgrad erreicht ist, und dann das gesamte Seil auszutauschen. Betrachtet man ein Flaschenzugsystem eines etwa 40 m hohen Bohrgerüstes, so befinden sich bei 10-facher Einscherung des Seiles etwa (10 + 2) x 40 m = 480 m Seil in der Einscherung (10
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Seilstränge plus Totseil plus Fahrseil). Hinzu kommen noch etwa 20 m Seil auf der Trommel und auf dem Totendanker, so dass mit insgesamt etwa 500 m Seil (in der Regel sogar mehr) gerechnet werden muss. Aus diesem Grunde wurde ein Verfahren entwickelt, dass nach Erreichen einer bestimmten Seilarbeit (Grenzwert), ein bestimmter Betrag an Seil durch das System hindurch gezogen und am trommelseitigen Ende gekappt wird, wobei als Kriterium gilt, dass die Seilsicherheit am zu kappenden Ende noch ebenso groß ist wie die auf der Reservetrommel. Damit nun das Seil über längere Zeit nachgenommen werden kann, wird ein Seil auf der Bohranlage eingesetzt, das wesentlich länger ist als das im Flaschenzugsystem befindliche. In den meisten Fällen sind das etwa 1500 m bei einem neu eingescherten Seil. Der nicht eingescherte Teil des Seiles ist auf der Reserveseiltrommel aufgespult, die hinter dem Totendanker neben der Bohranlage platziert wird. Allerdings sind bezüglich der Länge des Reserveseiles Grenzen durch die Handhabung der Seiltrommeln gesetzt.
4.5.2 Belastungen von Bohrseilen im Flaschenzugsystem Die wesentlichen Beanspruchungsarten, denen das Fahrseil ausgesetzt ist, sind: • Zugbeanspruchung infolge Belastung des Seiles durch Eigengewicht und Last. • Biegebeanspruchung an den Umbiegestellen an den Rollen in Abhängigkeit von der Zugbelastung, dem Seilrollendurchmesser, der Anzahl der Biegungen (Einscherung) und der Zahl der Drähte und Litzen sowie deren Durchmesser. • Flächenpressung (Querdruckbeanspruchung) durch große Umschlingung des Seiles an den Seilrollen (135 – 150°) bei hoher Zugbelastung. Die Hauptbeanspruchung findet an der festen oder stehenden Rolle (Totseilrolle) statt, da hier stets derselbe Seilabschnitt im Eingriff steht. • Beschleunigungskräfte beim Anfahren und Abbremsen unter Last. Alle diese Beanspruchungen, zuzüglich der Korrosionswirkung, der inneren Reibung und des Verschleißes führen schließlich zur Ermüdung des Werkstoffs und damit letztlich zum Drahtbruch. Hinzu kommt, dass viele Beanspruchungen nicht linear wirken, sondern überlagert werden von anderen Beanspruchungen. So wird beispielsweise das Seil an der Totendrolle nicht nur auf Pressung beansprucht, sondern zusätzlich noch auf Biege-Zug-Wechselbeanspruchung, weil diese Rolle bekanntlich nicht steht (stehende Rolle !), sondern sich stetig leicht hin und her bewegt, was zu einer zusammengesetzten, dynamischen Wechselbelastung des Seiles führt.
4.5.3 Wartung und Pflege von Fahrseilen Die vorstehend erörterten Belastungen machen es erforderlich, das Fahrseil besonders zu warten und bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, um das Seil nicht vorzeitig zu verschleißen. Hierzu zählen: • regelmäßiges Nachschmieren des Seiles • max. Seilgeschwindigkeit beim Hochfahren des unbelasteten Klobens von 20 m/s nicht überschreiten, da der Verschleiß proportional zur Fahrgeschwindigkeit wächst • Seilanlaufwinkel (α) sollte 1½° bis 2° betragen. Daraus ergibt sich ein Mindestabstand a zwischen zugseitiger Seilscheibe im Rollenlager und Hebewerkstrommel, der in Abhängigkeit von Trommelbreite b wie folgt ermittelt wird: a = 14 · b Es bedeuten: a = Entfernung Seilscheibenachse zu Hebewerkstrommelwellenachse
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b = Trommelbreite α = Seilanlaufwinkel
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Abb. E-68: Seilanlaufwinkelberechnung
• Seilspulsystem (LEBUS) auf der Hebewerkstrommel aufbringen, um Seileinschnürungen zu vermeiden. • ausreichendes Gewicht von Kloben und Haken, um eine straffe Seilführung bei Leerfahrten zu gewährleisten. • ausreichender Durchmesser der Hebewerkstrommel, um die Zahl der Seillagen auf der Trommel in Grenzen zu halten. • Seilführungen verwenden, um Schlagen und Vibrieren des auflaufenden Seiles zu vermeiden. • Seilrollendurchmesser dem Seildurchmesser anpassen, da das D/d Verhältnis den Nutzeffekt des Seiles beeinflusst. Der Nutzeffekt ist die praktische Nutzungsdauer des Seiles im Verhältnis zur theoretisch möglichen Nutzungsdauer. Hierbei steht D für den Rollendurchmesser und d für den Seildurchmesser (Abb. E-69).
Graf. 1-E: Nutzeffekt eines Seiles in Abhängigkeit vom D/d Verhältnis
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4.5.4 Seilarbeit Da aufgrund der verschiedenen Belastungen eine Dauerfestigkeit des Seiles nicht gegeben ist, muss eine Größe gefunden werden, anhand der der Verschleißgrad des Seiles ermittelt werden kann, sodass ein Auswechseln des Seiles im Flaschenzugsystem möglich ist. Als Kriterium hierfür wurde die Seilarbeit gefunden. Die Einheit der physikalischen Arbeit ist Nm. Die Definition besagt, dass bei Aufbringen einer Arbeit eine Kraft (N) längs eines Weges (m) wirkt: W [Nm] = F [N] · l [m] Je häufiger nun das Seil durch das System gefahren wird, und je größer die dabei bewegten Lasten sind, desto größer ist demzufolge die Kraft, die längs eines bestimmten Weges wirkt oder die Arbeit. Diese Seilarbeit wird jedoch im Bohrbetrieb nicht in Nm gerechnet, sondern in Tonnen-Kilometer (tkm) bzw. in Field Units (englisches System) in Ton-Miles (tm), was jedoch letztendlich mehr oder weniger dieselbe Bedeutung hat, wenn man sich vom SI System löst. Ist eine bestimmte Seilarbeit aufgelaufen so bedeutet das, dass das Seil um eine bestimmte Länge durch das Flaschenzugsystem hindurch gezogen werden und um diesen Betrag gekürzt werden muss. Das wird dann als Seil-Kürzungsprogramm bezeichnet. Die zu kürzende Länge und die zugehörige Seilarbeit sind so gewählt, dass das gekürzte Seilende am trommelseitigen Ende zwar den größten noch zulässigen Verschleiß aufweist, in Bezug auf die Seilsicherheit jedoch dem neuen Seil am Totende (an der Reservetrommel) noch entspricht. Für die Bestimmung der Lebensdauer eines Fahrseiles gilt somit als Maß die geleistete Seilarbeit. Grundlage hierfür ist nach API RP 9 B die Arbeit, die das Seil bei verschiedenen Bohroperationen verrichtet. Es wird dabei unterschieden zwischen dem Bohren, dem Kernen, Fangarbeiten, Rohreinbau etc. Zusätzlich müssen spezielle Belastungsfaktoren wie Beschleunigung und Abbremsen sowie Reibungs- und Vibrationskräfte im Flaschenzugsystem mitberücksichtigt werden. Für vergleichende Berechnungen kann jedoch eine Überschlagsrechnung angewendet werden, in die nur die in der Zwischenzeit verrichtete Tätigkeit eingeht, die das Seil durch Heben und Senken von Lasten beim Roundtrip, beim Bohren, Kernen, Rohreinbau und Short-Trips verrichtet hat. Die nur schwer zu erfassenden Reibungs- und Vibrationskräfte werden dabei eliminiert, da sie als fester Bestandteil der Seilbelastung betrachtet werden, die für Vergleichszwecke nicht relevant sind. Die Hauptgleichung der Seilarbeit, die die Seilarbeit für einen Roundtrip (= Ausbau und Wiedereinbau des Stranges) in eine bestimmte Teufe berechnet, lautet nach API RP 9 B, umgerechnet in das metrische System und etwas modifiziert Ws = Z (L · GDP+T · GDP + 4GH +2GDC) [tkm] Hierin sind: WS = Seilarbeit [tkm] Z = Teufe des Bohrloches in km [km] T = Teufe des Bohrloches in Metern [m] L = Länge eines Gestängezuges beim Roundtrip [m] GDP = Metergewicht des Bohrgestänge in Spülung [t/m] GH = Gewicht von Haken, Traveling Block, Bügel, Elevator usw. [t] GDC = Differenzgewicht zwischen dem Schwerstangenstrang und einem Bohrstangenstrang gleicher Länge in Spülung [t]
Wird mit Topdrive gearbeitet, so muss das Gewicht des Topdrives in GH eingehen! Nach API RP 9 B ergibt sich folgende Roundtrip-Gleichung, die jedoch dieselben Ergebnisse liefert wie die modifizierte Gleichung, die vorstehend erörtert wurde:
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Ws =Z · GDP (L +T) +4Z(GH +1/2 GDC) [tkm] Diese Gleichung kann insofern vereinfacht werden, weil ein Teil der Größen eine Konstante ergeben und ein anderer Teil der Gewichtsanzeige am Drillometer entspricht. Das Drillometer zeigt die Summe der am Haken hängenden Stranglast in Spülung plus dem Gewicht von Haken, Traveling Block, Elevator etc. in Tonnen (t) an. Das ergibt folgende Rechnung: A = (T · GDp) + GH + GDC [t] Solange die Strangzusammensetzung unverändert bleibt, solange also in der Stabilisierung und im Schwerstangenstrang keine Änderungen vorgenommen, sondern nur Bohrstangen am oberen Teil des Stranges zugefügt werden (werden in der Teufe des Bohrloches und damit in der Hakenlast A berücksichtigt!), ergibt sich eine Konstante gemäß nachstehender Rechnung: K = L · GDP + 3GH + GDC [t] Dadurch vereinfacht sich die gesamte Seilgleichung zu: Ws = Z (A +K) [tkm] Ein Beispiel soll den Gebrauch dieser Gleichung erläutern: Teufe Teufe Metergewicht des DP in Spülung Differenzgewicht DC / DP bei 135 m Gewicht Haken etc. Länge eines Gestängezuges
T Z GDP DC GH sL
3000 m 3 km 30 kg/m = 0,03 t/m 10,8 t 20 t 27 m
Anmerkung: Wichtig ist, alle Größen in Einheiten von t, m bzw. km einzusetzen, um das Ergebnis in tkm zu bekommen. Ws = 3 (27 – 0,03 + 3000 · 0,03 + 4 · 20 + 2 · 10,8) = 3 · 1912,4 = 577,2 tkm Das bedeutet, dass für einen Roundtrip in 3000 m Teufe eine Seilarbeit von etwa 577 tkm geleistet wird. Die Seilarbeit wird nach jedem Roundtrip ermittelt. Dazu muss das Bohrwerkzeug kurz über Sohle gefahren werden, damit die Hakenlast festgestellt werden kann. Zu diesem Wert wird die zuvor ermittelte Konstante hinzu addiert. Das Ergebnis wird schließlich mit der Bohrlochteufe in km multipliziert und ergibt die Seilarbeit für einen Roundtrip in dieser Teufe. Um die Berechnung entsprechend der verrichteten Tätigkeit (Bohren, Rohreinbau, Kernen) durchführen zu können, wird das nach vorstehender Vorgehensweise ermittelte Ergebnis der Seilarbeit für den Roundtrip zu Beginn des Bohr- oder Kernabschnitts und am Ende dieses Abschnitts ermittelt und mit einem Faktor multipliziert. Für den Rohreinbau wird die halbe Roundtrip-Seilarbeit bei Rohrschuhteufe gerechnet. Seilarbeit beim Bohren von Teufe Z1 bis Teufe Z2 : WSB = 3 (Wsz2 – WSZ2) [tkm] Seilarbeit beim Kernen von Teufe Z, bis Teufe Z2: WSK = 2 (WSZ2 – WSZ1) [tkm] Seilarbeit beim Rohreinbau bis Teufe ZR (= Rohrschuhteufe): WSR = ZR/2 (TR · GR + LR · GR + 4 · GH) [tkm]
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Hierin sind: ZR Rohreinbauteufe [km] TR Rohreinbauteufe [m] GR Metergewicht der Rohre in Spülung [t/m] LR mittlere Länge eines Rohres [m] GH Gewicht von Haken, Traveling Block, Elevator etc. [t]
Wird die Gewichtsanzeige der Bohranlage mit in die Berechnung einbezogen, so ergibt sich für die Seilarbeit beim Rohreinbau: WSR = ZR/2 (A + K) [tkm] Anmerkung: Für den Rohreinbau wird statt des Differenzgewichtes zwischen Schwerstangen und Bohrgestänge das Gewicht eines Rohres (LR ȉ GR) in Spülung eingesetzt, so dass sich folgende Berechnung der Konstanten ergibt: KR = LR. GR + 3 GH [t] Seilarbeit beim Short-Trip von Teufe Z, bis Teufe Z2: WSST = WSZ2 – WSZ1 [tkm] Die Berechnung der Seilarbeit kann jedoch entfallen, wenn die Anlage über einen sog. Tonnen-Kilometer-Zähler verfügt, der die „zurückgelegten“ Tonnen-Kilometer automatisch erfasst. Das geschieht z. B. durch die Registrierung des Seilweges (Laufrad an der Zugseilrolle) unter Berücksichtigung der Einscherung und der Hakenlast (Messung an der Druckmessdose im Totseil). Diese Art der Seilarbeitsermittlung ist auf jeden Fall genauer als eine Berechnung, die nur überschlägigen Charakter haben kann, da jeder Weg und jede Last registriert werden. Der Arbeitsaufwand fällt für das Fahrseil an, wenn Roundtrip-Operationen durchgeführt werden, wobei der Bohrstrang inkl. HWDP, BHA und Werkzeug in das Loch hinein oder aus dem Loch heraus gefahren werden muss. API geht bei der Berechnung davon aus, dass dadurch, dass der Bohrgestängestrang durchgehend bis zur Bohrlochsohle angenommen und dann das Differenzgewicht zwischen dem Schwerstangenstrang und dem Bohrstrangabschnitt gleicher Länge berücksichtigt wird, eine Vereinfachung der Berechnung stattfindet. Das bedeutet aber auch, dass im Extremfall das Gewicht von HWDP, Stabilizern und anderen Einbauteilen (Jars etc.) gegenüber dem Bohrgestängegewicht, bezogen auf die Länge der Schwerstangen, mit in Anrechnung gebracht werden muss, obwohl die entsprechende Gleichung das nicht ausdrücklich vorsieht. Beim Roundtrip legen Haken, Traveling Block, Elevator usw. zweimal den doppelten Weg einer Zuglänge zurück, wenn dabei ein Zug aus- und eingebaut wird, da der Elevator sowohl beim Aus- wie auch beim Einbau eines Zuges jeweils die doppelte Zuglänge an Weg zurücklegen muss. Die dabei bewegte Last entspricht dem Stranggewicht, bestehend aus Bohrgestänge (DP), HWDP, Schwerstangen (DC) und Stabilizern etc. in Spülung, also unter Berücksichtigung des Auftriebs. Es wird weiterhin angenommen, dass die Reibung des Stranges an der Bohrlochswand beim Einbau wie beim Ausbau des Stranges gleich groß ist, so dass sich die Reibungskräfte aufheben, weil sie beim Einbau eine Entlastung des Hakengewichtes bringen, beim Ausbau eine entsprechende Belastung. Die Seilarbeit, die beim Bohren aufgebracht wird, wird durch die Arbeit ausgedrückt, die bei einzelnen Roundtrips von Teufe 1 bis Teufe 2 aufgebracht würde. Im Einzelnen werden folgende Arbeitsgänge durchgeführt: 1. Kellylänge abbohren 2. Kelly hochfahren 3. abgebohrte Kellylänge nachräumen 4. Kelly hochfahren um eine DP-Stange nachzusetzen 5. Kelly im Rattenloch abstellen
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6. DP-Stange aufnehmen 7. Bohrstrang im Loch um eine DP-Länge absenken 8. Kelly aufnehmen und auf Strang aufsetzen. Eine Analyse der Arbeiten zeigt, dass für eine bestimmte Bohrlochlänge die Summe der Operationen 1 und 2 gleich einem Roundtrip ist. Die Summe der Operationen 3 und 4 entspricht einem weiteren Roundtrip und die Operation 7 einem halben Roundtrip. Die Summe der Operationen 5, 6 und 8 entspricht in der Regel einem anderen halben Roundtrip, so dass insgesamt 3 Roundtrips entstehen, wenn ein Bohrloch von einer Teufe 1 bis zu einer Teufe 2 vertieft wird. Aus diesem Grunde wird die Differenz zwischen der Roundtriparbeit in Teufe 1 von der in Teufe 2 abgezogen und mit dem Faktor 3 multipliziert. Werden die Operationen 3 und 4, also die Räumfahrt, eliminiert, so braucht die RoundtripDifferenz nur mit einem Faktor 2 multipliziert zu werden. Beim Kernen ergeben sich entsprechend dem Bohren folgende Arbeitsgänge: 1. Eine Kernrohrlänge abbohren (kernen) 2. Kelly hochfahren 3. Kelly im Rattenloch abstellen 4. DP-Stange aufnehmen 5. Bohrstrang im Loch um eine DP-Länge absenken 6. Kelly aufnehmen und auf Strang aufsetzen. Die Operationen 1 und 2 entsprechen wiederum einem Roundtrip, die Operation 5 einem halben Roundtrip und die Summe der Operationen 3, 4 und 6 erneut einem halben Roundtrip, so dass sich beim Kernen von Teufe 1 bis Teufe 2 in Summe zwei Roundtrips ergeben. Das gilt jedoch nur für Kernen mit 9 m Kernrohren, nicht für Kernoperationen mit verlängerten Kernrohren. Beim Rohreinbau wird statt des Stranggewichtes das effektive Gewicht der Rohrtour (unter Einwirkung des Auftriebs) eingesetzt. Die Roundtrip-Seilarbeit, bezogen auf die Rohrschuhteufe wird mit 1/2 multipliziert, da der Einbau der Rohrtour nur in das Bohrloch erfolgt (Rohrtour wird nicht, wie der Bohrstrang, wieder ausgebaut!). Auch bei der Durchführung von Short-Trips wird die hierbei aufgebrachte Seilarbeit in Seilarbeit bei Roundtrips ausgedrückt. Entsprechende Analysen haben gezeigt, dass die Seilarbeit bei Short-Trips der Differenz der Seilarbeit von zwei Roundtrips für zwei verschiedene Teufen entspricht. Wird nun die Seilarbeit während des Betriebes erfasst, um den Grenzwert zu ermitteln, bei dessen Erreichen eine Seilkürzung oder ein Nachnehmen des Seiles durchzuführen ist, so müssen sämtliche Teil-Seilarbeiten bei alle Roundtrips und Short-Trips, beim Bohren eines jeden Abschnitts zwischen den Roundtrips, ebenso für jeden Kernmarsch und Rohreinbau ermittelt und addiert werden. Beim Bohren mit Topdrive ergeben sich analog zum Bohren mit Mitnehmerstange und Drehtisch folgende Arbeitsgänge: 1. Zuglänge (z. B. 27 – 28 m) abbohren 2. Zuglänge hochfahren 3. Zuglänge nachräumen 4. Topdrive hochfahren um neue Zuglänge nachzusetzen Die Operationen 1 und 2 ergeben einen Roundtrip, die Operation 3 einen halben Roundtrip und die Operation 4 maximal einen weiteren halben Roundtrip, so dass beim Nachräumen der abgebohrten Strecke maximal ein Faktor 2 entsteht, mit dem die Roundtripdifferenz beim Bohren multipliziert werden müsste. Entfällt das Nachräumen, so entfallen die Operationen 2 und 3 und damit ein Roundtrip, so dass sich ein Multiplikationsfaktor von nur 1 ergibt.
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In der Praxis wird jedoch auch beim Bohren mit Topdrive in der Regel mit dem Faktor 3 gerechnet. Begründet wird das damit, dass man die nachzusetzenden Gestängezüge zusammenstellen muss, indem man die Einzelstangen zu einem Strang im Bohrloch zusammenstellt und anschließend als Dreierzüge im Mast abstellt. Das ergibt wiederum einen kompletten Roundtrip. Allerdings muss auch festgestellt werden, dass die dabei anfallende Seilarbeit normalerweise separat registriert wird, so dass der Faktor 3 beim Bohren mit Topdrive sicherlich zu hoch angesetzt ist. API hat diesen Fall bisher noch nicht erfasst.
4.5.5 Kürzungsprogramme Wie bereits in einem früheren Kapitel zum Ausdruck gebracht wurde, liegt ein Fahrseil nur in der Zeitfestigkeit was bedeutet, dass es von Zeit zu Zeit zu erneuern ist, was dadurch geschieht, dass, wenn ein bestimmter Betrag der Seilarbeit aufgelaufen ist, ein bestimmter Seilabschnitt (Seillänge) trommelseitig durch das Flaschenzugsystem hindurch gezogen und gekappt wird. Nun ist es natürlich schwierig, die Grenz-Seilarbeit genau zu erfassen, da es eine Reihe von Einflussfaktoren gibt, die neben der Last, die längs eines Weges transportiert wird, wie vorstehend diskutiert, auf das Seil einwirken und Ermüdungserscheinungen für das Seil mit sich bringen. Ist das Seil beim Bohren ständigen Vibrationen ausgesetzt, so fällt zwar keine Seilarbeit im physikalischen Sinn an, das Seil wird jedoch trotzdem starken Belastungen ausgesetzt, die zu Ermüdungsbrüchen oder starkem Verschleiß selbst dann führen, wenn die dabei verrichtete Arbeit vernachlässigbar ist. Diese Erscheinung ist besonders stark beim Bohren in harten, klüftigen Formationen zu beobachten, insbesondere dann, wenn der Bohrfortschritt sehr niedrig ist. In weichen Formationen mit hohem Bohrfortschritt wird dagegen eine höhere Arbeit in der Zeiteinheit verrichtet, jedoch sind die zusätzlichen Seilbelastungen minimal. API hat deshalb eine Vielzahl von Untersuchungen in charakteristischen Bohrgebieten durchgeführt und ausgewertet. Das Ergebnis sind Grenzwerte der Seilarbeit, die zum Kappen des Seiles führen. In früheren Ausgaben der API RP 9 B bezog man sich bei der Härte des erbohrten Gebirges auf die typischen amerikanischen Bohrgebiete wie Rocky Mountains (sehr hart), Texas, New Mexico, California, Oklahoma, Kansas und Gulf Coast (sehr weich), wobei die Aufzählung von Bohrgebieten mit üblicherweise harten Formationen zu solchen mit weichen Formationen geht. Die API RP 9 B vom 30.05.1986 unterscheidet bereits zwischen schweren Bohrbedingungen (hard drilling) bis zu leichten Bohrbedingungen (easy drilling) mit 4 Abstufungen, so dass hier bereits ein Trend zum internationalen Bereich hin zu erkennen ist. Vermutlich wurde diese Revision auch dadurch beeinflusst, dass das INSTITUT FRANCAIS DU PETROLE (IFP) hier bereits vor Jahren eine Unterteilung in verschiedene Bohrschwierigkeiten (drilling difficulties) von sehr hart über hart, mittel bis weich vorgenommen hatte. Nach API lassen sich aus der entsprechenden Grafik die Ton-Miles entnehmen, die in Abhängigkeit vom Seildurchmesser, der Höhe des Mastes und der Härte der Formation maximal auflaufen sollten, ehe das Seil erstmalig gekappt wird. Alle folgenden Seilschnitte sollten bei Seildurchmessern von 1." und kleiner jeweils dann erfolgen, wenn 100 Ton-Miles (ca. 143 tkm) weniger als in der Grafik angegeben, erreicht sind, bei Seildurchmessern von 1.Υ" und 1." bereits, wenn 200 Ton-Miles (ca. 286 tkm) weniger erreicht sind. Um die Grenz-Ton-Miles vor dem ersten Schnitt nach der API Grafik zu ermitteln geht man von der Masthöhe senkrecht nach oben bis zum Schnittpunkt mit dem Seildurchmesser. Dann liest man am linken Rand der Grafik die Ton-Miles (angezeigt in 100 Ton-Miles) bezogen auf die jeweiligen Bohrbedingungen ab.
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4 Fahrseile
Hat der Mast eine Höhe von 136 ft und das Seil einen Durchmesser von 1.1/8“, so sollte der erste Schnitt bei schweren Bohrbedingungen nach Erreichen von 6000 Ton-Miles, bei leichten Bohrbedingungen nach Erreichen von 9000 Ton-Miles erfolgen. Die Werte der Graf. 1-E gelten für einen Arbeits-Seilsicherheitsfaktor von 5. Werden andere Sicherheitsfaktoren zugrunde gelegt, so sind die abgelesenen Werte entsprechend zu korrigieren mit dem sog. Korrektur Faktor (Graf. 2-E), auf den später noch eingegangen wird.
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Graf. 2-E: Verhältnis zwischen Masthöhe, Seildurchmesser und Bohrbedingungen für die Seilkürzung vor dem ersten Schnitt nach API
Graf. 3- E: Korrektur Faktor bei verschiedenen Seilsicherheiten
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Tab. 4-E: Seilarbeit vor dem ersten Schnitt nach IFP] in daNkm (= tkm)
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Tab.5-E: Seil-Kürzungslänge bei Erreichen der Grenz-Seilarbeit nach IFP
Nach IFP können die Grenz-Tonnen-Kilometer vor dem ersten Schnitt, ebenfalls in Abhängigkeit von Masthöhe und Seildurchmesser der Tabelle in Tab. 4-E entnommen werden. Auch
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diese Tabelle basiert auf einer Seilsicherheit von 5. Wird mit anderen Seilsicherheiten gearbeitet, so kann der entsprechende Korrektur Faktor der Korrekturkurve in Abb. E-71 entnommen werden, wobei sich zeigt, dass der Korrektur Faktor bei einem Sicherheitsfaktor von 5 gleich 1 ist, bei höheren Sicherheitsfaktoren größer und bei kleineren Sicherheitsfaktoren kleiner 1 ist. Das bedeutet, dass bei höheren Sicherheitsfaktoren eine höhere Seilarbeit vor dem Seilschnitt auflaufen kann, bei niedrigeren Seilsicherheiten geringere Seilarbeit. Als nächstes wäre dann noch die Frage zu klären, um wie viel Meter das Seilende bei Erreichen des Grenz-Seilarbeitswertes zu kappen ist. Dieser Wert ist abhängig von der Masthöhe und dem Durchmesser der Hebewerks-Seiltrommel und ist Tab. 5-E zu entnehmen. Ein Beispiel soll den Gebrauch der vorstehend besprochenen Tabellen und des APIKürzungsprogramms erläutern: Masthöhe 138 ft = 42 m Seildurchmesser 1.1 /4“ Bohrschwierigkeiten hart Trommeldurchmesser 28“ Seilsicherheitsfaktor 3,5 Aus der Tabelle in Tab. 4-E ist die max. Seilarbeit vor dem ersten Schnitt bei einem Sicherheitsbeiwert von 5 mit 1575 tkm zu entnehmen. Aus Abb. E-71 ist der Korrekturfaktor für einen Seilsicherheitsbeiwert von 3,5 mit 0,7 zu entnehmen, so dass die max. zulässige Seilarbeit in diesem Fall: WS = 1575 tkm · 0,7 = 1102,5 tkm beträgt. Für die Seilarbeit lässt sich aus Tab. 5-E eine Schnittlänge von 25,7 m Seil entnehmen. Um das Seil besser ausnutzen zu können und vorzeitige Beschädigungen wie Drahtbrüche o.ä. zu vermeiden, die dazu führen würden, dass das Seil bereits vor Erreichen der Grenz-Seilarbeit gekürzt oder gar vollständig aus dem System herausgenommen werden müsste, wendet man ein sog. Nachnehm-Programm (slipping program) an. Darunter ist zu verstehen, dass das Seil zwischen zwei Kürzungen mehrere Male um einen bestimmten Betrag nachgenommen wird, dass also eine bestimmte Seillänge auf die Trommel aufgespult wird. Die jeweils nachgenommenen Längen müssen jedoch in Summe dem zu kappenden Seilende entsprechen. Das bedeutet, bezogen auf das vorstehende Beispiel, dass bei 4 Slips nach Erreichen von jeweils etwa 276 tkm (1102 tkm: 4) eine Seillänge von etwa 6,5 m durchzogen werden muss, und das nach dem 4. Slip 27,7 m Seil gekappt werden müssen. Vorteil dieser Vorgehensweise ist, dass die Seilabschnitte, die einer besonderen Belastung ausgesetzt sind, z. B. an den Kreuzungspunkten auf der Trommel oder der Abschnitt, der auf der Totendrolle aufliegt und dadurch ständigen Biege-Zug-Druck-Wechselbeanspruchungen ausgesetzt ist, früher aus diesen kritischen Bereichen herausgenommen werden und damit einer weniger starken Belastung ausgesetzt sind. Die Nachnehmlängen sowie die Anzahl der sog. Slips zwischen 2 Seilkürzungen sind von API nicht eindeutig geregelt, da diese stark von den Belastungen und somit von den Bohrbedingungen abhängen, sowie von Länge und Häufigkeit der Kürzungen. API geht von ein bis zwei Slips bis hin zu 7 Slips aus. Die Slips sollten erhöht werden, wenn die Bohrbedingungen rau sind, das Seil also stark schlägt und vibriert, wenn Schlagarbeiten (jarring jobs) durchgeführt wurden etc. Es sollte aber auch darauf geachtet werden, dass nicht zu viel Seil auf der Trommel aufgespult wird, weil das die Auswuchtung der Trommel beeinflusst. Ebenso sollten solche Slips vermieden werden, die eine extra Seillage auf der Trommel verursachen. Daneben empfiehlt API, dass tunlichst solche Sliplängen gewählt werden, dass solche Abschnitte des Seiles, die sich in Bereichen starker Beanspruchung befunden haben, nicht ein zweites Mal in einen solchen Bereich gelangen. Bereiche starker Beanspruchung sind u.a. Kreuzungspunkte
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auf der Trommel (Übergang in die nächste Lage) und Kontakte mit den Seilscheiben von Traveling Block und Rollenlager wenn der Kloben sich in seiner tiefsten Position befindet (pickup position). Die Fahrseile wurden im Laufe der Jahre ständig weiter verbessert, bessere Werkstoffqualitäten wurden entwickelt und werden eingesetzt, und verbesserte Schmierstoffe wurden entwickelt. Das alles bewirkt, dass das Fahrseil eine höhere Qualität bekommt, und dass man vielfach glaubt, die Grenz-Seilarbeit zum Kappen des Seiles eigenmächtig vergrößern zu können. Manche Versuche in dieser Richtung schienen auch die Richtigkeit dieser Annahme zu bestätigen. Das kann jedoch ein schwerwiegender Irrtum sein, insbesondere heutzutage, wo in der Regel in große Teufen gebohrt wird, wo der Bohrfortschritt geringer wird. Das bedeutet, dass das Seil nur wenig bewegt wird, weil Nachsetzarbeiten seltener anfallen, so dass sich die aufgelaufene Seilarbeit in Grenzen hält. Wird nun das Seil kaum oder gar nicht nachgenommen, so verbleiben die Seilabschnitte, die sich in den kritischen Bereichen des Flaschenzugsystems befinden, unverhältnismäßig lange in einem solchen Abschnitt und werden dabei über Gebühr beansprucht, ohne dass sich diese Belastung in effektiver Seilarbeit niederschlägt. Tests haben ergeben, dass die Biegewechselfestigkeit (Wöhler-Verfahren) der Außendrähte eines Fahrseiles im Bereich der Totseilrolle von 400 N/mm2 auf etwa 200 N/mm2, also um etwa 50 % abgenommen hatte, weil sich das Seil zu lange an dieser Stelle befand. Aus diesem Grunde ist es unbedingt erforderlich, dass ein Fahrseil bei geringem Bohrfortschritt, wodurch es auch nur zu einer geringen Ansammlung von Seilarbeit kommt, häufiger nachgenommen wird als z. B. beim Bohren von Topholes. API empfiehlt, das Kürzungsprogramm so zu gestalten, dass es zur jeweiligen Bohranlage passt, also auf die Besonderheiten der Anlage abgestimmt ist. Dabei gilt immer als oberster Grundsatz, dass das Kürzungsprogramm die optische Inspektion des Seiles nicht ersetzen kann, und dass bei Erkennen von Seilbeschädigungen der beschädigte Teil aus den Flaschenzugsystem entfernt werden muss. Nun ist das API Seilkürzungsprogramm ein Programm, das von einer konstanten Kürzungslänge bei Erreichen einer Grenz-Seilarbeit ausgeht (25,7 m Seil kürzen nach 1102 tkm Seilarbeit). Diese Vorgehensweise kann zu Schwierigkeiten bei der Gestaltung des Arbeitsablaufes führen. Wird der Bereich der Grenz-Seilarbeit vor einem anstehenden Rohreinbau erreicht, so wird man, unbeschadet der „verschenkten“ Seilarbeit, das Seil vor dem Rohreinbau kürzen, um diese Arbeit nicht während des Rohreinbaus durchführen zu müssen. Computeranalysen haben aber gezeigt, dass es keine „magische Kürzungslänge“ gibt was bedeutet, dass es keine Seillänge gibt, um die das Seil gekürzt werden kann, so dass danach solche Teile des Seiles, die sich in kritischen, also besonders stark belasteten Abschnitten des Flaschenzugsystems befanden, solche kritischen Bereiche nicht wieder berühren, z. B. nicht wieder in Umlenkbereiche gelangen, sondern nur noch auf Axialzug belastet werden. Die Analyse ergab, dass sich ein Seilabschnitt, der sich einmal in einem kritischen Bereich befunden hat, einen solchen Bereich noch bis zu vier bis sechs Mal wieder berühren kann. Aus diesem Grunde empfiehlt die Drahtseilerei UNION WIRE ROPE ein vereinfachtes, flexibles Kürzungsprogramm, das nicht auf einer festen Kürzungslänge basiert, sondern auf einem Seilarbeits-Schnittziel. Das bedeutet, dass bei Erreichen der Grenzseilarbeit nach API die dort ermittelte Seillänge zu kürzen ist, dass es sich dabei aber um einen Maximalwert handelt, und dass davor bei jeder beliebigen Seilarbeit eine zugehörige Länge des Seiles gekappt werden kann, so dass die Aufsummierung der Seilarbeit erneut beginnen kann. Diese Vorgehensweise hat zum einen den Vorteil, dass das Seilkürzen immer dann vorgenommen werden kann, wenn es sich am besten in den Arbeitsablauf eingliedern lässt, dass aber andererseits keine festen Kürzungslängen vorliegen, sondern variable, was letztlich dazu führt, dass die Chance, dass ein Seilabschnitt zum wiederholten Male in einen kritischen Bereich des Flaschenzuges gelangt, geringer wird, weil hier ein gewisser Zufallsgenerator mit hineinspielt.
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4 Fahrseile
Die Ermittlung der variablen Kürzungslänge basiert auf folgender Berechnung: Seilarbeitseidemletzten Schnitt [tkm] Schnittlänge = ª tkm º Seilarbeits-pro-Meter-Faktor « ¬ m »¼ Der Seilarbeits-pro-Meter-Faktor wurde in Testversuchen für die verschiedenen Seildurchmesser ermittelt. Bezogen auf einen Seil-Sicherheitsfaktor von 5 ergeben sich folgende Werte: Tab. 6-E:Seilarbeitsfaktor
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Seildurchmesser Inch 1 1ǩ 1¼ 1Ǫ 1½ 1ǫ
Seilarbeits-pro-Meter-Faktor tkm/m 38 57 76 95 115 134
Das bedeutet, dass bei einem 1¼" Seil pro Meter zu kürzenden Seiles eine Seilarbeit von 76 tkm zugrunde gelegt wird, wenn der Sicherheitsfaktor 5 beträgt. Wird mit einem anderen Sicherheitsfaktor gerechnet, so kommen die bereits vorstehend diskutierten Korrekturfaktoren zur Anwendung. Das bedeutet, dass der o.g. tkm/m Faktor mit dem Korrekturfaktor aus Abb. E-71 zu multiplizieren ist. Beträgt z. B. der Sicherheitsfaktor nicht 5 sondern 7, so ist bei einem 1¼" Seil pro Meter zu kürzenden Seiles eine Seilarbeit von 76 tkm x 1,3 = 99 tkm zugrunde zu legen. Unter Bezugnahme auf die im vorherigen Beispiel verwendeten Werte ergibt sich nach diesem System, dass bei Ansammlung einer Seilarbeit von 760 tkm seit dem letzten Schnitt eine Seillänge von 10 m zu kappen ist, sofern mit einem Sicherheitsfaktor von 5 gerechnet wird. Bei einer Seilsicherheit von 3,5 ergibt sich eine Kürzungslänge von 14,3 m, bei einer Seilsicherheit von 7 eine solche von 7,7 m.
4.6 Seilverschleiß 4.6.1 Ablegereife von Seilen Unabhängig von vorstehendem Kürzungsprogramm ist ein Fahrseil ständig optisch auf Beschädigungen zu kontrollieren. Bei Feststellung von Beschädigungen, insbesondere von Drahtbrüchen, ist das Seil umgehend abzulegen, sofern die nach DIN 5881 (Teil 2) festgelegten Drahtbrüche überschritten werden. Die Anzahl der sichtbaren Drahtbrüche bei Ablegereife für 6-litzige Seile beträgt: Seilart Kreuzschlagseile Gleichschlagseile
Anzahl der Drahtbrüche 3 auf einer Länge von 6 d 2 auf einer Länge von 6 d
6 auf einer Länge von 30 d 3 auf einer Länge von 30 d
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Nach DIN 5881 ist ein Drahtseil abzulegen, wenn an der schlechtesten Stelle eine der beiden genannten Anzahlen sichtbarer Drahtbrüche festgestellt wird. Bei einer Seilsicherheit größer 10 gilt die doppelte Anzahl sichtbarer Drahtbrüche. Beim Bruch einer Litze ist das Seil sofort abzulegen, ebenso, wenn Aufdoldungen, Quetschungen, Knicke und Kinken (Klanken) oder sonstige ernstlichen Beschädigungen sowie besonders gravierender Verschleiß beobachtet werden. Bei korrosionsgefährdeten Seilen ist außerdem auf den inneren Zustand des Seiles zu achten, da vielfach der korrosiv bedingte Verschleiß im Inneren des Seiles außen nicht sichtbar wird, weil durch das Nachfetten des Seiles die äußeren Lagen nicht beschädigt werden. Es ist schon vorgekommen, dass ein scheinbar intaktes Seil plötzlich einen gravierenden Draht- oder Litzenbruch zeigte, der nicht zu erklären war. Erst das Auseinandernehmen des betreffenden Seilabschnitts zeigte, dass das Seil im Inneren völlig zerfressen war, so dass die Tragkraft nur noch durch die Außendrähte der Außenlitzen gegeben war.
4.6.2 Kritische Verschleißerscheinungen Verschiedentlich wurde auf kritische Verschleißstellen und besonders kritische Stellen im Flaschenzugsystem bereits im vorstehenden Text hingewiesen. Hier sollen besonders verschleißgefährdete Bereiche nochmals separat herausgehoben werden: • Seilschwingungen entstehen besonders im Fahrseil zwischen Trommel und Rollenlager. Diese Schwingungen wirken sich wie Hammerschläge auf das auflaufende Seil an der Seilscheibe aus, was zur Martensitbildung und schließlich zum Sprödbruch der Drähte führen kann. Abhilfe kann hier eine Seilführung schaffen. • Läuft das Seil schräg auf die Seilscheibe auf, so führt das zu einer einseitigen Belastung des Seiles und der Scheibe. Das Seil wird seitlich verschlissen und die Scheibe wird an der Wange ausgeschliffen, was auch jedes neue Seil, das in diesen Bereich kommt, beschädigt. • Das Seil muss in den Rillengrund der Seilscheibe passen. Ein zu großer Seildurchmesser führt dazu, dass sich zwischen Seil und Scheibenwangen eine punktförmige Auflage mit hohen Druckkräften bildet, die zu extremen Verschleiß führt. • Der Seil-Nenndurchmesser darf 6 – 7 % nicht unterschreiten, da es ansonsten zu Schwierigkeiten bei einem LEBUS-Berillungssystem kommt, da sich der pyramidenförmige Seilaufbau der einzelnen Lagen nicht bilden kann, weil das Seil der oberen Lagen zwischen die Seile der unteren Lagen gequetscht wird. • Sehr hohe Biegewechselbeanspruchungen treten an der Totseilrolle auf. Hier können bis zu 50 % des Dauerfestigkeitsverlustes eines Seiles eintreten. Das ist besonders tragisch, da dieser Seilabschnitt noch lange im Flaschenzugsystem verbleibt und übermäßige Drahtoder gar Litzenbrüche dann wahrscheinlich werden, so dass eine große Seillänge abgelegt werden muss. • Abhilfe schafft hier ein häufigeres Slippen des Seiles, auch mit minimalen Beträgen (z. B. 2 – 3 m). • Wird der Kloben beim Hochfahren stark abgebremst, so lockern sich die Seillagen auf der Trommel, um sich anschließend schlagartig wieder festzuziehen. Es ist deshalb wichtig, stets ausreichendes Klobengewicht für Leerfahrten zu haben. Als Faustwert gilt, dass das Klobengewicht mindestens 1 % der eingescherten Seilbruchkraft betragen sollte. Notfalls ist der Kloben durch Aufbringen von Gewichten zu beschweren. • Ausreichendes Nachnehmen des Seiles ist wichtig, um das Seil nicht zu lange an kritischen Stellen des Flaschenzugsystems extremen Belastungen auszusetzen.
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5 Anschlagmittel
5 Anschlagmittel 5.1 Einleitung
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Um ein Hebegut wie Werkstücke, Maschinen, Tanks, Rohre oder ähnliche Gegenstände zu verladen oder umzusetzen verwendet man Krane. Nun können allerdings die wenigsten Gegenstände direkt mit dem Kranhaken oder Hebezeug verbunden werden. Vielmehr müssen zwischen Kranhaken oder Hebezeug und dem Hebegut sog. Anschlagmittel zwischengeschaltet werden, die wiederum dem Gerätesicherungsgesetz unterliegen. Unter Anschlagmitteln werden verstanden: • Drahtseile • Ketten • Faserseile • Bände • Hebeschlingen. Die meisten Anschlagmittel sind nicht universell für alle Hebearbeiten und Hebegüter einsetzbar, sondern werden für spezielle Situationen teils ausschließlich, teils bevorzugt eingesetzt, wie der nachstehenden Zusammenstellung zu entnehmen ist: Drahtseile werden immer dann eingesetzt, wenn das Hebegut großflächige, abgerundete Kanten hat, also nicht scharfkantig und nicht heiß (Temperatur über 100 °C) ist, und wenn es keine empfindliche Oberfläche hat. Seile mit Haken lassen sich problemlos in die entsprechenden Ösen eines Hebegutes einhängen. Drahtseile bestehen aus Drähten der Stahlfestigkeit von 1770 N/mm2. Drahtseile können als Litzenseile oder als Kabelschlagseile verwendet werden, wobei Litzenseile gleichen Durchmessers höhere Zugfestigkeiten haben als Kabelschlagseile, letztere aber flexibler sind. Die Seileinlage (Seilseele) kann eine Faser- oder eine Stahleinlage sein. Ketten können auch und besonders für heißes und scharfkantiges Hebegut verwendet werden, sowie für solches Hebegut, das nicht mit Anschlagpunkten wie Ösen ausgestattet ist, und das keine empfindliche Oberfläche hat. Hakenketten lassen sich in die entsprechenden Hebeösen des Hebegutes einhängen. Sofern das Hebegut scharfkantig ist, muss der Kettendurchmesser um einen Nenndurchmesser größer gewählt werden, als für die Last erforderlich ist. Faserseile werden bei leichten Lasten und druckempfindlichen Oberflächen eingesetzt. Seile aus Naturfasern (Hanf, Sisal) sind heute nicht mehr als Anschlagmittel zugelassen. Heute werden synthetische Fasern wie Polyamid, Polyester oder Polypropylen eingesetzt. Diese Fasern sind unter den Handelsnamen wie Nylon, Perlon, Diolen, Trevira oder Vestan bekannt. Hebebänder und Hebeschlingen werden immer dann eingesetzt, wenn das Hebegut rutschig ist, eine empfindliche Oberfläche (z. B. polierte Oberfläche) hat, nicht scharfkantig und nicht heiß ist. Sind die Bänder oder Schlingen in einen Kunststoffschlauch eingebettet, so können damit auch scharfkantige Güter gehoben werden. Anschlagmittel können auch in Kombination eingesetzt werden. Ideal ist beispielsweise die Kombination von Ketten und Drahtseilen, weshalb diese Art von Anschlagmitteln auch sehr häufig Verwendung findet. Im Bohr- und Förderbetrieb werden bevorzugt Drahtseile und Ketten eingesetzt, da die zu transportierenden Lasten in der Regel scharfkantig sind, keine empfindliche Oberfläche haben,
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nicht heiß sind und teilweise mit Hebeösen oder Hebebolzen an den Kufen (Tanks, Pumpen) ausgerüstet sind. Für solche Hebegüter und insbesondere Rohre sind Ketten und Drahtseile sowie diese beiden in Kombination, die idealen, weil selbst unempfindlichen Anschlagmittel. Im Folgenden wird nur auf die im Bohr-, Workover- und Förderbetrieb bevorzugt verwendeten Anschlagmittel Drahtseile und Ketten eingegangen.
5.2 Arten von Anschlagmitteln 5.2.1 Drahtseile
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Anschlagmittel aus Drahtseilen sind nach DIN 3088 und der UVV Last (89) genormt. Solche Anschlagseile bestehen entweder aus Litzen- oder aus Kabelschlagseile. Bei Litzenseilen werden einzelne Litzen zu einem Seil geschlagen, bei Kabelschlagseilen sind es dünne Drahtseile, die dann nochmals zu einem Seil geschlagen werden. Der Vorteil des Kabelschlagseils gegenüber dem Litzenseil ist, dass es flexibler und drallärmer ist als das Litzenseil, sich also Lasten u.a. besser anpasst. Bei den Anschlagseilen werden folgende Typen unterschieden: N = normal = einlagiges Rundlitzenseil mit Fasereinlage, F = einlagiges Rundlitzenseil mit Stahleinlage und Flämischem Aug, K = Kabelschlagseil, G = Grummet = endlos gelegtes Seil.
5.2.2 Seilendformen Nun ist ein Stück Drahtseil allein noch kein Anschlagmittel, denn es muss eine Verbindung zwischen dem Hebegut und dem Hebezeug hergestellt werden, was durch die Endverbindung des Seils geschieht. Es werden deshalb bei Anschlagseilen noch verschiedene Endformen unterschieden:
Abb. E-69: Spleiß oben Form S unten Form SKF
Spleiß: Beim Spleiß werden die Seilenden in das Seil hinein geflochten (verspleißt). Diese Endverbindung ist zwar sehr teuer, kann aber auch vom Laien jederzeit kontrolliert werden. Hierbei wird nochmals unterschieden zwischen dem einfachen oder Ösenspleiß (Form S) und dem Kauschenspleiß (Form SKF), bei dem in die Öse noch eine Kausche eingebracht wird.
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5 Anschlagmittel
Der Spleiß kann offen oder als Handschutz mit einer Drahtumwickelung versehen sein. Diese Endverbindung erreicht etwa 80 % der Seilbruchkraft. Flämisches Auge: Das Flämische Auge oder Superloop (Form PF oder Form PFKF mit Kausche) ist ein Spleiß im Ösenbereich mit zusätzlicher Stahlverpressung. Diese sehr stabile Endverbindung ist in den USA sehr verbreitet, in Europa jedoch weniger bekannt. Es ist nur für Seile mit Stahleinlage zulässig. Diese Verbindung erreicht 95 % der Seilbruchkraft.
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Abb. E-70: Verpressungen, oben: Form P unten: Form PKF
Verpressungen: Bei den Verpressungen unterscheidet man zwischen Stahl- und AluVerpressungen (Form P). Bei der Alu-Verpressung fließt das Aluminium-Material durch den beim Pressvorgang herrschenden Druck von 800 – 1000 t und umschließt die beiden Seilteile sehr innig. Alu-Hülsen müssen mit einem Herstellerkennzeichen und ggfs. mit dem DIN-Zeichen versehen sein. Zur Kontrolle der Verbindung muss das Ende der Schlaufe am hinteren Ende der Hülse sichtbar sein. Bei konisch verlaufenden Hülsen, wo das Totende nicht frei liegt, werden die Hülsen mit einer seitlichen Öffnung versehen, so dass das Seilende sichtbar ist. Auch bei Verpressungen können Kauschen in die Öse eingesetzt werden (Form PKF). Die Tragkraft der Verpressung erreicht 95 % der Seilbruchkraft. Eine Besonderheit der Seilendform stellt der Verguss dar. Hierbei wird das Seilende aufgelöst und mit Weißmetall vergossen. Die Tragkraft dieser Verbindung erreicht 100 % der Seilbruchkraft. Diese Seilendform wird bevorzugt bei Errichteseilen angewendet. Bei allen Ösen ist darauf zu achten, dass der Durchmesser des Bolzens, um den die Öse gelegt werden soll, höchstens ѿ der Schlaufenlänge betragen darf (oder: Schlaufenlänge mindestens 3 ൈ Bolzendurchmesser), da andernfalls die Gefahr besteht, dass die Öse bzw. insbesondere die Verpressung aufreißt. Zum anderen nimmt die Bruchkraft einer gegebenen Öse mit größerem Bolzendurchmesser stark ab, wie nachstehender Tabelle zu entnehmen ist: Tab. 7-E: Abhängigkeit der Schlaufenlänge vom Bolzendurchmesser Schlaufenlänge 1 x Bolzenumfang 2 x Bolzenumfang 3 x Bolzenumfang
Bruchkraftverlust [%] 50 40 30
Schlaufenlänge 4 x Bolzenumfang 5 x Bolzenumfang
Bruchkraftverlust [%] 23 20
Außerdem muss nach DIN 3088 die Schlaufenlänge h bei den Seilendformen P und S bei den Anschlagseilen N und K mindestens das 15-fache des Seildurchmessers betragen. Ist in die Schlaufe eine Kausche eingesetzt, sogar das 20fache.
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Abb.E-71: Schlaufenlänge
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Abb. E-72: 6-4: Endlosseile (Grummet)
Endlosseile: Endlosseile können entweder gespleißt (Form ES), gepresst (Form EP) oder gelegt (Form EG) sein. Letztere Art bezeichnet man als Grummet. Insbesondere beim Grummet ist darauf zu achten, dass die Einlegestellen nicht auf Biegung beansprucht werden. Unter den Einlegestellen sind die Stellen zu verstehen, an denen die Seilenden ineinander geflochten sind. Diese Stellen sind in der Regel rot markiert und sollten immer nur auf axialen Zug beansprucht werden, da sonst die Gefahr besteht, dass die verflochtenen Litzen aus dem Seil austreten, was zum Tragkraftverlust führt. Klemmenverbindungen: Für den einmaligen Gebrauch sind nach UVV auch selbst hergestellte Seilenden mittels Seilklemmen nach DIN 1142 erlaubt, wenngleich eine solche Endverbindung der Ausnahmefall sein und im wesentlichen den Abspannseilen vorbehalten sein sollte.
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5 Anschlagmittel
Abb. E-73: links: Drahtseilklemme – rechts: Seilklemmenverbindung nach DIN 1142
Nach DIN 1142 dürfen nur Drahtseilklemmen mit Bundmuttern und großer Auflage verwendet werden. Dabei ist darauf zu achten, dass die Klemmen richtig angebracht sind. Richtig ist es, wenn der Bügel aller Klemmen auf dem nicht tragenden Trumm sitzt, der Sattel dagegen auf dem tragenden Trumm (Motto: „Neuer saddle a dead horse“). Alle anderen Befestigungsarten sind falsch! Die Begründung für diese vorgeschriebene Befestigungsart ist, dass der Bügel das Seil stärker schädigt als der Sattel, was beim tragenden Trumm beträchtliche Folgen haben kann. Die Begründung für den einmaligen Einsatz ist, dass sich das Seil unter Belastung längt und damit im Durchmesser abnimmt, so dass sich die Klemmen lockern und ständig nachgezogen werden müssten, um die Endverbindung zu sichern. Da aber nach DIN 1142 nicht nur die Stückzahl der Klemmen in Abhängigkeit vom Seildurchmesser geregelt wird, sondern auch das Drehmoment mit dem die Klemmen verschraubt werden müssen, kann ein optimales Verschraubmoment nur dann aufgebracht werden, wenn der Seildurchmesser bekannt ist Tab. 8-E: Anzahl der erforderlichen der Drahtseilklemmen und Anziehmoment der Muttern nach DIN 1142 Seil-Nenndurchmesser [mm] 8 10 13 19 22
erforderl. Anziehmoment der Mutter [Nm] 6 9 49 67,7 107
erfordert. Anzahl an Muttern 4 4 4 4 5
ACHTUNG ! Das Knoten von Drahtseilen ist nicht gestattet, weil durch die scharfe Umbiegung des Seils im Knoten ein Tragkraftabfall von über 50 % eintreten würde. Beim gelängten Seil ist das naturgemäß nicht der Fall, zumal die Durchmesserabnahme nicht gleichmäßig über längere Seilabschnitte erfolgt.
5.2.3 Ketten Als Hebezeuge werden Rundstahlketten eingesetzt, die durch Widerstandsschweißen der vorgebogenen Kettenglieder in vollautomatischen Schweißmaschinen entstehen. Die Ketten werden anschließend wärmebehandelt und automatisch gereckt und dabei geprüft.
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Als Anschlagketten dürfen nur solche Ketten verwendet werden, bei denen die Teilung der Glieder, das ist die innere Länge eines Kettengliedes, nicht größer als das Dreifache des Kettenglied-Durchmessers ist. Durch unterschiedliche Stahlfestigkeiten ergeben sich starke Unterschiede der Tragfähigkeit und der Einsatzmöglichkeit, insbesondere bei tiefen und bei hohen Temperaturen. So beträgt beispielsweise die Tragfähigkeit einer 10 mm Kette der Güteklasse 2 im Einzelstrang 1000 kg. Eine Kette gleicher Abmessungen der Güteklasse 5 hat bereits 2000 kg Tragfähigkeit, und eine solche der Güteklasse 8 hat 3200 kg Tragfähigkeit. Das bedeutet, dass Ketten der Güteklasse 8 kleinere Durchmesser haben als die niedrigerer Gütestufen bei gleicher Tragfähigkeit. Die Güteklassen von Ketten sind durch Kettenanhänger gekennzeichnet. Die Güteklasse 2 hat einen runden, Güteklasse 5 einen grünen fünfeckigen und Güteklasse 8 einen roten achteckigen Anhänger. Wenn der Anhänger fehlt, muss mit der Tragfähigkeit der Güteklasse 2 solange gearbeitet werden, bis die Kette von einer sachkundigen Person geprüft und mit einem neuen Anhänger versehen ist.
Abb. E-74: Beispiele für Güteklassenanhänger nach [DIN]
Ketten der Güteklasse 8 mit haben folgende mechanischen Eigenschaften: Tragspannung Fertigungsprüfspannung Bruchspannung mind. Bruchdehnung mind. Durchbiegung
200 500 800 25% 0,8 d
N/mm2 N/mm2 N/mmz
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5.2.4 Tragfähigkeit von Anschlagmitteln
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Die Tragfähigkeit von Anschlagseilen hängt von der Seilart (Litzen- bzw. Kabelschlagseil, Endlosseil) sowie vom Seildurchmesser ab. Die Tragfähigkeit ist entsprechenden Tabellen der DIN 3088 zu entnehmen. Das gleiche gilt auch für Anschlagketten. Bei allen Anschlagmitteln gilt, dass zwischen verschiedenen Anschlagarten und – winkeln zu unterscheiden ist, sofern mit Mehrstranggehängen gearbeitet wird. Grundsätzlich ist zu sagen, dass Seile wie auch andere Anschlagmittel die größte Tragkraft dann haben, wenn sie eine direkte, senkrechte Verbindung zwischen Hebegut und Hebezeug darstellen. Das ist nur bei Einzelsträngen möglich. Muss das Hebegut mittels mehrerer Anschlagmittel mit dem Hebezeug verbunden werden, so entstehen zwischen den Strängen des Anschlagmittels und der Senkrechten Winkel, die je nach Größe zur Abnahme der Tragfähigkeit des Anschlagmittels gegenüber dem Einzelstrang führen. Sind beim Doppelstrang die beiden Neigungswinkel (= Winkel zwischen dem Strang und der Senkrechten) gleich groß, so wird zur Bestimmung der Tragfähigkeit unterschieden zwischen den Neigungswinkel-Bereichen von 0° bis 45° und von 45° bis 60°. Bei ungleichen Neigungswinkeln wird die für den Neigungswinkel-Bereichen zwischen 45° und 60° angegebene Tragfähigkeit zugrunde gelegt. Das entspricht der Tragfähigkeit eines Einzelstranges, da bei diesen Neigungen die Tragfähigkeit von Doppelsträngen bereits um 50 % abnimmt. Da mit zunehmendem Neigungswinkel die Tragfähigkeit des Anschlagmittels abnimmt würde bei Neigungswinkeln größer 60° die Tragfähigkeit eines Doppelstranges kleiner sein als die eines Einzelstranges, so dass Neigungswinkel größer 60° nicht mehr zulässig sind. Als weiteres ist darauf zu achten, dass Lasten mit außermittigem Schwerpunkt so angeschlagen werden, dass sie nach dem Anheben waagerecht hängen. Das kann erreicht werden, indem z. B. einzelne Stränge gekürzt werden, was bei Ketten besonders gut machbar ist, wenn diese mit Kettenverkürzungsklauen (Baukastenprinzip) ausgestattet sind, die eine einfache Strangverkürzung gestatten.
Abb. E-75: Zweisträngige Lastaufhängung oben: 0° unten: 45 – 60° [BgH]
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Bei mehrsträngigen Anschlagketten sind die Stränge, die nicht benutzt werden, hochzuhängen, damit sie sich nicht unter der Last oder sonst wie verhaken können. Tab. 9-E: Abfall der Tragkraft in Abhängigkeit vom Neigungswinkel Neigungswinkel 30O 45O 60O 75O
Abfall der Tragfähigkeit 13,4 % 28,1 % 50,0% 74,0 %
Bemerkungen
Max. Neigungswinkel Nicht gestattet
Seile kleiner 8 mm Durchmesser sind als Anschlagmittel nicht gestattet. Werden Seile als Anschlagmittel verwendet, so ist darauf zu achten, dass sie nicht um „scharfe“ Kanten gelegt werden. Als scharf gilt eine Kante, wenn ihr Radius kleiner oder gleich dem Seildurchmesser ist (Abb. E-76). Soll beim Transport eines solchen Werkstücks trotzdem mit einem Seil als Anschlagmittel gearbeitet werden, so müssen entweder Kanthölzer oder Kantenschoner untergelegt werden. Werden Ketten bei scharfen Kanten verwendet, so muss eine Kette mit einer Nenndicke größer als erforderlich gewählt werden, so dass die Kette quasi gepanzert und ein Verbiegen der Kettenglieder somit nicht zu befürchten ist. Wichtig ist auch, dass das Gewicht des Hebegutes so genau wie möglich bekannt ist. Zwar sind Anschlagseile auf 6-fache Sicherheit, bezogen auf die Mindestbruchkraft auszulegen (Faserschlingen und Bänder sind auf 8-fache Sicherheit auszulegen !), jedoch kann diese Sicherheit schnell aufgebraucht sein, wenn das Lastgewicht unterschätzt, zudem mit großen Neigungswinkeln angeschlagen wird und das Anschlagmittel durch Verschleiß schon Durchmesser-Reduzierungen aufweist.
Abb. E-76 Scharfe Kante
5.2.5 Prüfungen und Schäden von Anschlagmitteln Alle Anschlagmittel müssen jährlich einmal nachweislich geprüft werden (mit Prüfprotokoll). Ansonsten sind sie wöchentlich bzw. vor Gebrauch regelmäßig optisch auf ihre weitere Einsatztauglichkeit hin zu überprüfen, da in der Zwischenzeit Beschädigungen möglich sein können. Solche Prüfungen sind in der BVOT, der DIN und der UVV vorgeschrieben.
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Ketten zeigen Überlastungen dadurch an, dass Kettenglieder eingeschnürt sind. Da das Kettenmaterial eine hohe Bruchdehnung von etwa 25 % hat, längen sich die Glieder stark, ehe sie brechen. Ein Spontanbruch kann im Normalfall ausgeschlossen werden. Ketten sind ablegereif bei • mechanischen Beschädigungen durch Quetschungen, Einkerbungen oder Rissbildung, • Deformation durch Verbiegen, Verdrehen oder Eindrücken, • Dehnung durch Überlastung: wenn die ganze Kette oder einzelne Glieder außen um je 3% bzw. innen um je um 5% oder mehr gelängt ist (Abb. E-77), • Verschleiß: Abnahme der Gliedstärke an irgendeiner Stelle um mehr als 10%. Bei der Messung der Restwandstärke der Kettenglieder wird gern. Abb. 6-14 der Durchmesser d, und der Durchmesser d2, senkrecht dazu gemessen. Dann wird der Mittelwert gebildet: d + d2 ≤ 0 dm sollte größer gleich 9 sein. dm = 1 2
Abb. E-77: Ablegereife Kettenglieder – links: durch Längung – rechts: durch Verschleiß
Schwieriger ist eine Überlastung eines Seiles festzustellen. Deshalb ist die Ablegereife von Seilen genau festgelegt. So darf nach DIN 3088 ein Anschlagseil dann nicht mehr verwendet werden, wenn an seiner schlechtesten Stelle eine der drei nachstehend genannten Anzahlen sichtbarer Drahtbrüche festgestellt wird: Tab. 10-E: Ablegereife von Seilen bei Drahtbrüchen Seilart Litzenseil Kabelschlagseil
Anzahl der sichtbaren Drahtbrüche bei Ablegereife auf einer Länge von: 3d 6d 30 d 4 6 16 10 15 40
Außerdem darf das Seil nach DIN 3088 nicht mehr verwendet werden bei Auftreten folgender Schäden: • Bruch einer Litze • Quetschungen, bei denen das Seil um mehr als 20 % seines Durchmessers abgeplattet oder das Seil scharfkantig eingedrückt ist, • Knicke oder Klanken (Kinken),
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• • • • •
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Aufdoldungen, Beschädigungen des Spleißes bzw. der Pressklemme, besonders starker Verschleiß, Korrosionsnarben, sonstige ernstliche Schäden.
6 Rotationseinrichtungen 6.1 Einleitung Rotationseinrichtungen auf Tiefbohranlagen sind alle Maschinenteile, die den Bohrstrang in Rotation versetzen, um so ein Drehmoment von über Tage auf das vor Ort befindliche Bohrwerkzeug zu übertragen. Das war in früheren Jahren im Tiefbohrbetrieb ausschließlich der Drehtisch, da Kraftdrehköpfe, wie sie in der Schürfbohrtechnik schon seit vielen Jahren üblich sind, im Tiefbohrbetrieb nicht anwendbar erschienen. Diese Philosophie hat sich jedoch in den letzten Jahren grundlegend geändert, so dass heutzutage der sog. Topdrive zu den Standard-Rotationsantrieben auf einer Tiefbohranlage gezählt werden kann. Die Entwicklung, die hier stattgefunden hat, ging zunächst weg vom übertägigen Antrieb überhaupt und hin zu den Vorort-Antrieben oder Downholemotoren (DHMs). Dieser Schritt erschien logisch und erscheint es auch heute noch, wenn man sich vergegenwärtigt, dass eine bis zu mehreren tausend Metern lange, schlanke und denkbar schlecht oder gar nicht gelagerte Welle an einem Ende gedreht wird, um am anderen Ende ein Werkzeug, den Bohrmeißel, zu drehen und dort eine Gesteinszerstörung zu bewirken. Und so setzte man verstärkt auf die Entwicklung und Verbesserung der DHMs mit dem Ziel, den Vorortantrieb auch für das (wirtschaftliche) Leistungsbohren einsatzfähig zu machen. Inzwischen hatte allerdings die Offshore-Bohrtätigkeit beträchtlichen Umfang angenommen, und hier ist die Führung des Traveling Blocks (Kloben) an Schienen im Bohrgerüst eine unumgängliche Notwendigkeit. Und da bot es sich schließlich an, zusammen mit dem Traveling Block und dem Spülkopf auch einen Antrieb entsprechend dem bekannten Kraftdrehkopf zu entwickeln, der schon bald wegen seiner vielfältigen und unbestreitbaren Vorteile als Topdrive zur Standardausrüstung von Offshorebohrgeräten zählte. Von dort zur Onshore-Bohranlage war es besonders vor dem Hintergrund der Horizontalbohrtätigkeit, die heutzutage in vielen Bohrgebieten einen großen Teil der Bohraktivitäten ausmacht, nur noch ein kleiner aber logischer Schritt. Das bedeutete jedoch, dass zum einen der DHM keine Chance hatte alleine den Bereich des Leistungsbohrens zu erobern, dass aber auch der Drehtisch seiner wesentlichen Funktion, der Erzeugung des Drehmomentes, mehr und mehr beraubt wurde, dafür jedoch nicht überflüssig wurde, da man ihm andere Aufgaben zuwies. Die Drehtische alter Bauart mit ihren unterschiedlichen Gestänge- und SchwerstangenAbfangkeilen, mit ihrer schweren und gefährlichen Handhabung, sind auf modernen Bohranlagen nicht mehr zu finden. Es wird daher auf eine ausführliche Beschreibung verzichtet. Da die alten mechanischen Antriebe über Dieselmotoren, Antriebswellen, Getriebe und Ketten voraussetzen, dass sich der Motor mit seinem Lärm und schädlichen Abgasen, unmittelbar
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unterhalb der Arbeitsplattform befinden muss, werden die Drehtische heute fast ausnahmslos nur noch elektrisch oder hydraulisch angetrieben.
6.2 Drehtisch 6.2.1 Allgemeines Der Drehtisch (Rotary) hat folgende Funktionen zu erfüllen:
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• Übertragen von Drehbewegungen (sowohl Rechts- wie auch Linkslauf) von der Antriebsmaschine auf das Bohrwerkzeug • Aufnahme der Axiallasten von Bohrstrang und Verrohrung. Aus diesen Aufgaben lassen sich sehr gut seine wesentlichen Belastungen ableiten. Es müssen nicht nur Drehmomente übertragen werden, was Torsionsbelastungen hervorruft, sondern auch große axiale Zugkräfte aufgefangen werden, wenn der Strang oder die Rohrtouren in den Keilen bzw. auf dem Drehtisch abgefangen werden. Insbesondere das Abfangen des Bohrstranges in den Keilen des Drehtisches ergibt eine sehr große Belastung der Drehtischlagerungen. Diese Belastungen müssen die Lager nicht nur im statischen Zustand aushalten können, sondern auch bei überlagerter Rotation, dann nämlich, wenn ein Strang im Drehtisch abgefangen und zusätzlich rotiert wird (z. B. Linerzementation unter Strangrotation o. Ä.). Bei heutigen Tiefbohranlagen ist der Drehtisch im Unterbau befestigt und überträgt sowohl die axialen Zugmomente wie auch das Torsionsmoment auf diesen und damit auf die Bohranlagenfundamente. Drehtische der ersten Rotarybohranlagen waren dagegen noch ebenerdig gelagert und wurden mittels entsprechender Streben am Hebewerk abgestützt, da der Unterbau erst später entwickelt wurde.
6.2.2 Aufbau des Drehtisches Der Drehtisch besteht aus folgenden Hauptteilen (Abb. E-78): • dem Drehtischunterbau, bestehend aus einem Profilrahmen • dem eigentlichen Drehtischkörper mit Zahnkranz • dem Drehtischhauptlager • der Antriebswelle mit Kegel-, Ketten- und Sperrrad und den Wellenlagern • dem Hauptdrehtischeinsatz Der Drehtischunterbau oder Drehtischrahmen (5) ist das eigentliche Gehäuse des Drehtischs. Er ist mit Verstärkungsrippen ausgestattet und als Wanne zur Aufnahme des Schmieröls für das eingebaute Drehtisch-Hauptlager (4) ausgestattet. Eine Aussparung im oberen Teil des Drehtischunterbaus dient zur Aufnahme des eigentlichen Drehtischkörpers, also der DrehtischTraghülse mit dem Zahnkranz (2+3). Der Drehtischkörper ist ein runder Teller von 1,10 m bis 1,60 m Durchmesser mit einer konischen Hülse, an dem der Zahnkranz befestigt ist, der diese Scheibe in Drehbewegungen versetzt (2+3). In der Mitte dieses Tellers, auch als Traghülse bezeichnet, befindet sich eine konzentrische Öffnung, die den maximalen Durchgang durch den Drehtisch kennzeichnet. Nach API Spec 7 gibt es für diesen Durchgang folgende Werte: 17½‘‘ – 20½‘‘ – 27½‘‘ – 37½‘‘ – 49½‘‘.
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Die runde Durchgangsöffnung ist im oberen Viertel des Flanschhalses auf einen quadratischen Querschnitt erweitert, in die der Haupteinsatz eingelassen wird. Die Unterseite des Flanschtellers ist am äußeren Umfang mit Nuten und Federn versehen, die in entsprechende Nuten und Federn des Gehäuses eingreifen und so eine Labyrinthdichtung bilden, die das Eindringen von Spülung in das Drehtischgehäuse und damit in das Ölbad des Haupttraglagers ebenso verhindert, wie das Austreten von Öl. Das Drehtisch-Hauptlager (4) ist ein Kugellager, das im Gehäuse eingebaut ist und den Drehtischkörper trägt. In den Zahnkranz des Drehtischkörpers (3) greift ein Kegelrad (11) ein, das auf einer Antriebswelle (10) sitzt. Die Welle wiederum ist in zwei im Gehäuse befestigten PendelRollenlagern (12) gelagert. Am äußeren Ende der Welle, also außerhalb des Drehtischgehäuses, befindet sich ein Kettenrad (14), sofern der Drehtisch mittels Kettenabtrieb vom Hebewerk aus angetrieben wird, oder der Anschluss für den separaten Drehtisch-Elektro-Motor. Auf der Welle, zwischen den beiden Lagern, befindet sich ein Sperrrad (13), in das im Gehäuse befestigte Sperrklinken eingreifen, die eine Drehbewegung des Drehtischkörpers verhindern. Durch Einrasten der Sperrklinken kann der Drehtischkörper somit festgelegt werden, sowohl im Rechts-, wie im Linkslauf. Das ist notwendig z. B. zum An- oder Abschrauben des Bohrwerkzeugs oder zum Festlegen des Strangs beim Bohren mit DHM. Abgedeckt wird der Drehtischkörper nach oben hin mittels eines Schutzringes, der nur den mittleren Teil des Rotationskörpers freilässt. Dieser Ring dient sowohl zum Schutz des Drehtisches und auch zum Schutz der auf der Arbeitsbühne am Drehtisch arbeitenden Personen. Beim Einbau eines Drehtischs in den Unterbau ist darauf zu achten, dass das Zentrum seiner Bohrung sich im Lot von freihängendem Flaschenzughaken und Bohrlochmitte befindet, da Exzentrizitäten dazu führen würden, dass Bohr- und Rohrstränge schräg laufen und sich damit Probleme beim Einlassen dieser Stränge ergeben würden. Außerdem würden sich beim Bohren Schwingungen in der Mitnehmerstange ergeben, die zu Beschädigungen führen könnten. Der Antrieb des Drehtisches erfolgte bei dieselmechanischen Antrieben entweder mittels Ketten (üblicherweise) oder Kardanwelle vom Hebewerk aus. Bei dieselelektrischen Bohranlagen wird ein separater Elektromotor, der ebenso wie der Drehtisch selbst unter der Arbeitsbühne installiert wird, direkt mit der Antriebswelle verbunden. Drehtische sind für Drehzahlen bis zu 400 min-' ausgelegt. Die normalen Betriebsdrehzahlen liegen beim Rotarybohren in der Regel zwischen etwa 80 und 180 min-'.
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Abb. E-78: Aufbau und Komponenten eines Drehtisches [BgH]
6.2.3 Drehtischeinsätze Da der Drehtischdurchgang rund ist, können Bohr- und Rohrstränge nur dann im Drehtisch abgefangen und/oder gedreht werden, wenn in den Konus entsprechende Einsätze eingebracht werden. Hierbei unterscheidet man folgende Typen: • Haupteinsätze (Master Bushing) • Mitnehmereinsätze (Kelly Bushing) • Casingeinsätze (Casing Bushing). Zusätzliche Drehtisch-Zubehörteile sind die Abfangkeile für Bohrgestänge, Schwerstangen, Casings und ggfs. Tubings.
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Abb. E-79: Drehtisch-Haupteinsatz (Master Bushing) mit Mitnehmereinsatz (Kelly Bushing) mit Bolzen nach API Spec 7 [BgH]
Der Haupteinsatz (Master Bushing) eines Drehtischs hat im Wesentlichen die Aufgabe, die Drehbewegung des Drehtischs über die Mitnehmereinsätze (kelly bushings) auf die Mitnehmerstange und damit auf den Bohrstrang zu übertragen und eine Verbindung zwischen Drehtisch und Abfangkeilen herzustellen. Da es sich bei diesem Einsatz um keinen festen Bestandteil des Drehtisch selbst handelt, dient der Haupteinsatz auch als schnell auswechselbares Verschleißteil. Der Haupteinsatz kann entweder aus einem Stück gefertigt sein (solid oder single piece master bushing), oder er besteht aus zwei Hälften (two piece oder split master bushing). Obwohl die ungeteilte Ausführung eher in der Lage ist, höhere Drehmomente zu übertragen, wird sie heutzutage kaum noch eingesetzt, da sie umständlich zu handhaben ist. Vielmehr wird auch bei schwereren Bohranlagen die geteilte Ausführung verwendet, wobei jedoch die beiden Teile mittels zweier Bolzen (Scharnieren) verbunden werden, wenn der Einsatz in den Drehtisch eingesetzt ist.
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E Abb. E-80: Haupteinsatz Single Piece Master mit geteiltem Einsatz [BgH]
Der lichte Durchgang lässt sich bei Bedarf durch die Verwendung weiterer Einsätze oder Keiltöpfe (bowl) entsprechend reduzieren und so den unterschiedlichen Gestänge-, Rohr- und Keilgrößen anpassen. Diese Einsätze können wiederum aus einem Stück (solid), zweigeteilt (split) oder geteilt und mittels Scharnieren verbunden (hinged) sein.
Abb. E-81: Rollenanordnung für quadratische und hexagonale Mitnehmerstangen [BgH]
Als Mitnehmereinsätze (Kelly Bushing) werden Rollenmitnehmereinsätze verwendet, in deren Inneren Rollen so angeordnet sind, dass sie quadratische oder hexagonale Mitnehmerstangen umschließen und so ein Drehmoment übertragen können, dabei aber der Stange einen möglichst reibungsfreien axialen Durchgang ermöglichen (siehe Abb. E-81). Die Rollen sind auswechselbar und können somit dem jeweiligen Durchmesser der Mitnehmerstange angepasst oder bei Verschleiß ersetzt werden. Die Rollen können entweder nur in einer Ebene angeordnet sein (4 Rollen) oder in zwei Ebenen übereinander (8 Rollen), wodurch ein höheres Drehmoment übertragen werden kann. Letztere Ausführung kommt jedoch verhältnismäßig selten zum Einsatz, da dieser Mitnehmereinsatz eine sehr große Bauhöhe hat.
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Die Mitnehmereinsätze passen sich in ihrer äußeren Form der des Haupteinsatzes an, wobei zu unterscheiden ist zwischen der Art, wie der Mitnehmereinsatz vom Haupteinsatz in Rotation gebracht wird. Das kann entweder durch eine quadratische Ausnehmung im Haupteinsatz und einen entsprechenden Kragen am Mitnehmereinsatz geschehen (Square Drive Roller Kelly Bushing), oder durch 4 Zapfen am Mitnehmereinsatz, die in entsprechende Bohrungen des Haupteinsatzes eingelassen werden (Pin Drive Roller Kelly Bushing). Damit die Mitnehmerelemente der Mitnehmereinsätze (Quadrat oder Pins) gut in die entsprechenden Ausnehmungen des Haupteinsatzes eingreifen können, ist unterhalb des Mitnehmereinsatzes eine Führung zur Zentrierung des Einsatzes (stabbing skirt) angebracht, der sich in die Bohrung des Haupteinsatzes einfädelt. Eine Detailzeichnung zeigt die verschiedenen Elemente eines Mitnehmereinsatzes (Abb. E-82).
Abb. E-82: Mitnehmereinsatz für Square Drive (unten) und Pin Drive (oben) [BgH]
Die Rollen-Mitnehmereinsätze (kelly bushing) sind oben mit einer Abdeckplatte versehen. Diese wie auch die Rollenblöcke müssen entfernt werden, ehe die Mitnehmerstange in den Mitnehmereinsatz eingelassen werden kann. Die Rollen lassen sich auf den Kellydurchmesser einstellen. Verschleiß an den Rollen kann durch Einfügen von Unterlegscheiben ausgeglichen werden.
6.2.4 Abfangkeile Zum Abfangen von rundem Bohrgestänge, Schwerstangen, Casingrohren oder Tubings werden spezielle Abfangkeile benötigt, die außen konisch geformt sind und sich der Innenfläche des Haupteinsatzes oder entsprechenden Zwischeneinsätzen anpassen und mit gezahnten Innenflächen versehen sind. Da die einzelnen Strangelemente oder Rohre unterschiedliche Durchmes-
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ser haben und auch beim Abfangen unterschiedlich behandelt werden müssen, wurden jeweils spezielle Keile für die einzelnen Elemente entwickelt.
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Abb. E-83: Gestängeabfangkeil [BgH]
Gestängeabfangkeile bestehen in der Regel aus drei Segmenten. Jedes Segment ist ein Stahlgusskörper mit je einem Handgriff, an dessen Innenseite sich die Greifmesser befinden, die auf die Oberfläche des abzufangenden Rohres gepresst werden und dieses somit festhalten. Die horizontal wirkende Kraft, mit der der Keil gegen das Rohr gepresst wird, ergibt sich durch den Konus zwischen Keil und Haupteinsatz. Je weiter der Strang den Keil in diesen Konus hineinzieht, desto größer wird diese Kraft. Die Segmente sind mittels Scharnieren miteinander verbunden, so dass sie von zwei Mann um das abzufangende Rohr gelegt werden können. Die Baulänge der Keile richtet sich nach der Belastbarkeit. Für geringe Lasten, geringe Teufen und kleinere DP-Durchmesser (3½" bis 4½") wird die kurze Bauform mit 11“ (279 mm) Baulänge gewählt (z. B. VARCO Short Rotary Slips Type SDS), für höhere Lasten, größere Teufen und größere Durchmesser (3½" bis 5½") kommen Keile mit 13¾" (349 mm) Baulänge zum Einsatz (z. B. VARCO Medium Rotary Slips Type SDML), und für extrem hohe Lasten können extra lange Keile (z. B. VARCO Extra Long Rotary Slips Type SDXL) mit einer Baulänge 16½" (419 mm) gewählt werden. Die Greifsegmente (Messer) sind auswechselbar, da sie dem Verschleiß unterliegen. Vielfach wird das Bohrgestänge heute mittels automatischer oder halb automatischer Abfangkeile abgefangen. Bei Onshore-Rigs werden bevorzugt halb automatische Keile z. B. der Typen VARCO PS-15 und PS-21 eingesetzt. Diese Keile (Abb. E-83) befinden sich während des Roundtrips ständig im Drehtisch, wo sie mittels eines am unteren Ende befindlichen Rohrsegmentes geführt und gehalten werden. Beim Bohren werden sie allerdings zur Seite gestellt, da Keile und Mitnehmereinsätze nicht gleichzeitig im Drehtisch sein können. Die Keile hängen in geöffneter Stellung an Spiralfedern als Gegengewicht in ihrer oberen Position. Zum Setzen der Keile, steigen in der Regel zwei Männer der Crew auf den oberen Ring des Keilensembles. Dadurch werden die Keile nach unten in den Drehtisch gepresst, wo sie mittels des sich nach unten absenkenden Stranges festgezogen werden. Zum Lösen der Keile wird zum einen das entsprechende Fußpedal betätigt und zum andern der Strang hochgefahren. Solange der Strang nicht nach oben bewegt wird, sondern in der gesetzten Position bleibt, bleiben auch die Keile gesetzt. Die Keilapparate passen entweder in den Haupteinsatz des Drehtischs oder direkt in den Drehtischdurchgang. Mittels dieser Keilapparate wird die körperliche Arbeit der Bohrmannschaft entscheidend
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reduziert. Trotzdem bleibt es eine personalaufwendige und unfallträchtige Handhabung, die bei den modernen Anlagen nicht mehr erforderlich ist. Vollautomatische Abfangkeile arbeiten ähnlich wie die halb automatischen, werden jedoch in der Regel mittels einer Hydraulikvorrichtung über das Bohrloch geschwenkt und betätigt (gesetzt bzw. gelöst). Solche Geräte befinden sich überwiegend auf Offshore-Bohranlagen, insbesondere wenn diese mit Iron Roughneck und Pipehandling Systemen ausgestattet sind, da dann ein vollautomatischer Roundtrip gewährleistet ist. Bei Onshore-Bohranlagen werden sie zusammen mit dem Iron Roughneck eingesetzt. Ist ein Pipehandling-System installiert, so ist ihr Einsatz unumgänglich. Die Keile sind meistens neben dem Drehtisch installiert, so dass sie bei Bedarf über den Drehtisch geschwenkt werden können, während die halb automatischen Keilapparate beim Bohren jeweils manuell zur Seite bewegt werden müssen. Da vollautomatische Keile von einer Steuerkabine aus betätigt werden können, entfällt jegliche manuelle Betätigung, so dass man bei entsprechenden Bohranlagen ohne Personal auf der Arbeitsbühne auskommt. Im Folgenden sollen einige Tipps für die Benutzung von Keilen beim Abfangen des Bohrstranges gegeben werden: 1. Prüfe, ob die Keile samt Einsätzen die richtige Größe haben für das Abfangen des jeweiligen Gestänges. 2. Stelle sicher, dass die Keile scharf sind. 3. Überprüfe, ob alle Keilsegmente am Gestänge anliegen. 4. Stelle sicher, dass die Außenseite des Keiles sauber und eingefettet ist. 5. Überprüfe, ob der Außenkonus des Keiles keine Beschädigungen aufweist und mit dem Konus des Haupteinsatzes übereinstimmt. 6. Stelle sicher, dass der Haupteinsatz in den Drehtisch passt und nicht wackelt. 7. Stelle sicher, dass die Handgriffe am Keil sicher befestigt sind. Keile sollten nicht dazu verwendet werden, die Abwärtsbewegung des Stranges zu stoppen und dürfen beim Auffahren des Stranges nicht mit nach oben gefahren, sondern so bald wie möglich von Hand entfernt werden. Werden diese Grundsätze nicht beachtet, so kann es zu schweren Beschädigungen sowohl am Keil wie auch insbesondere am Gestänge kommen, was hohe Kosten verursachen würde.
6.2.5 Drehtisch-Antrieb Wie bereits vorstehend zum Ausdruck gebracht wurde, kann der Drehtisch auf verschiedene Arten angetrieben werden. Zu Zeiten der dieselmechanisch betriebenen Bohranlagen wurde der Antrieb vom Hebewerk aus mittels Ketten oder (vereinzelt) mittels Kardanwelle bevorzugt. Dann kamen separate Drehtischmotoren auf, die jedoch, da es sich dabei um Dieselmotoren handelte, sehr viel Platz benötigten, so dass sie auf einer separaten Bühne neben dem Unterbau montiert wurden. Abgasimmission und Lärmimmission waren dabei beträchtlich, so dass diese Antriebsart keine optimale Lösung darstellte. Mit Übergang zu den dieselelektrischen Bohranlagenantrieben wurde es dann möglich, einen Elektromotor unterflur neben dem Drehtisch einzubauen, so dass der Drehtisch nunmehr einen eigenen Antrieb bekam, der den Anforderungen des Drehtischbetriebes auch gerecht werden konnte. Trotzdem handelt es sich beim Drehtischantrieb um den kompliziertesten Antrieb auf einer Tiefbohranlage überhaupt. Der Antrieb muss sowohl rechts herum wie auch links herum drehen können, muss sehr feinfühlig regelbar sein, auch bei niedrigen Drehzahlen (z. B. bei Fangarbeiten), muss ein hohes Drehmoment auch bei niedriger Drehzahl bis hin zum Stillstand halten können und darf nicht unkontrolliert abgeschaltet werden können, wenn im Bohrgestänge Drehmoment gespeichert ist. Selbst periodische Drehmomentschwingungen muss er beherr-
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schen und dämpfen können, wenn diese vor allem in nicht senkrecht verlaufenden Bohrungen und insbesondere in sehr stark geneigten oder horizontalen Bohrlöchern auftreten. Außerdem soll eine geeignete Drehmomentbegrenzung dafür sorgen, dass das Bohrgestänge nicht überlastet werden kann und durch ein zu hohes Drehmoment möglicherweise bricht. Alle diese Anforderungen, die an einen modernen Drehtischantrieb zu stellen sind, werden von Dieselmotoren nur bedingt erfüllt, so dass sich der Gleichstrommotor als idealer Antrieb herauskristallisiert hat und deshalb bei stationären Tiefbohranlagen nicht mehr wegzudenken sind. Ähnlich gute, wenn nicht sogar noch bessere Fahrcharakteristiken zeigt der Hydromotor, der ebenfalls unter Last gehalten werden kann, allerdings nur dann sinnvoll ist, wenn der gesamte Antrieb der Bohranlage hydraulisch erfolgt, oder wenn aus anderen Gründen ein ausreichendes Hydrauliksystem installiert ist. Das ist zwar immer dann der Fall, wenn mit einem hydraulisch betriebenen Topdrive gearbeitet wird, jedoch wird in einem solchen Fall kaum ein aufwendiger, hydraulisch betätigter Drehtisch benötigt, da die Rotationsarbeit ohnehin durch den Topdrive erfolgt. Wie die derzeitige Entwicklung zeigt, werden die Tiefbohrgeräte der neuen Generation vollhydraulisch ausgestattet sein.
Abb. E-84: Moderner vollhydraulischer Drehtisch System [Wirth]
6.3 Topdrives 6.3.1 Allgemeines Die Übertragung eines Drehmomentes auf das Bohrwerkzeug mittels Drehtisch und Kelly war für viele Jahrzehnte Stand der Technik in der Rotary-Bohrtechnik. Dazu zählt auch, dass mit Hilfe von Drehtisch, Kelly, Gestängezangen und Keilen der Strang zusammengestellt wird bzw. Einzelstangen nachgesetzt werden. Durch die Einführung der Topdrives konnte das Rotieren des Stranges mit dem Pipehandling in einem System, dem Topdrive System, verknüpft werde, wobei als Vorteil noch hinzu kommt, dass das Nachsetzen von Bohrstangen sich nicht auf Einzelstangen von etwa 9 m Länge beschränkt, sondern dass ganze Züge mit Längen von
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etwa 27 m oder mehr nachgesetzt werden können. Dadurch ist es möglich, die Bohrzeit zu reduzieren und Kosten (z. B. beim Personalbedarf) einzusparen, neben einer ganzen Reihe von anderen Vorteilen. Topdrives sind in den 90er Jahren zunächst zum führenden Antrieb bei Offshore-Bohrungen geworden, ohne die heute keine Bohrplattform mehr auskommt. Damit hat allerdings auch eine Entwicklung gegen den Downhole Motor stattgefunden, da man mit dem Topdrive den Antrieb des Bohrwerkzeugs nicht an die Wirkstelle (Meißel) verlagert, was durchaus logisch und konsequent gewesen wäre, sondern übertage behält. Allerdings war es auch ein weiter Weg von den Power Swivels oder Kraftspülköpfen, wie sie schon seit Jahrzehnten in der Flach- und Schürfbohrtechnik eingesetzt werden, bis hin zu einem vollwertigen Tiefbohr-Antriebssystem. Lange Zeit hatte die Tiefbohrtechnik gebraucht, um ein bekanntes und bewährtes Gerät aus der Flachbohrtechnik, den Kraftdrehkopf, zu adoptieren, wobei der Einsatz im Tiefbohrbetrieb zunächst daran scheiterte, das vom Topdrive aufgebrachte Drehmoment zu kompensieren, da die früheren Bohrgerüste nur bedingt hierfür ausgelegt waren. Im Offshore-Bohrbetrieb bestand jedoch schon immer die Notwendigkeit, den Traveling Block an Schienen zu führen, so dass es von hier aus ein leichter Schritt war, dieses Führungssystem so auszulegen, dass es auch das Rückstellmoment aufnehmen und kompensieren konnte. Hinzu kam eine Weiterentwicklung des Power Swivels dahin gehend, dass man die Möglichkeit schuf, nicht nur Einzelstangen zu ver- und entschrauben, sondern ganze Gestängezüge zu handhaben. Dazu musste ein Verschraubsystem integriert werden, das das Ver- und Entschrauben in jeder Position im Mast gestattet. Auch mussten fernsteuerbare Sicherheitsventile entwickelt werden, mit denen der Strang in jeder Position abgesperrt werden konnte.
6.3.2 Kelly Spinner Der Vorläufer des Power Swivels oder Topdrives ist der Kelly Spinner, ein Drehkopf mit geringem Drehmoment, der dazu dient, die Mitnehmerstange (Kelly) mit der im Mauseloch abgestellten, nachzusetzenden Bohrstange zu verschrauben, oder auch sonst eine Handverschraubung (spinning) herzustellen. Der Kelly Spinner ersetzt somit Kette oder Hanfseil, die früher zum Verschrauben von Gestänge verwendet wurden. Das erzeugte Drehmoment liegt im Bereich von nur 2000 – 3500 Nm.
6.3.3 Anwendungsbereiche und Vorteile des Topdrives Der moderne Topdrive hat eine Reihe von Vorteilen gegenüber dem Drehtisch-Antrieb und auch gegenüber den Downhole Motoren, insbesondere beim Offshorebohren. Hierzu zählen im Wesentlichen: • Es können ganze Züge (nicht nur, sondern auch Einzelstangen) nachgesetzt werden. Das spart Roundtripzeiten, da 2/3 aller Verschraubungen eingespart werden können, gegenüber dem Nachsetzen von Einzelstangen. Werden z. B. pro nachzusetzender Stange 10 Minuten in Ansatz gebracht als die Zeit, in der sich der Meißel nicht auf Sohle befindet, so ergibt das für einen Bohrintervall von 300 m insgesamt eine Unterbrechung der Bohrarbeiten von etwa 5'/z Stunden. Werden bei dem gleichen Zeitaufwand 27 m lange Züge nachgesetzt, so ergibt sich eine entsprechende Unterbrechung von 1 Std. 50 Min. Das bedeutet, dass mit dem Topdrive 3 Std. 40 Min. eingespart werden können. • Vielfach wird hier als Gegenargument ins Feld geführt, dass für die Zusammenstellung der Gestängezüge auch Zeit benötigt wird. Diese Arbeiten können jedoch leicht in solche Zeiten verlegt werden, in denen nicht gebohrt wird, z. B. während der Zementerhärtung.
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• Bei modernen Bohranlagen ist es auch möglich, diese Arbeiten während des Bohrens durchzuführen, indem die Stangen im Mauseloch abgestellt und mittels Zangen oder des Iron Roughnecks verschraubt werden (z. B. DEUTAG T-2000) oder durch Installation von speziellen Zusatzausrüstungen auf den Anlagen (z. B. Mechanical Derrikman von BENTEC). • Es kann, bei schwierigen Bohrlochbedingungen (Gefahr des Differential Pressure Sticking) spülend und drehend ausgebaut werden. Dadurch kann, neben der Reduzierung der Gefahr des Festwerdens, ebenfalls Zeit eingespart werden. • Beim Strangeinbau kann ebenfalls rotiert und gespült werden, wobei Engstellen im Bohrloch aufrotiert werden können, ohne dass dazu die Kelly montiert werden müsste. Auch diese Vorgehensweise trägt mit dazu bei, Stuck Pipe Probleme zu reduzieren. • Die Bohrlochsneigung kann besser gehalten werden, da zugweise nachgesetzt wird. Die ständige Neu-Orientierung des DHM's nach dem Nachsetzen einzelner Stangen entfällt und spart somit ebenfalls Zeit. • Das Unfallrisiko ist beim Nachsetzen auf der Arbeitsbühne besonders groß und kann durch weniger Nachsetzarbeit entsprechend reduziert werden. • Das Kernen mit 90 ft Kernrohren bringt höheren Kerngewinn und vermeidet die Gefahr der Kernverklemmung während des Nachsetzens von Einzelstangen. • Durch die Reduzierung der Nachsetzzeiten wird das Connection Gas reduziert, so dass die daraus resultierenden Probleme ebenfalls reduziert werden. • Da Kellyhähne und Schieber fernsteuerbar sind, lassen sie sich in jeder beliebigen Position des Stranges schnell schließen, was ein entscheidender Vorteil in Kicksituationen sein kann. • Der Verschleiß der Preventerpackungen durch die hexagonale Mitnehmerstange entfällt, da sich beim Bohren mit Topdrive nur glatte, runde Bohrstangen im Preventerbereich befinden. Die Reduzierung von Nachsetzarbeit kommt besonders bei Horizontalbohrungen zum Tragen, da beim Bohren der Kurven- oder Tangentialsektion besondere Gefahr des Festwerdens besteht, wenn die Rotation des Stranges aufhört und die Spülungszirkulation gestoppt wird. Das gilt auch beim Befahren der Kurvensektion (dem sog. Screwing in und Screwing out of hole) in Vorbereitung des Nachsetzens von Gestänge. Wird der Strang dabei nicht rotiert, so muss die volle Gleitreibung überwunden werden, was zu einer großen axialen Strangbelastung führt. Außerdem besteht die Gefahr des Festwerdens, während der manchmal sehr langen Nachsetzzeit, die beim Nachsetzen von Einzelstangen und möglichen Problemen, die Bohrlochsohle gleitend wieder zu erreichen, extrem lang sein kann. Und hier spielt der Zeitgewinn beim Nachsetzen mittels Topdrive eine entscheidende Rolle, da zum einen ein Dreierzug nachgesetzt werden kann, zum andern rotierend ab jeder Stelle gefahren werden kann. Das bedeutet, dass mit der Strangrotation nicht erst gewartet werden muss, bis die Mitnehmereinsätze im Drehtisch gelandet sind. Man kann davon ausgehen, dass die Nachsetzzeit mit Topdrive auch in schwierigen Situationen auf einige wenige Minuten zu begrenzen ist. Hinzu kommt, dass beim Ziehen des rotierenden Stranges weniger axiale Zuglast aufgebracht werden muss, als wenn der Strang stillsteht, so dass auch weniger Gestängeschäden und Tooljointverschleiß auftreten, dass dadurch, dass spülend ausgebaut werden kann, eine verbesserte Bohrlochreinigung stattfindet, weil insbesondere die Cuttings auf der Liegendseite des Bohrloches entfernt werden durch Spülungszirkulation und Strangrotation.
E Bohrplatzeinrichtung und Gerätetechnik
253
6.3.4 Aufbau von Topdrive Systemen Topdrives können sowohl, wie vorstehend schon ausführlich beschrieben, zum Handling von Drillpipe, wie auch zum Rohreinbau eingesetzt werden. Daraus ergibt sich schon, dass sie je nach Einsatzbedingungen etwas unterschiedlich im Aufbau sein können. Nachstehend soll beschrieben werden, wie der Topdrive für das Bohren aufgebaut ist, wobei als Beispiel ein VARCO Top Drive Drilling System (TDS) dienen soll: Der Topdrive (Abb. E-85 und E-86) besteht aus folgenden Komponenten: • Motorsektion und Spülkopf (Motor and Swivel) • Führungssystem (Guide Rails) • Pipehandler • Gegengewichten (Counter Balance) • Kühlsystem • Kontrollsystem.
Abb. E-85: Schnitt durch einen Topdrive [BgH]
Der Motor (Abb. E-85) ist entweder ein Elektro- oder ein Hydromotor. Der Elektromotor ist ein DC Motor mit etwa 750 kW (1000 HP) Leistung, wie er auch als Drehtischmotor eingesetzt wird. Die Motorwelle treibt ein Zahnrad (Motor Pinion Gear), das wiederum in ein größeres Zahnrad (Bull Gear) eingreift und dieses in Bewegung setzt. Dieses Zahnrad ist auf der Hauptantriebswelle (Main Shaft) aufgesplintet (Drive Spline), die in einem Gehäuse (Quill Shaft) geführt wird, und versetzt diese in Rotation. Die Hauptantriebswelle stellt die Verbindung vom Spülkopf zum Bohrstrang her.
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6 Rotationseinrichtungen
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Abb. E-86: MARITIME HYDRAULICS Topdrive Typ DDM-650 mit Elektroantrieb Hauptkomponenten [MARTIMI]
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Der Motor kann entweder als One-Speed-Motor oder als Two-Speed-Motor ausgelegt sein, wobei letzterer mit einem Zahnrad-Schaltgetriebe versehen ist. Eine Luftdruckbremse (Air Break) dient dazu, das aufgebrachte Drehmoment auf einem Bohrstrang zu halten, wenn der Motor abgeschaltet wird. Sie wird ferngesteuert. Es können ein Motor oder zwei Motoren installiert sein. Der Motor mit der Hauptwelle befindet sich in einem Gehäuse, das mit der Schienenführung über einen Transportrahmen (Abb. E-87) verbunden ist. Dieses Führungssystem ist ähnlich der Traveling Block Führung auf Offshore Anlagen ausgebildet. Der Transportrahmen wird an dem Schienensystem geführt und trägt das Motorgehäuse, in dem sich der Bohrmotor mit allen seinen Anschlüssen und Zubehör, Getriebe und Hauptwelle befindet. Das Motor Assembly ist mit dem Gehäuse über entsprechende Zapfen (Motor Trunnion) verbunden. Hydraulikzylinder (Motor Alignment Cylinder) am unteren Ende des Rahmens wirken als Motor-Gegengewicht, da der schwere Motor ein Kippmoment verursacht, das von den Zylindern aufgefangen wird. Die Zylinder balancieren den Motor beim Bohren automatisch aus und halten ihn so in vertikaler Position.
Abb. E-87: Topdrive Motorgehäuse und Transport-Rahmen (Führungsschlitten) [BgH]
Der Pipehandler (Abb. E-88) gibt dem Topdrive die Möglichkeit, 90 ft Gestängezüge aufzunehmen und abzustellen und Ver- und Entschraubungen mittels des Bohrmotors vorzunehmen. Der Pipehandler besteht aus: • Hydraulikzange (Torque Wrench) • Gestängepreventern (Safety Valves) • Bügelhalter mit Antrieb (Link Adapter) • Rotationskopf (Rotating Head) Pipehandler sind so ausgelegt, dass sie das Gestänge in jeder Position des Topdrives ver- und entschrauben können, wobei Momente von über 100.000 Nm erzeugt werden können.
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6 Rotationseinrichtungen
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Abb. E-88: Pipehandler – Details [BgH]
Die im Pipehandler integrierte Drehmomentenzange (Torque Wrench) gestattet das Ver- und Entschrauben von Gestänge an jeder beliebigen Position im Mast. Die Zange ist mit zwei Verschraubzylindern ausgestattet, die das Gestänge einmal am Zapfen und zum andern an der Muffe erfassen und dann ein entsprechendes Drehmoment zum Veroder Entschrauben aufbringen. Ein 10“ Kolben gestattet das genaue Platzieren der Zangenteile auch dann, wenn unterschiedlich lange Tooljoints zu verschrauben sind. Standardmäßig lassen sich Tooljointdurchmesser von 5½" bis 7" verschrauben, besondere Einsätze gestatten aber auch das Verschrauben von 3½" Drillpipe. Beim Bohren befindet sich der Pipehandler in vertikaler Position, so dass der Bohrstrang durch ihn hindurch gleiten kann. Mittels des Bügelantriebs (Link Tilt Actuator) kann der Elevator seitlich um bis zu 75° aus der Vertikalachse heraus geschwenkt werden, z. B. um Gestänge (Einzelstangen aus dem Mauseloch) aufzunehmen oder Züge in der Fingerbühne abzustellen. Die Tragkraft des Pipehandlers liegt im Bereich der Tragkraft des gesamten Elevatorsystems, also im Normalfall bei 500 – 650 t. Die Elevatorbügel selbst sind über eine Vorrichtung, den Bügel (Link Adapter), mit der Bohrmotor-Hauptwelle verbunden, so dass die Motorwelle innerhalb dieses Adapters frei rotieren kann. Dieses Gerät ist luftbetätigt.
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Abb. E-89: IBIP Assembly
Die Torque Wrench ist nach oben mit dem unteren IBOP verbunden und gleitet dort auf einem Zahnkranz, so dass sie sich beim Entschrauben von Tooljoints um bis zu 2“ nach oben bewegen kann. Das max. Drehmoment, das aufgebracht werden kann, liegt bei etwa 80.000 Nm (60.OOO ft-1b). Das Topdrive System ist außerdem noch mit zwei Gestängepreventern (IBOP's) (Abb. E-89) ausgerüstet. Beide Preventer sind Kugelhähne mit vollem Durchgang. Der obere IBOP ist fernsteuerbar, der untere manuell zu betätigen. Beide IBOP's haben 10 000 psi oder 15 000 psi Arbeitsdruck. Der fernsteuerbare obere IBOP ist in den Pipehandler integriert, wobei die Torque Wrench beim Ver- oder Entschrauben in den Zahnkranz des BOP's einrastet. Für Bohrlochkontrolloperationen kann der obere IBOP gelöst werden, so dass er mit dem Strang verbunden bleibt und diesen abschließt, auch wenn der Strang aus dem Topdrivesystem gelöst wird. Mittels zweier doppelt wirkender Luftzylinder (IBOP Actuator Cylinders) wird ein sich um den oberen IBOP befindlicher Ring mittels entsprechender Arme bewegt, und der Preventer geöffnet bzw. geschlossen. Die Betätigungszylinder werden von der Driller's Console aus gesteuert. Das Gegengewichtsystem (Counterbalance System) ist ein Zylindersystem, das sich zwischen Haken bzw. Traveling Block und Motorgehäuse des Topdrives befindet, und das eine Art
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Stoßdämpfer zur Schonung der Gewinde beim Ver- oder Entschrauben von Gestängeverbindern mit dem Topdrive darstellt. Es ist gleichzusetzen mit dem entsprechenden Stoßdämpfer, der beim Rotarybohren zwischen Haken und Traveling Block eingebaut ist. Die Elektromotoren werden mittels Luft gekühlt, was ein entsprechendes Kühlsystem erfordert. Die Kühlluft muss außerhalb des Ex-Bereiches angesaugt werden. In der Regel befindet sich das Ansaugfilter etwa 7,50 m außerhalb der Aushängebühne, wobei der Lüfter sich entweder an der Ansaugstelle oder direkt am Topdrivemotor befinden kann. Daneben gibt es auch noch das Closed Loop System, bei dem die Kühlluft im geschlossenen Kreislauf zirkuliert wird. Ein solches System wird teilweise in explosionsgefährdeten Bereichen gefordert. Dabei wird die Luft mittels Wasserkühlern gekühlt und dann dem Motor wieder zugeführt. Zum Topdrive System noch ein aufwendiges Steuer- und Kontrollsystem mit entsprechenden Versorgungsleitungen. Die Instrumententafel an der Driller's Console (Abb. E-90) besteht aus einer Reihe von Anzeigen und Bedienungselementen wie Drehmoment- und Drehzahlanzeige und Schaltern, die folgende Arbeiten ermöglichen: • Zangenarbeit (Ver- und Entschrauben) • Auslenken des Elevators • Betätigung des fernsteuerbaren IBOP • Motorbremse • Begrenzung des Verschraubmomentes Kontrolllampen zeigen an, ob Störungen aufgetreten sind, und ob die durchzuführenden Operationen ordnungsgemäß abgelaufen sind. Topdrives können entweder am Haken des Flaschenzuges befestigt werden, oder, nach Demontage des Hakens, direkt mit dem Traveling Block verbunden werden. Letzteres hat den Vorteil, dass das System eine kürzere Baulänge hat. So hat z. B. ein 500 t Hakenlast System von Oberkante Traveling Block bis zum Topdrive Elevator mit separatem Haken eine Länge von etwa 14,80 m, ein gleiches System ohne Haken ein Länge von 12,30 m.
Abb. E-90: Drillers-Cabin mit den entsprechenden Consolen und Anzeigen für die Überwachung und Steuerung des Bohrsystems
6.3.5 Antrieb von Topdrive Systemen Topdrive Systeme werden entweder von Elektromotoren, im Wesentlichen Gleichstrommotoren, oder von Hydraulikmotoren angetrieben. Beide Systeme haben ihre Vor- und Nachteile, wie die Tab. 11-E zeigt:
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Der hydraulische Antrieb reduziert das Gewicht des Gerätes um bis zu 5 t, verkürzt seine Baulänge um bis zu 1,20 m auf etwa 5,80 m und bewirkt, dass der Schwerpunkt im Zentrum des Systems liegt, weil die Hauptwelle gleichzeitig die Motorwelle ist und somit zentrisch liegt. Ein spezieller Ex-Schutz ist nicht erforderlich, ebenso wenig wie eine Fremdkühlung. Nachteilig ist, dass ein spezielles Hydraulikaggregat erforderlich wird, das auf den meisten Tiefbohranlagen standardmäßig nicht vorhanden ist. Bei Hydraulikantrieben ist dafür Sorge zu tragen, dass Schmutz- und Feststoffpartikel größer 100 μm abgefiltert werden, da diese die Düsen verstopfen. Auch muss die Anzahl der Schmutzpartikel in 100 ml Öl unter 11 liegen, was der Umweltklassifikation von 3 entspricht. Der elektrische Antrieb kann immer dann problemlos installiert werden, wenn die Bohranlage mit einem diesel-elektrischen oder vollelektrischen Antriebskonzept ausgestattet ist, was meistens der Fall ist, und wenn der Drehtisch ohnehin mit einem separaten E-Motor ausgerüstet ist, weil dann auch entsprechende Leistung vorhanden ist, die vom Drehtisch auf den Topdrive verlagert werden kann. Allerdings bedarf der E-Motor der Fremdkühlung, wie vorstehend beschrieben. Tab. 11-E: Zusammenstellung der gängigen Topdrive-Antriebskonzepte Type
Elektrisch 1 Gang Elektrisch 1 Gang Elektrisch 1 Gang Elektrisch 1 Gang Elektrisch 2 Gang Elektrisch 2 Gang Elektrisch 2 Motoren Hydraulisch 1 Gang Hydraulisch Mehrstufenmotor
Länge
Gewicht
max. Drehzahl
Übersetzung
kg 15.546
Eingangsleistung kW 872
250
5,33./.1
max. Dauer Drehmoment kNm 46,5
mm 6.198 6.198
15.620
872
195
6,67./.1
58,1
8.278
20.411
872
NA
6,83./.1
59,0
7.030
15.600
872
190
5,89./.1
45,3
6.198
17.818
872
250
68,3
8.680
22.728
872
NA
7.010
20.136
1.118
250
5,08./.1 7,95 ./. 1 4,05./. 1 8,23./. 1 5,33./.1
8.661
16.500
872
220
7,20./.1
39,7
6.900
15.800
920
265
5,89./.1
55,0
71,0 80,5
Eine Verbesserung des elektrischen. Antriebs stellt der drehzahlgesteuerte (frequenzgesteuerte) Drehstrommotor dar, der nahezu stufenlos regelbar ist, keiner separaten Kühlung bedarf und mit einem Kurzschlussläufer versehen ist, der wegen des fehlenden Kommutators mit vereinfachtem Ex-Schutz auskommt. Außerdem kann er auch im Stillstand unter Last gehalten werden. Daneben ist dieser Motor robuster und wartungsärmer, so dass dieser Motor der Topdrive Antrieb der Zukunft sein dürfte.
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6 Rotationseinrichtungen
Nachteilig ist, dass der Elektromotor exzentrisch angeordnet ist, so dass ein entsprechendes Gegengewicht zum Ausgleich des entstehenden Momentes erforderlich ist. Teilweise versucht man, diesen Nachteil durch die Installation von zwei E-Motoren auszugleichen. Weitere Unterschiede ergeben sich in den Antriebsarten bezüglich des darzustellenden Drehmomentes. So startet der E-Motor mit einem Moment, das bis zu 500% über dem Nennmoment liegt, und kann kurzfristig mit einem Moment von 250% über Nennmoment arbeiten. Der Hydromotor ist dagegen in seiner Leistung begrenzt, da er nur so viel Leistung abgeben kann, wie ihm vom Hydraulikaggregat geliefert wird. Ein Überziehen der Leistung ist somit nicht möglich. Auch liegt das Startmoment nur bei 80% des Nennmomentes. Schließlich kommt beim Hydromotor noch hinzu, dass es durch Erwärmung des Hydrauliköls zu einem Leistungsabfall kommt. Diese Tatsachen führen in der Praxis dazu, dass der Hydromotor meistens mit doppelter Leistung im Vergleich zum E-Motor ausgelegt wird, um ein bestimmtes Leistungsniveau in allen Betriebsphasen zu gewährleisten. Das Hydraulikaggregat besteht in der Regel aus zwei Einheiten. Die Haupteinheit wird von einem 870 kW DC Motor angetrieben und hat eine volumensteuerbare Pumpe mit max. 1600 1/min Volumenstromrate und max. 350 bar Arbeitsdruck. Diese Einheit dient zur Rotation des Stranges, wobei die Volumenstromrate die Drehzahl und der hydraulische Druck das Drehmoment beeinflussen. Das Nebenaggregat besteht aus einem 45 kW AC Motor mit Doppelzylinderpumpe. Diese liefert 40 1/min bei 210 bar bzw. 120 1/min bei 110 bar und dient zum Antrieb der Hilfseinrichtungen des Topdrive Systems. Das Energie-Übertragungssystem besteht bei den beiden Antriebskonzepten aus folgenden Pfaden: • Hydraulisches System: • AC Generator – AC Motor – Hydraulikpumpe – Leitungen – Hydraulikmotoren – Getriebe – Bohrstrang • Elektrisches System: • AC Generator – SCR – Kabel – DC Motor – Getriebe – Bohrstrang. Durch die häufigere Energieumformung wird schon ersichtlich, dass das Hydrauliksystem einen schlechteren Wirkungsgrad haben muss als das elektrische. Es hat einen Gesamtwirkungsgrad von nur etwa 70%, während das elektrische System einen solchen von etwa 90% hat. Daraus folgt auch, dass das Hydrauliksystem einen höheren Energiebedarf hat. Wegen der einfacheren Bedingungen konnte sich der Elektroantrieb bei Topdrives gegenüber dem Hydraulikantrieb ganz entscheidend durchsetzen. So beträgt der Marktanteil der Hydraulikantrieb nur etwa 10%, wenngleich der Hydroantrieb wesentlich leiser ist als der Elektroantrieb.
6.3.6 Arbeiten mit dem Topdrive System Mit dem Topdrive System lassen sich alle gängigen Arbeiten, die Bewegung eines Stranges betreffend, erledigen. Die wesentliche Aufgabe ist das Bohren mit Dreierzügen. Dabei ergibt sich allerdings das Problem, die Dreierzüge zusammenzustellen. Dazu gibt es zwei Methoden. Entweder werden bei Einbau des Bohrwerkzeugs auf Sohle beim Roundtrip so viele Dreierzüge im Mast stehen gelassen, wie dem erwarteten Meißelmarsch entsprechen. Diese werden dann später zum Nachsetzen beim Bohren verwendet, während beim Roundtrip Einzelstangen verwendet werden, um das Werkzeug auf Sohle zu fahren, oder es werden Züge während der Zeiten zusammengestellt, wo der Bohrprozess unterbrochen ist. Das kann im Mauseloch geschehen, oder es
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wird ein Drillpipestrang während der Zementerhärtung in das verrohrte Bohrloch eingelassen, der dann in Dreierzügen gebrochen und im Mast abgestellt wird. Moderne Tiefbohranlagen wie beispielsweise die DEUTAG Bohranlage T-2000 (siehe Abb. E91) haben dagegen die Möglichkeit, den Strang auch während des Bohrens zusammenzustellen.
E Abb. E-91: KCADeutag Rig-T 2000 1995 auf einem Einsatzort in Russland. Das Rig ist ausgestattet mit einer Antriebsleistung von 4 x 2150 PS (Katterpillar-Motere Typ 3516 B). Die Drawworks ist eine Getriebewinde System Wirth Typ GH 2000 EG. Die zulässige Hakenlast beträgt 454 t. Das Top Drive hat ein Drehmoment von 45,5 kNm. Die erreichte Bohrtiefe betrug bei diesem Einsatz 6096 m
Dazu werden Einzelstangen per Einzelstangen-Elevator, der fester Bestandteil der Bohranlage ist, auf die Arbeitsbühne gehoben und per Hilfselevator und Iron Roughneck verschraubt. Auf diese Weise zusammengestellte Züge (Zweierzüge mit Einzelstangen von etwa 14 m oder Dreierzüge mit normalem 9 m) Bohrgestänge) werden dann im Pipe Racker abgestellt. Da diese Arbeiten den Bohrbetrieb nicht beeinträchtigen, können sie während des Bohrens ebenso erfolgen wie das Arbeiten mittels speziellen Zusatzausrüstungen wie dem Mechanical Derrikman. Die Vorgehensweise beim Bohren mit Dreierzügen im Normalfall ist: • Abbohren des Dreierzuges und Setzen der Keile • Brechen des Schonstücks (Saver Sub) mittels Torque Wrench am Pipehandler • Entschrauben der Verbindung mit dem Bohrmotor, • Topdrive hochfahren, dabei Elevator öffnen, um über den abgefangenen Strang fahren zu können • Der Derrickman hängt den nachzusetzenden Dreierzug in den ausgeschwenkten Elevator ein, die Floor Crew macht das Einstabben des Zapfens in die Muffe • Hängelassen des Topdrives, bis die Muffe des Dreierzuges mit dem Zapfen des Saver Subs verbunden werden kann • Verschrauben der Verbindung mittels des Bohrmotors. Abfangen der Kontermoments mittels einer Zange auf der Arbeitsbühne • Ziehen der Keile und Weiterbohren. Das Bohren mit Einzelstangen erfolgt immer dann, wenn eine neue Bohrung begonnen wird und Dreierzüge noch nicht verfügbar sind, oder wenn alle 30 ft eine Messung durchzuführen ist, z. B. im Bereich des Kick Offs.
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6 Rotationseinrichtungen
Die Vorgehensweise beim Bohren mit Einzelstangen ist wie folgt: 1. Abbohren der Stange und Setzen der Keile 2. Brechen des Schonstücks (Saver Sub) mittels Torque Wrench am Pipehandler 3. Entschrauben der Verbindung mit dem Bohrmotor 4. Topdrive hochfahren, dabei Elevator öffnen, um über den abgefangenen Strang fahren zu können 5. Ausschwenken des Elevators, um die im Mauseloch abgestellte Stange aufzunehmen 6. Stange aus dem Mauseloch fahren und Elevator in vertikale Position bringen 7. Einstabben der Stange in die Muffe des abgefangenen Stranges 8. Verschrauben der Verbindung mittels des Bohrmotors. Abfangen der Kontermoments mittels einer Zange auf der Arbeitsbühne 9. Hängelassen des Topdrives, bis die Muffe des Dreierzuges mit dem Zapfen des Saver Subs verbunden werden kann 10. Ziehen der Keile und Weiterbohren. Beim Tripping wird der Elevator wie beim Rotarybohren generell eingesetzt. Vorteilhaft ist allerdings, dass dieser in Richtung des Derrickman geschwenkt werden kann, wenn die Züge in der Fingebühne abgestellt werden sollen. Dadurch kann Zeit eingespart werden. Außerdem kann der Elevator in jede Richtung gedreht werden, wenn die Sperre gelöst und der Pipehandler entsprechend gedreht wird. Um Stuck Pipe zu verhindern, kann mit dem Topdrive auch rotierend ausgebaut (Reaming Out) werden. Das ist möglich, weil mittels der Torque Wrench der Zug an jeder Stelle im Mast gebrochen und entschraubt werden kann. Beim Reaming Out wird wie folgt vorgegangen: • Hochfahren des Topdrives unter Rotation des Stranges mittels des Bohrmotors, bis die dritte Verbindung über dem Drehtisch erscheint • Rotation und Spülungszirkulation stoppen und Strang in den Keilen absetzen • Brechen des Schonstücks (Sauer Sub) mittels Torque Wrench am Pipehandler • Entschrauben der Verbindung mit dem Bohrmotor, dabei Halten des Zuges auf der Arbeitsbühne mit einer Zange • Zug in den Elevator übernehmen • Zug in der Fingebühne abstellen • Topdrive auf Arbeitsbühne fahren • Schonstück einstabben und mittels Bohrmotor mit dem Strang verbinden. Mittels Torque Wrench kontern • Spülungszirkulation herstellen, Strang aus den Keilen fahren und abheben unter Rotation. Wenn, es beim Roundtrip zu einer Kicksituation (Zufluss) kommt, lässt sich der IBOP schnell schließen, so dass ein Gestängeausbruch vermieden wird. Dabei wird wie folgt vorgegangen: • Bei Kickanzeichen Strang in den Keilen absetzen und Topdrive auf den Strang fahren • Schonstück mit dem Strang verbinden mittels Torque Wrench (Kraftverschraubung) und Bohrmotor (spinning) • Fernsteuerbaren IBOP schließen • Bohrstrang in die Bohrung einlassen, bis oberster Tooljoint sich über der Arbeitsbühne befindet, und Keile erneut setzen • Unteren IBOP manuell schließen • Torque Wrench lösen und unteren IBOP vom Topdrive abschrauben • Übergang oder Kellyhahn o. Ä. auf unteren IBOP montieren • Normale Bohrlochkontrollmaßnahmen einleiten Mit dem Topdrive lassen sich auch Casings einbauen, sofern er für die entsprechenden Rohrlasten ausgelegt ist. Allerdings müssen dann längere Bügel (ca. 180“ = ca. 4,60 m) verwendet werden (Abb. E-92a), um den Zementierkopf unter der Torque Wrench installieren zu können.
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Wird dann noch ein kurzes Rohrstück mit dem Schonstück im Pipehandler verschraubt, so kann der Casingstrang beim Einbauen über den Topdrive aufgefüllt werden, indem der Strang mittels des fernsteuerbaren IBOP geöffnet bzw. geschlossen wird.
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Abb. E-92a: Casingeinbau mit dem Top Drive [BgH]
Sollen die Rohre konventionell eingebaut werden, so kann der Topdrive zur Seite geschwenkt werden. Beim Ein- oder Ausbau des BHA wird mittels des Elevators wie bei normalen Rotarybohranlagen ohne Topdrive vorgegangen, indem z. B. Schwerstangen mit einem Hebestück im Elevator eingehängt werden.
6.3.7 Topdrive Layout Das Topdrive System ist ein integrierter Bestandteil einer Bohranlage und, sofern es sich um ein elektrisch betriebenes System handelt, mit der Energieversorgungsanlage der Bohranlage zu verbinden. Hydraulische Topdrive Systeme haben in der Regel eigene Antriebseinheiten, die in einem separaten Container untergebracht sind. Wird der Topdrive im Haken des Flaschenzuges eingehängt, so geschieht das deshalb, weil man dann schneller wieder auf das konventionelle Rotarybohren umstellen kann. Nachteilig ist die größere Bauhöhe des Topdrive Systems inkl. Haken und Traveling Block. Auch ist der Stoßdämpfer des Hakens nicht mehr funktionsfähig, da dieser voll gelängt ist. Aus diesem Grunde muss ein solches Federungselement auch im Topdrive zusätzlich integriert sein. Hinzu kommt, dass die Länge des Fahrweges beim Handhaben von Dreierzügen bei Topdrives etwa 30 m beträgt, während man bei Kellybetrieb mit etwa 23 m auskommt. Daraus folgt, dass der 60 ft (18,30 m) Spülschlauch gegen einen 75 ft (22,90 m) Schlauch ausgetauscht werden muss, und dass die Steigleitung höher zu ziehen ist, damit der Schlauch in der unteren Position des Topdrives noch etwa 7 ft (2,10 m) über der Arbeitsbühne hängt. Bei normalen Bohranlagen endet die Steigleitung in einer Höhe von etwa 23 m (75 ft), bei Anlagen mit Topdrive in etwa 26 m (85 ft).
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Der Topdrive selbst und damit die Führungsschienen können entweder an der Hebewerksseite installiert sein, oder gegenüber dem Driller Stand an der rechten Seitenwand des Mastes. Die Masthöhe muss so beschaffen sein, dass der Topdrive sich oberhalb der Aushängebühne noch frei bewegen kann. Das bedeutet, dass hier noch genügend Mastbreite vorhanden sein muss und genügend Masthöhe, um einen sicheren Fahrweg zu garantieren. Das hat bei nachträglicher Installation von Topdrive Systemen bei Landbohranlagen in der Regel dazu geführt, dass die vorhandenen Masten entsprechend verlängert werden mussten. Eine GesamtMasthöhe von 160 ft (ca. 49 m) wird als ausreichend für die Installation eines Topdrive Systems angesehen.
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6.3.8 Portable Topdrive Systeme Topdrive Systeme für Landbohranlagen werden neuerdings oftmals in Form sog. Portabler Systeme ausgeführt. Topdrives wurden, wie eingangs erwähnt, ursprünglich für OffshoreBohranlagen entwickelt. Das bedeutet eine permanente Installation, ohne dass der Mast umgebaut werden muss. Bei Landbohranlagen kommen zwei Dinge zusammen. Zum einen wird der Topdrive meistens nicht während der gesamten Bohrphase benötigt, da er im wesentlichen im horizontalen Bohrlochabschnitt eingesetzt wird, zum andern muss die Anlage nach jeder Bohrung umgebaut werden, wobei ein fest installiertes Topdrive System unhandlich sein kann. Hinzu kommt, dass die stationären Systeme viel Platz benötigen, sehr teuer sind und aufwendige Installationen erfordern, die ebenfalls teuer sind. Aus diesen Gründen wurden Topdrive Systeme speziell für kompakte Landbohranlagen mit kleinen Arbeitsbühnen und wenig Platz im Mast entwickelt. Die Montage dieses Gerätes benötigt weniger als etwa 12 Stunden, so dass der Topdrive immer nur dann montiert werden muss, wenn er auch tatsächlich gebraucht wird. Außerdem können sich mehrere Bohranlagen (mindestens zwei) einen Topdrive teilen, was die Kosten entsprechend reduziert. Montiert wird der portable Topdrive direkt unter dem Spülkopf, geführt wird er an nur einer Schiene, die oben im Mast abgehängt und unten, oberhalb der Arbeitsbühne, an einer Querstrebe befestigt wird. Diese wird wiederum direkt an dem A-Bock des Mastes befestigt und kompensiert das Drehmoment (Torque Support). Der Vorteil dieser Aufhängung gegenüber der stationären Alternativen ist, dass das Drehmoment nicht auf den Mast, sondern am unteren Ende des Mastes auf den A-Bock übertragen wird, so dass es nicht zu einer Tordierung des Mastes kommen kann. Die Führungsschiene selbst ist so ausgelegt, dass sie in sich verwindungssteif ist. Der Antrieb befindet sich in einem separaten Container, sofern es sich um einen hydraulischen Antrieb (z. B. System TESCO) handelt. Ansonsten wird der Strom von der Energieversorgung der Bohranlage genommen. Portable Topdrives der modernen Bauweise haben selbst bei einer Motorleistung von über 600 kW nur ein Gewicht von etwa 1500 kN (15 t) und erbringen ein Drehmoment von bis zu 80.000 Nm (60 000 – 70 000 lbs.ft). Sie sind vielfach in Modulbauweise ausgeführt, was die Montage vereinfacht und schneller macht. Einige PTDs sind heute schon mit Drehstrommotoren ausgestattet.
6.3.9 Zusammenfassende Betrachtung Topdrives haben eine Reihe von Vor- aber auch einige Nachteile. Trotzdem sind sie aus der modernen Bohrtechnik nicht mehr fort zu denken, insbesondere bei Horizontalbohrungen, wo
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bei steuerbaren Motorsystemen mit überlagerter Strangrotation gearbeitet wird, da diese mittels des Topdrives besser und dosierter erfolgen kann, als mittels des Drehtisches. Die Vorteile sind: • es kann spülend ein- und ausgebaut werden • das Schließen bzw. Öffnen des Gestängepreventers (IBOP) ist in jeder Position des Topdrives durch die Fernbetätigung möglich • bei Einsatz von Topdrive und Iron Roughneck passieren etwa 60% weniger Unfälle als bei normalem Rotarybohren (SHELL Studie) • Rohreinbau mittels Topdrive bringt ähnliche Vorteile wie beim Gestängeeinbau (spülend, rotierend) • weniger Aufwand beim Nachbohren • weniger Korrekturen beim Richtbohren, da mit Gestängezügen gearbeitet wird. Nachteile sind: • hohe Investitionskosten für den Topdrive (1 – 1,5 Mio. €) zuzüglich der Kosten für den Umbau der Bohranlage (Mastverlängerung), Führungsschienen etc. • höhere Betriebskosten als beim Rotarybohren, die durch Zeitgewinn infolge höheren Bohrfortschritts ausgeglichen werden müssen • Strang muss in der Regel vorher zusammengestellt werden, was ggfs. zusätzlichen Zeitbedarf ergibt • Zusätzliche Kosten und Zeitbedarf bei Montage von portablen Topdrives. Trotz der sicherlich nicht unbedeutenden Nachteile überwiegen die Vorteile die Nachteile bei Weitem, so dass der Topdrive heutzutage zu einer festen Installation bei neuen Tiefbohranlagen geworden ist.
6.3.10 Beispiele für moderne Topdrive Top Drive System STREICHER Technische Daten Hydraulikantrieb zul. Hakenlast: 3700 kN max. Drehmoment: 85 kNm max. Drehzahl: 190 min1
Abb. E-92b: Top Drive
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7 Geräte der Spülungstechnik
Abb. E-92c: Top Drive System STREICER
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Top Drive System AkerSolutions Bei AkerSolutions stehen 3 Typen zur Verfügung und zwar: PTD – DDM – MDDM Der letztere wird vornehmlich im OffshoreBereich eingesetzt. Technische Daten max. Hakenlast: 500 / 1000 / 1250 t max. Drehmoment: 59,5/117,9/137,2 kNm max. Drehzahl: 208 / 272 / 282 min1 Länge ca.: 5,9 /7,5 / 10,4 m Gewicht ca.: 12,1 / 29 / 52 t Elektroantrieb
Abb. E-92d Top Drive System [AkerSolutions]
7 Geräte der Spülungstechnik 7.1 Einleitung Die Spülungstechnik ist die wichtigste Funktion der Tiefbohrungen. Ohne funktionierende Bohrspülung ist eine Tiefbohrung mit direkter Spülung nicht durchführbar, denn die Spülung hat sehr wichtige Aufgaben zu erfüllen. Beim Rotarybohren wird die Bohrspülung durch den Bohrstrang bis zur Bohrlochsohle gepumpt, tritt dort aus dem Meißel aus, strömt auf der Bohrlochsohle entlang und entfernt dabei die Cuttings, ehe sie durch den Ringraum, gebildet von Bohrlochswand und Gestänge, beladen mit den Cuttings, wieder nach übertage aufsteigt. Übertage durchläuft sie das Feststoffkon-
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trollsystem, wo die Cuttings abgeschieden und mit gefördertes Gas aus der Spülung entfernt wird, ehe sie über Saugtank und Spülpumpen wieder in den Strang gepumpt und damit rezirkuliert wird. Die zirkulierende Spülung ist eine Grundvoraussetzung für ein kontinuierlich arbeitendes Bohrverfahren. Eine nähere Beschreibung der Spülungstechnik erfolgt in einem besonderen Kapitel „Der Spülungskreislauf“. Nachfolgendend werden die wichtigsten Geräte für die Durchführung der Spülung beschrieben. Es sind folgende Komponenten: • Spülpumpen • Schneckenzentrifuge oder Dekanter • Rüttelsieb • Spülungs- und Saugtanks • Mischtank • Aufbereitungsanlage u. Mischer • Hydrozyklone • Spülkopf
7.2 Spülpumpen 7.2.1 Allgemeines In der Tiefbohrtechnik werden im Wesentlichen eingesetzt • Duplexkolbenpumpen • Triplexkolbenpumpen Diese Pumpen kommen zum Einsatz in einfach- und doppelt wirkender Ausführung.
7.2.2 Aufbau und Arbeitsweise von Spülpumpen 7.2.2.3 Generelle Arbeitsweise von Kolbenpumpen Zu den Kolbenpumpen zählen alle Pumpen, die das Heben und Fördern von Flüssigkeiten mit Hilfe von kreisförmigen Kolben, die in Zylindern hin- und herbewegt werden, herbeiführen. Die Zylinder können liegend oder auch stehend angeordnet und einfach- oder doppelt wirkend sein. Darunter ist zu verstehen, dass bei einer einfach wirkenden Kolbenpumpe die Flüssigkeit beim Rückhub in den Zylinder gesaugt und beim Vorwärtshub aus diesem herausgedrückt wird. Bei doppelt wirkenden Pumpen besteht jeder Vorwärts- und Rückwärtshub aus einem Saug- und Druckteil. Das bedeutet, dass beim Rückwärtshub des Kolbens vor diesem angesaugt wird, während hinter ihm die Flüssigkeit gleichzeitig herausgedrückt wird und umgekehrt. Die Füllung des Zylinders erfolgt somit immer unmittelbar hinter dem sich bewegenden Kolben. Kolbenpumpen benötigen somit Saug- und Druckventile. Die Kolben werden durch die Kolbenstange bewegt, die wiederum über die Kreuzkopfstange mit dem Kreuzkopf verbunden ist. Letzterer ist durch die Pleuelstange mit der Kurbel verbunden, so dass im Kreuzkopf die Kurbelbewegung in eine Hin- und Herbewegung auf einer genau definierten Ebene umgesetzt wird. Der Antrieb der Pumpe (Abb. E-93) erfolgt heutzutage in der Regel mittels eines bzw. zweier Elektromotoren, die sich auf der oberhalb der Kurbelwelle befindlichen Antriebswelle (Vorge-
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legewelle) befinden, die wiederum seitlich aus dem Pumpengehäuse herausragt, so dass hier die Motoren angeflanscht werden können. Die Vorgelegewelle überträgt mittels eines Ritzels das Drehmoment direkt auf einen Zahnkranz, der sich auf der Hauptpumpen- oder Kurbelwelle befindet. Das Übersetzungsverhältnis von Ritzel zu Zahnrad liegt bei etwa 5:1 bis 4:1. Die Kurbelwelle besteht aus einem Teil und ist aus hoch legiertem Stahlguss hergestellt. Der Zahnkranz ist mittels Passschrauben auf der Kurbelwelle befestigt, kann also ausgetauscht werden, und besteht aus hoch verschleißfestem Schmiedestahl mit Pfeilverzahnung, was eine hohe Belastbarkeit garantiert. An der Kurbelwelle sind die Pleuelstangen befestigt, die die Drehbewegung der Kurbel in eine axiale Hin- und Herbewegung übersetzen. Dazu muss die Pleuelstange in einen Kreuzkopf münden, in dem die Stange die Möglichkeit hat, bei der Hin- und Herbewegung gleichzeitig, entsprechend der Kurbelbewegung, um etliche Grade aus der axialen Ebene ausgelenkt zu werden. Der Kreuzkopf besteht aus hoch verschleißfestem Stahlguss mit geschliffenen und phosphatierten Gleitflächen, die auf Gleitbahnen aus Bronze laufen. Die Gleitbahnen sind auswechselbar. An die Pleuelstange schließt sich zur Pumpe hin die Kreuzkopfstange an, die in eine zylindrische Passbohrung des Kreuzkopfes geführt wird, um eine absolute Zentrierung zwischen Kolben und Kreuzkopf zu erreichen.
Abb. E-93: Schema einer Spülpumpe (Duplexpumpe) System [Wirth]
Die Abdichtung des Getrieberaumes gegenüber der Wasserseite erfolgt durch die Kreuzkopfstangen-Stopfbuchse mit speziellen Dichtelementen. Sämtliche Lager des Getriebeteiles, Wälzlager wie auch Gleitlager, sind auf eine Lebensdauer von mind. 5 Jahren bei jährlich 4000 Betriebsstunden ausgelegt (WIRTH). Die Schmierung der Lager wie auch der Kreuzkopfbahnen erfolgt über eine zentrale FrischölDruckschmierung. Über zwei Zahnrad-Schmierpumpen wird das Schmieröl aus dem Ölsumpf über Magnet- und Schmutzfilter den einzelnen Schmierstellen zugeführt. Spezielle Strömungsanzeigen (schwebende Kugeln bei Ölfluss) zeigen an, ob Ölfluss und damit Schmierung stattfindet.
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7.2.2.4 Kolbenbewegung Von entscheidender Bedeutung ist die Kenntnis über den Bewegungsablauf eines Kolbens in einer Kolbenpumpe, da mit dem Bewegungsmechanismus fast alle wesentlichen Betriebssituationen einer Spülpumpe zu erläutern und auftretende Fehler zu analysieren sind. Die Kurbelbewegung im Kreuzkopf wird in eine laterale Hin- und Herbewegung umgesetzt. Der sich am Ende der Kolbenstange befindliche Kolben macht diese Hin- und Herbewegung ebenfalls mit, wobei er aus der Endstellung heraus beschleunigt wird, in der Mittelstellung seine max. Geschwindigkeit erreicht, und dann bis zur Endstellung am anderen Ende des Zylinders wieder abgebremst oder verzögert (negative Beschleunigung) wird. Dort angekommen bleibt der Kolben für den Bruchteil einer Sekunde stehen und kehrt dann seine Bewegungsrichtung um, wobei der vorstehend geschilderte Bewegungsablauf, nunmehr in entgegengesetzter Richtung, abläuft. Eine entsprechende Situation ergibt sich auch für die Ein- und Auslassventile einer Spülpumpe. Die Spülung im Saugsystem bewegt sich solange nicht, wie das Einlassventil geschlossen ist. Wenn der Kolben jedoch seinen Saughub beginnt, wird hinter dem Kolben im Zylinder ein Unterdruck erzeugt, der zu einem schlagartigen Öffnen des Saugventils führt, die Spülung beginnt in den Zylinder zu strömen. Sowohl Öffnungsbetrag und Öffnungsprofil des Ventils werden dabei u. a. von der Spülungsart (leichte bzw. schwere Spülung bzw. Spülung mit niedriger oder hoher Viskosität) ebenso beeinflusst wie vom Kolben- oder Zylinderdurchmesser und der Pumpenhubzahl = Kurbeldrehzahl. Je höher die Viskosität oder Dichte der Spülung sind, desto größer ist die Öffnungsweite des Ventils. Gleiches gilt auch für den Zylinderdurchmesser. Die Kolben einer Kolbenpumpe dienen als bewegliche Dichtung, wobei die Gummipackung wie ein „O“-Ring funktioniert, der den Spalt zwischen Kolben und Zylinder abdichtet. Je höher der Druck ist, der auf diese Dichtung aufgebracht wird, desto enger muss der Spalt sein, um zu verhindern, dass das Dichtgummi in den Spalt hineinfließt. Je höher der Druck und je breiter der Spalt, desto geringer die Lebensdauer der Dichtungen. Hat eine Undichtigkeit erst einmal begonnen, so wird Flüssigkeit mit sehr hoher Geschwindigkeit an der Dichtung vorbeigepresst, was zu fortschreitender Erosion und damit progressivem Verschleiß führt. Dieser Verschleiß beschränkt sich dann jedoch nicht auf den Kolben, sondern greift auch auf den Stahlliner über. Wird dann ein neuer Kolben eingesetzt, so verschleißt dieser unproportional schnell, da er mit der beschädigten Lineroberfläche in Berührung kommt. Bei den Kolben unterscheidet man zwischen denen, die in beiden Richtungen abdichten müssen (double-acting), wie das bei doppelt wirkenden Pumpen der Fall ist, und solchen, die für einfach wirkende Pumpen eingesetzt werden. Je nach Einsatzbedingungen ist die Anordnung der Dichtungspackungen. Unterschiedlich sind auch die Kolbenstangen, die auch hoch legierten Stählen hergestellt werden. Beim Einsatz in doppelt wirkenden Pumpen muss die Oberfläche der Kolbenstange poliert oder verchromt sein, damit eine gute Abdichtung in der Stopfbuchse gewährleistet ist. Bei Beschädigung dieser Oberfläche ist die Stange nicht mehr zu verwenden. Außerdem hat diese Kolbenstange an dem Ende, an dem sie mit dem Kolben verbunden wird, einen Konus mit Gewinde und eine Schulter. Das ist erforderlich, damit, insbesondere bei Hochdruckpumpen, eine gute Führung und Abdichtung erzielt wird. Durch den Konus wird ein bestimmter Vordruck aufgebracht, der eine Durchbiegung der Stange und eine seitliche Bewegung verhindert, was durch eine gute Zentrierung geschieht. Kolbenstangen für einfach wirkende Pumpen haben ein zylindrisches Ende mit Gewinde, da der hier aufgebrachte Druck immer nur einseitig wirkt.
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7.2.3 doppelt wirkende Duplexpumpe
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Der Ausdruck Duplexpumpe bedeutet, dass die Pumpe zwei parallel zueinander angeordnete Zylinder hat, es sich also somit um eine Zwillingspumpe handelt, bei der zwei Kolben parallel zueinander bewegt werden, so dass die Volumenstromrate der Pumpe gegenüber einer sog. Simplexpumpe (Einfach-Kolbenpumpe) verdoppelt wird. doppelt wirkend bedeutet, dass zudem noch bei jeder Hubrichtung ein Saug- und gleichzeitig ein Druckhub ausgeführt wird. Das heißt, dass immer dann, wenn die Flüssigkeit aus der einen Seite des Zylinders verdrängt wird, neue Flüssigkeit auf der anderen Seite des Zylinders angesaugt wird. Sowohl beim Hin-, wie auch beim Rückhub. Das bedarf allerdings einer besonderen Bauart der Pumpe, da die Zylinder an beiden Enden abgedichtet werden müssen, so dass z. B. die Kolbenstange durch eine Stopfbuchse geführt werden muss. Der grundsätzliche Aufbau einer doppelt wirkenden Duplexpumpe geht aus Abb. E-93 und Abb. E-94 hervor. Hervorzuheben ist dabei, dass auf der Pleuelstange zum Pumpenzylinder hin ein Spritzteller befindet, der Spülung, die infolge von Leckagen aus der Stopfbuchse an der Kolbenstange austritt, daran hindert, den Kreuzkopf zu verunreinigen und damit den Verschleiß an der Gleitbahn zu fördern. Außerdem befindet sich am getriebeseitigen Ende des Zylinders die bereits erwähnte Stopfbuchse zur Abdichtung der Kolbenstange, diese haben folgende Aufgaben: • dynamische Dichtung zur Kolbenstange, • statische Dichtung zum Zylinder.
Abb. E-94: Pumpenteil einer doppelwirkenden Duplexpumpe [BgH)
Zur Kolbenstange hin muss eine Dichtung erfolgen, die zum einen dem Arbeitsdruck der Pumpe entspricht, zum andern aber so gestaltet ist, dass sie möglichst geringen Verschleiß sowohl an der Dichtungspackung wie auch an der Kolbenstange zeigt. Die Packungen besten aus einzelnen Ringsegmenten, die so ausgelegt sind, dass sie meistens nicht aus einen geschlossen Ring bestehen, sondern aufklappbar sind (axialer Spalt), was die Montage (Installa-
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tion und Entfernen) vereinfacht. Bei der Montage der Dichtungen ist allerdings darauf zu achten, dass die Spalten nebeneinander liegender Ringe sich an unterschiedlichen Stellen befinden, da ansonsten der Abdichteffekt gefährdet ist. Diese Ringdichtung besteht meistens aus Plastik und wird an der Innenwandung der Zylinder installiert, kommt somit nicht mit der Kolbenstange in Berührung, und dient im wesentlichen als Distanzelement und zur Führung und Positionierung der eigentlichen Kobenstangendichtung. Letztere besteht aus einer speziellen Gummimischung, die bis etwa 100°C thermostabil ist. Hierbei gibt es eine Monoblockausführung oder eine solche, ausgestattet mit einer Lippe, die selbstdichtend ist. Die spezielle Arbeitsweise einer doppelt wirkenden Duplexpumpe geht aus Abb. E-95 hervor. Die anzusaugende Spülung wird über ein Hosenstück zu den beiden Enden des Zylinders geleitet, die verdrängte Spülung über ein entsprechendes in die Druckleitung.
Abb. E-95: Schema einer doppelt wirkenden Duplex-Kolbenpumpe [Wirth]
Gruppenbezeichnung 1 2 3 4
Zylinder Kolbenstange Kolbenpackung (-Dichtung) Kolben
5 6 7 8
Kolbendichtung Ventilkegel Ventilsitz Ventilplatte
Aus Abb. E-97 wird auch ersichtlich, dass die Volumina der verdrängten Spülung je nach Hubrichtung unterschiedlich sind. Beim Hinhub (in Abb. E-97 nach links gerichtet) wird das gesamte Zylindervolumen verdrängt, beim Rückhub (in Abb. E-97 nach rechts gerichtet) muss vom Zylindervolumen das Volumen der Kolbenstange abgezogen werden. Diese Erkenntnis führt zu folgender Berechnung der Volumenstromrate einer doppelt wirkenden Duplexpumpe: V = 2(2 · A – a) · s · n · ηvol [l/min] Hierin sind: D Kolbendurchmesser [dm] d Kolbenstangendurchmesser [dm] s Hublänge [dm] n Drehzahl [min-'] volumetrischer Wirkungsgrad ηvol
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E Abb. E-96: Schema einer doppelt wirkenden Duplexpumpe
Kolbenfläche A = D2 ·
π 4
Kolbenstangenfläche a = d2 ·
π 4
Abb. E-97: Geometrische Verhältnisse beim Hin- und Rückhub einer doppelt wirkenden Duplexpumpe
Bedingt durch die Notwendigkeit, die Bohrlochhydraulik zu verbessern, kam man schnell an die Grenzen der bis dahin eingesetzten Duplexpumpen. Zunächst wurden die Pumpenkörper aus Gusseisen, später dann aus Stahlguss hergestellt. Sie konnten Druck bis zu 200 bar erzeugen bei Pumpenleistungen von bis zu 700 PS. Die Düsenmeißel der 60er Jahre verlangten dann jedoch Pumpenleistungen von 1000 – 1600 PS, was zu verringerten Standzeiten der Verschleißteile und wiederholt zu Rissen im Wasserkörper führte. Außerdem mussten die Wandstärken der Pumpenkörper verstärkt werden, so dass die Pumpen sehr groß und schwer wurden und schwierig zu transportieren waren. Hier begann nun die Hinwendung zu den leichteren Triplex-Pumpen, die bisher im Wesentlichen in der chemischen Industrie sowie in der Bohrindustrie als Zementierpumpen verwendet wurden.
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7.2.4 einfach wirkende Triplexpumpe Der Ausdruck Triplexpumpe bedeutet, dass die Pumpe drei parallel zueinander angeordnete Zylinder hat, in denen die Kolben parallel zueinander bewegt werden. Dadurch wird die Volumenstromrate der Pumpe gegenüber einer Simplexpumpe verdreifacht. Allerdings hat diese Pumpe einen einseitig offenen Pumpenzylinder, so dass bei jeder Kurbelumdrehung jeweils nur ein Saughub und ein Druckhub ausgeführt wird. Eine Abdichtung der Kolbenstange wie bei der Duplexpumpe ist deshalb nicht erforderlich.
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Abb. E-98: Pumpenteil einer einfach wirkenden Triplexpumpe [Wirth]
Der grundsätzliche Aufbau einer Triplexpumpe geht aus E-98 hervor. Auch hier gibt es zunächst Kurbelwelle, Pleuelstange und Kreuzkopf, dann die Kreuzkopfstange und die Kolbenstange, die mit dem Kolben verbunden ist. Ein Spritzschutz schützt auch bei Triplexpumpen den Kreuzkopf vor Verunreinigungen. Allerdings fehlt, wie bereits zum Ausdruck gebracht, die getriebeseitige Abdichtung des Zylinders, was zu einer wesentlichen Vereinfachung der Pumpe gegenüber einer doppelt wirkenden Duplexpumpe führt. Die spezielle Arbeitsweise einer einfach wirkenden Pumpe geht aus Abb. E-96 und E-97 hervor. Wie aus den Abbildungen ersichtlich ist, führt diese Pumpe jeweils nur einen Saug- bzw. Druckhub von der Hublänge s durch und ist deshalb auch nur mit einem Saug- und einem Druckventil ausgestattet. Das Fördervolumen ergibt sich aus dem Zylinder- bzw. Kolbenquerschnitt A multipliziert mit der Hublänge s, der Kurbeldrehzahl n und dem volumetrischen Wirkungsgrad ηvol. Bezieht man sich jedoch nicht nur auf eine Simplexpumpe, sondern eine Triplexpumpe, so ergibt sich die Volumenstromrate zu:
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V = 3 · A · s · n · ηvo [l/min] π Kolbenfläche A = D2 · 4 Das zu fördernde Medium (Spülflüssigkeit) kommt nicht direkt mit Kolben und Dichtung in Berührung, sondern wird über eine Membrane und Zwischenmedium mechanisch getrennt.
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Abb. E-99: Triplex-Spülpumpe System Wirth –Typ TPK 2200 – Zur Zeit eine der größten Spülpumpen mit einer Antriebsleistung von 2200 PS und einer Förderleistung von 33444 l/min bei einem Druck von 517 bar [Wirth]
Baureihe der Triplex-Spülpumpen System. AkerWirth: Tab. 10-G: Technische Daten der TPK-Pumpen System AkerWirth Pumpentyp TPK 800 TPK 1000 TPK 1300 TPK 1600 TPK 2000 TPK 2200
Leistung [PS] 800 1000 1300 1600 2000 2200
Fördermenge [l/min] 2762 2762 2042 3126 3126 3344
Spülpumpe System BENTEC Typ T-1600 Mud Pump 7½“ × 12“
Druck [bar] 345 345 345 345 517 515
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Abb. E-100a: Spülpumpe BENTEC Typ T-1600 Tab. 11-E: Kenndaten der BENTEC T-1600 Pumpentyp T 1600
Leistung [PS] max. 1600
Fördermenge [l/min] max. 3127
Druck [bar] max. 514
7.2.5 Vergleich zwischen Duplex- und Triplexpumpen Wie bereits zum Ausdruck gebracht wurde, hat in den letzten Jahren ein Wechsel von Duplexzu Triplexpumpen stattgefunden, da bei diesen keine Stahlgusskörper, sondern geschmiedete Pumpenkörper verwendet werden können, was beträchtlich zur Gewichtsreduzierung beiträgt. Außerdem sind die Wasserkörper einfacher in der Bauart, lassen sich für höhere Drücke auslegen, ohne dass dazu die Wandstärken der Pumpenkörper überproportional verstärkt werden müssten, und sie müssen nicht so exakt ausgerichtet sein, wie das bei Duplexpumpen wegen der Kolbestangenabdichtung erforderlich ist. Hinzu kommt größere Laufruhe, bedingt durch eine gleichmäßigere Förderrate. Auch kann bei den offenen Zylindern der Triplexpumpe eine bessere Kühlung und Reinigung der Zylinderbüchsen erfolgen, indem Wasser innen auf die Zylinderoberfläche gesprüht wird. Dadurch wird zum einen eine intensivere Kühlung, zum anderen eine erhebliche Reduzierung des Verschleißes bewirkt. Beides ist besonders im Hochdruckbereich von entscheidender Bedeutung. Und schließlich kommt hinzu, dass der Wasserkörper einer Triplexpumpe entsprechend billiger ist als der einer Duplexpumpe. Heutzutage werden die Zylinder teilweise sogar schon aus zwei Modulen hergestellt, die untereinander austauschbar sind. Werden zusätzlich noch zweigeteilte Kolbenstangen eingesetzt, so lässt sich zudem der Kolben wechseln, ohne dass dazu der Liner beeinträchtigt wird. Um beide Pumpenarten miteinander vergleichen zu können, muss man bei beiden von derselben Volumenförderrate ausgehen. Und hier zeigt sich, dass die Triplexpumpe bei gleichen Abmessungen (Kolbendurchmesser, Hublänge) mit einer höheren Hubzahl gefahren werden
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7 Geräte der Spülungstechnik
muss, weil die Volumenförderrate pro Hub niedriger ist als bei doppelt wirkenden Duplexpumpen. Das wird aus nachstehender Berechnung deutlich: VDuplex = 2 · (2 · A – a) · s · n · ηVol [l/min] VTriplex = 3 · A · s · n · ηVol [l/min] Werden diese beiden Gleichungen gleichgesetzt (gleiche Volumina) und nach der Hubzahl der Triplexpumpe aufgelöst, so ergibt sich: 2 ⋅ (2 ⋅ A − a) ⋅ s ⋅ ηVol nDuplex = ⋅ ηDuplex 3 ⋅ A ⋅ a ⋅ ηVol
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Sind Kolbenfläche (Kolbendurchmesser) und Hubzahl gleich, so kann zumindest die Hublänge gekürzt werden. Als Beispiel soll folgende Berechnung dienen: Kolbendurchmesser ½ " Hublänge “ Kolbenstangendurchmesser 2½ " Hubzahl der Duplexpumpe 60 min– ηVol = 0,9 2 ⋅ (2 ⋅ 15,9 − 4,9) ⋅ 8 ⋅ 0,9 · 60 = 1,28 · 60 = Hub/min nDuplex = 3 ⋅ 15,9 ⋅ 8 ⋅ 0,9 Aus diesem Beispiel wird schon ersichtlich, dass eine Triplexpumpe immer schneller laufen muss als eine Duplexpumpe, um dieselbe Förderrate zu erreichen. Das gilt insbesondere dann, wenn, wie in der Praxis üblich, die Triplexpumpe eine geringere Hublänge hat als die Duplexpumpe, was schon wegen der höheren Drücke und der Tatsache, dass die Kolbenstange der Triplexpumpe nicht geführt wird, zu begründen ist. Sehr große Hublängen würden bei hohen Drücken zur Durchbiegung der Kolbenstangen führen. Wird beispielsweise eine 7¾" x 18“ Duplexpumpe mit 2½" Kolbenstange mit einer Triplexpumpe (NATIONAL 12-P-160) mit max. Kolbengröße von 7½" und 12“ Hublänge verglichen bei einer Hubzahl der Duplexpumpe von 60 min-1 und jeweils 90% vol. Wirkungsgrad, so ergibt sich: 2 ⋅ (2 ⋅ 47,17 − 4,9)18 ⋅ 0,9 · 60 = 2,0 · 60 = 120 Hub/min VTriplex = 3 ⋅ 44,18 ⋅ 12 ⋅ 0,9 Hieraus wird ersichtlich, dass die Triplexpumpe mit doppelter Hubzahl gefahren werden muss, um die gleiche Fördermenge zu bringen wie die Duplexpumpe. Das ist auch der Grund, warum Triplexpumpen mit über 100 Hüben pro Minute, Duplexpumpen nur mit etwa 50 – 60 Hüben pro Minute gefahren werden.
7.2.6 Saugseitige Maßnahmen Da die Flüssigkeit in einem Pumpensystem ein sehr träge Masse darstellt, bedeutet das, dass zu Beginn eines Saughubes der Pumpe der Kolben schneller bewegt wird, als die zu verpumpende Flüssigkeit in der Lage ist, diesem zu folgen. Folge hiervon ist, dass sich zwischen Kolben und Flüssigkeit ein Spalt bildet. Hat der Kolben jedoch die Mittelstellung auf seinem Hub erreicht und beginnt die verzögerte Bewegung, so befindet sich die Flüssigkeit noch in der Beschleunigungsphase, so dass sie zunächst auf den Kolben aufschlägt und diesen dann verstärkt mit Druck beaufschlagt und eine Belastung auf das Kurbelsystem ausübt, wodurch es zu der in den vorstehenden Kapiteln beschriebenen Überkippung der Geschwindigkeitskurve
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des Kolbens kommt. Erst allmählich wird nun auch die Flüssigkeit abgebremst. Der zum Beschleunigen der Flüssigkeit erforderliche Druck auf der Saugseite des Systems wird auch als der Beschleunigungsdruck bezeichnet. Wie Tests gezeigt haben, ist er größer als der Reibungsdruckverlust, der zum Überwinden der Rohrreibung im Saugsystem erforderlich ist. Das Aufschlagen der Spülungsmasse auf den Kolben, also das Schließen des erwähnten Spaltes zwischen Kolben und Flüssigkeit, wird auch als Wasserschlag oder Klopfen der Pumpe bezeichnet. Wenn die Flüssigkeit durch den Kolben abrupt gestoppt wird, so setzt die Flüssigkeit Energie frei, die als Druckpuls registriert wird. Dieser Druck erreicht ein Vielfaches des normalen Flüssigkeitsdruckes und kann bis zu 60-mal so hoch liegen wie der Pumpendruck. Er ist abhängig von der Masse der Flüssigkeit, also der Dichte, der Aufprallgeschwindigkeit, also der Hubzahl, und dem Druck auf der Saugseite, mit dem die Flüssigkeit in den Pumpenzylinder gedrückt wird. Der Flüssigkeitsschlag wird als lauter, kurzer Schlag (Knall) vernommen, immer dann, wenn der Kolben kurz vor seiner Endstellung angekommen ist. Die Schalldauer liegt bei 1/10 bis 1/100 Sekunden. Wegen der Kürze dieser Druckspitze lässt sich der Flüssigkeitsschlag in der Regel nicht mit normalen Manometern erfassen. Hierzu sind Spezialgeräte erforderlich, wie sie bei entsprechenden Tests verwendet werden. Klopfen oder Flüssigkeitsschläge treten erst ab einer bestimmten Hubzahl bzw. Kolbengeschwindigkeit auf. Bei niedrigen Hubzahlen findet dieses Phänomen nicht statt. Je größer die Geschwindigkeit des Kolbens ist, desto größer ist auch der Unterdruck, der sich bei Beginn eines Saughubes im Zylinder bildet, und der letztendlich für einen Fließvorgang der Flüssigkeit verantwortlich ist. Dieser Unterdruck kann aber schnell dazu führen, dass bei der Spülung der Dampfpunkt erreicht wird, insbesondere dann, wenn die Spülung höhere Temperaturen hat. Der Reibungsdruckverlust im Saugleitungssystem kann mittels entsprechender Gleichungen berechnet werden, wobei für Krümmer, Bögen etc. jeweils die äquivalente Leitungslänge zu ermitteln und dann die Druckverluste zu berechnen sind. Generell sind diese Druckverluste jedoch relativ gering, so dass sie mit etwa 1 bar geschätzt werden können, ohne einen gravierenden Fehler zu machen. Werden die Druckverluste in den Ventilen der Pumpe und sonstige Drück ebenfalls mit etwa 1 bar angenommen, so ergeben sich Gesamtdruckverluste im Saugleitungssystem von etwa 2 bar. Wird der Tankfüllstand mit 2,5 m angenommen, so ergibt sich ein Vordruck von 1,17 bar, so dass sich eine Druckdifferenz von knapp 1 bar errechnet. Das bedeutet, dass die Spülung nicht ausreichend beschleunigt wird, es also zum Klopfen der Pumpe kommt, und dass die Gefahr der Dampfentlösung besteht. Um hier Abhilfe zu schaffen, ist der Vordruck im Saugleitungssystem zu erhöhen was, auf zwei Arten geschehen kann: • durch Verwendung eines Saugstoßdämpfers, • durch Einsatz einer Ladepumpe. in Saugleitungs-Stoßdämpfer verbessert auf jeden Fall die Pumpcharakteristik, jedoch nicht die Pumpenleistung, wie vielfach angenommen wird. Dadurch, dass durch den Stoßdämpfer die Pumpe jedoch effektiver arbeitet, wird die Pumpenleistung besser ausgenutzt und ein höherer Wirkungsgrad erzielt, so dass sich die Leistung „scheinbar“ verbessert. Auch kann bei Einsatz eines Stoßdämpfers die Hubzahl vergrößert werden, so dass die Pumpe letztendlich mehr Spülung pro Zeiteinheit verpumpt, ohne dass es zu den vorstehend erläuterten Problemen wie Klopfen, Dampfentlösung o. Ä. kommt. Als weitere Vorteile des Stoßdämpfers sind zu nennen, dass der Druck im Saugleitungssystem stabilisiert wird, und dass längere Saugleitungen mit geringerem Querschnitt verwendet werden
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können. Außerdem kann, falls erforderlich, Spülung auch aus tiefer gelegenen Spülungsgruben angesaugt werden, und es können schwerere Spülungen bei höheren Temperaturen verpumpt werden. Allerdings stellen Stoßdämpfer einen erhöhten Aufwand an Equipment dar, sind teuer, bedürfen der Wartung und sind ab bestimmten Hubzahlen der Pumpe nicht mehr wirkungsvoll, d. h. dass sie ein Klopfen dann nicht mehr verhindern.
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Abb. E-100b: Schematische Darstellung eines Saugleitungs-Stoßdämpfers [BgH] ap = Kolbenbeschleunigung Pd = Druck im Stoßdämpfer Pa = Atmosphärendruck vp = Kolbengeschwindigkeit L1 = Länge der Saugleitung zwischen PC = Druck im Pumpenzylinder Stoßdämpfe und Pumpenzylinder H1 = Spülungsspiegelhöhe im Saugtank Hd = Spülungsspiegelhöhe im Stoßdämpfer L2 = Länge der Saugleitung zwischen Stoßdämpfer und Saugtank
Es gibt verschiedene Typen von Stoßdämpfern. Die einfachste Art ist der stehende Stoßdämpfer, der selbst angefertigt werden kann. Daneben gibt es noch die fabrikmäßig hergestellten
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Stoßdämpfer, die sowohl in stehender Form, überwiegend jedoch in liegender Form gefertigt und eingesetzt werden. Abb. A-100b zeigt die schematische Anordnung eines Saugleitungs-Stoßdämpfers, hier erläutert an einem stehenden Modell. Der Stoßdämpfer besteht aus einem vertikalen Rohr, das oben geschlossen und mit einer Luftvorlage versehen ist. Diese steht unter dem Vordruck pd. Beginnt nun der Kolben der Pumpe seinen Saughub, so wird im Zylinder ein Unterdruck der Größe pc erzeugt. Auf den Spülungsspiegel im Saugtank wirkt der Atmosphärendruck pa. Durch den Unterdruck im Zylinder der Pumpe beginnt nun die Spülung in Richtung Pumpe zu fließen, wobei jedoch die Massenträgheit zunächst noch ein Verharren der Spülung im Ruhezustand bewirkt. Erst langsam setzt sich die Spülung in Bewegung, jedoch wesentlich langsamer, als der Kolben in der Pumpe. Nun tritt der Stoßdämpfer in Aktion. Dadurch, dass die Spülung im Stoßdämpfer unter einem Vordruck (Luftdruck) steht, wird zunächst die im Stoßdämpfer befindliche Spülung in den Zylinder gedrückt (Situation A). Nun beginnt die Spülung aus dem Tank zu fließen, so dass in der nächsten Phase (Situation B) sowohl Spülung aus dem Stoßdämpfer wie auch aus dem Tank in den Zylinder gelangt. Hat der Kolben seine Endstellung nach Beendigung des Saughubes erreicht, so ist die Spülung wegen der Massenträgheit noch immer in Bewegung. Nun wirkt der Stoßdämpfer als Puffer oder Stoßdämpfer im eigentlichen Sinn, weil nun die Spülung gegen den Luftdruck im Stoßdämpfer in diesen eindringt und die Bewegung somit zum Stillstand kommt, ohne dass der Kolben noch unter zusätzlichen, hydraulischen Druck gerät (Situation C).
Abb. E-101a: Stehender Saugleitungsstoßdämpfer mit Dämpfungswirkung [BgH]
Der Stoßdämpfer erfüllt also eine doppelte Funktion. Zu Beginn des Saughubes beschleunigt er die Spülung und verhindert somit das Klopfen, zum Ende des Saughubes wirkt er als Puffer für die strömende Spülung und verhindert somit eine zusätzliche Belastung des Kolbens und damit des Pumpengetriebes. Abb. E-101a zeigt einige stehende Ausführungen von Stoßdämpfern mit den zugehörigen Dämpfungsoszillogrammen. Kommerzielle Stoßdämpfer dieser Bauart haben einen Dämp-
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fungsgrad von im Mittel etwa 55%, wie aus Bild D ersichtlich wird. Ohne Stoßdämpfer ergibt sich der Druckstoß gemäß Bild E. Die Oszillogramme wurden mit 7½" x 14“ Duplexpumpe und einer Spülung der Dichte von 1,20 kg/I aufgenommen.
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Abb. E-101b: Wirth-Triplexpumpe Typ 2000 mit stehendem Stoßdämpfer [Wirth]
Schnell laufende Triplexpumpen benötigen in der Regel wirkungsvoller arbeitende Stoßdämpfer, wenngleich das Prinzip des Saugleitungsstoßdämpfers an der einfachen, stehenden Bauart am besten zu erläutern ist. Bewährt haben sich hier Stoßdämpfer, die mit einer Membran ausgestattet sind, so dass die Luftkammer mit einem, vom Spülungsdruck unabhängigen Luftdruck vorgespannt werden kann. Dadurch wird ein Luftübertritt in die Spülung bei höheren Luftdrücken vermieden. Diese Stoßdämpfer werden bevorzugt in liegender Bauart ausgeführt und auf dem Pumpenschlitten, unmittelbar vor dem Saugflansch der Pumpe montiert. Abb. E102 zeigt einen solchen Stoßdämpfer an einer Triplexpumpe:
Abb. E-102: Aufbau eines solchen Stoßdämpfers im Schnitt [BgH]
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Die effektivste Methode zur Überwindung von saugseitigen Pumpenproblemen ist jedoch der Einsatz einer Kreiselpumpe im Saugsystem, einer sog. Ladepumpe (supercharger oder charger), besonders bei schnell laufenden Triplexpumpen. Die besonderen Vorteile der Ladepumpe sind u.a.: • Eliminieren von Flüssigkeitsschlägen (Klopfen) • sanftere Operation der Pumpe • Verbesserung der Standzeiten der Pumpenlager • höhere Pumpenhubzahlen • Sicherstellen der kompletten Zylinderfüllung • Reduzieren von Problemen bei gashaltigen Spülungen • Vermeidung des Ansaugens von Luft Vielfach wird befürchtet, dass durch den Einsatz einer Ladepumpe die Wirtschaftlichkeit des Pumpsystems beeinträchtigt wird, weil die Ladepumpe zusätzliche Energie benötigt. Das ist jedoch nicht der Fall. Zwar erhöht die Ladepumpe nicht, wie ebenfalls vielfach fälschlicherweise angenommen, den Pumpenwirkungsgrad, jedoch kann die Pumpe mit höherer Hubzahl gefahren werden, was einer höheren Pumpenleistung entspricht. Alternativ hierzu müsste die Pumpe mit einem größeren Zylinder bestückt werden, was jedoch bekanntlich zu Lasten des Arbeitsdruckes der Pumpe geht. Außerdem bringt die Ladepumpe, wie vorstehend bereits aufgelistet, eine ganze Reihe von Vorteilen, die, insgesamt gesehen, die höheren Energiekosten für den Betrieb der Pumpe, bei weitem wieder gutmachen. Die Ladepumpe sollte am Beginn der Saugleitung aufgestellt werden und einen separaten Antrieb haben (losgelöst vom Antrieb der Kolbenpumpe), weil dieser den Arbeitsbedingungen der Ladepumpe besser angepasst werden kann. Hinzu kommt, dass die Ladepumpe immer dann besonders vorteilhaft zum Einsatz kommt, wenn der natürliche Pumpenvordruck niedriger ist als der Atmosphärendruck, weil dann die Spülung auf den notwendigen Vordruck gebracht werden muss. Wäre die Ladepumpe in diesem Fall in Pumpennähe platziert, so könnte sie nicht die gesamte Spülung im Saugsystem auf höheren Druck bringen, sondern nur die Spülung, die sich zwischen Ladepumpe und Kolbenpumpe befindet, was jedoch in den meisten Fällen nicht ausreichend ist. Die Spülung im Saugleitungssystem unterliegt dann denselben Trägheitsproblemen, als wenn keine Ladepumpe installiert wäre. Außerdem müsste in diesem Fall die Saugleitung einen größeren Durchmesser haben, um die Reibungs- und Trägheitsdruckverluste zu reduzieren. Bezüglich der Auslegung der Ladepumpe gibt es in der Regel keine besonderen Probleme, da der von dieser Pumpe aufzubringende Vordruck relativ gering ist. Letzterer setzt sich zusammen aus den Druckverlusten in den einzelnen Leitungsabschnitten zwischen Ladepumpe und Spülpumpe, denen in der Ladepumpe und denen im Pumpenmanifold der Spülpumpe. Die Druckverluste in den einzelnen Abschnitten lassen sich nach folgender Formel berechnen: [bar] Pb = 0,012256 · Ls · p · (DK / DS)2 · aK · af [m] Hierin sind: Ls = Länge der Saugleitung [kg/I] pm = Dichte der zu verpumpenden Spülung [inch] DK = Kolbendurchmesser [inch] Ds = Durchmesser der Saugleitung [m/s2] aK = Kolbenbeschleunigung af = Beschleunigungsfaktor der Spülpumpe [m/s2] Die Kolbenbeschleunigung aK ergibt sich zu: [m/s2] aK = 0,000139 . n2 · s
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Hierin sind: n = Pumpenhubzahl [min–1] s = Hublänge [inch] Der Beschleunigungsfaktor kann als Mittelwert mit 0,5670,für Triplex- und 0,9989 für doppelt wirkende Duplexpumpen angenommen werden, wobei ein Verhältnis von Länge der Pleuelstange zum Kurbelradius (connection rod length/crank radius) von 7,5 unterstellt wird. Ändert sich dieses Verhältnis, so müssen die exakten Werte entsprechenden Tabellen der Pumpenhersteller entnommen werden. Vorstehende Gleichungen entsprechen im Wesentlichen denen, die bereits bei den Stoßdämpfern besprochen wurden. Bei den entsprechenden Berechnungen mit den im Betrieb üblichen Leitungslängen zwischen 0,5 und 2,5 m, bezogen auf die einzelnen Abschnitte, und Leitungsdurchmessern von 6“ bis 12“ ergibt sich, dass die Ladepumpe in der Regel nur wenige bar (ca. 1 – 3 bar) an Druck erzeugen muss, da dieser Druck zusätzlich zum Atmosphärendruck und dem hydrostatischen Druck der Spülungssäule im Saugtank aufzubringen ist, um Reibungsdruckverluste und Massenträgheit der Spülung zu überwinden. Bezüglich der volumenmäßigen Auslegung der Ladepumpe ist zu sagen, dass deren Volumenstromrate der der Spülpumpe entsprechen muss. Vielfach wird auch die Frage gestellt, ob Ladepumpe und Stoßdämpfer im Saugleitungssystem sich gegenseitig ausschließen oder ergänzen. Zwar können Stoßdämpfer und Ladepumpen jeweils getrennt zum Einsatz kommen, jedoch ist eine Kombination immer dann, wenn mit schnell laufenden Triplexpumpen gearbeitet wird, was heutzutage generell der Fall ist, durchaus zu empfehlen. In einem solchen Fall sollte der Stoßdämpfer, in der Regel als liegende Bauart mit entsprechendem Vordruck beaufschlagt, unmittelbar vor der Spülpumpe installiert sein, während die Ladepumpe unmittelbar hinter dem Saugtank, also am Anfang der Saugleitung zu installieren ist. In einem solchen Fall würde die Ladepumpe einen konstanten Vordruck der Spülung liefern, während der Stoßdämpfer die durch die Kolbenpumpe bedingten Schwankungen ausgleicht. Durch diese Kombination wird es möglich, die Effektivität der Spülpumpe zu optimieren.
7.3.7 Druckseitige Maßnahmen Im vorstehenden Kapitel wurden Maßnahmen zur Vergleichmäßigung des Volumenstromes im Saugsystem erörtert. Betrachtet man jedoch die Kolbenbewegung einer Kolbenpumpe, wird deutlich, dass sich die durch die Kolbenbeschleunigungen und -verzögerungen hervorgerufenen Druck- und Volumenschwankungen auch auf der Druckseite auswirken müssen. Folge hiervon ist, dass es bei jedem Kolbenhub zu entsprechenden Druckstößen und Volumenstromschwankungen kommen muss, die sich negativ auf das Druckleitungssystem, insbesondere den Spülschlauch und den Bohrstrang, aber auch das Bohrloch selbst auswirken können und werden. Auch schlagen die Druckstöße von der Druckseite ebenso wie die von der Saugseite auf die Pumpe durch und beeinträchtigen Lager, Ventile etc. Aus diesem Grunde werden standardmäßig auch auf der Druckseite Druckstoßdämpfer installiert.
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E Abb. E-103: Liegender Druckstoßdämpfer [BgH]
Hierbei handelt es sich um Druckkessel, die unmittelbar am Beginn der Druckleitung installiert werden, sich also noch auf der Spülpumpe befinden. Die Arbeitsweise der Druckstoßdämpfer entspricht der der Saugstoßdämpfer. Die Spülung gelangt bei Überdruck im Leitungssystem in den Stoßdämpfer, wobei sich in diesem ein Druck aufbaut, und wird durch diesen Druck bei Unterdruck im Leitungssystem wieder in dieses zurück gedrückt. Um eine bessere Effektivität zu bekommen, besteht der Stoßdämpfer aus einem Zweikammersystem. Beide Kammern sind durch eine Membrane voneinander getrennt, die eine Vermischung der beiden unterschiedlichen Medien in den Kammern (Gas und Spülung) verhindert. In der einen Kammer befindet sich ein Inertgas, meistens Stickstoff, das unter einen bestimmten Vordruck gebracht wird. Tritt nun Spülung aus der Druckleitung in die zweite Kammer des Stoßdämpfers ein, so wird das Gas in der ersten Kammer komprimiert.
Abb. E-104: Druckstoßdämpfer auf einer TriplexSpülpumpe System Bentec
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7 Geräte der Spülungstechnik
Nimmt der Druck in der Druckleitung ab und fällt unter den Kompressionsdruck des Gases, so drückt das komprimierte Gas die Spülung zurück in die Leitung. In den meisten Fällen wird als Druckstoßdämpfer ein kugelförmiger Windkessel verwendet (z. B. Fabrikat HYDRIL), wie in Abb. E-103 u. 104 dargestellt. In dem Stahlgussgehäuse befindet sich eine Gummiblase, die mit Stickstoff gefüllt wird. Der Vordruck des Stickstoffs beträgt etwa ѿ bis des max. Pumpendruckes. Ein Manometer zeigt den Gasvordruck an. Normalerweise ist der Druckstoßdämpfer größer als der Saugstoßdämpfer, da er für höhere Drücke ausgelegt sein muss.
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7.3.8 Volumetrischer Wirkungsgrad Um eine optimale Bohrlochsohlenreinigung zu bekommen, muss eine bestimmte Volumenstromrate verpumpt werden. Dabei wird so vorgegangen, dass nach der Methode der maximalen hydraulischen Meißelleistung etwa Ҁ des Druckes des Spülstromes in den Meißeldüsen und ѿ im Zirkulationssystem als Reibungsdruckverluste verbraucht werden. Das bedeutet, dass die Volumenstromrate so zu wählen ist, dass bei einer angestrebten Ringraumaufstiegsgeschwindigkeit der Spülung und einer vorgegebenen Druckstufe der Pumpe, die bezüglich des Pumpendruckes eine Limitierung darstellt, sich nach vorstehenden Kriterien entsprechende Zirkulationsdruckverluste ergeben. Beträgt beispielsweise die zu realisierende Druckstufe der Pumpe 210 bar, so ist eine Volumenstromrate zu wählen, die im gesamten Zirkulationssystem Zirkulations- oder Reibungsdruckverluste von 70 bar ergibt, so dass 140 bar als Staudruck in den Meißeldüsen abgebaut werden können. Die Ringraumaufstiegsgeschwindigkeit der Spülung sollte dabei dem optimalen Wert für die entsprechende Bohrlochkonfiguration möglichst nahe kommen. Es ist nun wichtig, dass die berechnete Volumenstromrate auch von der Pumpe dargestellt wird, was jedoch, wenn man rein theoretisch vorgeht, auch nur theoretischen Charakter haben kann. Bringt z. B. eine Triplexpumpe der Dimensionen 5.1/2“ x 10“ (Kolbendurchmesser x Hublänge) pro Hub ein Volumen von 12,26 Litern, so ist das ein theoretischer Wert, der auf einem volumetrischen Wirkungsgrad von 100% basiert. In Wirklichkeit werden nur etwa 90% dieses Volumens pro Hub dargestellt, da mit Verlusten zu rechnen ist. Die so entstehenden Verluste werden als volumetrischer Wirkungsgrad bezeichnet. Das bedeutet, dass der volumetrische Wirkungsgrad einer Pumpe das Verhältnis von theoretisch verpumpbarem Volumen zu tatsächlich verdrängtem Volumen ist. Das theoretische Pumpvolumen ergibt sich aus dem Inhalt des Zylinders, der bei einem Hub verdrängt wird, wobei der Kolben ohne Last angenommen wird. Unter Druck wird der Kolbenhub jedoch etwas verkürzt, was zu einer Reduzierung des Verdrängungsvolumens führt. Das ist jedoch nur ein Faktor, der zu Verlusten führt, und der noch dazu nur sehr schwer zu ermitteln ist. Die wesentlichen Gründe für volumetrische Verluste sind: • Kompressibilität der Spülung Leckagen • Gasgehalt der Spülung • unvollständige Zylinderfüllung Die Kompressibilität von Spülung entspricht in etwa der von Wasser. Das bedeutet, dass das Volumen um etwa 0,3% pro 1000 psi (ca. 70 bar) Druck abnimmt, bei einer Temperatur von 66°C. Diese verhältnismäßig geringen Verluste können bei niedrigen Pumpendrücken durchaus vernachlässigt werden, spielen bei höheren Drücken, wie sie heutzutage in der Bohrtechnik zu realisieren sind, jedoch eine entscheidende Rolle. Allerdings wird das durch Kompression verloren gegangene Volumen im Zirkulationssystem wiedergewonnen, da die Spülung beim
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Aufsteigen im Ringraum der Bohrung wieder auf Atmosphärendruck expandiert, so dass sie ihr ursprüngliches Volumen wieder erhält. Leckagen treten, wie entsprechende Versuche gezeigt haben, weniger an den Kolben, als vielmehr an den Ventilen auf, wenn die Ventilsitze beschädigt sind, so dass die Ventile nicht mehr absolut schließen. Dadurch kann Spülung durch ein geschlossenes Ventil entweichen und entweder zurück in die Saugleitung (Saugventile) oder zurück in die Pumpe (Druckventile) fließen. Verschleißt die Zylinderbüchse der Pumpe, so kommt es zunächst sogar zu einem vergrößerten Volumenausstoß, da sich das Volumen des Zylinders leicht vergrößert. Beträgt z. B. der Verschleiß eines Zylinders mit 6“ Durchmesser nur 1/6, so erhöht sich sein Volumen um 2%, was scheinbar zu einem verbesserten volumetrischen Wirkungsgrad führt. Steigt jedoch der Verschleiß weiter an, so dass der Kolben nicht mehr abdichtet, so kommt es auch hier zu spürbaren Leckageverlusten. Von entscheidender Bedeutung für den volumetrischen Wirkungsgrad einer Spülpumpe ist jedoch der Gasgehalt der zu verpumpenden Spülung. Dabei ist zu unterscheiden, ob sich das Gas in Lösung befindet, oder frei in der Flüssigkeit als kleine Gasblasen eingeschlossen ist, wenngleich durch den reduzierten Druck auf der Saugseite der Pumpe gelöstes Gas zu freiem Gas werden kann. Freies Gas wird beim Druckhub komprimiert und verringert damit den Volumenausstoß der Pumpe. Enthält z. B. eine Spülung 15% Gas, so bedeutet das, dass auch 15% des Zylindervolumens aus Gas bestehen, und dass der volumetrische Wirkungsgrad um 15% reduziert wird. Dispergiertes Gas kann sich außerdem im Zylinder sammeln und dort wie ein Gaspolster ständig komprimiert und entspannt werden, was, im Extremfall, sogar dazu führen kann, dass die Förderrate der Pumpe gegen Null geht. Abhilfe wird hier in erster Linie durch den Einsatz entsprechender Gasabscheider gegeben. Aber auch die Verwendung von Ladepumpen am Beginn der Saugleitung schafft eine Verbesserung der Situation, weil durch diese Pumpe der Vordruck in der Spülung erhöht wird, so dass der Anteil des gelösten Gases reduziert wird. Gelöstes Gas bleibt länger in Lösung und wird dadurch weniger stark komprimiert. Wichtig ist auch, dass der Pumpzylinder immer optimal mit Spülung gefüllt wird, was u.a. durch saugseitig eingebaute Stoßdämpfer erreicht wird. Druckseitige Stoßdämpfer haben dagegen auf den volumetrischen Wirkungsgrad der Pumpe kaum Einfluss, wie auch Versuche mit und ohne diese Stoßdämpfer ergeben haben. Und schließlich spielt der Gesamtzustand der Pumpe noch eine ganz entscheidende Rolle. Werden verschlissene Teile nicht rechtzeitig ausgetauscht, so sind Leckageverluste nicht auszuschließen und der Wirkungsgrad der Pumpe nimmt schlagartig ab. Da der volumetrische Wirkungsgrad einer Pumpe von den Einsatzbedingungen und dem Wartungszustand der Pumpe abhängt, lässt sich hierfür keine Zahl irgendwelchen Tabellen entnehmen. Vielmehr muss die Pumpe diesbezüglich unter Feldbedingungen getestet werden. Das geschieht am einfachsten, indem die Pumpe so geschaltet wird, dass sie direkt vom Saugtank in einen anderen Tank pumpt, wobei dieser entweder leer, oder definiert gefüllt ist. Das bedeutet, dass der Inhalt des Tanks oder Tankspiegel genau ermittelt wurde. Dann wird die Pumpe gestartet und auf eine bestimmte Hubzahl gebracht. Da Hubzahl und Pumpendruck nur geringen Einfluss auf den volumetrischen Wirkungsgrad haben, brauchen diese Faktoren beim Test nicht weiter berücksichtigt zu werden. Durch eine feste Düse wird nun Spülung in den Messtank gepumpt, wobei die Pumpe im Mittel etwa 200 Hübe pumpen sollte, damit ausreichendes Volumen vorhanden ist, und damit die Pumpe auch auf nahezu Betriebsbedingungen gebracht werden kann.
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Der Tank sollte so stabil sein, dass er bei Füllung nicht ausbeult, damit das eingeleitete Volumen möglichst genau ermittelt werden kann. Das in den Tank verpumpte Volumen wird nun dem theoretischen Volumen, das entsprechenden Tabellen entnommen oder durch Berechnung ermittelt werden kann, gegenüber gestellt. Die Differenz ergibt dann den volumetrischen Wirkungsgrad der Pumpe unter Betriebsbedingungen. Volumetrische Wirkungsgrade von Duplexpumpen liegen i.a. niedriger als die von Triplexpumpen, da bei doppelt wirkenden Pumpe die Abdichtung der Kolbenstange nicht hundertprozentig erfolgen kann, und da man gerade an dieser Stelle gewisse Leckagen in Kauf nimmt, um den Verschleiß zu reduzieren und eine bestimmte Schmierung zu bekommen. Generell kann der volumetrische Wirkungsgrad im Bereich von 85 – 90% bei doppelt wirkenden Duplexpumpen und bei 90 – 94% bei einfach wirkenden Triplexpumpen angenommen werden.
7.3.9 Mechanischer Wirkungsgrad Der mechanische Wirkungsgrad einer Pumpe ist das Verhältnis von der Leistung, die der Pumpe zugeführt wird, zu der, die von der Pumpe erbracht wird. Letzteres wird auch als die hydraulische Leistung bezeichnet. Dieser Wert ist keinesfalls nur von theoretischer Bedeutung, da er Auskunft über die Wirtschaftlichkeit und damit schließlich über den Energieverbrauch der Pumpe liefert. Die zugeführte Energie ist die Energie, die der Motor an die Vorgelegewelle der Pumpe abgibt. Bei elektrischen Antrieben entspricht sie der Motor-Ausgangsleistung und ist somit relativ leicht zu ermitteln. Bei mechanischen Antrieben müssen von der Motorleistung noch Verluste durch Getriebe, Ketten oder Treibriemen abgerechnet werden. Diese Leistung wird teilweise im Getriebe der Pumpe, im Kreuzkopf und im Kolben zur Überwindung der Reibungsverluste verbraucht, und nur ein Teil der Energie wird auf die Spülung in Form von Druck bzw. hydraulischer Leistung übertragen. Letztere ist einfach zu ermitteln, da sie mittels folgender Gleichung zu berechnen ist: Phyd =
Pp ⋅ V 612
[kW]
Hierin sind: pp = Pumpendruck [bar] V = Volumenstromrate [I/min]
In Field Einheit wird pPp in psi und V in GPM eingesetzt. Der Quotient beträgt dann 714 und das Ergebnis errechnet sich in HHP. Beträgt also die Pumpeneingangsleistung 600 kW und liegt das geförderte Volumen bei 1500 1/min und hat einen Druck von 210 bar, so beträgt die hydraulische Leistung 515 kW. Im Vergleich zur Eingangsleistung von 600 kW gingen somit in der Pumpe 85 kW entsprechend 15% verloren, so dass der mechanische Wirkungsgrad der Pumpe 85% beträgt. Je höher der Pumpendruck ist, desto größer wird auch die Reibung im Getriebe der Pumpe, die in Wärme umgesetzt wird und auf das Öl im Getriebe übertragen wird. Dadurch wird der mechanische Wirkungsgrad der Pumpe entsprechend reduziert. Durch optimale Auslegung des Getriebes wird der Hersteller deshalb versuchen, auch bei Hochdruckpumpen einen möglichst hohen mechanischen Wirkungsgrad zu erzielen, da eine Steigerung des Wirkungsgrades den Energiekosten der Pumpe umgekehrt proportional ist und zudem die hydraulische Energie bzw. Leistung der Pumpe steigert, was angestrebt wird. Mechanische Wirkungsgrade moderner Pumpen liegen zwischen 85 und 90% und sind Herstellerangaben zu entnehmen. Dieser Wirkungsgrad lässt sich nur schwer im Betrieb ermitteln
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und ist im Wesentlichen auf konstruktive Dinge zurückzuführen, sofern sich die Mechanik der Pumpe in einem gut gewarteten Zustand befindet.
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Abb. E-105: Idealer Aufbau eines Pumpsystems [BgH]
7.3.10 Schlussbetrachtung Es ist anzustreben, sowohl im Saug- wie auch im Drucksystem der Pumpe eine möglichst gleichmäßige bzw. gleichförmige Fließgeschwindigkeit der Spülung zu erzielen, da nur dann ein optimales Arbeiten der Pumpe und des gesamten Zirkulationssystems zu erreichen ist. Dabei geht es nicht um eine mittlere Geschwindigkeit, sondern um eine ständige oder konstante Geschwindigkeit, die während des gesamten Pumpprozesses stattfindet. Erreicht wird das u.a. durch Stoßdämpfer sowohl auf der Saug- wie auch der Druckseite, sowie zusätzlich durch den Einsatz von Ladepumpen auf der Saugseite. Durch diese Maßnahmen kommt es zu einer Vergleichmäßigung des Volumenstromes und damit zu einer besseren Füllung des Zylinders und der Möglichkeit, höhere Hubzahlen der Pumpe zu realisieren. Alles das führt im Endeffekt dazu, dass die hydraulische Leistung der Pumpe um ca. 10 – 20% gesteigert werden kann, insbesondere durch die Steigerung der Pumpgeschwindigkeit. Eine Erhöhung von Pumpendruck und Volumenstromrate sind die Folge und resultieren letztendlich in nicht unerheblichen Einsparungen an Energie und Kosten.
8 Feststoffkontrolle 8.1 Allgemeines Gute Feststoffkontrolle ist der Schlüssel zum erfolgreichen Bohren, denn alle Feststoffe, die nicht in eine Spülung hinein gehören, um dort gewisse Aufgaben und Funktionen zu erfüllen,
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8 Feststoffkontrolle
müssen entfernt werden, um die Spülungseigenschaften nicht (negativ) zu beeinträchtigen. Schon seit vielen Jahren gilt für die Tiefbohrtechnik, dass die Hauptschwierigkeit bei der Entfernung von Feststoffen nicht auf dem technischen oder Gerätesektor liegt, sondern vor allem ein Problem der menschlichen, organisatorischen und operationellen Anwendung dieser Geräte ist. Gute Feststoffkontrolle hilft auf jeden Fall, bohrtechnische Schwierigkeiten zu vermeiden, Kosten zu sparen und den Deponiefaktor zu reduzieren. Zu den bohrtechnischen Schwierigkeiten zählt vor allem die Gefahr des Festwerdens des Bohrstranges durch Differenzdruck, aber auch die Bildung von Cuttingsbetten auf der Liegendseite des Bohrloches in der Horizontalbohrtechnik, wobei sich diese Cuttingsansammlungen beim Ziehen des Stranges zusammenschieben und den Strang blockieren. Kosten werden u.a. dadurch eingespart, dass unerwünschte Feststoffe abgeschieden werden, und dass die flüssige Phase der Spülung dem System erhalten bleibt und nicht ersetzt werden muss. Bei teueren Polymerspülungen kann das in ganz entscheidendem Maße zur Kostenreduzierung beitragen. Daraus resultiert natürlich auch, dass mit den Cuttings möglichst wenig Flüssigkeit abgeschieden wird, dass die Cuttings also möglichst trocken sind, was u.a. das Deponievolumen reduziert. In Zeiten knappen und teueren Deponieraumes ist auch dieses ein entscheidender Kostenfaktor.
8.2 Grundlagen der Feststoffkontrolle und Korngrößenverteilung 8.2.1 Allgemeine Grundlagen der Feststoffkontrolle Feststoffkontrolle ist die Technik, alle nicht in eine Spülung gehörenden Feststoffe aus dieser zu entfernen, also abzuscheiden. Das kann naturgemäß nicht mit einen einzigen Gerät erfolgen, weil die Feststoffe in unterschiedlichen Korngrößen vorliegen und Klassierungsgeräte nur dann optimal arbeiten können, wenn sie lediglich bestimmte Kornfraktionen abzuscheiden haben. Somit ist also die Notwendigkeit gegeben, eine Reihe von Abscheidegeräten einzusetzen, die so hintereinander geschaltet werden müssen, dass das vorhergehende Gerät immer die gröberen Fraktionen ausscheidet, um so das nachfolgende Gerät nicht zu überfordern. Würde beispielsweise ein feinmaschiges Sieb mit sehr groben und feinen Feststoffen beaufschlagt, so würden die groben Bestandteile die Maschen des Siebes blockieren oder verstopfen (blinding), indem sie sich in diesen verkanten und somit den Siebprozess in Frage stellen, da nun im Siebüberlauf ein großer Anteil an Feinfeststoffen zu finden wäre, der die Maschen hätte passieren müssen. Außerdem würden die groben Feststoffe zur Zerstörung des Siebgewebes führen. Daraus folgt, dass vor dieses Sieb ein grobmaschigeres Sieb geschaltet werden muss, das die groben Feststoffe absiebt. Es wird aber auch klar, dass der gesamte, zu siebende Feststoffstrom über das vorgeschaltete Sieb geführt werden muss und nicht nur ein Teilstrom, weil es sonst wiederum zu den geschilderten Problemen beim nachfolgenden Sieb kommen würde und müsste. Hieraus lassen sich folgende Grundforderungen für die Spülungsaufbereitung ableiten: 1. Jedes Feststoffkontrollgerät muss den gesamten Spülungsstrom bearbeiten und nicht nur einen Teilstrom (Ausnahme ist hier die Prozess-Zentrifuge). 2. Die Feststoffkontrollgeräte sind so aufeinander abzustimmen, dass die von ihnen abgeschiedenen Kornfraktionen hintereinander gereiht werden können. 3. Nicht korrekt arbeitende, falsch installierte oder defekte Feststoffkontrollgeräte beeinträchtigen die Effizienz der nachfolgenden Geräte und stellen damit den gesamten Aufbereitungsprozess in Frage.
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Um aber eine gut und effektiv arbeitende Feststoffabscheidung im übertägigen Spülungskreislauf zu installieren, muss man einige Grundlagen über die Feststoffe kennen, die abgeschieden werden sollen. Bezogen auf eine unbeschwerte Spülung bedeutet das, dass alle Feststoffe entfernt werden müssen, mit Ausnahme der bewusst zugesetzten Spülungstone (Bentonite). Der weitaus größte Anteil dieser Spülungstone liegt, sofern es ein guter API-Spülungston ist, in Kornfraktionen kleiner 2 μm vor und fällt somit in einen Korngrößenbereich, der ohnehin mit mechanisch arbeitenden Abscheidegeräten nicht entfernt werden kann, selbst nicht mit Zentrifugen. Wird trotzdem Bentonit abgeschieden, so handelt es sich um Tone gröberer Kornfraktionen, die den API-Spezifikationen nicht entsprechen, oder um vorher geflockten Bentonit, dessen Korngrößen vergrößert wurde. Bezogen auf beschwerte Spülungen bedeutet das, dass alle Feststoffe aus der Spülung entfernt werden müssen, deren Körnung größer etwa 74 μm (nach API [1] Grenzwert zwischen Silt und Sand) ist, weil nach API genormter Schwerspat (Baryt) im Korngrößenbereich zwischen etwa 5 bis 70 μ liegen sollte (nur 5% größer 44 μ), wobei der Hauptanteil Korngrößen um 10 bis 30 μm haben soll. Da eine Feststoffabscheidung im Korngrößenbereich unter 10 μm kaum möglich ist bedeutet das aber auch, dass Feinstfeststoffe, also Tone und feinste (zerschlagene) Schwerspatpartikel, nicht mehr abgeschieden werden können und sich somit in der Spülung anreichern.
8.2.2 Korngrößenverteilung Es stellt sich nun die Frage, in welchen Körnungen die erbohrten Feststoffe, also die Cuttings oder das Bohrklein, in der austragenden Spülung vorliegen. Das hängt im Wesentlichen ab von • der Art der Gesteinszerstörung durch das Bohrwerkzeug • der Art des zu erbohrenden Gesteins • der Drehzahl des Bohrwerkzeugs • dem Bohrfortschritt • der Spülungsdichte • der Bohrlochhydraulik.
Abb. E-106: Kornverteilungskurve für API-gemäßen Schwerspat
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Diese Regel gilt für alle aufgemahlenen Feststoffen, somit also auch für Schwerspat, Es zeigt sich, dass bei einer maximalen Korngröße von 88 kann mindestens 50% kleiner als 88/4 = 22 j.tm sein müssten, was sich als richtig herausstellt, da etwa 70% aller Kornfraktionen zwischen 0 und 22 μm liegen. • Art der Gesteinszerstörung durch das Bohrwerkzeug Die Art der Gesteinszerstörung durch das Bohrwerkzeug hat großen Einfluss auf die Kornfraktionierung des erbohrten Gesteins (Cuttings), da jedes Bohrwerkzeug eine andere Art der Gesteinsbearbeitung aufweist. Zahnrollenmeißel für weiche Formationen mit langen Zähnen arbeiten grabend und erzeugen somit große Cuttings aus kompaktem Material wie beispielsweise Ton. Wenn diese nicht auf dem Transport nach übertage zerfallen, kommen sie als grobstückiges Material in der Spülungsaufbereitung an und werden in der Regel von den Schüttelsieben abgeschieden. Hartformationsmeißel mit kurzen Zähnen erzeugen dagegen ebenso wie Warzenmeißel für härtere Formationen und Diamantmeißel, bestückt mit Naturdiamanten, je nach Art des erbohrten Gesteins, sehr kleine Cuttings, die sich im Bereich von Silt (< 74 μm) bewegen. Die Kornfraktionskurve dieser Cuttings ist mehr oder weniger deckungsgleich mit der des Schwerspats. Das bedeutet, dass bei solchen Bohrwerkzeugen und Formationen kaum Cuttings vom Schüttelsieb abgeschieden werden, und dass der überwiegende Teil der Cuttings den sich an das Sieb anschließenden Aufbereitungsgeräten zugeführt wird, es sei denn, dass die Siebe mit Feinsiebbelägen bestückt sind. Diamantbohrwerkzeuge mit Naturdiamanten arbeiten schleifend und erzeugen somit sehr feine Cuttings. Diamantbohrwerkzeuge mit PCDs erzeugen dagegen in der Regel sehr grobstückige Cuttings, da sie in weicheren Formationen spanabhebend arbeiten. Diese Cuttings können überwiegend von den Schüttelsieben abgeschieden werden. Der Einfluss des erbohrten Gesteins auf die Korngrößenverteilung hängt zunächst einmal von der natürlichen Körnung des Gesteins und von der Fähigkeit, sich mechanisch zerkleinern zu lassen, ab. Unter der natürlichen Körnung sind die Korngrößen zu verstehen, die bei der Sedimentation der Gesteinsbaustoffe bereits vorhanden waren, also bevor das Gestein erbohrt wurde, wie das bei Tonen und Sanden besonders deutlich wird. Natürliche Kornfraktionen befinden sich oft im Bereich unter 20 bis 30 ‚im, wobei vor allem Tone in kolloidalen Korngrößen unter 2 μm vorliegen. Künstliche Korngrößen werden dagegen durch die mechanische Zerkleinerung des Gesteins während des Bohrprozesses erzeugt. Während Gesteine mit ausgeprägter natürlicher Körnung bevorzugt in diese Kornfraktionen zerfallen, entstehen bei kompakten und homogenen Gesteinen wie Kalksteinen, Dolomiten oder Kristallinen wie auch stark zementierten Gesteinen bevorzugt künstliche Cuttings, deren Größe und Gestalt von der Art der Gesteinszerstörung und damit vom Bohrwerkzeug abhängen. Künstlich erzeugte Korngrößen liegen aufgrund der gebirgsspezifischen Eigenschaften generell nicht unter 20 bis 30 μm vor, wie entsprechende Untersuchungen gezeigt haben. Das ist damit zu begründen, dass für eine Zerkleinerungsarbeit in feinere Kornfraktionen extrem hohe Kräfte benötigt würden, die nicht zur Verfügung stehen.
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Abb. E-107: Korngrößenverteilung in einem unbeschwerten Spülungssystem beim Erbohren von spülungsbildenden Tonen
Der Einfluss eines erbohrten Gesteins mit ausgeprägter natürlicher Körnung auf die Größe der Cuttings geht aus Abb. E-107 hervor. Hier handelt es sich um Cuttings aus einem unbeschwerten Spülungssystem, bei dem der Zentrifugenüberlauf mit den kolloidalen Feststoffen dem Spülungssystem wieder zugesetzt wird. Das erbohrte Gestein ist von sehr kleiner Korngröße (Silt und Sand), durchsetzt von Tonlagen, und ergibt einen kolloidalen Feststoffanteil von über 60%. Das führt dazu, dass die (plastische) Viskosität der Spülung stark ansteigt und die Effektivität der Feststoffkontrollgeräte von Umlauf zu Umlauf schlechter wird, da Feststoffe kleiner 8 – 12 μm ohne chemische Zusätze von keinem Gerät mehr abgeschieden werden können. Die hier gezeigte Spülung dürfte kaum noch aufzubereiten sein was bedeutet, dass die gesamte Spülung ausgeschert und durch neue ersetzt werden muss. Eine gewisse Verzögerung bei der Feinstfeststoff-Anreicherung hätte eventuell erreicht werden können, wenn auf den Einsatz von Bentoniten beim Ansatz der Spülung verzichtet worden wäre, da die Toneinlagerungen in der durchteuften Formation etwa 35 bis 60% spülungsbildende Tone (Bentonite) enthielten. • Drehzahl und Bohrfortschritt Die Beeinflussung der Korngrößen der Cuttings durch Drehzahl und Bohrfortschritt lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Je langsamer die Drehzahl des Bohrwerkzeugs und je geringer der Bohrfortschritt pro Umdrehung des Bohrwerkzeugs, desto kleiner sind die dabei erzeugten Cuttings. Voraussetzung ist, dass sich das zu erbohrende Gestein und auch die Bohrlochhydraulik nicht ändern. Je größer der Bohrfortschritt ist, desto grobstückigere Cuttings werden anfallen, vorausgesetzt, sie werden durch eine ausreichende Bohrlochhydraulik zügig nach übertage transportiert. Das gilt jedoch nicht für einen Vergleich von Hart- und Weichformationen, da hier sehr unterschiedliche Gesteinszerstörungsmechanismen angewendet werden und die Drehzahl des Bohr-
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werkzeugs in Weichformationen einen größeren Einfluss auf den Bohrfortschritt hat als in Hartformationen. • Spülungsdichte und Bohrlochhydraulik Spülungsdichte und Bohrlochhydraulik beeinflussen die Korngrößen der Cuttings insofern, als sie die Bohrlochsohlenreinigung und die Austragsfähigkeit des Spülstromes regeln. Ein hoher hydrostatischer Überdruck auf Sohle, hervorgerufen durch die Dichte oder den Feststoffgehalt der Spülung, bewirkt, dass das erbohrte Gesteinsteilchen auf der Sohle zurück gehalten wird. Man spricht hier vom sog. „Chip-Hold-Down“ Effekt. Dadurch kommt es durch die nachfolgenden Schneidelemente des Bohrwerkzeugs zu einer Nachzerkleinerung, die ebenso störend ist wie die dadurch bewirkte Reduzierung des Bohrfortschritts. Die Bohrlochhydraulik in Verbindung mit einer guten Rheologie der Spülung sorgt schließlich dafür, dass es zu einem schnellen Abtransport des erbohrten Gesteinsteilchens von der Sohle und durch den Ringraum nach übertage kommt. Hat die Spülung die Eigenschaft, mit steigendem Schergefälle dünnflüssiger zu werden, hat sie also ein gutes „shear thinning“ (Strukturviskosität), so bewirkt sie eine gute Sohlenreinigung und vermag den Chip-Hold-Down Effekt (Bremseffekt) zu reduzieren. Gleichzeitig wird diese Spülung im Ringraum, bei niedrigen Strömungsgeschwindigkeiten (Schergefälle), eine gute Tragfähigkeit entwickeln, die, in Verbindung mit ausreichender Strömungsgeschwindigkeit, für einen guten Austrag der Cuttings sorgt und ein Absetzen und dadurch bedingtes Nachzerkleinern verhindern. Trotzdem ist ein Zerschlagen der Teilchen und damit eine Nachzerkleinerung im Ringraum, insbesondere bei engen Clearance-Verhältnissen, nicht auszuschließen, da die Teilchen mit den Strangelementen (Gestänge, Schwerstangen, Stabilizern) und mit der Bohrlochwand kollidieren und dabei zerkleinert werden. • Übertägige Beeinflussung Die Korngrößenverteilung der den Feststoffkontrollgeräten zugeführten Feststoffe ist aber nicht nur von den Untertageparametern, sondern auch von den Beanspruchungen, denen die Teilchen im übertägigen Zirkulationssystem unterliegen, abhängig. Ein ganz besonderer Zerkleinerungseffekt wird in den Kreiselpumpen verursacht, die Desandern und Desiltern vorgeschaltet sind. Das hängt mit der Arbeitsweise dieser Pumpen zusammen. Das mit Schaufeln besetzte Laufrad führt der mit Feststoffen beladenen Flüssigkeit kinetische Energie zu, die in der Leitvorrichtung des Gehäuses in Druckenergie umgesetzt wird. Das bedeutet, dass die Flüssigkeit in der Pumpe beschleunigt und durch das Schaufelsystem von Lauf- und Leitrad gepresst wird. Dabei wird auf Flüssigkeit und darin enthaltenen Feststoff hohe Energie aufgebracht, die dazu führt, dass die Feststoffteilchen zerkleinert werden. Einem weiteren Zerkleinerungseffekt unterliegen die Feststoffe beim Durchgang durch die Hydrozyklone. Hier wird im unteren Teil eine sehr hohe Schubspannung auf die Teilchen ausgeübt, die zur Zerkleinerung führt. Nachteilig ist, dass eine Zerkleinerung der Teilchen zu einer Verschiebung des Korngrößenmaximums zu immer kleineren Werten führt mit der Folge, dass die Abscheidung schwieriger wenn nicht gar unmöglich wird. Deshalb sollte der oberste Grundsatz der Feststoffkontrolle lauten, Feststoffe dann abzuscheiden, wenn sie die größtmögliche Korngröße haben, und das ist unmittelbar, nachdem sie aus dem Bohrloch austreten.
8.2.3 Kornverteilungskurven Um die Korngrößenverteilung besser verstehen zu können, werden Kornverteilungskurven aufgestellt. Dabei werden die einzelnen Kornfraktionsbereiche z. B. einer Spülung mittels
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entsprechender Geräte (z. B. Sedigraph oder andere) ermittelt und ihr prozentualer Anteil an der Gesamtmasse der Feststoffe bestimmt. Sodann werden die Gewichtsprozente kumuliert aufgetragen. Die Verbindungslinie durch die jeweiligen Endpunkte ergibt schließlich die Kornverteilungskurve, wie sie beispielhaft in Abb. E-107 dargestellt ist. Die Kornverteilungskurve gibt die Gewichtsprozente einer bestimmten Feststoffmenge an, die kleiner oder größer als ein äquivalenter Korndurchmesser ist. Hierzu einige Beispiele aus Abb. E-108: • 99% aller Feststoffe der Spülung sind kleiner 74 μm (Silt), nur 1% ist größer 74 im (Sand). • 20% aller Feststoffe der Spülung sind kleiner 3 μm, 80% sind größer 3 μ. 50% aller Feststoffe der Spülung sind kleiner, und 50% aller Feststoffe sind größer 10 μ0äm.
Abb. E-108: Kornverteilungskurve
Diese Kurve basiert auf folgenden Werten:
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Bezogen auf eine bestimmte Feststoffmenge (z. B. 100 kg Schwerspat) könnten aus der Kurve gemäß Abb. E-108 folgende Angaben gemacht werden: • 99% des Schwerspats oder 99 kg liegen in Korngrößen kleiner 74 μm vor, nur 1 kg ist größer. • 92% des Schwerspats oder 92 kg liegen in Korngrößen kleiner 40 μm vor. Also liegt der Anteil des Schwerspats mit Korngrößen zwischen 40 und 74 μm bei 7% oder 7 kg. Mit Hilfe der Kornverteilungskurven kann aber auch auf die Abscheidequalität eines Feststoffkontrollgerätes geschlossen werden. Alle Kornfraktionsanteile, die sich links der Kurve befinden, verbleiben in der Flüssigkeit (z. B. Siebunterlauf, Hydrozyklonüberlauf), während alle Kornfraktionsanteile rechts der Kurve ausgeschieden werden (z. B. Siebüberlauf, Hydrozyklonunterlauf). Gemäß Abb.E-108 ergibt das: • 92% aller Feststoffe größer 40 μm werden von dem Gerät abgeschieden, nur 8% verbleiben in der Spülung. • Nur 10% aller Feststoffe größer 1,5 μm werden von dem Gerät abgeschieden, 90% verbleiben in der Spülung. • Von den Feststoffen der Korngröße 10 μm wird die Hälfte abgeschieden, die andere Hälfte verbleibt in der Spülung. Eine wichtige Rolle zur Charakterisierung eines Feststoffkontrollgerätes spielt der 50%Schnittwert, besser bekannt unter der Bezeichnung 50%-„Cut Point“ oder D50-Wert. Der 50% Cut Point oder D50-Wert kennzeichnet die Korngröße, die sowohl im Unterlauf wie auch im Überlauf in gleichen Gewichtsprozenten vorliegt. In vorstehendem Beispiel, bezogen auf Abb. E-108, ist das die Korngröße von 10 μm.
Abb. E-109: Verschiedene Kurvenverläufe mit demselben D50-Wert
Wird nun aber nur der D50-Wert zur Charakterisierung eines Gerätes herangezogen, so ist die Aussagekraft, sofern der weitere Kurvenverlauf nicht bekannt ist, unzureichend, da durch den D50-Wert verschiedene Kurvenverläufe gelegt werden können, wie aus Abb. E-109 zu entnehmen ist. Um genauere Aussagen über die Aufbereitungscharakteristik und damit die Effizienz eines Gerätes zu bekommen ist es erforderlich, weitere Kurvenpunkte zu fixieren. In der Regel werden hierfür die D10- und D90-Werte herangezogen. Der D10-Wert gibt Auskunft über die Korngröße, die zu 10% im Unterlauf und zu 90% im Überlauf ist, während der D90-Wert das
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umgekehrte Verhältnis wiedergibt. Damit sind drei Werte auf der Kurve fixiert, so dass der Kurvenverlauf relativ genau dargestellt werden kann (Abb. E-109). Die vorstehend gemachten Aussagen lassen sich auch auf die Siebanalyse eines bestimmten Feststoffes wie Schwerspat oder Bentonit übertragen und geben Auskunft über die Kornverteilung in diesem Feststoff.
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Abb. E-110: Theoretische Abscheidekapazitäten von Feststoffkontrollgeräten
Die Cut Points und die Schärfe der Separation oder der Kurvenverlauf (die Steigung der Kurve) bestimmen schließlich, welche Kornfraktionen von einem Feststoffkontrollgerät aus der Spülung entfernt werden. Je steiler die Kurve verläuft, umso schärfer ist die Trennmöglichkeit. So werden beispielsweise von einem Sieb sehr scharfe Trennungen vorgenommen, wie Abb. E-110 zu entnehmen ist. Nur wenige feinere Feststoffe als der Maschenweite entsprechen verbleiben im Überlauf, und nur wenige gröbere Feststoffe als der Maschenweite entsprechen sind im Siebunterlauf zu finden. Die Trennschärfe ist somit sehr groß. Anders ist das bei den Hydrozyklonen, deren Trennkurven weitaus flacher verlaufen. Hier finden sich sowohl im Über- wie auch im Unterlauf viele Feststoffe mit Korngrößen, die eigentlich im jeweils anderen Strom sein müssten. Die Trennschärfe der Hydrozyklone ist somit denkbar schlecht. Zu begründen ist das damit, dass die Hydrozyklone nach dem Schwerkraft-Prinzip arbeiten, so dass eine exakte Trennung nach Kornfraktionen wegen der unterschiedlichen Massen gleich großer Partikel schon nicht möglich ist. Das wird deutlich, wenn man sich verdeutlicht, dass Teilchen unterschiedlicher Dichte gleiche Massen bzw. Gewichtskräfte haben, obwohl sie von unterschiedlichem Durchmesser oder Volumen sind. Da hier die Sinkgeschwindigkeit eines Teilchens in einer Flüssigkeit das entscheidende Kriterium ist, ergibt sich folgende Rechnung: VS =
d 2p (ρp − ρR ) 8μ
[m/s]
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8 Feststoffkontrolle
Für Teilchen unterschiedlicher Dichten (z. B. Schwerspat und Sedimentgestein) bedeutet das, dass ihre Sinkgeschwindigkeiten gleich gesetzt werden müssen, wenn sie in einem mittels Schwerkraft arbeitenden Abscheidegerät (z. B. Hydrozyklon, Zentrifuge) gleichzeitig ausgeschieden werden. Durch Gleichsetzen der Gleichungen für die Sinkgeschwindigkeit ergibt sich der äquivalente Teilchendurchmesser (der dieselbe Sinkgeschwindigkeit erzeugt wie beispielsweise ein Schwerspatteilchen eines bestimmten Durchmessers): dp =
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d s2 (ρp − ρFl ) (ρp − ρFl )
[m]
Hierin sind: ρFl Dichte der Flüssigkeit [kg/l]
ρs ρp μ dp ds
Dichte des Schwerspatteilchens [kg/dm3] Dichte des Gesteinspartikels [kg/dm3] Viskosität der Flüssigkeit [mPa.s] Durchmesser des Gesteinspartikels Durchmesser des Schwerspatteilchens [μm]
Beispiel: Welchen Durchmesser muss ein Gesteinspartikel haben, um dieselbe Gewichtskraft in Wasser zu erzeugen wie ein Schwerspatteilchen mit 40 μm Durchmesser? Gesteinsdichte ρp = 2,6 kg/dm3 Schwerspatdichte ρs = 4,3 kg/dm3 Dichte von Wasser ρFl = 1 kg/l
dp =
402 (4,3 − 1) = 57,44 μm (2,6 − 1)
Das bedeutet, dass sich ein Schwerspatteilchen von 40 μm Durchmesser ebenso schnell absetzt, wie ein Gesteinsteilchen vom 57 μm.
8.2.4 Ziel der Feststoffkontrolle Eine gute Feststoffkontrolle bewirkt, dass der Bohrprozess optimaler abläuft. Es ergeben sich dadurch folgende Verbesserungen: • verbesserter Bohrfortschritt • verringerte Spülungskosten • geringerer Flüssigkeitsverbrauch in der Spülung • verringerte Gefahr des Differential Pressure Sticking • geringere Ringraumdichte der Spülung (ECD) • verringertes Drehmoment beim Bohren und verringerte Gefahr des Ziehens mit erhöhter Zugbelastung beim Ausbauen des Stranges (overpull) niedrigerer Energieverbrauch bei den Pumpen • besserer Pumpenwirkungsgrad • verbesserte Bohrloch-Kaliberhaltigkeit • verringerte Zirkulationsdruckverluste • geringerer Ringraumdruck der Spülung (Abnahme der Gefahr des Fracens) • weniger Spülungsverluste • verbesserter Umweltschutz, da weniger Deponievolumen.
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297
8.3 Feststoffkontrolltechnik 8.3.1 Allgemeines Feststoffkontrolle bedeutet, dass der Gehalt an Feststoffen in einer Spülung auf einem notwendigen Mindestmaß gehalten wird, dass also alle überflüssigen Feststoffe aus der Spülung zu entfernen sind, ehe die Spülung wieder in die Bohrung eingepumpt wird. Das geschieht durch Anwendung von zwei grundsätzlichen Techniken: 1. der Siebtechnik 2. der Absetztechnik. Unter der Siebtechnik versteht man die Klassierung oder das Trennen von Partikeln nach der Größe auf Siebvorrichtungen. Im Falle der Spülungsaufbereitung geschieht das, indem die Spülung über ein in Schwingungen versetztes Siebgewebe (Schüttelsieb) geleitet wird. Die Öffnungen des Siebgewebes lassen die flüssige Phase der Spülung und die Partikel, die kleiner als die Siebmaschen-Öffnungen sind, passieren, während die größeren Partikel zurückgehalten werden. Diese Teilchen werden abgeschieden. Allerdings ist zu bedenken, dass dadurch, dass das zu siebende Gut nicht kugelförmig ist (Idealfall), und dass die Siebbespannung von Spülung benetzt wird, eine klare Trennung nach der Maschenweite nur bedingt gegeben ist. Unter der Absetztechnik versteht man das Absinken von Feststoffteilchen in Flüssigkeiten (oder Gasen) im Schwerefeld, also unter Schwerkrafteinwirkung. Das bedeutet, dass Teilchen gleicher Masse den gleichen Absetzungsbedingungen unterliegen, unabhängig von ihrer Größe (Durchmesser, Volumen). Lediglich bei Teilchen gleicher Dichte ist das Absetzen gleichzeitig eine Klassierung. In der Feststoffkontrolltechnik findet die Absetztechnik gewollt in Absetztanks (Sandfalle), Hydrozyklonen und Zentrifugen, ungewollt in jedem Tank (bzw. jeder Grube), durch den die Spülung fließt, statt. Das Absetzen unterliegt den Gesetzmäßigkeiten des Stoke'schen Gesetzes, wonach die Absetzgeschwindigkeit als Maß der Separation vom Durchmesser und der Dichtedifferenz zwischen Teilchen und Flüssigkeit, in der das Absetzen stattfindet, abhängt. Beim Absetzen in Flüssigkeiten wirkt die Viskosität der Flüssigkeit der Absetzgeschwindigkeit entgegen. Das Stoke'sche Gesetz lautet in seiner einfachsten Form für Teilchen mit idealer Kugelform und Flüssigkeiten gleichbleibender Viskosität (nicht dimensionsgerecht): VS =
d 2p (ρp − ρFl ⋅ g) 8μ
[m/s]
Hierin sind: ρFl ρp μ dp G
Dichte der Flüssigkeit Dichte des Gesteinspartikels Viskosität der Flüssigkeit Durchmesser des Gesteinspartikels Erdbeschleunigung
Sowohl in der Sieb-, wie auch in der Absetztechnik spielt der Durchmesser des abzusetzenden Feststoffteilchens eine entscheidende Rolle. Je größer dieser ist, desto eher kann das Teilchen abgesiebt oder abgesetzt werden, vorausgesetzt, die Dichte des Feststoffes bleibt konstant, wovon in der Feststoffkontrolltechnik im Bohrbetrieb vereinfachend ausgegangen werden kann, wenn lediglich die Cuttings betrachtet werden. Das bedeutet, dass die Feststoffe so schnell wie möglich aus der Spülung entfernt werden sollten, ehe sie einem Zerkleinerungsprozess unterliegen. Je größer der Teilchendurchmesser, desto leichter, besser und wirtschaftli-
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cher kann das Teilchen aus der Spülung entfernt werden, denn das Schüttelsieb, das der Abscheidung der groben Kornfraktionen dient, ist das einfachste und zu niedrigsten Kosten arbeitende Feststoffkontrollgerät im Spülungskreislauf.
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Abb. E-111: Zunahme der Oberfläche durch Teilung
Verbleibt ein Feststoffteilchen im Spülungsstrom, so erfolgt zwangsläufig eine Nachzerkleinerung in den Kreiselpumpen und Feststoffkontrollgeräten wie auch bei der Rezirkulation, sofern das Teilchen beim ersten Durchgang durch den Aufbereitungsprozess überhaupt nicht entfernt wird. Dabei entsteht aus einem Teilchen eine Vielzahl kleinerer Partikel mit stark zunehmender Oberfläche, an der naturgemäß sehr viel Flüssigkeit angelagert wird, was wiederum zur Eindickung der Spülung mit allen nachteiligen Konsequenzen führt. In Abb. E-111 werden Zerkleinerung und Oberflächenzunahme für einen Würfel mit 6 mm Kantenlänge verdeutlicht.
8.3.2 Geräte der Feststoffkontrolle Um 1930 wurden in der Bohrtechnik erstmals vibrierende Siebe installiert, die aus der Kohleaufbereitung übernommen wurden. Ziel dieser Siebe war es, die erbohrten Gesteinsteilchen abzuscheiden, während die damals schon zur Erhöhung der Dichte der Spülung zugegebenen Schwerspatpartikel in der Flüssigkeit verblieben. In den fünfziger Jahren wurden Desander (Hydrozyklone) erstmals zur Spülungsaufbereitung eingesetzt. Insbesondere die Desander ergaben gute Ergebnisse bei der Abscheidung von Feststoffen mit Korngrößen > 74 μm (Sand nach API, daher der Name Desander). Das führte dazu, dass 1962 erstmalig ein Hydrozyklon zum Abscheiden der Kornfraktionen < 74 μm (Silt nach API) eingesetzt wurde, der den Namen Desilter bekam. Dieses Gerät brachte derart gute Er-
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gebnisse in der Feststoffkontrolle (Verringerung von Pumpenverschleiß, erhöhter Bohrfortschritt, reduzierte Zirkulationsdruckverluste ...), dass der Desilter schon bald, wie der Desander, zur Standardausrüstung einer Spülungsaufbereitung gehörte. Da keine Normung der Hydrozyklonarten vorgenommen wurde, bezeichnet man alle Hydrozyklone mit einem Durchmesser größer 4“ als Desander, die kleineren als Desilter. Zentrifugen werden erst seit Ende der siebziger Jahre standardmäßig zur Feststoffkontrolle in der Tiefbohrtechnik eingesetzt und haben inzwischen einen festen Platz im Aufbereitungsequipment bekommen. Wie bereits einleitend festgestellt wurde, müssen die Feststoffkontroll- oder Feststoffabscheidegeräte aufeinander abgestimmt sein. Das heißt, dass die gröbsten Feststoffe vom ersten Gerät und die feinsten Feststoffe vom letzten Gerät einer Aufbereitungskette abgeschieden werden müssen. Alle dazwischen befindlichen Geräte müssen bestimmte, aufeinanderfolgende Kornfraktionen abzuscheiden in der Lage sein. Das bedeutet, dass eine gute Abstimmung bei der Auswahl der Geräte erfolgen muss, und dass der Spülungsstrom so zu leiten ist, dass er mit Sicherheit alle Geräte nacheinander passiert. Folgende Geräte werden in einer modernen Feststoffkontrolle hintereinander angeordnet: 1. Schüttelsieb 2. Sandfalle 3. Desander 4. Desilter 5. Zentrifugen.
8.3.3 Schüttelsiebe 8.3.3.1 Allgemeines Das Schüttelsieb ist das primäre Glied in der Kette von Feststoffkontrolleinrichtungen für Bohrspülungen („the first line of defense“), aber es ist selten das einzige Gerät der Feststoffkontrolle, zumindest im Tiefbohrbetrieb. Allerdings kommt dem Schüttelsieb eine Schlüsselrolle zu. Arbeitet das Gerät nicht oder nur ungenügend (z. B. wegen schadhafter Siebbeläge), wird es schwierig wenn nicht gar unmöglich für die nachfolgenden Geräte, exakt zu funktionieren. Obwohl das Schüttelsieb eine Abscheidung der groben Feststoffe zu relativ niedrigen Kosten ermöglicht, wurde diesem Gerät über lange Zeiträume sehr wenig Aufmerksamkeit geschenkt, so dass das Schüttelsieb bereits als eine abgeschlossene Entwicklung angesehen wurde, an dem Verbesserungen nicht mehr möglich und notwendig waren. Erst in den 1980er Jahren wurden Schritte zur Weiterentwicklung in die Wege geleitet. Diese gingen zum einen in die Richtung, die gröberen gegen feinere Siebbespannungen auszutauschen, um dadurch Kornfraktionen bis zu 100 μm (150 Mesh-Sieb) oder sogar bis zu 74 μm (200 Mesh-Sieb) abzuscheiden, zum andern in Richtung Verbesserung der Schwingtechnik. Beides hat dazu geführt, dass aus dem wenig beachteten Schüttelsieb inzwischen ein leistungsfähiges Feststoffkontrollgerät geworden ist, dessen Entwicklung sicherlich noch längst nicht abgeschlossen ist.
8.3.3.2 Siebkonstruktion und Siebtypen Schüttelsiebe bestehen aus einer rechteckigen Rahmenkonstruktion, in der der vibrierende Siebrahmen mit der Siebbespannung aufgehängt wird. Oberhalb der Schmalseite des Siebrah-
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mens befindet sich ein Spülungsverteiler (mud box, possum belly tank), der den aus dem Spülungsauslauf austretenden Spülungsstrom auffängt und mit Hilfe von Wehrblechen reguliert, gleichmäßig auf die Siebfläche leitet. Der Zulauf zu diesem Verteiler kann mittig oder seitlich angeordnet sein, entsprechend den Einsatzbedingungen des Siebes. Der Siebrahmen, in dem die Siebbespannung verspannt wird, wird mittels einer rotierenden Welle, an die beidseitig Vibratoren oder Exzentermassen angebracht sind, in kreisförmige oder lineare Schwingungen versetzt, um das Bohrgut besser über die Siebfläche zu transportieren. Der Siebrahmen ist, um die Vibratorbewegung durchführen zu können, auf Schraubenfedern oder Gummipuffern gelagert. Die Siebfläche selbst kann horizontal, abfallend (negativ) oder ansteigend (positiv) geneigt sein. Während Flüssigkeiten und Feinstfeststoffe, die kleiner sind als die Maschenweite, durch die Sieböffnungen hindurch strömen, werden die abzusiebenden Feststoffe durch die Siebvibration bis zur Abwurframpe am Siebende transportiert und von dort in die Schüttelsiebgrube oder einen Feststoffcontainer abgeworfen. Der Siebunterlauf wird im Grundrahmen gesammelt und in den Schüttelsiebtank, auf dem die Siebanlage montiert ist, abgeleitet. Für Reparaturzwecke oder zur Stilllegung einer Siebanlage (z. B. bei niedrigeren Zirkulationsraten), oder für den Fall, dass Verstopfungsmittel im Spülungsstrom zirkuliert werden müssen, kann das Wehr am Spülungsverteiler geschlossen werden, so dass der Spülungsstrom diese Anlage nicht durchläuft, also an diesem Sieb vorbei, entweder zur nächsten Siebanlage oder direkt in das Tanksystem geleitet wird. Abb. 9-7 zeigt schematisch den Aufbau eines Schüttelsiebes. Gebräuchlich sind drei verschiedene Typen von Schüttelsieben: 1. Eindeck Schüttelsiebe (single deck shale shaker) 2. Eindeck Schüttelsiebe mit mehreren, hintereinander geschalteten Siebrahmen (single deck shale shaker with multiple screens) 3. Doppeldeck Schüttelsiebe (double deck shale shaker).
Abb. E-112: Schematische Darstellung eines Schüttelsiebes [BgH]
In der Vergangenheit gehörten die meisten Schüttelsiebe zur ersten Gruppe. Sie waren mit relativ grobmaschigen Sieben (bis etwa 1978 war die praktische Untergrenze bei Sieben 80
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Mesh = 178 μm ausgerüstet, so dass nur die groben Feststoffteilchen abgesiebt werden konnten. Sand und Silt verblieben im Spülungsstrom, so dass die Effektivität dieser Siebe sehr gering war. Bei Eindeck Schüttelsieben kann der Schwingungserreger nicht im Massenschwerpunkt des Siebkastens angeordnet werden, so dass das Sieb Nickbewegungen um den Schwerpunkt durchführt (Kreisschwinger). Das führt zu einem Feststoffstau am Abwurfende, dem durch eine negative Neigung des Siebbelages entgegen gewirkt wird. Abb. E-112 zeigt eine schematische Darstellung der Eindecksiebe.
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Abb. E-113: Schematische Darstellung von Eindeck-Schüttelsieben
Die zweite Gruppe umfasst Eindecksiebe, bei denen mehrere Siebe (multiple screens) hintereinander angeordnet werden (Abb. E-114). Der Vorteil dieser Anordnung liegt in der Vergrößerung der Sieblänge, so dass größere Spülungsmengen behandelt werden können. Nachteilig ist der dadurch bedingte, erhöhte Platzbedarf gegenüber den einfachen Eindecksieben. Moderne Schüttelsiebe dieser Klasse sind heute im Neigungswinkel zwischen positiver und negativer Neigung zu verstellen, wodurch die Verweilzeit von Spülung und Feststoffen auf der Siebfläche gesteuert werden kann. Das wiederum beeinflusst die Abscheide-Effektivität. Die Trennschärfe dieser Siebe wird von der gröbsten Siebbespannung im Gerät vorgegeben. Deshalb ist es nicht sinnvoll, die verschiedenen Siebbeläge mit unterschiedlichen Maschenweiten zu versehen. Das beste Siebergebnis wird erzielt, wenn alle Siebbeläge die gleiche Maschenweite haben. Auch diese Siebe sind Kreisschwinger.
Abb. E-114: Schematische Darstellung von Eindeck Sieben mit hintereinander geschalteten Sieben
Die heutzutage am weitesten verbreiteten Siebkonstruktionen sind die Doppeldeck Siebe (Abb. E-115). Bei diesen Geräten sind die Siebe in Serie geschaltet, also untereinander angeordnet. Dabei befindet sich der grobmaschigere Siebbelag oben und der feinmaschigere unten. Die Spülung wird über den Spülungsverteiler zunächst auf das obere Sieb geleitet, wo die gröberen Feststoffteilchen abgeschieden werden. Der Siebunterlauf, bestehend aus der flüssigen Phase und den feineren Feststoffen, gelangt dann auf das untere Sieb, wo eine feinere Kornfraktion abgeschieden werden kann. Die Trenn-
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schärfe dieser Siebe wird durch die feinste Siebbespannung im Gerät gegeben, also durch das untere Sieb. Nachteilig bei dieser Konstruktion ist jedoch, dass eine Kontrolle des Untersiebes wegen der Unzugänglichkeit und der Dampfbildung der Spülung nur schwer oder überhaupt nicht möglich ist, und dass dadurch Schäden im Siebgewebe oftmals erst beim Wechseln der oberen Beläge bemerkt werden. Bei Doppeldeck Schüttelsieben ist der Unwuchtantrieb im Schwerpunkt des unbelasteten Siebkastens angeordnet. Durch zwei gegenläufig arbeitende Unwuchten wird erreicht, dass das Sieb eine lineare Bewegung schräg zur Siebfläche durchführt, so dass diese Siebe als Linearschwinger bezeichnet werden.
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Abb. E-115: Schematische Darstellung von DoppeldeckSieben
8.3.3.3 Siebbeläge Die Maschenweite bestimmt die Partikelgröße, die von einem Sieb abgesiebt werden kann, wenngleich bei einem Nasssiebprozess hier Einschränkungen zu machen sind. So bildet sich an den Siebmaschen ein Flüssigkeitsfilm, der den freien Durchgang beeinträchtigt (Abb. E116). Die Beeinträchtigung wird umso größer, je höher die Viskosität der flüssigen Phase und je feiner die Maschenweite ist. Das führt zwangsläufig zu einer Grenzwertsituation. Es führt aber auch dazu, dass sich im Siebüberlauf – besonders bei Feinsieben – Kornfraktionen finden, die kleiner sind als die Maschenweite, weil die Maschenöffnungen durch die anhaftende Flüssigkeit verengt werden, oder weil die Feinstfeststoffe an gröberen Partikeln anhaften durch Adhäsionskräfte (piggybacking). Die Maschenweite von Sieben für Schüttelsiebe wird in Mesh (US Screen Mesh) angegeben. Die Mesh-Zahl (mesh count) wird folgendermaßen definiert: MESH ist die Anzahl von Sieböffnungen pro Zoll in horizontaler und vertikaler Erstreckung des Siebgewebes, jeweils gerechnet von der Mitte eines Siebdrahtes aus.
Abb. E-116a: Verkleinerung der Sieböffnungen durch Spülungsbenetzung
Da die klassischen Schüttelsiebbeläge fast ausschließlich aus Siebgeweben mit quadratischen (square) oder rechteckigen (rectangular oder oblong) Öffnungen bestehen, kann aus der MeshZahl auch abgelesen werden, um welche Art von Siebgewebe es sich jeweils handelt:
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• 30 × 30 Mesh bedeutet, dass es sich um einen Siebbelag mit quadratischen Öffnungen handelt, und dass sich 30 Öffnungen pro Zoll in der x- wie auch in der y-Richtung befinden. • 70 × 30 Mesh bedeutet, dass es sich um einen Siebbelag mit rechteckigen Öffnungen handelt, und dass sich 70 Öffnungen pro Zoll in der x-Richtung und 30 Öffnungen pro Zoll in der y-Richtung befinden. Vereinfachend wird für quadratische Sieböffnungen auch nur eine Zahl mit einem „S“ (= square) angegeben (z. B. 30 S entspricht 30 × 30 Mesh). BRANDT kennzeichnet Siebe mit rechteckigen Öffnungen auch mit einem „B“ und einer Zahl (z. B. B 60 = 20 × 40 Mesh). Da nun aber bei gleicher Mesh-Zahl die effektive Größe der Sieböffnungen, bedingt durch unterschiedliche Drahtdicken verschieden sein kann, muss neben der Mesh-Zahl auch noch die Öffnungsweite angegeben werden, um ein Siebgewebe ausreichend zu definieren. Die Öffnungsweite wird in .μm (1 μm = 10–6 m = 10–3 mm) angegeben und berechnet sich wie folgt: 25, 4 − d [mm] D= n Hierin sind: D = Öffnungsweite [mm] d = Drahtdicke [mm] n = Mesh-Zahl [–]
Wie stark der Drahtdurchmesser die Öffnungsweite oder die gesamte offene Fläche eines Siebbelages beeinträchtigt, zeigt die nachstehende Tabelle, die sechs gängige SiebbelagSpezifikationen für ein 20 x 20 Mesh Sieb zeigt: Tab. 9-E Drahtdurchmesser [,mm] Öffnungsweite [mm] Offene Fläche [%]
extra heavy
heavy
medium
Market Grade
Mill Grade
Bolting Cloth
0,65 0,62 23,6
0,58 0,69 29,4
0,46 0,81 40,7
0,41 0,86 46,0
0,36 0,91 51,8
0,23 1,07 67,2
Die gesamte offene Fläche eines quadratischen Siebbelages ergibt sich aus der Gesamtfläche des Siebbelages minus der vom Drahtgewebe eingenommenen Fläche, bezogen auf die Gesamtfläche des Siebbelages (in %), gemäß nachstehender Gleichung: AS = (1 – 0,03954 · n · D) 2 · 100 [%] Hierin sind: n = Anzahl der Drähte pro Zoll = Mesh Zahl D = Drahtdurchmesser [mm]
Nach API werden neben der Mesh-Zahl die Öffnungsweite (in inch bzw. μm), die Öffnungsfläche (in Prozent) angegeben, so dass eine komplette Siebklassifizierung nach API wie folgt aussieht (Beispiel): 30 × 30 (541 × 541 / 40.8) 70 × 30 (178 × 660 / 40.3) Beim ersten Sieb handelt es sich ein Sieb mit quadratischen Öffnungen, 30 Öffnungen pro Zoll in jeder Richtung, einer Öffnungsweite von 541 × 541 μm und einer Öffnungsfläche von 40,8%. Der Drahtdurchmesser des Siebgewebes beträgt 0,012“ = 0,3048 mm. Dieser wird im API Code nicht direkt angegeben, sondern nur in den entsprechenden Tabellen.
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Beim zweiten Sieb handelt es sich um ein Sieb mit rechteckigen Öffnungen, 70 Öffnungen pro Zoll in der einen und 30 Öffnungen pro Zoll in der anderen Richtung, einer Öffnungsweite von 178 x 660 μm und einer Öffnungsfläche von 40,3%. Der Drahtdurchmesser des Siebgewebes beträgt 0,0075“ = 0,1905 mm. Tab. 9-E zeigt eine Zusammenstellung von gängigen einlagigen Siebgeweben für Schüttelsiebe nach API. Diese Spezifikation kann jedoch nur bei einlagigen Siebgeweben mit gleichem Drahtdurchmesser sowohl in der x- wie auch in der y-Richtung angewendet werden. Für mehrlagige Gewebe ist sie nicht zu gebrauchen. Die API-Klassifikation ist ein Versuch, Ordnung in das verwirrende System der Siebgewebebezeichnungen zu bringen, da jeder Hersteller seine eigenen Bezeichnungen mit teilweise irreführenden Bezeichnungen hat. So ist beispielsweise ein BRANDT B100 Sieb ein Sieb mit rechteckigen Öffnungen der Abmessungen 60 × 40 Mesh, oder ein BAROID 100 Sieb ein Sieb mit rechteckigen Öffnungen der Abmessungen 80 x 40 Mesh. Die Abkürzung MG steht für Market Grade (z. B. 100 MG steht für ein 100 × 100 Mesh Sieb, Market Grade). Tafel 29-E gibt einige Beispiele für herstellerbezogene Siebbezeichnungen. Siebgewebe mit quadratischen und rechteckigen Öffnungen sind in der Spülungsaufbereitung am häufigsten anzutreffen. Die meisten Siebbeläge mit quadratischen Öffnungen entsprechen dem Market Grade (MG) oder sind den entsprechenden Abmessungen sehr nahe. Das liegt im Wesentlichen daran, dass es sich gezeigt hat, dass dabei ein gutes Verhältnis zwischen Drahtdicke und offener Siebfläche besteht. Tafel 28-E: Gängige Schüttelsiebbeläge nach API MeshZahl 40 x 40 60 x 60 60 x 40
Drahtdurchmesser [inch] 0,010 0,0075 0,009
80 x 80 80 x 40
0,0055 0,007
120 x 120 150 x 150 200 x 200 250 x 250 325 x 325
Öffnung Inches m
offene Fläche [%] 36,0 30,5 31,1
API Code
40x40(381 x381, 36,0) 60x60 (234x234, 30,5) 60x40 (200x406, 31,1)
31,4 35,6
80x80 (178x178, 31,4) 80x40 (140x460, 35,6)
30,9
0,0037
0,015 0,0092 0,0077 / 0,016 0,007 0,0055 / 0,018 0,0046
381 234 200 / 406 178 140 / 460 117
0,0026
0,0041
105
37,4
0,0021
0,0029
74
33,6
120x120 (117x117, 30,9) 150x150 (105x105, 37,4) 200x200 (74x74, 33,5)
0,0016
0,0024
63
36,0
250x250 (63x63, 36,0)
0,0014
0,0017
44
30,0
325x325 (44x44, 30,0)
E Bohrplatzeinrichtung und Gerätetechnik
305
Tafel 29-E: Beispiele herstellerbezogener Siebbezeichnungen Siebtype MeshSize 30 x 30 60 x 60 20 x 40 80 x 80 60 x 40 80 x 40 120 x 120
BAROID
BRANDT
DERRICK
IMCO
TOTCO
SWACO
30x30
S30 S60 B60 S80 B100 8120
DX38
30 x 30 60 x 60
30 x 30 60 x 60
30 x 30 60 x 60
DX70
80 x 80 60 Oblong
80 x 80
80 x 80
80 x 40 120 x 120
120 x 120
DX110
Siebbeläge mit rechteckigen Öffnungen werden eingesetzt, um Probleme mit dem Zusetzen der Sieböffnungen (plugging) bei quadratischen Sieböffnungen durch solche Partikel zu vermeiden, deren Durchmesser der Öffnungsweite der Maschen fast entspricht (near-sized particles). Diese Teilchen lassen sich durch rechteckige Öffnungen problemlos absieben. Gleichzeitig wird die Gesamt-Öffnungsfläche gegenüber quadratischen Sieböffnungen vergrößert. Um einem Zusetzen der Sieböffnungen durch nahezu runde Partikel besser entgegen wirken zu können, wurden um 1980 mehrlagige Siebbeläge mit verschiedenen Drahtebenen entwickelt, die unter der Bezeichnung „layered screens“ bekannt sind. Dabei handelt es sich um einen oder zwei Feinsiebbeläge, bei denen Drähte unterschiedlicher Durchmesser verwoben sein können, mit quadratischen Öffnungen, die über ein etwas gröberes Siebgewebe gelegt werden. Beide Beläge werden unterstützt von einem sehr groben und schweren Siebgewebe, dem Stützgewebe. Klassier- und Stützgewebe können zusammen oder getrennt im Siebrahmen verspannt werden. Allerdings besteht bei getrennter Verspannung die Gefahr, dass es durch unterschiedliche Wärmeausdehnung der Gewebe im Betrieb zu Drahtbrüchen durch Überdehnung kommt. Diese Siebbeläge haben eine sehr hohe Trennschärfe und eine hohe spezifische Durchlässigkeit, die zwei bis drei Mal so groß ist wie die von normalen Sieben.
Abb. E-116b: Beispiele für Schüttelsiebbespannungen
Wie bereits einleitend festgestellt wurde, ist die Siebtechnik in der Feststoffkontrolle über lange Zeit nur wenig beachtet worden. Substanzielle Verbesserungen wurden erst im letzten Jahrzehnt vorgenommen. Und hierzu gehören neben der Verbesserung der Schwingungstechnik im Wesentlichen die Einführung von Feinsieben, also Sieben mit Mesh-Zahlen größer 80. So sind 100 Mesh Siebbeläge heutzutage schon vielfach standardmäßig zu finden. Diese Siebbeläge haben jedoch auch ihre Nachteile, ebenso wie die vorstehend besprochenen. Hierzu zählen beispielsweise Schwierigkeiten bei der Verspannung in den Siebrahmen oder Be-
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8 Feststoffkontrolle
schädigungen durch gröbere Feststoffe. Außerdem bedürfen solche Feinsiebe einer besonders sorgfältigen Handhabung und Wartung. Diese Schwierigkeiten sowie der erhöhte Siebverbrauch bei Feinsiebbespannungen der Schüttelsiebe führte schließlich zur Entwicklung eines neuen Siebbelages, der unter der Bezeichnung „bonded screens“ bekannt wurde. Dabei handelt es sich um einen oder mehrere Feinsiebbeläge, die mit einem Stützgewebe verbunden und in einem Rahmen befestigt werden. Sehr verbreitet sind heute die mit Metallplatten verklebten Klassiergewebe, die auch unter der Bezeichnung PWP (perforated wire plate) laufen. Ein erster Siebboden dieser Art wurde von der Firma DERRICK auf den Markt gebracht. Die Größe der Löcher oder Perforationen sowie deren Form (Quadrate, Rechtecke, Kreise) sind herstellerabhängig und führen dazu, dass die Sieboberfläche um etwa 25 bis 35% verringert wird. Das bedeutet, dass die Gesamt-Siebfläche entsprechend vergrößert werden muss, dass also ein größerer Platzbedarf für solche Siebe erforderlich ist. Da mit solchen Platten nur Feinsiebe verklebt werden, sind diese Siebtypen auf Mesh-Zahlen größer 70 beschränkt. Der große Vorteil dieser Siebe gegenüber normalen Siebgeweben ist, dass sie bei Beschädigungen leicht zu reparieren sind, indem die Parzelle in der Trägerplatte, über der das Siebgewebe beschädigt ist, mittels eines Kunststoff- oder Metallflickens (patch) temporär oder permanent verstopft wird. Die temporäre Reparatur erfolgt, indem der Reparaturstopfen – während des Betriebes, also ohne das Sieb zu wechseln – in die Plattenöffnung hinein gepresst wird, während bei der permanenten Reparatur ein Flicken verschraubt oder verklebt wird. Das Sieb kann anschließend weiter verwendet werden.
Abb. E-117: Pyramid Sieb von DERRICK
E Bohrplatzeinrichtung und Gerätetechnik
307
Wie entsprechende Untersuchungen ergeben haben, können bis zu 10 bis 15% der gesamten Sieboberfläche auf diese Weise verschlossen werden, ehe es zu einer merkbaren Beeinträchtigung des Siebprozesses kommt. Dadurch kann eine Vielzahl von Siebbelägen eingespart werden, so dass die erhöhten Kosten dieser Siebrahmen dadurch mit aufgefangen werden. Die neueste Entwicklung auf dem Gebiet der Siebbeläge sind Siebbeläge mit wellblechförmiger Sieboberfläche, wie beispielsweise die sog. Pyramid Siebe von DERRICK. Diese Siebbeläge vergrößern die Sieboberfläche um ca. 40% und die nutzbare Fläche (Screen Area Utilisation) um etwa 62%. Abb. E-117 zeigt das Schema des Pyramid Siebes. Zur Klassifizierung besonders der Siebe, die von den API-Spezifikationen nicht erfasst werden, hat HOBEROCK den Begriff der spezifischen Durchlässigkeit (conductance) eingeführt. Dabei wird die Durchlässigkeit des Siebgewebes (kilo darcy) auf die Dicke des Siebbelages (mm) bezogen, so dass sich für die spezifische Durchlässigkeit die Einheit kilo darcy/mm ergibt. Die Durchlässigkeit wird somit – in Anlehnung an die Durchlässigkeit eines porösen Körpers (Gestein) -unabhängig von der Konstruktion des Siebbelages, der Maschenweite, der Drahtdicke usw. bestimmt. Da die Durchlässigkeit gegen Flüssigkeit gemessen wird, steigt sie mit zunehmender Öffnungsfläche an (es geht mehr Flüssigkeit durch). Die Drähte des Siebgewebes setzen der Flüssigkeit jedoch einen Widerstand entgegen, der mit feiner werdenden Drähten abnimmt, was eine zunehmende Durchlässigkeit bewirkt. Da diese Berechnungen kompliziert sind, sind sie für den praktischen Gebrauch kaum geeignet. Für die Praxis sollte deshalb eine von HOBEROCK aufgestellte Faustformel zur Anwendung kommen, die besagt, dass eine ausreichende Durchlässigkeit des Siebbelages dann gegeben ist, wenn die Flüssigkeit (Bohrspülung) 3/4 der Siebfläche und das abgesiebte Bohrklein ohne Spülung 1/4 der Siebfläche bedeckt. Tafel 28-E: Eine Auswahl verschiedener von Durchlässigkeitswerten Siebgewebe MeshZahl 40 x 40 60 x 60 60 x 40 80 x 80 80 x 40 120 x 120 150 x 150 200 x 200 250 x 250 325 x 325 DX70 DX110 DX140 DX175 DX210 DX250
DrahtÖffnung Ø [inch] Inches μm 0,010 0,015 381 0,0075 0,0092 234 0,009 0,0077 / 0,016 200 / 406 0,0055 0,007 178 0,007 0,0055 / 0,018 140 / 460 0,0037 0,0046 117 0,0026 0,0041 105 0,0021 0,0029 74 0,0016 0,0024 63 0,0014 0,0017 44 Layered Screens
offene Fläche [%] 36,0 30,5 31,1 31,4 35,6 30,9 37,4 33,6 36,0 30,0
Durchlässigkeit [kD/mm] 7,45 3,65 4,43 2,91 4,53 1,89 2,11 1,32 1,19 0,65
39,1 37,9 37,0 37,3 38,4 36,9
8,21 5,30 4,28 3,11 2,82 2,18
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8 Feststoffkontrolle
Siebbeläge müssen eine gewisse Vorspannung haben, um die abzusiebenden Feststoffe von der Aufgabe zum Abwurf hin austragen zu können. Das geschieht dadurch, dass der Siebbelag quer zur Transportrichtung im Siebrahmen verspannt wird. Da die Spannweite relativ groß ist, sind die Siebbeläge entweder unterschlächtig (underslung method) oder oberschlächtig (overslung method) abgestützt (Abb. E-118). Die Siebbeläge müssen dabei so verspannt werden, dass die Massenkräfte nicht zum Abheben des Siebbelages von der Unterstützungskonstruktion führen. Das gilt besonders bei unterschlächtig verspannten Sieben, da bei diesen zu den Massenkräften noch Eigengewicht des Siebbelages und Gewicht des Siebgutes hinzu kommen. Ein Abheben des Siebes würde zum Flattern und damit zu schneller Zerstörung des Gewebes führen.
Abb. E-118: Ober- und unterschlächtige Siebverspannung
Es ist eine bekannt Tatsache, dass ein Draht (beispielsweise die Saite eines Streichinstrumentes), wenn er frei und geradlinig zwischen zwei Stützen verspannt werden soll, mit sehr hohen Spannkräften beaufschlagt werden muss. Um die aufzuwendenden Kräfte zu reduzieren, wird deshalb oftmals eine bogenförmige Verspannung gewählt, wobei der Draht über mehrere Auflager geleitet wird, die in Bogenform angeordnet sind. Das hat zusätzlich noch den Vorteil, dass die Zwischenlager nicht so genau ausgerichtet zu sein brauchen, wie das bei geradliniger Führung der Fall sein müsste, wenn der Draht jedes Lager gleichmäßig belasten sollte. Diese Erkenntnis macht man sich auch bei der Verspannung des Siebgewebes zunutze, indem man die Unterstützungen bogenförmig anordnet. Das führt zu einer besseren Auflage des Siebgewebes, verringert die Gefahr des Abhebens und damit des Flatterns, und reduziert die Spannkräfte, die – besonders bei Feinsieben – durch die Streckgrenzlast der Siebdrähte ohnehin eingeschränkt sind. Das gilt jedoch nur für die Siebbeläge, die direkt im Siebrahmen mit der Siebmaschine verspannt werden, also nicht für bondered screens, die bereits im Werk vorgespannt und fest mit dem Siebboden (Metallplatte oder Stützgewebe) verbunden und in einen Rahmen montiert werden, der nur noch in die Siebmaschine eingehängt zu werden braucht.
E Bohrplatzeinrichtung und Gerätetechnik
309
Bei der unterschlächtigen Abstützung wird ein Zusammenlaufen der Spülung in der Mitte des Siebgewebes durch die Abstützungsschienen vermieden, da diese über die gesamte Länge des Siebbelages angeordnet sind. Dadurch kommt es zu einer besseren Ausnutzung der Siebfläche. Nachteilig ist jedoch, dass es zu einem direkten Kontakt zwischen Siebgewebe und Abstützungselementen kommt, diese Kontaktflächen aber nur kraftschlüssig sind. Dadurch kommt es im Zuge der Schwingbewegung beim Sieben zu Reibung zwischen den Elementen und damit fläche eindringen und verschleißsteigernd wirken kann. Es ist deshalb notwendig, die Kontaktfläche zwischen Abstützungsschiene und Siebgewebe so zu gestalten, dass das Eindringen von Feststoffen in diesen Bereich weitestgehend unterbunden wird. Bewährt hat sich dabei eine wulstförmige Ausbildung des Gummibelages unter der Schiene, was eine breite Auflagefläche zwischen Siebgewebe und Schiene ergibt und das Unterwandern von Feststoffen erschwert. Bei der oberschlächtigen Abstützung liegt bei den Feinsieben das Stützgewebe und nicht das Klassiergewebe auf der Abstützung auf, so dass Beschädigungen der Siebdrähte des Klassiergewebes ausgeschlossen werden können. Da die Stützgewebe aus dickeren Drähten gewoben werden, ist der Verschleiß hier von untergeordneter Bedeutung. Das trifft auch für gröbere Siebgewebe zu, die ohne Stützgewebe hergestellt werden und somit direkt auf der Abstützung aufliegen. Um bei dieser Art der Abstützung den Verschleiß zu reduzieren, wird die Kontaktfläche im Allgemeinen sehr klein gehalten (siehe Abb. E-119). Nachteilig bei beiden Arten der Abstützung ist jedoch die Bildung von sogenannten Wasserwegen. Darunter versteht man, dass Spülung, entsprechend der Querneigung des Siebbelages, seitlich gegen die Abstützungsschiene oder in die Einfassung der Schiene gelangt und dort ungesiebt mit dem Feststoff zur Abwurframpe gelangt. Dieser Effekt wird umso größer, je größer die (negative) Siebneigung ist.
Abb. E-119: Gestaltung der Kontaktfläche zwischen Siebgewebe und Abstützung bei ober- und unterschlächtiger Abstützung
Ein weiteres Problem ergibt sich beim Einsatz von doppellagigen Sieben, also Sieben, die aus einem (feinen) Klassier- und einem (groben) Stützgewebe bestehen. Beide Gewebe werden, trotz unterschiedlicher Drahtstärken, gemeinsam verspannt. Dabei wird das feinere Klassiergewebe oftmals entweder überdehnt oder nicht straff genug gespannt. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Drähte von zerstörten Geweben häufig Abflachungen mit seitlicher Gratbildung aufweisen. Das bedeutet, dass während des Siebvorganges ein Abheben des Klassiergewebes und ein Aufprall auf das Stützgewebe mit hoher Energie erfolgt. Das führt zu einer Dehnung des Gewebes, die noch dadurch verstärkt wird, dass das Siebgewebe normalerweise unter Außentemperatur (im Mittel 10 – 20°C) verspannt wird, dass aber die Spülungstemperaturen oftmals – besonders bei tiefen Bohrungen – bis zu 70 – 80°C betragen, wenn die Spülung auf das Sieb geleitet wird. Die thermische Ausdehnung von Stütz- und Klassiergewebe erfolgt nun, in Abhängigkeit von der Drahtstärke, unterschiedlich, was zu
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8 Feststoffkontrolle
einer erhöhten Belastung der Gewebe und damit zu erhöhtem Verschleiß führt. Diese Erfahrung, sowie die Anwendung von dreifach gelagerten Siebbelägen, haben dazu geführt, eine neue Generation von Siebbelägen zu entwickeln, die bondered screens. Die vorstehen beschriebene Art der Verspannung trifft jedoch nur noch für einlagige Siebbeläge zu, wie sie heutzutage nur noch auf Kreisschwingern zu finden sind. Moderne Linearschwinger, die mit mehrlagigen Siebbelägen (layered screens) wie auch die PWP-Sieben bestückt sind, verwenden dagegen andere Verspanntechniken. Hier werden die verschiedenen Siebbeläge in der Regel fest verspannt in einem Rahmen hergestellt. Dieser Rahmen braucht dann nur noch in die Siebmaschine eingehängt und befestigt zu werden, so dass eine Verspannung der einzelnen Sieblagen (Klassiergewebe, Stützgewebe) entfällt. Viele SiebmaschinenHersteller haben hierfür Schnellverschlüsse entwickelt.
8.3.3.4 Siebbewegung Das Prinzip des Schüttelsiebes besteht darin, die abzuscheidenden Feststoffpartikel von der Aufgabeseite zur Abwurfseite zu transportieren, indem der Siebrahmen in Schwingbewegungen versetzt wird und so die Teilchen immer wieder von der Sieboberfläche hochschleudert und dabei in Sieblängsrichtung zum Abwurf hin befördert. Diese Wurfbewegung sorgt zum einen für den Transport des Teilchens von der Aufgabe- zur Abwurfseite, zum andern wird dadurch das Teilchen von der anhaftenden Flüssigkeit befreit, da diese durch die Wurfbewegung abgestreift wird. Je stärker somit die Wurfbewegung ist, desto größer ist auch der Abstreifeffekt für die Flüssigkeit und damit der Trocknungseffekt für das Teilchen. Für den Siebrahmen ergibt das eine recht komplexe, zusammengesetzte Bewegung in vertikaler, horizontaler und schräger Richtung. Diese Bewegung wird von Vibratoren erzeugt, die im wesentlichen aus Exzentern bestehen, die von einem Motor in Rotation versetzt werden, wobei das Exzentergewicht um eine Achse rotiert und dabei Massenkräfte verursacht, die von der Rotationsachse weg führen. Die gesamte Einheit (Rotationsachse und Exzenter) ist am Siebrahmen befestigt. Da das Exzentergewicht auf einer Kreisbahn bewegt wird, wirken die Fliehkräfte in jedem Moment in eine andere Richtung. Geht die Wirkung der Fliehkräfte nach oben, so wird der Rahmen mitgerissen, wobei diese Bewegung von den Gummipuffern oder Spiralfedern, mit denen der Siebrahmen mit dem Grundrahmen der Siebmaschine verbunden ist, begrenzt wird. Geht die Wirkung der Fliehkräfte nach unten, so wird der Siebrahmen in die Puffer- oder Federelemente hinein gedrückt. Jede seitlich gerichtete Bewegung der Exzentergewichte verursacht Schrägkräfte, so dass der Siebrahmen letztendlich eine mehr oder weniger ausgeprägte Kreisbewegung durchführt. Siebe, die nach diesem Prinzip arbeiten, werden als Kreisschwinger bezeichnet. Dabei ist allerdings noch zu unterscheiden zwischen einer echten kreisförmigen Bewegung und einer elliptischen Bewegung, wobei die Art der Bewegung von der Anordnung des Exzenters abhängt. Hinzu kommt eine dritte Bewegungsart, das ist die Linearbewegung, die schräg zur Sieboberfläche zur Abwurframpe hin gerichtet ist (Linearschwinger), und die durch zwei gegenläufig arbeitende Exzentergewichte erzeugt wird. Die Berechnung der Siebbewegungen bei verschiedenen Exzenteranordnungen ist zwar möglich und für die optimale Auslegung von Schüttelsieben auch unumgänglich, allerdings handelt es sich dabei um eine sehr komplexe Berechnung, die heute mittels entsprechender Computerprogramme durchgeführt wird. Für den Bohrtechniker sind solche Berechnungen von untergeordneter Bedeutung, da sie in das Ressort der Konstrukteure von Siebmaschinen fallen. Deshalb soll hier nur nicht weiter darauf eingegangen werden. größenordnungsmäßig auf die Ergebnisse solcher Berechnungen eingegangen werden.
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Abb. E-120: Schüttelsiebanlage, hier am Beispiel der Anlage System [DERRICK] FLC 503
8.3 3.5 Siebauswahl Schüttelsiebe haben Leistungs- und Durchsatzgrenzen. Werden diese Grenzen überschritten, so wird der Aufbereitungsprozess der Spülung empfindlich gestört oder sogar ganz in Frage gestellt. Deshalb ist es wichtig, diese Grenzen zu kennen und einzuhalten. Man unterscheidet im Wesentlichen zwei Kapazitätsgrenzen, die Kapazitätsgrenze gegenüber den Feststoffen und die gegenüber der flüssigen Phase. Die Feststoffgrenze gibt an, welche Menge an Feststoffen ein Sieb in der Zeiteinheit abscheiden kann, während die Flüssigkeitsgrenze ein Maß dafür ist, welches Flüssigkeitsvolumen in der Zeiteinheit (Volumenstromrate) über das Sieb geleitet werden kann, ohne dass die Flüssigkeit über die Abwurframpe in die Schüttelsiebgrube abfließt. Hier spielt die Viskosität der Spülung eine entscheidende Rolle. Je höher die (plastische) Viskosität einer Spülung ist, desto geringer ist das Volumen, das pro Zeiteinheit über ein Sieb geleitet werden kann, wobei von konstanter Maschenweite ausgegangen wird, die neben der Neigung des Siebes ein weiteres Kriterium für die Kapazität eines Siebes ist. Die Flüssigkeitsgrenze bestimmt die minimale Öffnungsweite der Siebmaschen und damit die Mesh-Zahl für eine gegebene Volumenstromrate. Die Feststoffgrenze wird im Allgemeinen nur beim Bohren in sehr weichen und tonigen Formationen (Tonschiefer, gumbo) mit hohen Bohrfortschritten und damit sehr großem Cuttingsanfall erreicht. Während des Betriebes lassen sich die Kapazitätsgrenzen recht gut erkennen und (bedingt) auch einhalten, wenngleich dabei die Optimierung des Aufbereitungsprozesses fraglich wird. Ist das, bei konstanter Siebneigung, der Fall, so wurde für diesen Betriebszustand der Siebbelag mit der kleinstmöglichen Maschenweite ausgewählt (Abb. E-121, Mitte). Wird weniger Siebfläche von der Spülung bedeckt, so ist der Siebbelag zu grobmaschig, die Spülung passiert das Sieb zu früh, und die Trennschärfe liegt zu hoch, die feineren Kornfraktionen werden also nicht abgesiebt, obwohl das bei der gefahrenen Volumenstromrate und den gegebenen rheolo-
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8 Feststoffkontrolle
gischen Daten der Spülung durchaus möglich wäre (Abb. E-121, links). Werden mehr als etwa 75% (maximal 80%) der Siebfläche von der Spülung bedeckt, so ist der Siebbelag zu feinmaschig und es besteht die Gefahr, dass Spülung (flüssige Phase) über die Abwurframpe in die Schüttelsiebgrube abfließt (Abb. E-121, rechts). Eine optimale Bedeckung des Siebbelages mit Spülung wirkt auch der Siebverstopfung entgegen, da die Spülung an den Siebdrähten nicht austrocknen (gelieren) und damit die Öffnungen zusetzen kann.
E Abb. E-121: Optimale Benetzung der Sieboberfläche mit Spülung
Zeigt sich während des Betriebes, dass die Bedeckung der Sieboberfläche mit Spülung nicht optimal ist, so sollte der Siebbelag schnellstmöglich den Betriebsbedingungen angepasst werden. Das bedeutet jedoch, dass ein Siebwechsel vorgenommen werden muss, also Stillsetzen einer Siebeinheit oder Unterbrechung der Bohrarbeiten. Ist das nicht möglich, so kann eine gewisse Korrektur durch Veränderung der Siebneigung vorgenommen werden, sofern die Siebmaschine das gestattet. Eine Vergrößerung der negativen Siebneigung (in Richtung Abwurfende) bewirkt zwar, dass die Spülung mehr Siebfläche berührt, obwohl dadurch das Siebergebnis nicht verbessert wird, weil durch die Neigung die effektive Siebfläche verkleinert wird. Der Vorteil der negativen Neigung ist nur darin zu sehen, dass einem Feststoffstau und der damit verbundenen Gefahr des Zusetzens der Sieböffnungen (plugging, blinding) entgegen gewirkt werden kann, weil der Feststoff, durch die Schwerkraft unterstützt, schneller auf der Siebfläche zur Abwurframpe gleitet. Eine negative Siebneigung bis zu 15° wird verschiedentlich beim Durchteufen von zähen, klebrigen Tonen (gumbo) bei großen Lochdurchmessern (17.1/2“, 23“) notwendig. Eine positive Neigung (bis zu 3°) bewirkt dagegen, dass die Feststoffteilchen länger auf der Siebfläche verweilen und dabei über einen längeren Zeitraum hinweg die Möglichkeit haben, die an ihnen anhaftende Flüssigkeit abzuschleudern. Das Ergebnis sind trockenere Cuttings am Abwurf. Diese positive Siebneigung wird bei modernen Schüttelsieben ohnehin angestrebt. Schließlich ist es noch möglich, die Volumenstromrate der Spülung zu reduzieren, wenn beispielsweise bei der gefahrenen Spülungsrate eine zu große Siebfläche von Spülung bedeckt wird, oder den Bohrfortschritt zu reduzieren, wenn es zu einem Feststoffstau auf dem Sieb kommt. Beide Maßnahmen greifen jedoch gravierend in den Ablauf des Bohrprozesses ein (Bohrlochhydraulik, Bohrlochsohlenreinigung, Austragsfähigkeit der Spülung, Wirtschaftlichkeit des Bohrens u.a.) und können deshalb nur als vorübergehende Maßnahmen angesehen werden, um noch größere Nachteile im Aufbereitungsbereich kurzfristig abzuwenden. Allerdings ist die Reduzierung des Bohrfortschritts oft die einzige Möglichkeit, um mit zähen Tonen (gumbo) in der Spülungsaufbereitung fertig zu werden. Um eine nachträgliche Anpassung der Siebbeläge an die Betriebsbedingungen mit den hierfür erforderlichen Betriebseinschränkungen (Stilllegung von Siebmaschinen, Unterbrechung der Bohrarbeiten) zu vermeiden, sollte eine Optimierung der Siebe bereits vor Bohrbeginn eines Bohrlochabschnitts vorgenommen werden. Das ist jedoch nicht immer möglich, da es bisher kein verständliches, einfaches Rechenmodell gibt, um die minimal zulässige Maschenweite
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eines Siebes für bestimmte Spülungsraten, Spülungsviskositäten und Feststoffgehalte zu ermitteln.
8.3.3.6 Empfehlungen für den Betrieb von Schüttelsieben Unabhängig von Fabrikat und Typ des Schüttelsiebes sollten folgende Grundregeln beim Betrieb der Siebmaschinen beachtet werden: 1. Die Siebmaschine ist so horizontal wie möglich zu installieren. Bei schräg stehenden Maschinen wird die Durchsatzkapazität reduziert. 2. Spannungen und Frequenzen der Elektrizitätsversorgung zum Betrieb der Elektromotoren müssen den Herstellerangaben entsprechen. Zu niedrige Frequenzen führen zur Reduzierung der Exzenterdrehfrequenz und reduzieren damit die Durchsatzkapazität. Hierauf ist insbesondere bei Eigenstromversorgung (Generator) zu achten. 3. Die vorgegebene Drehrichtung der Exzenter (Vibrator) ist unbedingt einzuhalten, weil sich bei falscher Drehrichtung der Feststofftransport umkehrt. In der Draufsicht muss sich die Exzenterwelle in Abwurfrichtung des Bohrkleins drehen. 4. Die Siebbeläge sind sorgfältig zu verspannen. Bei unzureichender Spannung reduziert sich die Lebensdauer der Beläge bis auf wenige Stunden. 5. Die Spannschlösser müssen deshalb bis zum vorgeschriebenen Drehmoment verschraubt werden, wobei die gesamte Spannvorrichtung regelmäßig zu warten (säubern und ölen) ist, damit eine exakte Drehmomentenmessung gewährleistet ist. Eine tägliche Überprüfung der Siebspannung wird empfohlen. Eine tägliche Wartung wird auch für den Siebantrieb (Vibrator) empfohlen. 6. Die Öffnungsweite der Siebbeläge ist so klein wie möglich zu wählen, um möglichst viele Feststoffe aus der Spülung abzusieben und die nachfolgenden Aufbereitungsgeräte nicht zu überlasten. Dabei ist zu bedenken, dass feinere Siebe größere Gesamtsiebflächen erfordern. Als Faustregel für den Betrieb gilt, dass etwa 75% des Siebbelages mit Spülung bedeckt sind. Bei Siebmaschinen mit mehreren Decks sind die vom Hersteller empfohlenen SiebbelagKombinationen zu verwenden. Als Faustregel gilt, dass die Maschenweite für den oberen Belag um ein bis zwei Größen über der des unteren Belages liegen sollte. Bei Siebmaschinen mit geteilten Decks sind auf allen Decks Beläge gleicher Maschenweite zu installieren. 7. An der Siebanlage ist ein Wasseranschluss zu installieren, damit die Siebbeläge vor Beginn des Roundtrips nach Abschalten der Spülpumpen kurz mit Wasser gesäubert werden können, um ein Verkleben und Verstopfen der Sieböffnungen durch antrocknende Spülung sowie Korrosion (wichtig bei Einsatz aggressiver Spülungen) zu vermeiden. 8. Auf den Siebmaschinen installierte Wasser-Sprührohre sind nur sporadisch und nur bei unbedingtem Bedarf (z. B. beim Absieben von klebrigen Tonen) zu betreiben, da ansonsten die Spülung zu stark verwässert wird. 9. Sofern nicht Verstopfungsmittel im Spülungssystem zirkuliert werden muss, darf die Spülung nicht über den Bypass an den Sieben vorbei gefahren werden. Ausnahme ist, dass einzelne Siebe zur Aufbereitung der Spülung nicht benötigt werden, weil beispielsweise die Zirkulationsrate reduziert wurde (kleinerer Bohrlochdurchmesser in größeren Teufen). Aber auch in einem solchen Fall ist der gesamte Volumenstrom über Schüttelsiebe zu fahren. Beim Bypassing füllt sich die Sandfalle unter dem Schüttelsieb schnell an, und es gelangen gröbere Feststoffteilchen in die nachgeschalteten Aufbereitungsgeräte (Hydrozyklone, Zentrifuge), wodurch deren Effizienz stark beeinträchtigt wird. Es kann sogar zum Verstopfen dieser Geräte kommen.
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10. Spülung aus Depots oder von anderen Bohrstellen ist stets über die Schüttelsiebanlage dem Umlaufsystem zuzusetzen, damit keine gröberen Bestandteile in den aufbereiteten Spülstrom gelangen. 11. Die Siebbeläge sind regelmäßig auf Schäden zu untersuchen. Defekte Siebbeläge sind umgehend auszutauschen oder zu reparieren (bonded screens). Die Siebbeläge dürfen niemals mit harten Werkzeugen berührt werden (z. B. Abkratzen von Feststoffen mit Kratzern oder Schaufeln). 12. Bei positiver Siebneigung sollten 3° nicht überschritten werden. 13. Schüttelsieb dürfen niemals trocken gefahren werden. Sie sind stets abzuschalten, wenn der Spülungsstrom für längere Zeit (Roundtrip) unterbrochen wird. 14. Schüttelsieb sollten beim Strangeinbau in Betrieb genommen werden, um die mit der verdrängten Spülung austretenden Cuttings abzuscheiden. 15. Nach NEIDHARDT sollten auf Tiefbohranlagen mindestens drei Siebmaschinen (eine Triple Unit oder drei Single Units) installiert sein, da beim Bohren der oberflächennahen Löcher (top holes) mit großem Durchmesser mit hohen Zirkulationsraten gearbeitet werden muss, um ausreichende Bohrlochhydraulik zu bekommen, und da wegen des relativ hohen Bohrfortschritts eine große Menge an Feststoffen anfällt, die abgesiebt werden muss. Dafür reichen bei Feinsiebbespannungen Doppelsiebe nicht mehr aus. In tieferen Bohrlochabschnitten mit kleineren Lochdurchmessern reichen im Allgemeinen zwei Siebmaschinen (plus eine als Standby) aus. International werden deshalb heutzutage schon überwiegend zwei bis drei Linearschwinger (z. B. DERRICK Flowline Cleaner) installiert, um diese optimale Siebtechnik zu praktizieren.
8.3.4 Sandfallen Die Sandfalle (sand trap) ist eine Absetzkammer für Feststoffe und arbeitet nach dem Schwerkraftprinzip. Sie befindet sich in der Regel direkt unter dem Schüttelsieb, so dass der Schüttelsiebtank als Sandfalle ausgebildet wird. Die Hauptaufgabe der Sandfalle ist es, einen Teil der durch die Siebe hindurch gegangenen Partikel größeren Durchmessers (Sand nach API), aufzufangen, um so die nachgeschalteten Hydrozyklone vor Überlastung und Verstopfung zu schützen. Das gilt insbesondere für den Fall, dass gröbere Teilchen infolge beschädigter Siebbeläge in den Siebunterlauf gelangen, oder dass ein Sieb umgangen werden muss, weil beispielsweise der Belag gewechselt werden muss, ohne dass der Bohrprozess unterbrochen werden kann. Ein Volumen von 3 bis 5 m3 ist für die Sandfalle im Allgemeinen ausreichend. Da der Absetzvorgang nach dem Stoke'schen Gesetz erfolgt, darf im Absetztank natürlich kein Rührwerk installiert sein, um die einmal abgesetzten Teilchen nicht wieder aufzuwirbeln. Auch darf aus diesem Tank die Spülung zur Weiterleitung an die nachgeschalteten Aufbereitungsgeräte nicht abgepumpt werden, sie muss vielmehr über einen Überlauf mit regulierbaren Wehren in den nächsten Tank geleitet werden. Der Absetztank ist im Allgemeinen mit schrägen Wänden versehen, so dass sich die abgesetzten Feststoffe in dem dadurch gebildeten Trichter sammeln können. Von hier werden sie von Zeit zu Zeit durch eine Abflussklappe in die Schüttelsiebgrube abgezogen. Die Klappe muss sich schnell öffnen und wieder schließen lassen, damit möglichst wenig Flüssigkeit in die Schüttelsiebgrube gelangt. Hat der Tank keine schrägen Wände, so muss die Bildung einer natürlichen Böschung aus den abgesetzten Feststoffen abgewartet werden. Wichtig ist auch, dass die Sandfalle nicht ausgewaschen wird, es sei denn, die Bohrung ist beendet.
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Das Abziehen des Feststoffs aus der Sandfalle sollte, um möglichst wenig Spülung zu verlieren, nur dann erfolgen, wenn es unumgänglich ist, also wenn die Falle bis etwa 50 cm unter der dem Spülungsspiegel (abtasten) angefüllt ist. Sandfallen sollten nicht benutzt werden, wenn beschwerte Spülung im Umlauf ist, da es ansonsten zu einem vorzeitigen Absetzen des Schwerspats kommt. Das führt zur Abnahme der Spülungsdichte und zu einem schnellen Auffüllen der Sandfalle. Da der hier abgesetzte Schwerspat der Spülung erneut zugesetzt werden muss, führt das außerdem zu erhöhten Spülungskosten. Wird beschwerte Spülung gefahren, so ist die Sandfalle mittels eines Bypasses zu umgehen und die Spülung direkt in den nächsten Tank zu leiten. Da der Absetzvorgang in der Sandfalle durch die Schwerkraft (g-Faktor = 1) bewirkt wird, ist die Effizienz dieses Feststoffkontrollgerätes minimal. Sie ist deshalb auch mehr oder weniger als zusätzliche Sicherheitseinrichtung zu sehen für den Fall, dass das Schüttelsieb ausfällt oder infolge Beschädigung schlecht arbeitet und dadurch gröbere Feststoffteilchen in den Spülungsumlauf gelangen. Wäre sicher zu stellen, dass die Schüttelsiebe immer einwandfrei arbeiten, dass die Spülung niemals an den Sieben vorbei geleitet würde (bypassing), und dass die Siebgewebe niemals beschädigt würden, so dass gröbere Feststoffe in den Siebunterlauf gelangen, so wäre die Sandfalle sicherlich überflüssig. Da das aber auch in näherer Zukunft kaum auszuschließen sein dürfte, ist die Sandfalle eine sehr nützliche und wichtige Einrichtung.
8.3.5 Desander und Desilter Desander und Desilter sind Hydrozyklone unterschiedlichen Durchmessers. Alle Hydrozyklone mit einem Innendurchmesser am oberen Zylinder größer 4“ (101,6 mm) werden als Desander bezeichnet, weil sie im wesentlichen die gröberen Kornfraktionen (Sand nach API) abscheiden, während die Hydrozyklone mit 4“ Innendurchmesser und kleiner als Desilter bezeichnet werden. Desander haben in der Regel einen Zylinderinnendurchmesser von 6“, 8“, 10“ oder 12“. Desander und Desilter sind nach dem Schüttelsieb die nächsten Glieder in der Kette der Feststoffkontrollgeräte. Nachdem das Schüttelsieb die gröberen Feststoffe (etwa zwischen 100 und 175 μm) abgeschieden hat, werden von Desander und Desilter die feineren Fraktionen aus der Spülung entfernt.
Abb. E-122: Desander (links) und Desilterbatterie (rechts)
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Ein 8“- bis 12“-Desander scheidet im Allgemeinen alle Feststoffe größer 74 μm und etwa 50% aller Feststoffe größer 40 μm bis 50 μm aus. 4“- bis 6“-Desilter scheiden in der Regel alle Feststoffe größer 40 μm und etwa 50% aller Feststoffe größer 15 μm bis 25 Im ab, wie auch Abb. E-124a zu entnehmen ist. Allerdings sei darauf hingewiesen, dass es sich bei den genannten Kornfraktionen um theoretisch ermittelte, praktisch jedoch kaum erreichbare Werte handelt, die nur für unbeschwerte Spülungen gelten. Hydrozyklone arbeiten nach dem Absetzprinzip (Stoke'sches Gesetz), allerdings werden die abzusetzenden Teilchen mit einer Beschleunigung versehen, die dem Mehrfachen der Erdbeschleunigung (g-Faktor) entspricht, so dass die Effektivität der Abscheidung wesentlich besser ist als die einer Sandfalle.
Abb. E-124a: Theoretische Abscheidekapazität von Feststoffkontrollgeräten Arbeitsweise von Hydrozyklonen
Der Hydrozyklon besteht aus • der zylindrischen Einlaufkammer mit dem tangential eingelassenen Einlaufstutzen • dem Konus, in dem die Feststofftrennung erfolgt • dem zylindrischen Unterteil mit der regulierbaren Austrittsöffnung für den Unterlauf • dem konzentrisch in der zylindrischen Einlaufkammer befindlichen Innenzylinder (Vortex Finder) zum Ableiten des Oberlaufs. Der Aufbau des Hydrozyklons ist Abb. E-124b zu entnehmen.
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Abb. E-124b: Aufbau eines Hydrozyklons (links) – OILTOOLS-Kunststoff-Hydrozyklon (rechts)
Moderne Hydrozyklone bestehen aus sehr widerstandsfähigem Kunststoff (Polyurethan), da die Reibung an der Innenwandung des Hydrozyklons sehr groß ist. Aufgrund ihrer einfacheren Handhabung und ihres um 50% geringeren Anschaffungspreises haben sie die früher verwendeten, innen beschichteten, gusseisernen Gehäuse weitestgehend verdrängt. KunststoffHydrozyklone lassen sich im allgemeinen in drei Teile zerlegen, den oberen Zylinder mit Einlauf, Vortex Finder und Oberlauf-Auslass, den Konus und die regulierbare, zylindrischen Austrittsöffnung. Die Austrittsöffnung kann bei einigen Fabrikaten verstellt werden, bei anderen wird der gesamte Zylinder ausgewechselt. Das hat den Vorteil, dass bei Verschleiß lediglich das betroffene Teilstück des Hydrozyklons ausgewechselt zu werden braucht. Die Einzelteile werden mittels Metallschellen mit Schnellspann- oder Schraubverschlüssen miteinander verbunden, so dass eine schnelle Montage gegeben ist. Das ist auch wichtig für Wartungs- und Säuberungsarbeiten. Die maximale Einsatztemperatur dieser Hydrozyklone liegt bei etwa 120°C. Hydrozyklone werden in der Regel senkrecht stehend montiert, so dass die Aufgabe der feststoffbeladenen Spülung oben und der Feststoffaustrag unten sind. Die gereinigte Flüssigkeit tritt oben im Zentrum des Hydrozyklons aus. Allerdings beeinflusst eine geneigte Montage den Abscheidevorgang nur wenig, da mit sehr hohen Beschleunigungen gearbeitet wird, die einfache Erdbeschleunigung (1 x 9,81m/s ) hier also keinen Einfluss auf die Trennkapazität des Hydrozyklons hat. Deshalb werden große Desander aus Platzgründen oftmals auch geneigt installiert. Die Spülung wird dem Hydrozyklon von einer Kreiselpumpe aus der Saugkammer eines Tanks mit konstantem Druck und hoher Geschwindigkeit durch den tangentialen Einlaufstutzen im oberen, zylindrischen Teil zugeführt. Wegen der hohen Geschwindigkeit – die aufgegebene Flüssigkeit benötigt von der Einlauföffnung bis zu einer der beiden Austragsöffnungen weniger als 1/3 Sekunde – und weil ständig neue Spülung nachströmt, ist die Spülung gezwungen, sich spiralförmig im Hydrozyklon nach unten zu bewegen. Es entsteht ein sogenannter Primärwirbel, der die Spülung aus dem zylindrischen in den sich anschließenden konischen Teil zwingt. Hier unterliegt sie einer weiteren Geschwindigkeitssteigerung, da sich der Durch-
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messer der Fließbahn auf der Innenwand des Konus ständig verringert. Es entsteht dabei eine sehr hohe Fliehkraft, die die schwereren Partikel der Spülung nach außen zwingt, während die leichteren im mittleren Bereich verbleiben. Da bei dem abzuscheidenden Feststoff wieder von gleichbleibender Dichte ausgegangen werden soll bedeutet das, dass die Teilchen mit dem größeren Volumen und damit der größeren Masse einer höheren Fliehkraft unterliegen und somit schneller an die Konuswand gepresst werden, an der sie durch im oberen Bereich sich anlagernde Feststoffe ständig nach unten gedrückt werden. Wenn der Durchmesser des konischen Teils des Hydrozyklons enger wird, löst sich die innere flüssige Phase vom abwärts strömenden Strom und strömt als Flüssigkeitskern (vortex = Wirbel, Strudel) im Zentrum des Hydrozyklons nach oben, wo sie von dem Innenzylinder (Vortex Finder) aufgenommen und über einen Krümmer einer Oberlauf-Sammelleitung zugeleitet wird. Diese Strömungsumkehr wird durch einen, sich zwischen der unteren und der oberen Auslassöffnung bildenden Luftkern unterstützt. Bei der nach oben ausgetragenen Flüssigkeit handelt es sich um leichte Flüssigkeit, also der Flüssigkeit mit der geringsten Dichte, die von der Schwerkraft im Hydrozyklon am wenigsten beeinflusst und an die Hydrozyklonwand gepresst wurde. Hydrozyklone, die nach dem vorstehend geschilderten Prinzip arbeiten, bei denen also ab einem bestimmten Punkt im Konus ein Teil der Flüssigkeit vom nach unten gerichteten Strom gelöst wird und nach oben strömt, nennt man „ausgeglichen“ oder „ausbalanciert“ (balanced designed). Der Umkehrpunkt ist der „balance point“. Ein so ausgelegter Hydrozyklon scheidet Feststoffe ab, sofern die Aufgabeflüssigkeit Feststoffe enthält. Enthält diese keine abscheidbaren Feststoffe, so wird der Flüssigkeitsaustrag durch den Unterlauf automatisch auf ein Minimum reduziert. Das Gegenstück zum „balanced designed Hydrozyklon“ ist der „choke bottom Hydrozyklon“, bei dem im Inneren des Hydrozyklons ein Druck aufgebaut wird und Vortex Finder wie auch Unterlauf-Austrag (Apex) als Düse wirken. Dabei wird die Unterlaufdüse so justiert, dass ein Kompromiss zwischen den Dichten und damit den Feststoffgehalten der nach oben (Überlauf) und der nach unten (Unterlauf) ausgetragenen Flüssigkeit entsteht. Beim balanced designed Hydrozyklon wirkt die Unterlauf-Öffnung nicht als Düse, sondern eher als ringförmiges Wehr. Die Feststoffe und die sich in den randnahen Schichten befindliche, schwerere Flüssigkeit sind infolge ihrer Trägheit nicht in der Lage, diese Aufwärtsbewegung mitzumachen. Sie gleiten weiter an der Wand nach unten, bis sie in das zylindrische Austragsrohr gelangen und in eine Austragswanne ausgetragen werden. Da durch die untere Austragsöffnung Luft in das Innere des Hydrozyklons gelangen kann, sofern der Hydrozyklon richtig eingestellt ist, tritt die mit den Feststoffen beladene, schwerere Flüssigkeit in Form eines Hohlstrahles, auch Spray Flow genannt, sprühend aus, wobei der Hohlstrahl den Luftkern umschließt. Aufgrund des Zentrifugaleffektes im Hydrozyklon kommt es in den äußeren Bereichen, also in Wandnähe, zu einer Ansammlung der größeren und schwereren Partikeln. Je weiter man zum Zentrum des Hydrozyklons kommt, desto kleiner und leichter werden die sich dort befindlichen Partikel, weil sie der Zentrifugalkraft weniger stark ausgesetzt sind. Unterteilt man die sich im Hydrozyklon befindliche Flüssigkeit in eine Vielzahl, zur Symmetrieachse des Hydrozyklons konzentrischer Schichten, so ergeben sich von innen nach außen Schichten mit steigendem Gehalt an größeren Feststoffen, oder Schichten mit zunehmender Dichte. Das ist damit zu begründen, dass zunehmende Masse oder zunehmendes Volumen (bei konstanter Dichte der Feststoffe) eine höhere Dichte der Flüssigkeitsschicht, in der sich die Feststoffe befinden, bewirkt. Aus dieser Erkenntnis folgt, dass dann, wenn sich noch sehr viele unterschiedliche Kornfraktionen, also gröbere und feinere Feststoffe in der Flüssigkeit befinden, zum Abscheiden der gröberen Partikel ein Hydrozyklon mit großem Durchmesser herangezogen werden muss, damit es zu einer besseren Trennung kommt. In einem Hydrozyklon mit kleinem Durchmesser wäre, aufgrund der geringen Platzverhältnisse, eine deutliche Trennung in ein-
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zelne Schichten unterschiedlicher Dichte oder unterschiedlicher Kornfraktionen nur bedingt möglich. Da in der Grenzfläche zwischen dem abwärts und dem aufwärts gerichteten Strom Wirbelströmungen (eddy current) entstehen, werden die feineren Feststoffe, die sich auf den inneren, abwärts gerichteten Flüssigkeitsschichten befinden, von der nach oben strömenden Spülung leicht mitgerissen, so dass sich im Hydrozyklon-Überlauf immer ein bestimmter Anteil an Feinstfeststoffen befindet. Liegen die Kornfraktionen in einer feststoffbeladenen Flüssigkeit eng beieinander, so können Hydrozyklone mit kleinerem Durchmesser verwendet werden. Das gilt insbesondere dann, wenn die Korndurchmesser sehr klein sind, wenn also die größeren Kornfraktionen bereits abgeschieden sind, weil in den kleineren Hydrozyklonen höhere Geschwindigkeiten entstehen, so dass auch Teilchen geringerer Masse (kleineren Durchmessers) von der nunmehr vergrößerten Zentrifugalkraft erfasst und nach außen bewegt werden. Auf diese Weise ist es möglich, auch in feineren Korngrößenbereich noch eine Trennung vorzunehmen. Das bedeutet, dass der Durchmesser des Hydrozyklons die Trennschärfe des Gerätes bestimmt. Je größer der Hydrozyklondurchmesser, desto größer die Körnung des abgeschiedenen Feststoffs. Somit ist es folgerichtig, dass der Desander mit größerem Durchmesser als erstes Gerät, und der Desilter mit kleinerem Durchmesser als zweites Gerät im Zirkulationssystem gefahren werden muss. Der Durchmesser der Unterlauföffnung eines Hydrozyklons ist veränderbar, um eine Anpassung an die Volumenstromraten in Ober- und Unterlauf und damit an die dynamische Druckdifferenz im Hydrozyklon vornehmen zu können. Die Anpassung der Öffnungsweite geschieht entweder, indem separate Auslaufzylinder verschiedener Durchmesser an den Konus angesetzt werden, oder indem der Auslaufzylinder mit einem horizontalen Schieber verschlossen wird, in dem sich Bohrungen unterschiedlichen Durchmessers befinden, die jeweils unter den Auslauf gedreht werden können, oder, indem eine Elastomermasse stufenlos zusammengepresst wird, bis sich die entsprechende Öffnung ergibt. Voraussetzungen für ein effektives Arbeiten des Hydrozyklons sind 1. angepasste Pumprate 2. ausreichende Anzahl von Hydrozyklonen, um den gesamten Spülungsstrom aufbereiten zu können, und 3. ausreichender Betriebsdruck. Die Pumprate muss so groß sein, dass mindestens 125% des SpülungsZirkulationsstromes durch die Hydrozyklone hindurch geleitet werden können. Das erfordert sowohl für die Desander, wie auch für die Desilter eine separate, ausreichend groß ausgelegte Kreiselpumpe, die die Hydrozyklone mit Spülung beschickt. Die Anzahl der Hydrozyklone richtet sich nach der Durchsatzkapazität des einzelnen Gerätes und hängt letztlich vom Durchmesser des Hydrozyklons sowie dem Vordruck ab, mit dem die Spülung in den Hydrozyklon gepumpt wird. Nachstehend werden einige Durchflussraten von Hydrozyklonen bei einem Vordruck von etwa 75 ft“ feed head“ aufgelistet: Hydrozyklon-Durchmesser [in] 4 5 6 8 10 12
Durchflussrate pro Hydrozyklon [l/min] 190-285 285 390 570 1900 1900
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Die benötigte Anzahl an Hydrozyklonen lässt sich durch nachstehende, einfache Gleichung ermitteln: Anzahl der Hydrozyklone ൌ
Spülunsgzirkulationsrate ⋅ 1, 25 Durchflussrate pro Zyklon
Mit der Spülungszirkulationsrate ist die Rate der durch das Bohrloch verpumpten Spülung in 1/min gemeint. Außerdem wurde mit dem Faktor 1,25 ein Rückfluss von dem Tank, in dem sich die bereits gereinigte Spülung befindet, in den Tank, in dem sich die noch feststoffbeladene Spülung befindet, von 25% eingerechnet. Das bedeutet, dass die Hydrozyklonanlage auf eine Gesamt-Durchsatzkapazität von 125% ausgelegt ist.
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Beispiel: Spülungszirkulationsrate: 1250 l/min Durchflussrate pro 4“-Hydrozyklon: 190 l/min Anzahl der benötigten 4'-Hydrozyklone: ? Anzahl der 4“ í Hydrozyklone =
1250 ⋅ 1, 25 = 9 Stück 190
Diese Rechnung gilt jedoch nur, wenn der Bohrfortschritt etwa 30 m/h (100 ft/hr) nicht überschreitet. In weichen, oberflächennahen Formationen, wo die Gefahr der Auskesselungen des Bohrloches sehr groß ist, sollte der Bedarf an 4“-Desiltern wie folgt berechnet werden: Anzahl von 4“ í Desiltern = 1,9345 · 10–3 · ROP · DH2 Hierin sind: ROP = max. erwartete Bohrrate [m/h] DH = Bohrlochdurchmesser [in] Beispiel: ROP = 30,00 m/h
DH = 17.1/2“ Anzahl von 4“ í Desiltern = 1,9345 · 10–3 · 30 · 17,52 = 18 Stück
Der erforderliche Betriebsdruck der einzelnen Hydrozyklone wird vom Hersteller angegeben, wobei in der Regel die Förderhöhe in ft „feed head“ angegeben wird. Mit feed head bezeichnet man die Höhe (in ft oder m) einer Flüssigkeitssäule, bestehend aus der Flüssigkeit, die im Hydrozyklon bearbeitet werden soll. Diese Flüssigkeitssäule erzeugt einen bestimmten hydrostatischen Druck, der von der Dichte der zu bearbeitenden Flüssigkeit abhängt. Und dieser Druck soll schließlich am Spülungseinlauf am Hydrozyklon herrschen. Die Bezeichnung „feed head“ wird deshalb gewählt, weil Kreiselpumpen, sofern sie mit konstanter Drehzahl gefahren werden (z. B. durch Antrieb mittels Elektromotoren), und im Ansaugsystem ansonsten keine Änderungen eintreten, eine konstante Förderhöhe beibehalten, auch wenn sich die Dichte der zu fördernden Flüssigkeit ändert. Ein Zeichen für korrekte Arbeitsweise des Hydrozyklons ist, wenn der Unterlauf sprühend in Form eines Schirmes austritt. Diese Art des Austritts des Hydrozyklon-Unterlaufs ist immer dann gegeben, wenn die Austrittsöffnung den richtigen Durchmesser hat, und wenn sich im
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Unterlauf nicht zu viele Feststoffe befinden (bezogen auf das mit austretende Flüssigkeitsvolumen). Der Flüssigkeitsanteil im Unterlauf liegt verhältnismäßig hoch. Er beträgt bis zu 90 Vol.%, wenn sehr feine Feststoffe ausgeschieden werden. Beim Abscheiden von groben Sanden liegt der Flüssigkeitsanteil bei nur etwa 50 Vol.%. Hydrozyklone, deren Unterlauf im Spray Flow austritt, wird ebenfalls als ausbalanciert (balanced designed) bezeichnet. Nimmt die Feststoffbeladung der zu reinigenden Spülung zu, weil schneller gebohrt wird und damit mehr Cuttings anfallen, oder weil die vorgeschalteten Feststoffkontrollgeräte (z. B. das Schüttelsieb) nicht oder nicht effektiv arbeiten, so kommt es im unteren Teil des Hydrozyklons zu einem Feststoffstau wegen Überladung des engen Austrittsbereichs. Die Feststoffe können nun nicht mehr im Spray Flow austreten, weil sie die Austrittsöffnung verstopfen. Die von oben nachdrückenden Feststoffe und die Flüssigkeit drücken die sich hier stauenden Feststoffe zwar aus der Öffnung heraus, jedoch werden viele Feststoffe von der nach oben austretenden Flüssigkeit mitgerissen, weil die Flüssigkeit sie aufgrund ihrer hohen Geschwindigkeit vom Kopf des gestauten Feststoffpaketes abspült. Das führt zwar dazu, dass der Unterlauf trockener wird und nur noch etwa 50 Vol.% an Flüssigkeit enthält. Allerdings enthält der Überlauf wesentlich mehr Feststoffe als beim Spray Flow, wobei die von der Flüssigkeit mitgerissenen Feststoffe von kleinerer Korngröße sind, da die gröberen Teilchen an der Hydrozyklonwandung zum Austrag transportiert werden. Der Unterlauf enthält dann naturgemäß nur wenige feinere Feststoffe. Das bedeutet, dass im Unterlauf weniger Feststoffoberfläche zur Adsorption von Flüssigkeit verfügbar ist, so dass der Unterlauf trockener wird, während der Überlauf von höherer Dichte ist als beim Spray Flow. Die im Überlauf enthaltenen Feststoffe belasten aber zwangsläufig die nachgeschalteten Feststoffkontrollgeräte und beeinträchtigen deren Effektivität. Da die Feststoffe in diesem Fall wie eine Wurst oder ein Seil (Tau) aus der Auslassöffnung gepresst werden, bezeichnet man diese Art des Feststoffaustrags auch als „sausage discharge“ oder „rope discharge“ bzw. als „Rope Flow“ . Rope Flow ist wegen der geschilderten Nachteile auf jeden Fall zu vermeiden, zumal der Verschleiß des Hydrozyklons insbesondere am Unterlaufaustritt, am Vortex Finder und am Überlaufaustritt unverhältnismäßig stark zunimmt. Die Unterlauföffnung arbeitet in diesem Fall nicht mehr als ringförmigen Wehr, sondern wie eine Düse. Als weiteres Indiz für einwandfreies Funktionieren kommt ein leichter (spürbarer) Unterdruck am Unterlaufaustritt hinzu. Dieser Unterdruck entsteht dadurch, dass der mit relativ hoher Strömungsgeschwindigkeit aus dem Überlauf austretende Spülungsstrom durch die untere Austrittsöffnung Luft ansaugt. Schließlich ist ein druckfreier Austritt de Überlaufs zu gewährleisten. Das bedeutet, dass die gereinigte Spülung frei aus dem Hydrozyklon austreten kann und keinen Rückstau erfährt. Daraus ergibt sich auch die Aufstellung der Hydrozyklone. Sie sollten oberhalb der Tankanlage montiert werden, damit ein Spülungsrückfluss in den entsprechenden Tank per Schwerkraft möglich ist. Ist der Abstand zwischen Überlaufleitung und Tankspiegel in dem Tank, in den die gereinigte Spülung eingeleitet werden soll, sehr groß, so sollte in die Überlaufleitung ein Siphon eingebaut werden. Dadurch wird verhindert, dass von der in den Tank herabfallenden Flüssigkeitskolonne eine Saugwirkung über die Überlaufleitung auf die Hydrozyklone ausgeübt wird, die das Druckgleichgewicht im Hydrozyklon stören würde. Folge davon wäre ein ungleichmäßiges Arbeiten des Hydrozyklons und eine beeinträchtigte Feststoffabscheidung.
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Abb. E-125: Hydrozyklon, der im Rope Flow arbeitet [BgH]
Das erstmalige Einstellen der Hydrozyklone sollte tunlichst vor Bohrbeginn erfolgen. Im Betrieb sollten nur noch Nachjustierungen vorgenommen werden. Vor Bohrbeginn werden in der Regel die Tanks zum Ansetzen von Spülung mit Wasser gefüllt. Zu diesem Zeitpunkt lassen sich die Hydrozyklone justieren, indem das Wasser mittels der Kreiselpumpen durch die Hydrozyklone hindurch gepumpt wird. Dabei sollten die Unterlauf-Austrittsöffnungen zunächst so weit wie möglich geöffnet werden. Das Wasser wird nun in einer Art Sprühstrahl austreten (Abb. E-126a). Dann werden die Austrittsöffnungen stufenweise verkleinert, bis das Wasser nur noch leicht aus der Öffnung tropft (Abb. E-126b). Nun sind die Hydrozyklone richtig justiert. Werden sie jetzt mit feststoffhaltiger Flüssigkeit (Spülung) beschickt, so wird der Feststoff abgeschieden. Wird dagegen feststofffreie Spülung in den Hydrozyklon gepumpt, so wird diese nur tropfenweise ausgeschieden, der Flüssigkeitsverlust ist also minimal, die Arbeitsweise des Gerätes optimal. Würde der Hydrozyklon beim Einstellen mit Wasser so justiert, dass er überhaupt keine Flüssigkeit ausscheidet (Abb. E-126c), so würde er im späteren Betrieb zu trocken arbeitet und einen ungenügenden Wirkungsgrad entwickeln.
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Abb. E-126: Einstellung von Hydrozyklonen mit Wasser [BgH]
Wie alle anderen, mechanisch arbeitenden Feststoffkontrollgeräte auch, haben Hydrozyklone Kapazitätsgrenzen. Bei den Hydrozyklonen sind das Grenzen der Durchsatzkapazität, die von der Volumenstromrate der Spülung und damit von der Anzahl der Hydrozyklone einer Aufbereitungsstufe und dem „feed head“ abhängen, sowie der Begrenzung der Austragsfähigkeit von Feststoffen im Unterlauf. Letztere hängt entscheidend von der Beladung der Spülung mit Feststoffen und der Korngröße dieser Feststoffe ab. Überschreitet der Anteil an groben Feststoffen bestimmte Grenzwerte, so kommt es zunächst zum bereits beschriebenen Rope Flow und schließlich zur Verstopfung (plugging) des Hydrozyklons. Das Verstopfen eines Hydrozyklons hat ähnliche Folgen wie das Verstopfen der Siebbeläge des Schüttelsiebes, nur sind die Auswirkungen nicht so offensichtlich wie bei einem Sieb. Die Verstopfung des Unterlaufs bedeutet, dass keine Feststoffe mehr ausgeschieden werden können, dass also alle, dem Hydrozyklon zugeführten Feststoffe durch den Überlauf wieder aus dem Gerät hinaus strömen und sich mit der von normal arbeitenden Geräten gereinigten Spülung vermischen. Somit wird die Effektivität einer gesamten Hydrozyklonbatterie beeinträchtigt. Gleichzeitig führt das zu einem sehr großen Verschleiß der oberen Teile des Hydrozyklons, weil die groben, abrasiven Feststoffe durch diese Teile hindurch strömen müssen. Deshalb muss ein verstopfter Hydrozyklon schnellstmöglich gesäubert oder abgeschaltet werden. Abhilfe bei der Gefahr der Verstopfung von Hydrozyklonen kann geschaffen werden, indem man die vorgeschalteten Feststoffkontrollgeräte auf ihre Arbeitsweise überprüft und dafür Sorge trägt, dass die dem Hydrozyklon zugeführte Spülung nicht mit (zu groben) Feststoffen überladen ist, indem man die Austrittsöffnung für den Unterlauf vergrößert oder mehr Hydrozyklone in der betreffenden Aufbereitungssektion einsetzt. Eine andere Störung tritt auf, wenn der Einlauf zum Hydrozyklon verstopft ist. Bei nur teilweiser Verstopfung wird die Balance im Hydrozyklon so gestört, dass eine nach oben gerichtete Strömung nicht stattfinden kann, die aufgegebene Spülung somit ungereinigt aus dem Unterlauf wieder austritt. Dabei kann es passieren, dass von anderen Hydrozyklonen bereits gereinigte Spülung aus dem Überlauf-Sammelrohr in den Hydrozyklon hinein gerissen und mit durch den Unterlauf ausgetragen wird. Das durch den Unterlauf ausgetragene Volumen ist um 10 bis 200 mal größer als bei normalem Hydrozyklonbetrieb.
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Ist der Zufluss vollständig blockiert, so hängt das Ergebnis stark vom Anschluss des Überlaufrohres an die Sammelleitung ab. Beträgt der Winkel zwischen Überlaufrohr und Sammelleitung 45° in Fließrichtung und hat die Sammelleitung ausreichenden Querschnitt, so wird der Hydrozyklon ohne schädliche Folgen für den Aufbereitungsprozess automatisch stillgelegt. Es findet auch kein Unterlauf statt. Beträgt der Anschlusswinkel dagegen 90° und hat die Sammelleitung einen zu knappen Querschnitt, so wird von anderen Hydrozyklonen bereits gereinigte Spülung in den defekten Hydrozyklon gesaugt und tritt am Unterlauf aus. Das Austrittsvolumen ist dabei um etwa 20 െ 80 mal so groß wie bei normalem Betrieb. Verstopfungen im Zulauf eines Hydrozyklons rühren meistens daher, dass die Schüttelsiebbeläge schadhaft sind, dass die Schüttelsiebe umgangen werden (bypassing), und dass die Sandfalle nicht arbeitet (zu voll ist) oder gar nicht vorhanden ist, wenn Schäden oder Bypassing am Schüttelsieb auftreten.
8.3.6 Desander Zu einem Desander (Abb. E-122, E-127) gehören neben einem Pumpaggregat zwei bis vier Stück 10“- oder 12“-Hydrozyklone. Die aus der Sandfalle entnommene Spülung wird mittels einer Kreiselpumpe in den Hydrozyklon gedrückt. Aufgrund der hier herrschenden Zentrifugalkräfte werden alle Teilchen mit einem Durchmesser größer etwa 74 μm nach außen, an die Hydrozyklonwandung gepresst und mit dem Unterlauf ausgetragen. Dabei handelt es sich jedoch um einen mittleren Korngrößenwert. Da die Durchsatzkapazität von 10“- wie auch von 12“-Hydrozyklonen bei 1900 1/min liegt, ergibt sich für eine Spülungs-Volumenstromrate von 4000 l/min, wie sie für oberflächennahe Bohrlochabschnitte durchaus üblich ist, und einen Durchsatzfaktor von 1,25 folgende Berechnung zur Ermittlung der erforderlichen Anzahl von Desandern:
Abb. E-127: Desanderbatterien (SR-3 + SR-5 Desander, Brandt) [Brandt]
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4000 ⋅ 1, 25 = 2,63 Stück 1900 Es sind also in diesem Fall 3 Desander mit 10“ oder 12“ Durchmesser erforderlich. Ein optimaler Wirkungsgrad ist nur zu erzielen, wenn die Geräte einwandfrei arbeiten. Deshalb ist eine ständige Überprüfung der Austragsart, des Vordruckes, des Volumenstromes der Spülung sowie von Dichte, Sandgehalt und Volumen von Über- und Unterlauf unerlässlich. Das maximale Unterlaufvolumen eines 10“- bzw. 12“-Desanders liegt bei etwa 500 bis 600 1/h. Auf diesen Wert ist der Unterlauf zu begrenzen. Eine typische Anordnung von drei Desandern mit Zu- und Abflussleitungen als Zeichnung ist Abb. E-127 zu entnehmen.
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Anzahl der Desander =
8.3.7 Desilter Die Arbeitsweise von Desandern und Desiltern ist, wie bereits besprochen, identisch. Im Desilter werden jedoch aufgrund der kleineren Durchmesser des Gerätes weitaus höhere Strömungsgeschwindigkeiten und damit Zentrifugalkräfte erzeugt, so dass im Desilter Teilchen kleinerer Masse oder kleineren Volumens abgeschieden werden können. Die Abscheidekapazität eines 4“-Desilters liegt im Mittel bei Korngrößen von etwa 35 μm. Die Durchsatzkapazität der 4“-Desilter ist wegen der kleineren Bauweise begrenzt. Sie liegt bei etwa 190 1/min. Bei einer Spülungsvolumenstromrate von 4000 1/min und einem Durchsatzfaktor von 1,25 werden somit an Desiltern benötigt: 4000 ⋅ 1, 25 = 26,3 Stück 190 Es werden also mindestens 27 Desilter benötigt. Da die Desilter jedoch in Batterien (skids) mit 12 oder 16 Stück pro Einheit zusammengestellt sind, müssten also in diesem Fall zwei oder drei solche Batterien mit insgesamt 32 oder 36 Desiltern installiert werden. Das hat auch den Vorteil, dass selbst bei Ausfall eines Desilters noch ausreichende Aufbereitungskapazität vorhanden ist. Um auch hier eine optimale Wirkungsweise der Geräte zu erzielen, ist wiederum ein einwandfreies Arbeiten Voraussetzung. Das bedeutet, dass Auswurfart, Vordruck, sowie Dichte, Sandgehalt und Volumen von Über- und Unterlauf ständig zu überprüfen sind. Das maximale Unterlaufvolumen eines 4“-Desilters liegt bei 130 bis 150 l/h. Hierauf ist der Unterlauf zu begrenzen. Die heute im Einsatz befindlichen Desilter haben in der Regel einen Konuswinkel von 20°. Versuche mit 3'-Desiltern mit flacheren Konuswinkeln (10 െ 12°), die dann länger waren als 4“-Desilter, brachten zwar sehr gute Abscheideergebnisse im Feinstfeststoffbereich, aber nur dann, wenn die Vorlaufspülung zuvor entsprechend gesäubert worden war. Liegen in dieser gröbere Feststoffteilchen vor, so kommt es zum Verstopfen (Plugging) des Desilters. Das dürfte auch der Grund sein, dass sich 3“-Desilter bisher nicht durchsetzen konnten. Desilter können heute ohne Vorschaltung eines Desanders gefahren werden, wenn die gröberen Feststoffteilchen (> 74 μm) bereits durch das Schüttelsieb mit Feinsiebbelägen (150 — 200 Mesh) abgeschieden wurden.
Anzahl der Desilter =
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Abb. E-128: Typische Desilterbatterie System [DERRICK.]
8.3.8 Installation von Desandern und Desiltern In den vorstehenden Kapiteln wurden Arbeitsweise und Wirksamkeit von Hydrozyklonen ausführlich besprochen. Werden alle dort aufgeführten Einflussfaktoren optimal gestaltet, so ist auch eine optimale Fahrweise der Hydrozyklone gegeben. Allerdings können alle diese Anstrengungen zunichte gemacht werden, wenn die Hydrozyklone falsch in das Zirkulationssystem eingebunden werden, was, wie die Erfahrungen zeigen, recht häufig der Fall ist. Das kann dazu führen, dass der Anteil der nicht behandelten Spülung auf 50% und mehr zurück geht, so dass schließlich der gesamte Spülungsaufbereitungsprozess in Frage gestellt wird. Bei der Installation von Hydrozyklonen ist darauf zu achten, dass die Geräte mehr als 100% der Spülungsvolumenstromrate durchsetzen um zu gewährleisten, dass mindestens das gesamte Spülungsvolumen aufbereitet wird, also kein Bypassing stattfinden kann. Das ist dann möglich, wenn Saugkammer und Kammer für die gereinigte Spülung getrennt und in Folge hintereinander angeordnet sind. Dabei soll eine Ausgleichsöffnung im Bodenbereich zwischen den Kammern vorhanden sein, so dass bereits gereinigte Spülung in die Saugkammer zurückfließen kann. Der Bodenausgleich ist insofern wichtig (kein Überlaufwehr), damit nach unten absinkende Feststoffe in der zweiten Kammer aus dieser wieder zurück in die Saugkammer gelangen können. Beide Kammern sind mit Rührern zu versehen, um ein Absetzen der Feststoffe zu vermeiden. Die Rührer sind so tief wie möglich zu installieren, um sich absetzende Feststoffe wieder aufzuwirbeln und dem Hydrozyklon zuzuführen.
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Abb. E-129: Richtige und falsche Anordnung von Hydrozyklonen [BgH]
Wie aus E-129 zu ersehen ist, sind die Hydrozyklone auf eine größere Durchsatzkapazität als sie der Spülungszirkulationsrate entspricht, auszulegen, da ein Teil der aufbereiteten Spülung unter der Trennwand hindurch zurück in die Saugkammer strömt. Um das in vollem Maße zu gewähren, sollte mit einem Durchsatzfaktor von 1,25 gerechnet werden was bedeutet, dass die Durchsatzkapazität der Hydrozyklone 25% höher ist als die maximale Zirkulationsrate der Spülung. Diese 25% Überschussvolumen gelangen über den Bodenausgleich von der zweiten in die erste Kammer. Fehlerhafte Schaltungen von Spülungsaufbereitungsgeräten basieren oft auf einer unüberschaubaren Leitungsführung, oder darauf, dass mehrere Geräte mittels einer Kreiselpumpe bedient werden, was unbedingt zu vermeiden ist. Aber auch komplizierte Pumpenmanifolds, die eine Reihe von Schaltungen möglich machen, führen häufig zu Fehlschaltungen, insbesondere dann, wenn die Bohrmannschaft mit den Schaltmöglichkeiten und der korrekten Schaltung von Feststoffkontrollgeräten nicht oder nur ungenügend vertraut ist. Am einfachsten kann die Schaltung überprüft werden, wenn man die einzelnen Volumenströme genau verfolgt um zu sehen, von wo nach wo sie fließen, so dass Kurzschlüsse oder Bypassing erkannt werden können. Eine Skizze mit Strömungspfeilen und Zirkulationsvolumina gibt hier sehr schnell Aufschluss darüber, ob die Schaltung korrekt ist oder nicht. Eine zusätzliche Berechnung der zu behandelnden Spülungsvolumina gibt schließlich noch einen Hinweis auf den Erfolg der Aufbereitungsmaßnahme. Farbliche Markierungen auf Leitungen und Ventilen auf der Saug- und Abgabeseite von Desandern und Desiltern in jeweils unterschiedlichen Farben können in Verbindung mit einem in denselben Farben angelegten Schaltplan eine große Hilfe bei der richtigen Schaltung der Geräte sein. Eine Überprüfung aller Anschlüsse nach dem Aufbau der Tankanlage, also zu einem Zeitpunkt, wo sich noch keine Spülung in den Tanks befindet und die Anschlüsse gut zu erkennen sind, ist empfehlenswert.
8.3.9 Mud Cleaner Hydrozyklone dürfen bei beschwerter Spülung nicht eingesetzt werden, weil sie neben den erbohrten Feststoffen auch teuere Beschwerungsstoffe (Schwerspat) mit abscheiden würden.
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Das liegt darin begründet, dass ein kleines Schwerspatteilchen aufgrund seiner höheren Dichte dieselbe Masse hat wie ein größeres Bohrkleinteilchen, so dass eine Trennung nach Korngrößen (Klassierung) in einem solchen Fall nicht mehr gegeben ist. Da aber die erhöhte Spülungsdichte benötigt wird, müsste der von den Hydrozyklonen ausgeschiedene Schwerspat dem System ständig wieder neu zugesetzt werden, was zu einer erheblichen Verteuerung der Spülung führen würde. Da es aber, außer den Hydrozyklonen, keine Feststoffkontrollgeräte gibt, die die feineren Bohrkleinteilchen aus der Spülung entfernen können, musste man nach einer Lösung suchen, diese Teilchen abzuscheiden, die Beschwerungsstoffe aber gleichzeitig im Spülungssystem zu belassen. Das gelingt mit dem 1972 von EXXON entwickelten Mud Cleaner. Dieser Mud Cleaner (Abb. E-130, E-132) besteht aus einem Satz von Hydrozyklonen (6 bis 16 Stück in der Regel 4“Desilter), deren Unterlauf auf ein feinmaschiges Schüttelsieb aufgegeben wird. Hier findet eine Trennung des Unterlaufs statt in die gröberen Bohrkleinteilchen und die feineren Schwerspatteilchen, die mit der im Unterlauf befindlichen Flüssigkeit durch das Sieb hindurch gehen und als Siebunterlauf dem Spülungssystem wieder zugeführt werden, während der Sieboberlauf ausgeschieden wird. Eine relativ scharfe Trennung in Bohrklein und Beschwerungsstoffe mit Hilfe des Siebvorganges ist deshalb möglich, weil Schwerspat, der für die Beschwerung von Spülungen verwendet wird, nach API bezüglich seiner Korngrößenverteilung genormt ist. Danach sollte Schwerspat soweit aufgemahlen sein, dass seine Kornfraktionen zwischen 2 um und etwa 60 um liegen. API lässt nur 3 Gew.% größer 74 μm (200 Mesh) zu, und über 5 Gew.% müssen von einem 325 Mesh Sieb (44 μm) zurückgehalten werden. Das ergibt eine Kornverteilung, wie sie in Abb. 91 dargestellt ist, mit Korngrößenmaxima, die zwischen 10 μm und 40 um liegen. In der Praxis dürften die größeren Kornfraktionen jedoch nach wenigen Spülungsumläufen durch die Beanspruchung in den Meißeldüsen sowie den Kreiselpumpen soweit zerschlagen sein, dass sie kaum noch vorhanden sind.
Abb. E-130: Mud Cleaner nach [SWACO]
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Die Feinheit des Siebes ist maßgebend für die Effektivität des Trennprozesses in diesem Gerät. So werden Mud Cleanern in der Regel mit Feinsieben bis zu 325 Mesh (= 44 μ) gefahren. Das bedeutet, dass alle Kornfraktionen bis zu etwa 44 μm in der Spülung verbleiben und alle gröberen Kornfraktionen abgeschieden werden. Bei Einsatz von beschwerter Spülung ist somit eine Feststoffabscheidung im Korngrößenbereich zwischen etwa 44 μm und 2 bis 5 μm generell nicht möglich ist, weil sonst der Schwerspat mit abgeschieden werden müsste. Das kann naturgemäß zu Spülungsproblemen führen, wenn durch den Gesteinszerstörungsprozess (z. B. bei Verwendung von Diamantbohrwerkzeugen) sehr viele feinere Feststoffe anfallen, die nicht abgeschieden werden können und Dichte und Viskosität der Spülung stark ansteigen lassen. In einem solchen Fall hilft nur noch eine Spülungsverdünnung durch Wasserzugabe oder ein Verflüssigung durch Zugabe entsprechender Chemikalien (Verflüssiger). Ist von vorn herein klar, dass dispergierbare (spülungsbildende) Tone erbohrt werden, so ist die Feinstfeststoffkontrolle mittels Zentrifugen durchzuführen, da Zentrifugen die kolloidalen Bestandteile abscheiden, während Mud Cleaner die Kornfraktionen größer etwa 44 μm abscheiden. Wird jedoch mit Tonsalzwasser-Spülung oder Ölspülung gearbeitet, so zeigen tonige Formationen in der Regel nur geringe Dispersionseigenschaften, so dass die genannten Einschränkungen hier nicht mehr gemacht werden müssen. Allerdings ist der Einsatz von Mud Cleanern in der jüngsten Vergangenheit stark rückläufig, weil immer mehr Schüttelsiebe mit Feinsiebbespannungen verwendet werden, so dass die Kornfraktionen, die vom Mud Cleaner abgeschieden werden, bereits vom Schüttelsieb aus dem System entfernt werden. Daraus folgt, dass Mud Cleaner dann eingesetzt werden sollten, wenn Sand ein Problem in der Spülung ist, während die Zentrifuge zur Abscheidung der Kolloide verwendet werden sollte. Insofern ergänzen sich Mud Cleaner und Zentrifuge.
Abb. E-132: Mud-Cleaner System [MISWACO] Typ –12 6T4
8.3.10 Zentrifugen 8.3.10.1 Allgemeines Die Dekantierzentrifuge (dekantieren = Flüssigkeit vom Bodensatz abgießen) ist das einzige Gerät in der Kette der Feststoffkontrollgeräte, das die gesamte freie Flüssigkeit von den abge-
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schiedenen Feststoffen dekantieren (entfernen) kann, so dass nur die adsorbierten Flüssigkeitsteilchen an der Oberfläche dieser Feststoffe haften bleiben. Diese anhaftende Flüssigkeit (Feuchte) enthält keine löslichen Substanzen wie Chloride (Salze) oder Kolloide wie Bentonite. Die an den Feststoffen adsorbierte Flüssigkeit kann nur durch Erhitzen von den Teilchen entfernt werden, ein Vorgang, der in der Spülungstechnik weder notwendig noch praktikabel ist. Dekantierzentrifugen wurden in der Tiefbohrtechnik zunächst dazu benutzt, bei beschwerten Spülungen die feinen (kolloiden) Feststoffe aus der Spülung abzuscheiden, wenn die Viskosität der Spülung durch den erhöhten Feinstfeststoffgehalt zu stark anstieg. Seit Mitte der siebziger Jahre werden Dekantierzentrifugen verstärkt zur Feststoffentwässerung eingesetzt, um möglichst trockenes Bohrgut zu den Deponien bringen zu können. Hierfür ist im wesentlichen das verstärkte Umweltbewusstsein verantwortlich, was dazu geführt hat, dass – insbesondere in Deutschland – neue Bohrkleindeponien kaum noch bewilligt werden, so dass mit der vorhandenen Deponiekapazität gehaushaltet werden muss. Ein weiterer Gesichtspunkt für die Bohrkleinentwässerung ist die Kosteneinsparung durch die Rückgewinnung der in der flüssigen Phase gelösten Chemikalien (Additive). Einen solchen Prozess der Spülungsaufbereitung bezeichnet man auch als geschlossenes Spülungssystem (closed mud system). Obwohl die Zentrifuge noch vor den Hydrozyklonen in der Spülungsaufbereitung eingesetzt wurde (1953), konnte sie sich insbesondere hierzulande lange nicht durchsetzen, so dass die Zentrifuge das zuletzt in die Reihe der Feststoffkontrollgeräte aufgenommene Gerät ist. Heute gehört sie allerdings sowohl zur Bohrkleinentwässerung wie auch zur Abscheidung von Feinstfeststoffen im „In-Line-Betrieb“ zur Standardausrüstung einer modernen Bohranlage. Bei den Dekantierzentrifugen unterscheidet man zwei Arten, die Gleichstromzentrifuge und die Gegenstromzentrifuge. Hierauf wird im Folgenden genauer eingegangen.
8.3.10.2 Zentrifugentechnik Die Zentrifugal-Separation basiert auf der Dichtedifferenz zwischen Feststoffen und Flüssigkeiten oder zwischen zwei zu trennenden Flüssigkeiten. Bei der Fest-Flüssig-Trennung unterliegen die Partikel einer Zentrifugalkraft, die die Teilchen entsprechend ihrer Dichte an den Trommelmantel der Zentrifuge durch die Flüssigkeit hindurch bewegt. Das Zentrifugieren kann daher als eine Ausweitung der Schwerkraftsedimentation angesehen werden, die in der Lage ist, aufgrund des hohen Schwerefeldes, das hier erzeugt wird, selbst solche Gemische zu trennen, die sich normalerweise im stabilen Zustand befinden (Emulsionen, Suspensionen). Da die Sedimentationszentrifuge als eine Art rotierender Tank angesehen werden kann, soll das Prinzip der Zentrifugentechnik zunächst am einfachen Beispiel eines solchen Tanks erläutert werden. Wird in einen Tank feststoffbeladene Flüssigkeit über eine Seitenwand (Einlaufwehr) hinweg eingeleitet, wie aus Abb. E-133 zu entnehmen ist, so werden sich die Teilchen mit der größeren Masse (Volumen) direkt unterhalb des Einlaufs absetzen, während die leichteren (kleineren) Teilchen mit dem Flüssigkeitsstrom weiter zum, dem Einlauf entgegengesetzt gelegenen Teil des Tanks hin bewegt werden. Die Flüssigkeit soll über ein variables Überlaufwehr (rechte Seite in Abb. E-133) den Tank wieder verlassen. Je höher nun das Überlaufwehr ist, desto länger wird auch die Verweilzeit der Flüssigkeit im Tank sein, und desto mehr feinere Feststoffteilchen können sedimentieren und damit aus der Flüssigkeit abgeschieden werden.
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Abb. E-133: Sedimentation in einem Tank [BgH]
In diesem Beispiel eines stationären Tanks unterliegen die Feststoffteilchen einer Sedimentationskraft, die der normalen Schwerkraft im Beschleunigungsfeld der Erde entspricht. Sie beträgt: FG = g · pm = 9,81 ȉ pm [N] Damit ist die Schwerkraft eine Funktion der Massen. Die Erdbeschleunigung g ist mit 9,81 m/s2 eine Konstante. Wird der Tank nun in Rotation versetzt, so dass sich der Ein- und Überlauf im Bereich der Rotationsachse befinden (Prinzip des mit dem Arm herumgeschleuderten Wassereimers), so kann, je nach Drehzahl, eine höhere Beschleunigung erzielt werden als 9,81 m/s2. Es wird also ein höherer g-Faktor erreicht. Abb. E-134 zeigt einen solchen „Schleudertank“. Es handelt sich hierbei um das Prinzip der diskontinuierlich arbeitenden Zentrifuge, wie sie in Labors verwendet wird.
Abb. E-134: Prinzip der diskontinuierlich arbeitenden Zentrifuge [BgH]
Der Nachteil der diskontinuierlich arbeitenden Zentrifuge ist, dass sie nach Beendigung des Zentrifugiervorgangs angehalten werden muss, um die mit dem Zentrifugiergut gefüllten Be-
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cher auszuwechseln. Die Flüssigkeit wird abgegossen (dekantiert), während die Feststoffe oder die schwerere Flüssigkeit (bei Emulsionen) den Bodensatz im Zentrifugenbecher bildet. Der Vorteil dieser Zentrifuge liegt in der sehr hohen Trennschärfe. Der Sedimentationsprozess in einer solchen Zentrifuge lässt sich, da die Flüssigkeitsströmung im absolut laminaren Bereich (Reynold's Zahl < 1) liegt, mittels des Stoke'schen Gesetzes beschreiben. Danach ist die Absetz- oder Sinkgeschwindigkeit für ein Feststoffteilchen wie folgt definiert: VS =
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(ρp − ρFl ) ⋅ d 2p ⋅g⋅z 8μ
z ist die Beschleunigungs- oder Schleuderziffer, die eine Funktion der Zentrifugalkraft Fz ist: z=
Fz π2 ⋅ n 2 ⋅ r n 2 ⋅ r = = m⋅g 900 g 900
ǡ
Fz = m ⋅
v2 π2 ⋅ n2 ⋅ r = m⋅ r 900
ist. Die Schleuderziffer z entspricht dem Vielfachen der Erdbeschleunigung und kennzeichnet die Intensität der Zentrifuge. Bei Zentrifugendrehzahlen von 1000 bis 5000 min–1 ergeben sich Schleuderziffern, die zwischen 800 g und 4400 g liegen. In der Bohrtechnik wird im Wesentlichen die kontinuierlich arbeitende Gegenstrom-Zentrifuge eingesetzt. Auch hier wird das „rotierende Absetzbecken“ um eine Achse gedreht, wenngleich das Becken so konstruiert wurde, dass sowohl der abgeschiedene Feststoff (Unterlauf), wie auch die Flüssigkeit (Überlauf) kontinuierlich ausgeschieden werden können. Zu diesem Zweck wird das Absetzbecken an einer Seite angeschrägt und mit einer Förderschnecke versehen, die die Feststoffe über die Schräge zur Austragsöffnung hin bewegt. Das schematische Prinzip einer solchen Zentrifuge ist in Abb. E-135 dargestellt.
Abb. E-135: Schematische Darstellung einer kontinuierlich arbeitenden Sedimentationszentrifuge [BgH]
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Die Flüssigkeit wird durch Öffnungen abgelassen, die durch Wehrplatten teilweise abgedeckt sind. Dadurch wird es möglich, die Verweilzeit der Flüssigkeit mit den darin noch enthaltenen Feststoffen zu steuern oder, anders ausgedrückt, durch die Wehrplatten wird die Teichtiefe (Pool) beeinflusst. Auf Details hierzu wird im nächsten Kapitel näher eingegangen.
8.3.10.3 Arbeitsweise von Zentrifugen in der Spülungsaufbereitung Wie bereits im vorherigen Kapitel festgestellt, sind die wesentlichen Teile einer kontinuierlich arbeitenden Zentrifuge die rotierende Trommel mit zylindrischem und konischem Teil, die sich in der Trommel drehende Förderschnecke und der Antrieb. Für die Beschickung werden Exzenterschneckenpumpen (Moineau Pumpen) verwendet. Kontinuierlich arbeitende Zentrifugen bestehen aus einer auf Wälzlagern gelagerten zylindrisch-konischen Trommel (dem rotierenden Klärbecken) und einer konzentrisch in dieser Trommel laufenden, ein- oder mehrgängigen Förderschnecke, die dieselbe Drehrichtung hat wie die Trommel, aber mit einstellbar unterschiedlicher Drehzahl. Je nach Bauart kann die Förderschnecke im Vergleich zur Trommel vor- oder nacheilend laufen. Durch ein feststehendes Aufgaberohr wird die Schlämme mittels einer regelbaren Pumpe (Exzenterschneckenpumpe) in die Trommel eingebracht, wobei es beim Durchlaufen der Zentrifuge durch Einwirkung der Zentrifugalkraft zu einer Trennung in eine feste und eine flüssige Phase kommt. Die Flüssigkeit verlässt die Trommel durch mit Überlaufwehre bestückte Öffnungen in einer Richtung, während die auf der Trommelinnenwand sedimentierten Feststoffe mittels der Förderschnecke in die Gegenrichtung transportiert werden. Dabei gelangen sie aus dem zylindrischen Teil (Teich) in den konischen Teil der Trommel, die als Trocknungsstrecke (dry beach) dient und von dort zu den Austragsöffnungen. Durch Einstellung der Überlaufwehre können die Tiefe des Teiches und die Länge der Trocknungsstrecke den Betriebsbedingungen angepasst werden. Die Aufenthaltsdauer der Feststoffe in der Trockenzone bestimmt den Wassergehalt der abgeschiedenen Feststoffe.
Abb. E-136a: Gegenstromzentrifuge
Bei der Gegenstromzentrifuge (Abb. E-136a) erfolgt die Aufgabe der Schlämme in eine im mittleren Bereich der Trommel befindliche Aufgabekammer, in die die Schlämme durch
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das in der Hohlachse befindliche, feststehende Aufgaberohr transportiert wird. In dieser Kammer endet das Aufgaberohr und lässt die Schlämme durch mehrere gepanzerte Öffnungen in diese einströmen. Durch die Zentrifugalkraft wird die Schlämme, bestehend aus Flüssigkeit und Feststoff nach außen geschleudert, wo die Feststoffe an der Trommelinnenwand sedimentieren. Das geschieht jedoch nicht nur im Bereich der Aufgabekammer, sondern im gesamten zylindrischen Bereich. Daraus folgt, dass Feststoffe, die in der Nähe des Flüssigkeitsaustrags sedimentiert sind, von der Schnecke gegen den Flüssigkeitsstrom zur konischen Trocknungsstrecke und zum Feststoffaustrag transportiert werden müssen. Dadurch kommt es naturgemäß zu Turbulenzen und damit zu einer Störung des Absetzvorganges, weil die feineren Feststoffteilchen immer wieder aufgewirbelt und vom Flüssigkeitsstrom mit zum Austragende hin transportiert werden, wo eine erneute Resedimentation stattfindet. Dieser Prozess kann sich beliebig oft wiederholen. Um hier Abhilfe zu schaffen, muss der Teich abgesenkt werden. Bei modernen Gegenstromzentrifugen hat man durch eine konstruktive Veränderung der Austragsschnecke die Durchsatzkapazität erheblich steigern können (bis 35 m3/h bei Süßwasserspülung). Diese Änderung besteht darin, dass die Rippen der Schnecke im konischen Teil der Zentrifuge nicht mehr senkrecht zur Achse, sondern senkrecht zur Trommelwand stehen. Wegen der im Bereich der Eingabe entstehenden Turbulenzen und der möglichen Aufwirbelung der zurückgeförderten Feststoffe werden Gegenstromzentrifugen mit höheren Drehzahlen gefahren als Gleichstromzentrifugen. Die Drehzahlen betragen bis zu 3000 min–1. Der Vorteil der Gegenstromzentrifuge besteht darin, dass die groben Feststoffe wegen der nahezu mittigen Aufgabe näher am Austrag sedimentieren, während die feineren Feststoffe weiter rückwärts, also in Richtung Flüssigkeitsaustrag abgesetzt werden. Weil diese feineren Feststoffe weniger Masse besitzen, kommt es hier auch zu einer geringeren Verfestigung, was den Austrag dieser Feststoffe unterstützt. Die gröberen Feststoffe können, ehe es zu einer bedeutsamen Verfestigung kommen kann, von der Schnecke auf die Trockenstrecke geschraubt werden. Bei der Gleichstromzentrifuge (Abb. E-136a) erfolgt die Eingabe der Schlämme am Ende der zylindrischen Trommel. Flüssigkeit und Feststoffe werden zunächst in dieselbe Richtung transportiert. Etwa zu Beginn des konischen Teils fließt die Flüssigkeit durch Kanäle in der Schnecke separat zur Austrittsöffnung. Die Feststoffe gelangen über die Trocknungsstrecke zum Abwurfgehäuse am konischen Ende der Trommel. Der Vorteil dieses Prinzip ist in einer guten Entwässerung der Schlämme bei relativ geringer Beschleunigung zu sehen. Während bei der Gegenstromzentrifuge die Schlämme im TrommelMittelteil zuläuft und dort infolge des Feststoff-Flüssigkeits-Gegenstroms sowie durch die Rückführung des Feststoffs über diese Stelle hinweg der Absetzvorgang vorübergehend durch Turbulenzen gestört wird, was jedoch den Trennwirkungsgrad nicht nachhaltig beeinträchtigt, beginnt bei der Gleichstrom-Ausführung die Absetzzone bereits an der dicht vor der geschlossenen Trommelrückwand liegenden Aufgabestelle. Die längere Dauer des ungestörten Absetzvorgangs bietet auch feinsten Partikeln Gelegenheit zum Absetzen und ergibt eine größere Feststoffverdichtung und ein besser geklärtes Zentrat. Die Flüssigkeit (Zentrifugat) läuft nach Abschluss des Klärvorganges über ein Wehr ab. Die optimale Einstellung der Teichtiefe erfolgt durch Einstellung der Platten des Überlaufwehrs. Die Gleichstromzentrifuge wird bevorzugt in der Abwassertechnik eingesetzt, wo cremige Feststoffe abzuscheiden sind. In der Spülungsaufbereitungstechnik, wo härtere und gröbere Feststoffe abzutrennen sind, besteht die Gefahr, dass sich die gröberen und damit schwereren Feststoffe sofort hinter der Eintrittsöffnung absetzen und dort bereits verfestigen, so dass ihr Austrag zur Unterlauf-Austragsöffnung am anderen Ende der Zentrifuge schwierig werden
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kann. Außerdem besteht die Gefahr der Verstopfung der Rückführkanäle der Flüssigkeit bei ungenügender Feststoffabtrennung aus der flüssigen Phase.
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Abb. 136-b: oben: Zentrifuge MiSwaco Typ CD 500 – unten: Schnitt und Details [MiSwaco] Technische Daten:
Maße: Länge / Breite / Höhe Gewicht Drehmoment: Umdrehungen Kapazität
4000 / 2150 / 2040 mm 5178 kg 5000 Nm 28000 U/min 757 l/min
8.3.10.4 Zentrifugenantriebe Für den Antrieb von Trommel und Förderschnecke einer Zentrifuge gibt es folgende Möglichkeiten: • Keilriemenantrieb mit Planetengetriebe, • Hybridantrieb,
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• vollhydraulischer Antrieb, • Frequenz-Steuerung. Zwischen der Trommel und der Schnecke muss eine Drehzahldifferenz bestehen, damit ein Feststoffaustrag stattfinden kann. Würden beide Elemente mit derselben Drehzahl arbeiten, so wäre ein Austrag nicht möglich, die sedimentierten Feststoffe würden dort verharren, wo sie sedimentiert sind. Diese Differenzdrehzahl wird durch ein Getriebe bewirkt. Ein für im Bohrbetrieb eingesetzte Gegenstromzentrifugen typisches Drehzahlverhältnis liegt bei 80:1. Das bedeutet, dass die Förderschnecke pro 80 Umdrehungen gegenüber der Trommel eine Umdrehung langsamer ist. Läuft die Trommel also mit 1800 min-1, so dreht sich die Schnecke mit 1800/80 = 22,5 min-1 weniger, also nur mit 1777,5 min-1. Da diese Drehzahldifferenz exakt beibehalten werden muss, Schwankungen also nicht gestattet sind, kommt dem Antriebskonzept und dem System der Verwirklichung der Differenzdrehzahl eine besondere Bedeutung zu. Die Antriebssysteme werden in der Regel von den Herstellern bestimmt und hier nicht weiter erläutert. Keilriemenantrieb kommt wegen der vielen Nachteilen kaum noch zum Einsatz.
8.4 Feststoffkontroll-Systeme 8.4.1 Allgemeines Alle Spülungssysteme, gleichgültig, ob es sich dabei um wasser- oder ölbasische Spülungen, Ton-Süßwasser- oder Ton-Salzwasser-Spülungen, KCL-Kreide-Spülungen oder feststofffreie Polymerspülungen handelt, benötigen dieselben, grundsätzlichen Feststoffkontroll-Einrichtungen, wenngleich die Schaltung der einzelnen Geräte den jeweiligen Spülungen und Betriebsbedingungen angepasst werden muss. Und genau hier beginnt oftmals das Problem. Unkorrekte Schaltungen im Feststoffkontrollpfad können dazu führen, dass die Geräte nur einen Teilstrom des Zirkulations-Spülungsvolumens bearbeiten und damit den gesamten Aufbereitungsprozess infrage stellen. Nur ein exakt arbeitendes Aufbereitungssystem, bestückt mit ausreichend dimensionierten Feststoffkontroll-Geräten, garantiert optimalen Aufbereitungserfolg, der letztlich allen, Operator wie Contractor, zugutekommt, indem wirtschaftlich gearbeitet werden kann, indem optimale Bohrfortschrittsraten erzielt werden können und indem Bohrlochschwierigkeiten wie Nachfall, Stuck Pipe, Fehlzementationen, erhöhte Pumpendrücke und damit erhöhte Energiekosten usw. auf eine unvermeidliches Mindestmaß reduziert werden. Um Strömungskurzschlüsse zu vermeiden, sollte das übertägige SpülungsZirkulations- und aufbereitungssystem übersichtlich und klar gegliedert sein. Es sollte in drei genau definierte Abteilungen unterteilt sein: • die Abscheidesektion (removal section) • die Zugabesektion (additions section) • die Saug-Sektion (suction section) Alle unerwünschten Feststoffe sowie das von der Spülung mit nach übertage gebrachte Gas müssen in der Abscheidesektion vollständig entfernt werden. Hier sind die Abscheidegeräte wie Schüttelsieb, Hydrozyklone (Desander, Desilter, Mud Cleaner) und die Zentrifugen zu installieren und zwar so, wie das bei der Beschreibung der einzelnen Geräte in den vorherigen Kapiteln bereits erläutert wurde. In der Zugabesektion erfolgt die Zugabe von notwendigen oder erwünschten Feststoffen (Spülungstonen, Beschwerungsstoffen) und Chemikalien (Polymere u.a.). Um diese Zuschlagstoffe auch tatsächlich in den Spülungskreislauf und damit in das Bohrloch zu bringen, wo sie eine
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bestimmte Aufgabe zu erfüllen habe, muss dafür Sorge getragen werden, dass die Zugabesektion von der Abscheidesektion strömungstechnisch getrennt ist, so dass auf jeden Fall ausgeschlossen werden kann, dass die zugesetzten Feststoffe von einem der Abscheidegeräte sofort wieder abgeschieden werden. Das wäre unsinnig und teuer. Auch muss sichergestellt sein, dass die zugesetzten Stoffe in der Spülung in Schwebe gehalten werden und sich nicht auf dem Tankboden absetzen können. Nur so ist es möglich, diese Stoffe auch mit der Spülung in das Bohrloch zu verpumpen. Die Saugsektion muss schließlich so dimensioniert werden, dass dem Spülungstechniker ausreichend Zeit verbleibt, die Spülungsparameter zu messen und gegebenenfalls zu korrigieren, ehe die Spülung verpumpt wird. Die folgenden Ausführungen sollen sich im Wesentlichen mit der Abscheide- oder Aufbereitungssektion des übertägigen Spülungssystems befassen, da die Zugabe von Zuschlagstoffen sowie die Messung der Spülungsparameter nicht mehr direkt zum Thema Feststoffkontrolle gehören. Erwähnt sei lediglich, dass alle Tanks oder Kammern im übertägigen Zirkulationssystem, mit Ausnahme der Sandfalle (I), mit Rührwerken oder Spülungskanonen bestückt sein sollten, damit die Spülung ständig in Bewegung gehalten werden kann, um so ein Absetzen von Feststoffen auszuschließen. Das ist sowohl in der Abscheide- wie auch in der Zugabe- und der Saugsektion von Bedeutung. Bezogen auf die Abscheidesektion ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen Feststoffkontrollsystemen für unbeschwerte und für beschwerte Spülungen. Lediglich die Schüttelsiebe werden bei beiden Spülungstypen gleichermaßen eingesetzt, so dass sie bei den nachstehenden Betrachtungen unberücksichtigt bleiben können.
8.4.2 Feststoffkontrollsysteme für unbeschwerte Spülungen In einem Feststoffkontrollsystem für unbeschwerte Spülungen sollten folgende Geräte installiert sein: • Schüttelsieb(e) • Desander Desilter • Zentrifuge(n) Dabei wurden die Geräte nach dem Grundsatz geordnet, dass eine Feststoffabscheidung nach der Korngröße stattfindet, und dass alle Feststoffe, die der Spülung nicht bewusst zugesetzt wurden wie Spülungstone, aus dieser zu entfernen sind, da sie immer einen störenden Einfluss auf den Bohrprozess ausüben (Bohrlochschwierigkeiten, verminderten Bohrfortschritt u.a.). Das Schüttelsieb übernimmt die Grobabscheidung bis etwa 175 μm (80 Mesh Sieb) bzw. 150 μm (100 Mesh Sieb). 10“ Desander mit einem Cut Point von etwa 60 μm scheiden die Feststoffe bis zu dieser Korngröße ab, während die Desilter (4“ Desilter) mit einem Cut Point von etwa 20 μm die feineren Feststoffe bis zu dieser Kornfraktion aus der Spülung entfernen. Die Feinstfeststoffe im kolloidalen Bereich bis etwa 2 μm können schließlich von der Zentrifuge entfernt werden. Allerdings handelt es sich bei den hier genannten Werten um theoretische Abscheidefraktionen, die im praktischen Betrieb nur selten, wenn überhaupt, erreicht werden. Das hängt damit zusammen, dass die Viskosität der flüssigen Phase der Spülung den Absetzprozess bei Geräten, die auf dem Schwerkraftprinzip arbeiten (Hydrozyklone, Zentrifugen) stark beeinflusst, und dass die Feststoffbeladung im Einlauf und die Durchsatzkapazität sowie die Einstellung der Geräte unter Betriebsbedingungen nicht immer optimal sind. Das führt schließlich dazu, dass ohne Flockulation eine rein mechanische Abscheidung von Kornfraktionen kleiner 10 μm in der Praxis nicht mehr gegeben ist.
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Desander und Desilter sind typische Geräte für die Aufbereitung unbeschwerter Spülungen, die die mittleren Kornfraktionen aus einer Spülung entfernen. Zentrifugen haben bei unbeschwerten Spülungen eine doppelte Funktion. Zum einen werden sie im aktiven System (InLine-Betrieb) immer dann eingesetzt, wenn spülungsbildende (hydratisierbare) Tone erbohrt werden, um die Viskosität der Spülung herabzusetzen. Die Alternative zum Zentrifugeneinsatz ist die Verdünnung der Spülung. Das bedeutet, dass eine Zentrifuge nicht permanent gefahren werden muss, und dass sie auch nicht auf jeder Bohrung als Standard-Equipment benötigt wird. Zum andern werden sie immer häufiger im passiven System eingesetzt, um eine Feststoffentwässerung durchzuführen mit dem Ziel der Trocknung des Deponiegutes und der Rückgewinnung der flüssigen Phase mit den darin enthaltenen, oftmals sehr teueren, Chemikalien.
Abb. E-137: Schema einer Feststoffkontroll-Einrichtung mit Zentrifuge zur Bohrkleintrocknung [BgH]
Im passiven Spülungssystem gehören Zentrifugen immer dann zur Standard-Ausrüstung eines Feststoffkontrollsystem, wenn mit teueren Flüssigphasen (Polymer-, KCL-Spülungen) oder mit teueren und umweltfeindlichen Flüssigphasen (Öl) gearbeitet werden muss, oder wenn Abfuhr- und Deponiekosten sehr hoch sind oder Deponieraum knapp ist, wie das nicht nur in Offshore-Bohrgebieten der Fall ist, sondern in jüngster Zeit zunehmend auch in den deutschen Onshore- Bohrgebieten. Aus diesem Grunde finden sich Zentrifugen zur Bohrkleinentwässerung (Zentrifugen im passiven Spülungssystem) immer häufiger auf Bohranlagen.
8.4.3 Feststoffkontrollsysteme für beschwerte Spülungen In einem Feststoffkontrollsystem für beschwerte Spülungen sollten folgende Geräte installiert sein: • Schüttelsieb(e) • Desander ((optional) • Mud Cleaner • Zentrifuge(n)
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Das Schüttelsieb übernimmt die Grobabscheidung bis etwa 175 μm (80 Mesh Sieb) bzw. 150 μm (100 Mesh Sieb). Der Einsatz von Desandern empfiehlt sich bei beschwerten Spülungen nicht, da 10“ Desander zwar einen Cut Point von etwa 60 μm haben, diese Kornfraktion jedoch nicht als Minimum garantiert werden kann, da die Trennschärfe von Hydrozyklonen von einer ganzen Reihe von Faktoren beeinflusst wird. Da jedoch der bewusst zugesetzte Schwerspat in Kornfraktionen zwischen etwa 2 und 60 μm vorliegt, besteht bei dem Betrieb von Desandern die Gefahr, dass zu viel Schwerspat vom Desander mit abgeschieden wird. Der dadurch fehlende Beschwerungsstoff müsste der Spülung wieder zugesetzt werden, um die angestrebte Dichte der Spülung zu halten. Das würde die Spülungskosten stark belasten. Um nun aber die Kornfraktionen größer etwa 74 m (Sand nach API) aus der Spülung zu entfernen, da diese die Spülung belasten würden, werden Mud Cleaner mit 200 Mesh Sieben eingesetzt. Dadurch wird sichergestellt, dass alle Kornfraktionen kleiner 74 μm der Umlaufspülung wieder zugeführt werden. Ist die Feststoffbeladung der Mud Cleaner Aufgabe so groß, dass ein 200 Mesh Sieb den Feststoffanfall nicht bewältigen würde, so kann auch ein 150 Mesh Sieb mit einem Cut Point von etwa 100 μm eingesetzt werden. Zentrifugen können schließlich wieder sowohl im aktiven wie auch im passiven Spülungssystem eingesetzt werden, um entweder die kolloidalen Feinstfeststoffe abzuscheiden, (Schwerspatrückgewinnung), oder um eine Bohrkleinentwässerung vorzunehmen. Abb. E-138 zeigt eine schematische Darstellung eines Feststoffaufbereitungssystems für beschwerte Spülungen mit einer Zentrifuge im In-Line-Betrieb.
Abb. E-138: Schematische Darstellung eines Feststoffaufbereitungssystems für beschwerte Spülungen mit einer Zentrifuge im In-Line-Betrieb [BgH]
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8.5 Degasser 8.5.1 Aufgabe und Installation von Degassern
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Der Degasser (Entgaser) ist zwar kein Feststoffkontrollgerät, er gehört aber ebenso zu den Spülungsaufbereitungsgeräten wie die Feststoffkontrolleinrichtungen und hat hier eine sehr wichtige Funktion zu erfüllen. Er soll die Gasanteile aus dem Spülungsstrom ausscheiden, was aus mehreren Gründen für den Bohrprozess wie auch für den Spülungsaufbereitungsprozess von entscheidender Bedeutung ist. Durch eine Spülungsentgasung wird bewirkt, dass die Spülungsdichte nicht unter den beabsichtigten Wert absinkt (Gas ersetzt Flüssigkeit oder Feststoffe und reduziert damit die Gesamtdichte) und somit zu möglichen Bohrlochproblemen wie Kicksituationen führt. Daneben wird die Feuer- und Explosionsgefahr reduziert, da die Spülung teilweise auf dem Wege durch die obertägige Tank- und Aufbereitungsanlage entgast, so dass sich Gaswolken über den Tanks bilden, die zur Explosion führen können. Hohe Gasanteile in der Spülung beeinträchtigen auch den Wirkungsgrad der Spülpumpen (Kolbenpumpen), weil das Gas in den Zylindern komprimiert wird und beim Saughub expandiert. Das führt auf jeden Fall dazu, dass der Pumpenzylinder nur unvollständig mit Spülung gefüllt und die Pumpförderrate somit reduziert wird. Entspricht der Zylinderinhalt der Pumpe ungefähr dem Gasanteil in der Spülung, so wird das Gas beim Betrieb der Pumpe in den Zylindern lediglich expandiert und komprimiert, es wird aber keine Spülung mehr gefördert, die Pumprate geht also gegen Null. Eine reduzierte Pumpförderrate bedeutet auch, dass der Pumpendruck abnimmt. Hinzu kommt, dass die Pumpe wegen des Gaspolsters in den Zylindern sehr unregelmäßig läuft, was zu Schlägen im Druckleitungssystem (Steigleitung, Spülschlauch) führt. Gasanteile in der Spülung bewirken auch, dass der Tankspiegel nicht exakt erfasst werden kann, wegen der ständigen Oberflächenentgasung der Spülung in den Tanks. Das kann dazu führen, dass geringe Zuflüsse (Kicks) nicht oder nicht rechtzeitig erkannt werden, was zu einem Problem der Bohrlochkontrolle werden kann. Und schließlich unterstützt der Degasser die Effektivität der Hydrozyklone, da diese von den Kreiselpumpen nur ungenügend mit Spülung beliefert werden können, wenn die Spülung vergast ist, da Gas den Wirkungsgrad von Kreiselpumpen stark beeinträchtigt.
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Abb. E-139: Vertikal D-Gasser System MI SWACO
Um diese Aufgaben erfüllen zu können, muss der Degasser 1. unmittelbar hinter dem Schüttelsieb, vor allen 2. anderen Aufbereitungsgeräten installiert sein, 3. den gesamten Spülungsstrom entgasen. Die wichtigsten Daten:
Länge: Breite:
1541,8 mm 1066,8 mm
Höhe : Gewicht:
3784,6 mm 1933 kg
Kapazität: 3028,3 L/min
Da die Spülung dem Degasser mittels einer Pumpe zugeführt werden muss, diese aber nicht aus dem Schüttelsiebtank (Sandfalle) saugen darf, um die abgesetzten Feststoffe nicht wieder aufzuwirbeln, ist die beste Installationsmöglichkeit für den Degasser unmittelbar auf dem ersten Tank hinter dem Schüttelsiebtank.
Abb. E-140: Richtige und falsche Installation von Degassern
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Dieser Tank ist durch ein (hohes) Wehr so zu unterteilen, dass zwei Kammern entstehen. Dabei ist darauf zu achten, dass das Wehr bis zum Tankboden reicht und mit diesem verbunden ist, so dass eine Spülungszirkulation unter dem Wehr hindurch ausgeschlossen wird. Das Ansaugrohr des Degassers ist so tief wie möglich (bis unmittelbar über den Tankboden) in die erste Kammer hinein zu bringen, und die Spülung in dieser Kammer ist durch Rührwerke ständig in Bewegung zu halten. Dadurch wird sichergestellt, dass die Spülung ständig durchmischt wird und sich keine schwerere Spülung am Tankboden absetzt (unterschichtet). Von hier wird die Spülung nun angesaugt und durch den Degasser in die zweite Kammer geleitet. Dabei ist darauf zu achten, dass der Spülungsspiegel in der zweiten Kammer höher ist als in der ersten, so dass die Spülung über das Wehr zurück in die erste Kammer strömen kann. Das bedeutet, dass bereits entgaste Spülung zurück in die Saugkammer strömen und nochmals durch den Degasser geleitet werden kann und nicht umgekehrt. Nur so kann ausgeschlossen werden, dass unbehandelte Spülung in das Zirkulationssystem gelangt. Die richtige Degasserinstallation ist Abb. E-140 zu entnehmen. Für den Degasser bedeutet das, dass er auf eine höhere Durchflussrate als die Zirkulationsrate ausgelegt sein muss. Ein gängiger Kapazitätswert für einen Degasser ist, ihn auf etwa 125% der effektiven Zirkulationsrate auszulegen, so dass sichergestellt ist, dass mindestens 100% des Spülungsstromes durch den Degasser geleitet werden können.
8.5.2 Grundlagen der Spülungsentgasung Grundlage einer Entgasung von Flüssigkeiten ist, dass die Gasblasen die Oberfläche oder die Grenzfläche zwischen Flüssigkeit und Atmosphäre erreichen müssen, um dort aufzubrechen und das Gas freizusetzen. Das ist besonders bei sehr kleinen Gasblasen nicht einfach, zumal wenn die Flüssigkeit (Spülung) noch eine höhere Viskosität hat, die die Mobilität der Gasblasen stark beeinträchtigt. Bei der Entgasung von Spülungen haben sich vier Mechanismen bewährt, die alle auf mechanischen Grundlagen basieren: 1. Erzeugen eines sehr dünnen Flüssigkeitsfilms 2. Vergrößerung der Gasblasen (Durchmesser) 3. Erzeugen einer Turbulenz in der Flüssigkeit 4. Erzeugen eines Zentrifugaleffektes, um die Gasblasen abzuschleudern. Ein dünner Flüssigkeitsfilm wird erzeugt, indem die Spülung über Platten geleitet wird. Dadurch wird der Weg, den die Gasblasen bis zur Oberfläche der Flüssigkeit zurücklegen müssen, bis zu einem hundertstel des ursprünglichen Weges verkürzt, so dass eine Gasseparation möglich wird. Eine Vergrößerung der Gasblasen bewirkt eine höhere Wanderungsgeschwindigkeit und damit eine bessere und schnellere Separation. Die Blasenvergrößerung wird erreicht, indem der Umgebungsdruck reduziert wird, was durch Anlegen eines Vakuums geschieht (Prinzip des Vakuum-Degassers). Auf diese Weise kann eine Verdoppelung des Blasendurchmessers erzielt werden, was eine Erhöhung der Wanderungsgeschwindigkeit um bis zu 60% ergibt.
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Abb. E-141: Turbulente Strömung zur Gasabscheidung
Turbulente Strömung einer Flüssigkeit bedeutet, dass eine ungeordnete (chaotische) Flüssigkeitsbewegung stattfindet, so dass die Chance, dass die Gasblasen dabei an die Oberfläche gelangen und aufplatzen, recht groß ist, besonders dann, wenn Turbulenz erzeugt wird und die Spülung gleichzeitig über ein Plattensystem (Erzeugen einer dünnen Flüssigkeitsschicht) geleitet wird. Bei den atmosphärisch arbeitenden Degassern wird mit dem Zentrifugaleffekt gearbeitet. Dabei wird die Spülung unter hohem (Pumpen-) Druck gegen die Innenwand eines Tanks geschleudert (gesprüht), wobei es zu einer starken Oberflächenvergrößerung und Freisetzung der Gasblasen kommt.
8.5.3 Arten von Degassern Bei den Degassern ist grundsätzlich zwischen zwei verschiedenen Bauarten zu unterscheiden: 1. den atmosphärisch arbeitenden Degassern, und 2. den mit Vakuum arbeitenden Degassern. Eine dritte Art soll der Vollständigkeit halber noch erwähnt werden, die sogenannten MudGas-Separatoren (mud gas separator, gas buster). Dieser Begriff wird für ein Gerät benutzt, das dazu verwendet wird, Gas auf einfachste Weise aus der Spülung zu entfernen. Dabei handelt es sich um Geräte, die in der Regel vom Bohrunternehmer selbst angefertigt werden, und die meistens aus einem senkrecht stehenden, großkalibrigen Rohr bestehen, in das die Spülung tangential eingeleitet wird. Durch die Durchmesserdifferenz zwischen dem Befüllrohr und dem Mud-Gas-Separator kommt es zu einer Druckreduzierung und gleichzeitig zu einer Oberflächenvergrößerung, was eine Gasabscheidung bewirkt. Das Gas steigt dabei nach oben auf und wird hier über ein Schornsteinrohr in die Atmosphäre abgeleitet, während die Spülung aufgrund der höheren Dichte nach unten absinkt und in einen Tank geleitet wird. Der Mud-Gas-Separator wird im Ölfeld auch als „Poor Boy Degasser“ bezeichnet. Der Unterschied zwischen dem Mud-Gas-Separator und dem Degasser besteht darin, dass der Mud-Gas-Separator aufgrund seiner einfachen Bauweise nur die größeren Gasblasen ausscheiden kann und nur bei Anfall größerer Gasmengen eine zufriedenstellende Wirkung zeigt. Wie entsprechende Untersuchungen ergeben haben, liegen die Gasblasen in einem Spülungstank bei gasverschnittener Spülung (gas cut mud) in der Regel in Durchmesserbereichen um etwa 1/16“ (ungefähr 1,5 mm) vor. Diese Blasen können vom Mud-Gas-Separator nicht entfernt
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werden. Dieses Gerät benötigt Gasblasendurchmesser, die im Bereich zwischen 1/4“ und 1“ (6 bis 25 mm) liegen. Deshalb hat sich der Mud-Gas-Separator auch besonders zur Gasabscheidung beim Auszirkulieren von Gaskicks bewährt. Wegen seiner einfachen Bauweise ist er in der Regel transportabel. Installiert wird der Mud-Gas-Separator oftmals noch vor dem Schüttelsieb, indem er direkt mit dem Auslauf (flow line) verbunden wird, oder (für Kicksituationen) indem er mit dem Choke Manifold verbunden wird. Seit einigen Jahren werden Mud-Gas-Separatoren auch kommerziell angeboten. Ein solches Gerät mit den oben beschriebenen Installationsmöglichkeiten zeigt E-141. Ein erster Degasser-Typ wurde etwa 1940 für die Entgasung von Salzwasser, das zum Wasserfluten in die Lagerstätte reinjiziert werden sollte, installiert. Im Bohrbetrieb, zur Spülungsentgasung, wurden Degasser erst später eingesetzt. So kamen Vakuum-Degasser um 1951 und atmosphärisch arbeitende Degasser um 1970 erstmalig zum Einsatz. Einer der gängigsten atmosphärisch arbeitenden Degasser ist der DRILCO SEEFLO Degasser, der nach folgendem Prinzip arbeitet (siehe auch Abb. E-142 + 143): Mittels einer Kreiselpumpe wird die Spülung aus der Saugkammer des Tanks, über dem der Degasser installiert ist, in die Steigleitung (riser pipe) gefördert und zum Degassergehäuse geleitet. Hier wird sie in die horizontale Richtung umgelenkt und durch ein einstellbares Ventil mit hoher Geschwindigkeit gegen die vertikale Wand des Degassers gesprüht. Durch die Aufprallkraft der Spülung auf die Wand werden die Gasblasen freigesetzt. Die entgaste Spülung fließt an der Wand nach unten, wird über Leitbleche zu einem Rohr oder einer Rinne geleitet und gelangt so in die zweite (downstream) Kammer des Tanks.
Abb. E-142: Installation eines Mud-Gas-Separators
Die Volumenstromrate, die ein solcher Degasser durchsetzen kann, hängt im wesentlichen von der Eintauchtiefe des Saugrohres ab oder, anders ausgedrückt, vom Füllstand (pit level) des Tanks, also von der Höhe der Flüssigkeitssäule zwischen Ansaugstutzen und Spülungsspiegel.
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Das Diagramm in Abb. E-144 zeigt die Volumenstromrate in Abhängigkeit vom Tankstand. Je voller ein Tank ist, desto mehr Spülung kann durch den Degasser gepumpt werden. Außerdem wird die Durchflussrate von der Spülungsdichte beeinflusst, da steigende Dichte die Volumenstromrate entsprechend reduziert.
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Abb. E-143: Arbeitsweise eines atmosphärisch arbeitende Degassers [DRILCO SEEFLO]
Die Strömungsgeschwindigkeit im Degasser selbst muss hoch sein, damit Spray Flow erreicht wird, der zur Freisetzung der kleinen Gasblasen erforderlich ist. Je niedriger aber die Volumenstromrate ist, desto geringer wird auch die Strömungsgeschwindigkeit. In einem solchen Fall muss die Öffnung des Austrittsventils für den horizontal gerichteten Spülungsstrom im Degasser verkleinert werden. Hierfür gibt es entsprechende Kurven oder Tabellen des Herstellers.
Abb. E-144: Volumenstromrate eines atmosphärisch arbeitenden Degassers in Abhängigkeit vom Tankstand
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Atmosphärisch arbeitende Degasser liefern zufriedenstellende Ergebnisse, wenn sie zur Entgasung von wasserbasischen Spülungen niedriger Dichte und Viskosität eingesetzt werden. Die Gelstärke (yield point) sollte nach ORMSBY nicht über 50 dPa (= 10 lb/100 sq.ft) liegen. Während atmosphärisch arbeitende Degasser in der Regel eine Entgasung mittels turbulenter Strömung und/oder Zentrifugalkraft bewirken, arbeiten Vakuum-Degasser mittels Vakuum, dünnem Flüssigkeitsfilm und turbulenter Strömung, so dass der Entgasungseffekt schon dadurch begründet, besser sein muss. Der Original-Vakuum-Degasser (hier erläutert am Beispiel des SWACO DGASSER) besteht aus einem länglichen, horizontal angeordneten Tank (Abb. E-145 + 146). Die Spülung wird, wie beim atmosphärisch arbeitenden Degasser, aus einer Saugkammer unmittelbar hinter dem Schüttelsiebtank entnommen und -nach der Entgasung – in eine nachfolgende (downstream) Kammer geleitet. Die angesaugte Spülung wird, sobald sie die Degasser-Kammer erreicht hat, in einen oben offenen Trog, der sich im oberen Teil des Degassers befindet, geleitet, läuft über den Trogrand über, und gleitet über die am Trog befestigten, nach unten geneigten Prallbleche ab, wobei ein dünner Flüssigkeitsfilm entsteht..
Abb. E-145: Vakuum-Degasser [SWACO D-GASSER]
Abb. E-146: Horizontal D-GASSER [MI SWACO]
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Technische Daten:
Länge: Breite:
3988 mm 1067 mm
Höhe : Gewicht:
2210 mm 1521 kg
Kapazität: 3785,4 L/min
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Abb. E-147: Vakuum Degasser mit vertikalem Vakuumtank [WELLCO DGASSER 5200]
Das von einem Vakuum-Degasser zu erzeugende, optimale Vakuum (pvc,pt) kann mittels nachstehender Gleichung berechnet werden: Pvopt = 0,098 · H · pm [bar] Hierin sind: Abstand zwischen Spülungsspiegel und Spülungsaustrittsöffnung Ǧሾሿ pm Spülungsdichte [kg/l]
8.5.4 Ermittlung der Abfuhrkosten Der Abfuhrfaktor wird wie folgt definiert: f=
Summ der abzufahrenden Volu min a an Cutting Spülung Schmutzwasser etc. erbohrtes Volumen nach Bohrlochbermessung (gem. BMG)
Wird beispielsweise ein 1000 m tiefes 17.1/2“ Bohrloch gebohrt, so beträgt das theoretische Bohrlochvolumen: 155,2 l/m x 1000 m = 155,2 m3 Wird unterstellt, dass laut Kalibermessung (BGT) ein Volumen von 200 m3 erbohrt wurde, so kann dieses theoretische Bohrlochvolumen als Deponievolumen niemals erreicht werden, weil dabei der Schüttfaktor eines Massengutes und der Betrag der am Bohrklein anhaftenden
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Feuchtigkeit (Flüssigkeitsvolumen) nicht berücksichtigt wurde. Das bedeutet, dass das Deponievolumen immer größer sein muss als das effektiv erbohrte Bohrlochvolumen. Werden somit im betrachteten Fall neben den 200 m3 Cuttings noch 350 m3 Spülungsbestandteile (Haftwasser etc.) und 50 m3 Schmutzwasser abgefahren, so ergibt sich ein Deponiefaktor von: 600 = 3, 0 200 Je niedriger somit der Deponiefaktor gehalten werden kann, desto mehr Kosten können eingespart werden, und desto weniger Deponievolumen wird benötigt, was u.a. ein wesentlicher Beitrag zum Schutz der Umwelt bedeutet. F=
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9 Instrumentierung von Bohranlagen 9.1 Allgemeines Der Tiefbohrbetrieb zeichnet sich als „Gesteinsbearbeitungsbetrieb“ gegenüber anderen Betrieben, die Metall, Holz oder ähnliche Materialien bearbeiten, dadurch aus, dass man das Material, das bearbeitet wird, nicht sehen kann, und dass man die Bearbeitungsparameter nur bedingt erfassen und sichtbar machen kann. Das bedeutet, dass man im Tiefbohrbetrieb auf indirekte Anzeichen und Messergebnisse angewiesen ist, die dann entsprechend interpretiert werden müssen. Aus diesem Grund ist es erforderlich, dass auf einer Bohranlage alle notwendigen Parameter erfasst und dorthin übertragen werden, wo sie zur Überwachung des Bohrprozesses benötigt werden. Das ist in erster Linie der Steuerstand der Bohranlage auf der Arbeitsbühne, wo der Driller bzw. die jeweils für das Bohren zuständige Person diese Daten ständig im Blickfeld haben muss, um sie überwachen zu können. Einige Daten können auch zusätzlich an andere Orte im Bohrbetrieb wie beispielsweise das Büro des Bohrstellenleiters (Toolpusher), des Auftraggebervertreters auf der Lokation (Supervisor) oder in die Verwaltung von Kontraktor oder Operator übertragen werden. Auch werden einige Daten gespeichert bzw. ausgedruckt, damit eine spätere Bearbeitung bzw. Beurteilung möglich ist. Neben den reinen Bohrdaten werden aber auch Maschinendaten und solche Daten, die der Sicherheit von Bohrmannschaft und Bohrgerät dienen, erfasst und verfügbar gemacht, wobei Wert darauf zu legen ist, dass die wesentlichen Daten, soweit möglich, „real time information“ sind, also Daten, die zum Zeitpunkt ihrer Erfassung auch verfügbar sind. Das ist notwendig, um im Bereich der Sicherheit Gefahren rechtzeitig zu erkennen und abzuwenden, und im Bereich der Bohrparameter Trends zu erfassen, um ggfs. eingreifen zu können, um das Ergebnis zu beeinflussen. Die Daten lassen sich sowohl optisch auf entsprechenden Instrumenten (analog oder digital) darstellen wie auch im Computer für spätere Auswertungen speichern oder ausdrucken, sowohl kontinuierlich auf zeitabhängigen Streifen wie auch als Hardcopy. Zusätzlich muss es möglich sein, wenn Gefahr im Verzuge ist, also bei Überschreitens von zuvor festgelegten
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Grenzwerten, optische und/oder akustische Signale zu erzeugen, die die verantwortlichen Personen wie auch die Bohrmannschaft auf eine solche Gefahr hinweisen. Wie überall, so ist auch im Bohrbetrieb besonderer Wert darauf zu legen, dass die erfassten Messwerte so exakt wie möglich wiedergegeben werde, dass also die Genauigkeit der Anzeigegeräte möglichst groß ist. Das ist jedoch, gerade im Bohrbetrieb, vielfach nur bedingt möglich, da hier vielfach sehr robuste Instrumente gefordert werden müssen, wobei die Robustheit in der Regel zu Lasten der Anzeigegenauigkeit geht. Um so wichtiger ist es, die Instrumente von Zeit zu Zeit zu kalibrieren, regelmäßig zu warten und korrekt einzustellen, und sorgsam zu behandeln, damit die Anzeigen so genau wie möglich erfolgen können.
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Abb. E-148: Driller-Cabine (Geräteführer-Stand) [WEG-Bilderdienst]
Die an den Instrumenten angezeigten Daten werden an den verschiedensten Stellen aufgenommen. In erster Linie sind das Messstellen, die übertage an den verschiedenen Maschinen, Geräten oder Installationen angebracht sind. Es können aber auch Messstellen sein, die sich untertage im Bohrstrang unmittelbar oberhalb des Bohrwerkzeugs befinden, und die die gemessenen Daten nach übertage zu den Anzeigeeinheiten übermitteln, z. B. mittels MWD (Measuring While Drilling), einem Spülungspulsverfahren. Werden die Daten übertragen, so wird auch hierbei Wert auf das Real Time Verfahren gelegt. Allerdings kann die untertage ermittelte Datenmenge größer sein als die Übertragungskapazität des MWD Systems. In einem solchen Fall können solche Daten, die für den momentanen Bohrungsablauf weniger wichtig sind, auch gespeichert und nach Ausbau des Messwertaufnehmers ausgewertet werden.
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Und schließlich gibt es noch eine Reihe von Messdaten, die mittels spezieller Messwertaufnehmer, die am Kabel in die Bohrung eingelassen werden, ermittelt und über das Kabel zu entsprechenden Auswerteeinheiten übertage übertragen werden (elektrische Bohrlochvermessungen). Da diese Informationen erst nach dem Abteufen eines bestimmten Bohrlochabschnitts ermittelt werden, fallen sie nicht unter die Real Time Daten. Auch sollen sie hier nicht weiter behandelt werden, da es sich hierbei um Sondermessungen handelt, die mit dem eigentlichen Bohrbetrieb nichts zu tun haben, sondern im wesentlichen der Bewertung von Lagerstättenparametern wie Porosität und Permeabilität und Formationsporeninhalt oder zur Feststellung der Bohrlochsgeometrie dienen. Abb. E-149 zeigt die Lokationen der wesentlichen Sensoren (Messwertaufnehmer) für solche Daten, die an der Bohranlage aufgenommen werden, und die für den Bohrbetrieb von besonderer Bedeutung sind.
9.2 Bohrdaten 9.2.1 Allgemeines Die Daten, die für den eigentlichen Bohrprozess von Bedeutung sind, sind die Belastung des Bohrwerkzeugs (weight an bit , WOB), die Drehzahl des Bohrwerkzeugs, das vom Bohrstrang aufgenommene Drehmoment, die Spülungszirkulationsrate und der Druck, mit dem die Spülung zirkuliert wird (Pumpendruck, Steigleitungsdruck), da diese Parameter den Bohrfortschritt direkt beeinflussen. Auch lassen sich aus diesen Daten Rückschlüsse auf den Zustand des Bohrwerkzeugs ziehen. Die zugehörigen Anzeigeinstrumente, die nachstehend zusammen mit den jeweiligen Sensoren besprochen werden, sind: • Anzeige für Hakenlast und Meißelbelastung (weight indicator) • Drehtisch-Drehzahl- und -Drehmomentanzeige • Manometer für Pumpen- und Steigleitungsdruck sowie Casingdruck • Pumpenhubzähler • Zugkraft am Zangenseil • Bohrdatenschreiber
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Abb. E-149: Lokationen von Messwertaufnehmern und Anzeigeninstrumente auf einer Bohranlage
1 :Totseilanker 2: Drehtisch-Drehmoment 3: Drehtisch-Drehzahlmesser 4: Pumpenhubzähler
5: Pumpendruck 6: Steigleitungsdruck 7: Instrumente am Fahrstand 8: Tankstandanzeigen
9: Ausflussrate der Spülung 10: Spülungstemperatur 11: Bohrdatenschreiber
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Es können aber auch Messstellen sein, die sich untertage im Bohrstrang unmittelbar oberhalb des Bohrwerkzeugs befinden, und die die gemessenen Daten nach übertage zu den Anzeigeeinheiten übermitteln, z. B. mittels MWD (Measuring While Drilling), einem Spülungspulsverfahren. Werden die Daten übertragen, so wird auch hierbei Wert auf das Real Time Verfahren gelegt. Allerdings kann die untertage ermittelte Datenmenge größer sein als die Übertragungskapazität des MWD Systems. In einem solchen Fall können solche Daten, die für den momentanen Bohrungsablauf weniger wichtig sind, auch gespeichert und nach Ausbau des Messwertaufnehmers ausgewertet werden. Und schließlich gibt es noch eine Reihe von Messdaten, die mittels spezieller Messwertaufnehmer, die am Kabel in die Bohrung eingelassen werden, ermittelt und über das Kabel zu entsprechenden Auswerteeinheiten übertage übertragen werden (elektrische Bohrlochvermessungen). Da diese Informationen erst nach dem Abteufen eines bestimmten Bohrlochabschnitts ermittelt werden, fallen sie nicht unter die Real Time Daten. Auch sollen sie hier nicht weiter behandelt werden, da es sich hierbei um Sondermessungen handelt, die mit dem eigentlichen Bohrbetrieb nichts zu tun haben, sondern im wesentlichen der Bewertung von Lagerstättenparametern wie Porosität und Permeabilität und Formationsporeninhalt oder zur Feststellung der Bohrlochsgeometrie dienen. Abb. E-149 zeigt die Lokationen der wesentlichen Sensoren (Messwertaufnehmer) für solche Daten, die an der Bohranlage aufgenommen werden, und die für den Bohrbetrieb von besonderer Bedeutung sind. Auf den modernsten Anlagen werden die wichtigsten Bohr- und Gerätedaten auf Monitoren (Bildschirmen) angezeigt. Für die überwiegenden Daten werden aber nach wie vor analoge Zeigergeräte verwendet.
9.2.2 Hakenlast / Meißelbelastung (weight indicator) Der Weight Indicator (Drill-O-Meter) ist eines der Hauptinstrumente auf einer Bohranlage, vergleichbar dem Tachometer in einem Kraftfahrzeug, weshalb dieses Gerät auch zentral am Fahrstand einer Bohranlage angeordnet ist. Das Standardgerät hat eine Analoganzeige für die Hakenlast und die Meißelbelastung, wobei zwei Zeiger das jeweilige Gewicht anzeigen. Der innere Zeiger zeigt das Gewicht, das am Haken hängt, zuzüglich dem Gewicht von Traveling Block, Spülkopf, Haken und Elevator, sowie zuzüglich des Gewichtes des Topdrives, sofern dieser auf der Anlage installiert ist. Insofern ist die Bezeichnung „Hakenlast“ etwas irreführend, da nicht nur die Last, die am Haken hängt, gemessen wird. Auch wird das Stranggewicht unter Auftrieb angezeigt. Der äußere Zeiger gibt die Meißelbelastung an. Diese ergibt sich aus der Hakenlast des frei über der Sohle hängenden Stranges (off bottom) abzüglich dem Stranggewicht des Stranges, wenn der Meißel belastet wird (on bottom), wenn also ein Teil des Stranggewichtes auf dem Meißel abgestellt wurde. Hakenlast und Meißelbelastung ergeben also zusammen die Last bei frei über der Bohrlochsohle hängendem Strang. Diese Anzeige ist empfindlicher als die der Hakenlast.
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Ab. E-150: Moderner Fahrerstand einer Tiefbohranlage – überwiegend mit digitalen Anzeigegeräten und Bildschirmen ausgestattet.
Auch kann die Skalenscheibe mittels eines Rades so eingestellt werden, dass der Zeiger auf null steht, wenn der Strang frei über der Bohrlochsohle hängt, also die Meißelbelastung Null ist. Die Skalen sind jeweils entsprechend der Seileinscherung im Flaschenzug zu wählen, da sich die angezeigte Hakenlast aus dem Zug im Zugseil, multipliziert mit der Einscherung, ergibt. Aus diesem Grund sind die Skalenscheiben auswechselbar.
Abb. E-151a: Typisches Anzeigegerät in der Driller-Cabine älterer Bohrgeräte – links: Anzeigegerät für Gewichtsanzeige, Pumpendruck, Zangenseil – rechts: Drill-O-Meter
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Eine Vergleichsrechnung zwischen dem berechneten Stranggewicht unter Auftrieb und dem am Weight Indicator gemessenen Stranggewicht gibt Aufschluss darauf, wie die Konditionen im Bohrloch sind. So wird das Stranggewicht beim Ausbauen des Stranges durch Reibung zwischen Strang und Bohrloch immer höher sein als berechnet. Wird die Überlast (Overpull) jedoch größer als der Reibung entspricht, wobei sich der Reibungsbetrag auf Erfahrungswerte stützt, so ist das ein Anzeichen dafür, dass der Strang durch Nachfall, Sedimentbetten, Stuck Pipe oder ähnliches festgehalten und zusätzlich belastet wird. Für den Driller ist das ein Zeichen dafür, dass er vor dem weiteren Ausbau des Stranges die Ursache für diese Anomalien feststellen muss, um diese zunächst zu beseitigen. Würde er diese Anzeichen nicht beachten, so könnte es zum Gestängebruch kommen. Das Anzeigegerät (Weight Indicator) selbst arbeitet wie ein Röhren-Manometer und besteht aus einer gebogenen, mit Flüssigkeit gefüllten Röhre, an der über ein Getriebe die Zeiger befestigt sind. Je höher der auf diese Röhre aufgebrachte Druck ist, desto mehr versucht diese, in die gestreckte Position zu gelangen, wobei die Zeiger entsprechend ausgelenkt werden. Das Anzeigegerät ist über einen Schlauch mit dem Messwertaufnehmer oder Sensor verbunden. Hakenlast und Meißelbelastung können auch digital angezeigt sowie auf einem Mehrkanalschreiber im Doghouse aufgezeichnet werden. Als Sensoren sind drei verschiedene Systeme bekannt: • Messwertaufnahme am Totseilanker • Messwertaufnahme mittels eines an das Totseil angeklemmten Sensors • Messwertaufnahme unter dem Rollenlager
Abb. E-151b: Totseilanker mit Druckmessdose
Die gängigste Methode ist die Messwertaufnahme am Totseilanker (Abb. E-151b), um den das Totseil des Flaschenzuges, von oben kommend, geschlungen wird. Es verlässt den Anker mit einem Winkelversatz von etwa 90° über einen beweglichen Hebelarm. Dieser Arm, an dem das Seil mittels einer Klemme befestigt wird, wirkt als Hebel und überträgt die im Totseil herr-
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schende Zuglast auf eine Druckmessdose, die wiederum mittels eines Schlauches mit dem Weight Indicator verbunden ist und so die in der Messdose induzierten Druckschwankungen auf das Anzeigegerät überträgt, wo sie als Hakenlast bzw. Meißelbelastung angezeigt werden. Dabei ist die Kraft, die auf den Totseilarm, der wiederum mit der Druckmessdose verbunden ist, wirkt, direkt proportional der Zuglast im Totseil. Wird die Flüssigkeit in der Messdose komprimiert, weicht sie über den Schlauch zum Weight Indicator aus, der Druck wird auf das Röhrenmanometer des Weight Indikators übertragen und betätigt die Zeiger. Die Druckmessdose kann jedoch nur dann exakt arbeiten, wenn sie vollständig mit Flüssigkeit gefüllt ist und wenn in der Flüssigkeit keine Luftblasen eingeschlossen sind. Ein Indiz für die exakte Einstellung ist, dass die Distanz zwischen den beiden Halbschalen der Messdose dem vom Hersteller für den jeweiligen Typ vorgegebenen Wert im unbelasteten Zustand entspricht. Dieser Wert ist somit regelmäßig zu überprüfen, da ansonsten der Sensor ab einer bestimmten Belastung keine weitere Belastungssteigerung im Zugsystem mehr anzeigt. Der am Rollenlager angebrachte Sensor besteht aus einer Druckmessdose, die unter einer Rolle installiert ist und die Last anzeigt, die von dem Rollenlager direkt auf den Mast oder das Bohrgerüst übertragen wird. Mittels dieses Verfahrens werden die Reibungsverluste im Seil und den Seilrollen eliminiert.
9.2.3 Drehtisch-Drehmoment, Verschraubmoment und Drehtischdrehzahl Die Drehzahl von Drehtisch und Topdrive werden mittels eines Tachometers an jeweiligen Gerät abgenommen und dann am Fahrstand angezeigt. Vom Drehtisch bzw. dem Topdrive muss ein bestimmtes Drehmoment auf den Bohrstrang übertragen werden, um die Reibungs- und Bremskräfte, denen der Strang im Bohrloch unterliegt, zu überwinden. Der effektive Betrag hängt ab von der Strang-Drehzahl, der Meißelbelastung, der Konfiguration und der Neigung des Bohrloches, den Spülungskonditionen, den durchteuften Formationen usw. Änderungen im Drehmoment sind ein Indiz dafür, dass es im Bohrloch zu Veränderungen gekommen ist, dass sich das Bohrwerkzeug festgefahren hat, dass das Bohrwerkzeug verschlissen ist, oder dass z. B. Rollen verloren gegangen sind o.ä., oder dass sich (in stark geneigten Bohrungen) Cuttingsbetten gebildet haben, die den Strang stark abbremsen etc. Aus diesem Grund ist eine exakte Beobachtung des Drehmomentes wichtig, um Unregelmäßigkeiten im Bohrloch rechtzeitig zu erkennen und gegen zu steuern. Bei mechanisch angetriebenen Drehtischen wird der Messwertaufnehmer mit einer Spannrolle gekoppelt, die gegen die Kette gepresst wird, mit der der Drehtisch angetrieben wird. Steigt das Drehmoment an, so wird die Kette stärker gespannt, was sich über die Rolle auf die Messdose überträgt, die dann mit einem entsprechenden Anzeigegerät gekoppelt ist, das zuvor naturgemäß geeicht werden muss.
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Abb. E-152: Drehtisch-Drehzahl-Anzeige
Eine andere Möglichkeit besteht darin, eine Messdose zwischen Drehtischgehäuse und Unterbau zu installieren. Überträgt der Drehtisch ein bestimmtes Drehmoment auf den Bohrstrang, so wird im Drehtischgehäuse ein entsprechendes Reaktionsmoment aufgebaut und das Gehäuse drückt gegen den Rahmen im Unterbau, in dem es installiert ist. Die Druckmessdose bekommt damit einen bestimmten Druck, der mittels entsprechender Eichung an einem Anzeigegerät am Fahrstand als Drehmoment abzulesen ist. Diese Art der Drehmomentenmessung ist genauer als die zuvor beschriebene Art über die Antriebskette. Die eleganteste Möglichkeit der Drehmomentenmessung ist bei elektrischen Antrieben (Drehtisch oder Topdrive) gegeben, da die Stromaufnahme eines Elektromotors direkt proportional dem Drehmoment an der Abtriebswelle des Motors ist. Wenn somit das Drehmoment, das der Strang dem Antrieb abverlangt steigt, steigt auch die Stromaufnahme des Antriebsmotors. Das Anzeigegerät am Fahrstand ist somit ein Amperemeter, dessen Skala Nm anzeigt. Vorteilhaft bei diesem System ist, dass eine Begrenzung der Drehmomentaufnahme durchgeführt werden kann, so dass ein Abdrehen des Bohrstranges ausgeschlossen wird. Die Messung des Drehmomentes bei elektrisch betriebenen Drehtischen und Topdrives ist identisch. Bei hydraulisch angetriebenen Topdrives (oder Drehtischen) kann das Drehmoment über den am Hydromotor wirkenden Druck der Hydraulikflüssigkeit ermittelt werden. Je höher der Druck, desto höher auch das Drehmoment. In diesem Fall ist die Drehmomentenanzeige am Fahrstand ein Manometer mit einer geeichten Skala, die den Druck in Nm anzeigt. Die Drehtisch-Drehzahl wird mittels eines Tachometers gemessen. Dabei handelt es sich um einen Gleichstromgenerator, der mit der Drehtischwelle verbunden ist. Je höher nun die Drehzahl der Welle ist, desto höher wird die Spannung, die der Generator erzeugt. Das Anzeigeinstrument am Fahrstand ist somit ein Voltmeter mit einer in Umdrehungen pro Minute geeichten Skala. Eine andere und modernere Methode ist jedoch, einen Sensor unmittelbar neben der Drehtischwelle zu installieren, der jedoch keinen Kontakt mit der Welle hat. Auf der Welle wird an einer Stelle ein Magnet befestigt, der jedes Mal, wenn er an dem Sensor vorbei kommt, einen
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Impuls im Sensor erzeugt. Die Impulse werden kumuliert und ergeben so die Drehzahl, die am Fahrstand analog angezeigt oder auf einem Mehrkanalschreiber aufgezeichnet wird. Die Topdrive-Drehzahl wird aus der Topdrive-Steuerung ermittelt und entsprechend der Drehtischanzeige angezeigt bzw. registriert. Eine weitere, wichtige Messung ist das Verschraub- oder Kontermoment, das von einer Zange auf das Bohrgestänge bzw. den Tooljoint oder einen Rohrverbinder übertragen wird, da nur bei ordnungsgemäßem Verschrauben der Rohre oder Kontern der Tooljoints mit dem vorgegebenen Moment sichergestellt ist, dass entweder der Rohrverbinder haltbar und, bei gasdichten Verbindern auch dicht, verschraubt ist, und dass beim Bohrgestänge weder Zapfenlängung bzw. Muffenstauchung noch eine Wackelverbindung auftreten.
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Abb. E-153: Zugkraftmesser für das Zangenseil
Wird die Verschraubung mittels der Rotary-Zangen durchgeführt, wie das, besonders beim Kontern des Gestänges bei älteren Anlagen noch üblich ist, so wird in das Zugseil der Zange ein Zugkraftmesser eingebaut, der den Zug im Zugseil der Zange (bzw. im Halteseil der Haltezange) misst. Da die Zange einen Zangenarm mit einer bestimmten Länge hat, ergibt sich, wenn der Zangenarm rechtwinklig zum Zugseil gestellt ist, ein bestimmtes Zugmoment. Dieses wird dann an einem entsprechenden Anzeigegerät angezeigt, wobei die eigentliche Anzeige die Zugkraft ist. Die Skala des Gerätes ist jedoch, für eine bestimmte Zangenarmlänge, in Nm oder ft-lbs geeicht. Die Zugkraft im Zangenseil wird u.a. an einem im MARTIN DECKER Anzeigegerät integriertem Anzeigegerät angezeigt und muss dann mittels der Zangenarmlänge in das Kontermoment umgerechnet werden, oder die Anzeige in Drehmoment-Einheiten erfolgt direkt am Fahrstand. Der Zugkraftmesser im Zangenseil ist in Abb. E-153 dargestellt.
9.2.4 Pumpen- und Steigleitungsdruck sowie Casingdruck Der Pumpendruck ist der Druck in der Druckleitung der Spülung, unmittelbar an der Pumpe. Der Steigleitungsdruck zeigt den Druck an der Steigleitung, also unmittelbar bevor die Spülung in den Spülschlauch und dann in das Gestänge eintritt. Da die Messstellen des Steigleitungsdruckes höher liegt als die des Pumpendruckes, und da die Spülung bereits durch die Druckleitung von der Pumpe bis zur Steigleitung geströmt ist und dabei Reibungsdruckverluste entstanden sind, liegt der Steigleitungsdruck niedriger als der Pumpendruck. Der Steigleitungsdruck wird auch verwendet als Gestängeeinschließdruck in einer Kicksituation. Ändert
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sich der Steigleitungsdruck, so ist das Indiz für Anomalien im Bohrloch wie eine Leckage im Strang, ausgewaschenen oder verstopften Meißeldüsen, einen Gestängebruch (twist-off) oder Blockade des Ringraumes z. B. durch Nachfall oder Cuttingsbetten in stark geneigten Bohrungen. Der Casing- oder Ringraumdruck ist der Druck, der sich am Ringraum der Bohrung übertage einstellt, wenn die Bohrung eingeschlossen wird. Er ist zusammen mit dem Gestängedruck eine wichtige Anzeigegröße in einer Kicksituation. Der Ringraumdruck wird am ChokeManifold (Düsenstock) gemessen. Die Druckanzeige kann entweder direkt an der Messstelle erfolgen, indem hier entsprechende Manometer installiert werden, oder es kann hier ein Messwertaufnehmer montiert werden, der den Druck auf eine Anzeige am Fahrstand überträgt. Bei der Fernübertragung kommt ein Messwertaufnehmer (Drucksensor) zum Einsatz, der aus einem rohrförmigen Körper mit zwei Kammern besteht. Die untere Kammer ist mit der Leitung verbunden und von der oberen Kammer durch eine Gummimembran getrennt. In der oberen Kammer, die durch einen Schlauch mit dem Manometer verbunden ist, befindet sich Öl. Wird nun auf die untere Kammer ein Druck ausgeübt, so wird dieser über die Membran auf die obere und damit auf das Hydrauliköl übertragen. Das Öl überträgt den Druck schließlich auf das Manometer (Abb. E154).
Abb. E-154: Drucksensor mit Manometer für Pumpen- und Steigleitungsdruck
Als Manometer kommen Röhrenmanometer zum Einsatz, die jedoch, wenn sie direkt an der Messstelle montiert sind, speziell für den Bohrbetrieb konzipiert sein müssen. Eine andere Form der Anzeige ist die Digitalanzeige. Es besteht auch die Möglichkeit, die Drücke auf einem Mehrkanalschreiber im Doghouse aufzuzeichnen.
9.2.5 Pumpenhubzähler Der Pumpenhubzähler dient zum einen dazu, ein bestimmtes Volumen an Spülung zu verpumpen, z. B. das Gestängevolumen. Hierzu muss das Zylindervolumen der Pumpe zunächst mit dem volumetrischen Wirkungsgrad multipliziert werden, um das verpumpte Volumen pro Hub zu kennen. Dann wird dieses Volumen durch das berechnete Gesamtvolumen dividiert, um die
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Anzahl der Hübe zu bekommen. Nun ist es möglich, z. B. beim Totpumpen einer Bohrung, über die Hubzählung festzustellen, wann ein bestimmtes Spülungsvolumen verpumpt ist. Über die Anzahl der Hübe pro Minute kann außerdem die Volumenstromrate in Litern pro Minute ermittelt werden. Der Pumpenhubzähler arbeitet analog dem Drehtisch-Tachometer mit dem Näherungsindikator, wo ein Magnet, der an der Kolbenstange befestigt ist, an einem Sensor in der Nähe der Stange vorbei geführt wird und dabei die Hubzählung vornimmt. Die Skalierung der Signale und die Zählung der Hübe erfolgt in der SPS (speicherprogrammierbare Steuerung). Die am Fahrstand installierten Pumpenhubzähler zeigen die Pumpenhübe für jede Pumpe separat ebenso wie die Summe der Hübe aller im Einsatz befindlichen Pumpen. Reset-Funktionen gestatten es, die Zählwerke auf null zu setzen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, eine optische und akustische Meldung zu aktivieren, wenn die Pumpenhubzahl-Vorwahl erreicht ist. Eine weitere Analoganzeige gibt die Hübe pro Minute (Strokes per Minute, SPM) für jede Pumpe an. Diese Angabe kann auch auf einen Mehrkanalschreiber im Doghouse aufgezeichnet werden.
9.3 Spülungsdaten 9.3.1 Allgemeines Die Überwachung der Spülungsdaten, insbesondere der Volumina und der Volumenströme, ist besonders wichtig für die Bohrlochkontrolle und damit ein wichtiges Kontrollinstrument für die Bohrlochsicherheit. Eine erhöhte Auslaufrate der Spülung sowie ein Ansteigen der Tankstände signalisiert einen unbeabsichtigten Zufluss von Formationsinhalt in die Bohrung, einen sog. Kick. Je früher nun ein solcher Kick identifiziert wird, desto einfacher ist er unter Kontrolle zu bringen, und desto geringer ist die Druckbelastung der Bohrung. Ein Kick, der nicht unter Kontrolle gebracht wurde, geht in einen Blowout über und führt somit in der Regel zu einer Katastrophe. Wird dagegen eine Abnahme des Tankstandes beobachtet, so deutet das darauf hin, dass man eine Formation erbohrt, die Spülung aufnimmt, dass es also zu Spülungsverlusten kommt. Auch hier gilt, je eher eine solche Zone erkannt wird, desto eher und wirkungsvoller können Gegenmaßnahmen ergriffen werden, um eine solche Zone abzudichten, damit weiterreichende Folgen vermieden werden können. Die zugehörigen Anzeigeinstrumente, die nachstehend zusammen mit den jeweiligen Sensoren besprochen werden sollen, sind: • Tankstandsmessung • Ausflussratenmessung (Flowmeter) • Messung des Differenzflusses (Flow-in ./. Flow-out)
9.3.2 Tankstandsmessung Die Tankstandsmessung (Pit Volume Totalizer, PVT) wird mittels eines Messwertaufnehmers durchgeführt, der bei jeder Veränderung des Niveaus ein positives oder negatives Signal erzeugt, das am Anzeigegerät am Fahrstand als Zufluss oder Verlust indiziert wird. Hieraus wird
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schon ersichtlich, dass die Genauigkeit einer solchen Messung von der Tankoberfläche abhängt, und dass dann, wenn mehrere Tanks zum aktiven Tanksystem zusammengeschlossen sind, sich die Oberfläche entsprechend vergrößert, die Messgenauigkeit jedoch abnimmt. Hinzu kommt, dass sich die Spülungsoberfläche in einem aktiven Tank bedingt durch das Rührwerk ständig in Bewegung befindet, so dass eine Zunahme oder Abnahme des Spülungsspiegels nicht unmittelbar festzustellen ist, sondern erst dann, wenn mehr als etwa ± 1 cm Schwankungen stattfinden. Aus diesem Grunde wird bei Roundtrips eine Spülungsbeobachtung nicht im aktiven Tanksystem, sondern im Triptank durchgeführt, da dieser eine kleine Oberfläche (etwa 1 m2) hat, so dass Schwankungen des Spülungsspiegels wesentlich früher zu erkennen sind als im aktiven Tanksystem. Mit Triptanks können Volumenänderungen von 30 െ 50 Litern gemessen werden, während bei den Spülungstanks einer Tiefbohranlage die Messgenauigkeit, je nachdem, wie viel Tanks zusammengeschaltet sind, die Messgenauigkeit im Bereich von 400 െ 500 Litern und mehr liegen kann. Die Messung des Tankstands kann mittels Schwimmern erfolgen, die auf der Spülungsoberfläche schwimmen und entweder mittels eines Armes mit dem Messwertaufnehmer verbunden sind, oder sich an einer zentralen Spindel auf- und abbewegen und die Bewegung auf den Messwertaufnehmer übertragen. In diesem wird die Bewegung des Schwimmers in elektrische Impulse umgesetzt, die dann an das Anzeigeinstrument am Fahrstand übertragen werden. Die modernere Methode ist die Ultraschallmessung. Hier ist ein Ultraschallsensor etwa 1 Meter über dem höchsten Tankstand jedes einzelnen Tanks installiert. Von einem Sender wird eine Schallwelle nach unten auf die Spülungsoberfläche angegeben, die dann von der Flüssigkeitsoberfläche reflektiert und vom Empfänger aufgefangen wird. Dieses Signal wird dann in eine Gleichspannung umgewandelt und in der SPS von einer Höhen- oder Distanzmessung in eine Volumenermittlung umgewandelt. Der Vorteil dieser Messung ist, dass kein Messteil in die Spülung eintaucht oder von dieser benetzt wird. Nachteilig ist allerdings, dass die Messung eine definierte Flüssigkeitsoberfläche benötigt, so dass sie bei Schaumspülungen oder Spülungen mit starker Verschäumung nicht angewendet werden kann. Das Messergebnis dient auch zur Berechnung des gesamten Spülungsvolumens (Mud Volume Total), der Zufluss- und Verlustermittlung (Loss and Gain) und des Loss- und Gain-Alarms, der am Fahrstand eingestellt werden kann. Diese Berechnung erfolgt ebenfalls in der SPS. Die Anzeige des Tankstandes kann auf einem Analoggerät erfolgen oder auf einer Digitalanzeige. Dabei ist eine Anwahl der Einzeltanks über einen Wahlschalter möglich. Das gesamte Spülungsvolumen wird ebenfalls digital am Fahrstand angezeigt sowie auf einem Kreisblattschreiber im Doghouse festgehalten. Zufluss- und Verlustanzeige erfolgen in der Regel mittels eines kreisförmigen Analoganzeigegerätes am Fahrstand und auf einem Kreisblattschreiber im Doghouse. Die Anzeige kann manuell über Taster auf null gesetzt werden. Werden die bei Zufluss oder Spülungsverlusten gesetzten oberen oder unteren Grenzwerte überschritten (= Zufluss oder Verlust), so erfolgt eine optische Information über einen Leuchtmelder am Fahrstand ebenso wie ein akustische Information über ein Alarmhorn.
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9.3.3 Rückflussmessung Wie bereits zum Ausdruck gebracht wurde, ist die Messung des Tankstandes sehr ungenau und nur wenig spontan, so dass sie für eine Kickerkennung nur bedingt zu verwenden ist. Schneller reagiert die Messung der Volumenstromrate am Spülungsauslauf, wobei hinzu kommt, dass diese Messung schon auf kleine Beträge reagiert. Dabei gilt, wenn mehr Spülung über den Auslauf aus der Bohrung austritt als hinein gepumpt wurde, hat es einen Zufluss gegeben. Tritt weniger Spülung aus, so handelt es sich um einen Verlust. Die jeweiligen Beträge, in der Regel in m3 Zufluss oder Verlusten angegeben, ergeben sich durch Umformung der Messwerte. Allerdings ist diese Messung sehr kompliziert, weshalb es auch eine Vielzahl von Sensoren und Messtechniken gibt. Die Messwertaufnehmer für die Rückflussmessung sind je nach Art des Auslaufes unterschiedlich gestaltet. Ist auf der Anlage eine offene Auslaufrinne installiert, so kann in dieser ein Paddel installiert sein, das über ein Scharnier mit dem Messwertaufnehmer verbunden ist und je nach Rückflussvolumen und damit Füllung des Rinnenquerschnitts mehr oder weniger ausgelenkt wird, wobei dieser Betrag in Messgrößen umgesetzt wird. Der Grad der Auslenkung wird dann elektrisch oder pneumatisch auf ein Anzeigeinstrument am Fahrstand übertragen. Ein anderes System arbeitet mit einem schmalen Paddel, das fest mit dem Messwertaufnehmer verbunden ist, also vom Spülstrom nicht ausgelenkt wird. Hier wird die Kraft gemessen, die der Spülstrom auf das Paddel als Widerstand in der Rinne ausübt. Diese Geräte arbeiten jedoch nur dann zuverlässig, wenn sie sorgfältig gewartet werden, was insbesondere für das ausschwingende Paddel gilt. Hier muss das Scharnier immer absolut gängig sein, damit ein problemloses Auslenken des Paddels möglich ist. Auch darf sich keine ausgehärtete Spülung an dem Paddel anlagern, da dieses dann durch das höhere Gewicht tiefer in den Spülstrom eintauchen und damit falsche Werte liefern würde. Bei dem starren Paddel muss die Fläche stets definiert sein. Das bedeutet, dass Anlagerungen von Tonen aus der Spülung und Cuttings und damit ein Verkrusten des Paddels vermieden werden muss. Außerdem muss die Auslaufrinne nur wenig geneigt sein und sollte maximal 3/4 voll sein (normaler Arbeitsbereich bei halber Füllung). Diese Forderungen sind im Bohrbetrieb jedoch nicht immer zu erfüllen. Paddel arbeiten unabhängig von der Spülungstype, sind also universell einsetzbar. Ein anderes Messprinzip ist das Ultraschall-Prinzip. Hier wird, wie bei den Tankstandsmessgeräten, ein Schall vom Messgerät auf die strömende Flüssigkeitsoberfläche ausgesandt und von dieser reflektiert. Der hierbei entstehende Entfernungsmesswert wird dann in Volumenstromeinheiten (I/min) umgewandelt. Wie bereits vorstehend ausgeführt wurde, arbeitet dieses Gerät nicht bei verschäumten Spülungen, ist ansonsten jedoch wie das Paddel universell und unabhängig von der Spülungstype einsetzbar. Eine andere Möglichkeit der Rückflussmessung ist der Einsatz von elektromagnetischen Induktionsmessgeräten. Hierbei ist der induzierte Strom direkt proportional der Spülungsgeschwindigkeit. Allerdings arbeiten solche Geräte nur in geschlossenen Rohrleitungen und auch nur dann, wenn der Spülstrom den Rohrquerschnitt komplett ausfüllt, so dass sich hier keine Luftschicht im oberen Rohrquerschnitt befindet. Diese Sensoren arbeiten sehr genau, wenn Spülungen mit konstanter Leitfähigkeit im Einsatz sind. Das sind im Wesentlichen die wasserbasischen Spülungen, so dass der Einsatz dieses Verfahrens begrenzt ist.
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Abb. E-155: Rückflussmessanzeige mit Einstellmöglichkeiten für einen oberen und unteren Grenzwert sowie optischen und akustischen Alarm
Daneben sind Mikrowellen-, Radar- und Venturi-Sensoren im Einsatz. Allen Sensoren gemeinsam ist, dass sie sehr große Präzessionen haben müssen, um selbst geringe Volumenstromveränderungen zu erkennen und anzuzeigen. Dabei ist der Wechsel von Sensoren bei einem Wechsel der Spülungsart (z. B. von wasserbasischer Spülung zur Ölspülung) nicht ungewöhnlich. Die Anzeige der Volumenstromrate erfolgt auf einer Analoganzeige am Fahrstand sowie auf einem Kreisblattschreiber im Doghouse. Mittels eines Wahlschalters kann die Anzeige zwischen der normalen Anzeige (Total Mud Flow Out) und einer Zoom-Anzeige gewählt werden. Letztere ergibt bei geringen Volumenstromraten eine bessere Ablesegenauigkeit, da der Darstellungsbereich gezoomt wird. Mittels eines Tasters am Fahrstand kann die Messung auf null gesetzt werden. Hinzu kommen, wie bei den Tankstandsmessungen, optische und akustische Alarmmeldungen, wenn die eingestellten Grenzwert über- oder unterschritten werden.
9.3.4 Differenzflussmessung Weil in der Slimhole-Bohrtechnik selbst kleinste Zuflussvolumina schon sehr große Bohrlochlängen im Ringraum einnehmen, wurden Differenzflussmessungen entwickelt, die zum einen das Spülungsvolumen messen, das in die Bohrung hinein gepumpt wird, zum andern das austretende Volumen erfassen. Durch einen ständigen Vergleich von Flow-in und Flow-out kann dann, unabhängig davon, ob aus dem Tanksystem Spülung entnommen oder zugesetzt wird,
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und unabhängig davon, ob die Pumprate konstant gehalten wird oder nicht, schnell und präzise ermittelt werden, ob es im Bohrloch zu Zuflüssen oder Verlusten gekommen ist. Bei der Messung des Zuflusses in das Bohrloch gibt es zwei Möglichkeiten. Die eine Methode misst die Durchflussrate in der Druckleitung oder der Saugleitung der Spülpumpe, die andere zählt die Pumpenhübe der Spülpumpe und multipliziert diese mit der Pumprate. Bei der Messung der Durchflussrate kommen wieder die bei der Rückflussmessung beschriebenen Sensoren, je nach Spülungsart, zum Einsatz. Dabei hat es sich gezeigt, dass die Messung in der Saugleitung der Pumpen das genauere Ergebnis liefert. Bei der Pumpenhubzählung ist zu bedenken, dass eine Multiplikation der Pumpenhübe mit dem Zylindervolumen den volumetrischen Wirkungsgrad der Pumpe noch nicht berücksichtigt, und dass dieser vom Zustand der Pumpe abhängt und somit schwankt. Die Umsetzung der Messwerte in Anzeigewerte erfolgt auch hier wieder mittels der SPS. Die Anzeigen entsprechen denen bei der Rückflussmessung. Die Delta-Flow-Messungen sind die Grundlagen des Kick-Früherkennungs-Systems, das heutzutage zur Grundausstattung moderner Tiefbohranlagen zu zählen ist.
9.4 Sonstige Daten Neben den Bohr- und Spülungsdaten, die, wie in den vorstehenden Kapiteln beschrieben, Standardmessungen auf Tiefbohranlagen sind, gibt es noch eine Reihe von anderen Messungen mit entsprechenden Anzeigen. Hierzu gehören neben der Messung des TooljointKontermomentes beim Iron Roughneck und bei den Zangen (Bohrgestänge- und Schwerstangenzangen): • Messung der Bohrteufe • Messung der Seilarbeit (Tonnen-Kilometer) • Messung des Bohrfortschritts • Messung der Hebewerks-Trommelgeschwindigkeit • Messung der Haken- oder Travelingblockposition (Flaschenzugblock-Position) • Sonstige Messungen und Anzeigen Die Messung des Kontermomentes ist bei Bohrgestänge- und Schwerstangenverbindern eine elementare Messung, da nur bei richtig gekontertem Verbinder die Garantie gegeben ist, dass es weder zu einer Zapfendehnung bzw. Muffenstauchung, noch zu einer Wackelverbindung beim Arbeiten mit dem Strang kommt. Beides resultiert in Gestängebrüchen mit den entsprechenden Fangarbeiten und damit in zusätzlichen, vermeidbaren Kosten und Schwierigkeiten. Diese Messungen sind deshalb auf jeden Fall, ebenso wie die Messung der Bohr- und Spülungsdaten, als Standardmessung zu bezeichnen, auf die auf keinen Fall verzichtet werden darf. Die Messwertaufnahme geschieht mittels Hydrauliksensoren an den Zangen oder dem Iron Roughneck. Die Anzeige erfolgt entweder direkt an der Zange oder dem Iron Roughneck oder am Fahrstand mittels einer Hydraulikanzeige. Die Messung der Bohrteufe erfolgt durch einen Inkrementalwertgeber an der Fahrseiltrommel des Hebewerkes. Dieser setzt die Drehzahl der Trommel in Impulse um, die dazu benutzt werden, die Teufe in einer SPS zu ermitteln. Die Teufenanzeige erfolgt am Fahrstand, wobei über einen Terminal Hebewerksdaten und Korrekturwerte eingegeben werden müssen, damit die Messwerte den örtlichen Gegebenheiten angepasst werden.
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Eine solche Messung ist zwar sehr nützlich und hilfreich, jedoch nicht unbedingt erforderlich und sicherheitsrelevant, zumal die Teufe auch aus der Gestängeliste zu ermitteln ist. Die Messung der Seilarbeit erfolgt ebenfalls über einen Inkrementalwertgeber, der den zurückgelegten Weg des Seiles beim Fahren sowie die Belastung des Seiles über die Hakenlast ermittelt. Das Ergebnis, die Seilarbeit, wird in Tonnen-Kilometern angegeben und ist ein Maß für die Belastung und damit den Verschleißgrad des Fahrseiles. Die Anzeige erfolgt am Fahrstand. Auch hier müssen im Terminal Hebewerks- und Korrekturdaten eingegeben werden. Diese Messung ist ebenfalls sehr nützlich, da das Fahrseil nach dem Erreichen einer bestimmten Seilarbeit nachgenommen bzw. gekürzt werden muss, jedoch lässt sich die Seilarbeit auch berechnen. Die Messung des Bohrfortschritts geschieht über die Frequenz der Nachlassmotoren und der Getriebeuntersetzung, woraus der Wert für die Nachlassgeschwindigkeit (m/h) ermittelt wird. Die Anzeige erfolgt am Fahrstand auf einer analogen Kreisskala. Auch diese Messung ist für den Bohrbetrieb nicht zwingend notwendig, da der Bohrfortschritt auch anderweitig ermittelt werden kann, ist aber, wenn vorhanden, sehr hilfreich. Die Messung der Hebewerks-Trommelgeschwindigkeit erfolgt ebenfalls wieder mittels eines Inkrementalwertgebers, der direkt an der Trommel angebaut ist. Die Anzeige erfolgt auf einer analogen Kreisskala am Fahrstand. Auch diese Messung ist nicht unbedingt erforderlich. Die Messung der Haken- oder Travelingblockposition erfolgt durch einen Absolutwertgeber, der direkt an der Trommel angebaut ist, die Anzeige geschieht wieder an einer analogen Kreisskala am Fahrstand. Diese Messung ist sehr hilfreich, insbesondere wenn mit einem Pipehandling System gearbeitet wird und der Haken genau positioniert werden muss. Neben diesen Messungen und Anzeigen sind noch einige andere Messungen und Anzeigen möglich, wie beispielsweise die Anzeigen über den eingelegten Gang bei Drehtisch oder Topdrive oder die verschiedenen Anzeigen am Steuerstand über die aktiven Pumpen, die ausgewählte SCR-Konfiguration und andere. Einige dieser Messungen und Anzeigen sind Standard, andere werden bei Bedarf installiert.
9.5 Datenaufzeichnung 9.5.1 Allgemeines Im vorstehenden Text wurde mehrfach erwähnt, dass Daten nicht nur angezeigt werden, sondern auch im Doghouse auf Kreisblatt- oder Mehrkanalschreibern aufgezeichnet werden. Diese Datenaufzeichnung erfolgt, um später nachvollziehen und auswerten zu können was während des Bohrens passiert ist. Die Anzeige auf den entsprechenden Instrumenten ist zwar eine Echtzeit-Anzeige (das, was angezeigt wird, passiert in diesem Augenblick), jedoch gehen die Daten im nächsten Augenblick wieder verloren, weil sie durch neue ersetzt werden. Nur die notierten Daten gestatten eine spätere Auswertung, weshalb wichtige Daten auf die genannte Weise festgehalten werden. Auch lassen sich aus diesen Aufzeichnung Trends für den weiteren Ablauf der Bohrarbeiten in mannigfaltiger Weise ableiten. Ein weiterer Vorteil ist, dass der zeitliche Ablauf von Arbeiten oder Ereignissen nur mittels der Aufzeichnungen nachzuvollziehen ist. Die aufgezeichneten Daten können jedoch nicht nur in Form einer Hardcopy aufgezeichnet werden, sie lassen sich auch auf einen Computer übertragen, wo sie zum einen aufgezeichnet
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werden, zum anderen zu Kurven oder Tabellen verarbeitet werden. Auf diese Weise ist es möglich, dass Toolpusher und Supervisor das Bohrgeschehen ständig auf einem Monitor in ihrem Büro verfolgen können, so dass Unregelmäßigkeiten, Trends im Bohrfortschritt o.ä. hier ebenso zu erkennen sind wie unmittelbar auf der Arbeitsbühne am Fahrstand. Das bedeutet, dass der gesamte Bohrablauf besser kontrolliert werden kann, und dass bei Gefahr im Verzuge rechtzeitig eingegriffen werden kann. Die gängigen Aufzeichnungsmethoden sind der Mehrkanalschreiber, der Kreisblattschreiber und die Data Akquisition mittels Computern.
9.5.2 Mehrkanalschreiber Mehrkanalschreiber sind so konzipiert, dass verschiedene Daten auf nur einem Messstreifen aufgezeichnet werden, wobei die Zeitperiode 8, 12 oder 24 Stunden betragen kann. Die Anzahl der aufgezeichneten Daten variiert zwischen 5 und 8. Die einzelnen Datenspuren können farbig angelegt sein, damit man sie besser auseinander halten kann, insbesondere dann, wenn sich die Spuren überschneiden. Unterschiedliche Geschwindigkeiten der Schreiber geben unterschiedliche Auflösungen und damit Genauigkeiten. Ein gängiger Schreiber ist der 6-Kanal Schreiber (z. B. von TOTCO), bei dem in der Regel folgende Daten aufgezeichnet werden: • Hakenlast • Bohrfortschritt • Drehtisch- oder Topdrive-Drehzahl • Drehtisch- oder Topdrive-Drehmoment • Pumpenhübe • Steigleitungsdruck Der Bohrfortschritt wird dadurch angezeigt, dass auf dem Streifen jeden Meter (Foot o.ä.) ein kleiner Peak erzeugt wird, alle 10 m (5 Foot o.ä.) ein größerer, so dass man den Bohrfortschritt recht schnell über der Zeit ermitteln kann. Die anderen Anzeigen werden als Linien über der Zeit dargestellt, so dass man z. B. erkennen kann, wenn das Drehmoment langsam aber stetig ansteigt und damit signalisiert, dass sich im Bohrloch Widerstände aufbauen, die das Bohrwerkzeug oder den Strang beeinflussen. Auch ist deutlich zu ermitteln, zu welchem Zeitpunkt eine Stange oder ein Zug nachgesetzt wurde, da dann die Pumpen gestoppt werden (keine Pumpenhübe und kein Steigleitungsdruck), das Drehmoment auf null geht und die Hakenlast größer wird. Anhand der Veränderungen der Hakenlast kann man außerdem sehr gut erkennen, ob gebohrt wurde, ob das Bohrloch befahren wurde, ob der Strang aus- oder eingebaut wurde, oder ob er im Bohrloch fest wurde (Stuck Pipe), wobei der Trend in einer sich steigernden Hakenlast andeutet, dass ein Festwerden des Stranges in Kürze zu erwarten ist. Es wird deutlich, dass der Mehrkanalschreiber nicht nur zum Aufzeichnen der Daten benötigt wird, sondern dass er auch ein sehr nützliches Element ist, um Trends zu ermitteln und eventuelle Schwierigkeiten im Vorhinein abschätzen zu können (z. B. Trend zum Festwerden). Aus diesem Grund wird der Schreiber auch nicht im Büro des Toolpushers (Bohrmeisters) installiert, sondern im Doghouse, wo auch der Driller die Möglichkeit hat, die Daten von Zeit zu Zeit zu kontrollieren und auszuwerten.
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9.5.3 Kreisblattschreiber Kreisblattschreiber arbeiten wie Fahrtenschreiber im Kfz., indem die Daten, die auf dem Anzeigegerät mit analoger Kreisskala angezeigt werden, im Inneren des Gerätes auf einer Kreisblattscheibe fixiert werden. Die bekannteste Datenregistrierung mittels dieses Verfahrens ist die Aufzeichnung von Hakenlast und WOB am analogen Gewichtsanzeiger (Drill-O-Meter). Die Blätter sind in der Regel mit einer 24-Stunden-Einteilung versehen und sind somit täglich zu wechseln.
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9.5.4 Data Akquisitionssystem Mittels des Data Akquisitionssystems werden die Messdaten digitalisiert und an einen Computer weitergeleitet. Wie den vorstehenden Kapiteln zu entnehmen ist, werden heute sehr viele Daten bereits elektronisch ermittelt, so dass eine Übertragung und Umsetzung im Computer problemlos erfolgen kann. Durch entsprechende Rechnerprogramme können die Messwerte, und hier handelt es sich nicht nur um die des Mehrkanalschreibers, im Computer in Tabellen- oder Grafikform dargestellt, sie können auf Festplatte oder Diskette gespeichert werden für eine spätere Bearbeitung oder Auswertung, oder sie können auf ein Data Terminal beim Bohrunternehmer und/oder Auftraggeber übertragen werden, so dass auch die jeweiligen Planungsstäbe jederzeit in Echtzeit über das Geschehen auf der Bohranlage informiert sind. Das kann, besonders bei Schwierigkeiten im Bohrloch oder bei besonderen Arbeiten von entscheidendem Vorteil sein, weil nicht nur die auf der Lokation anwesenden Personen, sondern auch die Planungsstäbe direkt mit in das Geschehen auf der Lokation eingreifen können.
F Drehbohrverfahren 1 Allgemeines In der Geotechnik haben sich die unterschiedlichsten Verfahren entwickelt. Sie unterscheiden sich nach den jeweiligen Aufgaben in der Bautechnik, Lagerstättensuche (Exploration) – z. B. auf Kohle, Erdöl und Erdgas, Salz usw. – Neu hinzu gekommen sind geothermische Bohrungen und Speicherbohrungen. Folgende Bohrtechniken bzw. -Verfahren sollen näher beschreiben werden: • Verfahren mit direkter Spülung – Rotary-Bohrverfahren, • Verfahren mit indirekter Spülung – Saugbohrverfahren, – Strahlsaugbohrverfahren, – Counterflush-Verfahren, – Lufthebeverfahren, Auf die Besonderheiten der Onshore- und Offshore-Bohrtechnik wird im Kap. K eingegangen.
2 Rotary-Bohrverfahren 2.1 Entwicklung des Rotary-Bohrverfahren Das drehende Bohrverfahren, heute in der Tiefbohrtechnik als Rotarybohren bezeichnet, wurde bereits 1844 von dem Engländer Robert Beart zum Patent angemeldet und in der Folgezeit ausschließlich für Bohrungen in weichen Formationen zur Wasser- und Solegewinnung, vor allem in Pennsylvanien und Texas, eingesetzt. 1900 untersuchte Anthony Lucas die Gasaustritte am Spindletop bei Beaumont in Texas, wobei er das bis dahin übliche Schlagbohrverfahren einsetzte, wenngleich Schwimmsande seine Bemühungen, ein stabiles Bohrloch zu erstellen, immer wieder zunichtemachten, worauf er die Gebrüder Hamill aus Corsicana im Nordwesten Texas beauftragte, die Bohrarbeiten mit einer Drehbohranlage fortzusetzen. Die erfahrenen Solebohrer hatten tatsächlich Erfolg, so dass am 10. Januar 1901 der berühmte Spindletop-Gusher, ein Blowout, stattfand, der für die gesamte Tiefbohrtechnik eine Signalwirkung hatte. Trotzdem dauerte es noch gut 25 Jahre, bis die Rotarybohrtechnik weltweit bekannt wurde. So wurde die erste Rotarybohrung in Deutschland erst im Jahr 1925 von der ITAG bei Nienhagen, Kreis Gelle, abgeteuft. In den folgenden 25 Jahren stellte sich die Bohrindustrie nach und nach auf die neue Technik um, was insofern nicht spontan geschehen konnte, weil zunächst erst einmal die benötigten Rotary-Bohranlagen entwickelt und gebaut werden mussten. Ein Umrüsten der vorhandenen Schlagbohranlagen stellte sich schnell als nicht praktikabel heraus. Erst ab den 1950er Jahren kam es dann zu Verbesserungen von Technik und Equipment.
H. -O. Buja, Handbuch der Tief-, Flach-, Geothermie- und Horizontalbohrtechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-9943-9_6, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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2 Rotary-Bohrverfahren
Trotzdem hinkte die Tiefbohrtechnik noch ganz entscheidend hinter der Entwicklung anderer Techniken her, denn erst ab etwa 1980 kann von einer signifikanten Innovation im Bereich Tiefbohrtechnik gesprochen werden, die auch heute noch nicht abgeschlossen ist. Ausschlaggebend hierfür war und ist die zwingende Notwendigkeit, die vorhandenen Energiequellen so kostengünstig wie möglich zu erschließen, zumal die Reservoire immer schwieriger und damit immer teurer zu erschließen sind, wobei nicht zuletzt die hohen Umwelt- und Sicherheitsanforderungen eine entscheidende Rolle spielen. Nicht von ungefähr ist die Bohrindustrie eine der sichersten Industrien überhaupt mit der mit Abstand niedrigsten Unfallziffer. Und da die Bohrkosten im Bereich von 50% und mehr der Gesamt-Erschließungskosten von Lagerstätten anzusiedeln sind, müssen hier ganz besondere Anstrengungen unternommen werden, um die Bohrtechnik effizienter und wirtschaftlicher zu machen.
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2.2 Das Prinzip des Rotarybohrens Beim Rotarybohren wird ein hohles Bohrgestänge aus jeweils 9 m langen, nahtlosen Gestängerohren, mehrzöllig im Durchmesser und aus fingerdickem, hochvergütetem Stahl, an dessen unterem Ende sich das Bohrwerkzeug (Rollenmeißel, Diamantbohrwerkzeug, PDC Werkzeug, Kernkrone) befindet. Übertage befindet sich der Spülkopf, der über Spülschlauch und Steigleitung mit den Spülpumpen verbunden ist. Als Spülpumpen werden heute in der Tiefbohrtechnik ausschließlich einfach wirkende Triplex-Kolbenpumpen eingesetzt, die die Spülung aus dem Saugtank der Tankanlage über den Spülkopf in den Bohrstrang pressen. Der Bohrvorgang wird durch mehrere Messgeräte überwacht und gesteuert. Hierbei ist die elektronische Datenverarbeitung bis hin zur Datenfernübertragung unerlässlich. Im Spülkopf wird das stationäre übertägige Leitungssystem in ein rotierendes System, den Bohrstrang umgesetzt, wobei zu bedenken ist, dass die Spülung unter Hochdruck steht, so dass hier ein kompliziertes Dichtungssystem zum Einsatz kommen muss, das auch noch die Stranglast von mehreren tausend kN kompensieren muss. Am Bohrwerkzeug tritt die Spülung in der Regel durch Düsen aus, so dass auf der Bohrlochsohle eine hohe Querströmung entsteht, mit der das erbohrte Gestein, die Cuttings, fortgespült werden. Anschließend steigt die Spülung, beladen mit den Cuttings, im Ringraum zwischen Bohrstrang und Bohrlochswand auf und tritt übertage aus dem Bohrloch aus. Über ein Rohr oder eine Rinne gelangt sie zu den Schüttelsieben, wo die groben Gesteinspartikel abgeschieden werden, und dann weiter über die übrigen Feststoffabscheidegeräte wie Hydrozyklone (Desander, Desilter, Zentrifugen), wo eine Feinabscheidung erfolgt. Von dort gelangt die Spülung wieder in den Saugtank und somit zurück in den Kreislauf. Die Cuttings werden dadurch erzeugt, dass die Schneidelemente (Zähne oder Hartmetallstifte bei Rollenmeißeln, Diamantschneiden) unter hohem Druck in das Gestein an der Bohrlochsohle eindringen und infolge der Drehbewegung die Gesteinspartikel aus der Sohle herausbrechen. Die hierfür benötigte Belastung erhalten die Bohrwerkzeuge durch den Bohrstrang. Dieser hängt übertage an einem Flaschenzug und wird soweit entlastet, dass ein bestimmtes Gewicht auf das Werkzeug wirkt. Um den Strang jedoch am Ausknicken zu hindern, wird die Belastung des Bohrwerkzeugs nur von dem unteren Strangteil erzeugt. Hier befinden sich die sog. Schwerstangen, Bohrstangen mit besonders großer Wandstärke und damit großen Massen, die auf Axialdruck belastet werden können. Seinen Namen hat die Rotarybohrtechnik davon bekommen, dass der Bohrstrang von einem Drehtisch (heute vielfach von einem sog. Topdrive) von übertage aus in Rotation versetzt wird.
F Drehbohrverfahren
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Beim Drehtischantrieb wird jeweils auf das obere Ende des Bohrstranges eine Mitnehmerstange (Kelly) angeschraubt, die einen hexagonalen (sechseckigen) Querschnitt hat und von entsprechenden Keilen im Drehtisch in Rotation versetzt wird. Beim Topdrive befindet sich der Motor, der die Drehbewegung erzeugt, als oberer Abschluss auf dem Bohrstrang. Diese Technik wird auch heute noch praktiziert, wenngleich verschiedentlich auch von der Spülung angetriebene Turbinen oder verstärkt Exzenterschneckenmotoren (Moineaumotoren) eingesetzt werden. Teile der folgenden Ausführungen sind auch für andere Bohrverfahren gültig.
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Abb. F-1: Hauptkomponenten einer Rotary-Tiefbohranlage [RWE-Power]
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2 Rotary-Bohrverfahren
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Abb. F-2: Der Topdrive [RWE-DEA]
Abb. F-3: Im Bohrturm abgestellte DreierzugBohrrohre [RWE-DEA]
Ist eine Bohrstange von 9 m Länge abgebohrt, so wird der Strang übertage durch Aufsetzen einer neuen Stange entsprechend verlängert. Auf diese Weise wird das Bohrloch solange vertieft, bis das Bohrwerkzeug abgenutzt ist und gegen ein neues ausgetauscht werden muss. Dazu muss der gesamte Bohrstrang ausgebaut werden, was viele Stunden in Anspruch nimmt. Deshalb versucht man, diese sog. Roundtrizeit als unproduktive Zeit so kurz wie möglich zu halten, u.a. dadurch, dass man den Bohrstrang, der aus 9 m langen Einzelstangen besteht, jeweils nur an jedem 3. Verbinder auseinander schraubt und als sog. Dreierzug (~ 27 m lang) im Bohrmast abstellt. Aus diesem Grund hat die Bohranlage eine Höhe von über 40 m, da neben der Zuglänge auch noch der Flaschenzug bewegt werden-muss. Abgestellt werden die Züge auf der Arbeitsbühne, die sich in etwa 10 – 14 m Höhe über dem Bohrplatz befindet. Diese Höhe ist notwendig, damit unterhalb der Arbeitsbühne, im sog. Unterbau, die Absperrorgane für das Bohrloch, die Preventergamitur, untergebracht werden kann. Die Preventer sind Schieber, die im Falle eines Ausbruchs von z. B. Gas aus dem Bohrloch geschlossen werden können, und zwar sowohl dann, wenn sich der Bohrstrang im Bohrloch befindet, wie auch dann, wenn sich kein Strang im Loch befindet.
F Drehbohrverfahren
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Das Herz der Bohranlage sind die Antriebsmaschinen. Die Energieversorgung einer Tiefbohranlage erfolgt entweder durch Dieselmotoren oder, heutzutage verstärkt, durch dieselelektrische oder voll-elektrische Antriebseinheiten. Beim diesel-mechanischen-Antrieb werden mehrere Dieselmotoren mit 400 bis 600 kW Leistung (insgesamt bis zu mehreren kW) über ein Getriebe auf die Verbraucher (Hebewerk für den Flaschenzug, Drehtisch, Spülpumpen) geschaltet. Beim diesel-elektrischen Antrieb treiben Dieselmotoren Generatoren an, die entweder Gleichstrom oder Drehstrom erzeugen. Während der Gleichstrom direkt den Gleichstrommotoren der Verbraucher zugeführt werden kann, muss der Drehstrom zunächst gleichgerichtet werden. Jeder Verbraucher hat einen oder mehrere Motoren und kann individuell gesteuert werden. Sofern ausreichende Netzkapazitäten vorhanden sind, können die Elektromotoren auch direkt aus dem Netz gefahren werden.
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Abb. F-4: Onshore- (Land-) Bohranlage [WEG]
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2 Rotary-Bohrverfahren
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Abb. F-5: Schematische Darstellung des Rotary-Bohrverfahrens [V]
Um das Bohrloch am Zusammenfallen zu hindern, dient während des Bohrens eines bestimmten Bohrlochabschnitts zunächst die Bohrspülung, die u.a. durch den hydrostatischen Druck der Spülungssäule einen Gegendruck auf die Bohrlochswand ausübt und diese somit stabilisiert. Allerdings kann auf diese Weise kein Bohrloch von mehreren tausend Metern Länge erstellt werden, zumal immer wieder mit unter Hochdruck stehenden Formationen zu rechnen ist. Deshalb werden von Zeit zu Zeit Stahlrohre, die miteinander verschraubt oder auch ver-
F Drehbohrverfahren
373
schweißt werden, in das Bohrloch eingelassen. Der zwischen der Rohrtour (Casing) und der Bohrlochswand entstehende Ringraum wird anschließend mit einer Zementschlämme, die später zum Zementstein abbindet, ausgefüllt. Die Zementschlämme wird vom Bohrlochtiefsten durch den Ringraum nach übertage gepumpt und verdrängt dabei die sich im Bohrloch befindliche Spülung. Nach der Zementerhärtung wird dann mit einem kleineren Meißeldurchmesser weiter gebohrt, da der neue Meißel einen kleineren Durchmesser haben muss als der Innendurchmesser der Rohrtour, durch die er eingelassen wird. Auf diese Weise entsteht schließlich ein teleskopartiges Bohrloch.
3 Lufthebe-Bohrverfahren 3.1 Allgemeines Dieses Verfahren basiert auf dem Ende des 18. Jahrhunderts von E. Löscher erfundenen Prinzip, mittels Einblasen von Druckluft Flüssigkeiten in einem mehr oder weniger senkrecht befindlichen Rotor zu heben. Seither nennt man solche Pumpen Löscher- oder Mammut-Pumpen. Dieses Prinzip anwendend bohrte der Bergingenieur Honigmann 1895 rotierend erstmalig einen Schacht unverrohrt bis Endteufe. So wurde im Bohrbetrieb aus der anfänglichen 2-Phasen-Förderung (Wasser und Luft), eine 3Phasen-Förderung (Wasser-Luft-Bohrgut), schematisch dargestellt unter Abb. E-6.
3.2 Die Arbeitsweise der Lufthebe-Pumpe Bläst man in das teilweise in Wasser getauchte Förderrohr im unteren Bereich des Rohrendes Luft ein, so steigt diese im Innern blasenförmig nach oben. Der Flüssigkeitsspiegel wird entsprechend dem im Wasser befindlichen Luftvolumen angehoben, bis Wasser über die Rohroberkante abläuft. Setzt man den Luftzusatz ständig fort, ergibt sich eine Dichtedifferenz zwischen innerer und äußerer Wassersäule. Aufgrund der höheren Dichte der äußeren Wassersäule wird ständig Wasser zulaufen, eine regelmäßige Förderung wird damit aufrecht erhalten. Steigert man die Förderungeschwindigkeit durch größeren Luftvolumeneinsatz so weit, dass aufsteigende Geschwindigkeit ausreicht, Feststoffe zu tragen, kann das Lufthebe-Prinzip für Bohrzwecke, d. h. für das Fördern von Bohrgut, benutzt werden. Die Vorteile des Verfahrens liegen darin, dass die geförderten Medien, Wasser-Luft-Gestein nicht mit beweglichen Maschinenteilen in Berührung kommen. Beim Anbringen der Luftzuführungsrohre außen am Bohrgestänge oder bei Benutzung von Doppelwand-Bohrgestänge treten keine Querschnittsverengungen der Förderleitung ein. Somit ist es möglich, grobstückige Feststoffe, die nur gering kleiner als die Eintrittsöffnungen am Meißel sind, zu fördern. Die Förderleitung unterhalb der Lufteintrittdüse kann bei einer Eintauchtiefe der Lufteintrittsdüse von ca. 200 m (optimaler Druck der verdichteten Luft ca. 20 bar) soweit verlängert werden, bis Reibungsverluste im unteren Strang eine Förderung nicht mehr zulassen. Es werden inzwischen bei großen Leitungsdurchmessern (ca. 330 mm) Teufen von 1800 m erreicht, die für den derzeitigen Stand der Bohrtechnik den Ansprüchen genügen.
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3 Lufthebe-Bohrverfahren
Nachteil des Verfahrens ist, dass nicht von der Rasensohle aus angefahren werden kann. Ein Vorschachten ist erforderlich. Die Tiefe ist abhängig vom relativen Verhältnis p von Förderhöhe (ho) zur Eintauchtiefe (he) der Druckluftdüse am Gestänge) Üblicherweise gilt ha : ho = 2 : 1.Durch Einsatz von Kompressoren mit geregelter Leistung nach Druck bzw. Menge und Lufteinblaseventilen mit nach aufwärts gerichteten Düsen kann das Verhältnis stark zugunsten einer geringeren Eintauchtiefe beeinflusst werden. Für praktische Belange sollte das Verhältnis 1 : 1 sein. Mit zunehmender Bohrtiefe und damit Einblastiefe steigt der Kornpressordruck, wobei die Fördermenge zunimmt und sich der Wirkungsgrad verbessert. Rechtzeitig muss vor Erreichen des max. Betriebsdruckes des Kompressors die Luftzufuhr auf eine höher im Bohrstrang angeordnete Einblasdüse umgeschaltet werden. Bei gegebenem max. Betriebsdruck ist es zum Abbohren größerer Tiefen notwendig, entweder mehrere Düsen im Strang vorzusehen oder die einzig vorhandene muss zeitraubend mehrfach höher positioniert werden. Gängige Kompressordrücke sind: bis 200 m 6-10 bar bis 300 m 12 bar tiefer 300 m 20-24 bar Als Druckluft-Volumenströme werden empfohlen: Gestänge-Nenn-0 [mm] Volumenstrom [m3/min] 100 2 bis 4 150 5 bis 8 200 10 bis 15 300 20 bis 25 340 24 bis 48 500 100 bis 150 (bei Förderhöhe 15-25 m) Ein weiterer Nachteil liegt im schlechten Wirkungsgrad begründet. Bezieht man aber die zugeführte Leistung der Förderrichtung auf den erbrachten Aushub des Bohrloches oder Schachtes, ist bei großen Bohrdurchmessern (1,0 bis ca. 6,0 m) das Lufthebe-Bohrverfahren jedem anderen Bohrverfahren wirtschaftlich überlegen. Anwendung findet das Verfahren • beim Brunnenbau in lockeren, wasserführenden aber auch bindigen Formationen, • im Tiefbau, besonders für Pfahlgründungen bis in Felsformationen, • in der Offshore-Technik für das Setzen von Ankerpfählen großer Durchmesser und Abwässerdiffuserschächten in Küstenbereichen, • im Hafenbau, • im Bergbau für das Niederbringen von z. B. Wetterschächten (ca. 8,00 m Durchmesser und 1000 m Tiefe wurden schon erreicht )
F Drehbohrverfahren
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3.3 Schema des Lufthebesystems
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Abb. F-6: Schematische Darstellung des Lufthebeverfahrens [V]
376
3 Lufthebe-Bohrverfahren
3.4 Vereinfachte Darstellung der Förderhöhe
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Abb. F-7: Vereinfachte Darstellung und Berechnung der Förderhöhe [wbh] Beispiel für U-Rohr: Nach Abb. 1 ist h1 · ρ1 = h2 · ρ2 Beispiel für Abb. 2: Gegeben: h1 = 120 m · ρ1 = 1,0 kg/dm3 (Süßwasser) ρ2 = 0,9 k1/dm3 (angenom. mittl. Dicht aus Süßwasser + Luftzusatz) h2 =
h1 ⋅ ρ1 120 ⋅ 1,0 = = 133,3 m 0,9 0,9
Dann ist h0 = h2 – h1 · 133,3 െ 120,0 = 13,3 m
In einem Moment unter statischen Verhältnissen ergibt sich die Niveaudifferenz Vereinfacht mit 13,30 m als maximale Förderhöhe hO
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3.5 Prinzip des Lufthebeverfahrens
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Abb. E-8: Prinzip des Lufthebeverfahrens [wbh]
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3.6 Lufthebebohrtechnik – Daten und Hinweise 3.6.1 Berechnungen, Richtgrößen und Faustformeln
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Will man optimale Bohrleistungen beim Niederbringen von Bohrungen nach dem LufthebeBohrverfahren erreichen, sollte das „Hydraulikprogramm“ für eine solche Bohrung nach ähnlichen Maßstäben erstellt werden, wie sie seit Jahrzenten bei Rotary-Tiefbohrungen üblich sind. Gewöhnlich sind für eine Bohrung folgende Daten im Voraus bekannt bzw. müssen festgelegt werden: • Tiefe, aus der das Bohrgut zu fördern ist (h = hE + hU) • Einblastiefe hE • Förderhöhe fO • Dichte und Körpergröße des Bohrgutes • der Gestänge- (Förderrohr-) durchmesser ist in engen Grenzen frei wählbar, soweit dies das erforderliche Drehmoment und die erforderliche Zugkraft erlauben. Folgende Größen sind noch unbestimmt: • Luftvolumenstrom VL. • Spülungsvolumenstrom VW • Feststoffvolumenstrom VC Wenn man zwei Größen vorwählt bzw. vorgibt, lässt sich die dritte Größe errechnen. Bei gegebenen geometrischen Werten und Spülungs- sowie Feststoffkennwerten können folgende Berechnungen durchgeführt werden: • Für den vorgewählten Spülungsvolumenstrom und Bohrfortschritt (d. h. Transportkonzentration) wird der erforderliche Luftvolumenstrom VL berechnet: • Für den vorgewählten Spülungsvolumenstrom und Luftvolumenstrom (d. h . BohrgutKonzentration) errechnet. • Für gegebenen Bohrfortschritt und Luftvolumenstrom wird der erreichbare Spülungsvolumenstrom VM berechnet. Um diese Berechnungen in vernünftigem Zeitaufwand durchführen zu können, ist der Einsatz einer EDV-Anlage sinnvoll. Das schließt aus, dass derartige Berechnungen an der Bohranlage vom Bohrpersonal durchgeführt werden. Unvorhergesehene Änderungen im Bohrablauf, wie Gebirgswechsel, Bohrschwierigkeiten usw., machen es erforderlich, dass auch der Bohrmeister an der Anlage mit Hilfe bekannter Richtgrößen und einfachen Berechnungen eine Änderung des Bohrprogrammes vornehmen kann. Bei der Lufthebe-Bohrtechnik hängt der Bohrfortschritt bei gegebenem Gebirge von folgenden Faktoren ab: • Bohrandruck • Meißeldrehzahl • Spülungs-Volumenstrom Der Bohrandruck und die Meißeldrehzahl werden bestimmt: • durch die Art und Zusammensetzung des Gebirges • durch die Auswahl der Schneidelemente des Werkzeuges • durch den Bohrlochdurchmesser Der Spülungsdurchsatz ist abhängig von der Aufstiegsgeschwindigkeit der Spülung im Gestänge, der als Erfahrungswert 3-4 m/s betragen soll.
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Die Einflussgrößen für den Volumenstrom sind: • das Spülungsmedium • Dichte und kinematische Zähigkeit • die Förderleitung – d. h. Durchmesser, Länge und Rauigkeit • das Bohrgut – d. h. Dichte, Größe und Form • die Bohrlochsohlenreinigung • hängt direkt vom Volumenstrom, der Spülungsgeschwindigkeit über Sohle vom Durchflussquerschnitt zwischen Meißelkörper und Bohrlochsohle sowie vom Abstand der Spülöffnung des Meißels zum Bohrlochstoß und zur Bohrlochsohle ab. • Der Ringraumquerschnitt zwischen Bohrlochdurchmesser und Schwerstangenaußendurchmesser ist zu beachten. Die Schwerstangenaußendurchmesser sind der Fördermenge anzupassen. Die Sinkgeschwindigkeit im Ringraum HO/DCa soll 1 m/s nicht überschreiten. Für die Praxis ergeben sich daraus folgende Faustregeln und Richtgrößen für eine erforderliche Berechnung gemäß den folgenden Seiten. • optimale Wasser-Luft-Verhältnisse • optimale Luftvolumenströme, Drücke und Teufen für unterschiedliche Gestängedurchmesser • der erforderliche Volumenstrom für das Austragen • die Aufstiegsgeschwindigkeit im Gestänge • die radiale Strömungsgeschwindigkeit unter dem Meißel • die Sinkgeschwindigkeit im Ringraum Bohrloch / Schwerstangen-Außendurchmesser. Wie in der Darstellung unten angeführt, ergibt sich das Strömen der Flüssigkeit im Gestänge aus dem Differenzdruck der Flüssigkeitssäulen. Daraus lässt sich, vereinfacht nach Erfahrungswerten, zum Flüssigkeitsvolumenstrom ein Luftvolumen für die Förderung festlegen. Für die überschlägige Festlegung geht man davon aus, dass die Einblastiefe der Luft für eine optimale Förderung 0,3 bis 0,5 der Gesamtteufe beträgt. Für großkalibrige Bohrungen mit hohem Bohrgutanfall sind diese Verhältnisse anzustreben. Für Bohranlagen im Brunnenbau mit geringeren Bohrlochdurchmessern und maximalen Verdichterdrücken von 13 bar sind Einblastiefen ab 0,25 x Teufe erfahrungsgemäß ausreichend. Optimale Wasser-Luftverhältnisse: • bei der Wasserförderung ew : VW : VL = 1 : 1,0 bis 1 : 1,5 • beim Bohren ew : VW : VL = 1 : 1,5 bis 1 : 2
3.6.2 Optimale Luftvolumenströme, Drücke und Teufen für unterschiedliche Gestängedurchmesser Tabelle 1-F: Luftvolumenströme, Drücke und Teufen
330 300 200 150 100
V m3/min 24-48 20-25 10-15 6-10 3-5
Teufe < 300 m Pmax [bar] 13 13 13 13 13
Teufe > 300 m Pmax. [bar] 20-24 20-24 20 20 20
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3 Lufthebe-Bohrverfahren
3.6.3 Erforderlicher Volumenstrom für das Austragen Der erforderliche Volumenstrom V Dpj für das Austragen ergibt sich zu: V = 0,8 bis 1,0 (dDpi 2) V = Volumenstrom in m3/h dDpi = Gestängedurchmesser in cm bei dDppi = 15 cm ergibt sich: = 0,8 – (152) = 180 m3/h = 3 m3/min
3.6.4 Aufstiegsgeschwindigkeit im Gestänge Die Aufstiegsgeschwindigkeit im Gestänge ist:
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W ª¬ ms º¼ =
l º V ª¬ min ¼
471 (diDp
2 [dm 2 ])
=
3 000 = 2,8 ms 471 ⋅ (1,52 )
Beim Faktor 1 wären es 3,5 m/s
3.6.5 Radiale Strömungsgeschwindigkeit unter dem Meißel Die radiale Strömungsgeschwindigkeit unter dem Meißel ergibt sich V zu: V = 200 bis 250 · ҏ∅ wobei V in m3 / h und ∅ in m eingesetzt wird. Bei 26“ = 0,66 m und Kenngröße 200 ist VBit = 200 × 0,66 = 132 m3/h = 2,2 m3 /min
3.6.6 Berechnung der Sinkgeschwindigkeit im Ringraum Bohrloch – Gestänge Schwerstangendurchmesser WADC ª¬ ms º¼ =
l º V ª¬ min ¼
471 ⋅ (d Hi 2 − d DCa 2 [dm 2 ])
3
m , d = 15" und d Bei VDPi = 3,0 min Hi DCa = 11" ist
WADC =
3000 = 0,95 471 ⋅ (3,812 − 2, 792 )
m s
Sinkgeschwindigkeiten > 1,0 ms sind nicht empfehlenswert
3.6.7 Änderung von Bohrparametern Jede Veränderung von Bohrparametern wirkt sich auf den Förderstrom und u.U. auf die Bohrleistung aus. Diese Veränderungen sind nach einem WIRTH – Computer – Programm für ein vorgegebenes Beispiel unter Tabelle – 2-F dargestellt.
F Drehbohrverfahren
Die Einflüsse und Ergebnisse kann man wie folgt zusammenfassen: Bei gleichen Verhältnissen Einblastiefe/Gesamttiefe nimmt die Fördermenge mit wachsender Gesamttiefe ab. Einerseits wächst die mit der Druckluft zugeführte Leistung, andererseits wächst auch die erforderliche Leistung für Hub und Reibung. Bei zunehmender Einblastiefe werden für den Förderbeginn kleinere Luftmengen benötigt, weil das eingeschlossene Luftvolumen im Gestänge wächst. Bei gleichen Luftmengen wächst die Fördermenge mit zunehmender Einblastiefe bei sich ständig verkleinernder Zuwachsrate und steigenden Kosten für die Luftverdichtung. Mit wachsender Förderhöhe nimmt die Fördermenge durch wachsende Reibungs- und Beschleunigungsverluste ab. Die Förderhöhe h0 sollte möglichst klein gehalten werden. Größere Gestängedurchmesser erfordern größere Luftmengen, bringen aber auch größere Fördermengen. Kleinere Gestängedurchmesser kommen mit geringeren Luftmengen aus. Dichte und Große des geforderten Bohrgutes bei gleicher Transportkonzentration bewirken eine höhere mittlere Dichte, weil die Schlupfgeschwindigkeit zwischen Spülung und Feststoff zunimmt. Die Auswirkungen auf die Förderkennlinie entsprechen einem verlängerten Unterrohr. Größere Luftmengen sind für den Förderbeginn erforderlich. Eine höhere Feststoffkonzentration vergrößert den Druckabfall im Unterrohr.
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3 Lufthebe-Bohrverfahren
3.6.8 Einfluss von geänderten Bohrparametern auf den Förderstrom und die Bohrpraxis Tafel 2-F: Einfluss von Bohrparametern
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3.7 Bedeutung der Förderkennlinie Um die Feststoffförderung in Gang zu setzen, ist nach Tafel 3-F eine Mindestlufttmenge VLmin (1) erforderlich, bei der die Wassergeschwindigkeit die Sinkgeschwindigkeit der Feststoffteilchen im Unterrohr überschreitet. Mit Beginn der Feststoffförderung nehmen die Masse des im
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3 Lufthebe-Bohrverfahren
Unterrohr befindlichen Feststoffes und damit die mittlere Dichte und der Druckabfall im Unterrohr ab, so dass die Fördermenge zunächst steil anwächst. Bei weiterer Steigerung der Luftmenge nimmt die mittlere Dichte sowohl im Unterrohr als auch oberhalb der Einblasdüse ab, wodurch der Druckabfall infolge der Gemischdichte verringert wird Andererseits wächst der Reibungsdruckverlust, weil die Fördergeschwindigkeit erhöht wird. Infolge der gegenläufigen Wirkungen nimmt die Förderkurve einen immer flacheren Verlauf und fällt nach Erreichen eines Maximums wieder ab. Entsprechend steigt der Wirkungsgrad zunächst steil an und fällt dann relativ flach ab. Am Berührungspunkt der Nullpunkttangente mit der Förderkurve erreicht die geförderte Feststoffmenge pro eingeblasene Luftmenge und auch der Wirkungsgrad das Maximum. Die Förderkennlinie zeigt, dass der optimale Förderpunkt im Schnittpunkt VL = 5 m/min zu Vw = 3 m3/min liegt. Das entspricht einem V L/Vw – Verhältnis von 1.66 zu 1. Bei einer Verdoppelung der Luftmenge auf 10 m3/min wird die Wasserförderung 5,3 m3/min und das Verhältnis ca. 1.9 zu 1. Bei 25 m3 Luft = 5-facher Luftmenge ist die Wasserförderung = 2,9 m3, d.h. die Steigerung der Wassermenge beträgt nur das Dreifache bei erheblich gesteigerten Energiekosten. Wie die abschließende Berechnung zeigt, wäre der optimale Förderpunkt der Förderkennlinie richtig für ein Gestänge mit 143 mm 1D und einer Fördergeschwindigkeit im Gestänge von 3,11 m/s im Normalbereich. Die Förderkennlinie einer Lufthebeanlage gibt also an, welche Luftmenge erforderlich ist, um bei einer bestimmten Bohranlage eine bestimmte Spülungsmenge und/oder Feststoffmenge zu fördern.
3.7.1 Allgemeine Verlauf der Förderkennlinie
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Tafel 3-F: Grafische Darstellung und Ermittlung der Förderkennline
3.8 Der Bohrfortschritt Der Bohrfortschritt ist in der Regel keine Konstante, sondern: abhängig von der Art, Festigkeit und Bohrbarkeit des Gebirges, • von der Art des Bohrwerkzeuges, • von den Einsatzparametern des Meißels und • von einer erfolgreichen Bohrlochsohlenreinigung. Grundsätzlich wird beim Lufthebebohren im weichen Gebirge wie Kiesen und Sanden der Bohrfortschritt von der Bohrlochsohlenreinigung und von der Förderleistung im System abhängen. Bei weichen Tonen, schmierenden Mergeln und stark tonigen Sanden spielt neben der Förderleistung die Geometrie des Werkzeuges und die Spülungsbehandlung eine Rolle. Im harten Fels und bei geringer Bohrbarkeit ist der Fortschritt ausschließlich von der Gestaltung des Werkzeuges und der wichtigsten Bohrparameter Andruck und Drehzahl abhängig. Die Förderleistung ist in der Regel überdimensioniert, weil nicht immer die für die Auslegung der Bohranlage erreichbaren maximalen Teufen und Bohrdurchmesser gefordert werden. Die Bohrlochsohlenreinigung, Spülungsgeschwindigkeit über Sohle, erhält eine besondere Bedeutung bei größeren Bohrlochdurchmessern. Eine perfekte Reinigung ergibt sich nur, wenn es gelingt, die Horizontalgeschwindigkeit der Spülung an der Peripherie des Bohrloches unter dem Meißel, der Einlassgeschwindigkeit am Saugstutzen des Meißels anzupassen. Andernfalls findet eine ständige Nachzerkleinerung von Bohrgut unter dem Meißel auf Kosten des Bohrfortschritts statt. Die Art der Rollenbesetzung und die Anordnung der Ansaugöffnung ist daher bei größeren Meißeln ein entscheidender Faktor. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich bei Meißeln mit Schneidblättern und Vorschneiden.
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3 Lufthebe-Bohrverfahren
Ideale Ansaugverhältnisse ergeben sich beim Exzenter-Rollenmeißel im Lockergebirge. Dieser Meißel sollte aber mit mindestens zwei Stabilisatoren gefahren werden, um ein Taumeln des Meißels auf Sohle zu verhindern.
3.9 Bohrlochsicherheit
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Beim Niederbringen von Lufthebebohrungen sind besondere Sicherheitsmaßnahmen hinsichtlich der Bevorratung und des Nachschubes von Wasser für die Bohrspülung erforderlich. In der Regel genügt eine Reservegrube, gefüllt mit dem 1,5 – bis 2 fachen Bohrlochinhalt. Bei plötzlichen Spülungsverlusten müssen die abfließenden Spülungsmengen sofort ersetzt werden können, wenn das Bohrloch durch Absinken des Wasserspiegels nicht zusammenstürzen soll. Die Wasserversorgung der Grube muss nach dem größten zu erwartenden Spülungsverlust ausgelegt sein. Bei Bohrung von 500 – 1000 mm Durchmesser sollten mindestens 0,5 – 1 m3 / min zur Verfügung stehen. Eine Unterbrechung der Wasserversorgung darf unter keinen Umständen eintreten, Doppelaggregate oder zwei voneinander unabhängige Versorgungspunkte geben bessere Sicherheit. Eventuelles Verstopfungsmaterial sollte durch Rechtsspülung oder durch eine in den Ringraum eingehängte Leitung eingebracht werden. Die Leitung sollte mindestens 10 m in den abgesenkten Spiegel eintauchen. Die Sinkgeschwindigkeit im Ringraum sollte nicht höher als 1 m/s liegen. Erosion, Nachfall bei quellenden Tonen oder bei Eintreten von Spülungsverlust führt zum Festwerden des Bohrwerkzeuges. Das Spülen auf der Stelle , u. U. mit Rotation im Lockergebirge, führt zu Auskesselungen, Nachfall, Festwerden von Bohrsträngen und in schwerwiegenden Fällen zum Verlust der Bohranlage. Ein abgehängter Bohrstrang in einer Sandschicht wird bei hohen Fördergeschwindigkeiten und Drehbewegung den Sand aus dem Bohrlochstoß mit fördern, was zu Auskesselungen und Nachfall und u. U. zu einer Kraterbildung über Tage führen kann. Hohe Geschwindigkeiten beim Ziehen und Einlassen des Bohrstranges sollte man im Lockergebirges mit Sand, Kies und Geröll sowie in Schichten, die zu Nachfall neigen, vermeiden, um ein Festwerden des Stranges zu verhindern. Wird die Förderung unterbrochen, oder läuft sie nach dem Nachsetzen nicht an, können abgesehen von obertägigen Störungen im System folgende Fehler vorliegen: • Nachfallbrücke im Ringraum • Verstopfter Meißeleinlass bei Steinen oder verstopfter Innenstrang durch „Kieswolken“ bzw. Bohrgutstopfen • Erreichte Endteufe für die Lufteintrittsdüse.
F Drehbohrverfahren
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3.10 Spülungszirkulation Bei einer vollhydraulischen Rotary-Bohranlage mit Lufthebeeinrichtung (Spülteichanordnung).
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Abb. F-9: Spülungszirkulation (Spülteichanordnung) [wbh]
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4 Saugbohrverfahren
4 Saugbohrverfahren 4.1 Systembeschreibung
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Die Umwälzenergie wird bei diesem Verfahren von einer Zweikanalrad-Zentrifugalpumpe auf den Zirkulationsstrom übertragen. Dabei saugt die Pumpe, die sich übertage befindet, von der Bohrlochsohle das Bohrgut durch das Gestänge und fördert in einen Absetzteich oder Behälter, von wo das Wasser dem Bohrloch zufließt und im Ringraum zur Sohle sinkt. Der Fließvorgang ist eine Funktion des atmosphärischen Luftdruckes. Saugbohranlagen haben daher eine begrenzte Teufenkapazität. Die Förderleistung ist unabhängig von der manometrischen Förderhöhe, die je nach Spülungsbeladung in der Praxis zwischen 6 bis 8 m beträgt, und sie wird weiter beeinflusst durch Undichtigkeiten im Leitungssystem und die Reibung in der Förderleitung. Abgesehen vom vorher Gesagten ist das Saugbohrverfahren das unkomplizierteste aller Linksspülbohrverfahren und das wirtschaftlichste für flache Bohrungen. Die Zusammenhänge zwischen Gestängedurchmesser, Teufenkapazität und Rohrreibung haben zu nachstehend aufgeführten Dimensionen geführt: Gestänge-Nenn (mm) wirtschaftliche Bohrtiefe (m) 100 80 150 100 200 150 300 200 Für den Bohrbeginn ist nur eine sehr geringe Eintauchtiefe erforderlich, ca. 0,5 – 1,0 m. Zum Anfahren oder Zirkulation bei Bohrbeginn und jedem Nachsetzen der üblicherweise 3 m langen Flanschbohrgestängesektionen ist der Übertageteil zwischen Wasserspiegel im Bohrloch und Rückschlagklappe hinter der Zentrifugalpumpe mittels einer Vakuumeinrichtung zu evakuieren (siehe Schema, Abb. E-. Eingesetzt werden Saugbohranlagen in Lockerformationen, die das Bohren mit Klarwasser erlauben, für Brunnen, Entwässerungsschächte, Bohrpfahllöcher. Dabei muss das Bohrloch stets randvoll gehalten werden und reichlich Spühlwasserreserve verfügbar sein, um gegen Spülungsverlust gewappnet zu sein.
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4.2 Schema des Saugbohrverfahrens
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Abb. F-10: Schema Saugbohrverfahren [V]
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5 Saugstrahlverfahren
5 Saugstrahlverfahren 5.1 Systembeschreibung Bei diesem Verfahren wird die Saugwirkung durch eine Wasserstrahlpumpe erzeugt, die entweder am Krümmer des Spühlkopfes installiert ist (siehe Schema, Ab. E-) oder aber seltener am unteren Ende der Mitnehmerstange. Letzterer Ort ist günstiger in Bezug auf die Saugwirkung (Saughöhe gering), erfordert aber unterhalb des Spühlkopfes einen zusätzlichen Wasserrotor.
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Abb. F-11: Schema Saugstrahlverfahren [V
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Der Wasserdruck wird durch eine Hochdruck-Kolbenpumpe erzeugt, der entweder immer Frischwasser oder gereinigte Spülung zugeführt werden muss. Die Betriebsverhältnisse sind ähnlich dem Saugbohrverfahren, jedoch ist die Förderung bei gleichem Gestängedurchmesser deutlich geringer Wegen seiner geringen Wirtschaftlichkeit findet das Verfahren entweder Anwendung bei flachen Bohrungen kleiner Durchmesser, die anschließend mit dem Lufthebe-Bohrverfahren weitergeteuft werden, wo andere Teufgeräte wie z. B. Trockendrehbohranlagen, Bohrgreifer usw. nicht verfügbar sind.
6 Sicherung des Bohrloches beim Bohren Beim Abteufen von Bohrungen mit indirekter direkter Spülungszirkulation; Anfangsteufen für den Bohrbeginn – besonders bei größeren Durchmessern – sind Maßnahmen zu treffen das Bohrloch bis zum Erreichen der Endteufe gegen Nachfall, Zusammenbruch Zufluss und Ausbruch von Flüssigkeiten und Gasen zu schützen. Wie beim Bohren mit direkt gerichteter Spülung (Rotary-Bohren), wird beim Bohren mit Umkehrspülung die Flüssigkeit zur Stützung der Bohrlochwand herangezogen, jedoch ist diese spezifisch erheblich leichter. Verwendet wird in der Regel Wasser oder leichte Bentonitspülungen oder Wasser mit CMC- oder Polymerzusätzen Voraussetzung ist, dass das Bohrloch im unverrohrten Teil ständig gefüllt ist, besser noch randvoll gehalten wird. Gelingt es, zwischen dem Flüssigkeitsspiegel im Bohrloch und dem Grundwasserspiegel im umgebenden Gebirge einen Überdruck herzustellen, wird man zwangsläufig während des Bohrens und auch während des Stillstandes eine ständige Infiltration von Wasser in das poröse Gebirge hervorrufen Die Praxis zeigt, dass ständig mehr Wasser während des Bohrens erforderlich ist, als das Volumen, das dem geforderten Gebirge entspricht Nach längerer Bohrarbeit lässt der Wasserverbrauch nach. Das bedeutet, dass Feinstfeststoffe, die sich auch in Kies- und Sandschichten befinden sowie Lehm- und Tonpartikel mit dem Wasser in das Gebirge abwandern und an der Bohrlochwand ein Filtrat (Filterkuchen) aufbauen das letztlich die Bohrlochwand stabilisiert Je höher der Überdruck bei gleichem Gebirge ist, um so schneller erfolgt die Infiltration und somit der Aufbau des Filterkuchens Der Überdruck darf aber nicht so groß sein, dass er zum Fracen (Aufreißen) des Gebirges führt. Die Filterkuchenbildung kann man durch Bentonitzusätze und Zusätze von wasserbindenden Mitteln (CMC) beschleunigen. Gleichzeitig wird damit auch die Dichte der Spülung erhöht, was sich für die Stabilisierung des Bohrloches günstig auswirkt. Die Verwendung von CMC oder anderen Zusätzen wird oftmals, im Brunnenbau z B, eingeschränkt. Es ist daher wichtig, sich bereits während der Bohrplanung Gedanken über zulässige Stabilisierungsmaßnahmen zu machen. Steht das Grundwasser bereits dicht Untertage an, muss man entweder das Standrohr über Ackersohle ziehen, was bei vollhydraulischen, mit Kraftspülkopf arbeitenden Anlagen ohne weiteres möglich ist, oder man muss den Grundwasserspiegel absenken. Art und Anzahl der Absenkbrunnen richten sich nach den örtlichen Gegebenheiten. In der Regel genügen einfache Spülfilter, die an eine Ringleitung angeschlossen werden. Die Absenkung muss vom ersten Bohrtag bis zum Einbringen der Verrohrung bzw. der Filter aufrecht erhalten werden. Ein Pegelfilter muss in unmittelbarer Nähe der Bohrung zur ständigen
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392
6 Sicherung des Bohrloches beim Bohren
Kontrolle des abgesenkten Spiegels vorhanden sein. Der erzeugte Überdruck soll nach praktischen Erfahrungen nicht weniger als 0,3 bar = 3 m Absenkung bzw. Überstand betragen. Beim Anfahren gespannter Wässer (Arteser) ist man gezwungen, die Spülungsdichte zu erhöhen. Dazu ist es wichtig, eine Messung des Bohrloch-Kopfdruckes vorzunehmen oder die Höhe der aufsteigenden Wassersäule zu ermitteln. Diese Messungen sind bei großkalibrigen Bohrungen schwierig, weil Absperrvorrichtungen am Kopf des Standrohres fehlen. Sind Arteser zu erwarten, sollte man geeignete Absperrvorrichtungen (Rohrkopf bei Schraubverbindungen oder Kopfplatte mit Dichtung bei glattem Rohrkopf) vorhalten Nach Ermittlung des Kopfdruckes ist die Dichte der Spülung zu ermitteln die erforderlich ist, die Zuflüsse zurückzuhalten. Die beschwerte Spülung ist durch das Gestänge, bei reduziertem Auslauf über den Ringraum einzupumpen Es muss sichergestellt sein, dass das Standrohr dicht ist.
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G Gestänge und Werkzeuge 1 Allgemeines Die Arbeitsbedingungen, unter denen moderne Bohr- und Messgeräte für Tiefbohrungen zuverlässig funktionieren müssen, sind extrem. Es herrscht Druck von vielen Hundert Bar, die Temperaturen sind so hoch, dass handelsübliche Elektronikbauteile ihnen nicht mehr gewachsen sind, und alle Bauteile sind permanenten Vibrationen und Schlägen ausgesetzt. Für die Bohr- und Messgeräte tief in der Erde ist das allerdings die ganz normale Arbeitsumgebung, hier müssen sie zuverlässig funktionieren. Wenn nämlich auch nur ein winziges Bauteil tief unten im Bohrstrang versagt, muss der komplette, viele Kilometer lange Bohrstrang ausgebaut werden, um die defekte Komponente austauschen zu können. Danach muss alles wieder eingebaut werden, bevor der Bohrvorgang wieder aufgenommen werden kann. Der Fachmann nennt den Vorgang des Aus- und Einbauens, das im Allgemeinen einen ganzen Tag oder sogar noch länger in Anspruch nehmen kann, einen Roundtrip. Natürlich sollen zeitaufwendige und damit teure Roundtrips soweit es geht vermieden werden. Deshalb kommt in der Tiefbohrtechnik immer nur das Allerbeste und Zuverlässigste zum Einsatz. Die Tiefbohrtechnik bewegt sich damit ständig am Limit des technisch Machbaren und stellt dadurch ein hoch attraktives Arbeitsumfeld für kreative Wissenschaftler und Ingenieure dar, das Seinesgleichen bestenfalls in der Weltraumtechnik findet. Die übliche Einsatzdauer von Bohrwerkzeugen beträgt in Tiefbohrungen ca. 50 bis 150 Stunden. Spätestens dann ist auch der beste Bohrmeißel stumpf geworden und muss ausgewechselt werden. Um die Wahrscheinlichkeit von Störungen beim Weiterbohren zu minimieren, werden mit dem Bohrmeißel oft auch gleich weitere Komponenten der Bohrgarnitur durch neue ersetzt. Während der aufgefrischte Bohrstrang wieder in das Loch eingefahren wird, werden die benutzten Geräte zur Wartung bereits in die nächste verfügbare Fachwerkstatt transportiert. Solche Werkstätten werden von den einschlägigen Servicefirmen rund um die Welt betrieben. Sie verfügen über speziell geschultes Wartungspersonal und gut ausgestattete Ersatzteillager. So treten keine Wartezeiten auf und die Geräte gelangen auf diese Weise schnellstmöglich zu ihrem nächsten Einsatz. Die meisten modernen Bohrgarnituren sind sehr komplex und erfordern vom Bediener ein tiefes technisches Detailverständnis. Sie können nur von speziell ausgebildeten Experten vorschriftsmäßig eingesetzt werden. Deshalb werden solche Bohrgarnituren üblicherweise nicht verkauft, sondern vermietet. Die Fachleute für den Einsatz, die Field Service Engineers (FSE), stammen ebenfalls von den Herstellerfirmen. Sie sorgen dafür, dass alles ordnungsgemäß behandelt und bedient wird und optimal funktioniert. Das Bohrloch der Hauptbohrung (unterhalb des Bohrturms) ist (Foto: 5/2003) mit einem kleinen „Preventer“ abgedeckelt. Es laufen seismische Langzeitmessungen, wobei man mit Hilfe der Vorbohrung das Gebirge entwässert (das über 200 Millionen Jahre alte Ur-Wasser wird abgepumpt und in die Naab geleitet), dadurch „Mini-Erdbeben“ auslöst und diese wiederum in der Hauptbohrung mit neuen, sehr empfindlichen Geräten misst. Heute (2009) ist das Bohrloch immer noch offen (bis ca. 908x Meter) und wird weiterhin für wissenschaftliche Untersuchungen genutzt.
H. -O. Buja, Handbuch der Tief-, Flach-, Geothermie- und Horizontalbohrtechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-9943-9_7, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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2 Bohrstrang beim Rotary-Bohrverfahren
2 Bohrstrang beim Rotary-Bohrverfahren 2.1 Zusammensetzung des Bohrstranges
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Der Bohrstrang ist das Verbindungsglied zwischen dem auf der Bohrlochsohle arbeitenden Bohrwerkzeug und der Bohranlage an der Tagesoberfläche und besteht aus folgenden Elementen (von oben nach unten): • Mitnehmerstange (Kelly) • Bohrgestänge (Drill Pipes) • Heavy Weight (Drill Pipes) -dickwandig • Schwerstangen (Drill Collars) • Stabilisatoren (Stabilizer) • Bohrmotor (Downhole Motor) • Stoßdämpfer (Shock Sub) • Schlagschere (Drilling Jar) • Gewindeübergänge (Crossover Sub) Der Bohrstrang stellt die Drehachse dar und überträgt die Energie beim Bohren. Seine Aufgaben im Einzelnen sind: • Übertragung des Drehmomentes von dem Drehtisch oder Topdrive auf das Bohrwerkzeug, • Belasten des Bohrwerkzeuges, • Zuleitung von Spülflüssigkeit oder Gas (Luft) zur Bohrlochsohle zum Zwecke der Säuberung der Bohrlochsohle vom erbohrten Gestein. • Aus- und Einbauen des Bohrwerkzeuges zur Bohrlochsohle.
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Abb. G-1: Zusammensetzung des Bohrstrangs [wbh]
Der Bohrstrang stellt eine empfindliche, im Verhältnis zu seinem Durchmesser überlange und sehr schlecht gelagerte Hohlwelle dar. Beim modernen Rotary-Bohren mit den entsprechend großen Teufen ist der Rotary-Bohrstrang in seinen Abmessungen außerordentlich unproportioniert mit Durchmesser-zu-Längen-Verhältnissen von 1 zu 10.000 bis etwa 1 zu 60.000. Er
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2 Bohrstrang beim Rotary-Bohrverfahren
muss in der Lage sein mehrere 100 kW mechanische und mehrere 1.000 kW hydraulische Leistungen zu übertragen. Aus diesem Grunde kann man den Bohrstrang auch als ein aus vielen Hochdruckelementen zusammengeschraubtes Gefäß d. h. als einen unten angezapften Hochdruckbehälter auffassen, der nicht nur auf Innendruck durch die Spülung, sondern außerdem noch auf Torsion, Biegung, Zug und Druck beansprucht wird. Diese Belastungen wirken jedoch beim Bohren nicht einzeln auf den Strang, sondern in Kombination, so dass sich BiegeZug-Druck-Wechselbeanspruchungen ergeben. Trotzdem muss der Stahl der Dauerfestigkeit entsprechen, wenngleich Korrosion und mechanische Beschädigungen durch Kerbwirkung in den Keil- und Zangenanschlagzonen oder durch Abrieb im Bohrloch dazu führen, dass die Dauerfestigkeit stark eingeschränkt wird. Aus diesem Grund muss das Bohrgestänge gern. API- und W.E.G.-Richtlinien in bestimmten Abständen zerstörungsfrei geprüft und klassifiziert werden. Gebräuchliche Einstufungen sind die Klassen 1, Premium und 2, wobei jeweils die Belastungen, insbesondere der Bohrstangen, die den empfindlichsten Teil des Stranges darstellen, reduziert werden (Innendruck, Zugbelastung, Torsionsbelastung). Die zulässigen Werte sind entsprechenden Tabellen zu entnehmen.
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2.2 Mitnehmerstange Die Mitnehmerstange ist das oberste Strangelement. Sie gleitet zwischen den Rollen des Mitnehmereinsatzes im Drehtisch auf- und abwärts, wird vom Drehtisch mitgenommen und überträgt so die Drehung des Drehtisches auf den Strang. Der Mitnehmerteil hat in der Regel einen hexagonalen (sechseckigen) Querschnitt, um das Drehmoment aufnehmen zu können. Das obere Ende der Mitnehmerstange ist über Linksgewinde mit dem Spülkopf verbunden, das untere Ende über ein Schonstück mit dem Bohrstrang. Da die Mitnehmerstange mit jeder nachzusetzenden Bohrstange verschraubt werden muss, unterliegt das untere Gewinde der Mitnehmerstange besonders großem Verschleiß. Um das zu vermeiden, wird ein Übergang zwischen Mitnehmerstange und Strang geschraubt, der leichter und kostengünstiger ausgetauscht werden kann. Um in Falle eines unbeabsichtigten Zuflusses von Formationsinhalten (Wasser, Öl, Gas) in die Bohrung diese sicher einschließen zu können, befindet sich ober- und unterhalb der Mitnehmerstange je ein Kugelhahn, der geschlossen werden kann. Beim Bohren mit Topdrive entfällt die Mitnehmerstange, da das Drehmoment vom Topdrive erzeugt wird, der unmittelbar auf das Bohrgestänge aufgeschraubt wird. Der Drehtisch wird in der Regel zum Abfangen des Stranges beim Nachsetzen und Roundtrip beibehalten.
2.3 Bohrgestänge 2.3.1 Allgemeines Bohrrohr und Gestängeverbinderpaar werden jeweils durch Verschweißen oder Verschrauben zu einer Bohrgestängelänge komplettiert. In Abhängigkeit von der Konstruktion des Verbinders unterscheidet man • Schraubbohrgestänge, • Flanschbohrgestänge, • Bohrgestänge mit Spezialverbindern. Schraubbohrgestänge wird auf dem gesamten Gebiet der Bohrtechnik, in der Tiefbohrtechnik auf Erdöl und Erdgas ausnahmslos, eingesetzt. In der Schürfbohrtechnik ist das, abgesehen
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vom versuchsweisen Einsatz von Spezialverbindern, ebenfalls der Fall. In der Brunnenbohrtechnik sowie in der Großloch- und Schachtbohrtechnik überwiegt der Einsatz von Flanschbohrgestänge ab etwa 150 mm Bohrrohraußendurchmesser. Bei Flanschverbindungen entfällt die Notwendigkeit, mit entsprechend hohem technischem Aufwand hohe Verschraub- und Brechmomente zu erzeugen, die bei einem 340-mm-Bohrgestänge in der Größenordnung von 100 kNm liegen, und es besteht außerdem die Möglichkeit einer relativ einfachen Einzelfertigung. Der Einsatz von Spezialverbindern beschränkt sich in der Praxis im Wesentlichen auf die Trockenbohrtechnik und dort wiederum auf flache ingenieurgeologische Untersuchungsbohrungen und technische Bohrungen. Ziel des Einsatzes von Bohrgestänge mit Spezialverbindern ist die Beschleunigung der Ein- und Ausbauarbeiten sowie die mögliche Umkehrung der Drehrichtung des Bohrwerkzeuges.
2.3.2 Schraubbohrgestänge Das in der Tiefbohrtechnik eingesetzte Schraubbohrgestänge, ist ein Vorschweißgestänge ohne Schlüsselflächen. In der Schürfbohrtechnik zum Einsatz kommende Schraubbohrgestänge sind z. T. mit Schlüsselflächen versehen. Ausschlaggebend für den Einsatz der einzelnen Bohrgestängekonstruktionen ist ihre Eignung für die vorgesehene Bohrtechnologie (geometrische Bedingungen und Bohrregime). Die Belastbarkeit (Drehmoment, Zugbeanspruchung, Biegung) der Bohrgestängekonstruktionen begrenzt ihre Einsatzteufe. Zur Gewährleistung guter Arbeitsbedingungen sollte das Verhältnis von Bohrgestängedurchmesser: Bohrlochdurchmesser immer so groß wie möglich (≥ 0,88) gewählt werden. Durch dieses Durchmesserverhältnis werden die mit einem Bohrgestänge erreichbare Drehzahl, seine Laufeigenschaften und seine Havarienanfälligkeit entscheidend beeinflusst. Das in der Öl- und Gasbohrtechnik eingesetzte Bohrgestänge (Drill Pipe, DP) besteht aus etwa 9 m langen nahtlosen Stahlrohren, die mit Gewindeverbindern, sog. Tooljoints, miteinander verschraubt werden. Nach API sind für die Werkstoffe bestimmte Gütestufen vorgesehen: E-75, X-95, G-105 und S-135 Die Gütestufen kennzeichnen die Mindeststreckgrenze des jeweiligen Werkstoffes gern. nachstehender Auflistung: Tabelle 1-G: Gütestufen Gütestufe
E-75 X-95 G-105 S-135
Streckgrenze (Yield Strength) min 75.000 psi 517 N/mm2 95.000 psi 655 N/mm2 105.000 psi 724 N/mm2 135.000 psi 931 N/mm2
max 105.000 psi 724 N/mm2 125.000 psi 862 N/mm2 135.000 psi 931 N/mm2 165.000 psi 1.138 N/mm2
Zugfestigkeit (Tensile Strength) min 100.000 psi 689 N/mm2 105.000 psi 724 N/mm2 115.000 psi 793 N/mm2 145.000 psi 1.000 N/mm2
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Die in der Tabelle genannten Begriffe bedeuten: • Streckgrenze: die Zugspannung, die folgende, temporäre Verlängerung des Prüfkörpers gemäß API Spec 5 A bzw. 5 AX hervorruft: 0,5 % der Messstrecke bei E-75 0,6 % der Messstrecke bei X-95, G-105 0,7 % der Messstrecke bei S-135 • Indiz: bleibende Verformung • Zugfestigkeit: die auf den Ausgangs- oder Nenndurchmesser bezogene Höchstspannung (oder Last), die auf den Prüfkörper aufgebracht werden kann, ehe es zum Trennbruch kommt. • Indiz: Trennbruch • Bruchdehnung: die Mindest-Dehnung, die sich beim Trennbruch auf eine Strecke von 2" (= 50,80 mm) eines besonders ausgebildeten Prüfkörpers (nach API) ergibt. Wird das Bohrgestänge allerdings mit der Mindeststreckgrenze beaufschlagt, so ergibt sich nicht nur die nach API definierte temporäre Verformung, sondern auch eine bleibende Verformung von ungefähr 0,2 %, wenngleich diese in der API Definition nicht erwähnt wird. Da jedoch eine bleibende Verformung des Strangmaterials nicht erwünscht ist, darf ein Bohrstrang nach API RP 7G nur mit maximal 90% des Mindest-Streckgrenzwertes belastet werden, um so sicherzustellen, dass eine Verformung noch nicht eingetreten ist. Bei gebrauchten Strängen ist zudem die Einstufung in die Gebrauchsklasse zu berücksichtigen. Bohrstangen werden in drei Längenbereichen geliefert (Range 1- 3), wobei in der Tiefbohrtechnik Range 2 mit einer Länge von 8,23 – 9,14 m ohne und 8,60 – 9,50 m mit Verbindern zum Einsatz kommt, so dass man mit einer mittleren Stangenlänge von 30 ft bzw. 9 m rechnet. Die Außendurchmesser der Gestängerohre liegen bei: 2.Ǫ", 2.Ǭ", 3.½", 4", 4.½", 5", 5. ½1/2" bzw. 6.ǫ". Der Verbinder (Tooljoint) besteht aus einem Zapfen- und einem Muffenteil mit Spitzgewinde mit gerundeten Spitzen. Die beiden Teile des Tooljoints werden mittels des Reibschweißverfahrens vor die Stangenenden geschweißt, nachdem diese entsprechend verdickt wurden. Diese Verdickungen oder Stauchungen (Upsets) können nach außen (External Upset, EU), nach innen (Internal Upset, IU) oder nach innen und außen verteilt (Intemal-Extemal Upset, IEU) angebracht werden, wobei es immer zu Beeinträchtigungen kommt, entweder durch eine Vergrößerung des Außendurchmessers (EU) oder durch Reduzierung des Innendurchmessers (IU), was zu erhöhten Zirkulationsdruckverlusten führt. Die heute verwendeten Tooljoint Typen sind in der Regel NC Verbinder, wobei NC für Rotary Shouldered Numbered Connection steht. Der NC Verbinder ist mit einem V-0.038 R Gewinde versehen und kann meistens mit dem entsprechenden IF Verbinder (internal flush) verschraubt werden, der ein V-0,065 Gewinde hat. Austauschbarkeitslisten in einschlägigen Tabellenwerken geben an, welche Gewinde miteinander verschraubt werden können. Lediglich die 5.1/2" und 6.5/8" Verbinder sind mit FH Verbinden (Full-hole) versehen. FH Verbinder haben V0.040, V-0.050 bzw. V-0.065 Gewindeformen und sind, mit Ausnahme des NC 40, der mit 4" FH verschraubt werden kann, nicht mit NC Gewinden austauschbar. Tooljoints sind Stoßschulter-Verbinder was bedeutet, dass nach dem Verschrauben die Schultern von Muffe und Zapfen in Kontakt kommen, was zu einer Umleitung der Kräfte führt. Wird der Verbinder nach dem Kraftschluss in der Schulter weiter verschraubt, so wird der Zapfen gelängt und die Muffe gestaucht. Das kann dazu führen, dass beim Aufbringen eines zu hohen Drehmomentes, z. B. durch Nachkontern im Bohrloch, der Zapfen abreißt und in der Muffe verbleibt.
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Für eine optimale Verschraubung muss das Kontermoment so gewählt werden, dass die auf die Stoßfläche der Schulter aufgebrachte Kraft größer ist als die axiale Zugkraft des Stranges, und zwar in jeder Situation beim Bohren. Wird die Axialkraft größer, so heben die Schultern ab und es kommt infolge der Strangrotation ebenfalls zum Zapfenbruch (Wackelverbindung) sowie zum Durchspülen, weil die unter Hochdruck durch den Strang zirkulierende Spülung sich einen Weg durch den geöffneten Verbinder sucht. Hieraus wird auch ersichtlich, dass die Stoßschultern die einzigen Dichtflächen im Verbinder sind. Als Werkstoff für Gestängeverbinder wird hochwertiger, zäher, legierter Stahl gewählt. Bei Tooljoints gibt es nur eine Gütestufe, die folgende Werkstoffeigenschaften hat: • Mindeststreckgrenze 120 000 psi = 825 N/mm2 • Mindestzugfestigkeit 140 000 psi = 960 N/mm2 • Mindestbruchdehnung 13 % Die Gestängeverbinder werden wie die Rohre nahtlos hergestellt, als Strangmaterial gewalzt oder aus dem Vollen im Gesenk geschlagen. Gewindeverbinder sind im Außendurchmesser stets größer als die Gestängerohre. So haben Tooljoints für ein 5" Bohrgestänge (19.5 lb/ ft., Grad S) einen Außendurchmesser von 6.5/8". Sie unterliegen deshalb beim Bohren einem besonders starken Verschleiß, besonders wenn in abrasiven Formationen gebohrt wird. Um eine zu rasche Abnutzung der Oberfläche zu verhindern, wird die Muffe mit einem Hartmetallbesatz versehen, der in vorher ausgedrehte Nuten eingeschweißt oder auf dem glatten Verbinder aufgetragen wird. Die Bohrstangen werden heutzutage durch das Aufbringen eines Coating auf die Rohrinnenwand vor korrosiven Einflüsse des durchströmenden Mediums geschützt. Gleichzeitig wird dadurch auch der hydraulische Wirkungsgrad um ca. 15 – 20 % gesteigert. Das Coating ist bis zu 5% CO2- und H2S-Anteilen in der Spülung resistent Die Temperaturbeständigkeit ist langfristig bis etwa 160°C gegeben, und die Elastizität des Überzugs ist größer als die des Stahls, so dass Torsion und Biegung des Rohres von der Beschichtung mitgemacht werden, ohne dass es zu Rissen kommt.
Abb. G-2a: Bohrgestänge auf dem Bohrplatz [Bentec]
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Tab. 1-G: API-Reg. Gewinde-Tabelle
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2.4 Schwerstangen Schwerstangen (Drill Collars, DC) bilden den untersten Teil des Bohrstranges. Sie sind dickwandig ausgebildet und haben daher ein sehr hohes Eigengewicht. Sie werden an das unterste Gestängerohr bzw. das unterste Heavy Weight Drillpipe Rohr (HVVDP) angeschraubt und dienen zum Belasten des Werkzeugs. Die Schwerstangenmasse muss groß genug sein, um dem Bohrwerkzeug die erforderliche Belastung zu geben und gleichzeitig das Bohrgestänge unter Zugbelastung zu halten, wodurch der Bohrstrang gestreckt gehalten wird, so dass ein möglichst gerades Bohrloch erstellt wird. Das geschieht nach Schwerkraftgesetz und Pendeleffekt. Diese Aufgabe können normale Schwerstangen nur im weichen Gebirge mit geringstem Bohrandruck erfüllen. Bei steigenden Belastungen müssen Stabilisatoren eingesetzt werden. Um den Azimut von Richtbohrungen bestimmen zu können, muss ein Magnetkompass eingesetzt werden, der jedoch nur in unmagnetischen Schwerstangen eingesetzt werden kann. Deshalb werden in der Richtbohrtechnik dort, wo sich der Kompass befindet, Schwerstangen aus Monelmetall (67% Nickel, 28% Kupfer, 5% Mangan und Eisen; Dichte = 8,9) oder nichtmagnetischen, austhenitischen Stählen eingebaut. Muffen und Zapfen von Schwerstangen sind mit vom API genormten Gewinden versehen. Die bruchgefährdetste Zone einer Schwerstange ist der Verbinder. Viele Schwerstangenbrüche resultieren in zu hohen Biegespannungen, nur wenige in zu hohen Torsionsspannungen. Um diese Biegespannungen abzubauen und den Zapfen elastischer zu machen, werden an den Zapfenenden Spannungsentlastungsrillen (Stress Relief Grooves) angebracht. Allerdings muss für eine solche Entlastungsrille ausreichend Material im Verbinder zur Verfügung stehen. Deshalb finden sich Entlastungsrillen nicht bei kleineren Schwerstangendurchmessern mit Verbindern der Typen NC 23, NC 26 (2 3/8" IF) und NC 31 (2 7/8" IF). Muffen werden nicht mit Spannungsentlastungsrillen versehen, sondern mit einem sog. Bore Back (Gewindemuffe). Hierbei laufen die letzten Gewindegänge an der Muffenbasis langsam aus (flachen ab) und gehen schließlich in eine glatte, konische Fläche über, die dann in die Axialbohrung der Schwerstange übergeht. Die meisten Schwerstangen besitzen an ihrem Außendurchmesser Eindrehungen, die sich in Längsrichtung spiralförmig um die Stange winden. Das hat den Grund, dass die Bohrspülung immer so zubereitet und aufgeschwert wird, dass der Druck im Bohrloch stets etwas größer ist als der Druck in den Poren des umgebenden Gesteins. Solange sich das Bohrgestänge nicht dreht und eine Bohrstange mit glatter Oberfläche bewegungslos an den weichen Filterkuchen der Bohrlochwand lehnt, kann es passieren, dass sich die Schwerstange hinterher auch mit großem Krafteinsatz nicht mehr bewegen lässt, weil sie an der Bohrlochwand festgedrückt wird. Der hohe Druck vom Bohrloch presst sie seitlich an die Wand, der geringere Druck in den Poren des Gesteins kann nicht dagegen ankommen und der weiche Filterkuchen agiert als Dichtung zwischen den beiden Druckzonen. Der Bohrstrang sitzt in diesem Fall also fest. Damit das nicht passieren kann, Bohrlochwand nicht mehr „festsaugen“ und der gefürchtete Blockiervorgang, das Differential Sticking, kann nicht mehr eintreten.
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2 Bohrstrang beim Rotary-Bohrverfahren
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Abb. G-2a: Schwerstangen [Schaumberg]
2.5 Heavy-Weight-Drill-Pipe HWDP (Heavy Weight oder Heavy Wall Drill Pipe, HWDP) sind starkwandige Integralgestänge. Man könnte sie ebenso als leichte Schwerstangen bezeichnen. 1 oder 2 Verdickungen mit einem Durchmesser, der knapp 1" unter Tool Joint Durchmesser liegt, stabilisieren und verstärken die Stange. Durch die Reduzierung auf DP-Durchmesser zwischen den Verdickungen bleibt aber genügend Flexibilität erhalten. Eingesetzt wird das HWDP als Übergang zwischen Schwerstangenstrang und Gestängestrang. Dadurch können Ermüdungsbrüche, die sich in der ersten Bohrgestängestange einstellen, ver-
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mieden werden. Üblich ist heutzutage, mindestens 3 Gestängezüge je 27 m Länge HWDP einzubauen. Häufig werden auch 3+6 Züge HW-Drill- Pipe eingesetzt. Vielfach werden auch 5 Züge eingebaut, um so die Spannungen im Bohrstrang besser abzubauen. Die Verdickungen können auch mit Hartmetall gepanzert sein. Vorteile des HWDP-Gestänges: • größerer Bohrfortschritt, • reduzierter Gestängeverschleiß, • bessere Richtbohrstabilität, • schnellere Roundtrips, • leichteres handhaben, • sichere Bohrlochkontrolle.
2.6 Übergänge und Passstücke
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Abb. G-2b: Heavy-Weight-Drill-Pipe mit Tabelle [Schaumberg]
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2 Bohrstrang beim Rotary-Bohrverfahren
Im Bohrstrang gibt eine Reihe von Übergängen, die immer dann benötigt werden, wenn von einer Gewindeform auf eine andere umgestellt werden muss, was z. B. beim Übergang von den Schwerstangen zum Bohrgestänge der Fall ist. Übergänge werden auch dann benötigt, wenn sich Durchmesseränderungen ergeben (Übergang von 3.1/2" Gestänge auf 5" Gestänge), oder oberhalb des Meißels, der einen Zapfenanschluss hat, so dass mittels einer Doppelmuffe eine Umstellung auf die übliche Verschraubungsart mit Muffe nach oben umgestellt werden muss.
2.7 Hinweise zu API
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API steht für „American Petroleum Institute“ und ist der größte Interessenverband der Ölund Gasindustrie einschließlich der petrochemischen Industrie in den USA. Dem API gehören ca. 400 Unternehmen an (Stand August 2005). Das Institut äußert sich zu Themen wie der Ausbeutung von Lagerstätten, Ölverbrauch, Steuern, Handel, Umwelt- und Arbeitsschutz. Ein wichtiges Arbeitsgebiet ist die Erarbeitung von technischen Richtlinien und Standards. Der Einfluss des API geht weit über die USA hinaus. Die vom API herausgegebenen technischen Richtlinien sind vergleichsweise umfassend und anspruchsvoll. Die Richtlinien werden nicht von unabhängigen Einrichtungen, sondern von Fachleuten aus dem im Verband zusammengeschlossenen Industriefirmen erarbeitet. Vom API liegen auch Spezifikationen für Motoröle vor u. Schmieröle vor. Andere Richtlinien beschäftigen sich beispielsweise mit der Ausführung von Maschinen, Öltransport auf Schiffen, Wartung von Apparaten und der Ausführung von Sicherheitseinrichtungen sowie Qualitätsund Maßrichtlinien für Bohrgestänge und -zubehör.
2.8 Stabilisatoren Stabilisatoren werden im unteren Teil des Bohrstranges, d. h. im Bereich der Schwerstangen, der Kernrohre und der Bohrwerkzeuge angeordnet und sind in der Lage, den sich drehenden Bohrstrang am Einsatzpunkt im Bohrloch zentrisch zu führen bzw. zu stabilisieren. Stabilisatoren sind demnach geeignet, im Bohrstrang auftretende Querschwingungen abzufangen bzw. zu verhindern und einen ruhigen Lauf des unteren Bohrstrangbereiches zu gewährleisten. Hieraus ergeben sich wesentliche Vorteile im Hinblick auf den Verschleiß aller Teile des betreffenden Bohrstrangbereiches und auf das Bohrergebnis, z. B. auf den Kerngewinn. Sehr wichtige Aufgaben haben Stabilisatoren im Rahmen der Bohrtechnologie zu erfüllen. Sie werden sowohl als Mittel zur Beibehaltung der Richtung (Neigung und Azimut) einer Bohrung eingesetzt (stabilisierter Bohrstrang) als auch als Mittel zur Ablenkung aus der vorhandenen Richtung (z. B. durch Nutzung des Pendeleffektes bei geneigten und horizontalen Bohrungen). Bei den verschiedenen Bohrverfahren bzw. Bohrdurchmessern kommen Stabilisatoren unterschiedlichster Konstruktionen zum Einsatz. Teilweise übernehmen auch andere im Bohrstrang vorhandene Elemente, so z. B. stabilisierende Kernrohrkopfstücke, quadratische Schwerstangen und Nachräumer, die Funktionen von Stabilisatoren. Grundsätzlich werden drei Stabilisatorgrundtypen unterschieden: • Stabilisatoren mit integrierten Stabilisierungselementen (Integralblattstabilisatoren), die Stabilisierungselemente im Bohrstrang gleiten an der Bohrlochwand;
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• Stabilisatoren, bei denen der Stabilisatorkörper auf der Stabilisatorachse drehbar angeordnet ist und im Vorprozess still steht (Muffen- oder Rotationsstabilisatoren); • Stabilisatoren, bei denen um die Stabilisatorachse herum als Führungselemente Rollen angeordnet sind (Rollenstabilisatoren). Von diesen Stabilisatorgrundtypen gibt es eine Vielzahl von Konstruktionsvarianten, die den geometrischen und technologischen Bedingungen im Bohrloch angepasst sind. Stabilisatoren mit integrierten Stabilisierungselementen kommen in Tiefbohrungen und in der Schürfbohrtechnik zur Erkundung fester Minerale in großem Umfang zum Einsatz.
G Abb. G-3: Stabilisatortypen mit integrierten Stabilisierungselementen (imprägniert)quadratischer Stabilisator in großer Baulänge als quadratische Schwerstange [V] a) Intergralblattstabilisator b) Intergralblattstabilisator c) Intergralblattstabilisator d) Stabilisatorelementen mit eingelegten Hartmetalleisen
Vorteile dieser Stabilisatoren sind ihr einfacher Aufbau ohne bewegliche Teile und ihre Eignung auch für sehr kleine Durchmesser in der Schürfbohrtechnik. Die in diesen Stabilisatoren auftretende Verschleißfrage am Außendurchmesser wird durch eingelegte Hartmetallplättchen gelöst. Einige Stabilisatorkonstruktionen zeigen die Abb. G-3 und G-4). Muffen- oder Rotationsstabilisatoren werden vor allem in Tiefbohrungen eingesetzt, weniger in Schürfbohrungen, da für eine solide Konstruktion ein Mindestdurchmesser von etwa 100 mm benötigt wird. Stabilisatoren mit stillstehendem Stabilisatorkörper finden auch bei Brunnen- und Großlochbohrungen Verwendung. Die Kontaktflächen zur Bohrlochwand sind hier in vielen Fällen kufenförmig ausgebildet und an einer drehbar auf der Mittelachse angeordneten Konstruktion befestigt. Muffenstabilisatoren haben den Vorteil, dass es zwischen Bohrlochwand und Stabilisator nur zu geringfügigen Relativbewegungen kommt und auf diese Weise Bohrlochwand und Stabilisator geschont werden. Ein Ausführungsbeispiel für einen Muffenstabilisatoren zeigt Abb. E-9. Stabilisierungseffekte treten auch bei Verwendung von Rollenräumern auf (Abb. G-3), die in erster Linie vorgesehen sind, um das Bohrlochkaliber konstant zu halten. Sie können in Bohrlöchern mit einem Durchmesser > 100 mm eingesetzt werden. Rollenstabilisatoren können bei entsprechender Gestaltung der Rollen auch als Rollenräumer eingesetzt werden.
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2 Bohrstrang beim Rotary-Bohrverfahren
G Abb. G-4: Rotations- und Muffenstabilisatoren [V] Rotationsstabilisator: a) 1 Lagerwelle, 2 Verbindungshülse, 3 Stator, 4 Dichtring, 5 Gleitbuchse Muffenstabilisator: b) 1 oberer Übergang, 2 Spindel, 3 Führungskörper, 4 unterer Kupplungsring rechts: Rollenstabilisatoren/Rollenräumer
2.9 Stoßdämpfer Stoßdämpfer werden zur Dämpfung der vom Bohrwerkzeug erzeugten Längsschwingungen unmittelbar über dem Bohrwerkzeug in den Bohrstrang eingebaut. Die Intensität der Längsschwingungen ist unter anderem von der Gesteinshärte und dem Werkzeugtyp abhängig. Längsschwingungen treten besonders dann auf, wenn mit Rollenbohrwerkzeugen in harten Gesteinen gebohrt wird. Der Einsatz von Stoßdämpfern bringt sowohl für den Bohrstrang als auch für den Bohrprozess bedeutende Vorteile. Da durch den Stoßdämpfer ein Springen des Bohrwerkzeuges mit dem Bohrstrang verhindert wird, kann eine starke Schwankung des Kontaktdruckes zwischen Rollenmeißelzähnen und Gestein mit hohen Spitzenwerten verhindert werden. Durch den relativ gleichmäßigen Kontaktdruck lassen sich größere Bohrgeschwindigkeiten erreichen, und vor allem die Lebensdauer des Bohrwerkzeuges wird durch die Schonung der Lagerung und Meißelzähne erhöht. Auch auf das Arbeitsverhalten sowie auf die Belastung und damit auf die Lebensdauer des Bohrstranges oberhalb des Stoßdämpfers wirkt sich dessen Funktion positiv aus. Stoßdämpfer werden sowohl in der Tiefbohrtechnik auf Erdöl und Erdgas als auch in der Schürfbohrtechnik in verschiedenen Konstruktionsvarianten hinsichtlich Aufbau und Federelement eingesetzt. Die Anpassung der Stoßdämpfer an unterschiedliche Arbeitsverhältnisse erfolgt durch die Realisierung unterschiedlicher Federkennlinien. Als Federelemente werden unter anderem Stahlfedern (z. B. Tellerfedern) und Elastomerkörper verwendet. Eine in der Schürfbohrtechnik eingesetzte Stoßdämpferkonstruktion zeigt Abb. G-5. Neuere Untersuchungen haben ergeben, dass bei einer stufenlosen Drehzahlregelung des Bohrstranges auf den Einsatz eines Stoßdämpfers verzichtet werden kann, da in diesem Falle die Möglichkeit besteht, Drehzahlen, bei denen Resonanz auftritt, zu vermeiden.
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Abb. G-5: Stoßdämpfer [V] 1 Kopfstück, 2 Dichtungsring, 3 Scheibe, 4 Tellerfeder, 5 Gehäuse, 6 Rohr, 7 Muffe, 8 Welle, 9 Dichtungsring [V]
2.10 Schlagschere Wenn sich Geröll aus der Bohrlochwand löst und so zwischen dem Bohrstrang und dem Gestein verkeilt und der Bohrstrang im Loch festklemmt, kann es vorkommen, dass sich das Bohrgestänge nicht mehr bewegen lässt. In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass die Bohrung aufgeben werden muss, was einen hohen Verlust bedeutet . Um das Risiko des Festwerdens zu minimieren, baut man meist eine sog. Schlagschere in die Bohrgarnitur ein. Schlagscheren sind Bohrgeräte, die bei Bedarf unter Tage, also dicht an der Problemzone, heftige Schläge auslösen können, die den Bohrstrang wieder frei reißen sollen. In vielen Fällen führt diese Methode zum Erfolgt und ein hoher Verlust kann vermieden werden.
3 Bohrgestängeantrieb 3.1 Drehtisch Der Antrieb des Drehtisches (mechanisch oder hydraulisch) erfolgt über das Bohrgeräteaggregat auf den Drehkranz des Bohrtisches. Dieser ist fest mit der Drehtischplatte verbunden. Über
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3 Bohrgestängeantrieb
unterschiedliche Mitnehmereinsätze wird das Drehmoment auf die Mitnehmer- oder Kellystange übertragen. Die Mitnehmerstange ist die oberste Bohrstange des Bohrstranges und hat einen quadratischen oder sechseckigen Querschnitt. Infolge der formschlüssigen Verbindung kann sich die Mitnehmerstange in den Mitnehmereinsätzen in axialer Richtung bewegen.
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1 Drehtischplatte 2 Kegelkranz 3 Drehtischeinsatz 4 Mitnehmereinsatz 5 Mitnehmerstange 6 Antriebskegelrad oder Hydraulikmotor Abb. G-6: Schnitt durch einen Drehtisch [V]
Die maximalen Drehzahlen von Drehtischen liegen bei 200 bis 400 Umdrehungen je Minute. Bei höheren Drehzahlen kann ein ruhiges Laufen der Mitnehmerstange nur durch aufwendige Führungseinrichtungen erreicht werden. Der Drehtisch wird vom Hauptgetriebe des Bohrgerätes über eine Kardanübertragung angetrieben. Überwiegend haben heute die Drehtische einem Antrieb über Hydraulikmotoren.
Abb. G-7: Mechanisch angetriebener Drehtisch [Wirth]
Zum Bohrgestängeantrieb über einen Drehtisch verwendet man ganz oben am Bohrstrang eine spezielle Bohrstange, die Kellystange, die keinen runden, sondern sechseckigen Querschnitt besitzt. Die Kellystange steckt in einem Mitnehmereinsatz und kann sich frei nach oben und unten bewegen, aber nicht in Umfangrichtung drehen. Der Mitnehmereinsatz verfügt an seiner Unterseite über vier kräftige Metallbolzen, die in vier entsprechende Löcher im Drehtisch gesteckt werden können. Der Drehtisch ist wiederum über ein Getriebe mit den Dieselmotoren der Bohranlage verbunden. Nun funktioniert der Bohr-
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strangantrieb: Der Dieselmotor versetzt den Drehtisch in Rotation und der Mitnehmereinsatz, der über die vier Bolzen im Drehtisch steckt, wird mit gedreht. Aufgrund des Formschlusses rotiert jetzt auch die Kellystange, die fest mit dem darunter befindlichen Bohrstrang verschraubt ist und diesen ebenfalls in Rotation versetzt. Unabhängig davon kann der gesamte Strang weiterhin durch den Mitnehmereinsatz hindurch zum Bohren auf- und ab bewegt werden. Näheres zum Drehtisch siehe Kap. E
3.2 Der Topdrive – [Kraftdrehkopf] In der Tiefbohrtechnik und insbesondere bei den Bohranlagen für Erdöl- und Gasbohrungen wird heute ausschließlich das Top-Drive-Verfahren angewandt. Der Top Drive biete eine ganze Reihe von Vorteilen, die seinen Einsatz wirtschaftlich und nützlich machen. So kann statt der Einzelstange ein zuvor zusammengestellter DreierGestängezug nachgesetzt werden, was die Nachsetzzeiten erheblich reduziert. Auch kann, wenn die Gefahr des Festwerdens des Stranges im Bohrloch besteht, dieser spülend und rotierend ausgebaut werden. Auch kann, wenn die Gefahr des Festwerdens des Stranges im Bohrloch besteht, dieser spülend und rotierend ausgebaut werden. Außerdem kann bei Horizontalbohrungen und Einsatz von DHM's mittels des Topdrives eine Strangrotation überlagert werden, was ein steuerbares Motorsystem ergibt. Wird nur mit dem DHM mit Knickwinkel gearbeitet, so kann Neigung bzw. Azimut auf -oder abgebaut werden, wird eine Strangrotation (30 – 100 min-1)überlagert, so bleiben Neigung und Richtung stabil, es kann also geradeaus gebohrt werden, ohne dass der Motor ausgebaut und neu justiert werden müsste, was Zeit und damit Kosten spart. Hinzu kommt, dass die Arbeit auf der Arbeitsbühne bei Einsatz des Topdrives, insbesondere in Verbindung mit Pipehandling-Systemen, wesentlich sicherer wird. Topdrives erzeugen Drehmomente von bis zu 80.000 Nm.
Abb. G-8: Top Drive mit Bohrgestänge [RWE Dea] Näheres zum Top Drive siehe Kap. E !
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3.3 Der Bohrmotor – (Downhole Motor)
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Das Grundprinzip des Rotarybohrens besteht darin, dass sich das Bohrwerkzeug auf der Bohrlochsohle dreht, um dabei, je nach Gestaltung des Werkzeugs, Gesteinspartikel aus der Bohrlochsohle herauszubrechen und so einen Bohrfortschritt zu erzeugen. Nur so ist ein kontinuierlicher Bohrprozess möglich, wobei die zirkulierende Spülung das erbohrte Gestein ebenso kontinuierlich zutage austrägt. Die klassische Rotation des Werkzeugs wird dadurch bewerkstelligt, dass der gesamte Strang übertage durch den Drehtisch in Rotation versetzt wird, wobei der Drehtisch über entsprechende Einsätze das Drehmoment auf die Sechskant-Mitnehmerstange (Kelly) überträgt. Der Nachteil dieses Verfahrens ist allerdings, dass der gesamte Strang von bis zu einigen tausend Metern Länge in Rotation versetzt werden muss, wobei nicht unerhebliche Reibungsverluste entstehen, so dass nur ein geringer Prozentsatz der vom Drehtisch auf den Strang übertragenen Energie am Bohrwerkzeug ankommt und zur Gesteinszerstörung zur Verfügung steht. Deshalb hat man schon in den 1930er Jahren versucht, die Drehbewegung dort zu erzeugen, wo sie benötigt wird, nämlich unmittelbar über dem Bohrwerkzeug. Ein solcher Vorort-Motor kann theoretisch elektrisch oder hydraulisch angetrieben werden, wobei es bis heute nicht gelungen ist, die Stromzuführung zu einem Elektromotor so zu gestalten, dass das System störungsfrei läuft. Ansonsten wäre der Elektromotor der ideale Antrieb, da er in schlanker Form bei entsprechender Leistung zu bauen wäre und eine sehr gute Drehzahl-Drehmoment-Charakteristik hat was bedeutet, dass er auch bei geringen Drehzahlen ein hohes Drehmoment erzeugt, insbesondere, wenn es sich um einen Drehstrommotor handelt. Die Alternative war, die ohnehin im Bohrloch zirkulierende Spülung für den Antrieb eines Hydromotors zu nutzen, wobei zu unterscheiden ist zwischen dem hydrodynamischen und dem hydrostatischen Antrieb. Zu den hydrodynamischen Antrieben zählen die Turbinen, die auch zunächst, insbesondere in der Sowjetunion, sehr häufig eingesetzt wurden. Nachteil dieser Antriebe ist, dass sie ihr Drehmoment erst bei hohen Drehzahlen entwickeln, also sehr hohe Drehzahlen benötigen, was wiederum, besonders für Rollenmeißel, nicht geeignet ist, da diese Drehzahlen von 600 min-1 und mehr nicht verkraften. Man hat deshalb versucht, die Drehzahlen zu reduzieren, was man mittels Getrieben wie auch – erfolgreicher – durch spezielle Ausbildung der Schaufeln erreichte. Gleichzeitig wurden Rollenmeißel entwickelt, die auch bei höheren Drehzahlen gute Standzeiten erbrachten. Hinzu kam die Entwicklung der Diamantbohrwerkzeuge, die keine beweglichen Teile haben und somit für höhere Drehzahlen besser geeignet waren. Trotzdem war der Turbine keine größere Zukunft beschert. Sie wurde und wird deshalb im Wesentlichen in der Richtbohrtechnik eingesetzt. Ende der 1960er Jahre begann die Entwicklung der hydrostatischen Antriebe auf dem Prinzip der Exzenterschnecken- oder Moineau-Pumpe. Bei diesen Antrieben ist das erzeugte Drehmoment proportional dem Druckabfall im Motor was bedeutet, dass ein solcher Motor langsamer laufen kann, allerdings höhere Pumpendrücke benötigt. Trotzdem hat es noch bis Ende der 1980er Jahre gedauert, bis dieser Motor soweit entwickelt wurde, dass er für das Leistungsbohren konkurrenzfähig einzusetzen war, wobei insbesondere die Standzeiten des Motors der Engpass waren. Der Moineau-Motor besteht aus einem Statorrohr, ausgekleidet mit einem gewendelten Gummistator, und einem Rotor, bestehend aus einem gewendelten Stahlkörper. Dadurch, dass der Stator eine Wendel mehr hat als der Rotor, entsteht eine Kammer, die durch den Spülungsdruck durch den Motorkörper nach unten bewegt wird und so den Rotor in eine Drehbewegung versetzt (Umkehrprinzip der Moineau-Pumpe). Diese Motoren gibt es 1/2gängig bis 9/10-gängig, wobei mit steigender Anzahl der Wendeln (Lopes) zwar das Drehmo-
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ment steigt, der Wirkungsgrad und die Drehzahl geringer werden. Der Druckabfall pro Stufe (= 1 Wendel mit 360°) liegt beim Dauerbetrieb bei etwa 10 bar. Downhole-Motoren werden sowohl in der Tiefbohrtechnik wie auch in der Richtbohrtechnik mit Erfolg eingesetzt. Hauptanwendungsgebiet der DHM's ist die Horizontalbohrtechnik. Hierfür wurden spezielle Motoren entwickelt, deren Gehäuse mit einem Knick versehen ist. Heute werden üblicherweise solche Motoren eingesetzt, deren Knickwinkel auf der Lokation eingestellt werden können, wobei der Knickwinkel zwischen 0 und 4° liegt. Die Abhängigkeit zwischen Neigungs-Aufbaurate (Build Up Rate = BUR) und Knickwinkel kann Tabellen entnommen werden.
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Abb. G-9: Detail des Bohrmotors System [Hughes]
3.5 Neue Downhole-Systeme 3.5.1 Entwicklung Ein Bohrturm steht neben dem anderen – dieses Bild zeigt die Region Celle um 1900. Damals siedelten sich zahlreiche Ölfirmen und Zulieferer in Celle an, wo vor 150 Jahren eine der ersten Erdölbohrungen weltweit stattfand. Dort war der Geologe Konrad Hunäus beim Bohren nach Braunkohle auf das schwarze Gold gestoßen. Mit diesem Fund begann die industrielle Förderung von Erdöl und Erdgas in Deutschland. Inzwischen ist in der Region kein Bohrturm mehr in Betrieb, jedoch wird dort weiterhin Spitzentechnologie für die Erdöl- und Erdgasgewinnung entwickelt. Auch eines der drei weltweit führenden Erdöl-Service-Unternehmen, Baker Hughes, forscht und produziert seit 1957 in der niedersächsischen Fachwerkstadt.
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Celle spielt in dem Konzern, dessen Hauptsitz in Houston/Texas liegt, eine maßgebliche Rolle als Entwicklungszentrum und Fertigungsstätte. Die dortigen Ingenieure haben sich auf intelligente Bohr- und Messsysteme spezialisiert, die sich computergestützt den Weg bis ins Öl- oder Gasreservoir unter Tage suchen. Die Nachfrage ist aufgrund des weltweit steigenden Energiebedarfs groß. Zu den Kunden von Baker Hughes zählen namhafte Ölfirmen wie ExxonMobil, Shell, StatoilHydro, BP und Petrobras. An sie vermietet der Förderspezialist seine komplexen Geräte und schickt meistens eigene Experten mit zum Einsatz.
3.5.2 Das AutoTrak-System
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Der Celler Firmensitz ist führend in der Tiefbohrtechnik. Dabei kommt auch das sogenannte AutoTrak-System zum Einsatz, ein selbststeuernder Bohrroboter, der bis zu zwölf Kilometer nahezu automatisch sein Ziel findet. Er wurde in Celle entwickelt und wird auch heute noch nur dort produziert. Vor allem Lieferanten aus der Region und ganz Niedersachsen stellen dafür nötige Teile zur Verfügung, neben Rohmaterial auch von Baker Hughes entwickelte Sensoren oder Hydraulikkomponenten. Das bei der Tiefbohrtechnik gängige Abteufen mit einem rotierenden Bohrstrang war früher für senkrechte Bohrungen konzipiert. Bessere Resultate erzielt man jedoch mit einer Richtbohrung, denn dabei wird vorzugsweise auf dem kürzesten Weg vertikal nach unten zur Lagerstätte und dann kilometerweit horizontal durch sie hindurch gebohrt. Eine Lagerstätte ist in der waagerechten Ebene im Vergleich zur senkrechten viel ausgedehnter und entsprechend mehr Öl oder Gas kann gefördert werden. Das Richtbohren macht es auch möglich, zum Beispiel von einer Bohrinsel aus viele Löcher in unterschiedliche Himmelsrichtungen abzuteufen und auf diese Weise ein komplettes Feld zu erschließen, ohne mit der teuren Bohrinsel umziehen zu müssen. Mit dem AutoTrak-System kann man außerdem beliebige Richtungsänderungen durchführen, ohne dabei die Rotation des gesamten kilometerlangen Bohrstrangs, der aus Hunderten zehn Meter langen und zum Teil mit Kabeln verbundenen Stahlrohren zusammen gesetzt ist, unterbrechen zu müssen. Dies ist besonders hilfreich bei schwierigen Bodenverhältnissen, wie sie in der norwegischen oder britischen Nordsee vorkommen.
Abb. G-10a: Auto-Trak-System Genaue Prüfung vor dem Einfahren ins Bohrloch [RWE Dea]
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Von außen sieht das Auto-Trak-System nach einem gewöhnlichen Stahlrohr von 20 Zentimeter Durchmesser aus (Abb. G-10a). Doch die in Celle entwickelte und eingebaute Technik steckt im Innern: ein rotierender Meißel zertrümmert das Gestein und vertieft das Bohrloch somit stetig. Drei einzeln ausfahrbare Steuerrippen am Auto-Trak drücken mit Hydraulikzylindern selektiv gegen die Bohrlochwand, um die Bohrung zu lenken und zum Ziel zu bringen. Die im Bohrsystem integrierten Sensoren messen die umgebenden Gesteinseigenschaften und liefern mit Hilfe von Druckimpulsen in der Bohrspülung alle Daten in Echtzeit an die Ingenieure über Tage. So kann ermittelt werden, ob große Mengen von Kohlenwasserstoffen vorhanden sind, die auf Erdöl und Erdgas hinweisen und, wie gut das Öl aus dem Reservoir fließen kann. Die Techniker können nicht nur vom Bohrturm aus, sondern auch via Satellit von dem so genannten Collaboration Center am Celler Standort aus die Bohrung verfolgen und steuern. Früher mussten noch Gesteinsproben aus dem Bohrloch entnommen und über Tage untersucht werden. Die heutige Technik spart den Kunden Zeit und Kosten, denn der Betrieb einer Bohranlage im Offshore-Bereich kostet beispielsweise pro Tag bis zu einer halben Million Dollar.
3.5.3 Forschung in der Tiefe Die in den Bohrköpfen installierte Technik muss beim Richtbohren backofenähnliche Temperaturen von bis zu 150 Grad und Druck von über 2.000 Bar aushalten, in besonderen Fällen auch darüber hinaus. Daher eignet sich AutoTrak auch für das Erschließen von geothermischer Tiefenenergie, denn dort sind tiefe und somit heiße Bohrungen nötig. Eine weitere Erhöhung der Temperaturfestigkeit ist allerdings erforderlich, wenn die Bohrungen in größere Tiefen mit deutlich höheren Temperaturen vorstoßen sollen. Baker Hughes ist aus diesem Grund in den Forschungsverbund Geothermie und Hochleistungsbohrtechnik (gebo) der Niedersächsischen Technischen Hochschule (NTH) eingebunden und darf die Ergebnisse für die eigene Produktion anwenden. Weitere finanzielle Unterstützung bekommt der gebo-Verbund vom Land Niedersachsen. Sein oberstes Ziel ist es, die Kosten von Tiefbohrungen zu senken. Die Wissenschaftler der NTH untersuchen daher Konzepte für neue Bohrtechniken, die kleinere Bohranlagen ermöglichen und die Bohrgeschwindigkeit erhöhen. Baker Hughes gab 2007 weltweit 450 Millionen Dollar für die Forschung aus, mit 3,6 Prozent des Umsatzes liegt das Unternehmen im Vergleich zur Konkurrenz damit an der Spitze. Weitere Technologien werden seit September 2009 in dem neuen Technologiezentrum in Celle untersucht. In ihm befinden sich unter anderem Laborflächen, eine Hybrid-HochtemperaturEntwicklungsabteilung sowie Büros unter einem Dach. Das Zentrum bündelt vor allem die einzelnen Forschungslabore, die bisher über das gesamte Gelände verstreut waren. Eine verbesserte Kommunikation und Vernetzung der 1.200 Angestellten, von denen mehr als 300 im Entwicklungsbereich tätig sind, soll somit gewährleistet sein. Der Anteil der weiblichen Mitarbeiter bei Baker Hughes beträgt 15 Prozent. In den letzten Jahren interessieren sich weibliche Bewerber verstärkt für Ingenieurs- und sonstige technische Positionen. Baker Hughes sucht derzeit Ingenieure aus den Fachbereichen Elektrotechnik und Maschinenbau, auch Naturwissenschaftler wie Geologen und Physiker haben gute Einstiegschancen. Das Unternehmen bietet auch ein Duales Studium, also Theorie und Praxis im Verbund, unter anderem im Studiengang Konstruktionstechnik in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Hannover, an. Zudem ist eine Ausbildung zum Industriemechaniker, Mechatroniker, Elektroniker und Industriekaufmann möglich.
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3.5.4 AutoTrak-Funktions-System
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Die Strangrotation verhindert das Auftreten von Haftreibung zwischen dem Bohrstrang und dem Bohrloch, wodurch sich die horizontale Reichweite der Bohrung ganz erheblich steigern lässt. Der Antrieb des Meißels über Strangrotation erlaubt darüber hinaus den Einsatz aggressiver Bohrmeißel, was zu erhöhten Bohrgeschwindigkeiten führt. Ein weiterer Vorteil von Rippensteuersystemen im Vergleich zu konventionellen Richtbohrmotoren besteht darin, dass keine Knickstücke in der Garnitur vorhanden sind und ein maßhaltiges Bohrloch ohne Absätze gebohrt werden kann, unabhängig davon, ob es sich um eine Kurve oder eine Tangente handelt. Das einzige nicht rotierende Teil des gesamten Bohrstrangs ist die Steuerhülse in Meißelnähe mit ihren drei integrierten Steuerrippen (in Abb. G-10b blau dargestellt). Die darunter befindlichen Zylinder werden -von einem Computer gesteuert- individuell mit Öldruck beaufschlagt. Dadurch ergibt sich eine resultierende Seitenkraft, die die Bohrung in die gewünschte Richtung ablenkt. Die Vorgabe über Richtung und Betrag der einzustellenden Seitenkraft bekommt das System während des Bohrprozesses über so genannte „Downlinks“ von übertage übermittelt. Dazu wird ein Bypassventil in die Druckleitung der Spülpumpe in einer bestimmten Sequenz betätigt. Die resultierenden Durchflussschwankungen im Bohrstrang bewirken Drehzahlschwankungen der untertägigen Turbine zur Stromerzeugung der Garnitur. Diese wiederum werden durch die Elektronik als Befehle erkannt, dekodiert und umgesetzt. Hat das 3-D Rotary Steering System einen Befehl erhalten, so stellt es den geforderten Seitenkraftvektor selbstständig ein und behält ihn bis zur Übermittlung eines neuen Steuerbefehls bei.
Abb. G-10b: AutoTrak Systemdarstellung [Hughes]
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3-D Rotary Steering Systeme sind für den Einsatz in einer komplexen Bohrgarnitur mit Thruster und schaltbarem Erweiterungswerkzeug sehr geeignet, da das darüber befindliche Erweiterungswerkzeug im Bohrbetrieb stets mit Rotationsenergie versorgt wird. Der Rippensteuerkopf bildet mit dem darüber angeordneten Sensorpaket (MWD, LWD, Strangdynamik) eine hydraulische Einheit. Es bietet sich an, ein solches System für die Berechnung wie das zuvor beschriebene „MWD-Modul“ zu behandeln und seinen Gesamt-Druckverlust als Funktion des Volumenstroms über einen Durchströmungsversuch zu bestimmen. Die neue Generation 3-D Rotary Steering Systeme verfügt optional über einen Bohrmotor, der oberhalb des Steuerkopfes in das System integriert ist („modular motor). Eine solche Anordnung bietet den Vorteil, dass die Drehzahl des gesamten Bohrstrangs deutlich reduziert werden kann, ohne die Drehzahl des Meißels zu beeinträchtigen. In Folge tritt reduzierter Verschleiß am Bohrstrang, an der Verrohrung und an der Wand des offenen Bohrlochs auf. In hydraulischer Hinsicht kann ein solches 3-D Rotary Steering System als Reihenschaltung eines MWD Moduls und eines Bohrmotors betrachtet und in der Druckverlustberechnung berücksichtigt werden.
3.5.5 Vertikalbohrsystem Das Vertikalbohrsystem VertiTrak der Firma Baker Hughes INTEQ (Abb. G-10c) wurde speziell für den vertikalen Top Hole Bereich konzipiert. Im vertikalen Loch gibt es keine Haftreibungsprobleme und es kann sich auch kein Bohrklein auf der Unterseite der Bohrung absetzen. Aus diesen Gründen wird das Vertikalbohrsystem ohne Strangrotation betrieben. Das Bohrloch wird durch den nicht rotierenden Bohrstrang weitgehend vor mechanischer Beschädigung und die Rohrtour vor Verschleiß geschützt.
Abb. G-10c: VertiTrak-System
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Ähnlich dem AutoTrak System verfügt das VertiTrak System über drei Steuerrippen, jedoch befinden sich diese nicht auf einer relativ zum Bohrstrang drehbar gelagerten Hülse, sondern sind integraler Bestandteil des Gehäuses des Lagerstuhles. Neigungssensoren im Control Sub am oberen Ende des Werkzeugs messen kontinuierlich dessen Neigung zur Vertikalen, eine Elektronik wertet die Messwerte aus und stellt die Drücke der Zylinder unter den Steuerrippen über hydraulische Pumpen und Ventile stets so ein, dass eventuelle Abweichungen von der Vertikalen wieder korrigiert werden.
3.5.6 Ein weiteres neues System in der Tiefbohrtechnik 3.5.6.1 Vorbemerkungen
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Schlamm, Temperaturen wie im Pizzaofen, Drücke von 1700 bar, permanente Erschütterungen – in einem Bohrloch kann es ganz schön ungemütlich werden. „Unter diesen Bedingungen Hightech zu installieren ist aufwendiger als in der Raumfahrt“, sagt Marion Fischer. Sie ist Physikerin bei Baker Hughes, (texanischer Milliardenkonzern), Niederlassung Celle, die anspruchsvolle Techniken für die Erschließung von Erdölfeldern entwickelt und liefert. Die deutsche Tochterfirma Inteq in Celle bei Hannover entwickelt eine neue Fördertechnik: Fischer hat zusammen mit ihren Kollegen die Kernspinresonanz tauglich gemacht für den Einsatz in der Bohrhölle – ein Verfahren, das man im Krankenhaus vermuten würde und nicht Tausende Meter unter Tage.
3.5.6.2 Das Magtrak-System Das System namens MagTrak soll Daten aus der Tiefe liefern, noch während sich der diamantbesetzte Meißel ins Gestein hineinfrisst. Mit der Kernspinresonanz bekommen wir jetzt auf einen Schlag noch einen umfassenderen Einblick“, sagt Fischer, die mittlerweile die Erprobung des Systems koordiniert. Ölfirmen wie Eiton und Shell verlangen möglichst schnell ein genaues Bild von Lage und Ergiebigkeit ihrer Lagerstätten. Die Sprengungen, deren Echos beim Aufspüren von Öl im Gestein helfen werden, geben nur einen groben Überblick. Bevor das Fördern beginnen kann, müssen daher Probebohrungen gemacht werden. Schnell und präzise sollen sie genaue Daten liefern, der Betrieb einer Bohranlage kostet bis zu 500 000 $ am Tag. Früher wurden Gesteinsproben aus dem Bohrloch entnommen und über Tage vermessen, oder man ließ Messinstrumente nachträglich in die Tiefe hinab. Heute ist die Bohrgarnitur selbst ein rotierendes Minilabor, das das umgebende Gestein und die darin vorhandenen Flüssigkeiten binnen Sekunden analysiert. Weil sich die Richtung der Bohrung relativ genau steuern lässt, können die Ingenieure vor Ort sogar auf die Analysen reagieren und mit einer kleinen Neigung des Bohrkopfs gezielt in reichhaltigere Gesteinsregionen vorstoßen. In der Länge kann sich die Bohrung in der Horizontalen bis zu elf Kilometer vom Bohrturm entfernen. Eine Reihe von Messverfahren ist bereits im Einsatz, als Sensor hinter dem Bohrkopf in den nur 20 Zentimeter dicken Bohrstrang integriert. Bislang wurden etwa Gammastrahlen-Detektoren mit in die Tiefe geschickt, um Schiefer- und Tongestein anhand ihrer natürlichen Strahlung zu identifizieren. Messungen des elektrischen Widerstands geben Auskunft über die Durchlässigkeit der Poren und ihre Füllung.
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3.5.6.3 Atomecho im Gestein Jetzt ist das Magnetresonanz-Verfahren hinzugekommen. Mithilfe mehrerer Magnete versetzt ein Computer die Atomkerne im Gestein in charakteristische Schwingungen. Aus denen schließen die Forscher auf die Zahl der beteiligten Atome und die Substanz, mit der sie es zu tun haben, gewinnen präzisem. Daten über die Größe der Gesteinsporen und ihre Durchlässigkeit Damit lassen sich errechnen, wie gut ein Ölvorrat ausgeschöpft wenden kann. Kernspinresonanz wird überirdisch bereits seit den 90er-Jahren eingesetzt, um Materialien zerstörungsfrei unter die Lupe zu nehmen. „Doch der Betrieb von Magneten und Elektronik unter den extremen Bedingungen in einem Bohrloch erfordert besondere Maßnahmen“, sagt Fischer. Das gilt nicht nur für die hochempfindlichen Messgeräte selbst. Weil eine Verkabelung des auf mehrere Tausend Meter rotierenden Bohrgestänges nicht möglich ist, muss der benötigte Strom ganz tief unten im Bohrloch erzeugt werden. Das geschieht mit einer kleinen Turbine, die von der einströmenden Bohrspülung angetrieben wird.
3.5.6.4 Datenübertragung mittels Schlamm Um die gemessenen Daten ohne Funk oder Kabel an die Oberfläche zu befördern, nutzt der Hightech-Bohrkopf ein Kommunikationsmittel, dessen Entwicklung in die Anfangszeiten des Bergbaus zurückreicht Klopfzeichen. Über ein Ventil werden Druckpulse mittels der Bohrspülung nach oben geschickt, oben verwandelt ein Empfänger die an- und abschwellende Schlammflut aus der Tiefe wieder in Bits. So lassen sich Übertragungsraten erreichen, die in etwa zwei Buchstaben pro Sekunde entsprechen. Zusammen mit ausgeklügelten Komprimierungsverfahren, die man sich bei der digitalen Fotografie abgeschaut hat, können sogar Bilder übertragen werden. Mittlerweile hat MagTrak bereits zwei Dutzend kommerzielle Einsätze hinter sich, einen davon auf der Mittelplate, dem größten deutschen Erdölvorkommen am Südrand des schleswig-holsteinischen Wattenmeers. »Diese Techniken sind zwar sehr teuer, aber sie haben sich bewährt“, sagt Matthias Döhler, leitender Geologe von RWE Dea, das die Mittelplate erschließt. „Wir bekommen schneller die Ergebnisse, die wir brauchen, um die Vorkommen genauer zu erforschen." Weniger Risiko berge das neue Verfahren außerdem, sagt Döhler. Mit Mag-Trak kann man auch auf den Einsatz radioaktiver Materialien zur Gesteinsanalyse verzichten, das käme der Umwelt zugute. Diese Methoden bedeuten zwar einen enormen technischen Aufwand“, meint Volker Krüger von Baker Hughes. „Aber durch den hohen Ölpreis wird das jetzt für viele Ölkonzerne rentabel.“ Durch die besseren Daten aus dem Gestein sei eine 60-90-prozentige Ausbeutung einzelner Ölvorkommen in Reichweite, statt der bislang üblichen 50-60 Prozent. Das kommt nicht nur den neuen Ölfeldern zu gute. Zusammengefasst kann das System u. a.: Messen Wechselnde Magnetfelder versetzen die Atomkerne im Gestein rund um die Bohrung in Schwingungen. Die Ingenieure können aus dem Echo die Zusammensetzung des Gesteins, Ölund Wasservorkommen sowie die Größe und Durchlässigkeit der Poren im Gestein bestimmen. Rechnen
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Um brauchbare Bilder schnell an die Oberfläche zu bekommen, werden die Daten bereits im Bohrstrang verarbeitet und komprimiert. Den nötigen Strom für die Elektronik liefert eine kleine Turbine, die durch den Druck der Bohrspülung angetrieben wird. Senden Kabel nach oben gibt es nicht, auch Funkfunktioniert Tausende Meter unter der Erde nicht mehr. Die gemessenen Daten müssen deswegen in Form von Wasserpulsen nach oben gesendet werden. Die Übertragungsgeschwindigkeit entspricht etwa zwei Buchstaben pro Sekunde. Steuern Die komplexe Technik ermöglicht interaktives Bohren: Je nachdem, wie die Gesteinsschichten beschaffen sind, wird der Bohrer ein wenig weder nach rechts oder links gelenkt. Moderne Systeme können sich in der Horizontalen bis zu elf Kilometer vom Bohrturm entfernen.
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3.5.7 Wired Drill Pipe Ein weiteres in der Entwicklung und Erprobung befindliche Verfahren ist das System das MWD-System. MWD steht für Measurement While Drilling in der Öl-Industrie. Ist ein System entwickelt, um beim Bohren Messungen durchzuführen, Informationen zu sammeln und über elektrische Leitungen, die sich im Bohrgestänge befinden, an die die Oberfläche zu vermitteln. Mehrere Oilfield Service-Unternehmen entwickeln derzeit verkabelte Bohrgestänge-Systeme. Diese Systeme verwenden elektrische Leitungen im Bohrstrang, die elektrische Signale direkt an die Oberfläche senden können. Diese Systeme versprechen Übertragungsraten in Größenordnungen höher als alles was bisher mit Schlamm oder der elektromagnetischen Puls Telemetrie möglich war. Die Datenraten betragen bis 1 Megabit pro Sekunde. Bisher wurden von den Firmen BP Amerika, StatoilHydro, Baker Hughes INTEQ und Schlumberger erfolgreiche Versuche durchgeführt. Ein Problem ist offenbar noch nicht zufrieden stellend gelöst und zwar die sichere und automatische Leitungsverbindung an den Gestängekupplungen beim Roundtrip (Aus- und Wiedereinbau des Bohrgestänges).
4 Drehbohrwerkzeuge 4.1 Allgemeines Die Bohrwerkzeuge für die Drehbohrverfahren haben im Laufe der Jahre eine sehr wechselvolle Entwicklung erfahren, beginnend mit den von den Schlagbohrmeißeln abgeleiteten Blattmeißeln (Fischschwanzmeißel) für spanabhebendes Bohren über die verschiedenen Rollenmeißelkonstruktionen (Zahnmeißel – Warzenmeißel; Rollenlager – Gleitlager), bis hin zu den Diamantbohrwerkzeugen mit natürlichen und künstlichen Diamanten (PDC).
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1909 wurden die ersten Rollenmeißel für harte Formationen von HUGHES entwickelt und zum Patent angemeldet. Doch erst nach 1920 konnte sich die Rollenmeißel, mit denen heute jede Formation gebohrt werden kann, durchsetzen. Eine ähnliche Entwicklung fand auch bei den Diamantbohrwerkzeugen statt. Diese wurden in den 1930er und 1940er Jahren zunächst nur in sehr harten und abrasiven Formationen eingesetzt, wo der Verschleiß von Rollenbohrwerkzeugen inakzeptabel hoch war. Heute werden Diamantbohrwerkzeuge für harte und weiche Formationen eingesetzt. Werkzeuge, besetzt mit Naturdiamanten werden allerdings kaum noch eingesetzt, da sie von solchen, bestückt mit Schneiden aus künstlichen Diamanten (PDC), verdrängt wurden. Dadurch, dass es heutzutage eine Vielzahl von Bohrwerkzeugen gibt, deren Einsatzbereiche sich überschneiden, steht der Anwender immer wieder vor der Frage, welches Bohrwerkzeug für welche Formation und welche Bohrbedingungen eingesetzt werden soll. Die Antwort auf solche Fragen ist in der Regel nicht einfach, weil man immer erst nach Beendigung eines Meißelmarsches definitiv sagen kann, ob der Meißel wirtschaftlich gearbeitet hat oder nicht. Eine Vorauswahl kann deshalb immer nur mittels indirekter Kriterien erfolgen, wobei am besten auf Erfahrungswerte zurückgegriffen wird.
4.2 Bohrwerkzeuge für das Bohren mit direkter Spülung – RotaryBohrverfahren 4.2.1 Rollenbohrwerkzeuge/Rollenmeißel 4.2.1.1 Grundlagen der Meißelkonstruktion Alle Bauelemente eines Rollenmeißels müssen so aufeinander abgestimmt sein, dass sie nicht mehr Platz beanspruchen als durch den Lochdurchmesser vorgegeben ist. Wird nur eine Größe geändert, so beeinflusst das alle anderen Komponenten entsprechend. Wird der Lagerzapfen verstärkt, so muss die Wandstärke der Rolle reduziert werden. Werden die Zähne vergrößert oder müssen die Hartmetallstifte (Warzen) tiefer in den Rollenkörper eingebettet werden, so muss der Lagerzapfen einen kleineren Durchmesser bekommen.
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Abb. G-10d: Entwicklung der Bohrmeißel [Exxomobil]
Es gilt nun, alle diese Komponenten so aufeinander abzustimmen, dass ein optimales Bohrwerkzeug entsteht. Einer der wichtigsten Parameter bei Rollenmeißeln ist das Offset. Unter dem Offset versteht man die horizontale Distanz zwischen der Mittelachse des Meißels (theoretisch gleich der Bohrlochachse) und einer vertikalen Ebene durch die Achse des Lagerzapfens. Bei einem Dreirollenmeißel führt das dazu, dass sich die drei Achsen durch die Lagerzapfen (= Rollenachsen) nicht im Meißelzentrum (= Mittelachse des Meißels) schneiden, sondern im Zentrum ein Dreieck bilden. Wird der Meißel nun rotiert, so bewegt sich der Meißelkörper um seine Mittelachse. Jede der drei Rollen will jedoch um den jeweiligen Endpunkt seiner Achse, also den entsprechenden Eckpunkt des Dreiecks rotieren was bedeutet, dass jede Rolle einzeln betrachtet, einen Kreis beschreiben möchte, der größer ist als der Meißel- oder Bohrlochdurchmesser. Da jedoch jede der um 120° versetzt angeordneten Rollen dieses Bestreben hat, reißen sich die Rollen immer wieder ruckartig in den Kreis, vorgegeben durch den Meißeldurchmesser, zurück, was zu einem Versatz der Achsen und damit der in axialer Richtung angeordneten Zähne führt.
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Abb. G-10e: Rollenmeißel-Komponenten 1 Meißelschultern bzw. -pratzen 2 Meißelrollen 3 Kugellager 4 Rollenlager
Abb. G-11: Lagerungen a) 2 Kugellager, 1 Rollenlager b) 1 Kugellager, 2 Rollenlager
Durch das ruckartige Rückholen der Achsen kommt es zu einem ebenso ruckartigen Verkanten bzw. Verreißen des gerade im Einsatz befindlichen Meißelzahnes, so dass das vor dem Zahn befindliche Gestein seitlich weggebrochen wird. Das Offset ist bei Weichformationsmeißeln am größten, da hier der Schaufeleffekt auch am größten sein muss, um einen Bohrfortschritt zu bekommen. Wäre das Offset nicht vorhanden, so würde der Meißelzahn lediglich in das Gestein einschneiden, dann jedoch auf demselben Weg wieder aus diesem entfernt werden. Ein Ablösen des Gesteins wäre nicht möglich. Der Meißel würde wie auf einem Spurlager auf der Bohrlochsohle abrollen. Je härter die Formation wird, desto geringer wird auch das Offset, das bei Hartformationen sogar gegen Null gehen kann. Das Offset wurde erstmalig 1939 eingeführt und beträgt nach SMITH: • bei Meißeln für Weichformationen: 3/8" – 1/4" • bei Meißeln für mittelharte Formationen: 1/8" • bei Meißeln für harte Formationen: < 1/8" – 0
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4.2.1.2 Rollenmeißel-Lager
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Die Rollenlager sind sehr hohen Wechselbeanspruchungen ausgesetzt, weshalb sie entsprechend robust ausgelegt sein müssen, um diesen Belastungen zwischen hundert und zweihundert Betriebsstunden und mehr standhalten zu können. Das bedeutet, dass Hartformationsmeißel mit stärkeren Lagern ausgestattet sein müssen als Weichformationsmeißel, da sie mit höheren Meißelbelastungen (Weigth on Bit, WOB) gefahren werden müssen. Allerdings geht ein größerer Lagerdurchmesser zu Lasten der Rollenwandstärke, was auch hier wiederum zu einem Kompromiss führen muss Außerdem muss das Lager bezüglich seiner Belastung ausbalanciert sein, weil es ansonsten einseitig verschleißt. Das wiederum bedeutet, dass im Betrieb alle Abschnitte des Lagers mit der gleichen Kraft belastet werden müssen, auch dann, wenn die Rolle verschleißt und damit ihre Geometrie verändert. 1931 wurden die Wälzlager bei Bohrstranges an der Bohrlochswand der Rollenmeißeln eingeführt, um die Lagerreibung zu reduzieren, was deshalb besonders wichtig ist, weil durch die Reibung des überwiegende Teil der übertage auf den Strang übertragenen mechanischen Energie (etwa 80%) verloren geht. Der Restbetrag muss deshalb an der Bohrlochsohle, also der Wirkstelle, optimal zur Gesteinszerstörung genutzt werden. Das Rollenlager besteht aus einem äußeren Rollenlager, einem mittleren Kugellager und einem inneren Rollen- oder Gleitlager, je nach Meißeldurchmesser. Bei Meißeldurchmessern kleiner 12Υ" ist das innere Lager aus Platzgründen als Gleitlager ausgebildet. Die Wälzlager bestehen aus Walzen mit einem Durchmesser-zu-Längen-Verhältnis von 2:1. Das äußere Wälzlager muss die größten Kräfte aufnehmen und ist demzufolge auch am kräftigsten ausgebildet. Das mittlere Kugellager dient sowohl als Haltelager für die Meißelrolle wie auch zur Aufnahme schräger Kräfte, da Rollenlager nur solche Kräfte aufnehmen können, die senkrecht zur Rollenachse wirken. Die Kugeln des mittleren Kugellagers werden über einen Kanal im Lagerzapfen eingeführt. Anschließend wird dieser Kanal mit einem Stift verschlossen. Dieser hat am inneren Ende eine Aussparung, die das Loch in der Kugel-Gleitbahn ausfüllt. Am anderen Ende wird der Stift mit dem Meißelkörper verschweißt. Die eingeführten Kugeln laufen zur einen Hälfte auf dem Lagerzapfen, zur anderen in der Meißelrolle was bedeutet, dass zum axialen Abziehen der Meißelrolle sämtlich Kugeln mittig geschert werden müssten. Auf diese Weise ist die Meißelrolle dauerhaft und ohne Schrauben o.ä. mit dem Rollenhalter verbunden Neben Kugeln werden heute die Rollen auch mittels eines Sprengringes oder mittels eines Gewinderinges [REED] an der Rollenhalterung befestigt. Mit zunehmenden Teufen wurden die zu bohrenden Formationen härter, so dass größere Meißelbelastungen aufgebracht werden mussten, damit die Schneidelemente überhaupt in die Formationen eindringen und eine Gesteinszerstörung einleiten konnten. Durch die hohen Belastungen kam es zu sehr starkem Lagerverschleiß. Um diesem zu begegnen stellte man vom Wälzlager um auf Gleitlager, weil hier eine weitaus größere Fläche belastet wird, so dass die Flächenpressung reduziert wird. Die Lager sind mit speziellen Lagerschalen ausgelegt, die nicht nur eine sehr hohe Verschleißfestigkeit aufweisen, sondern auch die entstehende Reibungswärme optimal abführen müssen. Gleichzeitig müssen sie so gestaltet sein, dass das Fett gut verteilt wird. Da jedoch Gleitlager im Gegensatz zu Wälzlagern besonders empfindlich gegen eindringende Feststoffe sind, weil die Toleranzen sehr eng gehalten werden müssen, ergab sich sehr bald die Notwendigkeit, solche Lager abzudichten, um die abrasiven Feinstfeststoffe aus der Spülung fern zu halten.
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G Abb. G-12: oben: Abgedichtetes Rollenlager entsprechend IADC X-X-4 / X-X-5 Rollenlager können bei höheren Drehzahlen und niedriger Andrücken eingesetzt werden. unten: Abgedichtetes Gleitlager entsprechen IADC X-X-6 /X-X-7 Gleitlager eignen sich zum Einsatz bei hohen Andrücken mit niedriger Drehzahl.
Es wurde deshalb 1959 ein System entwickelt, bei sich im Rollenhalter ein Fettreservoir befindet, das mit dem Rollenlager in Verbindung steht. Dieses Fettreservoir hat im Meißelschenkel eine Öffnung, die mit einer Membran verschlossen und somit gegen das Eindringen von Spülung und Feststoffen gesichert ist. Gleichzeitig wirkt jedoch auf diese Membran der Spülungsdruck, wie er an dieser Stelle des Bohrloches herrscht, so dass der Druck im Inneren des Lagers derselbe ist wie der hydrostatische Druck der Spülungssäule im Bohrloch an dieser Stelle. Das bewirkt, dass die Dichtung zwischen Rolle und Rollenhalterung nur als Medientrennung fungiert, also keinem Differenzdruck standhalten muss, was bei Bohrlochsohlendrücken von mehreren hundert Bar auch gar nicht möglich wäre. Die verschiedenen Meißelhersteller haben im Laufe der Jahre zwar unterschiedliche, aber recht wirksame Abdichtsysteme für solche Meißel entwickelt. Bei den Schneidelementen von Rollenbohrwerkzeugen wird unterschieden zwischen Zähnen und Hartmetallstiften (Warzen).
4.2.1.3 Zähne Die Zahnform (Länge des Zahnes und Breite der Zahnbasis) wird von der Härte des zu bohrenden Gesteins bestimmt. Grundlage ist, dass der Zahn, wenn er Gesteinszerstörung bewirken soll, soweit belastet werden muss, dass er den Gesteinswiderstand überwindet und in das Ge-
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stein eindringt. Das bedeutet, dass für weiche Gesteine die Zähne länger und spitzer ausgeführt werden müssen als für harte Gesteine, in die nur eine stumpfe Schneide eindringen kann, weil die Kraft, die aufgebracht werden muss, entsprechend größer sein muss. Entsprechend sind die Zähne für Hartformationsmeißel kürzer und stumpfer ausgebildet. Im mittelharten Formationsbereich finden sich dann die Übergangsformen zwischen Lang- und Kurzzähnen. Ganz allgemein gilt, je länger und spitzer der Zahn, desto weicher die Formation, die damit gebohrt werden kann.
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Abb. G-13: Meißeltypen – links: Weichformations-Zahnmeißel (IADC Code 1-1-6) rechts: Hartformations-Zahnmeißel (IADC Code 3-1-7) [Comdrill]
Die Zahnreihen auf den einzelnen Rollen müssen so nebeneinander angeordnet sein, dass die gesamte Bohrlochsohle gleichmäßig bearbeitet wird, wobei jede Zahnreihe einen ringförmigen Streifen der Bohrlochsohle bearbeitet. Schließlich müssen die Zahnreihen benachbarter Rollen so aufeinander abgestimmt sein, dass der Zahn der einen Reihe in den Zwischenraum der anderen Reihe eingreifen kann, so dass der vorhandene Platz optimal genutzt wird. Je tiefer der Eingriff in die benachbarte Zahnreihe ist, desto besser ist auch der mechanische Selbstreinigungseffekt der Zähne, da diese wie Kämme ineinander greifen und so insbesondere weiche, klebrige Formationen (z. B. Tone) gegenseitig abstreifen. Die Zahnflankenwinkel liegen bei: • 42° bei Weichformationsmeißeln • 46° bei Meißeln für mittelharte Formationen • 50° bei Hartformationsmeißeln. Die Zahnlängen liegen zwischen 0,75" (19,05 mm) bei Weichformationsmeißeln bis zu 0,421" (10,69 mm) bei Hartformationsmeißeln.
Hartmetallstifte (Warzen) Anfangs wurden Warzen als Knopfwarzen für Hartformationen entwickelt. Diese Warzen sind Hartmetallstifte, die in vorgebohrte Löcher eingepresst werden, wobei nur der gerundete Kopf des Stiftes aus der Rolle herausragt. Da man mit diesem Meißeltyp sehr gute Ergebnisse erzielte, wurden bald schon verlängerte Warzen eingesetzt, bei denen ein Teil des Hartmetallstiftes aus dem Rollenkörper herausragt, so dass auch in weicheren Formationen grabend gebohrt werden konnte.
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Abb. G-14: rechts: Weichformations-Warzenmeißel (IADC Code 4-4-7)Links: Hartformations- Warzenmeißel (IADC Code 8-3-7) [Comdrill]
Längere Warzen für weichere Formationen müssen ähnlich wie Zähne eine grabende Wirkung ausüben. Deshalb mussten die Warzen zugespitzt oder profiliert werden. Heutzutage gibt es eine Vielzahl profilierter Hartmetallstifte, die den unterschiedlichsten Einsatzbedingungen gerecht werden. Normale Warzen haben einen Flankenwinkel, der zwischen 70° und 75° liegt (Zähne: 42° – 50°). Die Warzenlänge (Überstand über den Rollenkörper) liegt zwischen 0 und 0,312" (= 7,92 mm) (Zähne: 10,69 – 19,05 mm). Daraus wird ersichtlich, dass Hartmetallstifte eine geringere Grabwirkung haben als Zähne, was, um gleichen Bohrfortschritt zu erzielen, u.a. durch höhere Meißeldrehzahlen kompensiert werden muss.
4.2.1.4 Spülungswege Bei den Spülungswegen unterscheidet man zwei Arten: • egular-Meißel (regular circulation) • Düsen-Meißel (jet circulation)
Abb. G-15: Regular Circulation [Spibo]
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Beim Regular-Meißel befinden sich 1 – 4 Bohrungen oder ein großes Loch im Zentrum des Meißelkörpers. Der Spülstrom ist auf die Rollengerichtet und hat in erster Linie die Aufgabe, die Zähne zu reinigen und die Rollen zu kühlen und zu schmieren. Bei offenen Lagern dringt die Spülung zudem in diese ein und bewirkt einen Schmiereffekt, der allerdings durch den Anteil an abrasiven Cuttings (Feinstfeststoffe) stark beeinträchtigt wird. Die Spülungsöffnungen bei Regular-Meißeln sind vom Durchmesser her vorgegeben, also nicht variierbar. Die zentrale Spülbohrung ermöglicht eine effiziente Zirkulation des Spülmediums zur Reinigung der Zähne und des Bohrgrundes vom Zentrum des Meißels aus. Dies ist der Standardaufbau bei Meißeln mit offener Lagerung
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Abb. G-16: Regular Circulation Air Blast [Spibo]
Bei der Luftspülung sorgen zusätzliche Kanäle für eine gleichmäßige Kühlung der Lager. Ebenso wird die Luft zur Reinigung des Bohrkleins auf den Bohrgrund gerichtet. Diese Ausführung ist ausschließlich für Luft als Spülmedium einsetzbar. Die Jet Zirkulation ist für den Einsatz von Luft- oder Wasserspülung mit hohem Druck ausgelegt. Die präzisen Düsen richten den Spülungsstrom direkt auf den Bohrgrund. Sie ist Standard bei Meißeln mit abgedichteten Lager. Vorwiegender Einsatz bei Tiefbohrungen. Durch verschiedene Düsendurchmesser sind die Spülungsverhältnisse einstellbar.
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Abb. G-17: Jet Circulation [Spibo]
In den 50er Jahren versuchte man, den Bohrfortschritt zu steigern und stellte sehr schnell fest, dass dieser in ganz entscheidendem Maße von der Bohrlochsohlensäuberung abhängt. Cuttings, die nicht unmittelbar nach dem Lösen aus dem Gesteinsverbund von der Bohrlochsohle entfernt werden, werden nachzerkleinert, was Energie kostet, die zum erneuten Lösen von Gestein verwendet werden könnte.
Abb. G-18: links: Regular Fullhole – rechts: Jet Fullhole [Spibo]
Man löste dieses Problem dadurch, dass man auf die Bohrlochsohle einen Düsenstrahl mit hoher Strömungsgeschwindigkeit richtet der zum einen die Viskosität der pseudoplastischen Spülung herabsetzt, zum andern die Cuttings von der Bohrlochsohle transportiert. Allerdings erfordern Düsen-Rollenmeißel erheblich höhere Pumpenleistungen und höhere Pumpendrücke, so dass vor Einführung dieser Meißel zunächst das gesamte Hydraulikkonzept neu konzipiert werden musste. Bei Düsen-Rollenmeißeln sind drei Spülungsaustrittsöffnungen in die Zwischenräume zwischen den Rollen gelegt (vgl. die Abb. des Weichformations-Zahnmeißels), so dass der KernSpülstrom auf die Bohrlochsohle gerichtet wird. Die Randstrahlen berühren die Rollen und
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säubern und kühlen sie. Die Spülungsaustrittsöffnungen sind so gestaltet, dass Hartmetalldüsen eingesetzt werden können, deren Durchmesser dem berechneten Staudruck angepasst werden kann. Dieser liegt in vielen Fällen bei etwa Ҁ des maximal verfügbaren Pumpendruckes. Die Düsendurchmesser werden in 32. Zoll angegeben, wobei allerdings meistens nur der Zähler des Bruches genannt wird. Ist ein Meißel beispielsweise mit zwei Neuner und einer Zehner Düse bestückt so bedeutet das, dass 2 x 9/32" und 1 x 10/32" Düsen eingebaut sind. Die Düsen werden in die Düsenhalterung eingeschraubt oder mittels Sperrstiften oder Sprengringen gehalten.
4.2.2 IADC – Code für Rollenmeißel
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Die „International Association of Drilling Contractors“ hat einen Code festgelegt, mit dem die Konstruktion und Art von 3-Kegelrollenmeisseln international beschrieben wird. Der Code besteht immer aus drei Ziffern, der die Eignung des Meißels bezüglich der Formation und der Art der Lagerung beschreibt. 1. Ziffer 1-8: Zahnmeißel Warzenmeißel mit der Einstufung: mit der Einstufung: 1 – für weiche Formationen 4 – weich 2 – für mittelharte Formationen 5 – weich bis mittelhart 3 – für harte Formationen 6 – mittelhart 7 – hart 8 – sehr hart 2. Ziffer 1-4: eine weitere Unterteilung der Formationshärten mit 1 für weich bis 4 für hart. 3. Ziffer1-7: gibt die Art der Lagerung, Dichtung und des Verschleißschutzes an: 1. Standard, offenes Rollen- und Kugellager 2. Standard, offenes Rollen- und Kugellager, nur für Luftspülung 3. Standard, offenes Rollen- und Kugellager mit eingepressten Hartmetallstiften an der äußeren Schneidreihe der Kegelrollen 4. Abgedichtetes Rollen- und Kugellager 5. Abgedichtetes Rollen- und Kugellager mit Hartmetallstiften an der äußeren Schneidreihe der Kegelrollen 6. Abgedichtetes Gleitlager 7. Abgedichtetes Gleitlager mit Hartmetallstiften an der äußeren Schneidreihe der Kegelrollen Beispiel: Der IADC Code 1-2-6 steht für Zahnmeißel mit abgedichtetem Gleitlager für eine leicht härtere Formation als ein 1-1-6. Der IADC 5-2-7 ist ein Warzenmeißel mit abgedichtetem Gleitlager und Hartmetallstiften in der äußeren Schneidreihe. Er ist für etwas weichere Formationen als ein 5-3-7 geeignet.
4.2.3 Gesteinszerstörung durch Rollenmeißel Rollenmeißel werden bezüglich der Schneidelemente und des Rollendesigns der zu bohrenden Formation angepasst, um optimale Gesteinszerstörung zu bewirken, die wiederum die Voraussetzung für einen bestmöglichen Bohrfortschritt ist. Entsprechend der unterschiedlichen Ausbildung der Schneidelemente ergeben sich auch unterschiedliche Arten der Gesteinszerstörung an der Wirkstelle, so dass grundsätzlich festgehalten werden kann, dass man es bei Rollenmeißeln nicht nur mit einer Art der Gesteinszerstörung wie beim Arbeiten mit Blattmeißeln zu tun
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hat. Auch handelt es sich beim Bohren mit Rollenmeißeln nicht um einen Drehbohrprozess im eigentlichen Sinn mit spanabhebender Zerstörung. Vielmehr ergeben sich beim Bohren mit Rollenmeißeln sehr unterschiedliche Arten der Gesteinszerstörung, die von der grabenden bis hin zur schlagend zertrümmernden Gesteinszerstörung reichen. Die Bezeichnung Dreh- oder Rotarybohren bezieht sich lediglich auf den rotierenden Strang, an dem das Bohrwerkzeug befestigt ist. Im Folgenden wird auf die Art der Gesteinszerstörung durch Rollenbohrwerkzeuge bei verschiedenen Formationstypen eingegangen: Weiche Formationen Bei weichen Formationen dringt der Meißelzahn wie eine Messerklinge in das Gestein ein. Um Gesteinspartikel aus dem Verbund zu entfernen, muss nun eine Dreh- oder Kippbewegung erfolgen (ähnlich wie beim Graben mit einem Spaten), damit diese vom Spülstrom abtransportiert werden können. Diese Bewegung wird durch das Offset des Meißels bewirkt. Das bedeutet, dass das abgetragene Gesteinsvolumen um so größer ist, je länger der Zahn (Schaufel) und je größer das Offset sind. Hier wird somit eine grabende Wirkung erzielt. Weiche bis mittelharte Formationen Bei etwas härteren Gesteinen wird ebenfalls grabend gearbeitet, jedoch muss die Schneide des Zahnes etwas stumpfer und das Offset etwas kleiner sein als bei Weichformationsmeißeln, weil ansonsten der Zahn nicht in die Formation eindringen könnte bzw. weil die Gefahr bestünde, dass der Zahn bei zu großer Drehbewegung abbrechen würde. Mittelharte Formationen Bei mittelharten Formationen müssen die Zähne weitaus höhere Gesteinswiderstände überwinden, so dass die Schneidenwinkel noch stumpfer sein müssen, damit der Zahn nicht zerstört wird. Auch ist das Offset relativ klein ausgebildet, wenn auch vorhanden. Harte Formationen Bei harten Formationen wird es kaum möglich sein, dass der Zahn in die Formation eindringt, da der Gesteinswiderstand zu groß ist. Da aber harte Formationen meistens sehr spröde sind, können sie schlagend oder stoßend bearbeitet werden. Das geschieht z. B. dadurch, dass ein stumpfes Werkzeug mit hoher Energie auf den Gesteinsverbund geschlagen wird, so dass sich sehr hohe Spannungen im Gestein bilden, die dann, wenn die Schlagenergie nicht mehr wirkt, zum Abspalten des Gesteinspartikels führen. Aus diesem Grunde werden harte Formationen mit sehr kurzen, stumpfen Zähnen oder Knopfwarzen gebohrt, wobei eine hohe Meißelbelastung und eine hohe Drehzahl erforderlich sind.
4.2.4 Klassifizierung von Rollenbohrwerkzeugen Wegen der großen Anzahl von unterschiedlichen Rollenmeißeltypen und -herstellen wurde es erforderlich, eine allgemein gültige Klassifizierung zu schaffen, so dass es dem Verbraucher möglich wurde, die Rollenmeißel verschiedener Fabrikate miteinander zu vergleichen. Nach dieser von API (API RP 7 G) entwickelten Codierung werden Rollenbohrwerkzeuge mit einem dreistelligen Code versehen, wobei die einzelnen Zahlen folgende Bedeutung haben:
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1. Zahl: Ziffern 1 – 8 Grobeinteilung nach der Formationshärte mit steigender Tendenz 1 – 3: Zahnmeißel von weich bis hart 4 – 8: Warzenmeißel von weich bis hart 2. Zahl: Zifferm 1 – 4 Unterklassifizierung nach der Formationshärte von weich bis hart 3. Zahl: Ziffern 1 – 9 Kennzeichnung der Konstruktionsmerkmale: 1 Standard Wälzlager 2 Wälzlager für Luftbohren 3 Wälzlager mit Kaliberschutz 4 abgedichtete Wälzlager 5 abgedichtete Wälzlager mit Kaliberschutz 6 abgedichtete Gleitlager 7 abgedichtete Gleitlager mit Kaliberschutz 8 Richtbohrmeißel 9. Sonstige Beispiel: 1-2-6 Zahnmeißel mit großem Offset für weiche Formationen mit der Unter-Härtegruppe 2 (weichmittelhart), mit abgedichtetem Gleitlager. 6-2-7VVarzenrneißel mit mittellangen Warzen für mittelharte Formationen mit der Unter-Härtegruppe 2 (weich-mittelhart), mit abgedichtetem Gleitlager mit Kaliberschutz.
4.2.5 Verschleißbeurteilung von Rollenbohrwerkzeugen Verschleißbeurteilungen sind, zusammen mit den Bohrparametern, ein wichtiger Faktor, wirtschaftliche Bohrleistungen erreichen zu können. Die Verschleißbeurteilung soll entscheiden, ob der eingesetzte Meißel optimal gearbeitet hat, ob ein anderer Meißeltyp zum Einsatz kommen sollte, oder ob die Bohrparameter wie Meißelbelastung oder -drehzahl oder die Bohrlochhydraulik geändert werden müssen. Verschleißbeurteilungen sollen möglichst exakt und objektiv erfolgen, um vergleichbare Ergebnisse zu bekommen. Deshalb wurde vom IADC ein Schema zur Verschleißbeurteilung entwickelt. Dieses bezieht sich in erster Linie auf den Verschleiß von Schneidelementen und Lagern. Daneben wird aber auch eine Beschreibung des Zustandes des ausgebauten Meißels vorgeschlagen, in der der Kaliberverschleiß sowie herausgebrochene Zähne oder Warzen und deren Lokation auf der jeweiligen Rollen, Auswaschungen etc. aufgelistet werden können. Beim Zahnverschleiß wird davon ausgegangen, dass ein neuer Meißel eine mittlere Zahnlänge hat, die gleich 8/8 gesetzt wird. Der aus dem Bohrloch kommende Meißel wird stichprobenartig bezüglich der verbliebenen Zahnlänge vermessen, wobei die Reduzierung der Zahnlänge durch Verschleiß wiederum in Achteln angegeben wird (z. B. Z5 = Zahnverschleiß von 5/8). Bei Warzen wird die Anzahl der abgenutzten oder abgebrochenen oder verloren gegangenen Warzen angegeben.
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Bei der Lagerverschleißbeurteilung wird zwar entsprechend vorgegangen, jedoch ist diese weitaus subjektiver als die Zahnbeurteilung. Tafel 1-G: Formationen und mögliche Meißelausführungen
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Tafel 2-G: Druckfestigkeiten der Gesteinsformationen zur Bestimmung des Rollenmeißel-Typs
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4.2.6 Diamantbohrwerkzeuge 4.2.6.1 Allgemeines Diamantbohrwerkzeuge unterscheiden sich von Rollenbohrwerkzeugen in erster Linie dadurch, dass sich bei ihnen keine beweglichen Teile wie beispielsweise Rollen finden. Dadurch sind diese Bohrwerkzeuge auch für höhere Meißeldrehzahlen geeignet, also insbesondere für das Arbeiten mit Downhole Motoren. Der Meißelkörper besteht aus Metall oder einer Metalllegierung, während als Schneidelemente künstliche oder natürliche Diamanten zum Einsatz kommen.
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Ursprünglich wurden Diamantbohrwerkzeuge ausschließlich mit natürlichen Industriediamanten besetzt, was sehr hohe Werkzeugkosten verursachte, da Naturdiamanten sehr teuer sind und die Herstellung überwiegend Handarbeit ist. Die Diamanten werden in eine Matrix eingesintert, wobei etwa 1/3 des Steines aus der Matrix herausragt. Diese Bohrwerkzeuge wurden und werden im Wesentlichen für harte, abrasive Formationen eingesetzt. Da jedoch der Gesteinsabtrag wegen des geringen Überstands der Diamanten über den Meißelkörper (sog. Exposure) pro Umdrehung des Meißels sehr gering ist, müssen diese Werkzeuge mit höherer Drehzahl gefahren werden als Rollenmeißel, um in vergleichbaren Formationen vergleichbare Bohrfortschritte zu erzielen. Bei Diamantmeißeln wird angegeben, wie viel Karat (1 Karat = 0,02g) an Diamanten in die Matrix eingesintert wurden, wobei man aus der Karatzahl pro Stein bei größeren Steinen bzw. aus der Anzahl der Steine pro Karat bei kleineren Steinen auf die Anzahl der Schneidelemente schließen kann. Die Naturdiamanten haben unterschiedliche Formen, was ihre Aggressivität und damit ihren Einsatz bestimmt. Mit der Entwicklung der künstlichen Diamanten, der sog. polykristallinen Diamanten (PCD) in den 70er Jahren fand jedoch bei den Diamantbohrwerkzeugen eine gravierende Veränderung statt, da die PCDs weitaus flexibler einsetzbar sind als Naturdiamanten. So stellen die entsprechenden Hersteller solcher Werkzeuge heute in der Regel über 90% aller Diamantbohrwerkzeuge mit PDCs her. Die künstlichen Diamanten werden als kleinste Kristalle gezüchtet und dann gesintert auf beliebige Trägerelemente aufgebracht, so dass runde Scheiben verschiedener Durchmesser ebenso hergestellt werden können wie Tetraeder, Prismen, Quader o.ä. Formen. Eine dritte Gruppe von Diamantbohrwerkzeugen stellen die imprägnierten Werkzeuge dar, bei denen Diamantsplitter oder sog. Grit der Matrix, einem Wolfram-Karbid-Pulver, beigemischt und eingesintert wird. Beim Bohren werden dann durch den Verschleiß der Matrix immer neue Diamantsplitter freigelegt, die das Gestein abschleifen. Durch diese Art von Gesteinszerstörung können imprägnierte Werkzeuge nur in sehr harten, abrasiven Gestein wir beispielsweise Kristallin eingesetzt werden, wo ein Schleifeffekt zur Gesteinszerstörung führt.
4.2.6.2 Konstruktionsmerkmale von Diamantbohrwerkzeugen Diamantbohrwerkzeuge mit Naturdiamanten können in den verschiedensten Formen gefertigt werden, wobei sowohl Einsatzbedingungen wie auch insbesondere die Meißelhydraulik die äußere Form der Werkzeuge bestimmen. Letztere ist bei Diamantbohrwerkzeugen insofern von besonderer Bedeutung, weil Diamanten nicht nur stoß sondern auch temperaturempfindlich sind. 1/1fird beispielsweise ein Naturdiamant mit mehr als etwa 600 – 800°C belastet, so „verbrennt“ der Diamant, d. h. er wird in Graphit umgewandelt. Deshalb müssen die Diamanten auf den Schneiden immer ausreichend gekühlt werden, wobei die Konfiguration der Fließwege heute ausschließlich mittels entsprechender Computersysteme berechnet wird. Bezüglich ihrer Einsatzbedingungen gilt auch für Diamantbohrwerkzeuge, dass Werkzeuge für weiche Formationen mit großen und solche für harte Formationen mit kleinen Diamanten besetzt sind. Die Herstellung von Diamantbohrwerkzeugen mit Naturdiamanten erfolgt so, dass zunächst eine Graphit-Hohlform des Meißels gefertigt wird, in die die Spülungsöffnungen und Wasserwege mittels entsprechender Stege aus Graphit eingeklebt werden. Anschließend werden die
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Abb. G-19: links: Oberflächengesetzte Diamant- Vollbohrkrone rechts: Oberflächengesetzte Ringbohrkrone S-Form mit 12 Spülungskanälen und Jungslots [Comdrill]
Diamanten in kleine Bohrungen in den Mantel der Form eingesetzt Die Anordnung der Diamanten wird durch die Meißelkonstruktion vorgegeben. Die Löcher sind so tief, dass etwa 1/3 des Diamanten dort eingebettet wird. Dieser Teil des Diamanten ragt dann später als sog. Exposure aus der Matrix heraus und bewirkt die Gesteinszerstörung. Anschließend wird ein Stahlkern in die Form eingesetzt und der verbleibende Hohlraum zwischen Stahlkern, Fließwegen und Diamanten mit dem Matrixpulver (Wolfram-Karbid-Pulver) aufgefüllt. Sodann wird der Meißel unter Sauerstoffabschluss im Ofen auf etwa 1100° erhitzt, wobei Stahlkern und Diamanten eingesintert werden. Danach wird der Stahlschaft angeschweißt und der Meißel endbehandelt.
4.2.6.3 Diamantbohrwerkzeuge mit PDCs Meißel mit künstlichen Diamanten werden als PDCs (= Polycristaline Diamond Compact) bezeichnet. Bestehen die PDCs aus Tetraedern, Quadern oder Prismen, so werden sie wie
Abb. G-20: PDCs-Bohrkronen links: Vollbohrkrone – rechts: Aufweitungs-Bohrkrone [Comdrill]
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Naturdiamanten in eine Matrix eingesintert. Plättchenförmige Diamanten werden auf einem Trägerelement aus Hartmetall befestigt. Diese Trägerscheibe wird dann mit einem weiteren Stahlelement, das entweder zylindrisch sein kann oder abgewinkelt ist, verschweißt. Dieses Element wird dann in den Stahl-Meißelkörper in entsprechende Bohrungen eingelötet, so, dass die Schneiden einen spitzen oder einen stumpfen Winkel mit der Bohrlochsohle bilden.
Abb.: G-21: PCDs-Ringbohrkrone [Comdrill]
PCD Werkzeuge haben Paraboloidformen wie auch die abgeflachte Formen, werden jedoch ansonsten mit sehr unkonventionellen Formen hergestellt. In der Regel werden die Schneidelemente in spezielle Rippen eingesetzt, wobei oftmals die spiralförmige Anordnung der Schneidelemente zu finden ist, um die gesamte Bohrlochsohle gleichmäßig mit Schneidelementen zu bestreichen. Dabei ist die Dichte der Schneiden z. B. in Kurvensektionen, wo die Cutter besonders beansprucht werden, größer als an solchen Stellen, wo der Verschleiß geringer ist.
4.2.6.4 Steingrößen und Diamantqualitäten Steingrößen: Folgende Steingrößen stehen zur Verfügung (spc = Steine pro Karat): 5 – 8 spc / 8 – 10 spc / 10 – 12 spc / 12 -15 spc / 15 – 20 spc / 20 – 25 spc / 30 – 40 spc / 40 – 60 spc Diamantqualitäten: Die Qualität der zum Bohren eingesetzten Diamanten richtet sich nach deren Kristallstruktur, der Form der einzelnen Steine und deren Oberflächenbeschaffenheit. Natural Drilling NI) 1 Ausgesuchte Steine höchster Qualität, die für anspruchsvolle Bohraufgaben in sehr hartem und sehr abrasivem Gebirge eingesetzt werden Premium Premium ist unsere Bezeichnung für Diamanten, die nicht ganz der ND1 Qualität entsprechen, aber dennoch gut für hartes, abrasives Gestein geeignet sind Select Bohrdiamanten, die hinsichtlich Ihrer Form und Struktur gut geeignet sind für das Bohren in mittelharten, weniger abrasiven Gesteinen.
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Westafrika WA 1 (Standard) Standardqualität für Diamantbohrkronen, die in weniger harten, nicht bis wenig abrasiven Gesteinen eingesetzt werden Westafrika WA 2 (Economy) Diese Qualität wird meist für den Besatz von Räumern verwendet, wo sie nicht schneiden, sondern das Kaliber halten sollen. Für Kronen sind sie weniger geeignet. Carbonados Carbonados oder Carbon-Diamanten stellen eine Besonderheit dar, da es sich im Gegensatz zu den vorher genannten, monokristallinen Diamantmodifikationen um einen polykristallinen Naturdiamant handelt. Tab. 3-G: Matrixhärten [Quelle Comdrill]
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Carbonados sind sehr selten und werden daher nur dort eingesetzt, wo hinsichtlich der mechanischen und thermischen Belastung hohe Anforderungen gestellt werden, z. B. beim Trockenbohren.
4.2.6.5 Kosten der Diamantkronen Der Preis einer Diamantbohrkrone setzt sich aus den Besetzungskosten, den Diamantkosten und eventuellen Zuschlägen zusammen: Besetzungskosten Dies sind die Kosten, die unabhängig von der Qualität und Diamantgehalt anfallen, für den Kronenkörper, Formenbau, Setzen der Steine und die Endbearbeitung Diamantkosten Die Diamantkosten errechnen sich aus dem Diamantinhalt (Carat) multipliziert mit dem jeweiligen Preis pro Carat (qualitätsabhängig) Zuschläge Zuschläge fallen an für Kronensonderformen, die einen aufwendigeren Formenbau erfordern oder für sonstige Sondermerkmale Dies sind z. B.: Spülungsbohrungen , zusätzliche Hartmetallverstärkung der Wasserwege, Hartmetallpanzerung am Kronenkörper [Quelle: Comdrill]
4.2.7 Meißelkostenberechnung Von grundlegender Bedeutung ist die Wirtschaftlichkeit des Bohrprozesses, so dass es unumgänglich ist, diese Kosten ständig zu ermitteln und zu vergleichen. Das ist möglich, indem man für jeden Meißelmarsch die Kosten ermittelt, was mittels nachstehender Gleichung geschieht: K=
K A ⋅ (t B + t RT ) + K M
Hierin sind:
m
[€ / m]
K = Bohrmeterkosten [€/m] KA = Kosten der Bohranlage [Vh] tB = reine Bohrzeit (Meißel auf Sohle) [h] tR = Roundtripzeit [h] KM = Kosten des Bohrwerkzeugs [€] m = mit dem Werkzeug gebohrte Bohrmeter [m]
Die Kosten der Bohranlage können die reinen Stundensätze gern. Bohrvertrag sein, es können aber auch der Energieverbrauch sowie sonstige Kosten wie Spülung, Spülungsaufbereitung etc. eingerechnet werden. Wichtig ist aber, dass für einen Kostenvergleich mehrerer Bohrwerkzeuge immer von denselben Voraussetzungen ausgegangen wird, wobei die tatsächlichen Bohrmeterkosten zunächst einmal von untergeordneter Bedeutung sind, da es lediglich darum geht zu vergleichen, welcher Meißel billiger und damit wirtschaftlicher gebohrt hat. Die tatsächlichen Bohrmeterkosten können nach Abschluss der Bohrarbeiten aus den dann vorliegenden Abschlussrechnungen für alle Leistungen ermittelt werden.
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4 Drehbohrwerkzeuge
Unter der Roundtripzeit versteht man die Zeit, die benötigt wird, um das verschlissene Bohrwerkzeug auszubauen, gegen ein neues auszutauschen, und dieses wieder bis auf Sohle einzubauen. Mit der modifizierten Kostenformel ist es auch möglich abzuschätzen, ob ein neues Bohrwerkzeug billiger bohren wird als ein derzeit im Einsatz befindliches, indem man die voraussichtlich mit dem neuen Werkzeug zu bohrenden Bohrmeter und die dafür benötigte Bohrzeit mit den Effektivwerten vergleicht. Die Schätzwerte für das neue Werkzeug muss der Meißelverkäufer aus analogen Einsätzen ermitteln und beistellen. Diese Berechnung wird als BreakEven-Performance bezeichnet, da der Punkt, bezogen auf Bohrmeter und Meißelstandzeit ermittelt wird, ab dem das neue Bohrwerkzeug billiger wird als das alte. Liegt der sog. BreakEven-Point bei wenigen Bohrmetem und wenigen dafür benötigten Stunden, so ist die Chance groß, dass es billiger bohrt als das bisherige Werkzeug. Durch stündliche Berechnung der Bohrmeterkosten eines gerade im Einsatz befindlichen Bohrwerkzeugs kann auch die Meißelstandzeit recht genau ermittelt werden, da der Meißel unabhängig davon, ob dieser verschlissen ist oder nicht – immer dann auszubauen ist, wenn die Bohrmeterkosten wieder ansteigen. Wegen des Fixkostenanteils in der Berechnung (Meißelkosten) werden die Meterkosten zunächst ständig fallen, sich dann auf einem bestimmten Niveau mehr oder weniger einpendeln, ehe sie wieder ansteigen. Wird der Punkt der niedrigsten Bohrmeterkosten verpasst, so sind alle mit dem Meißel gebohrten Bohrmeter so teuer, wie die Bohrmeterkosten zum Zeitpunkt des Ausbauens des Meißels.
4.2.8 Arbeitsweise von Diamantbohrwerkzeugen Um einen Bohrfortschritt zu erzielen, muss das Schneidelement genügend Energie auf das zu bohrende Gestein übertragen, um dieses zu zerstören bzw. zu zerkleinern. Dabei sollte mit der verfügbaren Energie das größtmögliche Gesteinsvolumen erzeugt werden, wobei in Hartgestein naturgemäß das spezifische Gesteinsvolumen kleiner ist als in Weichgestein. Naturdiamanten Naturdiamanten arbeiten im Wesentlichen drückend-zertrümmernd, schleifend oder schabend, so dass ihr Hauptanwendungsgebiet sehr harte und abrasive Gesteine sind. Danach baut sich unter dem Einzeldiamanten infolge der hohen Meißelbelastung ein Druckzentrum auf, wobei das Gestein über seinen Druckfestigkeits-Grenzwert hinaus komprimiert wird. Bewegt sich der Diamant weiter, so wird das komprimierte Gestein druckentlastet, wobei es, infolge des schnellen Druckwechsels, absplittert, so dass ein Cuttingsteilchen entsteht. Ist die zu bohrende Formation weniger elastisch, so wird der Diamant nach Überwindung der Gesteinsfestigkeit eine Schleifspur hinterlassen und dabei feines Gesteinsmaterial abfragen. PDCs PDCs arbeiten in weichen, plastischen Formationen spanabhebend und in härteren Formationen zersplitternd und abscherend wie Blattmeißel. Kleine PDCs wie Tetraeder, Prismen oder Quader verbinden die Arbeitsweise von Naturdiamanten mit der von großen, plättchenförmigen PDCs. Einen Vergleich der Arbeitsweise verschiedener Schneidelemente gibt die untenstehende Abbildung.
G Gestänge und Werkzeuge
Abb. G-22 oben links: oben rechts: unten links: unten rechts:
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G Zahn oder Profilwarze eines Rollenmeißels Schleifende Gesteinsbearbeitung eines Naturdiamanten Spanabhebende Gesteinsbearbeitung eines PDCs Zersplitterndabscherende Gesteinsbearbeitung eines PDCs [Comdrill]
In weichen bis mittelharten Gesteinen arbeiten sie spanabhebend bis abscherend, in härteren Gesteinen pflügend (Tetraeder mit der Spitze nach vom gerichtet) bis schleifend.
4.3 Gestänge und Werkzeuge für das Bohren mit indirekter Spülung 4.3.1 Allgemeines Die zwei üblichen Bauarten unterscheiden sich im Wesentlichen nach: Art des Rohrkörperaufbaues: • Einfachwand, Doppelwand Art der Verbinder: • Schraubverbindung, Flanschverbindung Art der Druckluftzuführung: • durch außen angeordnete Rohre • durch den Ringraum zwischen Innen- und Außenrohr Das Einfachwandrohr mit Flanschverbindung mit Schrauben und außen angebrachten Luftleitungen (in der Regel zwei Rohre) hat sich ob seiner einfachen Bauform, seiner Robustheit und Service-Freundlichkeit durchgesetzt und wird eingesetzt beim Schachtbohren, Brunnenbau mittlerer und größerer Durchmesser sowie bei Bohrpfahlgründungen an Land, im Hafenbau und selbst im Tiefwasser. Schraubgestänge als Einfach- oder Doppelwandrohr wird fast nur noch zum Bohren kleinkalibriger Brunnen mit Kombinationsbohranlagen verwendet.
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4 Drehbohrwerkzeuge
Der sog. Unterhangstrang, d. h. der Teil, der sich unterhalb des ersten Lufteinlassventils befindet, wird als Flanschgestänge ohne Luftleitungen und als Schraubgestänge mit den Rohrabmessungen des Innenrohres, jedoch mit Verbindern des Außenrohres geliefert.
4.3.2 Schraubgestänge für das Lufthebeverfahren Das Lufthebeschraubgestänge wird als Schweißkonstruktion hergestellt und besteht aus einem Schaftrohr (Siederohr DIN 2448 in St 52) mit vorgeschweißten und nitrierten Gewindeverbindern, Zapfen/Muffe mit zylindrischem Trapezgewinde. Die Luftführung erfolgt durch zwei
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Abb. G-23: Gestänge- und Meißelsysteme für das Lufthebeverfahren [whb]
G Gestänge und Werkzeuge
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seitlich um 180° versetzte angeschweißte Luftrohre in der Abmessung 1“. Wandstärke im Luftrohr 4,05 mm. Außerdem werden Lufthebebohrgestänge als doppelwandige Rohre hergestellt Abb. G-19), wobei die Luft durch den Spalt zwischen Außen- und Innenrohr geführt wird. Sie sind zwar erheblich teurer, aber in der Handhabung wesentlich günstiger.
3.3 Flanschbohrgestänge Bei Flanschbohrgestängen mit größerem Durchmesser kann die Luftzuführung auch über eine zentrisch in das Bohrgestänge eingehängte Leitung erfolgen. Beim Saugbohrverfahren entfallen die Luftleitungen bzw. die anderen Maßnahmen für die Luftzuführung. Flanschbohrgestänge ist in beiden Drehrichtungen gleichermaßen belastbar. Wesentlich ist eine gute Abdichtung an den Flanschen. Der Einsatz von Flanschbohrgestängen beschränkt sich auf Bohrungen mit relativ großem Durchmesser, die im Umkehrspülverfahren (indirektes Bohrsystem) niedergebracht werden. Unter diesen Verhältnissen muss sichergestellt werden, dass der gesamte Gestängestrang durch entsprechende Schwerstangen immer auf Zug beansprucht wird, um sein Ausknicken, das zu Gestängebrüchen führen würde, auszuschließen.
Abb. G-24: Doppelwandgestänge für das Lufthebeverfahren 1 Rohr, 2 Oberflansch, 3 Unterflansch, 4 Luftrohr, 5 Führungsbolzen, 6 Sechskantschraube, 7 Federung, 8 Sechskantmutter
Abb: G-25. : Lufteinblasventil (Zwischenventil) für Flanschbohrgestänge (wbh]
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4 Drehbohrwerkzeuge
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Abb. G-26: Nachsetzen von Lufteinlassventilen beim Lufthebebohren mit Doppelwandgestänge und einem Verdichterdruck von 13 bar – Beispiel: Endteufe 450 m
G Gestänge und Werkzeuge
Es wurde bereits erwähnt, dass beim Lufthebebohren durch Einblasen von Luft in das Gestänge unterhalb des Bohrlochwasserspiegels eine Druckdifferenz zwischen den Flüssigkeitssäulen im Bohrloch und im Bohrgestänge aufgebaut wird. Die einzublasende Luft wird entweder durch eine in das Bohrgestänge eingehängte Luftleitung, durch eine außen an das Gestänge angeschweißte Luftleitung oder bei Doppelwandgestänge durch den äußeren Ringraum zur Lufteinblasdüse geführt. Lufteinblasdüsen oder – Einlassventile können einfache Durchlassöffnungen in großer Zahl sein, um den Luftdurchtritt zu vervielfachen. Sie sind unkompliziert und betriebssicher, haben aber den Nachteil, dass beim Einsatz von Doppelwandgestänge der Meißel zum Einsetzen der Düsen um ca. 30 m gezogen werden muss. Bei Flanschgestänge mit zwei Luftleitungen entfällt dieser Nachteil. Die Düsen werden ca. 30 – 50 m vor Erreichen der jeweiligen maximalen Einbautiefe beim Nachsetzen des Gestänges in den Strang eingebaut. Durch Umsteuerung am Spülkopf, durch Anfahren der vorher nicht betriebenen Leitung wird die Düse in Betrieb genommen. Überschreitet die Bohrtiefe den max. Betriebsdruck des Kompressors (in m WS) muss die Druckluft über die 2. Druckluftleitung am Gestänge durch ein Zwischenventil in des Gestänge eingeblasen werden, das ca. 30 m vor der max. Einblastiefe in den Bohrstrang eingebaut wird, d. h. Kompressorbetriebsdruck in WS minus 30 m.
Abb. G-27: Flansch-Bohrgestänge Typ FLH mit Tabelle [wbh]
Ist das Bohrloch danach um weitere 30 – 40 m vertieft worden, führt man die Druckluft jetzt der bis dahin inaktiven Luftleitung zu und zwar entweder bei einer Kellystange, ausgerüstet
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4 Drehbohrwerkzeuge
mit zwei Luftzuführungsleitungen, durch Betätigung eines Umschaltventils am Spülkopf, oder bei nur einer Leitung am Kelly durch Verbindung dieses Rohres mit der bis dahin inaktiven Luftleitung am Bohrstrang. Durch Einsetzen und nachfolgender Beaufschlagung, sind Bohrtiefen erreichbar, die den Kompressorbetriebsdruck (gemessen in m WS) weit übersteigen. Ein Rückschlagventil im Einblasorgan verhindert das Eindringen von Spülung, wenn die Leitung beim Nachsetzen weiterer Gestängeschüsse entlüftet wird. Hydraulisch gesteuerte Düsen, das Öffnen erfolgt durch den hydrostatischen Druck im Ringraum bei Erreichen der Druckstufe, sind anfällig gegen Verstopfungen durch Feststoffe und arbeiten nicht immer sicher.
4.3.4 Stabilisatoren und Übergänge
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Abb. G-28: Stabilisatoren [wbh]
Abb. G-29: Übergänge (wbh]
G Gestänge und Werkzeuge
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4.3.5 Schwerstangen Um bei tiefen Bohrungen ein Ausknicken des Gestänges mittels Andruck über Vorschubeinrichtungen zu vermeiden, muss der Andruck durch Schwerstangen ausgeübt werden. Hierzu setzt man in Aufschlussbohrtechnik dickwandige Rohre ein, um den erforderlichen Andruck auf das Bohrwerkzeug zu erzielen. Bei tiefen Großbrunnenbohrungen sowie bei vergleichbaren Bohrungen werden spezielle Schwerstangenkonstruktionen, die zum Teil wegen ihrer großen Massen zerlegbar sind, verwendet. Bei Schwerstangen aus dickwandigen Rohren stellt die Verbindung zwischen den einzelnen Schwerstangen an die Konstruktion, Fertigung und Handhabung hohe Anforderungen, da sich beiderseits der Gewindeverbindung Bereiche mit sehr großen Materialquerschnitten und damit hohen Widerstandsmomenten anschließen, die zu großen Verformungen und damit hohen Spannungen in den wesentlich schwächeren Gewindeverbindungen fuhren. Die hohen wechselnden Biegespannungen führen oft zu Zapfenbrüchen. Die in der Aufschlussbohrtechnik zum Einsatz kommenden Schwerstangen sind zum Teil mit Schwerstangenverbindern, die mit dem Schwerstangenkörper verschraubt werden, ausgerüstet. Außerdem werden Lufthebebohrgestänge als doppelwandige Rohre hergestellt, wobei die Luft durch den Spalt zwischen Außen- und Innenrohr geführt wird (Abb. G-25 + 26). Sie sind zwar erheblich teurer, aber in der Handhabung wesentlich günstiger
Abb. G-30: Schwerstangen für Lufthebegestänge mit Flanschverbindung
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4 Drehbohrwerkzeuge
G Abb. G-31: Schwerstangen-Stabilisatoren
4.3.6 Bohrmeißel für das indirekte Spülbohrverfahren Das indirekte Spülbohrverfahren (Umkehr- bzw. Linksspülung) wird am häufigsten bei Brunnenbohrungen angewendet. Dabei beträgt der Mindestdurchmesser in der Regel 300 mm. Die hierfür eingesetzten Bohrwerkzeuge sind ebenso für das Saugbohren (Lufthebebohren) gleichermaßen einsetzbar. Drei Bauformen haben sich als besonders geeignet erwiesen: • Exzenterrollenmeißel (WM) • Flügelmeißel (FM) • Großlochrollenmeißel (GR)
Abb. G-32: Bohrmeißel für das indirekte Spülbohrverfahren (Linksspülung)
Der Exzenterrollenmeißel, auch als Züblin- oder Wühlmeißel (WM) bezeichnet, besteht aus einem leicht gekrümmten Schaft, an dem durch Kugellager drehbar ein nahezu kugelförmiger Bohrkopf angebracht ist. Dieser hat streifenartig angeordnete, hartmetallvergütete Schneidmesser, die den Boden aufwühlen, ohne dass dabei eine Zerstörung im eigentlichen erfolgt.
G Gestänge und Werkzeuge
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Der Meißel kann in gewissem Umfang ausweichen bzw. das Hindernis an die Peripherie des Bohrloches transportieren. Der Zublinmeißel ist besonders geeignet für das Durchbohren kohäsionsloser Schichten. Beim Durchbohren bindiger Schichten können sehr leicht die Felder zwischen den Schneidmesserreihen verschmieren und den Bohrfortschritt erheblich beeinträchtigen. Im Zentrum hat der Bohrkopf eine kreisförmige Öffnung für den Eintritt der Bohrspülung und des Bohrkleins. Der Durchmesser der Öffnung ist abgestimmt auf den Gestängedurchmesser, so dass Bohrklein, welches durch diese Öffnung eingetreten ist, mit Sicherheit auch im Bohrgestänge aufwärts transportiert werden kann. Zublinmeißel sind bisher mit einem maximalen Durchmesser von 1250 mm gebaut worden. In der Mehrzahl liegt ihr Durchmesser jedoch zwischen 300 und 600 mm.
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Abb. G-33: Exzenter-Rollenmeißel [wbh]
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4 Drehbohrwerkzeuge
Schneidende Werkzeuge
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Abb. G-34: oben: Falsche Schneidenform – neigt zur Verschmierung unten: Bessere Schneidenform- vermeidet Verschmierung
[wbh]
G Gestänge und Werkzeuge
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Besonders bewährt haben sich Dreiflügelmeißel (FM). Sie besitzen an den drei Flügeln hartmetallvergütete Schneidmesser. Der Flügelmeißel ist in seinem unteren Teil mit einer Spitze versehen, die das Eindringen des Bohrwerkzeugs in zähe, bindige Schichten begünstigt. Die Eintrittsöffnung für Spülung und Bohrklein ist ebenfalls auf den Innendurchmesser des Bohrgestänges abgestimmt. Der Einsatz ist sowohl in kohäsionslosen als auch in bindigen Schichten möglich. Liegt im zu durchbohrenden Profil eine Wechsellagerung von kohäsionslosen und bindigen Schichten vor, wird der Flügelmeißel bevorzugt eingesetzt. Flügelbohrer werden vorwiegend mit Bohrungen in Durchmessern von 300 bis 900 mm eingesetzt.
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Abb. G-35: Dreiflügelmeißel mit Rundschaftmeißel [wbh]
Großlochrollenmeißel (GR) werden besonders dann eingesetzt, wenn die zu durchbohrenden Schichten z. B. aus Mergel, Kalkstein- und Quarzitbänken bestehen oder Lockergesteine durch Überlagerungsdruck einen hohen Verfestigungsgrad besitzen. Allerdings ist es insbesondere bei
Abb. G-36: links: Großlochrollenmeißel System Wirth rechts: Großlochrollenmeißel-Erweiterungsmeißel [wbh]
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4 Drehbohrwerkzeuge
tieferen Bohrungen notwendig, Schwerstangen oder Beschwerungskörper über dem Bohrwerkzeug anzuordnen, um beim Durchbohren fester Gesteinsbänke die notwendige Meißelbelastung erzeugen zu können. Die üblichen Durchmesser betragen 600 bis 1.200 mm, allerdings wurden bereits Großlochrollenmeißel bis zu einem Durchmesser von 8.200 mm (z. B. bei Schachtbohrungen) eingesetzt. Tabelle 4-G: Maße der Großlochrollenmeißel System Wirth
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Tabelle 5-G: Maße der Erweiterungs-Rollenmeißel System Wirth
G Gestänge und Werkzeuge
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4.3.7 Fangwerkzeuge Schwerwiegende Havarien, die teilweise den Einsatz von Spezialisten erfordern, kommen heute durch die neuen Bohrlochüberwachungs-Systeme immer seltener vor, können aber nicht ausgeschlossen werden. Da bei den z. T. sehr tiefen Bohrungen ist die Aufgabe einer Bohrung wegen Havarie mit hohen Kosten verbunden. Je nach Teufe der Havarie kann die Problemstelle (z. B. Gestängebruch) durch abgelenkte Bohrung überbohrt werden. Eine kurze Übersicht der möglichen Havarien und den üblichen Werkzeuge ist daher trotzdem angebracht. Mögliche Havarien sind: • Festwerdehavarien • Bruch des Bohrgestänges • Bruch in der Kernbohrgarnitur • Bohrwerkzeugbruch • Schwerstangenbruch • Bruch der Übergänge • Spülstangenbruch • Futterrohrhavarie Zur Behebung der genannten Vorfalle werden u.a. folgende Werkzeuge eingesetzt: • Fangdorne • Fangglocken • Ringhaken • Fanghaken • Klemmfangwerkzeuge (Rohrkrebs, Klemmfänger, Fangbirne) • Fangwerkzeuge für Seile und Kabel (Seilfangspeer, Seilfangspirale, Seilmesser) • Magnetfänger • Fangspinne • Fräser und Gewindeschneider (Stirnfräser, Konusfräser, Ringfräser, Pilotfräser) • Gestänge- und Rohrschneider • Überbohrwerkzeuge u. v. a. m.
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4 Drehbohrwerkzeuge
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1 2 3 4 5 6
Richthaken Fanghaken Gekröpfte Stange Stirnfräser Stirnfräser mit intensiver Hartmetallauftragung Konusfräser
Abb. G-38: Havariewerkzeuge [V]
7 8 9
Zylindrischer Fräser Ringfräser Überbohrkrone mit intensiver Hartmetallvergütung 10 Spiralwurm 11 Krokodilfänger 12 Kettenfänger
G Gestänge und Werkzeuge
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13 Gewindedorn 14 Gewindeglocke Abb. G-39: Gestängefangeinrichtungen
4.3.8 Spülkopf (Rotary swivels)
Abb. G-40: Spülkopf (Rotary swivels) System Wirth [wbh]
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H Spülung – Verrohrung – Zementation 1 Spülung 1.1 Allgemeines Als Bohrspülungen bezeichnet man alle während eines Bohrvorganges im Bohrloch zirkulierenden Flüssigkeiten und Gase, die beim Niederbringen von Bohrungen eine Reihe von Aufgaben zu erfüllen haben. Bohrspülungen können entsprechend den durch die geologischen oder bohrtechnischen Verhältnisse gestellten Anforderungen als Suspensionen, Emulsionen oder reine Gasspülungen verwendet werden. Man unterscheidet direkte und indirekte Spülungssysteme, wobei der direkte Spülungskreislauf durch das Einpumpen des Spülungsmediums in den Bohrstrang und das Aufsteigen der mit Bohrklein beladenen Spülung durch den Ringraum gekennzeichnet ist. Beim indirekten Spülungskreislauf wird die Spülung von einer Grube oder einem Tank aus direkt in den Ringraum geleitet und die mit Bohrklein beladene Spülung durch das Gestänge hindurch nach übertage gefördert (Lufthebe- oder Saugbohrverfahren). Bohrspülungen sind die wesentlichste Voraussetzung für das kontinuierlich arbeitende RotaryBohrverfahren, weil sie neben der Bohrlochsohlensäuberung auch die erbohrten Gesteinspartikel kontinuierlich durch den Ringraum nach übertage austragen, wo sie abgeschieden werden, ehe die gereinigte Spülung wieder in den Spülungskreislauf gepumpt wird. Von den ersten Spülungen (Wasser) bis hin zu den heutigen Spülungskonzepten war es ein weiter Weg, wobei sich die Spülungstechnik immer neuen Anforderungen, vorgegeben durch die Entwicklung der Bohrtechnik, ausgesetzt sah. Größere Teufen führten zu höheren Temperaturen, die von den Spülungen beherrscht werden mussten, und zu höheren Drücken. Aus dem Bohrloch aufgenommene Substanzen wie Elektrolyte o.ä. mussten von den Spülungssystemen beherrscht werden, und schließlich sollte die Spülung keine Schädigung eines Trägers verursachen sowie alle geologischen Vorgaben erfüllen. Das hat dazu geführt, dass die Spülungstechnik heute eine Wissenschaft geworden ist, deren Beherrschung mehr verlangt als bloßes Grundverständnis. Spülungen tragen ganz wesentlich zum Erfolg oder Misserfolg einer Bohrung bei und sind mit 8 – 10% der Bohrkosten ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor.
1.2 Spülungskreislauf und Aufbereitung In der Rotarybohrtechnik wird mit einem geschlossenen Spülungskreislauf gearbeitet. Das bedeutet, dass die Spülung übertage in Tanks gelagert wird, von wo aus sie mittels der Spülpumpen durch die Steigleitung (Stand Pipe) und den Spülschlauch (Drilling Mud Hose) über den Spülkopf (Swivel) in das hohle Bohrgestänge gepumpt wird. Hierfür werden heutzutage einfachwirkende Triplex-Kolbenpumpen (s. Kap. Bohrplatzeinrichtung und Gerätetechnik) eingesetzt. Am Bohrwerkzeug tritt sie durch Spülungsöffnungen oder Düsen aus, fließt horizontal über die Bohrlochsohle, wo sie die Bohrkleinteilchen (Cuttings) aufnimmt, und steigt dann, beladen mit den Cuttings, im Ringraum wieder nach übertage auf. H. -O. Buja, Handbuch der Tief-, Flach-, Geothermie- und Horizontalbohrtechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-9943-9_8, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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1 Spülung
Hier gelangt sie in das Aufbereitungs- oder Feststoffkontrollsystem, bestehend aus dem Schüttelsieb, den Desandern, den Desiltern und der Zentrifuge. In speziellen Tanks werden der Spülung Zuschlagstoffe zugegeben, ehe sie wieder in den Saugtank und damit zurück in den Kreislauf gelangt. Das erste und wichtigste Spülungsaufbereitungsgerät ist das Schüttelsieb (s. Kap. Bohrplatzeinrichtung und Gerätetechnik), ein vibrierendes Sieb, an dem die gröberen Feststoffe abgeschieden werden. Die modernen Siebe sind Linearschwinger mit einer schräg nach oben gerichteten Schwingbewegung, wodurch die Cuttings .mit einer Beschleunigung von 6 – 9 g versehen und bis zu etwa 6 mm weit geworfen werden, was einen sehr guten Trocknungseffekt der Cuttings bewirkt. Die Siebe sind heutzutage mit Feinsiebbelägen versehen, die Öffnungen von bis zu 44 mm haben (325 × 325 Mesh = Anzahl der Maschen pro Zoll in x- und yRichtung). Da Feinsiebbeläge sehr empfindlich sind, wurden spezielle Siebkonstruktionen mit Stützgewebe oder solche, wo die Siebbeläge auf perforierte Platten aufgeklebt werden, entwickelt. Die Siebe befinden sich fabrikmäßig vorgefertigt auf Rahmen, die nur noch in die Siebmaschine eingehängt zu werden brauchen. Mittels der Schüttelsiebe werden je nach Siebbelag bis zu etwa 30% der in der Spülung vorhandenen Feststoffe abgeschieden. Nachdem die Spülung die Schüttelsiebe passiert hat, gelangt sie in eine Hydrozyklon-Batterie. Zunächst wird sie durch die sog. Desander geleitet, die im zylindrischen Teil einen Durchmesser von 10" haben und Feststoffen größer 74 mm abscheiden (Feststoffe > 74 mm werden nach API als Sand bezeichnet, kleinere als Silt). An die Desander schließt sich eine Desilter-Batterie an, mit Durchmessern von 4", wo die feineren Feststoffe abgeschieden werden. Da diese Geräte nur geringe Durchsatzkapazitäten haben, müssen immer mehrere Geräte zusammengeschlossen werden, um den gesamten Spülstrom aufbereiten zu können. Hydrozyklone arbeiten nicht wie Schüttelsiebe nach dem Klassierprinzip, sondern nach dem Gravitationsprinzip. Das bedeutet, dass nicht nach der Korngröße se. pariert wird, sondern nach der Masse der Feststoffe. Somit kann es passieren, dass z.B. ein größeres aber leichteres Cuttingsteilchen dieselben Sinkeigenschaften hat wie ein kleineres aber schwereres Schwerspatteilchen, weshalb Hydrozyklone bei beschwerten Spülungen nur bedingt eingesetzt werden können. Hydrozyklone arbeiten dann richtig, wenn der Hydrozyklon-Unterlauf im sog. Sprayflow (wie ein halb aufgespannter Regenschirm) austritt. Hierauf ist zu achten, damit die Aufbereitung effektiv ist. Während Schüttelsiebe und Hydrozyklone den gesamten Spülstrom aufbereiten müssen, wenn die Aufbereitung effektiv sein soll, wird durch die sich abschließend anschließenden Zentrifugen nur ein Teilstrom geleitet, um den Feinstfeststoffanteil in der Spülung konstant zu halten und alle neu hinzu kommenden Feinstfeststoffe abzuscheiden (PeakShaving-Effekt). Als Zentrifugen werden in der Regel Gegenstrom-Durchflusszentrifugen eingesetzt, die eine Durchsatzkapazität von bis zu 20 m3/Std. haben. Zentrifugen können sowohl zur Abscheidung von Feinstfeststoffen von bis zu 2 mm im Prozess selbst eingesetzt werden, sie können aber auch zur Trocknung von Desander- und Desilter-Unterlauf eingesetzt werden.
H Spülung – Verrohrung – Zementation
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Abb. H-1: Schnitt durch eine Zentrifuge und Hauptkomponenten
Letzteres hat den Vorteil, dass trockeneres Deponiegut entsteht, was zum einen Deponiekosten reduziert, zum andern wertvolle, oft mit sehr teueren Chemikalien versehene flüssige Phase dem Spülungskreislauf wieder zuführt. Diese Flüssigkeit müsste, würde sie mit den Cuttings abtransportiert, ersetzt werden. Zentrifugen können bei beschwerten Spülungen auch zur Schwerspat-Rückgewinnung eingesetzt werden. In diesem Fall sind jedoch zwei Zentrifugen erforderlich. Außerdem gehören Zentrifugen nicht zum Standard Equipment einer Bohranlage, sondern werden bei Bedarf angemietet. Das ist meistens dann der Fall, wenn in größeren Teufen gebohrt wird, weil hier der Feinstfeststoffanteil an Cuttings wegen des geringen Bohrfortschritts besonders groß ist. Bohrspülungen haben bei der Zirkulation eine Reihe von Aufgaben zu erfüllen. Diese sind im Wesentlichen: • Entfernen aller von den Bohrwerkzeugen erbohrten Bohrkleinteilchen von der Bohrlochsohle • Austragen der Bohrkleinteilchen durch den Ringraum nach übertage • Inschwebehalten der Bohrkleinteilchen sowie der Beschwerungsstoffe bei Unterbrechung der Spülungszirkulation • Gewährleistung der Abscheidung von mitgeführten Feststoffen im übertägigen Aufbereitungssystem • Erzeugen eines hydraulischen Gegendruckes gegen das Eindringen von Medien (Öl, Gas, Wasser) aus den durchteuften Formationen in das Bohrloch • Abstützen der nicht standfesten Gesteine an der Bohrlochswand und Isolierung der zu durchbohrenden Horizonte durch Bildung einer Schutzschicht (Filterkuchen) • Kühlung und Schmierung von Bohrwerkzeugen und Bohrstrang • Sicherung der Produktion (Trägerschonung) • Resistenz gegen die Kontaminierung mit H2S und CO2 Korrosion am Bohrstrang vorbeugen • Übertragung der hydraulischen Energie zur Bohrlochsohle zur Bohrlochsohlenreinigung und zum Betrieb von Vorort-Antrieben (Downhole-Motoren) • Auftrieb für Casing und Bohrstang liefern • Sicherung von Bohrlochinformationen. Alle diese Anforderungen, die an die Spülung gestellt werden, sind recht unterschiedlich und teilweise sogar gegenläufig in ihrer Wirkung. So soll die Spülung zum Entfernen der Cuttings von der Bohrlochsohle möglichst dünnflüssig sein, im Ringraum jedoch eine entsprechend hohe Viskosität haben, um eine gute Austragsfähigkeit gegenüber den Cuttings auch bei niedrigen Strömungsgeschwindigkeiten zu haben, während sie bei Unterbrechung der Spülungszirkulation eine extrem hohe Viskosität benötigt, um die Teilchen in Schwebe zu halten, so dass ein Absinken der Teilchen und Sedimentieren auf der Bohrlochsohle vermieden wird. Diese
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1 Spülung
Hauptanforderungen erfüllt reines Wasser nicht, während Tonsuspensionen wie auch moderne feststofffreie Spülungen (Polymerspülungen), dank ihrer speziellen elektrochemischen Eigenschaften durchaus in der Lage sind, solche scheinbaren Widersprüche zu verkraften. Das Entfernen der Cuttings von der Bohrlochsohle ist eine der wichtigsten Aufgaben einer Bohrspülung. Die vom Bohrwerkzeug gelösten Gesteinsteilchen sollen so schnell und so vollständig wie möglich entfernt werden, damit keine Nachzerkleinerung der Gesteinspartikel stattfindet, weil das Energie benötigt, die ohnehin nur begrenzt an der Bohrlochsohle zur Verfügung steht, und weil dadurch der Bohrfortschritt negativ beeinflusst wird. Der Abtransport der Gesteinsteilchen von der Bohrlochsohle geschieht dadurch, dass der auf der Bohrlochsohle horizontal gerichtete Spülstrom unter das bereits aus dem Gesteinsverbund gelöste, aber noch fest in der Bohrlochsohle eingebettete Teilchen dringt, und es anhebt. Dadurch wird das Teilchen allseits von der Spülung umgeben und unterliegt somit nicht mehr dem einseitig wirkenden, hydrostatischen Druck der Spülungssäule, der es auf die Bohrlochsohle presst. Damit die Spülung jedoch in den vom Bohrwerkzeug geschaffenen Haarriss zwischen Gesteinsteilchen und anstehendem Gebirge eindringen kann, muss die Viskosität der Spülung möglichst niedrig und ihre Fließgeschwindigkeit möglichst hoch sein. Letzteres erreicht man dadurch, dass man den Spülstrom durch Düsen auf die Bohrlochsohle austreten lässt. Das bedeutet, dass eine gute Bohrlochsohlenreinigung einen hohen Bohrfortschritt, eine schlechte Bohrlochsohlenreinigung einen niedrigen Bohrfortschritt bewirkt. Nachdem die Bohrkleinteilchen von der Bohrlochsohle fortgespült worden sind, müssen sie mit dem Spülstrom durch den Ringraum nach übertage ausgetragen werden. Für die Austragsfähigkeit der Spülung sind im Wesentlichen folgende drei Parameter verantwortlich: • Aufstiegsgeschwindigkeit der Spülung im Ringraum • Strömungsart der Spülung • Viskosität und Dichte der Spülung Aufgrund ihrer Masse tendieren die Teilchen dazu, im Ringraum abzusinken, da ihre Dichte (2,7 kg/dm3 für Sediment) höher ist als die Dichte der Spülung. Je größer der Teilchendurchmesser, desto größer die Masse, und desto größer die daraus resultierende Sinkgeschwindigkeit. Dieser kann entgegen gewirkt werden durch die Aufstiegsgeschwindigkeit der Spülung, „Vp = Vm – Vs“ ist (s. Abb. H-2).
Abb. H-2: Zur Aufstiegsgeschwindigkeit der Spülung
H Spülung – Verrohrung – Zementation
Das bedeutet, dass die Aufstiegsgeschwindigkeit des Gesteinspartikels (Vp) gleich der mittleren Aufstiegsgeschwindigkeit der Spülung (Vm) minus der mittleren Sinkgeschwindigkeit des Teilchens (Vs) ist. Je höher also die Strömungsgeschwindigkeit im Ringraum ist, desto größer ist somit die Austragsfähigkeit der Spülung. Anderseits bedeutet das aber auch, dass kleinere Cuttingsteilchen eher ausgetragen werden als größere, und dass größere Teilchen wieder auf die Bohrlochsohle absinken und nachzerkleinert werden. Auch spielen hier die Strömungsquerschnitte eine nicht unerhebliche Rolle (Ringraum DC-Bohrloch bzw. DP -Bohrloch). Der Aufstiegsgeschwindigkeit der Spülung im Ringraum sind Grenzen gesetzt durch begrenzte Pumpenleistungen, große Bohrlochdurchmesser oder Auskesselungen, Dichte und Viskosität der Spülung und dadurch bedingte Ringraumdruckverluste, Erosionserscheinungen an der Bohrlochswand bei hohen Strömungsgeschwindigkeiten etc. Deshalb wird hier eine höhere Viskosität der Spülung und damit eine größere Tragfähigkeit gefordert, damit die entgegengerichteten Geschwindigkeitsparameter weniger bedeutungsvoll werden. Mit steigender Viskosität spielt die Aufstiegsgeschwindigkeit eine untergeordnete Rolle, da dann die Tragfähigkeit der Spülung den größeren Einflussfaktor darstellt. Laborversuche haben ergeben, dass Feststoffteilchen bei turbulenter Strömung kontinuierlich ausgetragen werden, während sie bei laminarer Strömung immer wieder absinken, so dass es keine definierte Austragsgeschwindigkeit für Cuttingsteilchen gibt. Das bedeutet, dass es durchaus möglich ist, dass später erbohrte Teilchen früher an die Oberfläche gelangen als solche, die höher im Bohrloch angestanden haben. Wird der Strang zusätzlich rotiert, so werden die Teilchen in der Nähe des Stranges davon positiv beeinflusst und verstärkt ausgetragen (Rühreffekt). Generell lässt sich sagen, dass die Strömung im Ringraum in den meisten Fällen bei normalen Tiefbohrungen laminar sein wird, weil der Fließquerschnitt zu groß ist für turbulente Strömung, wenngleich es wegen der Strangrotation und der exzentrischen Stellung des Stranges im Bohrloch zu erheblichen Störungen des Profils kommt, so dass sich das Strömungsprofil nur schwer definieren lässt. Viskosität und Dichte der Spülung beeinflussen die Austragsfähigkeit insofern, weil höhere Dichte und dadurch bedingt höhere Viskosität eine Verringerung der Sinkgeschwindigkeit bewirken, also einen höheren Trageffekt (Auftrieb) verursachen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Spülung im laminaren Fluss ist. Wenn also die Strömungsgeschwindigkeit limitiert ist, so bleibt vielfach nur noch eine Erhöhung der Dichte und damit der Viskosität (Zugabe von Bentonit oder Polymeren) übrig, wenn die Austragsfähigkeit gesteigert werden soll. Hier wird bereits der erste Widerspruch in den Anforderungen an eine Bohrspülung deutlich: Auf der Bohrlochsohle wird eine möglichst hohe Strömungsgeschwindigkeit und eine niedrige Viskosität gefordert, im Ringraum ist die mögliche Strömungsgeschwindigkeit durch andere Einflussgrößen bereits limitiert, die Viskosität soll aber entsprechend hoch sein. Dass diese Anforderungen tatsächlich von den meisten Spülungskonzepten erfüllt werden, liegt an dem Shear-Thinning Effekt, wonach die Viskosität eine Funktion des Schergefälles und damit (indirekt) der Strömungsgeschwindigkeit ist. Je langsamer die Spülung strömt, desto höher die Viskosität der Spülung und umgekehrt. Eine weitere, sehr wichtige Funktion und Aufgabe der Spülung ist, Feststoffe wie Cuttings, aber auch Beschwerungsstoffe, immer dann, wenn die Spülungszirkulation unterbrochen wird, in Schwebe zu halten und damit am Sedimentieren zu hindern. Ist das nicht möglich, so würde ein großer Bereich des Bohrloches zusedimentiert, es käme zum Einsedimentieren des Bohrwerkzeugs mit Fangarbeiten, und die zugeschüttete Strecke müsste erneut aufgebohrt werden. Das alles resultiert in erhöhtem Zeitaufwand, erhöhten Kosten und der Gefahr, Havarien wie festsitzende Bohrwerkzeuge zu bekommen. Erfahrungsgemäß verfestigen sich die sedimentier-
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1 Spülung
ten Cuttings innerhalb kürzester Zeit so stark, dass sie nicht einfach aufgespült, sondern regelrecht erneut gebohrt werden müssen. Und einsedimentierte Bohrwerkzeuge lassen sich weder Freispülen noch Freiziehen, sondern müssen abgeschossen und überbohrt oder anderweitig gefangen werden, was sehr aufwendig und kostspielig ist. Um inerte Feststoffe in Schwebe zu halten, muss die Spülung thixotrope Eigenschaften haben. Das bedeutet, dass sich die Flüssigkeit (Spülung) immer dann, wenn sie in Bewegung (Zirkulation) ist, wie eine Flüssigkeit verhält und pumpfähig ist, dass sie aber dann, wenn sie zum Stillstand kommt, ein Gel bildet. Diese Viskosität muss sehr hoch sein und eine so gute Tragfähigkeit haben, dass die Feststoffe nicht absinken können, also eine Sinkgeschwindigkeit von nahezu Null haben. Diese scheinbar widersprüchlichen Eigenschaften haben Tonsuspensionen dank des elektrochemischen Verhaltens der Tonpartikel. Man geht davon aus, dass Tonpartikel eine negative Flächen- und positive Kantenladung haben und generell blättchenförmig ausgebildet sind. Das bedeutet, dass sie sich wie Magnete verhalten und bestrebt sind, sich Kante-zu-Fläche, also Plus an Minus, anzulagern und so eine sog. Kartenhausstruktur zu bilden. Dieses Bestreben wird jedoch immer dann, wenn die Spülung in Bewegung ist, dadurch erschwert, dass sich die Teilchen durch den Fließvorgang in erhöhter Bewegung befinden und so die Bildung einer Struktur immer wieder verhindert wird, weil die äußeren Bewegungskräfte stärker sind als die elektrochemischen Kräfte, die die Anlagerung bewirken. Wird die Zirkulation unterbrochen, so geht die Bewegungsenergie zurück, die Teilchen kommen zur Ruhe und nähern sich dabei dem Einflussbereich der elektrochemischen Kräfte (wie Magnete, deren Magnetfelder sich durchstreifen), so dass ein Aneinanderlagern in Form einer Kartenhausstruktur möglich wird. Wird nun, durch erneute Aufnahme der Zirkulation, dem System wieder äußere Energie (Pumpendruck) zugeführt, und kommt die Spülung dadurch in Bewegung (Zirkulation), so werden die äußeren Kräfte wieder stärker als die elektrochemischen Bindungskräfte und die Gelstruktur wird gebrochen. Man spricht hier von der Gel-Sol-Umwandlung. Je höher die elektrochemischen Bindungskräfte sind, desto stabiler ist die Gelstruktur und desto größer ist die Fähigkeit dieser Struktur, Feststoffe zu umschließen und festzuhalten (wie in einem Spinnennetz). Man spricht hier von der Gelstärke. Im Betrieb wird man beobachten, dass nach längeren Stillstandszeiten die Spülung nach dem Einschalten der Pumpen zunächst sehr langsam und träge anfängt zu fließen, dann immer dünnflüssiger wird, bis sie schließlich die Fließcharakteristik bekommt, die sie aufgrund ihrer Viskosität und Dichte sowie ihrer Fließgeschwindigkeit bzw. Strömungsart typischerweise hat. Dieses Verhalten der Gel-Sol-Umwandlung mit zunehmender Fließgeschwindigkeit kann man sehr anschaulich einer typischen Fließkurve für Spülungen entnehmen. Bei Unterbrechung der Zirkulation wird jedoch eine gewisse Zeit benötigt, bis die Flüssigkeit zur Ruhe gekommen und sich die Gelstruktur aufgebaut hat, so dass es während dieser Zeit durchaus zu einer gewissen Sedimentation kommt. Es empfiehlt sich deshalb, vor dem Abschalten der Pumpen das Bohrwerkzeug einige Meter von Sohle zu fahren, um eine Bohrkleinsedimentation aus dem unteren Bohrlochabschnitt zu gestatten, ohne dabei den Meißel einzusedimentieren. Die thixotropen Eigenschaften einer Spülung lassen sich durch Zugabe von Feststoffen und/oder chemischen Zuschlagstoffen beeinflussen. Ist mehr Ton vorhanden, so werden auch mehr Bindungen eingegangen und das Gel wird stärker. Obwohl das thixotrope Verhalten typisch für blättchenförmige Spülungstone wie insbesondere Bentonit ist, zeigen auch die modernen feststofffreien Polymerspülungen in den meisten Fällen
H Spülung – Verrohrung – Zementation
ein bestimmtes thixotropes Verhalten und den Shear-Thinning-Effekt, so dass sie sich in dieser Beziehung analog zu den wasserbasischen Tonsuspensionen verhalten. Die aus dem Bohrloch ausgetragenen Cuttings müssen übertage abgeschieden werden, damit die Spülung ohne diese Stoffe wieder rezirkuliert werden kann. Auch hier spielt das Shear-ThinningVerhalten der Spülung eine entscheidende Rolle, da die Spülung in Feststoffkontrollgeräten wie Hydrozyklonen (Desander, Desilter) und Zentrifugen hohen Beschleunigungen und damit hohem Schergefälle ausgesetzt ist, was zu entsprechend niedrigen Viskositäten führt. Unterstützt wird der Abscheideprozess (Sedimentationsverhalten) dann noch durch die hohen Beschleunigungswerte (g-Werte), die auf die Feststoffe wirken (Schüttelsiebe bis 6 g, Zentrifugen bis 4000 g). Ungenügend von nicht erwünschten Feststoffen befreite Spülungen können eine ganze Reihe von Problemen verursachen. Hierzu zählen Stuck Pipe ebenso wie Spülungsverluste, Reduzierung des Bohrfortschritts oder erhöhter Verschleiß am Equipment wie Pumpen, Strang oder Meißeldüsen. Auch dickt die Spülung ein, da die nicht abgeschiedenen Feststoffe flüssige Phase aus der Spülung binden. Außerdem steigen Dichte und Viskosität der Spülung, was letztendlich dazu führt, dass flüssige Phase mit allen erforderlichen (teuren) Zuschlagstoffen zugegeben werden muss, was die Spülungskosten unnötig erhöht. Der von der Dichte der Spülung abhängige hydrostatische Druck muss immer etwa größer sein, als der zu erwartende Formationsporendruck bzw. der Lagerstättendruck. Dabei berechnet sich der hydrostatische Druck einer Flüssigkeitssäule wie folgt: Phyd =
Pm ⋅ Tv [bar] 10, 2
Hier ist Pm die Dichte der Flüssigkeit in kg/l und Tv die vertikale Teufe in m. Da jedoch der Bohrfortschritt mit steigendem Überdruck auf der Bohrlochsohle, also mit zunehmender Dichte der Spülung, sinkt, muss der hydrostatische Druck so gewählt werden, dass zwar ein gewisser Überdruck gegenüber dem zu erwartenden Formationsporendruck vorhanden ist, dass dieser jedoch nicht beliebig groß sein darf. In der Praxis hat sich ein Überdruck von etwa 7 – 10 bar (100 psi) als akzeptabel herausgestellt, wobei allerdings als Unsicherheit nach wie vor die Größe des Formationsporendruckes bestehen bleibt, da niemand mit Sicherheit den Absolutbetrag dieser Größe vorhersagen kann, sofern man sich nicht in einem bereits in Produktion stehenden Feld oder einem Untertagespeicher befindet. Ist letzteres der Fall, so kann man nahezu druckausgeglichen auf der Bohrlochsohle fahren (balanced pressure drilling), um so den Bohrfortschritt zu steigern. Die Bohrlochswand ist in den meisten Fällen recht instabil, insbesondere dann, wenn weiches Sediment ansteht. Hinzu kommt, dass kleine Klüfte und Geschiebeflächen mit dazu beitragen, dass das anstehende Gestein zum Abgleiten neigt. Tone hingegen sind sehr begierig, Wasser aufzunehmen und zu quellen, was die Vorstufe für den Nachfall und Auskesselungen ist. Um solche Instabilitäten zu vermeiden, ist der von einer Tonsuspension aufgebaute Filterkuchen hilfreich, der die Bohrlochswand abstützt und verkleidet und damit gleichzeitig dafür zu sorgt, dass Spülungs- oder Filtratverluste ebenso reduziert werden wie der Zufluss von Formationsinhalten in das Bohrloch. Durch den Differenzdruck zwischen dem hydrostatischen Druck der Spülungssäule und dem der Formationswässer wird an der Bohrlochswand ein Filtrationsprozess hervorgerufen. Je nach Porengröße und Permeabilität der Formation wird dann, wenn ein neuer Gesteinsbereich
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H
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H
1 Spülung
durch den Bohrprozess freigelegt wird, eine spontane und recht starke Filtration einsetzen (sog. spurt loss). Dabei wird zunächst selbst Spülung in die Formation eindringen, wenngleich dieser Strom durch die Filterwirkung des Gesteins recht bald und bohrlochsnah gestoppt werden wird. Es bildet sich der sog. inneren Filterkuchen. Durch die verbleibenden Fließwege kann dann aber nur noch Wasser oder flüssige Phase abfiltriert werden, die sog. Wasserverluste. Dadurch, dass die Spülung an der Bohrlochwand „wie ein Schwamm ausgequetscht“ wird, werden die Zwischenräume zwischen den Tonteilchen wasserfrei, stoßen aneinander, und legen sich blättchenförmig wie Dachziegel an die Bohrlochswand und bilden dabei eine abdichtende Schicht. Hat eine Spülung gutes Wasserbindevermögen, so bildet sich ein dünner Filterkuchen, der glatt und geschmeidig ausgebildet ist, so, wie er wünschenswert ist, weil dieser Filterkuchen keine Behinderung beim Bewegen des Bohrgestänges darstellt und den Fließquerschnitt für die aufsteigende Spülung nicht oder nur unwesentlich beeinflusst. Außerdem wird die Gefahr des Festwerdens des Stranges (besonders der Schwerstangen) durch Differenzdruck (differential sticking) reduziert. Allerdings bildet sich ein Filterkuchen nur dann aus, wenn eine poröspermeable Gesteinsschicht ansteht, da ansonsten keine Filterwirkung gegeben ist. Das bedeutet, dass sich in impermeablen Formationen wie z.B. Steinsalz auch kein Filterkuchen ausbilden kann. Der Filtrationsprozess findet sowohl statisch wie auch dynamisch statt, da der Filterkuchen durch die Strangbewegung im Bohrloch immer wieder abgetragen und neu gebildet wird. Eine weitere Aufgabe der Spülung ist es, die während des Bohrens auf der Bohrlochsohle entstehende Reibungswärme abzuführen, um ein Heißlaufen der Rollen bzw. ein „Verbrennen“ von Diamanten zu verhindern und damit die Standzeit der Bohrwerkzeuge zu erhöhen. Das erklärte Ziel einer Bohrung ist es, eine Lagerstätte zu erbohren, um deren Inhalt so optimal wie möglich zu fördern. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Spülung so konzipiert werden, dass möglichst wenig Filtrat in die Formation eindringt, um Quellungen und Beeinträchtigungen der Fließwege zu vermeiden, und dass sich kein Filterkuchen aus dem nicht säuerbaren Ton bildet, weil dieser sonst nicht mehr entfernt werden könnte und die Produktion zum Erliegen brächte. Aus diesem Grund ist eine tonbasische Spülung vor dem Anbohren des Trägers auf trägerschonende Spülung wie ölbasische Spülung oder kreidehaltige Spülung umzustellen, da Kreide säuerbar ist. Die idealste Lösung ist es, mit Unterdruck in einen Träger zu bohren, so dass dieser ständig produziert, da dann, wenn Lagerstätteninhalt in die Bohrung strömt, der umgekehrte Weg, das Eindringen von Bohrlochinhalt in den Träger, ausgeschlossen ist. Das ist die Philosophie des Underbalanced Drilling (UBD). Beim UBD wird beim Erbohren des Trägers mit Unterdruck gearbeitet, der entweder durch Einsatz von Spülungen mit einen niedrigeren hydrostatischen Druck als der Lagerstättendruck, oder durch z.B. Gasliften der aufsteigenden Spülung im Ringraum, oder durch Verwendung von Gasen oder Schaum als Spülungsmedium erzeugt wird. Das führt dazu, dass der Ausbeutefaktor von Lagerstätten von 30 – 40% auf über 60% gesteigert werden kann, und dass die Produktivität um das zwei- bis siebenfache, bei Lagerstätten mit natürlichen Fracs sogar um das 20 -30-fache, gesteigert werden kann.
1.3 Spülungsbestandteile Spülungsbestandteile sich je nach Spülungsart entweder Luft oder andere Gase (Stickstoff) bei gasförmigen Spülungen oder Wasser (Süßwasser oder Salzwasser bzw. Sole) oder Öle bzw.
H Spülung – Verrohrung – Zementation
Emulsionen sowie diverse Feststoffe wie Tone, Beschwerungsmittel (Schwerspat, Kreide) und sonstige Zuschlagstoffe wie Chemikalien oder Polymere. Die klassischen Bohrspülungen sind Tonsuspensionen, bestehend aus Süßwasser und speziellen Spülungstonen. Da diese Spülungen jedoch nicht resistent gegen Elektrolyte (Salze, Laugen) sind, werden sie durch Zugabe von Chemikalien wie Polymeren geschützt. Beim Bohren in Salzformationen werden salzwasserbasische Spülungen angesetzt, um einem Laugungseffekt im Bohrloch vorzubeugen, oder es wird auf ölbasische Spülungen umgestellt. Heute werden vielfach sog. feststofffreie Spülungen eingesetzt, die nur aus Wasser und Polymeren bestehen. Spülungstone sind im wesentlichen Bentonite. Das sind plättchenförmige Minerale, deren Elementarteilchen aus 3 Schichten bestehen, zwischen die Wassermoleküle eindringen können und den Ton so zum Quellen bringen. Ein solches Elementarteilchen hat eine Dicke von etwa 0,0009 mm und liegt in einer Spülung nicht als Einzelteilchen vor, sondern als Paket von etwa 1000 Teilchen, so dass das einzelne Tonteilchen in der Spülung eine Dicke von etwa 1 – 2 mm hat. Auch zwischen den Elementarteilchen lagern sich Wassermoleküle an, die einen Quelleffekt verursachen. Da die Quellung jedoch eine gewisse Zeit benötigt ist es wichtig, der Spülung nach dem Anmischen ausreichend Zeit zu geben, ehe mit dem Bohren begonnen wird. Ausnahme sind speziell präparierte Tone, wie sie in der oberflächennahen Horizontalbohrtechnik (HDD) eingesetzt werden, die durch Oberflächenvergrößerung und spezielle chemische Vorbehandlung ein schnelleres Quellvermögen aufweisen. Liegt der Ton in wässriger Lösung vor, so kommt es zur Anlagerung der Kationen (Na+, Ca++) an den Schichtflächen, wobei die Kationen der wässrigen Lösung entnommen werden. Dabei werden die Schichtflächen negativ aufgeladen, während die Kantenladung positiv ist. Das ist die Ursache dafür, dass es im Ruhezustand der Spülung zur Gelbildung kommt, indem sich negative Flächen und positive Kanten aneinanderlagern. Diese Gelbildung kommt jedoch solange nicht zustande, wie die Tonpartikel durch Einwirkung äußerer Kräfte (Pumpendruck, Fließbewegung) aneinander vorbei bewegt werden. Dabei ist die von außen aufgebrachte Energie größer ist als die elektrochemische Anziehungsenergie. Im Ruhezustand entfällt die äußere Energie, die Teilchen kommen zur Ruhe und unterliegen, wegen ihrer kolloidalen Größe (-2 mm) bereits der Brown'schen Molekularbewegung. Somit haben sie die Chance, sich soweit aufeinander zu bewegen, dass die elektromagnetischen Kräfte ihrer entgegengesetzten Ladung wirken können, was zur Anziehung der Teilchen und damit zum Aufbau der Gelstruktur führt. Während man bei Tonen auch von aktiven oder reaktiven Feststoffen spricht, da sie in einer flüssigen Phase quellen und durch ihre elektrochemischen Eigenschaften ein thixotropes Erscheinungsbild zeigen, werden solche Feststoffe, die lediglich oberflächenbenetzbar, sonst aber inaktiv sind, als inaktive Feststoffe bezeichnet. Und hier muss man unterscheiden zwischen den erwünschten oder nützlichen und den unerwünschten oder unnützen Feststoffen, wenngleich letztere in der Regel nicht als Spülungsbestandteile im eigentlichen Sinn zu bezeichnen sind, denn hierbei handelt es sich um erbohrtes Gestein (Cuttings), die nicht in eine Spülung gehören und somit entfernt werden müssen. Nützliche, inerte Feststoffe sind dagegen z.B. Beschwerungsstoffe wie Schwerspat (BaSO4), Kreide (CaCO3), Eisenkarbonat (FeCO3) und Hämatit (Fe203), die zur Steigerung der Dichte einer Spülung bewusst zugesetzt werden. Als flüssige Phase kommt in der Regel Wasser zum Einsatz, da wasserbasische Spülungen nach wie vor die billigsten Spülungen sind, die immer dann zum Einsatz kommen, wenn diese Phase keine Bohrlochschwierigkeiten erwarten lässt. Dabei ist, wie bereits ausgeführt, zu unterscheiden zwischen Süß- und Salzwasser bzw. Sole.
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H
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H
1 Spülung
Wasser wird für Spülungszwecke entweder aus eigenen Brunnen oder aus dem öffentlichen Wassernetz entnommen. Es ist preiswert zu beschaffen, überall verfügbar (mit Ausnahme von Wüstenregionen), in reiner Form nicht umweltgefährdend und nicht toxisch oder sonst wie gesundheitsgefährdend. Ergeben sich bohrtechnische Probleme, oder sind solche zu erwarten, so wird, sofern das Süßwasser diese Probleme nicht beheben kann oder gar verursacht, entweder auf Salzwasser oder auf 0I umgestellt. Öl hat den Vorteil, inert gegenüber Laugung von Salzen sowie dem Quellen von Tonen und auch trägerschonend zu sein. Allerdings ist Öl nicht umweltfreundlich, grundwassergefährdend und teilweise gesundheitsgefährdend, sofern es sich um Mineralöle handelt. Aus diesem Grunde hat auch hier in den letzten Jahren eine Umstellung stattgefunden, indem statt der Mineralöle biologische Öle, Esther, künftig auch Äther bzw. Alkohole Verwendung finden. Das Umstellen von Süß- auf Salzwasser bei anstehenden Salzformationen ist jedoch auch nur dann Erfolg versprechend, wenn das zu er-bohrende Salz überwiegend aus einem Salzmineral besteht, da es bei Mischsalzen, die häufig angetroffen werden, durch Ionenaustausch entsprechend der elektrochemischen Spannungsreihe selbst bei entsprechender Aufsalzung des Wassers zu Laugungen kommen kann, da die einzelnen Ionen sich gegenseitig aus der flüssigen Phase verdrängen, so dass letztlich doch untersättigte Lösungen vorliegen. Der dritte, wesentliche Bestandteil von Spülungen sind die Polymere. Polymere (poly = viele [gr.], meros = Teile [gn]) sind Moleküle, sog. Monomere, die sich mit sich selbst zu langen Kettenmolekülen verbinden können und somit Makromoleküle bilden. Polymere sind praktisch in allen aufbereiteten Spülungen in mehr oder weniger starker Konzentration zwecks Regulierung der Fließeigenschaften der Spülungen enthalten. Polymere haben viele freie Valenzen, an denen sich freie Ionen anlagern können, wodurch z.B. freies Wasser in der Spülung gebunden und damit die Viskosität der Spülung bewusst erhöht werden kann. Zum anderen bewirken sie, dass solche Valenzen der Tonpartikel abgesättigt werden, an denen sich Elektrolyte anlagern können, die dann zur Koagulation der Tonteilchen und damit zu deren Ausflocken führen würden, was die Stabilität der Spülung beeinträchtigen würde. Aus diesem Grunde sind Polymere nicht nur zur Viskositätssteigerung, sondern auch als Schutzkolloide gegen schädliche Elektrolyteinflüsse z.B. beim Durchteufen von Salzformationen oder bei Laugenzuflüssen zu verwenden. Man unterscheidet zwischen nativen, halbsynthetischen oder chemisch modifizierten und vollsynthetischen Polymeren:
H Spülung – Verrohrung – Zementation
465
Tab. 1-H: Die verschiedenen Polymere
H
Native Polymere sind sehr temperaturempfindlich. Guar Gum kann bis ca. 90°C, Stärke und XC-Polymer bis ca. 120°C eingesetzt werden. Bei höheren Temperaturen verlieren die Polymere ihre viskositätssteigernden Eigenschaften und werden in sehr korrosive Produkte umgewandelt (sog. De-Polymerisation), eine Umwandlung, die irreversibel ist, da die Polymere zerbrochen werden. Der Vorteil dieser Polymere ist, dass sie ungiftig und voll biologisch abbaubar sind. Die halbsynthetischen Polymere werden sowohl als Schutzkolloide und zur Viskositätssteigerung in wasserbasischen Spülungen verwendet, können aber auch in feststofffreien Polymerspülungen direkt verwendet werden. Das bekannteste Produkt dieser Reihe ist die Carboxylmethylcellulose (CMC), die bereits seit Jahrzehnten mit großem Erfolg in der Spülungstechnik eingesetzt wird. Die Temperaturbeständigkeit dieser Produkte geht bis in den Bereich von etwa 140 – 160°C. Synthetische Polymere sind bis etwa 250°C thermostabil und lassen sich mit sehr hohem Polymerisationsgrad herstellen. Sie haben gute pseudoplastische Eigenschaften und ein gutes Shear-Thinning-Verhalen. Das bekannteste Produkt dieser Reihe ist das Polyacrylamid. Sonstige Zuschlagstoffe Es gibt eine Reihe von Zuschlagstoffen (Additive), die neben Ton und Polymeren einer Spülung zugesetzt werden können, um ihr bestimmte Eigenschaften zu verleihen bzw. um bestimmte Wirkungen zu erzielen. Hierzu zählen u.a.: • Beschwerungsmittel • viskositätsregulierende Stoffe • oberflächenaktive Stoffe • Verstopfungsmittel • pH Wert regulierende Stoffe
466
H
1 Spülung
Beschwerungsmittel sind Schwerspat, Kreide, Hämatit u.a., die die Dichte der Spülung erhöhen, um einen höheren hydrostatischen Druck im Bohrloch zu erzeugen. Bei der Auswahl eines geeigneten Beschwerungsstoffes sind dessen Dichte, die Korngrößenverteilung und seine Verunreinigungen zu berücksichtigen. Die optimale Korngröße liegt nach API im Bereich zwischen 5 mm und 70 mm, wobei nur 5% größer 44 mm sein sollen und das Korngrößenmaximum zwischen 10 und 30 mm liegen sollte. Die in der Bohrtechnik verwendeten Beschwerungsstoffe haben folgende Dichten: • Schwerspat BaSO4 4,2 – 4,4 kg/dm3 • Kreide CaCO3 2,6 – 2,7 kg/dm3 • Eisenkarbonat FeCO3 3,8 kg/dm3 • Hämatit Fe203 5,2 kg/dm3 Viskositätsregulierende Stoffe sind die bereits besprochenen Polymere, um der Spülung eine höhere Viskosität zu geben, aber auch Verflüssiger wie Phosphate, Tannate, Huminate, Lignosulfonate. Dabei handelt es sich um Elektrolyte, die zudosiert werden, um z.B. Feinstfeststoffe zum Koagulieren und damit zum Ausflocken zu bringen, so dass der Feinstfeststoffgehalt reduziert wird und die Spülung nicht eindickt. Oberflächenaktive Stoffe sind im wesentlichen Tenside, also organische Verbindungen, deren Haupteigenschaft darin besteht, die Oberflächen- bzw. Grenzflächenspannungen von Flüssigkeiten herabzusetzen. Dadurch kommt es zu einer besseren Benetzung, Emulgier- und Dispergierbarkeit. Hierzu zählen auch Entschäumer sowie Schäumer für belüftete oder Schaumspülungen, Emulgatoren für Ölspülungen, Desemulgatoren und Netzmittel, die den Filterkuchen ölbenetzbar machen sollen (bei Stuck Pipe Problemen). Verstopfungsmittel werden immer dann eingesetzt, wenn Spülungsverluste zu bekämpfen sind. Hierzu zählen Zellstoffschnitzel, Hobelspäne, Glimmer, Holzfasern, Asphalt, Perlite, Trass o. Ä. Der pH Wert einer Spülung sollte möglichst hoch sein (> 10), um Korrosion, insbesondere H2S-Korrosion an Strang und Verrohrung zu vermeiden. Außerdem ist die Aufnahmekapazität der Spülung für Feststoffe im stark basischen Bereich größer, wie nachstehendes Beispiel zeigt: Bei einer Spülungsdichte von 1,92 kg/I ist die Aufnahme folgender Feststoffanteile möglich: pH 9,5 36 % Feststoffe pH 12,0 40 % Feststoffe. Auch nimmt die Temperaturstabilität von Polymeren bei hohen pH Werten zu. Nachteilig ist, dass der pH Wert in der Regel mittels Natriumhydroxyd (NaOH) = Ätznatron, einem sehr teueren, aggressiven und giftigen Stoff, reguliert werden muss. Weitere pH Regulatoren sind Natriumkarbonat (NaCO3) = Soda sowie Kalziumhydroxyd (Ca(OH)2) = gelöschter Kalk.
1.4 Fließverhalten von Bohrspülungen u. Bohrlochhydraulik Eine Bohrspülung ist eine Suspension, d.h. eine Aufschwemmung feinster Feststoffteilchen mit einer Korngröße von 2 – ca. 40 mm in Wasser. Das Charakteristikum einer Suspension ist, dass sie sich mit Hilfe eines Filters in eine flüssige und eine feste Phase trennen lässt. Die Tonpartikel sind in der flüssigen Phase dispergiert (lat. = zerstreut, verbreitet) und können sich frei darin bewegen. Solche Systeme haben das Bestreben, sich bei Wärmezufuhr wie auch
H Spülung – Verrohrung – Zementation
467
bei Steigerung des Elektrolytgehaltes in die beiden Phasen fest und flüssig zu trennen und somit ihre Stabilität zu verlieren. Bezüglich ihres rheologischen Verhaltens zählen Suspensionen zu den nicht-newtonschen Flüssigkeiten, also zu solchen Flüssigkeiten, deren Fließverhalten sich nicht durch das Newton'sche Gesetz beschreiben lässt. Man unterscheidet generell folgende Arten von Flüssigkeiten, bezogen auf ihre Rheologie: • Newton'sche Flüssigkeiten • pseudoplastische Flüssigkeiten • dilatante Flüssigkeiten. Newton‘sche Flüssigkeiten (Wasser, Öle ...) haben als Fließkurve eine Gerade durch den Koordinatenursprung gemäß der Gleichung t = m · D, wobei m die Viskosität oder die Steigung der Geraden ist. Das bedeutet, dass newton‘sche Flüssigkeiten eine von der Strömungsgeschwindigkeit unabhängige Viskosität haben, die als Materialkonstante angesehen werden kann. Das Fließverhalten von nicht-newtonschen Flüssigkeiten lässt sich nur durch Aufnahme einer Fließkurve mit einem Viskosimeter beschreiben. Generell wird in einer Fließkurve die Schubspannung (shear stress) t in dPa über dem Schergefälle (shear rate) D (angelsächsisches System: g) in s-1 aufgetragen. Für Bohrspülungen wurde festgelegt, die Fließkurve mit einem Rotationsviskosimeter aufzunehmen, wobei der Rotor mit 600, 300, 200, 100, 6 und 3 min-1 gedreht wird. Diese Drehzahlen entsprechen den in der Abbildung dargestellten Schergefällen. Die Fließkurve geht im Bereich zwischen 300 und 600 mini in eine Gerade über. Die Steigung dieser Geraden ist ein Maß für sie sog. plastische Viskosität (PV). Sie ist die niedrigstmögliche Viskosität der Spülung. Da die Steigung der Kurve die Viskosität repräsentiert wird aber auch klar, dass eine Spülung im niedrigen Schergefällebereich, also bei niedrigen Strömungsgeschwindigkeiten
Abb. H-3: Fließkurve
oder niedrigen Volumenstromraten eine hohe Viskosität hat, die sich mit zunehmender Strömungsgeschwindigkeit verringert, bis die plastische Viskosität erreicht wird. Das wiederum bedeutet, dass eine Spülung auf der Bohrlochsohle nach Austritt aus den Meißeldüsen (v = 120 – 150 m/s) plastische Viskosität hat, also sehr dünnflüssig ist, während Sie beim Aufsteigen im Ringraum (v = 0,3 – 0,9 m/s) zäher wird und bei Pumpenstopp geliert mit einer nahezu unendlich hohen Viskosität, was die Tragfähigkeit oder Thixotropie der Spülung ergibt. Nun ist aber eine solche Kurve rechnerisch nicht zu erfassen wie eine Gerade, so dass man zu Modellberechnungen finden musste. Der Realität am nächsten kommt dabei das modifizierte Power-Law-Verfahren nach Herschel-Bulkley, dem die folgende Gleichung zugrunde liegt:
H
468
1 Spülung
τ = τ0 + k · D n
H
Hierin sind: k = Konsistenzfaktor n = Exponent τ0 = Fließgrenze Der Konsistenzfaktor k beschreibt die Dicke der Flüssigkeit und ist vergleichbar der scheinbaren Viskosität. Der Exponent n beschreibt das Fließverhalten der Flüssigkeit und gibt den Grad des nicht-newton'schen Verhaltens der Flüssigkeit an. Ist n = 1, so ist die Power-LawGleichung identisch der newton’schen Gleichung, so dass dann newton’sche Flüssigkeiten mit dieser Gleichung berechnet werden können. Liegt n zwischen 0 und 1, so wird eine pseudoplastische Flüssigkeit beschrieben mit Verdünnungseffekt bei steigendem Schergefälle (sherthinning effect). Vielfach wird vereinfachend auch noch mit der Bingham'schen Geraden gearbeitet, indem man nur die Steigung der Geraden zwischen 600 und 300 min-1 des Rotationsviskosimeters ermittelt und diese Gerade dann nach links bis zur t-Achse verlängert. Der Schnittpunkt mit der t-Achse wird als Bingham'sche Fließgrenze oder Yield Point (YP) bezeichnet. Moderne Spülungen lassen sich mit dieser Modellvorstellung allerdings nicht mehr berechnen, da die hydraulischen Verhältnisse in einer Bohrung damit nicht erfasst werden können. Heutzutage wird mit der aus der Fließkurve zu entnehmenden echten Fließgrenze gerechnet, weil diese für eine Reihe von Spezialspülungen wie beispielsweise die Formiate von sehr großer Bedeutung ist, um die Tragfähigkeit von Spülungen im Stillstand insbesondere bei Horizontalbohrungen beurteilen zu können. Bezüglich der Bohrlochhydraulik legt man in der Regel die Methode der maximalen hydraulischen Meißelleistung (max. bit hydraulic horsepower method) zugrunde, die näherungsweise besagt, dass etwa Ҁ des vorhandenen (Pumpen)Druckes in den Meißeldüsen abgebaut und ѿ als Zirkulationsdruckverluste im gesamten Zirkulationssystem verbraucht werden sollten. Um nun die Querschnitte der Meißeldüsen optimal ermitteln zu können ist es erforderlich, die Zirkulationsdruckverluste im Bohrstrang und in den Ringräumen unterschiedlichen Querschnitts möglichst exakt zu ermitteln, was wegen der vielen Einflussfaktoren wie Bohrlochdurchmesser, Wandrauhigkeit, Viskosität der Spülung bei unterschiedlichen Strömungsgeschwindigkeiten etc. äußerst kompliziert und rechnerisch nur sehr aufwendig zu ermitteln ist. Deshalb bleiben solche Berechnungen den einschlägigen Servicegesellschaften vorbehalten, die hier auch viele Erfahrungen und Vergleichswerte mit einfließen lassen.
1.5 Spülungsuntersuchungen Bohrspülungen werden den Anforderungen eines Bohrlochabschnittes entsprechend konzipiert, wobei man allerdings teilweise einen Kompromiss eingehen muss, da keine Spülung allen Anforderungen uneingeschränkt gerecht wird. Hat man sich jedoch auf bestimmte Spülungsparameter wie Dichte, Viskositäten, Wasserverluste und Zuschlagstoffe für sonstige Eigenschaften der Spülung verständigt, so sollte die Spülung diese Eigenschaften auch für den gesamten Bohrungsabschnitt beibehalten, für den sie konzipiert wurde. Das wäre theoretisch auch der Fall, wenn die Spülung unter Laborbedingungen durch ein Rohrleitungssystem zirkuliert werden würde. Bei der Zirkulation durch eine Bohrung ist die Spülung jedoch vielfältigen Einflüssen wie Temperaturänderungen, Zuflüssen von Flüssigkeiten und Gasen aus den durchteuften Forma-
H Spülung – Verrohrung – Zementation
469
tionen und der Aufnahme der erbohrten Feststoffe ausgesetzt, die die Spülungsparameter nachhaltig beeinflussen und damit das geplante Spülungskonzept nachhaltig stören können. Elektrolytzuflüssen (Laugen, erbohrtes Salz) lassen den Ton ausflocken. Gase reduzieren die Dichte der Spülung. Cuttings, insbesondere Feinstfeststoffe, die sich bei der Feststoffkontrolle nicht entfernen lassen, erhöhen die Dichte und führen durch vermehrte Wasserbindung zum Eindicken der Spülung usw. Das alles führt dazu, dass eine Spülung in regelmäßigen Abständen zu kontrollieren und ggfs. zu konditionieren ist. Letzteres bedeutet, dass der Spülung Flüssigkeiten, Feststoffe oder Zuschlagstoffe zugegeben werden müssen, die die vorgegebenen Spülungsparameter erhalten bzw. wieder herstellen. Die gegenüber den Labortests etwas vereinfachten Feldtests oder die Kurzanalyse umfasst nach W.E.G. und API folgende Untersuchungen: • Dichte • Viskosität (Auslaufzeiten) • Wasserabgabe, Wasserverlust, Filterkuchen • pH Wert • Temperatur
H
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1 Spülung
Tab. 2-H: Spülungsparameter und Messverfahren Bestimmung
Kurzzeichen Einheit
Messverfahren
Dichte
δ
kg/I
Hydrometer Spülungswaage
+
o
Auslaufzeit
az
s
MARSH-Trichter
+
o
Restauslaufzeit
raz
s
MARSH-Trichter
+
o
Austrittstemperatur
ϑ
°C
Thermometer
+
o
Wasserabgabezeit
waz
s
Ringapparat
+
o
ml
Filterpresse
+
o
Wasserverlust
H
Filterkuchendicke
fk
mm
Dickenmessgerät Schublehre
+
o
pH-Wert des Presswassers und der Spülung
pH
–
pH – Meter Indikatorstäbchen
+
O
Sandgehalt
sd
Vol%
Sand-Content-Set
Salzgehalt (NaCI)
sz
g/I
Titration
Sulfatgehalt
sulf
Kg/l
Titration
Alkalität im Filtrat
pf
ml
Titration
Alkalität in der Spülung
pm
ml
Titration
Calziumgehalt im Filtrat
caf
g/I
Titration
Calziumgehalt in der Spülung
cam
g/I
Titration
Gesamthärte des Filtrats
hf
°dH
Titration
Magnesiumgehalt im Filtrat
mgf
g/1
Titration
Dichte ohne Gas
w
kg/I
nach Entgasung Messung
Scheinbare Viskosität
sv
mPa.s
Rotations-Viskosimeter
P Titration plastische Viskosität
pv
mPa.s
Rotations-Viskosimeter
10-s Gelstärke
gst1
dPa
Rotations-Viskosimeter
10-min Gelstärke
gst2
dPa
Rotations-Viskosimeter
Thixotropie
tix
dPa
Rotations-Viskosimeter
Binghamsche Fließgrenze
übing
dPa
Rotations-Viskosimeter
dPa
Rotations-Viskosimeter
Vol%
Fann-Ministill
Volt
Emuls.Stability-Tester
–
Titration
Fließkurven Filterkuchentextur
fkt
Feststoffgehalt der
qualitativ optisch
o
o
Spülung Emulsionsstabilität Chloridgehalt im Filtrat
g/I
Bemerkungen zur Tabelle: + Kurzanalyse nach WEG – O Sollten auch bei Bohrungen außerhalb des Erdöl/Erdgas-Bereiches durchgeführt werden. Die Dichte wird mittels der Spülungswaage oder dem Hydrometer gemessen.
H Spülung – Verrohrung – Zementation
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1 Messgefäß, 2 Messgefäßdeckel, 3 Libelle, 4 Reiter, 5 Dichtungsring, 6 Verschluss-Schraube, 7 Messgerätefuß, 8 Stütze, 9 Balancearm, 10 Eichschraube Abb. H-4: Hydrometer (links) und Spülungswaage (rechts)
Die Viskosität einer Spülung kann nur mittels eines Rotationsviskosimeters (FANN V-G oder BAROID mit variablen Geschwindigkeiten) exakt ermittelt werden. Das Gerät besitzt einen Elektromotor, der einen Rotor in Bewegung setzt, und ein Getriebe, das die Einstellung verschiedener Geschwindigkeiten gestattet. Fest eingestellt sind in der Regel die Geschwindigkeiten (in min-1) von: 600 300 200 100 6 3. Konzentrisch im Rotor befindet sich ein Vollzylinder, der sog. Bob, der über eine Torsionsstange mit dem oberen Gehäuseteil verbunden ist. Die Stange ist wiederum an einer Spiralfeder befestigt. Zwischen Rotor und Bob befindet sich ein genormter Ringspalt. Werden nun Rotor und Bob in ein Gefäß mit Spülung getaucht und der Rotor in Bewegung gesetzt, so überträgt er eine Kraft auf die sich im Ringspalt befindliche Spülung, diese wird geschert, überträgt aber letztendlich eine Teilkraft auf den Bob, der in die Feder gedreht wird. Eine Skala an Gerät zeigt den Betrag an, um den der Bob aus der Ruhestellung ausgelenkt wird. Dieser Skalenwert wird abgelesen und der jeweiligen Drehzahl zugeordnet. Die Drehzahl in min-1 multipliziert mit 1,7023 ergibt das Schergefälle in s-1. Die Schubspannung ergibt sich, indem der Skalenausschlag mit der Federkonstanten (in der Regel 5,11) multipliziert wird. Der Spülungsbehälter fasst 350 cm' der zu untersuchenden Spülung. Der MARSH-Trichter wird heute nur noch zu Vergleichsmessungen herangezogen, da die Ergebnisse in der modernen Spülungstechnik nicht aussagekräftig genug sind. Der Trichter hat ein Fassungsvermögen von 1000 cm.
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1 Spülung
Abb. H-5: Links: Rotationsviskosimeter – Mitte: Marsh-Trichter – rechts: Filterpresse
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Es wird nun die Auslaufzeit von 500 cm' gemessen und die Restauslaufzeit des verbleibenden Trichterinhalts. Generell sollte die Auslaufzeit für eine Spülung mit guten rheologischen Eigenschaften bei 40 – 70 s liegen. Die Restauslaufzeit kann bis zu ¥ betragen. Hohe Restauslaufzeit ist mit hoher Thixotropie gleichzusetzen. Die Restauslaufzeit ist wegen der zwischenzeitlich einsetzenden Gelbildung immer höher als die Auslaufzeit. Geeicht wird der Trichter mit Wasser von 20° C, wobei die Auslaufzeit von 1.000 cm' Wasser 28 ± 0,5 Sekunden betragen soll. Die Wasserabgabezeit, die ein Maß für die Wasserbindefähigkeit der Spülung ist, wird mit dem Ringapparat gemessen, die Filtrationseigenschaften sowie die Konsistenz des Filterkuchens werden mit der Filterpresse ermittelt. Die Filterpresse besteht aus einem Zylinder mit Deckel und Bodenplatte, in der sich ein Auslaufröhrchen befindet. Oberhalb der Bodenplatte ist ein Drahtgittersieb, auf das ein Filterpapier aufgelegt wird. Dann wird die Spülung eingefüllt und der Deckel aufgesetzt. Das gesamte Instrument wird in eine Spannvorrichtung eingespannt. Anschließend wird über den Deckel Luftdruck auf die Presse gegeben. Dieser beträgt 100 psi ± 5 psi (etwa 7 bar ± 0,35 bar). Die Füllmenge der Kammer beträgt 500 cm3. Die Testtemperatur sollte ca. 20° C betragen. Unter das Auslaufröhrchen wird ein Messzylinder gestellt, in dem das abgepresste Wasser (flüssige Phase der Spülung) aufgefangen wird. Die Kammer bleibt 30 Minuten unter Druck stehen. Anschließend wird sie druckentlastet und geöffnet. pH-Wert und Temperatur werden mit pH-Metern oder pH-Papier und die Temperatur mittels eines Thermometers ermittelt. Manchmal ist es auch wichtig, den Sandgehalt mittels eines speziellen Messzylinders zu ermitteln, um den Verschleiß von Pumpen, Gestänge etc. zu reduzieren.
H Spülung – Verrohrung – Zementation
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2 Verrohrung (Futterrohre, Casing) 2.1 Bohrlochkonstruktion Bei der Aufstellung eines Bohr- und Verrohrungsschemas (Bohrlochkonstruktion) geht man i.a. von unten nach oben vor, wobei der Zweck der Bohrung eine entscheidende Rolle spielt. Bei einer KWSt-Bohrung (Erdöl, Gas)wird meistens davon ausgegangen, dass die Lagerstätte mit einem Bohrlochdurchmesser von 8 VZ (8 3/8") durchörtert wird, so dass dieser Bohrlochbereich mit einer 7" Rohrtour (oder 7" Liner) verrohrt werden kann. In besonderen Fällen können auch 5" Liner in 6" bzw. 5 7/8" Bohrlöcher eingebaut werden. Slimhole-Bohrungen (Produktions-Bohrungen) haben dagegen das Ziel, im Lagerstättenbereich nur mit Durchmessern zwischen 1" und 5" anzukommen, und bei Kavernen- oder Deponiebohrungen sind wiederum wesentlich größere Enddurchmesser erforderlich, die von der Solrate und damit der Solstrangkombination bei Salzkavernenbohrungen, von der Förder- und Einlagerungsrate des Speichergutes oder dem Durchmesser des Deponiegutes abhängen. Beginnend mit dem Enddurchmesser wird dann nach oben gegangen, wobei entsprechend der Standard-Bohrlochkonstruktionen für jede als erforderlich angesehene Rohrabsetzteufe eine größere Rohrtour eingeplant wird, bis schließlich die oberste Rohrtour bezüglich ihres Durchmessers ermittelt ist. Der für den jeweiligen Verrohrungsabschnitt erforderliche Bohrlochdurchmesser wird von den Clearance-Verhältnissen bestimmt, das ist die Dimensionierung des Ringspaltes zwischen Verrohrung und Bohrloch. Eine gängige Bohrlochkonstruktion hat folgende Durchmesserabstimmungen:
Abb. H-6: Beispiel für eine Verrohung (unmaßstäblich)
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2 Verrohrung (Futterrohre, Casing)
Tab. 3-H: Verrohrungsbezeichnungen und Daten Verrohrungsbezeichnung Standrohr Ankerrohrtour Zwischenrohrtour Zwischenrohrtour Produktionsrohrtour Liner
Bohrlochdurchmesser (Zoll) 24 (23) 17.½ 12.1/4 8.(8.Ǫ) 5.Ǭ (6)
Rohrdurchmesser (Zoll) 30 – 36 18.ǫ (20) 13.Ǫ (14) 9.ǫ 7 (6.ǫ) 5 (4½)
Die Werte in Klammern geben insbesondere bei kleineren Durchmessern an, welche Größen möglich sind, sofern die Rohrwandstärken bzw. Muffendurchmesser noch ausreichende Clearance gestatten. Hier kann nur eine exakte Berechnung Klarheit schaffen.
2.2 Arten von Rohrtouren (Casing String)
H Bei den Futterrohren unterscheidet man folgende Rohrtouren-Arten: Das Standrohr Das Standrohr soll das Einbrechen der im oberen Bereich anstehenden Verwitterungsschichten ebenso verhindern wie ein Unterspülen der Bohranlagenfundamente bei der Spülungszirkulation. Es muss deshalb in eine abdichtende Formation eingebracht und in die Kellerschachtsohle einzementiert werden. Das Standrohr wird, soweit es die Bodenverhältnisse zulassen, bis in eine Teufe von 15 – 50 m in das Erdreich gerammt. Bei besonderen Bedingungen kann es auch in ein zuvor erstelltes Bohrloch, z.B. bis in größere Teufen eingelassen und bis zutage zementiert werden. Der Durchmesser des Standrohres liegt je nach Durchmesser des oberen Bohrlochabschnittes zwischen etwa 20" und 36", die Wandstärke liegt bei etwa 10 – 20 mm. Als Material wird meistens St 37 verwendet. Besteht das Standrohr aus einzelnen Rohrschüssen, so werden diese miteinander verschweißt. Die Ankerrohrtour Die Ankerrohrtour dient zur Lastaufnahme der nachfolgenden Rohrfahrten und der Steigrohre, dem Schutz von Trinkwasserhorizonten und der Vermeidung von Spülungsverlusten. Außerdem wird auf die Ankerrohrtour die Blowout-Preventeranlage montiert. Diese muss aus zwei unabhängig voneinander und nach unterschiedlichen Prinzipien arbeitenden Verschlusseinrichtungen bestehen. Eingesetzt werden deshalb Preventeranlagen, die mindestens aus einem Universal- oder Ringpreventer und einem Backenpreventerpaar für den Ringraum- und den Totalabschluss bestehen. In der Regel werden allerdings mehrere Backenpreventer eingesetzt, um beim Totpumpen einer Bohrung flexibler zu sein. Die Preventer werden hydraulisch betätigt. Hierfür steht eine Druckspeicheranlage zur Verfügung, die so ausgelegt ist, dass die Preventer aus den unter Druck stehenden Akkumulatorflaschen ohne Zuschalten einer Pumpe geschlossen werden können. Die Einbauteufe dieser Rohrtour ist so zu wählen, dass sie beim Weiterbohren den möglicherweise zu erwartenden Lagerstättendrücken auch geschlossenem Preventer standhält. Sie variiert zwischen einigen hundert Metern bis zu tausend Metern Teufe. Die Durchmesser der Ankerrohrtour liegen meist zwischen etwa 13 Ǫ" und 18 ǫ". Ihre Wandstärke hängt von der Einbauteufe und den erwarteten Drücken ab.
H Spülung – Verrohrung – Zementation
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Die Montage der Preventeranlage erfolgt auf dem Bodenflansch (Casing, head), der später die gesamte Verflanschung aufnimmt. Diese besteht aus den Doppelflanschen (Casing Head Spool), in die jeweils die eingebauten Rohrtouren mittels eines Casing Hangers (Keilsystem mit Dichtungen) abgehängt werden. Jeder Doppelflansch hat vom unteren zum oberen Flansch eine Durchmesserreduzierung. Im letzten Flansch wird schließlich der Steigrohrstrang abgehängt und das Eruptionskreuz aufgesetzt.
Abb. H-7: Beispiel für einen Preventer
Die Zwischenrohrtouren Zum Einbau von Zwischenrohrtouren oder technischen Rohrtouren kommt es nur dann, wenn zwischen den Einbauteufen von Ankerrohrtour und Produktionsrohrtour ein sehr großer Abstand besteht, bzw. wenn bestimmte Horizonte isoliert werden müssen („hinter die Rohre gebracht werden sollen“), oder wenn besondere bohrtechnische Gesichtspunkte zum Einbau einer Rohrtour zwingen. Länge und Durchmesser von Zwischenrohrtouren können sehr verschieden sein. Die Durchmesser liegen i.a. im Bereich zwischen 9 5/8" und 18 5/8". Die Wandstärken richten sich wiederum nach den zu erwartenden Drücken. Die Produktionsrohrtour Die Produktionsrohrtour (Förderrohrtour, Endverrohrung) wird nach dem Durchbohren der Lagerstätte oder unmittelbar davor eingebracht. Sie soll die Speicherschichten gegeneinander und gegen das Deckgebirge isolieren, eine Verbindung zwischen Lagerstätte und Tagesoberfläche herstellen und die Steigrohre sowie die sonstigen Produktionseinrichtungen aufnehmen. Da die Produktionsrohrtour den größten Belastungen ausgesetzt ist und entsprechend ausgelegt werden muss, und da sie – als Tagestour – die längste Rohrtour ist, ist sie meistens auch die teuerste Rohrtour in einer Bohrung. Deshalb gehen ihrem Einbau meistens ausgedehnte Lagerstättenuntersuchungen voraus, die klären sollen, ob die Produktivität der Lagerstätte überhaupt gegeben ist und sich somit der Einbau der Rohrtour lohnt. Der Liner In vielen Fällen wird die Produktionsrohrtour nicht bis zutage eingebaut, sondern in der vorhergehenden Rohrtour abgehängt. Eine solche Rohrtour bezeichnet man als Liner. Gelegentlich erfordern auch Schwierigkeiten im Bohrloch den Einbau eines Liners als Zwischenrohrtour. Manchmal kommt es zum Einbau von zwei Linern. Wird ein Liner im Förderhorizont eingebaut, dann muss die darüber befindliche Rohrtour als Produktionsrohrtour berechnet. Der Liner wird am Bohrgestänge eingebaut und mittels eines Liner-Hangers abgesetzt. Die Überdeckung zwischen vorhergehender Rohrtour und Liner beträgt zwischen 30 und 150 m. Liner-Hanger sind, um Undichtigkeiten vorzubeugen, vielfach mit einem Packer kombiniert. Sie können mechanisch oder hydraulisch gesetzt werden. Außerdem besteht die Mög-
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2 Verrohrung (Futterrohre, Casing)
lichkeit, bei Einsatz eines speziellen Hangers, den Liner bis zutage zu verlängern und somit eine vollwertige Produktionsrohrtour zu schaffen (Tie Back System). Die Durchmesser der Liner liegen zwischen 4" und 7". Futterrohre werden – für einen bestimmten Außendurchmesser – in mehreren Wandstärken, Stahlgütestufen und Verbinderarten hergestellt. Die Normung erfolgt nach den APISpecifications 5CT. Die Fertigung des Rohres selbst kann nach API nahtlos durch Warmverformung erfolgen oder durch Längsnahtschweißung. Die Rohre werden nach Fertigstellung einem umfangreichen Testprogramm unterzogen. Entsprechend ihren Fertigungseigenschaften werden die Rohre in bestimmte Gütestufen eingeteilt. Für Futterrohre sind das: Tab. 4-H: Gütestufen für Futterrohre Gütestufe
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J-55 K-55 C-75 N-80/L-80 C-95 P-110 Q-125
Mindeststreckgrenze psi N/mm2 55 000 380 55 000 380 75 000 515 80 000 550 95 000 655 110 000 760 125 000 860
Zugfestigkeit psi N/m m2 75 000 520 95 000 660 95 000 690 100 000 690 105 000 720 125 000 860 135 000 930
Die Rohre werden nach Fertigung durch aufgeschlagene Markierungen und Farbmarkierungen gekennzeichnet, so dass die wichtigsten Merkmale der Rohre jederzeit festzustellen sind und Verwechselungen ausgeschlossen werden.
2.3 Futterrohrverbinder Futterrohre werden mittels Schraubverbindern miteinander verbunden. Allerdings sollen diese Verbinder in den meisten Fällen nicht nur die Rohrtour zusammenhalten, sondern sie müssen auch noch zusätzliche Aufgaben erfüllen, z.B. die Rohrtour abdichten. Deshalb haben sich im Laufe der Jahre eine Reihe von Verbindertypen entwickelt, die den einzelnen Anforderungen mehr oder weniger gerecht werden. Grundsätzlich ist bei den Rohrverbindern zwischen den hydraulisch dichten Verbindern und den gasdichten Verbindern zu unterscheiden. Hydraulisch dichte Verbinder Zu den hydraulisch dichten Verbindern, insbesondere für Rohre großer Durchmesser, zählen neben den normalen API-genormten Verbindern mit Lang- bzw. Kurzmuffe und den einfachen Traggewindeverbindern, u.a. die MANNESMANN-Omega-Verbinder. Der API-Verbinder stellt den Standard-Verbinder dar. Er wird mit kurzer und langer Muffenausführung gebaut. Als Gewinde hat er ein Spitzgewinde mit abgerundeten Spitzen, 60° Flankenwinkel und einer Gewindesteigung von 8 Gang pro Zoll (sog. API-Rundgewinde). Der Verbinder trägt und dichtet auf beiden Gewindeflanken. Da jedoch beim verschraubten Verbinder nur wenige Gewindegänge vollständig im Eingriff stehen, ist der Dichteffekt minimal und gegenüber Gas nicht gegeben.
H Spülung – Verrohrung – Zementation
477
Die Abstreiffestigkeit bei Kurzverbindern (CSG) liegt im Mittel 30% unter der Zugfestigkeit des Rohrkörpers bei Erreichen der Streckgrenze und bei Langverbindern (LCSG) bei 10% unter der Rohrfestigkeit. API-Verbinder werden nach Drehmoment verschraubt. Buttress-Verbinder Die Buttress-Gewindeform ist ein Sägegewinde, dessen Tragflanke einen Winkel von 3° hat. Die Gewindesteigung beträgt 5 Gang pro Zoll, der Kegel ist 1:12 (Rohre größer 14" Durchmesser) bzw. 1:16 (Rohre bis 13 3/8" Durchmesser) und die Gewindetiefe beträgt 1,58 mm. Die Abstreiffestigkeit des Verbinders liegt über der Zugfestigkeit des Rohrkörpers. Verschraubt wird nach einer Markierung (Dreieck). Omega Verbinder Der MANNESMANN Omega-Verbinder ist ein Integral-Traggewindeverbinder mit sehr hoher Abstreiflast. Der Abdichteffekt liegt wie bei den anderen einfachen Verbindern im Gewinde selbst. Die Gewindeform ist ein abgeflachtes Sägengewinde mit einer 0° Tragflanke. Eine Doppelkegelform des Zapfens und eine Kegelform der Muffe drücken die im Eingriff stehenden Gewindegänge bei axialer Beanspruchung sehr fest ineinander, so dass der Verbinder für extreme Axialbelastungen geeignet ist.
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Abb. H-8: Systemdarstellung eines MANNESMANNOmega-Verbinders
Die Gewindesteigung beträgt 4 Gang pro Zoll bei einem Gewindekegel von 1:10. Mit Omega Verbinder werden für mittlere Rohrdurchmesser (9 5/8" bis 13 3/8"), Big Omega für große Rohrdurchmesser (14" – 26") hergestellt. Da Mid Omega Gewinde hat eine Tiefe von 2,16 mm und eine Gewindesteigung von 4 Gang pro Zoll bei einem Kegel von 1:12, das Big Omega Gewinde hat eine Tiefe von 2,20 mm und eine Gewindesteigung von 3 Gang pro Zoll bei einem Kegel von 1:12. Gasdichte Verbinder Da Gewinde i.a. keine Dichtfunktion hat – die hydraulische Dichtigkeit ergibt sich u.a. durch Gewindefett und Metallpulver im Fett – müssen besondere Dichtelemente geschaffen werden, wenn ein Verbinder gasdicht sein soll. Das können eingelegte Teflonringe (Rucker Atlas Bradford) sein oder Metall-zu-Metall- Dichtelemente (MANNESMANN). Die metallischen Dichtelemente sind im Wesentlichen wie folgt ausgebildet: • konisch / konisch • ballig / konisch
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2 Verrohrung (Futterrohre, Casing)
• ballig / zylindrisch Der Dichteffekt wird durch ein Übermaß bei den Dichtsitzdurchmessern von Muffe und Zapfen, der sog. Dichtsitzüberdeckung, erreicht. Diese Überdeckung bewirkt bei der Verschraubung eine elastische radiale Flächenpressung im Dichtsitz. Mehrfachverschraubungen sind möglich. Dichtsitze dürfen nicht repariert oder ausgeschliffen werden.
H Abb. H-9: Gasdichter Verbinder System MANNESMANN
Eine Modifikation des Buttress-Verbinders ist der BDS-Verbinder (Buttress mit Dichtsitz und Stoß), dessen Besonderheit darin besteht, dass mit dem ballig-konischen oder zylindrischkonischen Dichtsitz ein metallisches Dichtelement eingebaut ist, das die Gasdichtigkeit gewährleisten soll. Der Stoß ist dagegen kein Dichtelement, sondern dient der Einschraubbegrenzung. Treffen die Stoßschultern aufeinander, so hat der metallische Dichtsitz seine optimale Position erreicht. BDS Verbinder werden mit Weg-Zeit-Diagramm verschraubt. Dabei ist darauf zu achten, dass mindestens 50% des Verschraubmomentes von der Stoßschulter aufgenommen wird. Extremline-Verbinder Der Extremline-Verbinder hat ebenfalls ein abgeflachtes Trapezgewinde, das auf die nach innen und außen verdickten Rohrenden aufgeschnitten wird. Die Tragflanke hat einen Winkel von 15°. Die Steigung liegt zwischen 6 Gang pro Zoll (4 ½" – 7 ǫ") und 5 Gang pro Zoll (8 ǫ" –10 ¾"). Der Verbinder dichtet an einem ballig-konischen Dichtsitz.
Abb. H-10: Extremline-Verbinder
H Spülung – Verrohrung – Zementation
Der Verbinder hat eine hohe Gasdichtigkeit und einen sehr kleinen Außendurchmesser im Verbinderbereich, so dass er besonders bei kleinen Clearance-Verhältnissen gern eingebaut wird. Wird für Verbinder eine Dichtigkeit angegeben, so bezieht sich diese immer auf den Weg des strömenden Mediums von innen nach außen, nicht umgekehrt. Und aufgrund ihrer Konstruktion kann von den Verbindern in der Regel eine Außen-nach-Innen-Dichtigkeit auch kaum erwartet werden. Da jedoch spezielle Fälle eine solche Dichtigkeit erfordern, wurde für diese Fälle als Spezial-Verbinder der sog. MUST-Verbinder entwickelt. (MUST = MANNESMANN Ultra Seal Thread). Dieser Verbinder hat eine Stoßschulter mit balligem Dichtsitz jeweils auf den Enden von Zapfen und Muffe und dichtet somit in beiden Richtungen ab. Der MUST-Verbinder ist ein Integralverbinder. Dieser Verbinder ist auch ganz besonders für Dickwandrohre (9 ǫ" Casing mit 10 ǫ" 00, wobei die extrem große Wandstärke von 30 mm und mehr nach außen verlagert wurde) für besonders hohe Außendrücke geeignet. Für tiefe Bohrungen mit hohen Innendrücken und hohen Stranglasten werden Verbinder für dickwandige, hochfeste Rohre benötigt. Für solche Fälle wurde der HPC Verbinder (MANNESMANN) entwickelt (HPC = High Performance Connection). Der HPC Verbinder hat eine Gewindetiefe von 2,16 mm, eine Steigung von 4 Gang pro Zoll und einen Kegel von 1:6 bis 1:12. Die wesentlichen Konstruktionsmerkmale sind ein vergrößertes Gewinde mit einer 0° Lastflanke und einem stufenförmig gestalteten Stoß, der auch bei Lösen des Schulterschlusses eine Dichtsitzpressung garantiert. Der Dichtsitz liegt unmittelbar an der Stoßschulter. Neben den bei uns gängigen, vorstehend beschriebenen Verbindertypen gibt es noch eine Reihe weiterer Verbinder, die weltweit im Einsatz sind und ebenfalls Trag- und Dichteigenschaften aufweisen. Einige dieser Verbinder sollen hier namentlich erwähnt werden: Rukker Atlas Bradford Modified Casing (Teflonring-Dichtung) • Hydril FJ 40 Casing • Hydril Super EU Casing • Vetco LX
2.4 Berechnung von Futterrohren 2.4.1 Allgemeines Während des Einbauens, beim Zementieren und bei der späteren Förderung wird die Futterrohrtour mannigfaltigen Beanspruchungen ausgesetzt. Die wesentlichen Beanspruchungsarten sind: • Außendruckbelastung • Innendruckbelastung • axiale Zug- und Druckbeanspruchung • Biegebeanspruchung • biaxiale Beanspruchungen (Zug- und Innen- bzw. Außendruck). Während die Biegebeanspruchung i. A. vernachlässigbar ist (nur bei Richtbohrungen), müssen die übrigen Beanspruchungsarten exakt berechnet werden, da sie entscheidenden Einfluss auf die Auslegung der Rohre (Casing-Design) in Bezug auf Windstärke, Gütestufe und Verbinder ausüben. Die Berechnung von Futterrohren erfolgt nach der API-Vorschrift gemäß API-BUL
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2 Verrohrung (Futterrohre, Casing)
5C3 bzw. nach der vom WEG herausgegebenen Richtlinie „Futterrohrberechnung“ vom August 1991. Die Berechnung des Auftriebs wird nur bei großkalibrigen Rohren durchgeführt um zu klären, ob die Rohre beim Einpumpen der Zementschlämme evtl. aufschwimmen können.
2.4.2 Durchzuführenden Berechnungen
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Berechnung auf Außendruck Die Außendruckfestigkeit von Futterrohren kann nach Bestimmung des Elastizitäts- oder Plastizitätsbereiches des Rohres, der vom Durchmesser-Wandstärken-Verhältnis (D/t-Verhältnis) abhängig ist, mittels empirisch ermittelter und in den API Standards 5C3 zusammengestellten Gleichungen berechnet werden. Bei einem solchen Vorgehen muss zunächst die Stahlgütestufe festgelegt und die Wandstärke ermittelt werden, woraus dann das D/t-Verhältnis berechnet werden kann. Die Ergebnisse dieser Berechnungen können jedoch in den meisten Fällen den entsprechenden Tabellen der Rohrhersteller mit ausreichender Genauigkeit entnommen werden, sofern die Berechnungen der Rohrhersteller auf den neuesten Gleichungen basieren. Der Sicherheitsfaktor bei der Berechnung von Futterrohrtouren auf Außendruck beträgt 1,0. • Berechnung auf Innendruck Bei der Berechnung auf Innendruck wird von einer nach API zulässigen Unterschreitung der Wandstärke von 12,5 % ausgegangen. Die Berechnung liefert die Innendruckfestigkeit des Rohres bei Erreichen der Streckgrenze. Auch diese Werte können den Tabellen der Rohrhersteller entnommen werden, sofern sie nicht mittels der entsprechenden Formel nach API 5C3 berechnet werden. Der Sicherheitsfaktor bei der Berechnung von Futterrohrtouren auf Innendruck beträgt 1,1. • Berechnung auf Zug Bei der Berechnung auf Zug ist zuvor zu klären, mit welcher Verbindertype die Rohrtour versehen ist. Bei Einsatz von API-Verbindern liegt der für die Zugbelastung kritische Punkt im Verbinder, bei Einsatz von Traggewindeverbindern (Buttress, Omega, Extremlinie) im Rohr selbst. Auch die Verbinderfestigkeit kann ebenso wie die Zugfestigkeit im glatten Rohr mittels entsprechender Gleichung nach API 5C3 berechnet oder den Tabellen der Rohrhersteller entnommen werden. Der Sicherheitsfaktor bei der Berechnung von Futterrohrtouren auf Abstreiffestigkeit der Verbinder liegt bei 1,6 bei Rohrdurchmessern bis 13 3/8" bzw. bei 1,8 bei 13 3/8" und größeren Rohrdurchmessern. Der Sicherheitsfaktor für den Rohrkörper gegen Axialbelastung beträgt 1,25. Die max. zulässige Zugbeanspruchung des glatten Rohres sollte 80 – 90% der Zuglast bei Erreichen der Streckgrenze nicht überschreiten. Die Abstreifbelastung der Verbinder bezieht sich jeweils auf den obersten Verbinder. • Biaxiale Beanspruchungen Unter biaxiale Beanspruchungen sind die Spannungsverhältnisse zu verstehen, die sich ergeben, wenn eine Rohrtour gleichzeitig auf Zug und Außen- bzw. Innendruck beansprucht wird. Auch die biaxialen Spannungsverhältnisse lassen sich berechnen. Als überschlägiges Ergebnis kann jedoch genommen werden, dass die Außendruckfestigkeit eines auf Zug (Eigengewicht) beanspruchten Rohrstranges um etwa 20% abnimmt, so dass bei freihängenden Rohrsträngen die biaxialen Spannungsverhältnisse auf jeden Fall zu berechnen sind. Dagegen nimmt die Innendruckfestigkeit eines auf Zug beanspruchten Rohrstranges zu, so dass aus Sicherheitsgründen die biaxialen Spannungsverhältnisse bei der Berechnung der Innendruckfestigkeit unberücksichtigt bleiben.
H Spülung – Verrohrung – Zementation
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Die Berechnung der einzelnen Rohrfahrten (Ankerrohrtour, Zwischenrohrtour, Produktionsrohrtour) erfolgt gemäß der bekannten oder zu erwartenden Belastungen jeweils separat, wobei man die jeweils zutreffenden Belastungsfälle für die einzelnen Rohrtouren auswählen muss. Für Deutschland gelten hierfür die W.E.G. Technischen Regeln „Richtlinie Futterrohrberechnung“ von 09/02.
2.4.3 Ein und Anbauteile -
Nachdem die Rohrtouren berechnet worden sind wird schließlich noch festgelegt, mit welchen Ein-und Anbauteilen sie versehen werden sollen. Unter den Einbauteilen sind Rohrschuh und Zwischenstück (Collar) zu verstehen, die mit und ohne Rückschlagventil ausgerüstet sein können, und die entsprechend dem vorgesehenen Zementierverfahren ausgestattet sein müssen. Unter den Anbauteilen sind im wesentlichen Scratcher (Kratzer) und Centralizer zu verstehen, die helfen sollen, die Güte der Zementation zu verbessern.
H 3 Zementation 3.1 Zementationsverfahren Man unterscheidet bei den Zementationen zwischen: • Primärzementation Rohrzementation • Sekundärzementation Stopfenzementation Squeezezementation Die Primärzementation ist gleich zu setzen mit der Rohrzementation und hat die Aufgabe, produzierende Horizonte gegeneinander abzudichten, die Rohre im Bohrloch zu befestigen, Frischwasserhorizonte zu schützen, eine ungewollte Verbindung zwischen Lagerstätte und Tagesoberfläche zu unterbinden und einen Korrosionsschutz der Verrohrung gegen aggressive Formationswässer zu bilden. Eine weitere Aufgabe ist es, die Rohre am Ausknicken oder am Kollapse zu hindern, eine Gefahr, die gerade bei extremen Drucksituationen besteht, und einen Anker für die Preventeranlage zu schaffen. Um eine dichte Zementation zu bekommen bzw. einen dichten Zementstein zu erzeugen, muss vor Einpumpen der Zementschlämme sichergestellt sein, dass der Zementstein auch eine gute Verbindung sowohl mit der Rohroberfläche wie auch mit der Bohrlochswand eingehen kann. Eine solche Verbindung wird als „CementBond“ bezeichnet. Das bedeutet, dass die Rohroberfläche von Walzhaut und Zunder befreit sein muss, und dass die Bohrlochswand vom Filterkuchen befreit werden muss. Ersteres kann besonders wirkungsvoll durch Sandstrahlen der Rohre geschehen, zweiteres entweder mechanisch mittels Kratzern oder, indem vor der Zementschlämme eine chemisch oder aggressiv wirkende Flüssigkeit als sog. „Chemical Wash“ vorweg gepumpt wird, die den Filterkuchen zerstört und abträgt. Allerdings ist auch damit die Gewähr, eine gasdichte Zementation geschaffen zu haben, noch nicht gegeben, da die Zementschlämme beim Abbinden einem Schrumpfungsprozess unterliegt, weil die Dichte des Zementsteins niedriger ist als die Dichte des Trockenzementes plus des Anmachwassers. Das führt zur Bildung von Mikroringräumen, die ideale Fließkanäle für Gas darstellen. Abhilfe kann hier nur durch den Einsatz von
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3 Zementation
Zementen geschaffen werden, die beim Abbinden keiner Volumenkontraktion unterliegen sondern volumenkonstant bleiben bzw. sogar eine leichte Volumenexpansion haben. Die Sekundärzementationen in Form von Stopfenzementationen werden angewendet, um ein Plugging Back (Stopfen zum Abdichten des darunter befindlichen Bohrlochteils und Schaffung eines Abstützelementes beim Sidetracking) vor einem Sidetrack als Folge einer nicht erfolgreichen Fangarbeit oder des neuen Auffahrens eines Bohrloches bzw. bei Spülungsverlusten durchzuführen. Mittels Zementstopfen können auch Perforationen in den Rohren nach der Einstellung der Förderung oder Casingreparaturen durchgeführt werden. Squeezezementationen werden immer dann durchgeführt, wenn Zementschlämme unter Druck verpumpt wird, z.B. um nicht erfolgreiche Primärzementationen zu reparieren oder Casingleckagen zu beheben, aber auch, um Verlustzonen abzudichten. Bei der Ringraumzementation wird die Zementschlämme in den Futterrohren hinunter- und hinter den Rohren wieder hochgepumpt, wobei sie die im Ringraum befindliche Spülung vor sich herschiebt und verdrängt. Häufig wird der Zementbrühe vorweg eine Trennflüssigkeit („Sparer“) verpumpt, um eine Vermischung zwischen Spülung und Zementbrühe im Ringraum zu verhindern, die zu unerwünschten Reaktionen führen kann. Wichtig ist, dass diese Verdrängung vollständig geschieht, dass also die Zementschlämme nicht auf Kanälen durch die Spülung hindurch aufsteigt („Chanelling“). Das würde zur Folge haben, dass die Zementschlämme den Ringraum nicht vollständig ausfüllt und damit auch nicht abdichten kann, denn die mit Restspülung gefüllten Teile des Ringraumes können nach einem evtl. Austrocknen der Spülung Fließwege für Formationsinhalte bilden. Die Ringraumzementation kann als Stopfen- oder Gestängezementation, sowie als Ein- oder Mehrstufenzementation durchgeführt werden.
Abb. H-11: Schematische Darstellung der Ringzementation
Die Stopfenzementation wird so durchgeführt, dass die von einem Pumpaggregat, in der Regel ausgerüstet mit zwei Triplex-Kolbenpumpen (4½" × 8") mit Antriebsleistungen von je 700-
H Spülung – Verrohrung – Zementation
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750 kW, an-gemischte Zementschlämme durch eine 4" Gelenk-Leitung auf die Arbeitsbühne zum Zementierkopf geleitet wird. Das Mischen von Trockenzement und Wasser geschieht mittels des sog. Düsenmischers (Hopper), wobei die Mischung in einer Venturi-Düse stattfindet, oder mittels des sog. Recirculating Mixers (Rezirkulation der Schlämme, bis diese die erforderliche Dichte hat) oder, bei kleineren Schlämmenmengen, mittels des sog. Batch-Mixers (fertiges Anmischen der Schlämme in einem Behälter von bis zu 20 m3 vor dem Verpumpen). Die Mischung wird von den Pumpen angesaugt und über den Zementierkopf, der den oberen Abschluss der zu zementierenden Rohrtour bildet und gleichzeitig als Stopfenschleuse dient, durch die Rohrtour zur Bohrlochsohle gepumpt. Gearbeitet wird mit zwei bis drei Stopfen, einem oder zwei Vor- und einem Nachstopfen. Der Vorstopfen, ein hohler Gummikörper mit einer Abschlussmembran, wird nach dem Klarspülen des Bohrloches, unmittelbar vor dem Verpumpen der Zementschlämme, freigegeben und bewirkt eine Trennung von Spülung und Zementschlämme bzw. er wird zwischen Spülung und Waschflüssigkeit oder Spacer eingesetzt, so dass keine große Vermischungszone zwischen diesen beiden Medien stattfindet. Neben der Trennwirkung bewirken die Stopfen auch eine Säuberung der Rohrinnenwand von anhaftender Flüssigkeit (Whiper Plug Wirkung). Die Stopfen werden in die Stopfenschleuse eingesetzt und mittels eines Rückhaltebolzens daran gehindert, in das Bohrloch zu gleiten.
Abb. H-12: Stopfensitz mit Vorstopfen (links) – Vor- und Nachstopfen (rechts)
Bei Bedarf wird der Jeweilige Bolzen gelöst und der Stopfen in den Strom einzirkuliert. Der Vorstopfen landet schließlich auf dem als Stopfensitz ausgebildeten Zwischenstück (Collar), einem mit Zement ausgegossenen evtl. mit einem Rückschlagventil versehenen Rohrstück, das den Rohrdurchmesser auf einen kleinen zentrischen Fließkanal einengt. Landet der Vorstopfen hier, so wird der Zementstrom kurz gestaut und der Pumpendruck steigt leicht an, bis die Stopfenmembran zerreißt. Nun tritt die Zementschlämme durch Stopfen und Zwischenstück hindurch in das sog. Zementrohr ein, ein Rohr, das zwischen Zwischenstück und Rohrschuh eingebaut ist und nach und nach beendeter Zementation mit Zement gefüllt bleibt, also später zusammen mit Rohrschuh und Zwischenstück aufgebohrt werden muss. Von dort gelangt sie durch den Rohrschuh, der analog zum Zwischenstück aufgebaut ist, in den Ringraum und steigt dort auf. Bei der Stopfenzementation muss das zum Zementieren des Ringraumes erforderliche Zementschlämmenvolumen vor der Zementation bestimmt werden. Dieses Volumen wird verpumpt.
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3 Zementation
Dann wird der Nachstopfen, ein kompakter Gummistopfen mit einer Aluminiumeinlage, gesetzt und Zementschlämme und Nachstopfen mittels einer Nachpumpflüssigkeit (Spülung oder Wasser) durch die Verrohrung hindurch gepumpt. Die Zementation ist beendet, wenn der Nachstopfen auf dem Stopfensitz angekommen ist, was durch einen bleibenden Druckanstieg übertage angezeigt wird. Zu diesem Zeitpunkt sollte bei einer Zementation bis zutage auch die Zementschlämme im Ringraum bis zur Tagesoberfläche aufgestiegen sein. Rückschlagventile werden im Rohrschuh und/oder Zwischenstück eingebaut, damit nach beendeter Zementierung die schwerere Zementschlämme nicht in die Rohrtour zurückfließt. In der Regel wird nach dem Verpumpen der Schlämme der Rückschlag auf Dichtheit geprüft. Ist der Rückschlag undicht, so muss ein Gegendruck in den Rohren gehalten werden bis die Zementschlämme abgebunden hat. Die Gestängezementation wird bei größeren Rohrdurchmessern angewendet, wobei Rohrdurchmesser von 13Ǫ" bis 18ǫ" als Grenzdurchmesser anzusehen sind. Bei der Gestängezementation wird in die in das Bohrloch eingelassene Rohrtour ein Gestängestrang eingebaut, an dessen unterem Ende sich ein sog. Seal-Nipple befindet. Dieser wird in einem als entsprechendem Landesitz ausgebildeten Zwischenstück verankert. Sodann wird die Zementschlämme durch das Gestänge, durch Zementrohr und Rohrschuh hindurch, in den Ringraum gepumpt. Da der Gestängeinhalt nur wenige Kubikmeter ausmacht, kann man bei der Gestängezementation solange Zementschlämme anmischen und verpumpen, bis die Schlämme wieder zutage kommt. Anschließend wird der Seal-Nipple gelöst, der Strang leicht hochgefahren, und die sich im Gestängestrang befindliche Zementschlämme auszirkuliert. Auch bei diesem Verfahren hindern Rückschlagventile die Zementschlämme am Zurückfließen. Bei sehr großen Teufen, wo ein vorzeitiges Abbinden der Zementschlämme zu befürchten ist bzw. wo der hydrostatische Druck der Zementschlämme so groß wird, dass er den Fracdruck überschreitet, kann nicht mehr in nur einer Stufe zementiert werden. Gleiches gilt auch für den Fall, dass in einer Bohrung druckschwache Bereiche anstehen. In einem solchen Fall wird eine Zwei- oder Mehrstufenzementation durchgeführt. Dabei wird in die Rohrtour ein sog. Zementierfenster eingebaut. Die erste Stufe wird nun wie vorstehend beschrieben als Stopfenzementation bis in Höhe des Fensters durchgeführt. Danach wird das Fenster durch Einwurf einer sog. Bombe oder durch Einpumpen eines speziellen Stopfens geöffnet. Die danach verpumpte Zementschlämme tritt nun durch das Fenster aus und steigt im Ringraum bis nach übertage bzw. bis zum nächsthöheren Fenster auf. Ist das vorberechnete Schlämmenvolumen verpumpt, wird ein Nachstopfen gesetzt, der das Fenster wieder schließt. Eine Druckzementation (Squeezen) wird immer dann durchgeführt, wenn Zementschlämme zum Abdichten von Formationen, Klüften oder Spalten oder erschöpften Lagerstättenteilen in die entsprechenden Hohlräume eingepresst werden muss, oder wenn dadurch Fehlstellen bei Ringraumzementationen behoben werden sollen. Bei den Druckzementationen unterscheidet man zwischen der Hochdruck und der Niederdruckzementation. Bei der Hochdruckzementation wird die Zementschlämme mit einem Druck verpresst, der über dem Formationsbrechdruck (Fracdruck) liegt, so dass die Zementschlämme gleichzeitig zum Aufbrechen der Formation und zum Auffüllen der erzeugten Hohlräume dient. Bei diesem Verfahren wird der nicht zu behandelnde Teil des Bohrloches durch Packer abgeschirmt. Bei verrohrten Bohrlöchern sowie beim Nachzementieren von Fehlzementationen muss die Verrohrung zuvor perforiert werden. Die Niederdruckzementation ist dadurch gekennzeichnet, dass der Pumpendruck unterhalb des Fracdruckes liegt. Diese Methode wird dort angewendet, wo größere Fließwege (Verlusthorizonte) anstehen, die abgedichtet werden sollen, und wo hydrostatische Drücke zum Verpressen der Zementschlämme ausreichen.
H Spülung – Verrohrung – Zementation
Vollzementationen sind Sohlen- oder Brückenzementationen, auch als Stopfenzementationen bezeichnet, aber nicht zu verwechseln mit den Rohrzementationen mit Stopfen, bei denen der gesamte Bohrlochquerschnitt mit Zement aufgefüllt wird (Stopfen). Sohlenzementationen werden im Bohrlochtiefsten angebracht, um z.B. beim Bohren auftretende Spülungsverluste zu beheben. Der Zementstopfen wird nach dem Aushärten aufgebohrt. Brückenzementationen werden entweder zum Abstützen des Bohrwerkzeuges bei Ablenkarbeiten (Side Tracking) benötigt, oder dienen zum Abdichten verschiedener Bohrlochabschnitte im Zuge einer Bohrlochverfüllung entsprechend der bergbehördlichen „Richtlinie über das Verfüllen auflässiger Bohrungen“. Vollzementationen werden i.a. eingebracht, indem ein Zementierstrang (Bohrgestänge- oder Tubingstrang) bis zum Fuße der späteren Brücke (oder bis auf Sohle) eingebaut wird, durch den dann die Zementschlämme verpumpt wird. Der Strang wird anschließend aus der noch flüssigen Schlämme herausgezogen. Bei definierten Brücken kann dann der Kopf der Brücke noch in der vorgesehenen Teufe abgespült (und nach Zementerhärtung abgetastet) werden. Zementationen werden im modernen Bohrbetrieb nahezu ausschließlich durch entsprechende Service-Unternehmen (z. B. Halliburton oder Dowell-Schlumberger) mit Spezialpumpfahrzeugen durchgeführt. Der Zement wird in der Regel in Silos vorgehalten. Bewährt haben sich hier Pneumatiksilos, da sie geschlossen sind und der Zement somit von Witterungseinflüssen abgeschirmt, für längere Zeit vorgehalten werden kann. Beim Zementieren wird der Zement pneumatisch in Schwerkraftsilos „umgeblasen“, von wo er in den Mischer gelangt.
3.2 Tiefbohrzemente Tiefbohrzemente sind Spezialzemente, die aus Kalk und Ton hergestellt werden. Die Rohstoffe werden zunächst gemahlen, anschließend im Drehofen bei 1400 – 1500 °C gesintert, wobei sich der Zementklinker bildet, der anschließend bis auf Pulverform aufgemahlen wird. Als Ausgangsprodukt für Tiefbohrzemente wird im wesentlichen Portlandzement verwendet. Für die Tiefbohrindustrie sind nach API neun verschiedene Zementklassen (Class A bis Class J) genormt, wobei nicht nur die Anteile der einzelnen Bestandteile festgelegt sind (Herstellerkriterien), sondern auch die Einsatzbereiche in Form von Einsatzteufen (Verbraucherkriterien). Dabei dienen die Zemente der Class G und Class H als Basiszemente, die durch Zugabe von ebenfalls nach API festgelegten Zuschlagstoffen (Additive) modifiziert und somit den speziellen Anforderungen angepasst werden können. Heute werden ausschließlich Basiszemente hergestellt, denen durch Zugabe von speziellen Zuschlagstoffen wie Abbindebeschleunigern oder -verzögerern etc. die für den jeweiligen Einsatz erforderlichen Eigenschaften verliehen werden. Für spezielle Anforderungen werden auch Spezialzemente hergestellt, wie beispielsweise Leichtzemente, die mit einem Basiszement vermischt, die Schlämmdichte herabsetzen ohne den freien Wasseranteil zu stark steigern zu müssen. Daneben gibt es temperaturbeständige Zemente für extrem niedrige Temperaturen (Permafrostgebiete) und extrem hohe Temperaturen (Thermalprojekte, Geothermik). In diese Gruppen gehören auch die Pozmix-Zemente, eine Mischung aus Pozzulanerde (Vulkanasche) und Portlandzement. Diese Zemente ergeben eine Schlämme mit niedriger Dichte (1,6 kg/l). Schließlich sind noch die Dieselölzemente für wasserführende Formationen und verwässerte Träger und die Gipszemente für Zementstopfen (geringe Abbindezeit, hohe Anfangsfestigkeit) zu nennen. Um aus dem Trockenzement eine verpumpbare Zementschlämme zu bekommen, muss der Zement mit Wasser angemischt werden. Damit eine optimale Verpumpbarkeit bei nicht unnö-
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3 Zementation
tig hohem freien Wasseranteil, der in die Formation abfiltriert wird und dort möglicherweise schädlich sein kann, erreicht wird, gibt API auch den optimalen Wasseranteil und die zugehörige Schlämmendichte an. Um überhaupt verpumpbar zu sein, muss der Zement mit etwa 34% Wasser angemischt werden. 25% Wasser benötigt die Zementschlämme zur Hydratation.
3.3 Zementationskontrolle
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Es gibt verschiedene Methoden, um festzustellen, ob die Zementation einwandfrei ist. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um die akustischen Messungen. Dabei wird von einem Sender ein akustisches Signal ausgesendet, das von einem unterhalb des Senders angeordneten Empfänger wieder aufgefangen wird. Ist der Kontakt zwischen Rohr und Zementstein und Gebirge und Zementstein schlecht (Luftspalt in Form eines Mikroringraumes), so wird das Signal durch diesen Luftspalt nur bedingt weitergeleitet. Dafür wird das Signal, das direkt in der Rohrwand vom Sender zum Empfänger läuft, sehr stark, also kaum gedämpft sein. Bei guter Bindung (cement bond) in den Grenzflächen wird dagegen das gesamte Signal zwar gedämpft aber gut zu erkennen im Empfänger registriert. Als Messverfahren für Cement-Bond-Messungen sind in Gebrauch das Cement Bond Log (CBL), das Cement Evaluation Tool (CET) sowie ein weiteres Verfahren, das die ankommenden Signale über Laufzeit zuordnet und somit den verschiedenen Grenzflächen zuordnen kann (z. B. Variable Density Log, VDL). Wird eine Zementation nicht bis zutage durchgeführt, so kann der Stand des Kopfes der Zementation mittels eines Temperaturlogs ermittelt werden, da das Abbinden der Zementschlämme (die Hydratation) ein exothermer Vorgang ist, bei dem also Wärme freigesetzt wird. Dort, wo also Zement ist, muss deshalb eine höhere Temperatur registriert werden, als dort, wo kein Zement ist. Auf diese Weise kann die Höhe der Zementsäule ermittelt werden. Entsprechendes ist auch möglich, indem man den ersten Kubikmetern Zementschlämme einen radioaktiven Tracer zusetzt. Dann ist es auch möglich, eine Zementkopfbestimmung später durchzuführen, wenn die Hydratationswärme bereits abgeklungen ist.
I Bohrlochkontrolle Das Kapitel „Bohrlochkontrolle“ ist zum Teil dem „Bohrloch-Kontroll-Handbuches“ von Dr. Gerd Schaumberg entnommen, der die Nutzung freundlicherweise ausdrücklich gestattet hat. Der Verfasser dankt Herrn Dr. Ing. Gerd Schaumberg für die Unterstützung beim Gelingen des vorliegenden „Handbuches der Tief-, Flach-, Geothermie- und Horizontalbohrungen“. Auch das „Bohrgeräte Handbuch“ (Verfasser Dr. Schaumberg) hat ebenfalls wesentlich zur fachlichen Unterstützung beigetragen. Das o. g. Gesamtwerk konnte mit Unterstützung von Fachleuten, Servicefirmen, Fachliteratur und Informationsschriften sowie Geräteherstellern dem neuen Techniken im Tiefbohrbereich angepasst werden. Es wird sicherlich in der Ausbildung und Praxis eine wesentliche Hilfe sein. Auszug aus dem Vorwort zum Bohrloch Kontroll-Handbuch. Im April 1989 wurde die erste Auflage eines ersten deutschsprachigen Handbuchs zum Thema Bohrlochkontrolle von der BOHRMEISTERSCHULE CELLE herausgegeben. Es wurde verfasst von den Dozenten der BOHRMEISTERSCHULE CELLE, Herbert Sonnenschmidt und Dr.-Ing. Gerd Schaumberg. Seit 1993 ist die BOHRMEISTERSCHULE CELLE ein akkreditiertes IWCF Assessment Center geworden, so dass die Bohrlochkontrollschulungen im Hinblick auf die Zertifizierung nach den Regularien des INTERNATIONAL WELL CONTROL FORUMs (IWCF) durchgeführt werden müssen. Es wurde deshalb erforderlich, dass das Bohrloch-Kontroll-Handbuch der BOHRMEISTERSCHULE CELLE überarbeitet und dem IWCF Standard angepasst wurde. Der Verfasser dankt dem Vorstand des Bergschulvereins „Bohrmeisterschule Celle“ e.V. für die Möglichkeit, die Überarbeitung dieses Buches durchführen zu können. Celle, im Januar 1998 Dr. Gerd Schaumberg Verfasser-Hinweis „Handbuch der Tief-, Flach-, Geothermie- und Horizontalbohrtechnik“ Die Bohrlochkontrolle und die Beherrschung von Kicksituationen sind wesentliche und wichtige Themen in der Tiefbohrtechnik, so dass die ausführliche Behandlung dieses Themas durch Herrn Dr. G. Schaumberg weiterhin Bestand hat, auch wenn z. B für die aufgeführten Berechnungen heute Computerprogramme eingesetzt werden (wie dies auch von Dr. Schaumberg mehrfach erwähnt wird) und erfahrene Service-Firmen bei der Unterstützung von Havarien zur Verfügung stehen. Das Wissen um die Entstehung, Behandlung und Vermeidung von Kicks kann auch ein Computerprogramm nicht ersetzen. Die Aufnahme dieses Themas im o. g. Handbuch ist daher begründet und sinnvoll.
1 Allgemeines Die Bohrlochkontrolle hat in der Bohr- und Förderindustrie weltweit einen sehr hohen Stellenwert, da ein unkontrollierter Ausbruch von Öl oder Gas stets verheerende Folgen hat. Ölausbrüche offshore können zu katastrophalen Umweltschäden führen, abgesehen davon, dass jeder Ausbruch die Gefahr eines Brandes nach sich zieht, wobei Gesundheit und Leben der besonders auf einer Plattform lebenden Personen stark gefährdet sind, da eine Evakuierung der Anlage einer gewissen Zeit bedarf. Gasausbrüche führen fast immer sehr schnell zu BränH. -O. Buja, Handbuch der Tief-, Flach-, Geothermie- und Horizontalbohrtechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-9943-9_9, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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1 Allgemeines
den, wobei auch im Onshore-Bereich eine akute Gefahr für die Beschäftigten besteht, selbst wenn die Evakuierung auf dem Festland in der Regel einfacher und schneller möglich ist als Offshore-Bereich. Hinzu kommen die enormen Schäden am Equipment, der Bohrung und in den meisten Fällen auch an der Lagerstätte selbst. Die Kosten, die die Bekämpfung eines Ausbruchs nach sich ziehen, gehen meistens ins Unermessliche. So ist es nicht verwunderlich, dass sich die Bohrkontraktoren weltweit ebenso wie die Operatorgesellschaften in der Vergangenheit in verstärktem Maße der Ausbruchsverhütung (Blowout Prevention) widmeten, indem die Bemühungen um die Bohrlochkontrollschulungen ganz erheblich verstärkt wurden, denn Bohrlochkontrolle bedeutet die Beherrschung der Drücke in einer Bohrung in dem Maße, dass Ausbrüche erst gar nicht entstehen können. 1989 schlossen sich die Nordseeanrainerstaaten zu einer Bohrlochkontroll-Arbeitsgruppe mit dem Ziel zusammen, ein einheitliches Ausbildungskonzept zu erarbeiten, sodass die nach entsprechenden Schulungen erworbenen Bohrlochkontroll-Zertifikate in allen beteiligten Staaten anerkannt wurden. 1993 wurde, aufbauend auf den Ergebnissen dieser Arbeitsgruppe, das EUROPEAN WELL CONTROL FORUM (EWCF) gegründet und ein einheitliches Zertifizierungssystem eingeführt. Dieses wurde, da es sich als sehr effektiv herausstellte, schnell von einigen großen, international tätigen Operatorgesellschaften adoptiert, was dazu führte, dass das EWCF Zertifikat nunmehr weltweit verlangt wurde. Aus diesem Grunde entschloss sich das EWCF 1994 zu einer Namensänderung in INTERNATIONAL WELL CONTROL FORUM (IWCF). Durch die Arbeit im IWCF wurden die Bohrlochkontrollschulungen internationalisiert, d. h. sie wurde den international geltenden Gegebenheiten, Anforderungen und Auffassungen angepasst, womit naturgemäß auch eine Niveauanhebung verbunden war. Damit ist die Bohrlochkontrollausbildung vereinheitlicht worden und man kann heutzutage sicher sein, dass nach IWCF Regularien zertifizierte Aufsichtspersonen weltweit über mehr oder weniger dieselben Kenntnisse verfügen. Parallel dazu entwickelte die INTERNATIONAL DRILLING CONTRACTORS ASSOCIATION (IADC) seit 1995 ein eigenes Konzept für die Bohrlochkontrollausbildung, das sog. WellCAP System. Beide Systeme wurden 1998 zusammengeführt, was zu einem einmaligen Bohrlochkontroll-Schulungs- und Zertifizierungssystem der Bohr- und Förderindustrie mit den Bohrlochkontroll-Schulungszentren in internationaler Kooperation geführt hat. Die nachstehenden Ausführungen sind diesem internationalen Standard angepasst und berücksichtigen die mit dem IWCF Zertifizierungssystem verbundenen Besonderheiten. Das bedeutet, dass verschiedentlich auf die entsprechenden Besonderheiten in der Auffassung und Auslegung von Techniken und Prozeduren hingewiesen wird, selbst wenn diese manchmal nicht ganz mit den nationalen Praktiken übereinstimmen. Bei der Bohrlochkontrolle ist immer zu bedenken, dass es am einfachsten ist, eine Bohrung immer so unter Kontrolle zu halten, dass ein unkontrollierter Zufluss von Lagerstätteninhalt erst gar nicht stattfindet (primäre Bohrlochkontrolle). Da dieses einfacher gesagt als getan ist, muss man jedoch ständig damit rechnen, dass ein unkontrollierter Zufluss stattfindet, wobei es eine Vielfalt von Gründen geben kann, die jedoch meistens ihre Ursachen im menschlichen Bereich haben. Unzureichendes Verständnis für die Situation in einer Bohrung, insbesondere für die Drücke, die in einer Bohrung in verschiedenen Bereichen herrschen, führen immer wieder zu Kicks und zu Schwierigkeiten bei der Beherrschung derselben. Kicks, die nicht unter Kontrolle gebracht werden können, führen schließlich unweigerlich zu Ausbrüchen (Blowouts) mit allen entsprechenden Folgen, wobei letztendlich vielfach das Zusammentreffen von mehreren Ursachen und Fehleinschätzungen ausschlaggebend sind. Ist man jedoch mit der Situation im Bohrloch während verschiedener Manipulationen vertraut und in der Lage, eine unvorhersehbare Komplikation zu analysieren, so hat man eine gute Chance, hierauf zu reagieren und das Schlimmste abzuwenden. Deshalb ist Bohrlochkontrolle ein ständiger Lernprozess und Bohrlochkontrollschulungen in Theorie und Praxis eine unumgängliche Notwendigkeit.
I Bohrlochkontrolle
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2 Kick-Entstehung 2.1 Drucksituation Kicks entstehen – wie eingangs berichtet – immer dann, wenn auf der Bohrlochsohle eine nicht ausgeglichene Drucksituation vorliegt, der Formationsporendruck also größer ist als der Bohrlochsohlendruck. Dieser entspricht immer dann, wenn keine Spülungszirkulation stattfindet, dem hydrostatischen Spülungssäulendruck. Findet jedoch eine Spülungszirkulation statt, so setzt er sich zusammen aus dem hydrostatischen Spülungssäulendruck plus dem Zirkulationsanteil, der von der im Ringraum aufsteigenden Spülung in Form von Reibungsdruckverlusten benötigt wird (hydrodynamischer Druck). Der Unterschied zwischen dem hydrostatischen und dem hydrodynamischen Druck wird aus Abb. I-1 deutlich. Wenn der Zirkulationsdruckverlust der zirkulierenden Spülung im Ringraum beispielsweise 15 bar beträgt und mit einer Spülung der Dichte 1,20 kg/l gearbeitet wird, so beträgt der hydrostatische Spülungssäulendruck bei einer Bohrung mit 3.000 m Vertikalteufe 353 bar. Bei Spülungszirkulation kommen die 15 bar Zirkulationsdruckverluste im Ringraum hinzu, so dass auf der Bohrlochsohle der hydrodynamische Spülungssäulendruck von 368 bar wirkt. Daraus folgt, dass es bei einem Formationsdruck von 360 bar im Falle der Spülungszirkulation nicht zu einem Zufluss (Kick) kommt, dass der Zufluss jedoch dann eintritt, wenn die Spülungspumpen gestoppt werden, sodass nur noch der hydrostatische Druck auf der Bohrlochsohle wirkt. In diesem Fall ist der Formationsporendruck um 7 bar höher als der Bohrlochsohlendruck (360 – 353 = 7 bar). Dieses Druck-Ungleichgewicht kann mehrere Ursachen haben, die im Folgenden erläutert werden sollen.
Abb. I-1: Unterschied zwischen hydrostatischem und hydrodynamischem Druck im Bohrloch [BKH] 1) 1) [BKH] steht für „Bohrloch Kontroll Handbuch“
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2.2 Unzureichende Spülungsdichte Unzureichende Spülungsdichte und damit unzureichender Bohrlochsohlendruck ist einer der wesentlichen Gründe für die Entstehung von Kicks. Da man jedoch stets bestrebt sein wird, die Dichte der Spülung dem Formationsporendruck anzugleichen, stellt sich die Frage, wie eine solche Situation eintreten kann. Hier sind zunächst einmal die abnormalen Lagerstättendrücke zu nennen. Insbesondere bei Aufschlussbohrungen in unbekanntem geologischem Gebiet kommt es immer wieder vor, dass plötzlich Formationen angebohrt werden, die unter einem höheren Formationsporendruck stehen als in der Bohrplanung angenommen wurde oder im Normalfall zu erwarten gewesen wäre. Normale Lagerstättendrücke liegen vor, wenn der Lagerstätteninhalt als mit der Oberfläche in Verbindung befindlich angenommen werden kann, wobei davon ausgegangen wird, dass die Verbindung zwischen Lagerstätte und Oberfläche durch Salzwasser hergestellt wird. Allerdings ist diese Verbindung nicht vertikal über der Lagerstätte zu sehen, sondern wird in der Regel mit einer horizontalen Verschiebung um mehrere hundert bis mehrere tausend Meter angenommen. Das ist jedoch insofern unbedeutend, weil der hydrostatische Druck sich immer auf die vertikale Länge oder Höhe der Wassersäule bezieht. Der Druckgradient, der sich in einer Formation einstellt, entspricht der Dichte des Salzwassers und liegt je nach Sättigungsgrad des Wassers zwischen 0,098 und 0,115 bar/m. Er wird im Mittel mit 0,108 – 0,11 bar/m angenommen.
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Abb. I-2: Formationsporendrücke ) [BKH]
I Bohrlochkontrolle
Wie aus Abb. Abb. I-2 hervorgeht, beträgt der Formationsporendruck 114 bar und entspricht damit dem Druck einer Salzwassersäule von 1.000 m vertikaler Länge. Ist die entsprechend tiefe Bohrung mit Salzwasser gefüllt, so ergibt sich ein Kopfdruck von 0 bar, da beide Drücke, die der Salzwassersäule im Gebirge und die der Salzwassersäule im Bohrloch, identisch sind. Ist die Bohrung mit Öl oder Gas gefüllt, so muss der fehlende hydrostatische Druckanteil durch entsprechenden Kopfdruck aufgebracht werden, wenn der Bohrlochsohlendruck gleich sein soll. Würde der Kopfdruck nicht aufgebracht, die Bohrung also nicht eingeschlossen werden, so fände eruptive Förderung bzw. ein Blowout statt. Das bedeutet, dass die Öl- und die Gaslagerstätte mit Spülungsdichten angebohrt werden müssen, die über der des Salzwassers liegen. Im oberen Teil von Abb. I-2 ist dargestellt, was passiert, wenn die Wassersäule im Gebirge (wesentlich) länger ist als das Bohrloch. Das geschieht immer dann, wenn die Einspeisestelle eines Aquifers, hier das Meer, höher liegt als der Bohransatzpunkt. Das kommt vor, wenn Bohrungen unter Meeresniveau angesetzt werden, oder wenn der Aquifer (Grundwasserleier) auf einem Hügel oder einer Bergkette austritt und von hier aus durch z. B. Regenwasser gespeist wird und der Bohransatzpunkt in einer Ebene liegt (Abb. I-3). Die in Abb. I-2 beispielsweise fehlenden 100 m Bohrlochlänge führen dazu, dass das Wasser aus dem Aquifer eruptiv austreten würde, wenn der Träger mit Salzwasser angebohrt würde. Man spricht in diesem Fall von einem arthesischen Brunnen oder Artheser. Es wird ersichtlich, dass mit einer Spülungsdichte von 1,29 kg/l gebohrt werden muss, um Druckausgleich auf der Bohrlochsohle beim Anbohren des Trägers zu bekommen, soll es nicht zu einer Eruption kommen.
Abb. I-3: Artheser [BKH]
Abnormaler Lagerstättendruck entsteht dann, wenn die Lagerstätte nicht mit der Oberfläche in Verbindung steht und der Lagerstätteninhalt somit in der Formation eingeschlossen ist. Durch Kompaktion (Verdichtung) des Speichergesteins, durch den Druck des Deckgebirges, durch tektonische Bewegungen, durch thermische Expansion, durch Veränderung des Porenraumes sowie durch Einwandern von Wasser, das durch den Druck des Deckgebirges aus benachbarten Tonformationen freigesetzt wird, kann der Porendruck ansteigen. Sofern die Lagerstätte zwischen impermeablen, tonigen Formationen eingebettet ist und ein Abwandern des Poreninhaltes somit nicht möglich ist, kann der Porendruck sogar beträchtlich ansteigen, da der Poreninhalt einen Teil des durch das Deckgebirge verursachten Überlagerungsdruckes mittragen muss. Bei der Ablagerung von Tonen beträgt die Porosität des Sediments meistens mehr als 50%. Während der Verfestigung tritt dann eine Kompaktion ein, der Porenraum reduziert sich, und das bei der Sedimentation eingeschlossene Wasser wird, sofern vorhanden, in das Nebengestein abgepresst. Befindet sich nun in eine Tonformation eingelagert ein porös-permeables
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Trägergestein, so wird das Wasser aus dem Ton auch in dieses eingepresst, wodurch sich der Formationsporendruck in diesem Trägergestein beträchtlich erhöhen kann. Das geschieht besonders in sehr mächtigen Tonformationen mit eingelagerten Sandsteinlinsen. Ist der porös-permeable Träger dagegen nichtlinsenförmig abgeschlossen, sondern steht mit den umgebenden Formationen bzw. mit der Tagesoberfläche in Verbindung, so wird das infiltrierte Wasser in diese Formationen oder nach übertage abgeführt, und der Druck im Träger bleibt normal. Wird beispielsweise ein Teil einer Lagerstätte an einer Störungsfläche aufgeschoben und hat der Poreninhalt nicht die Möglichkeit, in die umgebenden Formationen abzuwandern, weil die Lagerstätte in eine impermeable Formation (z. B. Tonformation) eingebettet ist und auch die Störungszone keine Durchlässigkeit aufweist, so wird der Formationsporendruck vom tieferen Niveau in das höhere Niveau mitgenommen. Der aufgeschobene Lagerstättenteil steht also unter erhöhtem Druck. Hochdrucklagerstätten ergeben sich auch, wenn beispielsweise eine Gaslagerstätte zwischen dem Randwasserkontakt und dem Top der Lagerstätte einen großen Höhenunterschied hat, wie das bei kuppelförmigen Lagerstätten mit großen Trägermächtigkeiten der Fall sein kann (siehe hierzu Abb. I-4). In einer solchen Lagerstätte steht der Top der Lagerstätte unter demselben Druck wie der (tiefer liegende) Randwasserkontakt, abzüglich dem hydrostatischen (besser pneumatostatischen) Druck der Gassäule zwischen diesen beiden Punkten. Das bedeutet, dass im Top der Lagerstätte ein höherer Druck herrscht als in dieser Teufe normal ist, dass also wiederum eine Hochdrucksituation vorliegt. Wie aus Abb. 1-6 zu entnehmen ist, liegt der „normale“ Druckgradient bei 0,105 bar/m. Für der Kopf der Gas Cap Lagerstätte ergibt sich jedoch ein Gradient von 0,117 bar/m, weil an diesem Punkt der am Randwasserkontakt in 3.000 m Teufe anstehende Druck abzüglich des Druckes der Gassäule von 0,025 bar/m × (3000 – 2600) m = 10 bar, also 305 bar, ansteht und nicht 0,105 bar/m × 2600 m – 273 bar, was dem „normalen“ Druckgradienten entsprechen würde.
Abb. I-4: Gas Cap Lagerstätten mit großem Höhenunterschied zwischen Randwasserkontakt und Top der Lagerstätte [BKH]
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Kritisch kann eine Situation dann werden, wenn diese Art der Hochdrucklagerstätte bekannt ist und die Spülung bereits im Deckgebirge auf den Druckgradienten der Lagerstätte beschwert werden muss, der Fracdruck im Deckgebirge jedoch unter dem sich durch das Beschweren der Spülung ergebenden hydrostatischen Druck der Spülungssäule, zuzüglich Sicherheitsdruckbeiwert und/oder Zirkulationsdruckverlust im Ringraum, liegt. Hier ist die Ursache einer ganzen Reihe von Bohrlochschwierigkeiten und auch Untertageblowouts zu sehen. In Formationen, die zwar geschlossen, aber nicht kompaktiert sind, können dagegen Formationsporendrücke auftreten, die unter dem hydrostatischen Druck (< 0,098 bar/m) liegen. Solche Formationen werden als unterhydrostatisch bezeichnet. Hier treten bevorzugt Spülungsverluste auf, die wiederum dazu führen, dass der hydrostatische Bohrlochsohlendruck teilweise selbst bei normalen Lagerstättendrücken nicht mehr ausreicht, um den Lagerstätteninhalt zurückzuhalten, sodass ein Kick eintritt. Nun ist es – abgesehen von bekannten Bohrgebieten – und selbst dort nicht immer einfach, abnormale Formationsporendrücke vorherzusagen. Allerdings gibt es heute eine Reihe von wissenschaftlichen Methoden, insbesondere aus dem Bereich der elektrischen Bohrlochmessungen, aber auch Verfahren, die während des Bohrens angewendet werden können, wie Dichteuntersuchungen der Cuttings, Art der Cuttings, Spülungs- oder Cuttings-Leitfähigkeit, Bohrfortschritt, Temperatur und andere, die recht genaue Schlüsse auf die FormationsporendruckSituation erlauben. Erschwerend oder gefährdend kommt hinzu, dass heute meistens druckausgeglichen gebohrt wird, um einen möglichst hohen Bohrfortschritt zu bekommen. Ein leichtes Ansteigen des Formationsporendruckes kann deshalb schnell zu einer Kicksituation führen.
2.3 Unzureichend gefülltes Bohrloch In sehr vielen Fällen ist das ungenügende Auffüllen des Bohrloches mit Spülung bei Roundtrips Ursache von Kicks. Beim Ziehen des Bohrstranges wird Volumen (Gestängevolumen) aus dem Bohrloch entfernt, was dazu führt, dass die Spülung das verloren gegangene Volumen von unten nach oben im Bohrloch auffüllt. Dadurch kommt es am Bohrlochkopf zu einem Absinken des Spülungsspiegels. Da der hydrostatische Bohrlochsohlendruck (phyd) das Produkt aus Spülungsdruckgradienten (= Spülungsdichte pm geteilt durch 10,2) und vertikaler Bohrlochteufe oder vertikaler Länge der Spülungssäule Tv ist, wird der Bohrlochsohlendruck mit Absinken des Spülungsspiegels in der Bohrung ebenfalls abnehmen: Phyd =
pm ⋅ TV [bar] 10, 2
Das kann, wenn der hydrostatische Bohrlochsohlendruck nur wenige bar über dem Formationsporendruck liegt, wie beim druckausgeglichenen Bohren üblich, sehr schnell zu einer Kicksituation führen. Besonders gravierend wird das beim Ziehen von Schwerstangen, da diese ein weitaus größeres Volumen haben als das Bohrgestänge. Hier den Faktor 3 bis 5 und mehr bezüglich der Auswirkungen auf den Bohrlochsohlendruck einzusetzen, ist sicherlich nicht falsch, und bedeutet, dass der Bohrlochsohlendruck beim Ausbauen von Schwerstangen 3 bis 5 mal so schnell abnimmt wie beim Ausbauen einer entsprechenden Länge Bohrgestänge. Daraus folgt, dass es eine zwingende Notwendigkeit ist, das Bohrloch ständig gefüllt zu halten. In der Praxis geschieht das in der Regel mittels des Triptanks. Dabei ist (noch) zwischen zwei Methoden zu unterscheiden, dem Triptank mit Schwerkraftauffüllung und dem Triptank mit Pumpenförderung (Abb. I-5).
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Abb. I-5: Triptank-Systeme [BKH]
Der Triptank ist ein schmaler, genau ausgeuferter Tank mit relativ kleinem quadratischem, rechteckigem oder rundem Querschnitt, der schon bei geringster Spiegelabsenkung eine Anzeige ergibt und dadurch sehr genaue Messungen erlaubt (Anzeigegenauigkeit im Tiefbohrbetrieb bis zu 25 – 50 Liter). Für den Fall der Schwerkraftauffüllung befindet sich der Triptank im Unterbau der Bohranlage, unmittelbar neben dem Bohrloch. Ist z. B. ein Gestängezug ausgebaut worden und der Spülungsspiegel dabei abgesunken, wird ein entsprechender Schieber am Triptank geöffnet, sodass die Spülung in das Bohrloch hineinfließen kann. Ein Pegelmesser auf der Arbeitsbühne zeigt an, wie viel Spülungsvolumen das Bohrloch aufgenommen hat, und ob dieses Volumen der Anzahl der ausgebauten Bohrstrangmeter (Gestängezüge) bzw. dem dadurch verdrängten Volumen entspricht. Die Pegelskala zeigt deshalb meistens ausgebaute Bohr- oder Schwerstangen oder entsprechende Dreierzüge an. Das Auffüllen des Bohrloches mittels dieser Methode sollte jeweils
I Bohrlochkontrolle
nach Ausbau von einem Gestängezug erfolgen, in kritischen Fällen auch zwischendurch, indem der Strangausbau gestoppt wird. Im Falle der Pumpenauffüllung ist am Triptank eine Kreiselpumpe installiert, die während des Strangausbaus ständig eingeschaltet ist und damit kontinuierlich Spülung in das Bohrloch pumpt. Dadurch kommt es niemals zu einem Abfallen des Spülungsspiegels, weil das ausgebaute Strangvolumen kontinuierlich durch Spülung ersetzt wird. Ist das Bohrloch gefüllt, fließt die eingepumpte Spülung über eine Rücklaufleitung zurück in den Triptank, sodass ein geschlossener Kreislauf entsteht. Die Triptanks müssen nicht unbedingt direkt neben dem Bohrloch platziert werden, da die Länge von Auffüll- und Rücklaufleitung nicht entscheidend ist. Sie werden deshalb in der Regel in die Tankanlage integriert. Die Pegelanzeige wird in elektrische Impulse umgesetzt und per Kabel zu einem entsprechenden Anzeigegerät auf der Arbeitsbühne (Driller Console) übertragen. Diese Methode ist auf jeden Fall zu bevorzugen, da eine kontinuierliche Auffüllung des Bohrloches erfolgt. Diese Triptanks gehören heutzutage zur Standardausrüstung moderner Tiefbohranlagen. Sind Triptanks nicht vorhanden, was bei kleinen Bohranlagen sowie Workoveranlagen durchaus der Fall sein kann, so muss nach dem Ausbauen eines bestimmten Strangabschnitts das Bohrloch mittels der Spülpumpe aufgefüllt werden. Um eine Kontrolle zu haben, ob das aufgefüllte Spülungsvolumen dem ausgebauten Strangvolumen entspricht, können z. B. die zum Auffüllen benötigten Pumpenhübe gezählt und anschließend mit dem Zylindervolumen multipliziert werden. Dabei ist allerdings zu beachten, dass in diese Berechnung der volumetrische Wirkungsgrad der Pumpe eingehen muss, und dass die Ladepumpe, soweit vorhanden, auszuschalten ist, weil ansonsten die Gefahr besteht, dass Letztere durch die Kolbenpumpe hindurchpumpt, wenn diese mit geringer Hubzahl betrieben wird. Auch hier gilt, dass das Bohrloch spätestens nach Ausbau eines Gestängezuges aufgefüllt werden sollte.
2.4 Spülungsverluste Manchmal kommt es auch zu Kicksituationen durch Spülungsverluste, wodurch die Höhe der Spülungssäule und damit der Bohrlochsohlendruck vermindert werden. Kicks, die als Folge von Spülungsverlusten entstehen, können sehr große Schwierigkeiten bereiten, da das Ansteigen des Spülungsspiegels im Bohrloch durch die Verluste, wenn überhaupt, erst sehr spät zu erkennen ist. Außerdem besteht die Gefahr, dass der Lagerstättenzufluss in die Verlustzone umsteigt, was dann zu einem Untertage-Blowout (innerer Blowout, Underground-Blowout) führt. Unglücklicherweise werden solche Kicks auch dann ausgelöst, wenn die Spülungsdichte und damit der Bohrlochsohlendruck dem Formationsporendruck vor Auftreten der Verluste durchaus angepasst waren. In der Regel werden Spülungsverluste durch ein Fracen (Verfahren zur Steigerung der Erdgasförderung durch Verbesserung der Gesteinsdurchlässigkeit bei gering durchlässigen Schichten) des Gebirges ausgelöst oder dadurch, dass z. B. eine lockere Sandformation angebohrt wird, die als Schluckhorizont wirkt. Das Anbohren von größeren Klüften oder Spalten ist dagegen relativ selten. In beiden Fällen ist man auf regionalgeologische Erkenntnisse sowie Erfahrungswerte angewiesen, da sich solche Verlusthorizonte meistens nicht mit anderen Verfahren vorhersagen lassen, schon gar nicht während des Bohrens der betreffenden Bohrung selbst. Der Spülungsspiegel wird in der Regel soweit absinken, bis es in der Verlustzone zu einem Druckausgleich kommt. Der verbleibende hydrostatische Druck kann dann jedoch an anderer Stelle nicht mehr ausreichend sein, um den Formationsinhalt zurückzuhalten, wie aus Abb. I-6 ersichtlich wird.
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2 Kick-Entstehung
Bohrung unter Kontrolle
Gefahr eines Zuflusses
Verlustzone
Spülungsverluste
Abb. I-6: Kicks durch Spülungsverluste [BKH]
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Oftmals kommt es auch zu Spülungsverlusten, wenn aus Furcht vor einem möglichen Kick die Spülungsdichte soweit gesteigert wird, dass eine bisher unerkannte, druckschwache Formation aufbricht, wodurch das Gegenteil von dem erreicht wird, was man erreichen wollte. Die Gefahr wird bei großen Bohrfortschritten um so größer, weil dann die Beladung der im Ringraum aufsteigenden Spülung mit Cuttings sehr stark ansteigt, was wiederum die Dichte dieser Spülung beträchtlich steigern kann, sodass Fracs aufreißen, die durch den hydrostatischen Druck der einzirkulierten Spülung nicht entstehen würden. Aus diesem Grunde sollte die Spülungsdichte zwar so hoch wie notwendig (inklusive Sicherheitszuschlägen) gefahren werden, jedoch nicht höher als unbedingt nötig, unter Berücksichtigung der gängigen Kicktoleranz und der Steigerung der Dichte der aufsteigenden Spülung. Neben der Gefahr von Spülungsverlusten sind auch ein reduzierter Bohrfortschritt und die Gefahr des Pipe Sticking Folgen einer solchen Manipulation. Als weitere Ursache für Spülungsverluste sind übermäßig hohe Druckstöße beim zu schnellen Einbauen des Bohrstranges anzusehen. Swabbing oder Ankolben entsteht immer dann, wenn die Spülung nicht in der Lage ist, ebenso schnell an Bohrwerkzeug und Stabilizern vorbei unter das Bohrwerkzeug zu strömen, wie der Strang gezogen wird. Das ist der Fall bei: • zu schnellem Ausbauen des Stranges • Einsatz von Spülung mit sehr hoher Viskosität und Gelstärke • verklebtem Bohrwerkzeug • verstopftem Strang (Meißeldüsen) • zu dickem Filterkuchen • zu geringer Clearance zwischen Bohrwerkzeug und Bohrlochswand Wird der Bohrstrang aus dem Bohrloch herausgezogen, so muss die Spülung an dem sich nach oben bewegenden Bohrstrang und insbesondere dem Bohrwerkzeug und den Stabilisatoren vorbei in den unteren Bohrlochbereich mit derselben Geschwindigkeit fließen, mit der der Strang ausgebaut wird (Abb. I-7). Hierfür muss eine entsprechende Energie aufgebracht werden, um die Reibung zu überwinden, die um so größer ist, je enger der Spalt ist, durch den die Spülung strömen muss. Das bedeutet, je enger die Clearance zwischen Strang und Bohrloch
I Bohrlochkontrolle
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ist, je höher Dichte, Viskosität und Gelstärke der Spülung sind, und je größer die Geschwindigkeit ist, mit der der Strang bewegt wird, desto größer wird auch die Reibungsenergie sein, die sich letztendlich in Form von leichten Druckverlusten auf der Bohrlochsohle bemerkbar macht.
I Abb. I-7: Swabbing Effekt [BKH]
Um diese leichten Druckverluste kompensieren zu können, wird die Spülung in der Regel immer etwas schwerer gemacht, als unter statischen Bedingungen erforderlich wäre, sodass nach Abzug dieser Reibungsdruckverluste der verbleibende hydrostatische Spülungssäulendruck immer noch ausreicht, um den Formationsporendruck zu kompensieren. Dieser zusätzliche Spülungsdichteanteil wird als sog. „Trip Margin“ oder Sicherheitszuschlag für Tripping bezeichnet. Da es sich in der Regel nur um geringfügige Beträge handelt, werden vielfach feste Beträge zugeschlagen wie beispielsweise: 50 psi = 3,5 bar bei flachen Bohrungen 200 í 300 psi = 1 4 í 2 1 bar bei tieferen Bohrungen Werden diese Drücke in Dichtewerte umgerechnet und der Spülungsdichte hinzugeschlagen, so ergibt sich die erforderliche Spülungsdichte inkl. Sicherheitszuschlägen. Die Trip Margin kann jedoch auch berechnet werden, wobei der Yield Point (= Bingham'sche Fließgrenze) der Spülung als Kriterium für das Fließverhalten der Spülung als Maßstab herangezogen wird. Die Gleichung zur Berechnung der Trip Margin ȡTM lautet: ρTM = Hierin sind:
Y DH Dp
Y 480 ⋅ ( DH − DP )
Yield Point (Fließgrenze) Bohrlochdurchmesser Strangdurchmesser
[kg/l] [dPa] [inch] [inch]
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2 Kick-Entstehung
Manchmal werden auch minimale und maximale Trip Margins angegeben, wobei dann im Nenner der Gleichung die Konstante entweder bei 480 liegt (max. Wert) oder bei 240 (min. Wert). Wird der Yield Point in lb/100 sq ft eingesetzt, so wird im Nenner mit einer Konstanten von 12 (max. Wert) bzw. 6 (min. Wert) gerechnet. Das Ergebnis ergibt sich dann in ppg. Beispiel: 8 ½ " Bohrlochdurchmesser 5" Strangdurchmesser Yield Point = 8 lb/100 sq ft = 38 dPa
I
ȡTM =
38 = 0, 023 [kg / l ] bzw.: 480 ⋅ (8,5 − 5)
ȡTM =
38 = 0,195 ppg = 0, 023 [kg / l ] 12 ⋅ (8,5 − 5)
Die meisten Operatoren empfehlen, dass die Trip Margin der Spülung erst nach dem Totpumpen einer Bohrung hinzugerechnet wird. Damit ergibt sich beim Totpumpen eine größere Flexibilität, da der erforderliche Überdruck während des Totpumpens durch einen zusätzlichen Kopfdruck (Schließen der Düse) aufgebracht und dabei der jeweiligen Situation angepasst werden kann. Der Einfluss der Fahrgeschwindigkeit des Bohrstranges, sowohl beim Aus- wie beim Einbau, geht aus Abb. I-8 hervor. Im Falle des Strangausbaus kommt es dabei zu einem Unterdruck auf der Bohrlochsohle, im Falle des Strangeinbaus zu einem Überdruck oder Druckstoß, dem sog. Surging.
Abb. I-8: Einfluss der Kolbenwirkung auf den Bohrlochsohlendruck [BKH]
I Bohrlochkontrolle
Ein zu schneller Strangausbau kann, besonders bei sehr engen Ringräumen, u.a. verursacht durch einen sehr dicken Filterkuchen und hochviskoser Spülung dazu führen, dass die Spülung in der Zeiteinheit nicht mehr in der Lage ist, an Stabilisatoren und Bohrwerkzeug vorbeizuströmen und den unter dem Werkzeug sich bildenden Hohlraum aufzufüllen. Eine solche Situation führt dazu, dass die Spülungssäule abreißt. Nun wirkt auf die Bohrlochsohle nur noch der hydrostatische Druck der Spülungssäule, die zwischen Bohrlochsohle und dem sich gebildeten Hohlraum ansteht. Geschieht das unmittelbar, nachdem der Meißel von Sohle gefahren wurde, so reicht der Druck der verbleibenden Spülungssäule auf keinen Fall aus, um den Formationsporendruck zu kompensieren. Es muss also zu einem Zufluss von Lagerstätteninhalt und damit zu einem Kick kommen. Aus diesem Grunde ist es besonders wichtig, Swabben oder Ankolben zu Beginn eines Roundtrips zu vermeiden. Besteht die Gefahr des Ankolbens, so muss spülend ausgebaut werden. Wie ersichtlich wird, handelt es sich beim Ankolben oder Swabben in der Regel nicht darum, dass sich das Bohrwerkzeug wie ein Kolben in einem Zylinder nach oben bewegt, sodass hinter dem Kolben (unter dem Bohrwerkzeug) ein Vakuum entsteht und dadurch Formationsinhalt in die Bohrung gesaugt wird. In den meisten Fällen reicht die am Bohrwerkzeug vorbeiströmende Spülungsmenge nicht aus, um den sich unter dem Werkzeug bildenden Hohlraum aufzufüllen, weil das Werkzeug zu schnell gezogen wird. Eine echte Kolbenwirkung kann jedoch dann entstehen, wenn das Bohrwerkzeug (Meißel) verstopft ist, und wenn durch Formationen gebohrt wird, in denen sehr klebriger Ton ansteht, der das Bohrwerkzeug und die Stabilisatoren derart verschmiert, dass diese wie ein Kolben aus dem Bohrloch gezogen werden, also durch den anhaftenden Ton abdichtend an der Bohrlochwand anliegen. Das kommt jedoch relativ selten vor. Da die Ausbaugeschwindigkeit die einzige Größe ist, die ohne großen Aufwand gesteuert werden kann, liegt es nahe, den Bohrstrang so langsam zuziehen, dass die Spülung trotz des geschilderten Reibungseinflusses ausreichend Zeit hat, das Bohrloch unterhalb des Meißels in dem Maße wieder aufzufüllen, wie Volumen durch den ausgebauten Strang freigesetzt wird. Eine Swabkontrolle kann durchgeführt werden, indem man den Tankstand im Triptank genau kontrolliert. Wird geswabt, so wird das Bohrloch entweder weniger Spülung aufnehmen als berechnet, oder es wird gar zu einem Spülungsausfluss kommen. Auf diesen Punkt ein besonderes Augenmerk zu legen, bietet sich auch deshalb an, weil es beim Ankolben gar nicht unbedingt direkt zu einer Kicksituation kommen muss. Es reicht schon aus, dass beim Ankolben ein bestimmtes Gasvolumen in das Bohrloch eindringt und langsam aufsteigt, wobei das Gas aufgrund der Druckverhältnisse expandiert, so lange, bis der hydrostatische Bohrlochsohlendruck so weit reduziert ist, dass größere Gasvolumina in das Bohrloch teilweise schlagartig eindringen können, die schließlich zu einer Kicksituation und möglicherweise zu einem Blowout führen können. Erschwerend kommt hinzu, dass zu diesem Zeitpunkt das Bohrgestänge schon vollständig ausgebaut sein kann. Aber auch beim Einbauen des Bohrstranges sollte die Geschwindigkeit in vertretbaren Grenzen liegen, da es aus den gleichen Gründen wie beim Ausbauen zu Druckstößen kommen kann, wodurch druckschwache Horizonte aufgebrochen werden können. Die Folge sind Spülungsverluste, was wiederum zu einem verminderten hydrostatischen Bohrlochsohlendruck führt. Um vor dem Ziehen des Stranges festzustellen, ob die Gefahr der Kolbenwirkung besteht, sollte der Strang kurz um die Länge der Mitnehmerstange angezogen werden, wobei von Sohle gespült werden sollte. Durch diese Maßnahme erhält man zumindest einige Auskünfte über die Verhältnisse im Bohrloch. Stellen sich beim Ausbau des Stranges Kolbeffekte ein, die durch langsames Ziehen nicht bewältigt werden können, so sollte spülend ausgebaut oder die Spülung soweit beschwert werden, dass trotz der Kolbenwirkung ein ausreichender hydrostatischer Überdruck auf der Bohrlochsohle erhalten bleibt.
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2 Kick-Entstehung
Wie bereits geschildert, ist die Swabgefahr besonders groß, wenn das Bohrwerkzeug von Sohle gefahren wird. Ein anderer kritischer Punkt entsteht, wenn das Bohrwerkzeug aus dem offenen Bohrlochbereich in die vorhergehende Rohrtour gezogen wird, weil es hier zu einer Querschnittsverringerung kommen kann, da Bohrlöcher vielfach Überkaliber haben. Da Swabbing an dieser Stelle jedoch meistens spontan nur schwer festzustellen ist, empfiehlt es sich, dann, wenn das Bohrwerkzeug sich im Rohrschuh befindet, einen Flowcheck durchzuführen, um festzustellen, ob es zu einem Kick gekommen ist oder nicht.
2.5 Vergaste Spülung
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Vergaste Spülung (gas cut mud) wird sehr häufig als Anzeichen eines Kicks angesehen, obwohl es durch vergaste Spülung meistens nicht zu einem Kick kommt. Zunächst einmal ist zu definieren, um welche Art von Gas es sich handelt. Hier unterscheidet man: • Background Gas • Connection Gas und • Trip Gas Background Gas (Hintergrundgas) ist das Gas, das mit den Cuttings zutage gefördert wird, und das die Basislinie des Gasgehaltes ergibt. Dieses Gas ist meistens kein Indiz dafür, dass Lagerstätteninhalt in das Bohrloch eintritt. Vielmehr wird das Gas in Oberflächennähe aus Cuttings sowie Nachfall, die durch den Ringraum auszirkuliert werden, entlöst. Da die Gasentlösung meistens spontan und in Oberflächennähe stattfindet (Abb. I-9), wird ein relativ großes Gasvolumen angezeigt, was darauf zu deuten scheint, dass auch in tieferen Bohrlochbereichen große Gasanteile in der Spülung vorhanden sind, die zu einer Verringerung des Bohrlochsohlendruckes führen. In tieferen Bohrlochabschnitten ist das Gas jedoch noch nahezu ausschließlich in den Cuttings eingeschlossen und bewirkt somit keinerlei Druckreduzierung. Und da die größte Gasentlösung erst kurz vor der Oberfläche stattfindet, ist der Einfluss auf den Bohrlochsohlendruck in diesem Fall geringer.
Abb. I-9: Gas Cut Mud durch Background Gas [BKH]
I Bohrlochkontrolle
Falsch wäre es nun, ohne Überprüfung des Systems auf eine mögliche tatsächliche Kicksituation (Flowcheck), allein aus der Tatsache der vergasten Spülung heraus, die Spülung zu beschweren, denn dadurch wird das Erbohren und Zutagefördern von gashaltigen Cuttings in keiner Weise verhindert. Auch lässt sich dadurch eine Entgasung der Cuttings in den druckschwächeren Oberflächenbereichen nicht umgehen. Allerdings liegt nun die Gefahr nahe, dass es durch den höheren Spülungsdruck zum Aufbrechen des Gebirges und damit zu Spülungsverlusten kommt, was nun tatsächlich zu einer Kicksituation und/oder zum Pipe Sticking führen kann. Der Einfluss durch Background Gas vergaster Spülung auf den Bohrlochsohlendruck kann auf verschiedene Arten ermittelt werden, wobei die Verfahren mehr oder weniger überschlägig arbeiten. Die Ergebnisse zeigen jedoch in diesem Fall, dass die Reduzierung des Bohrlochsohlendruckes, bezogen auf den an der Bohrlochsohle herrschenden Absolutdruck, minimal ist und in der Regel keinen Zufluss von Lagerstätteninhalten in das Bohrloch gestatten dürfte. Trotzdem sollte vergaste Spülung als ein Warnsignal aufgefasst werden, deutet sie doch darauf hin, dass • eine gasführende Schicht durchörtert wurde oder wird, • eine Hochdruck-Gasformation angebohrt wurde mit Formationsporendrücken, die oberhalb des durch die Spülung bewirkten Bohrlochsohlendruckes liegen, deren Permeabilität jedoch so gering ist, dass eine Entgasung direkt nicht oder nur minimal stattfindet, dass aber die Cuttings in Oberflächennähe entgasen. Bei geringer Entgasung der Lagerstätte besteht jedoch die Gefahr, dass sich allmählich im Bohrloch ein Druck aufbaut. • der Bohrlochsohlendruck nur minimal über dem Formationsporendruck liegt, was bei Zirkulationsunterbrechung und dadurch bedingter Reduzierung des Bohrloch-Sohlendruckes um die Reibungsdruckbeträge, verstärkt um Kolbeneffekte oder ein nicht vollständig gefülltes Bohrloch, schnell zu einer Kicksituation führen kann. Connection Gas ist ein erhöhter Gasanfall, der immer dann registriert wird, wenn eine Bohrstange nachgesetzt wird. Durch das Anheben der Mitnehmerstange (Kelly) entsteht unter dem Bohrwerkzeug ein leichter Unterdruck (Swabeffekt), sodass Gas in das Bohrloch eintreten kann. Hinzu kommt, dass es durch das Hochfahren des Stranges zu einem leichten Absinken des Spülungsspiegels kommt, der meistens nicht aufgefüllt wird, und dass der Zirkulationsdruckanteil entfällt, was ebenfalls zu einem Unterdruck auf der Bohrlochsohle führen kann. Alles das bewirkt, dass während des Nachsetzens Gas in die Bohrung eintreten kann. Allerdings ist der Gaszufluss meistens minimal, da die Unterdrucksituation in der Regel nicht sehr groß ist, und da der Zeitraum, in dem Gas zufließen kann, begrenzt ist auf die Nachsetzzeit. Wird Consection Gas zutage zirkuliert, so wird es am Gasmessgerät in Form von Gaspedals registriert, die zeitlich den Nachsetzarbeiten zuzuordnen sind. Connection Gas führt in der Regel nicht zu Kicksituationen, obwohl es sich jeweils um Kicks geringer Volumina handelt. Trip Gas ist schließlich der Gaszufluss, der während des Roundtrips stattfindet. USACheng sind Swabbing, Fortfall des Zirkulationsdruckverlustes und unzureichend gefülltes Bohrloch. Trip Gas kann zum Kick führen, wenn es in Oberflächennähe expansiv ediert und dabei Spülung verdrängt und damit die Unterdrucksituation an der Bohrlochsohle vergrößert. Das Trip Gas Volumen hängt ab von der Größe des Unterdrucks auf der Bohrlochsohle sowie von den Lagerstättenparametern Porosität und Permeabilität Je geringer diese Werte sind, desto langsamer findet eine Entgasung der Formation statt, und desto später wird ein Zufluss erkannt. Das ist u. a. die Ursache dafür, dass Kicks während des Roundtrips auftreten, sowohl während des Strangaus- wie auch während des Strangeinbaus, oder dass Kicks registriert werden, wenn sich kein Strang im Bohrloch befindet oder Bohrlochmessungen durchgeführt werden. Im
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3 Kickerkennung
Gegensatz zum Background Gas ist das Trip Gas somit durchaus eine potenzielle Ursache für einen Kick.
2.6 Menschliches Versagen Ein nicht unwesentlicher Grund für einen Kick kann menschliches Versagen zusammen mit einer oder mehreren der oben genannten Ursachen sein. Menschliches Versagen ist niemals ganz auszuschließen, kann aber reduziert werden, wenn das Personal die folgenden Ansprüchen erfüllt: Erkennen eines Kicks und Kennen der erforderlichen Gegenmaßnahmen. Kennen der Ursachen und Zusammenhänge bei Kicksituationen. Diese Fähigkeiten können trainiert werden durch Simulation von Kicksituationen vor Ort wie auch an geeigneten Simulatoren.
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3 Kickerkennung In Abschnitt 2 wurden die Ursachen für unkontrollierte Zuflüsse, sog. Kicks, erörtert. Hier soll nun dargestellt werden, wie man solche Kicks erkennen kann. Wie schon in anderen Bereichen festgestellt werden konnte, „spricht“ das Bohrloch. Jedoch ist nur der in der Lage, die „Sprache des Bohrloches“ zu erkennen und zu verstehen, der mit der Situation in einem Bohrloch absolut vertraut ist. Bei Kicksituationen gibt das Bohrloch normalerweise ebenfalls eine Reihe von Signalen von sich, die zu kennen und erkennen wichtig ist, um die Kicksituation als solche zu erkennen und entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Nun gibt es allerdings auch Anzeichen, die auf einen Kick hindeuten, jedoch ihre Ursache nicht in einer Kicksituation haben müssen. Diese Zeichen sind von besonderer Bedeutung, weil sie, wenn sie einmal Anlass zu einer Fehldeutung waren, gern bei nächster Gelegenheit verharmlost werden, dann jedoch ein echter Hinweis auf einen Kick sein können. Im Folgenden sollen die verschiedenen Kick-Signale erläutert und auch entsprechend ihrer Bedeutung eingestuft werden. Grundsätzlich ist in der Bohrlochkontrolle zu unterscheiden zwischen Warnzeichen (warning signs) und positiven Kick-Anzeichen (positive kick indications). Zu den Warnzeichen zählen alle Anzeichen, die zwar auf einen Kick hindeuten, die aber auch eine andere Ursachen haben können. Positive Kickindikationen haben nur eine Ursache, den unkontrollierten Zufluss oder Kick. Eine weitere Unterscheidung bei der Kickerkennung ist bezüglich der Situation zu treffen, in der ein Kick bemerkt wird. Hier wird unterschieden zwischen • Kicks während des Bohrens • Kicks während des Roundtrips und • Kicks, wenn sich kein Strang im Bohrloch befindet.
I Bohrlochkontrolle
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3.1 Kickanzeichen während des Bohrens 3.1.1 Warnzeichen 3.1.1.1 Ansteigen der Spülungstemperatur Ein unproportional zur Vertiefung des Bohrloches verlaufendes Ansteigen der Spülungstemperatur kann ein Indiz für eine Formation unmittelbar über einer Hochdruckzone sein. Das liegt daran, dass im Normalfall die Porosität und der Poreninhalt mit zunehmender Teufe abnehmen, während die Kompaktion (Verdichtung = Dichtesteigerung) des Gesteins zunimmt. Dadurch steigt auch die thermische Leitfähigkeit des Gesteins. Hochdruckformationen sind jedoch nicht so kompakt wie normale Formationen, da sie eine höhere Porosität und einen entsprechend hohen Anteil an Poreninhalt haben. Dadurch nimmt die thermische Leitfähigkeit ab und ist niedriger als in den über- und unterlagernden Schichten. Das bedeutet, dass die mit der Teufe zunehmende Temperatursteigerung in einer Hochdruckzone unterbrochen wird, also vorübergehend rückläufig ist. Temperaturlogs (Abb. I-10) zeigen diesen Temperatursprung deutlich an. Wegen der Veränderung der thermischen Leitfähigkeit kommt es direkt oberhalb der Hochdruckformation zunächst zu einem etwas stärkeren Anstieg der Temperatur.
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Abb. I-10: Temperatur-Log [BKH]
(Wärmestau) als das dem normalen Gradientenverlauf entspricht, ehe die Temperatur zurückgeht. Dieser unproportionale Anstieg der Temperatur, der sich auch in der Auslauftemperatur der Spülung bemerkbar machen kann, kann ein Indiz für eine unmittelbar unterhalb der Bohrlochsohle anstehende Hochdruckzone sein. Die Messung der Spülungsauslauftemperatur muss sorgfältig erfolgen. Korrekturen bei Änderung der Spülungsrate, Roundtrips etc. sind vorzunehmen. Außerdem ist ein Temperaturver-
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3 Kickerkennung
gleich zwischen der Temperatur der Spülung, die in das Bohrloch gepumpt wird und der am Auslauf austretenden Spülung unumgänglich, um Änderungen in der Temperatur festzustellen. Nur die Differenztemperatur ist ein Indiz für eine möglicherweise anstehende Hochdruckformation, da die absoluten Temperaturen, insbesondere die Temperatur der Spülung beim Eintritt in die Bohrung, von vielen Faktoren wie Außentemperatur, Verweilzeit im Tanksystem etc. abhängen. Allerdings ist die Temperatur nur ein mittelbares, weil vielfach auch von anderen Faktoren beeinflusstes Indiz, das nur als erstes Warnzeichen zu verstehen ist. Korrelationsdaten, das sind Vergleichsdaten z. B. aus Nachbarbohrungen, sind hilfreiche Informationen, wenn eine erhöhte Auslauftemperatur im Vergleich zur Einlauftemperatur mit einem Kick in Verbindung gebracht werden soll.
3.1.1.2 Zunahme des Salzgehaltes
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Ebenfalls nur als zusätzliches Indiz in Verbindung mit Vergleichsdaten ist ein Ansteigen der Salinität der Spülung zu sehen. Eine Zunahme des Salzgehaltes ist oftmals am Top von Hochdruckzonen zu finden. Wenn eine Formation unter höheren Druck gerät, wird das Wasser aus der Formation herausgepresst, sodass das verbleibende Wasser eine höhere Salzkonzentration hat. Liegt die porös-permeable Hochdruckformation unter einer undurchlässigen Tonschicht, so wird das Salzwasser am Top der Hochdruckformation in diese Tonschicht gepresst und erhöht damit die Konzentration an Salzwasser. Allerdings kann eine Steigerung des Salzgehaltes auch auf einen Salzwasser-Kick hindeuten oder das Durchbohren z. B. geringmächtiger Salzformationen. Um aus dem Anstieg der Salinität der Spülung auf einen Kick zu schließen, müssten andere Warnsignale vorausgegangen sein, die einen deutlicheren Hinweis liefern.
3.1.1.3 Änderung der Bohrgeschwindigkeit (Drilling Break) Eine plötzliche Änderung des Bohrfortschritts, bekannt unter der engl. Bezeichnung „Drilling Break“, ist ebenfalls ein Warn-Anzeichen eines möglichen Kicks. Steigt der Bohrfortschritt plötzlich an, so kann angenommen werden, dass das Druckgleichgewicht auf der Bohrlochsohle erheblich gestört wurde durch einen starken Anstieg des Formationsporendruckes, sofern kein Formationswechsel stattgefunden hat oder sich Spülungsparameter oder Meißeldrehzahl oder -belastung geändert haben. Die aus der Bohrlochsohle gelösten Bohrkleinteilchen werden nun, bedingt durch den Unterdruck im Bohrloch bzw. den Überdruck in der Formation, sofort nach dem Loslösen hochgeschleudert und vom Spülstrom abtransportiert. Normalerweise geht man davon aus, dass die Gesteinsteilchen für eine längere Zeit durch den gegenüber dem Formationsporendruck höheren Bohrlochsohlendruck auf der Bohrlochsohle zurückgehalten werden. Das bedeutet auch, dass mehrere Meißelzähne das Gesteinsteilchen bearbeiten und dabei zerkleinern, was sich in einem langsameren Bohrfortschritt niederschlägt. Beinhaltet die Formation nun Gas oder Flüssigkeit, so tritt diese ebenso begierig in das druckschwächere Niveau des Bohrloches ein – ein Kick ist entstanden. Da aber nicht sicher ist, ob der erhöhte Bohrfortschritt durch einen Unterdruck auf der Bohrlochsohle zustande gekommen ist, oder ob ein nicht erkannter Formationswechsel stattgefunden hat, ist ein Drilling Break nur als sekundäres Indiz bzw. Warnanzeichen anzusehen. Besondere Aufmerksamkeit ist aber geboten. So sollte zur Sicherheit ein Flowcheck durchgeführt werden, der Klarheit darüber gibt, ob ein Kick eingetreten ist oder nicht.
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3.1.1.4 Änderung von Cuttingsform, -größe und -menge Wie im vorstehenden Abschnitt bereits zum Ausdruck gebracht wurde, bedeutet ein Drilling Break, dass ein erhöhter Bohrfortschritt dadurch stattfindet, dass die aus dem Gebirgsverbund gelösten Gesteinsteilchen (Cuttings) hochgeschleudert und abtransportiert werden, und dass eine Nachzerkleinerung der Teilchen dadurch, dass sie auf der Bohrlochsohle zurückgehalten und von weiteren Schneidelementen des Bohrwerkzeugs bearbeitet werden, nicht stattfindet. Das bedeutet, dass die Cuttings, die zutage kommen, sich in Form und Größe von denen unterscheiden, die normalerweise ausgetragen werden. Cuttings eines Drilling Breaks sind größer als andere, weil sie nicht nachzerkleinert wurden, und sie haben scharfkantigere Formen. Hinzu kommt, dass mehr Cuttings zutage kommen, als beim normalen Bohren, da der Bohrfortschritt gesteigert wurde, wie beschrieben. Wird in sehr weichen, marinen Sedimenten gebohrt, kann das dazu führen, dass der Cuttingsanfall so groß wird, dass sich die Schüttelsiebe zusetzen (blinding), da die Sieböffnungen dem gesteigerten Cuttingsanfall nicht mehr entsprechen. Laufen die Siebe über, so geht auch die Bohrlochkontrolle verloren, weil in einem solchen Fall ein Flowcheck negativ ausfallen kann. Man sollte die Spülungszirkulationsrate reduzieren, bis die Siebe die anfallenden Cuttings wieder verarbeiten können und dann einen Flowcheck durchführen, wenn zu befürchten ist, dass man die Kontrolle über die Bohrung verloren hat. Auch kann es durch einen erhöhten Formationsporendruck zu Nachfall aus der Bohrlochswand im Bereich der Bohrlochsohle kommen, was einen zusätzlichen Cuttingsanfall übertage bedeutet. Sofern also eine Änderung in Cuttingsgröße, Cuttingsform und Cuttingsvolumen am Schüttelsieb beobachtet wird, sollte das als ernst zu nehmendes Warnzeichen für einen möglichen Überdruck in der Formation genommen und ein Flowcheck durchgeführt werden.
3.1.1.5 Änderung der Drehtisch-Drehzahl Bedingt durch das sich ändernde Stranggewicht und den erhöhten Bohrfortschritt (Drilling Break) kann es zu einer Änderung des Drehtisch-Drehmomentes und damit der DrehtischDrehzahl kommen. Typisch für eine solche Situation ist, dass die Drehzahl starken Schwankungen unterworfen ist und sich nicht auf einen festen Wert einpendelt. Eine Drehmoment-Steigerung kann auch dadurch ausgelöst werden, dass infolge der Verschiebung des Druckgleichgewichts auf Sohle größere Cuttings erbohrt werden, die insbesondere im Ringraum zwischen Schwerstangen und Bohrlochwand zu einer sehr hohen Beladung der Spülung und damit zu einer Erhöhung des Drehmomentes im Schwerstangenbereich führen. Auch dieser Effekt kann andere Ursachen (beispielsweise defektes Getriebe) haben und zählt als Warn-Anzeichen.
3.1.1.6 Verschnittene Spülung (cut mud) Unter dem Begriff „Cut Mud“ versteht man Spülung, die mit Gas oder einer leichteren Lagerstättenflüssigkeit durchsetzt oder „verschnitten“ (cut) ist, was dazu führt, dass die Gesamtdichte der Spülung und damit der Bohrlochsohlendruck reduziert wird. In den meisten Fällen wird Gas das beigemischte Medium sein, sodass man dann von gasverschnittener Spülung (gas cut mud) spricht. Wird also eine reduzierte Spülungsdichte am Auslauf beobachtet, so kann das
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3 Kickerkennung
ein Indiz für einen Kick sein. Allerdings ist es auch möglich, vergaste Spülung zu bekommen, wenn Gas in den Cuttings enthalten ist und dieses beim Aufsteigen aus den Cuttings austritt (Background Gas). Diese Art von vergaster Spülung ist ungefährlich. Allerdings sollte auf jeden Fall ein Flowcheck durchgeführt werden, um sicherzugehen, ob ein Kick stattgefunden hat oder nicht, und ob der durch den Gasanteil reduzierte Bohrlochsohlendruck noch ausreichend ist, um den Lagerstätteninhalt zurückzuhalten. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Feststellung, dass, wenn eine Bohrung beim Durchbohren eines Gashorizontes nicht kickt, nach dem Auszirkulieren des gelösten Gases die Gefahr eines späteren Kicks aus dieser Formation äußerst gering ist, sofern der hydrostatische Druck der Spülungssäule höher ist als der Formationsporendruck, und sofern nicht aus anderen Gründen die Dichte der Umlaufspülung später herabgesetzt wird.
3.1.1.7 Abnahme des Pumpendruckes und Zunahme der Hubzahl
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Eine Abnahme des Zirkulationsdruckes kann ein Anzeichen für einen eingetretenen Kick sein, da ein Zufluss von Gas oder Flüssigkeit geringerer Dichte die hydraulischen Ringraumdruckverluste herabsetzt. Die Dichte der im Ringraum befindlichen Spülung wird geringer als die der eingepumpten Spülung. Diese Dichte-Reduzierung bewirkt aber auch, dass die schwerere, in das Gestänge eingepumpte Spülung nach unten fällt, wodurch eine gewisse Saugwirkung auf die Pumpe ausgeübt wird (U-Rohr-Effekt). Die Folge davon ist, dass die Pumpe schneller läuft. Wird die Drehzahl des Pumpenmotors nicht verändert, bleiben also die Einstellungen unverändert, so kann der Zirkulations- oder Pumpendruck nach temporärem Abfall auch wieder ansteigen, da sich der Zirkulationsdruckverlust im Ringraum durch den Eintritt eines leichteren Mediums zwar verringert, durch die erhöhte Pumpenhubzahl und, dadurch bedingt, die höhere Volumenstromrate, wieder ansteigt, was letztlich zum Ausgleich führt. Wird allerdings die Pumpenhubzahl auf die ursprüngliche Hubzahl reduziert, so bleibt der Zirkulationsdruck niedriger als ursprünglich. Tritt dagegen Salzwasser in die Bohrung ein und wird mit ungeschützter Ton-SüßwasserSpülung gebohrt, so flockt der Ton zunächst aus. Das bewirkt dann ein Ansteigen des Pumpendruckes. Erst bei einem größeren Kickvolumen kommt es durch die erwähnte DichteReduzierung zu einem Abfall des Zirkulationsdruckes. Allerdings kann der Abfall des Zirkulationsdruckes auch ein Indiz dafür sein, dass das Gestänge undicht ist (washout, twist-off), oder dass eine Meißeldüse verloren gegangen ist. Die Abnahme des Pumpendruckes ist deshalb nur ein sekundäres Indiz für einen Kick.
3.1.1.8 Änderung des Stranggewichtes Der Bohrstrang erfährt im Bohrloch durch die Spülung einen Auftrieb, der dem Gewicht der verdrängten Spülung entspricht und somit von der Dichte der Spülung beeinflusst wird. Tritt nun ein Kick in das Bohrloch ein, so wird die Gesamtdichte der Spülung reduziert, der Auftrieb verringert sich, und die Gewichtsanzeige am Drillometer steigt an. Da jedoch auch andere Einflussfaktoren diesen Effekt auslösen können, handelt es sich hierbei nur um ein sekundäres Indiz.
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3.1.1.9 Änderung der Tonsteindichte Mit zunehmender Teufe wird jedes Gestein durch den überlagernden Gebirgsdruck kompaktiert und verfestigt. Das bedeutet, dass der Porenraum verringert und in den Poren befindliches Wasser in umgebende, porös-permeable Formationen abfiltriert wird. Dadurch befindet sich in einem bestimmten Gesteinsvolumen (z. B. 1 cm3) mehr Gesteinsmaterial oder Matrix, was zu einer Dichtesteigerung des Gesteins führt. Normal ist also, dass die Dichte ein- und desselben Gesteins mit zunehmender Teufe ansteigen wird. Befindet sich aber eine undurchlässige Tonschicht über einer Hochdruckformation, so wurde, wie bereits in früheren Kapiteln ausgeführt, Salzwasser aus dieser Formation in die überlagernden Schichten als Folge der Kompaktion der Hochdruckschicht abfiltriert, sodass sich die Porosität der überlagernden Schicht unproportional zur Teufe verringert, das Gestein also eine niedrigere Dichte hat, als es seiner Teufenlage oder dem Trend entspricht. Wenn also Tonpartikel zutage gefördert werden, deren Dichteniedriger ist, als es dem Trend entspricht, so kann das ein Indiz für eine anstehende Hochdruckformation und einen möglicherweise bevorstehenden Kick sein. Allerdings gilt auch hier, dass im Verlauf der Bohrungen verlässliche Messungen der Gesteinsdichte der zutage kommenden Cuttings durchgeführt wurden, sodass eine solche Anomalie erkannt werden kann. Auch hier wird ein Flowcheck Sicherheit darüber geben, ob ein Kick eingetreten ist oder nicht.
3.1.2 Positive Kick-Anzeichen 3.1.2.1 Zunahmen der Spülungsauslaufrate Eine Zunahme der Spülungsauslaufrate bei konstanter Pumprate ist eines der ersten deutlichen Anzeichen, die auf einen Kick hindeuten. Eine Zunahme der Fließrate zeigt an, dass aus der Formation Flüssigkeit oder Gas in das Bohrloch eintritt, und dass dieses zufließende Medium zusammen mit der Spülung aus der Bohrung auszirkuliert wird. Je größer der Zufluss aus der Formation ist, desto größer wird die Auslaufrate sein. Die Überwachung der Spülungsauslaufrate gehört heutzutage in der Tiefbohrtechnik zum Standard. Die Art der Messungen ist jedoch unterschiedlich. Sie hängt zunächst einmal davon ab, ob der Spülungsauslauf eine offene Rinne oder ein geschlossenes Rohr ist. Bei einer Rinne kann mittels eines auf dem Spülstrom schwimmenden Paddels gearbeitet werden. Nimmt die Auslaufrate zu, so steigt der Spiegel in der Rinne wegen des kleinen Querschnitts der Rinne an, und das Paddel wird nach oben ausgelenkt. Die Bewegung des Paddels erzeugt einen elektrischen Impuls, der auf ein Messgerät übertragen wird und einen bestimmten Zufluss anzeigt. Durch Eichung des Gerätes kann man den Zufluss auch quantifizieren. Bei Auslaufrohren kann ein Paddel nicht installiert werden. Hier wird in der Regel mittels Ultraschall-Messungen gearbeitet, wobei der Abstand von der Messsonde zur Oberfläche des Spülungsstromes gemessen wird, oder es wird induktiv die Dicke der Spülungsschicht des Auslaufstromes gemessen. Letzteres Verfahren hat aber den Nachteil, dass es bei Ölspülungen nicht eingesetzt werden kann. Die Übertragung der Messergebnisse erfolgt elektrisch auf entsprechende Anzeigegeräte am Steuerstand der Bohranlage. Diese Geräte zeigen in der Regel nur einen Zufluss oder einen Verlust als solchen, nicht jedoch die zugehörigen Volumina, an. Die beste Methode, einen Zufluss oder einen Verlust festzustellen, ist jedoch die Differenzmessung zwischen der Rate,
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3 Kickerkennung
die in das Bohrloch hinein gepumpt wird, und der, die das Bohrloch am Auslauf verlässt. Mittels dieser Methode können auch alle Pumpenschwankungen erfasst werden.
3.1.2.2 Anstieg der Tank-Füllstände
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Steigen die Spülungsspiegel in den Umlauftanks an, ohne dass neue Spülung dem Umlaufsystem zugesetzt wird, so zeigt das, dass ein Kick eingetreten ist. Die Zunahme an Spülungsvolumen in den Tanks ist gleichzeitig ein Maß für das Gas- oder Flüssigkeitsvolumen, das aus der Formation in das Bohrloch eingetreten ist. Eine Tankstandszunahme von z. B. 2 m3 zeigt einen 2 m3-Kick an. Allerdings ist zu beachten, dass der Spülungsspiegel in den einzelnen Tanks nur dann in allen Tanks gleich ist, wenn keine Spülung zirkuliert wird. Findet Spülungszirkulation statt, so wird der Tankstand im Saugtank unmittelbar vor der Pumpe am niedrigsten und in dem ersten Tank hinter dem Auslauf am höchsten sein. Die Tankstandmessgeräte messen deshalb den Tankstand zwischen allen angeschlossenen Tanks, was naturgemäß zu einer gewissen Ungenauigkeit in der Anzeige eines Zuflusses führen muss. Hinzu kommt, dass die Oberfläche aller Tanks sehr groß ist, sodass z. B. 1 cm Zunahme des Spülungsspiegels einem relativ großen Zuflussvolumina entspricht. Hat beispielsweise ein Tank (50 m3 Tank) eine Abmessung von 10 m × 2 m, so entspricht eine Pegelzunahme von nur 1 cm einem Zuflussvolumen von etwa 200 Litern. Sind mehrere Tanks zusammengeschlossen, so wird das Volumen entsprechend größer. Weiterhin ist zu beachten, dass eine Tankpegelmessung meistens einen Zufluss von 1 cm gar nicht erkennen kann, da die Empfindlichkeit der Messgeräte auf größere Spiegelschwankungen eingestellt ist. Das ist erforderlich, weil z. B. durch die Rührwerke in den Tanks eine entsprechende Wellenbewegung an der Tankoberfläche stattfindet, die von den Messgeräten ignoriert werden muss. Aus diesem Grunde ist die Messung des Volumenstromes am Spülungsauslauf nicht nur die erste Möglichkeit, einen Zufluss (Kick) zu erkennen, sondern auch die genaueste. Die Tankstandsmessung ist dann jedoch wichtig, um das gesamte Zuflussvolumen nach dem Einschließen der Bohrung zu ermitteln. Wichtig ist auch, dass der Driller über sämtliche Manipulationen am Spülungssystem informiert ist. Wird dem Tanksystem beispielsweise Spülung zugeführt oder wird Spülung ausgeschert, so kommt es zwangsläufig zu einer Zunahme oder Abnahme der Tankstände, die der Driller dann als Zufluss (Kick) oder Spülungsverluste deuten muss, wenn ihm die entsprechenden Informationen fehlen. Die Spiegelmessungen erfolgen in der Regel durch Schwimmer, die auf der Spülungsoberfläche in den Tanks aufliegen und an Spindeln auf- und abbewegt werden, oder mittels berührungsfreier Ultraschallmessungen. Letztere haben den Vorteil, dass keine mechanischen Teile im Einsatz sind, die durch die Spülung verklebt und damit nicht mehr gängig werden können. Die Übertragung der Messergebnisse erfolgt elektrisch auf entsprechende Anzeigen am Steuerstand der Bohranlage. Vielfach werden heutzutage, besonders bei tiefen HochdruckAufschlussbohrungen, auch schreibende Geräte eingesetzt, um jederzeit nachvollziehen zu können, was sich zu einem bestimmten Zeitpunkt abgespielt hat. Diese Geräte geben eine quantitative Anzeige von Zufluss oder Verlust an.
3.1.2.3 Ausfließen der Spülung bei abgeschalteten Pumpen Fließt auch bei abgeschalteten Pumpen Spülung aus dem Bohrloch aus, so zeigt das an, dass ein Kick eingetreten ist. Eine Ausnahme ist, wenn schwerere Spülung als im Umlauf befind-
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lich durch das Gestänge eingepumpt wird und die Pumpen gestoppt werden, ehe die schwere Spülung die Bohrlochsohle erreicht hat. Aufgrund ihrer größeren Dichte sinkt die schwere Spülung nach unten und verdrängt dabei die leichtere Spülung aus dem Ringraum.
3.2 Anzeichen während des Roundtrips Neben den Kick-Anzeichen, die während des Bohrens auftreten, gibt es auch Anzeichen, die einen Kick während des Roundtrips anzeigen. Hierbei handelt es sich ausschließlich um positive Kick-Anzeichen. Diese sind besonders wichtig, weil sich die überwiegende Zahl von Kicks und die daraus resultierenden Blowouts während die Roundtrips einstellen.
3.2.1 Das Bohrloch nimmt während des Roundtrips nicht das berechnete Spülungsvolumen auf Wenn beim Auffüllen des Bohrloches beim Ziehen des Stranges von der Bohrung weniger Spülungsvolumen aufgenommen wird als der Verdrängung durch die ausgebauten Strangelemente entspricht, muss davon ausgegangen werden, dass ein Zufluss stattgefunden hat. Auch hier wird ein Flowcheck Sicherheit bringen, es sei denn, dass vor dem Ziehen eine Pille eingepumpt wurde. Es sei noch darauf hingewiesen, dass in einer solchen Situation ein Überlaufen des Bohrloches nicht stattfinden muss, da der Zufluss zunächst das vom Bohrstrang verdrängte Volumen auffüllen muss, wenn kein kontinuierliches Auffüllen des Bohrloches durchgeführt wurde. Beim Einpumpen einer beschwerten Pille verändert sich der Bohrlochsohlendruck übrigens so lange nicht, wie sich die Pille im Bohrstrang befindet.
3.2.2 Das Bohrloch läuft während des Einbauens stark über Wichtig ist auch, den Überlauf des Bohrloches während des Gestängeeinbaus zu kontrollieren, was häufig für überflüssig gehalten wird. Aber auch beim Einbauen kann es zu Kicksituationen kommen, z. B. durch Druckstöße bei zu schnellem Fahren, wodurch es zum Aufbrechen von druckschwachen Zonen kommen kann mit Spülungsverlusten, sodass der dann verbleibende Bohrlochsohlendruck unter den Formationsporendruck abfällt. Eine andere Ursache kann sein, dass das Gas einer während des Stillstands vergasten Spülung durch die Bewegung beim Einbauvorgang (Brechen der Gelstruktur) besser aufsteigen und sich ausdehnen kann, was ebenfalls zu einer Reduzierung des Bohrlochsohlendruckes führt. Tritt beim Einbauen des Stranges ein Kick ein, so läuft das Bohrloch unverhältnismäßig stark über. Es ist deshalb angeraten, auch beim Strangeinbau die Spülung in den Triptank zu leiten, um eine Kontrolle über das austretende Spülungsvolumen zu haben.
3.3 Anzeichen, wenn sich kein Gestänge im Bohrloch befindet Befindet sich kein Gestänge im Bohrloch, so gibt es nur ein positives Kick-Anzeichen, nämlich einen Zufluss in den Tanks. Es ist deshalb wichtig, dass das Tanksystem regelmäßig in
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3 Kickerkennung
Abständen von etwa 20 – 30 Minuten kontrolliert wird oder an eine automatische Tankstandsüberwachung angeschlossen ist. Das kann jedoch nur dann erfolgen, wenn das Bohrloch, nachdem die letzten Strangelemente ausgebaut wurden, ordnungsgemäß aufgefüllt wurde, da ein Zufluss ansonsten erst das Bohrloch auffüllen würde, was zunächst kaum bemerkt werden dürfte. Hilfreich ist auch den Auslauf der Bohrung mit dem Triptank zu verbinden, da ein Zufluss im Triptank wesentlich eher bemerkt werden kann als im normalen Tanksystem, da die dort installierten Anzeigegeräte eine zu große Anzeige-Ungenauigkeit haben. Das Anzeigegerät im Auslauf (Flowline Indicator) ist bei Kicks, die dann auftreten, wenn keine Spülung umgepumpt wird, nicht unbedingt verlässlich, da solche Geräte gewisse Flüssigkeitsvolumina benötigen, um aktiviert zu werden. Ist der Zufluss jedoch gering, so besteht die Gefahr, dass das Gerät nicht anzeigt. Geringe Zuflussraten können jedoch, wenn sie längere Zeit unbemerkt bleiben, einen großen und damit gefährlichen Kick ergeben.
3.4 Der Flowcheck
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Tritt während des Bohrens, während des Roundtrips oder auch dann, wenn sich kein Gestänge im Bohrloch befindet, ein Kick-Warn-Anzeichen auf, so muss, da ein Kick nicht eindeutig als solcher identifiziert werden kann, ein sogenannter Flowcheck (Fließkontrolle) durchgeführt werden. Erst der Flowcheck liefert Sicherheit, ob weitergearbeitet werden kann, oder ob zunächst eine Kick-Bekämpfung zu erfolgen hat. Je nachdem, in welcher Situation sich die Bohrung befindet, wird beim Flowcheck folgendermaßen vorgegangen: Flowcheck beim Bohren • obersten Tooljoint (Gestängeverbinder) über den Drehtisch fahren • Pumpen abstellen • Auslauf mit dem Triptank verbinden • Triptank-Inhalt ermitteln und notieren • Zufluss in dem Triptank beobachten und notieren ( 5 - 1 0 Minuten, bei niedrig• permeablen Formationen und Ölspülung auch länger)Ergebnisse des Flowchecks im Tagesrapport festhalten. Flowcheck beim Roundtrip • obersten Tooljoint über den Drehtisch fahren, • (also weder Gestänge abschrauben noch nachsetzen), • Keile setzen und Elevator hochfahren, • vollständig zu öffnendes Sicherheitsventil in geöffnetem Zustand auf den Strang aufsetzen, kontern und schließen, • Bohrloch vollständig auffüllen (sofern nicht ohnehin schon geschehen), • Auslauf mit dem Triptank verbinden (sofern nicht ohnehin schon geschehen), • Triptank-Inhalt ermitteln und notieren, • Zufluss in dem Triptank beobachten und notieren ( 5 - 1 0 Minuten, bei niedrig permeablen Formationen und Ölspülung auch länger), • Ergebnisse des Flowchecks im Tagesrapport festhalten. Flowcheck, wenn kein Gestänge im Bohrloch ist: Bohrloch vollständig auffüllen • Auslauf mit Triptank verbinden (sofern nicht ohnehin schon geschehen), • Triptank-Inhalt ermitteln und notieren,
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• Zufluss in dem Triptank beobachten und notieren ( 5 - 1 0 Minuten, bei niedrig permeablen Formationen und Ölspülung auch länger), • bei Zufluss mit Blindbacken einschließen. Die vorstehend geschilderten Vorgehensweisen beziehen sich ausschließlich auf normale Tiefbohrungen mit gängigen Bohrlochkonstruktionen. Sie gelten beispielsweise nicht für Slimhole-Bohrungen, da hier Flowchecks grundsätzlich nicht durchgeführt werden, sondern die Bohrung bei Kickanzeichen schnellstmöglich eingeschlossen wird, was nach Ablauf eines Zeitraumes von einigen Sekunden sogar automatisch geschieht, wenn der Driller nicht entsprechend reagiert. Wichtig ist, einen Flowchecks so durchzuführen, dass ein möglicher Zufluss am Auslauf oder im Triptank kontrolliert wird, nicht aber dadurch, dass in das offene Bohrloch geschaut wird, da ein Ausbruch nicht ausgeschlossen werden kann und gegebenenfalls Sauergas-Gefahr besteht. Zeigt der Flowcheck ein negatives Ergebnis (kein Zufluss!) so kann die begonnene Arbeit fortgesetzt werden. Eventuell kann zu einem späteren Zeitpunkt ein nochmaliger Flowcheck durchgeführt werden. Zeigt der Flowcheck dagegen ein positives Ergebnis (Zufluss), so muss die Bohrung sofort eingeschlossen werden.
4 Bohrlochbeherrschung Nachdem nun die Kick-Entstehung und die Kickerkennung diskutiert wurden, soll als Kernsatz festgehalten werden, dass es die wichtigste Aufgabe des Bohrpersonals sein sollte, Kicks erst gar nicht entstehen zu lassen, d. h. das Bohrloch jederzeit so zu beherrschen, dass ein Zufluss von Lagerstätteninhalten in die Bohrung gar nicht stattfinden kann. Daraus folgt, dass Bohrlochbeherrschung das Beherrschen des Formationsporendruckes während der Bohrarbeiten schlechthin bedeutet. Man kann die Bohrlochbeherrschung in eine primäre und eine sekundäre Gruppe einteilen. Eine dritte (tertiäre) Gruppe wird oftmals noch für spezielle Techniken, wie beispielsweise das Einpumpen von Schwerspat- oder Zementstopfen oder das Strippen bzw. Snubben eingeräumt. Darüber hinaus kann auch das Löschen und Einschließen eruptierender Bohrungen (Ausschießen, Entlastungsbohrungen, Preventermontage auf eruptierende Sonden und andere Methoden) hierzu gezählt werden.
4.1 Primäre Bohrlochbeherrschung Die primäre Bohrlochbeherrschung bezieht sich auf das „normale“ Bohren und besagt, dass die Dichte der Bohrspülung so hoch sein soll, dass der hydrostatische Druck der Spülungssäule über dem Formationsporendruck liegt, sodass der Lagerstätteninhalt auch dann, wenn keine Spülungszirkulation stattfindet, vom hydrostatischen Druck der Spülungssäule zurückgehalten wird. Das ist auch die Definition der primären Bohrlochkontrolle gemäß API RP 59. Wird das Überdruckverhältnis (overbalance) der Spülung gegenüber dem Formationsporendruck gestört, so kann das, wie eingangs bereits ausgeführt wurde, daran liegen, dass • der Formationsporendruck unverhältnismäßig stark ansteigt (Überdrucklagerstätte), • die Dichte der Spülung abnimmt (Cut mud),
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4 Bohrlochbeherrschung
• die Höhe der Spülungssäule abnimmt (Nicht-Auffüllen bei moundtrip Spülungsverluste). Besonders beim Nachsetzen kann die primäre Bohrlochbeherrschung gefährdet werden. Wird die Mitnehmerstange mit der nachzusetzenden Bohrstange verschraubt und der untere Kellyhahn geöffnet, so fehlt Spülungsvolumen im Bohrloch, bevor die Pumpe gestartet wird. Dieses Volumen kann bis zu etwa 800 I betragen, sodass Kicks im Bereich dieser Volumina meistens nur schwer zu erkennen sind.
4.2 Sekundäre Bohrlochbeherrschung 4.2.1 Allgemeines
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Tritt trotz entsprechender Vorsichtsmaßnahmen beim Bohren ein Kick ein, so kommen die Maßnahmen der sekundären Bohrlochbeherrschung zur Anwendung. Diese Maßnahmen umfassen das Einschließen des Bohrloches und das Totpumpen desselben. Wird das Bohrloch nach Eintritt eines Kicks schnellstmöglich eingeschlossen, so kann ein möglicher Blowout verhindert werden, da ein Blowout immer die Folge eines nicht unter Kontrolle gebrachten Kicks ist. Das Einschließen geschieht mittels der Blowout-Preventer-Anlage (BOP-Stack), wobei die Vorgehensweise beim Einschließen unterschiedlich sein kann. Eine Gefahr beim schnellen Einschließen wird oftmals darin gesehen, dass es zu Beschädigungen der Übertage-Ausrüstungen kommen könnte, oder dass durch das Einschließen die Formation fracen könnte. Letzteres würde zu einem inneren oder Untertage-Blowout (Umsteigen des Kicks in eine gefracte, druckschwächere Formation) führen. Diese Befürchtung ist jedoch unbegründet. Wird der Bohrung gestattet, vorerst weiterzufließen, so könnte es notwendig werden, die Bohrung zu einem späteren Zeitpunkt einzuschließen, dann, wenn sich die Druckverhältnisse weitaus ungünstiger entwickelt haben und die Gefahr des Fracens weitaus größer ist als zu Anfang. Das zeigt nachstehende Tabelle für eine etwa 5000 m tiefe Bohrung mit normalem Bohr- und Verrohrungsschema (8.1/2" Bohrloch, 6.1/4" DC, Spülungsdichte 1,4 kg/l, Formationsporendruck 730 bar), der gestattet wurde, bei einer Kicksituation frei auszufließen. Berechnet wurden der Zufluss an Gas und der zugehörige Casingdruck nach dem Einschließen: Gaszufluss [m3] 1 2 3 4 5 6
Casingdruck Tbar] 52 60 69 77 85 93
Zuflusshöhe im Bohrloch [m] 59,5 119,0 178,6 238,0 297,6 357,1
Je größer also der Zufluss, desto höher ist auch der Druck im Ringraum nach dem Einschließen und beim Auszirkulieren eines Gaskicks und damit die Gefahr eines Fracs und eines Underground Blowouts. Beim Einschließen einer Bohrung beim Bohren sieht API RP 59 zwei Methoden vor, • das weiche Einschließen (soft close-in procedure) und • das harte Einschließen (hard close-in procedure).
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4.2.2 Einschließverfahren beim Bohren Je nachdem, welche Einschließ-Methode praktiziert werden soll, sind bereits während des Bohrens gewisse Vorkehrungen zu treffen, damit das Einschließen der Bohrung mittels der ausgewählten Methode im Falle eines Kicks unverzüglich vorgenommen werden kann. Hierzu gehört, dass in der Düsenleitung oder Chokeline einige Schieberstellungen entsprechend dem Einschließverfahren vorgegeben sein müssen. Nach API und IWCF wird bei den beiden Verfahren bei ortsfesten Bohranlagen wie folgt vorgegangen:
4.2.2.1 Weiches Einschließen Schieberstellungen: • Hydraulisch betätigter Chokeline Schieber (HCR) geschlossen, • Düsenleitung offen, • Automatikdüse zu 50 – 100% offen. Einschließvorgang • Drehtisch stoppen • obersten Tooljoint (Gestängeverbinder) über den Drehtisch fahren, • Pumpen stoppen, • Hydraulisch betätigten Chokeline Schieber (HCR) öffnen, • Ring- oder Backenpreventer schließen, • Düse schließen, • Drücke und Zuflussvolumen notieren. Wird mit Topdrive gebohrt, so wird dieser soweit nach oben gefahren, bis sich der untere Kellyhahn über dem Drehtisch in Arbeitshöhe befindet. API geht davon aus, dass durch das Schließen der Düse (Choke) ein weiches und langsames Einschließen der Bohrung erfolgt, sodass sich auch der Druck in der Bohrung langsam aufbaut. Dadurch ist es möglich, den Druckaufbau im Ringraum, abzulesen am Düsen- oder Casingmanometer, genauer zu beobachten. Als weiterer Vorteil wird angesehen, dass bei Anstehen gebrächer oder druckempfindlicher Formationen durch den langsamen Druckaufbau keine Druckstöße auf diese Formationen ausgeübt werden, die ansonsten leicht zu Nachfall neigen könnten. Gleiches gilt auch für druckschwache Formationen, die durch einen Druckstoß im Bohrloch gefract werden könnten. Nachteilig bei dieser Methode ist, dass sich die Einschließzeit vergrößert, sodass ein größerer Zufluss stattfindet. API sagt nichts darüber aus, welcher Preventer geschlossen werden soll. Aus diesem Grunde wurden bei vorstehender Einschließprozedur auch Ring- oder Backenpreventer genannt. Es bleibt somit der Philosophie des Operators überlassen, welcher Preventer zu schließen ist. Wird der Ring- oder Universalpreventer geschlossen, so ist man sicherlich am flexibelsten, weil dieser um jeden beliebigen Querschnitt (sechskantige Mitnehmerstange, Tooljoint mit größerem Außendurchmesser als die Bohrstange, Schwerstangen) geschlossen werden kann. Außerdem ist es sogar möglich ist, den Preventer zu schließen, wenn sich ein halber Tooljoint im Preventerbereich befindet, sich also zwei unterschiedliche Querschnitte im Bereich der Dichtmanschette befinden. Wird dagegen der Backenpreventer geschlossen, so muss man sicher sein, dass sich Bohrgestänge im Bereich der Backen befindet, weil die Öffnung der Backen genau definiert ist, so
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4 Bohrlochbeherrschung
dass der Backenpreventer nur um den Querschnitt schließt, für den er ausgelegt ist (z. B. 5" Bohrgestänge). Gerade bei den großen Unterbauhöhen heutiger Tiefbohranlagen besteht aber die Gefahr, dass sich ein Tooljoint im Bereich des Preventerstacks befindet, da der erste Tooljoint im Strang etwa 8 m unterhalb der Arbeitsbühne steht. Der Driller, der die Bohrung einschließt, muss also den Bohrstrang sehr genau auf Position fahren, und er muss mit den Gegebenheiten von Unterbauhöhe und Preventeranordnung vertraut sein. Aus diesem Grunde schreiben viele Gesellschaften vor, den Ringpreventer zu schließen, weil dann die Gefahr eines fehlerhaften Einschließens verringert wird. Das ist besonders wichtig, wenn mit Bohrsträngen mit abgesetzten Durchmessern (tapered strings) gearbeitet wird und sich in den verschiedenen Backenpreventern Backen unterschiedlicher Durchmesser befinden. Ein anderer Gesichtspunkt in diesem Zusammenhang ist, dass dann, wenn das Einschließen mittels des Ringpreventers erfolgt, der eine Schließzeit von 1 5 - 3 5 Sekunden hat, je nach Größe, die Bohrung ohnehin langsam und somit weich eingeschlossen wird, auch dann, wenn die Chokeline geschlossen ist. Hinzu kommt, dass die Düse in der Regel eine schnellere Schließzeit hat als ein Ringpreventer, sodass das endgültige Einschließen bei diesem Verfahren schneller und damit härter erfolgt, als wenn mittels des Ringpreventers nach der Vorgehensweise des harten Einschließens (Schließen des Preventers bei geschlossener Chokeline) verfahren würde.
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4.2.2.2 Hartes Einschließen Schieberstellungen: • Hydraulisch betätigter Chokeline Schieber (HCR) geschlossen, • Düsenleitung offen, • Automatikdüse geschlossen. Einschließvorgang: • Drehtisch stoppen, • obersten Tooljoint (Gestängeverbinder) über den Drehtisch fahren, • Pumpen stoppen, • Hydraulisch betätigten Chokeline Schieber (HCR) öffnen, • Ring- oder Backenpreventer schließen, • Drücke und Zuflussvolumen notieren. Vielfach wird beim harten Einschließen bereits mit einer Zwangsschaltung wie bei Divertern gearbeitet. Das bedeutet, dass dann, wenn der Preventer geschlossen wird, der hydraulisch betätigte Chokeline Schieber (HCR) automatisch geöffnet wird, also nur noch ein Hebel betätigt zu werden braucht, um beide Funktionen auszuführen. Das hat den Vorteil, dass das Öffnen des Schiebers nicht vergessen werden kann. Wird der Schieber erst nach dem Schließen des Preventers geöffnet, so steht der gesamte Bohrlochdruck bohrlochseitig an diesem Schieber an, was wiederholt dazu geführt hat, dass sich der Schieber nur noch sehr schwer öffnen ließ. In einigen Fällen war durch extrem hohe Drücke sogar der Spaten des Schiebers so verbogen, dass ein Öffnen überhaupt nicht mehr möglich war. In vielen Fällen reicht aber auch der Öffnungsdruck des Schiebers nicht mehr aus, um diesen gegen den anstehenden Bohrlochdruck zu öffnen. Das harte Einschließen gestattet das Einschließen einer Bohrung in der kürzest möglichen Zeit, sofern ein Backenpreventer geschlossen wird, weil dieser eine sehr kurze Schließzeit hat. Aber auch hier legt sich API nicht fest, welcher Preventer geschlossen werden soll.
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Da beim harten Einschließen mittels Backenpreventer die Bohrung in der kürzest möglichen Zeit eingeschlossen wird, sind die Zuflussvolumina und damit die sich daraus ergebenden Drücke im Ringraum am geringsten. Allerdings kann die Gefahr eines sog. Wasserschlages, also einer Druckwelle, die sich beim abrupten Schließen durch das Bohrloch fortpflanzt, unter bestimmten Bedingungen nicht ausgeschlossen werden, sodass dieses Verfahren dann nicht angewendet werden sollte, wenn z. B. die Gefahr des Fracens des Bohrlochs zu befürchten ist.
4.2.2.3 Gegenüberstellung hartes gegen weiches Einschließen Beim weichen Einschließen lässt sich der Druckaufbau in der Bohrung besser beobachten, da dieser langsamer vonstattengeht, was auch einer schonenderen Behandlung des Bohrloches entspricht. Dabei lässt sich auch beobachten, ob der initiale Casing-Einschließdruck den maximal erlaubten Ringraumkopfdruck erreichen oder sogar überschreiten wird. In einem solchen Fall könnten gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen (z. B. Übergang auf die Low Choke Methode, dynamic Kill) angegangen werden. Der Hauptnachteil des weichen Einschließens ist, dass zusätzliche Zeit zum Öffnen des hydraulisch betätigten Chokeline Schiebers (HCR) und zum Schließen der Düse benötigt wird, was zu einem zusätzlichen Zuflussvolumina und daraus resultierend höheren Ringraumdrücken führt. Das harte Einschließen ist dagegen etwas einfacher zu handhaben, kann von nur einer Person auf der Arbeitsbühne durchgeführt werden und führt zu geringeren Zuflussvolumina und Drücken im Ringraum, abgesehen von einem möglichen Druckstoß beim Einschließvorgang selbst. Das harte Einschließen sollte nach neuesten Erkenntnissen als Standard Einschließverfahren immer dann praktiziert werden, wenn keine Schwierigkeiten im offenen Bohrloch wie Nachfall, Fracen o. a. zu erwarten sind. Die Gefahr des Wasserschlages beim Einschließen wird heutzutage als von untergeordneter Bedeutung angesehen. Weitaus höhere Priorität hat, das Zuflussvolumen und damit die Einschließdrücke und als Folge den Druckaufbau im Ringraum so klein wie möglich zu halten.
4.2.2.4 Fast Close-in Procedure Vielfach wird auch ein Einschließverfahren praktiziert, das nicht API Standard ist und unter der Bezeichnung Fast Close-in Procedure läuft. Hierbei wird wie folgt vorgegangen: Schieberstellungen: • Hydraulisch betätigter Chokeline Schieber (HCR) geschlossen, • Düsenleitung offen, • Automatikdüse geschlossen. Einschließvorgang: • Drehtisch stoppen, • obersten Tooljoint (Gestängeverbinder) über den Drehtisch fahren, • Pumpen stoppen, • Ring- oder Backenpreventer schließen, • Hydraulisch betätigten Chokeline Schieber (HCR) öffnen, • Drücke und Zuflussvolumen notiere. Hierbei besteht dann die Gefahr, dass sich der Chokeline Schieber nicht mehr öffnen lässt, wenn er einseitig mit Druckbeaufschlagt wird.
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4.2.3 Einschließen während des Roundtrips
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Tritt ein Kick beim Roundtrip (Aus- oder Einbau des Bohrstranges) ein, so sollte die Bohrung wie folgt eingeschlossen werden: • Hoch- oder Runterfahren des Stranges, bis sich der oberste Tooljoint über dem Drehtisch befindet, • Keile setzen und Elevator hochfahren, • vollständig zu öffnendes Sicherheitsventil (Kelly Cock oder Ball Type Valve) in geöffnetem Zustand auf den Strang aufsetzen, kontern und schließen, • Öffnen des hydraulisch betätigten Chokeline Schiebers (HCR), • Stellung der Düse gemäß gewähltem Einschließverfahren beim Bohren, • Ring- oder Backenpreventer schließen (bevorzugt den Backenpreventer), • Düse schließen, • Aufsetzen eines Gestängepreventers und Öffnen des Sicherheitsventils, • Ringraumdruck und Zuflussvolumen notieren. Beim Ausbau der Schwerstangen (DC) sollte dann, wenn die Bohrung eingeschlossen werden muss, versucht werden, eine Bohrstange (DP) auf die Schwerstangen aufzuschrauben und dann den Backenpreventer zu schließen. Wegen des großen Rohrquerschnitts bieten Schwerstangen dem anstehenden Bohrlochdruck bei einer eingeschlossenen Bohrung so großen Widerstand, dass die Gefahr besteht, dass die Schwerstangen bei geschlossenem Ringpreventer aus der Bohrung herausgepresst werden. So wirkt beispielsweise auf eine 8" Schwerstange bei 100 bar Bohrlochdruck eine Kraft von etwa 320 kN (32 t). Dass jeweils der oberste Tooljoint über den Drehtisch gefahren werden soll, also weder Gestänge abgeschraubt noch nachgesetzt werden soll, hat seine Begründung darin, dass beides zusätzliche Zeit benötigt, die wiederum das Zuflussvolumen und damit die Bohrlochdrücke erhöhen würde. Hinzu kommt, dass auch dann, wenn der Strang bereits um eine Gestängezuglänge hochgefahren wurde, dieser Strangteil wieder nach unten gefahren werden soll, damit sich möglichst viel Stranglänge im Bohrloch befindet, weil für ein Totpumpen der Bohrung mittels der Zirkulationsmethoden immer von Sohle aus zirkuliert werden muss. Das bedeutet im Normalfall, dass später ohnehin weiteres Gestänge nachgesetzt und in das Bohrloch eingelassen werden muss, z. B. durch Einstrippen oder Einsnubben, sodass sich der Strang letztlich auf Sohle befindet. Nach der Installation des Gestängepreventers kann auch die Mitnehmerstange aufgesetzt und nach der Stabilisierung des Ringraumdruckes mit der Zirkulation begonnen werden. Dabei ist allerdings zu beachten, dass dabei nicht von Sohle, sondern lediglich vom derzeitigen Standort des Meißels aus nach übertage zirkuliert werden kann. Ein Totpumpen der Bohrung mittels einfacher Zirkulation ist somit nicht möglich. Es kann aber mittels einer Kombination von Volumetrischer Methode plus Zirkulation bzw. mittels des Top Kill Verfahrens gearbeitet werden. API gibt für den Fall des Einschließens beim Roundtrip keine Empfehlungen, weshalb hier die vom IWCF empfohlene Vorgehensweise aufgelistet wurde.
4.2.4 Einschließen, wenn sich kein Bohrstrang im Bohrloch befindet Wenn der Bohrstrang zu dem Zeitpunkt, wo ein Kick bemerkt wird, bereits vollständig ausgebaut ist, sollte zum Einschließen der Bohrung folgendermaßen vorgegangen werden: • Düsenleitung mit dem Degasser verbinden,
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• Öffnen des hydraulisch betätigten Chokeline Schiebers (HCR) Stellung der Düse, gemäß gewähltem Einschließverfahren beim Bohren, • Blindbackenpreventer (Totalabschluss) schließen, • Düse schließen, • Ringraumdruck und Zuflussvolumen notieren.
4.2.5 Grenzen beim Einschließen einer Bohrung Es kann vorkommen, dass man auch bei Onshore-Bohrungen sog. „Shallow Gas Lagerstätten“ antrifft, wie das im Offshore-Bereich häufiger geschieht. Diese Lagerstätten bilden sich in verhältnismäßig flacher Teufe von nur wenigen hundert Metern oder sind dadurch entstanden, dass Gas aus tieferen Horizonten aufgestiegen und sich in flachen Sandlagern angesammelt hat. Ursache hierfür kann u.a. eine undichte Rohrzementation sein. Wird Shallow Gas erwartet, so sollte auf jeden Fall verhalten gebohrt werden, um die Beladung der Spülung im Ringraum und damit die ECD so niedrig wie möglich zu halten und so den Druck auf die Formation zu reduzieren. Da in diesen Teufen die Ankerrohrtour, auf die bei Onshore-Bohrungen erstmals der Preventerstack aufgesetzt wird, in der Regel noch nicht eingebaut ist, befindet sich im Normalfall auf einer solchen Bohrung keine Abschlusseinrichtung, um das Bohrloch im Falle eines Kicks einzuschließen. Das hätte meistens auch insofern keinen Sinn, weil die sich dabei im Bohrloch aufbauenden Drücke so groß wären, dass die Formation am Rohrschuh des Standrohres gefract würde, weil diese Formation unkonsolidiert ist und unter nur geringem petrostatischem Druck steht. Hier bietet sich der Einsatz eines sog. Diverters (to divert = umleiten) an. Der Diverter ist ein Ringpreventer mit großem Durchgang, da er auf großkalibrige Rohre montiert werden muss, der aber nur geringe Arbeitsdruckstufen hat (500 psi, 1000 psi bzw. 2000 psi). Kommt es nun zu einem Shallow Gas Ausbruch, so wird der Diverter geschlossen und eine Ausblasleitung (Vent Line) geöffnet. Das geschieht meistens automatisch durch eine Ein-Hebel-Betätigung. Nun wird der Gasstrom, der im Bohrloch nach oben steigt, durch die Ringmanschette daran gehindert, frei auf die Arbeitsbühne auszutreten und dort Schaden (z. B. Entzündung durch Funkenbildung) anzurichten. Er wird unterhalb der Dichtmanschette in eine Ausblasleitung abgeleitet und am Ende dieser Leitung entweder in die Atmosphäre geleitet oder abgefackelt. Diverter wurden einige Zeit als eine Art Wunderwaffe gegen Shallow Gas angesehen. Allerdings stellte sich bald heraus, dass, bedingt durch den sehr hohen Sandgehalt im austretenden Gasstrom, dieser wie ein Sandstrahlgebläse wirkt und die Dichtmanschette des Preventers in wenigen Minuten zerstört hatte. Auch die Ausblasleitungen wurden, insbesondere an Krümmern und Bogenstücken, in kürzester Zeit durchgespült. Damit war der beabsichtigte Schutz durch den Diverter dann nicht mehr gegeben. Allerdings konnte die Standzeit der Diverter dadurch verlängert werden, dass man die Ausblasleitungen von ursprünglich 4" auf 10 – 16" vergrößerte und absolut gerade, ohne jegliche Kurven, verlegte, sodass der Gasstrom keine Angriffsflächen am Rohr fand. Trotzdem ist der Einsatz von Divertern wegen der Schwierigkeiten zurückgegangen, und man versucht, Shallow Gas auf andere Weise zu bekämpfen. Bei Onshore-Bohrungen, wo weniger Shallow Gas als vielmehr aufgeladene, oberflächennahe Gashorizonte zu erwarten sind, kann ein Diverter jedoch durchaus ein nützliches Instrument sein, um ein Bohrloch unter Kontrolle zu halten. Beim Auszirkulieren wird dann mit beschwerter Spülung gearbeitet, die mit maximal möglicher Zirkulationsrate durch die Bohrung gepumpt wird, um so sowohl den hydrostatischen wie auch den hydrodynamischen Druck im
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4 Bohrlochbeherrschung
Bereich des Gasträgers so weit wie möglich anzuheben. Die maximal mögliche Pumprate sollte auch unmittelbar vor dem Schließen des Diverters gefahren werden, um einen möglichst hohen dynamischen Bohrlochsohlendruck zu erzeugen.
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Abb. I í11: Diverter
Bei Onshore-Bohrungen werden Diverter auch vielfach als großkalibrige Preventer verwendet. Abb. I-11: zeigt die beiden gängigen Diverteranordnungen. Ist auf der Bohrung kein Diverter vorhanden und ist die letzte zementierte Rohrtour so flach eingebaut, dass der durch den Kick hervorgerufene Druck im Ringraum höher ist als der Fracdruck am Rohrschuh dieser Rohrtour, so kann man entweder versuchen, die sogenannte LowChoke-Methode zu praktizieren, oder man muss den Casingdruck so regulieren, dass entweder der Fracdruck am Rohrschuh dieser Rohrtour gehalten wird, oder dass es hier zu einem Frac kommt. Im ersteren Fall muss der Casingdruck so weit zurückgefahren werden, dass er dem maximal erlaubten Ringraumkopfdruck MAASP entspricht. Dann ist jedoch der Bohrlochsohlendruck niedriger als der Formationsporendruck. Folge hiervon ist, dass erneuter Zufluss der Formation in das Bohrloch stattfindet. In mehreren Umläufen kann nun versucht werden, beschwerte Spülung in das Bohrloch einzuzirkulieren bei gleichzeitigem Auszirkulieren der Zuflüsse, so lange, bis die Druckverhältnisse auf der Bohrlochsohle wieder konstant sind. Die Bohrung ist dann totgepumpt. Im Alternativfall wird der Casingdruck auf dem berechneten Wert gehalten und die Formation am Rohrschuh der letzten zementierten Rohrtour möglicherweise gefract. Beschwerte Spülung kann dann durch den Ringraum in die Bohrung eingepumpt werden. Diese gelangt bis zur Fraczone und überlagert bis dahin die leichtere Spülung und den Zufluss.
I Bohrlochkontrolle
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Gelingt es, die Fraczonemittels Verstopfungsmaterial abzudichten und Zirkulation herzustellen, so kann die Bohrung durch indirekte Zirkulation totgepumpt werden. Allerdings besteht die Gefahr eines Untertage-Blowouts und des Pipe Sticking. Wie später noch diskutiert werden wird, wurde die Bedeutung des MAASP (Maximum Allowable Annular Surface Pressure) lange Zeit überbewertet, sodass die Gefahr, die Formation am Rohrschuh zu fracen, auch bei Überschreitung des MAASP heute nicht mehr so deutlich gesehen wird.
4.3 Identität des Kicks Besonders bei Aufschlussbohrungen in unbekanntem Gebiet stellt sich bei Zuflüssen, die nicht aus der zu erbohrenden Lagerstätte kommen, hin und wieder die Frage, um welches Medium es sich bei dem Zufluss handelt. Das kann insofern von Bedeutung sein, da z. B. Gaskicks einer anderen Behandlung bedürfen als Flüssigkeitskicks. Hier kann mit den Gleichungen gearbeitet werden, die besagen, dass der Casingdruck folgende Beziehung zum Bohrlochsohlendruck hat: PBH = pa + GM (H í H z ) + ( G z · H z ) [bar] und der Gestängedruck wie folgt in die Berechnung eingeht: pBH = PDF + (Gm · H) [bar] Durch Gleichsetzen und Umstellen der beiden Gleichungen ergibt sich: Gz = bzw. Gz =
(Gm ⋅ H Z ) − Pa + PDP HZ
[bar/m]
Pm P − PDP − a HZ 10, 2
[bar/m]
Hierin sind: PBH = Bohrlochsohlendruck [bar] [bar] pa = Casingdruck Gm = Druckgradient der Spülungssäule [bar/m] H = Bohrlochteufe [m] Gz = Druckgradient des zugeflossenen Mediums [bar/m] Hz = Höhe des Zuflusses im Bohrloch [m] [bar] PDP = Gestängedruck Nach Berechnung des Zufluss-Gradienten kann der Zufluss nun nach folgender Druckgradienten-Tabelle ermittelt werden: Zufluss-Gradient [bar/m] 0,010 – 0,046 0,046 – 0,090 0,090 – 0,120
Zufluss-Type Gas Übergangsbereich (Kondensate, Live Oil) Öl oder Salzwasser
Im Übergangsbereich können vergastes Öl oder vergastes Salzwasser vorliegen. Eine Identifizierung des Kicks ist hier nicht eindeutig möglich.
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5 Konventionelle Totpumpverfahren
Die Schwierigkeit bei der Identifizierung eines Kicks liegt im Wesentlichen darin, dass die Zuflusshöhe nicht genau bekannt ist. Hier muss der Zufluss in den Spülungstanks (Pit Gain) auf Ringraumhöhe umgerechnet werden, obwohl dieses Vorgehen durch Bohrlochverengungen oder Auskesselungen gewisse Fehler beinhaltet. Das kann in Grenzsituationen dazu führen, dass mittels vorstehender Berechnung negative Ergebnisse errechnet werden, die dann unbrauchbar sind. Hat der Zufluss bei einer Kicksituation nicht ermittelt werden können und/oder ist die Art des Zuflusses bekannt bzw. kann sie abgeschätzt werden, so kann durch entsprechende Umstellung der obigen Gleichung mittels einfacher Berechnung die Höhe des Kicks wie folgt ermittelt werden: Hz =
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PDP − Pa GZ − Gm
[m]
Bei Anwendung dieser Gleichung zeigt sich, dass die Höhe des Zuflusses eine direkte Funktion der Differenz zwischen den beiden Einschließdrücken, dem Gestänge-Einschließdruck pDP und dem Casing-Einschließdruck pa ist. Verdoppelt sich die Druckdifferenz, verdoppelt sich auch die Höhe des Zuflusses. Das bedeutet in der Umkehrung aber auch, dass bei gleichem Kickvolumen (entsprechender Zufluss in der Bohrung) bei Bohrlöchern mit kleineren Ringräumen bzw. Querschnitten höhere Casingdrücke auftreten als bei Bohrungen mit großen Querschnitten, da der Kick eine größere Höhe im Ringraum einnimmt. Und daraus folgt schließlich, dass, wenn ein bestimmtes Kickvolumen als Grenzvolumen für eine Kicksituation bei der Planung zugrunde gelegt wird, bei Bohrungen mit kleineren Querschnitten die Rohrtouren tiefer abgesetzt werden müssen als bei solchen mit größeren Querschnitten, weil der Fracdruck am Rohrschuh eher erreicht wird. Da Gas immer eine größere Höhe im Bohrloch einnimmt als Flüssigkeiten, wird bei Gaskicks auch die Differenz zwischen dem Gestänge- und dem Casing-Einschließdruck entsprechend groß sein. Das bedeutet, dass eine große Differenz zwischen diesen beiden Drücken beim Einschließen einer Bohrung in einer Kicksituation auf einen Gaszufluss hinweist. Außerdem steigen beide Drücke nach dem Einschließen der Bohrung, sofern keine Spülung abgelassen wird, gleichmäßig und um dieselben Beträge in der Zeiteinheit an, was durch das Aufsteigen der Gasblase in der Bohrung, die sog. Percolation, bewirkt wird. Der Anstieg der Drücke erfolgt sichtbar. Daraus folgt, dass auch dieses Anzeichen als Indiz für einen Gaszufluss angesehen werden kann. Bei einem Ölzufluss erfolgt zwar auch Percolation, jedoch ist diese so langsam, dass eine Veränderung der Einschließdrücke erst nach sehr langer Zeit zu bemerken wäre.
5 Konventionelle Totpumpverfahren Wenn ein Kick erkannt und die Bohrung eingeschlossen wurde, so beginnt der wesentliche Teil der Bohrlochkontrolle, das Totpumpen des Bohrloches. Unter Totpumpen ist zu verstehen, dass das eingedrungene Medium aus dem Bohrloch auszirkuliert wird und gleichzeitig oder im Anschluss an das Auszirkulieren Maßnahmen ergriffen werden, um den Bohrlochsohlendruck so auszulegen, dass dieser über dem Formationsporendruck liegt, sodass ein weiterer Kick, also ein weiteres Eintreten von Lagerstätteninhalt in das Bohrloch nicht mehr möglich ist. Handelt es sich um eine Kicksituation, die eingetreten ist, weil eine Formation angebohrt wurde, die unter höherem Druck steht als dem hydrostatischen Bohrlochsohlendruck ent-
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spricht, so muss die Spülung soweit beschwert werden, dass der hydrostatische Druck dem Formationsdruck entspricht (plus einer entsprechenden Sicherheitsmarge). Ist jedoch die Kicksituation eingetreten, weil der Spülungsspiegel in der Bohrung so stark abgefallen ist, dass der Bohrlochsohlendruck niedriger ist als der Formationsporendruck, so ist ein Beschweren der Spülung nicht erforderlich. In einem solchen Fall braucht der Zufluss lediglich auszirkuliert und das Bohrloch anschließend gefüllt gehalten zu werden, sofern das Absinken des Spülungsspiegels vermeidbar war bzw. ist (z. B. Kick beim Roundtrip). Ist der Spülungsspiegel jedoch infolge von Spülungsverlusten eingetreten, so ergeben sich Probleme, deren Größe von der Stärke der Verluste und der sonstigen Bohrlochsituation abhängig ist. Hier handelt es sich dann um einen Sonderfall, dessen Klärung vor Ort vorzunehmen ist. Nun wäre es aber falsch anzunehmen, dass nach dem Einschließen des Bohrloches die nun folgenden Totpumparbeiten in aller Ruhe angegangen werden können, zumindest dann, wenn ein Gaskick festgestellt wurde, denn ein Gaskick kann ernsthafte Probleme mit sich bringen. Im Gegensatz zu flüssigen Medien ist Gas ein komprimierbarer Stoff, dessen Volumen vom Druck beeinflusst wird. Daraus folgt, dass Gas, das mit Formationsporendruck in die Bohrung eintritt, ein wesentlich kleineres Volumen einnimmt, als dieselbe Gasmenge an der Oberfläche einnehmen würde. Das bedeutet, dass das Gas sich auf dem Weg von der Lagerstätte nach übertage ausdehnt. Die Gasblase expandiert und verdrängt dabei die der Expansion entsprechende Spülungsmenge. Die Expansion kann jedoch nur dann stattfinden, wenn durch Schaffung entsprechender Druckverhältnisse in der Bohrung dem Gas die Möglichkeit zur Expansion gegeben wird, indem z. B. übertage ständig Spülung abgelassen wird, wodurch der hydrostatische Druckanteil der Spülungssäule im Ringraum herabgesetzt wird. Reduziertes Spülungsvolumen im Bohrloch und reduzierter hydrostatischer Druck führen dazu, dass das Gas den entstandenen Raum einnehmen kann, also expandiert, wodurch der Druck in der Gasblase reduziert wird, da Druck mal Volumen eine Konstante ergeben (p × V = konstant gemäß 1. Gasgesetz). Wird ein solches Druckgefälle nicht geschaffen, wird also die Gasblase an der Ausdehnung gehindert, so bleibt sie stets volumenkonstant und unter konstantem Druck, nämlich dem Formationsporendruck. Falsch wäre es ebenfalls anzunehmen, dass die Gasblase auch an dem Ort verharrt, an dem sie sich beim Einschließen der Bohrung befand. Gemäß dem hydrostatischen Druckgradienten der Spülungssäule nimmt der Druck von der Bohrlochsohle zum Kopf hin ab. Das Gas ist somit bestrebt, in der eingeschlossenen Bohrung von der Zone höheren Druckes hin zur Zone geringeren Druckes zu wandern (sog. Percolation), also aufzusteigen, wobei die Aufstiegsgeschwindigkeit durch die Dichteunterschiede zwischen Gas und Spülung beeinflusst wird. Je größer die Differenzdichte ist, desto größer ist auch die Percolationsgeschwindigkeit. Das erklärt auch, warum z. B. ein Ölkick in einer eingeschlossenen Bohrung zwar auch aufsteigt, die Aufstiegsgeschwindigkeit jedoch wesentlich langsamer als bei Gas und im Normalfall kaum zu registrieren ist. Der Druck am Kopf einer Bohrung (übertage) bei Percolation lässt sich wie folgt berechnen: PBH = PForm −
ρm ⋅ Tx 10, 2
[bar]
Der sich in der betreffenden Situation ergebende Bohrlochsohlendruck errechnet sich zu: PK = PForm +
ρm ⋅ (Tv − TK − H z ) 10, 2
[bar]
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5 Konventionelle Totpumpverfahren
Hierin sind: = PK pForm = Pm = Tx = TV = = Hz
Ringraumeinschließdruck Formationsporendruck Spülungsdichte Teufe, in der sich der Kopf der Gasblase befindet vertikale Bohrlochteufe Höhe des Zuflusses im Bohrloch
[bar] [bar] [kg/l] [m] [m] [m]
Bei dieser Berechnung bleibt der hydrostatische Druckabfall in der Gasblase unberücksichtigt ebenso wie thermische Einflüsse auf den Druck. Der Druckverlauf am Kopf und auf der Bohrlochsohle bei der Gaspercolation geht für eine 3000 m tiefe Bohrung mit einer Spülungsdichte von 1,2 kg/l und einer Zuflusshöhe von 100 m sowie 12 bar Ringraumschließdruck aus der Tab. 1-I und Abb. I-12 hervor.
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Abb. I-12: Ringraumdruckverlauf beim Aufsteigen einer Gasblase bei eingeschlossener Bohrung
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Tab. 1-I: Ringraumdrücke beim Aufsteigen einer Gasblase [BKH]
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5 Konventionelle Totpumpverfahren
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Abb. I-13: Drucksituation im eingeschlossenen Bohrloch beim Aufsteigen der Gasblase
Weitere Betrachtungen und Berechnungen zum konventionellen Totpumpverfahren werden nicht angestellt. Muster für Formblätter der erwähnten Arbeitsblätter befinden sich in der Anlage. Die weiteren Totpumpmethoden werden verkürzt besprochen, ohne weitere Berechnungen anzustellen, was dem Praktiker sicher entgegenkommt. Im Falle eines Kicks stehen dem Driller (Bohrmeister), Bohrtechniker bzw. Bohr-Ingenieur genügend Spezialisten zur Seite, die für diese Situationen besonders ausgebildet sind. Auf der nächsten Seite noch eine kurze Betrachtung der Drucksituation in einer eingeschlossenen Bohrung (Abb. I-14).
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Abb. I-14: Drucksituation in einer eingeschlossenen Bohrung
Im Ringraum befindet sich das eingeströmte Gas, das einen hydrostatischen Druck von 5 bar erzeugt. Die verbleibende Spülungssäule (= vertikale Bohrlochteufe minus Zuflusshöhe des Kicks) ergibt einen hydrostatischen Druck von 604 bar. Zusammen ergibt sich ein hydrostatischer Druck im Ringraum von 609 bar (604 + 5 = 609 bar). Auf die Bohrlochsohle wirkt dieser hydrostatische Druck plus dem Casing-Einschließdruck, also insgesamt ebenfalls ein Druck von 694 bar (609 + 85 = 694. Es zeigt sich an diesem Beispiel, dass in einer eingeschlossenen Bohrung in beiden Schenkeln (Bohrstrang und Ringraum) Druckgleichgewicht herrscht. Dieses Gleichgewicht muss auch während des Auszirkulierens des Zuflusses beibehalten werden. Allerdings müssen dann die durch die Spülungszirkulation hervorgerufenen Reibungsdruckverluste mit berücksichtigt werden. Das bedeutet, dass am Kopf des Bohrstranges die Reibungsdruckverluste im Strang hinzu addiert werden müssen, die jedoch vollständig im Strang abgebaut werden, so dass letztendlich die Drucksituation auf der Bohrlochsohle gegenüber den statischen Verhältnissen nicht verändert wird.
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6 Warte- und Beschwere-Methode
6 Warte- und Beschwere-Methode 6.1 Allgemeines
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Die Warte und Beschwere-Methode ist nach Ansicht vieler Fachleute die geeignetste Methode, um einen Kick unter Kontrolle zu bringen, wenn die Bohrung in eine Kicksituation gekommen ist, weil die Dichte der Spülung nicht ausreichend war. Dabei wird Spülung mit einer dem Formationsporendruck entsprechenden, erhöhten Dichte (beschwerte Spülung) mit konstanter Rate in das Bohrloch einzirkuliert bei gleichzeitigem Auszirkulieren der Gasblase und der zu leichten Spülung. Da das Auszirkulieren der Gasblase und das Einzirkulieren der beschwerten Spülung während eines Zirkulationsumlaufes geschieht, spricht man auch von der „EinZirkulationsmethode“. Und weil das Bohrloch so lange eingeschlossen bleibt, bis die Spülung auf die neue Dichte gebracht, also beschwert wurde, nennt man dieses Verfahren die Warteund Beschwere-Methode. Zum Totpumpen des Bohrloches muss zunächst der benötigte hydrostatische Spülungssäulendruck aus dem stabilisierten Gestängedruck ermittelt werden. Er errechnet sich aus der Summe von Gestängedruck plus hydrostatischem Spülungssäulendruck der im System befindlichen Spülung zum Zeitpunkt, als der Kick eintrat, dividiert durch die vertikale Bohrlochteufe (wichtig bei geneigten Bohrlöchern!). Aus dem benötigten, hydrostatischen Druck kann sodann die Spülungsdichte berechnet werden, die zum Kompensieren des Formationsporendruckes benötigt wird, indem man den hydrostatischen Druck mit 10,2 multipliziert und durch die Vertikalteufe dividiert (pm = 10,2 × Phyd / Tv). Und aus der Differenz zwischen der benötigten und der vorhandenen Spülungsdichte ergibt sich schließlich der Dichteanteil, um den die im System befindliche Spülung beschwert werden muss. Die Bohrung ist zu diesem Zeitpunkt immer noch eingeschlossen. Nachdem die beschwerte Spülung angesetzt worden ist, wird sie durch das Gestänge in das Bohrloch einzirkuliert, wobei während der gesamten Totpumparbeiten ein konstanter Bohrlochsohlendruck beibehalten werden muss. Dieser Bohrlochsohlendruck muss mindestens so groß sein wie der Formationsporendruck, besser jedoch einige bar darüber liegen. Die Pumprate ist konstant zu halten. Der Gestängedruck wird beim Einzirkulieren linear abfallen, bis er dem Zirkulations- oder Systemdruckverlust beim Umpumpen der beschwerten Spülung mit der vorgegebenen (reduzierten) Rate entspricht. Das ist dann der Fall, wenn die beschwerte Spülung die Bohrlochsohle erreicht hat. Wird zu diesem Zeitpunkt die Pumpe gestoppt, so muss der Gestängedruck auf den Wert Null abfallen, sofern die neue Spülungsdichte richtig berechnet und eingestellt wurde (Kontrollindiz!). Hat die beschwerte Spülung die Bohrlochsohle erreicht, muss der sich nun ergebende Gestängedruck (Zirkulationsdruckverlust bzw. Pumpendruck) durch Gegensteuern mit der Düse an der Choke-Line konstant gehalten werden, bis die beschwerte Spülung aus dem Ringraum am Bohrlochkopf wieder austritt. Das Druckverhalten an der Düse hängt von der Art des Zuflusses ab. Handelt es sich bei dem Zufluss um Öl oder Salzwasser, so bleibt der Druck an der Düse konstant, nachdem die beschwerte Spülung die Sohle erreicht hat. Während des Totpumpens bleibt außerdem das Tankvolumen nahezu konstant, abgesehen von der Volumenzunahme durch den Zuschlag von Beschwerungsstoffen. Handelt es sich dagegen um einen Gaskick, so muss dem Gas während des Aufsteigens im Ringraum die Möglichkeit der Expansion gegeben werden. Dadurch wird über die Düse mehr
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Spülungsvolumen in die Tanks geleitet als durch den Bohrstrang einzirkuliert wird. Gleichzeitig wird durch den Gasanteil der hydrostatische Druck im Ringraum verringert, was zu einer Erhöhung des Druckes an der Düse führt, da der Bohrlochsohlendruck konstant bleiben muss.
6.2 Vorgehensweise bei der Warte- und Beschwere-Methode Nach dem Eintritt und der Feststellung des Kicks ist bei Anwendung der Warte- und Beschwere-Methode wie folgt vorzugehen: 1. Sofortiges Einschließen der Bohrung mittels des harten oder weichen Einschließverfahrens. 2. Gestänge- und Ringraumeinschließdruck alle 1 – 2 Minuten ablesen und notieren, bis eine Stabilisierung der Drücke eingetreten ist. Eine Stabilisierung der Drücke wird erreicht, wenn beide Drücke entweder konstant bleiben (Flüssigkeitskick) oder in gleichen Zeitabschnitten und dieselben Beträge anzusteigen beginnen, was den Beginn der GasPercolation des Zuflusses in vertikalen Bohrungen oder Bohrlochabschnitten anzeigt. Der normale Stabilisierungszeitraum liegt zwischen 5 und 15 Minuten, bei geringen Zuflüssen und Ölspülung auch länger. Befindet sich ein Rückschlagventil im Strang, so muss langsam gepumpt werden, bis das Ventil sich öffnet (Druckabfall). Der Öffnungsdruck gilt als Gestängeeinschließdruck. Dieser Vorgang ist bis zur Druckstabilisierung mehrfach zu wiederholen. 3. Zufluss im Tanksystem messen und registrieren. 4. Ausfüllen und Berechnen des Kill Sheets und Erstellen der Totpumpkurve. 5. Beobachten und registrieren der Einschließdrücke nach deren Stabilisierung. Anmerkung: Die Einschließdrücke sind nach dem Einschließen der Bohrung ständig zu beobachten und zu registrieren. Steigen beide Drücke gleichmäßig an, so ist das ein Indiz für das Aufsteigen (Percolation) des Kicks in der eingeschlossenen Bohrung. Ein relativ schnelles Ansteigen der Drücke deutet auf einen Gaskick hin. Steigt der Gestängeeinschließdruck um mehr als einige bar an, Düse leicht öffnen, um die Gasblase expandieren zu lassen, bis der initiale Gestängeeinschließdruck (plus Sicherheitszuschlag) wieder erreicht ist. 6. Anmischen der neuen, beschwerten Spülung (sofern erforderlich) oder bereits vorbereitete, beschwerte Spülung auf die erforderliche Dichte bringen (z. B. durch Verdünnen) und einpumpen dieser Spülung in den Saugtank. Anmerkung: Diese Arbeit kann parallel zur Erstellung von Arbeitsblatt und Totpumpkurve erfolgen. Deshalb Berechnung der neuen Spülungsdichte auf jeden Fall vorrangig behandeln! 7. Einleiten des Totpumpprozesses. Dabei Düse langsam öffnen bei gleichzeitigem Einzirkulieren der beschwerten Spülung, indem die Pumpe langsam bis auf die reduzierte Hubzahl hochgefahren wird. Dabei derzeitigen Ringraumdruck bis zum Erreichen des AnfangsGestängezirkulationsdrucks (= Gestänge-Einschließdruck + reduzierter Zirkulationsdruck) konstant halten. 8. Ist die Bohranlage mit einer Automatikdüse ausgerüstet, so kann an dieser der derzeitige Ringraumdruck, der konstant zu halten ist, eingestellt werden. Die Düse hält dann diesen Druck automatisch konstant. Anmerkung: Das Hochfahren der Pumpe sollte mindestens 1 Minute dauern, um den Ringraumdruck gut überwachen und konstant halten zu können.
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6 Warte- und Beschwere-Methode
9. Einstellen des Druck-Sicherheitsbeiwertes zwischen 5 und 15 bar (sofern gewünscht) durch leichtes Schließen der Düse. 10. Pumprate konstant halten (+ 3 – 4 Hub/min) und Kontrolle des Gestängedruckes auf Übereinstimmung mit den berechneten Werten gemäß Totpumpkurve. Gegebenenfalls Korrekturen des Druckverlaufes gemäß Totpumpkurve durch Gegensteuern mit der Düse vornehmen. Anmerkung: Bei Änderung der Düsenöffnung beachten, dass die Druckimpulslaufzeit etwa 300 m/s beträgt, so dass eine Druckänderung durch Verstellen der Düse erst mit einer gewissen Verzögerung am Gestängemanometer sichtbar wird. Es ist deshalb empfehlenswert, eine bestimmte Änderung am Gestängedruck so vorzunehmen, dass der Ringraumdruck zunächst um den angestrebten Betrag durch Verstellen der Düse geändert wird. Dann abwarten, wie der Gestängedruck reagiert. Anschließend Feinregulierung vornehmen. Die Druckimpulslaufzeit (tpi) errechnet sich in Abhängigkeit von der Bohrlochteufe wie folgt: 11. Dichte der eingepumpten Spülung ständig kontrollieren, notieren und mit den vorausberechneten Werten vergleichen. Ist die Gesamtumlaufzeit nahezu erreicht, am Auslauf austretende Spülung ebenfalls einer Dichteüberprüfung unterziehen. Solange zirkulieren, bis die Dichte der austretenden Spülung gleich der eingepumpten Spülung ist. Ringraumdruck ständig in Abhängigkeit von der Zeit bzw. der Hubzahl registrieren. 12. Hat die beschwerte Spülung die Oberfläche wieder erreicht, Pumpe abstellen und Bohrung einschließen. Sind Gestänge- und Ringraumdruck gleich Null, Düse öffnen, Preventer öffnen, Hydraulikschieber schließen. Ergeben sich beim Einschließen der Bohrung Kopfdrücke, die ungleich Null sind, weiter beschwerte Spülung einzirkulieren. Berechnungen (neue Spülungsdichte, Zirkulationszeiten) überprüfen. Sind Fehler in der Berechnung nicht zu erkennen, nach einigen Minuten Bohrung erneut einschließen und kontrollieren. Anmerkung: Nachdem die beschwerte Spülung die Bohrlochsohle erreicht hat (Hubzahl bzw. Zeit als Kriterium heranziehen), kann kontrolliert werden, ob die berechnete, neue Spülungsdichte ausreichend ist, indem die Pumpe gestoppt und die Düse geschlossen wird. Der Gestängedruck muss bei richtiger Spülungsdichte Null werden, da nun der hydrostatische Druck der Spülungssäule dem Formationsporendruck entspricht. Ist der Gestängedruck ungleich Null, sollten noch einige m3 Spülung eingepumpt werden, da gegebenenfalls ein Fehler in der Volumenberechnung vorliegt. Einschließvorgang dann wiederholen. Ist der Gestängedruck noch immer ungleich Null, Dichteberechnung überprüfen und Spülung auf höhere Dichte beschweren. Durch diese Zwischenprüfung kann der Erfolg einer Totpumpoperation zum frühestmöglichen Zeitpunkt überprüft werden. Gestängedrücke ungleich Null können sich auch einstellen, wenn Schieber oder Düse zu schnell geschlossen wurden, also bereits zu einem Zeitpunkt zu waren, als die Pumpe noch förderte.
6.3 Druckverläufe Der Gestängedruck pendelt sich nach der Stabilisierung der Einschließdrücke auf den Gestänge-Einschließdruck ein und wird hier auch konstant gehalten, indem bei einem Gaszufluss beispielsweise in bestimmten Abständen Spülung abgelassen wird, so dass das Gas die Möglichkeit zur Expansion beim Aufsteigen (Percolation) hat. Nach dem Beschweren der Spülung auf Totpumpdichte beginnt das Einzirkulieren dieser Spülung, wobei der Gestängedruck vom Einschließdruck bis zum Anfangs-Zirkulationsdruck
I Bohrlochkontrolle
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(initial circulating pressure = ICP) ansteigt. Der Anfangszirkulationsdruck ergibt sich aus dem Einschließdruck plus dem reduzierten Zirkulationsdruck. Wird beschwerte Spülung im Bohrstrang bis zur Bohrlochsohle gepumpt, so wird die leichte Spülung abschnittsweise durch die schwere Spülung ersetzt. Dadurch wird der hydrostatische Druck im Bohrstrang in demselben Maße steigen, in dem der Strang mit beschwerter Spülung gefüllt wird. Das bedeutet, dass der durch den Gestänge-Einschließdruck erbrachte Druck, der zusammen mit dem hydrostatischen Druck der leichten Spülungssäule den Bohrlochsohlendruck ergab, der dem Formationsporendruck entsprach, nun durch hydrostatischen Druck der beschwerten Spülung ersetzt wird. Der Gestänge-Einschließdruck wird also bis gegen Null abgebaut.
7 Die Bohrmeistermethode 7.1 Allgemeines Die Bohrmeistermethode (driller's method) ist das gebräuchlichste und am einfachsten zu praktizierende Totpumpverfahren. Hierbei erfolgt das Totpumpen der Bohrung in zwei Zirkulationsumläufen, und zwar wird die beschwerte Spülung nicht sofort bei der ersten Zirkulation in die Bohrung einzirkuliert, sondern es wird zunächst der Zufluss mit der im System befindlichen zu leichten Spülung auszirkuliert. Um bei diesem Zirkulationsvorgang auf der Bohrlochsohle Druckkonstanz zu haben, muss mit der Düse stetig gegengesteuert werden. Der Gestängedruck muss während des Auszirkulierens des Zuflusses konstant bleiben, da das Gestänge als Bohrlochsohlenmanometer wirkt. Ist das Gas ausgeblasen oder der flüssige Zufluss auszirkuliert, so wird in einem zweiten Zirkulationsumlauf die inzwischen beschwerte Spülung einzirkuliert und die Bohrung damit totgepumpt. Da das Auszirkulieren und das Totpumpen in zwei getrennten Zirkulationsumläufen geschieht, spricht man hier von der „Zweizirkulationsmethode“. Der Vorteil bei dieser Methode liegt darin, dass unmittelbar nach dem Einschließen der Bohrung und der Beendigung des Druckaufbaus mit dem Auszirkulieren des Kicks begonnen werden kann, und dass das Beschweren der Spülung nicht unter Zeitdruck geschehen muss. Beim Totpumpen (2. Umlauf) mit konstanter Pumprate wird der Gestängedruck wie bei der Warte und Beschwere-Methode linear abfallen, so lange bis die beschwerte Spülung die Bohrlochsohle erreicht hat. Zu diesem Zeitpunkt muss der Gestängedruck dem Zirkulations- oder Systemdruckverlust beim Umpumpen der beschwerten Spülung mit der vorgegebenen (reduzierten) Rate entsprechen. Bei Pumpenstop muss der Gestängedruck auf Null abfallen. Mit konstantem Gestängedruck (= Zirkulationsdruckverlust bzw. Pumpendruck) ist durch Gegensteuern mit der Düse (bei Gas) die beschwerte Spülung im Ringraum nach oben zu pumpen.
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7 Die Bohrmeistermethode
7.2 Vorgehensweise bei der Bohrmeistermethode
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Nach dem Eintritt und der Feststellung des Kicks ist bei Anwendung der Bohrmeistermethode wie folgt vorzugehen: 1. Sofortiges Einschließen der Bohrung mittels des harten oder weichen Einschließverfahren 2. Gestänge- und Ringraumeinschließdruck alle 1 – 2 Minuten ablesen und notieren, bis eine Stabilisierung der Drücke eingetreten ist. Eine Stabilisierung der Drücke wird erreicht, wenn beide Drücke entweder konstant bleiben (Flüssigkeitskick) oder in gleichen Zeitabschnitten und um dieselben Beträge anzusteigen beginnen, was den Beginn der GasPercolation des Zuflusses anzeigt. Der normale Stabilisierungszeitraum liegt zwischen 5 und 15 Minuten, bei geringen Zuflüssen und Ölspülung auch länger. Befindet sich ein Rückschlagventil im Strang, so muss langsam gepumpt werden, bis das Ventil sich öffnet (Druckabfall). Der Öffnungsdruck gilt als Gestängeeinschließdruck. Dieser Vorgang ist bis zur Druckstabilisierung mehrfach zu wiederholen. 3. Zufluss im Tanksystem messen und registrieren. 4. Beobachten und registrieren der Einschließdrücke nach deren Stabilisierung. Anmerkung: Die Einschließdrücke sind nach dem Einschließen der Bohrung ständig u beobachten und zu registrieren. Steigen beide Drücke gleichmäßig an, so ist das ein Indiz für das Aufsteigen (Percolation) des Kicks in der eingeschlossenen Bohrung. Ein relativ schnelles Ansteigen der Drücke deutet auf einen Gaskick hin. Steigt der Gestängeeinschließdruck um mehr als einige bar an, Düse leicht öffnen, um die Gasblase expandieren zu lassen, bis der initiale Gestängeeinschließdruck (plus Sicherheitszuschlag) wieder erreicht ist.
Abb. I-15: Druckverlaufsdiagramm bei der Bohrmeistermethode
5. Beginn des Auszirkulierens des Zuflusses. Pumpe langsam hochfahren bei gleichzeitigem langsamem Öffnen der Düse, bis der Anfangszirkulationsdruck erreicht ist. Dieser ergibt
I Bohrlochkontrolle
sich gemäß Abb. I-15 aus der Summe von Gestängeeinschließdruck (pDp) plus reduziertem Zirkulationsdruck (pcr) plus eventuell einem Sicherheitsdruckzuschlag (Aps). Dieser Wert kann ermittelt werden, ohne dass das Kill Sheet bearbeitet werden muss. Dabei derzeitigen Ringraumdruck bis zum Erreichen des Anfangs- Gestängezirkulationsdrucks (= Gestänge-Einschließdruck + reduzierter Zirkulationsdruck) konstant halten. Ist die Bohranlage mit einer Automatikdüse ausgerüstet, so kann an dieser der derzeitige Ringraumdruck, der konstant zu halten ist, eingestellt werden. Die Düse hält dann diesen Druck automatisch konstant. Anmerkung: Das Hochfahren der Pumpe sollte mindestens 1 Minute dauern, um den Ringraumdruck gut überwachen und konstant halten zu können. Unter Konstanthaltens dieses Gestängedruckes wird nun durch Einpumpen der im Bohrloch befindlichen (leichten) Spülung der Kick vollständig auszirkuliert. 6. Während des Auszirkulierens, des Ausfüllens und des Berechnens des Kill Sheets, um die erforderliche Beschwerung der Spülung zu ermitteln und gegebenenfalls die Zirkulationszeiten zu berechnen. Das Erstellen einer Totpumpkurve ist bei der Bohrmeistermethode nicht erforderlich. 7. Anmischen der neuen, beschwerten Spülung (sofern erforderlich) oder bereits vorbereitete, beschwerte Spülung auf die erforderliche Dichte bringen (z. B. durch Verdünnen) und einpumpen dieser Spülung in den Saugtank. 8. Nachdem der Kick vollständig auszirkuliert ist, Einleiten des Totpumpprozesses. Dabei Düse langsam öffnen bei gleichzeitigem Einzirkulieren der beschwerten Spülung, indem die Pumpe langsam bis auf die reduzierte Hubzahl hochgefahren wird. Während die beschwerte Spülung von übertage bis zur Bohrlochsohle (Meißel) verpumpt wird, wird der Ringraumdruck konstant gehalten. Das kann optimal mittels der Automatikdüse geschehen (s.o.). Der erforderliche Ringraumdruck entspricht der Summe von Gestängeeinschließdruck (pdp) und Sicherheitsdruckzuschlag (Aps). Anmerkung: Dieser Wert ergibt sich, weil sich im Ringraum bei Anwendung der Bohrmeistermethode zu Beginn der Totpumparbeiten kein Kick mehr befindet. Somit steht im Ringraum von der Tagesoberfläche bis zur Bohrlochsohle die leichte Spülung an, wie beim Einschließen der Bohrung im Strang. Der hydrostatische Druck dieser Spülungssäule plus dem Gestängeeinschließdruck ergibt den Formationsporendruck. Hinzu kommt, sofern das für erforderlich gehalten wird, der Sicherheitsdruckzuschlag. 9. Einstellen des Druck-Sicherheitsbeiwertes zwischen 5 und 15 bar (sofern gewünscht) durch leichtes Schließen der Düse. 10. Pumprate konstant halten (± 3-4 Hub/min). Gegebenenfalls Korrekturen des Ringraumdruckes durch Gegensteuern mit der Düse vornehmen. Anmerkung: Bei Änderung der Düsenöffnung beachten, dass die Druckimpulslaufzeit etwa 300 m/s beträgt, sodass eine Druckänderung durch Verstellen der Düse erst mit einer gewissen Verzögerung am Gestängemanometer sichtbar wird. Es ist deshalb empfehlenswert, eine bestimmte Änderung am Gestängedruck so vorzunehmen, dass der Ringraumdruck zunächst um den angestrebten Betrag durch Verstellen der Düse geändert wird. Dann abwarten, wie der Gestängedruck reagiert. Anschließend Feinregulierung vornehmen. Die Druckimpulslaufzeit (tpi) errechnet sich in Abhängigkeit von der Bohrlochteufe wie folgt: a. =
2 ⋅T 300
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8 Gleichzeitige Methode
11. Hat die beschwerte Spülung die Bohrlochsohle (Meißel) erreicht, Gestängedruck auf dem Wert des Endzirkulationsdruckes (= Zirkulationsdruck mit beschwerter Spülung, aus dem Kill Sheet zu entnehmen) konstant halten, bis die beschwerte Spülung am Auslauf austritt. Als Indiz dafür, dass die beschwerte Spülung die Bohrlochsohle erreicht hat und beginnt, im Ringraum aufzusteigen, gilt, dass der Gestängedruck, der während des Einpumpens der beschwerten Spülung in den Strang ständig fällt (er folgt der Totpumpkurve gemäß Warteund Beschwere-Methode !), konstant bleibt und den Wert des Endzirkulationsdruckes erreicht hat. Gleichzeitig beginnt der Ringraumdruck langsam zu fallen. 12. Dichte der eingepumpten Spülung ständig kontrollieren, notieren und mit den vorausberechneten Werten vergleichen. Ist die Gesamtumlaufzeit nahezu erreicht, am Auslauf austretende Spülung ebenfalls einer Dichteüberprüfung unterziehen. Solange zirkulieren, bis die Dichte der austretenden Spülung gleich der der eingepumpten Spülung ist. Ringraumdruck ständig in Abhängigkeit von der Zeit bzw. der Hubzahl registrieren. 13. Hat die beschwerte Spülung die Oberfläche wieder erreicht, Pumpe abstellen und Bohrung einschließen. Sind Gestänge- und Ringraumdruck gleich Null, Düse öffnen, Preventer öffnen, Hydraulikschieber schließen. Ergeben sich beim Einschließen der Bohrung Kopfdrücke, die ungleich Null sind, weiter beschwerte Spülung einzirkulieren. Berechnungen (neue Spülungsdichte, Zirkulationszeiten) überprüfen. Sind Fehler in der Berechnung nicht zu erkennen, nach einigen Minuten Bohrung erneut einschließen und kontrollieren. Anmerkung: Nachdem die beschwerte Spülung die Bohrlochsohle erreicht hat (Hubzahl bzw. Zeit als Kriterium heranziehen), kann kontrolliert werden, ob die berechnete neue Spülungsdichte ausreichend ist, indem die Pumpe gestoppt und die Düse geschlossen wird. Der Gestängedruck muss, bei richtiger Spülungsdichte Null werden, da nun der hydrostatische Druck der Spülungssäule dem Formationsporendruck entspricht. Ist der Gestängedruck ungleich Null, sollten noch einige m3 Spülung eingepumpt werden, da gegebenenfalls ein Fehler in der Volumenberechnung vorliegt. Einschließvorgang dann wiederholen. Ist der Gestängedruck noch immer ungleich Null, Dichteberechnung überprüfen und Spülung auf höhere Dichte beschweren. Durch diese Zwischenprüfung kann der Erfolg einer Totpumpoperation zum frühest möglichen Zeitpunkt überprüft werden.
8 Gleichzeitige Methode Die gleichzeitige Methode ist eine Kombination der Bohrmeister-Methode mit der Warte- und Beschwere-Methode. Darunter ist zu verstehen, dass nach dem Einschließen eines Zuflusses sofort mit dem Auszirkulieren des Kicks begonnen wird, dass aber immer dann, wenn ein Gestängevolumen verpumpt ist, die zu verpumpende Spülung jeweils um einen Teilbetrag beschwert wird. Vorteil dieser Methode ist, dass nicht gewartet werden muss, bis die Spülung auf die Totpumpspülungsdichte (Kill Mud Weight = KMW) beschwert ist, was zum einen sehr zeitaufwendig ist und zum andern auf manchen Bohranlagen nicht ohne weiteres möglich ist, weil entsprechende Mischeinrichtungen und Tankkapazitäten fehlen.
I Bohrlochkontrolle
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Als weiterer Vorteil ist zu nennen, dass dadurch, dass jeweils teil beschwerte Spülung einzirkuliert wird, die Drücke im Zirkulationssystem stufenweise reduziert werden, da die Kopfdrücke sowohl am Gestänge wie auch am Ringraum (Düse) um den Betrag, um den der hydrostatische Druck der eingepumpten Spülung erhöht wird, erniedrigt werden können. Nachteilig ist, dass die Methode einen erhöhten Rechenaufwand benötigt, dass die Bohrung dann, wenn die Spülung auf die Totpumpdichte beschwert ist, nochmals komplett mit dieser Spülung zirkuliert werden muss, und dass die Drücke im Bohrlochsystem höher sind, als wenn mit der Warte- und Beschwere-Methode gearbeitet wird. Auch ist das Beschweren der Spülung dadurch, dass dieses in einer Reihe von Schritten erfolgt, komplizierter. Die Spülung muss nicht nur um einen bestimmten Betrag beschwert werden, sie muss auch während des Verpumpens des zugehörigen Volumens (= Gestängevolumen) konstant gehalten werden. Sicherlich gibt es mehrere Möglichkeiten, wie bei der gleichzeitigen Methode vorgegangen werden kann. So ist es möglich, der Spülung im Saugtank während des Verpumpens ständig eine konstante Menge an Beschwerungsstoff (z. B. Schwerspat) zuzusetzen und sie somit auf eine bestimmte Dichte zu bringen. Dazu muss aber gewährleistet sein, dass die Menge an Beschwerungsstoff pro Zeiteinheit absolut konstant ist, und dass das zu beschwerende Volumen zum einen verhältnismäßig klein ist und zum andern konstant verpumpt wird. Ist das nicht zu realisieren, so besteht die Gefahr, dass Spülung unterschiedlicher Dichten verpumpt wird, sodass die Drucküberwachung außer Kontrolle gerät und der Druck auf der Bohrlochsohle nicht mehr konstant gehalten und nicht mehr berechnet werden kann.
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9 Beschweren der Spülung Wie bereits in den vorstehenden Kapiteln erläutert, kommt es vielfach zu einer Kicksituation, weil der Bohrlochsohlendruck niedriger ist als der Formationsporendruck. Die Ursache hierfür ist meistens in zu geringer Spülungsdichte zu suchen, sodass neben dem Auszirkulieren des Kicks auch die Spülung beschwert werden muss, um das Bohrloch zu stabilisieren. Durch die Zugabe von Beschwerungsmitteln zur Spülung wird das Spülungsvolumen im Normalfall vergrößert, da Masse zugefügt wird. Die normale Berechnung der benötigten Masse an Beschwerungsstoff lautet wie folgt: mB =
(ρm 2 − ρm1 ) ⋅ ρ B ρ B − ρm 2
[t/m3]
Hierin sind: pm1 = Spülungsdichte der unbeschwerten Spülung [kg/l] Pm2 = Spülungsdichte der beschwerten Spülung [kg/l] [kg/dm3] pB = Dichte des Beschwerungsmittels Das bedeutet, dass x Tonnen Beschwerungsmittel pro m3 Ausgangsspülung (= unbeschwerter Spülung) zugesetzt werden müssen. Nachstehend einige mittlere Dichtewerte von gebräuchlichen Beschwerungsmitteln: Schwerspat BaS04 4,3 kg/dm3 Kreide CaC03 2,7 kg/dm3
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10 Unkonventionelle Totpumpverfahren
5,2 kg/dm3 Hämatit Fe203 Bariumkarbonat BaC03 4,3 kg/dm3 Durch die Zugabe des Beschwerungsmittels ergibt sich folgende Volumenzunahme der beschwerten Spülung: Vx =
ρm 2 − ρm1 ⋅1000 [l/m3 Ausgansspülung] ρ B − ρm 2
Soll die Beschwerung ohne Volumenzunahme vorgenommen werden, so ist vor der Zugabe von Beschwerungsmitteln ein bestimmtes Spülungsvolumen auszuscheren. Dieses berechnet sich wie folgt: Va =
ρm 2 − ρm1 ⋅1000 ρ B − ρm 2
[l/m3 Ausgansspülung]
Nach dem Ausscheren des vorstehend berechneten Spülungsvolumens berechnet sich nun die erforderliche Zugabe an Beschwerungsmittel wie folgt: mB =
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(ρm 2 − ρm1 ) ⋅ ρB ⋅1000 ρB − ρm1
[t/m3]
Das bedeutet, dass x Tonnen Beschwerungsmittel pro m3 Ausgangsspülung (nach dem Ausscheren) zugesetzt werden müssen.
10 Unkonventionelle Totpumpverfahren Die vorgestellten Totpumpverfahren werden immer dann angewendet, wenn „normale“ Bohrlochverhältnisse vorliegen, die Bohrung konventionell eingeschlossen, der Zufluss auf normalem Wege auszirkuliert und die Bohrung totgepumpt werden kann. Dazu ist es erforderlich, dass die Einschließdrücke unter den kritischen Drücken in der Bohrung, also beispielsweise unter dem Fracdruck am Rohrschuh, liegen, und dass sich der Bohrstrang im unmittelbaren Bereich der Bohrlochsohle befindet, sodass ein Zirkulieren von Sohle möglich ist. Solche Verhältnisse sind jedoch in der Praxis nicht immer anzutreffen. Vielfach gibt es Abweichungen von diesen „klassischen“ Verhältnissen, sodass ein standardmäßiges Einschließen der Bohrung und/oder Auszirkulieren des Zuflusses und Totpumpen der Bohrung nicht machbar ist. Das ist z. B. dann der Fall, wenn bereits beim Einschließen der Bohrung und dem nachfolgenden Druckaufbau deutlich wird, dass die Einschließdrücke im Bohrloch über den Grenzdrücken (z. B. Fracdruck am Rohrschuh) liegen. Eine zusätzliche Zirkulation mit entsprechenden Zirkulationsdrücken ist nicht möglich ist, weil die Drücke beim Einschließen bereits so hoch sind, dass sie im Bereich der Grenzdrücke liegen. Der Strang befindet sich nicht auf Sohle, weil z. B. der Zufluss erst entdeckt wurde, als bereits ein Großteil des Stranges oder sogar der gesamte Strang ausgebaut war. Die Zirkulation ist dann wegen Verstopfung des Stranges nicht mehr gegeben ist, weil sich ein Rückschlagventil im Strang befindet.
I Bohrlochkontrolle
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Dabei kann die Pumpen ausgefallen und eine Zirkulation von Sohle somit nicht mehr möglich ist, obwohl sich das Bohrwerkzeug auf Sohle befindet. Durch einen Durchspüler (Loch) im Strang ist evtl. eine Zirkulation zutage nicht mehr möglich ist, weil Spülungsverluste aufgetreten sind. In solchen Fällen müssen besondere Maßnahmen ergriffen werden, um dennoch die Bohrung im Falle eines Kicks wieder unter Kontrolle zu bringen. Nachfolgend sollen folgende, nicht klassischen Totpumpverfahren näher besprochen werden: • die „Volumetrische Methode“ (Volumetrie Method) • die „Totpumpmethode mit reduziertem Gegendruck“ (Low Choke Methode) • die „Dynamische Totpumpmethode“ (Dynamic Kill Method) • die „Über-Kopf-Totpumpmethode“ (Bullheading) • die „Totpumpmethode mit linksläufigem Spülungsumlauf“ (Reversed Circulating Method)
11 Die Volumetrische Methode Grundsätzlich gilt immer, dass der Bohrlochsohlendruck dem Formationsporendruck entsprechen muss oder leicht über diesem liegen soll, und dass dieser Druck während der Manipulationen am Bohrloch immer konstant gehalten werden soll, damit es weder zu einem erneuten Zufluss (Unterdrucksituation) noch zu einem möglichen Fracen des Gebirges (Überdrucksituation) mit allen unangenehmen Folgen kommen kann. Es ist möglich, einen Zufluss aus der Bohrung zu entfernen, ohne dass dabei eine Zirkulation stattfindet, weil z. B. der Strang (Meißeldüsen) blockiert ist, weil sich ein Rückschlagventil im Strang befindet, oder weil der Strang bereits zum größten Teil oder sogar vollständig ausgebaut ist, also immer dann, wenn nur der Ringraumdruck verfügbar ist. Ein solches Vorgehen wird als volumetrische Methode bezeichnet. Es ist aber nicht möglich, eine Bohrung totzupumpen, also beschwerte Spülung einzuzirkulieren, wenn keine Zirkulation von Sohle möglich ist. Hier müssen dann besondere Maßnahmen ergriffen werden, wie das Einstrippen oder Einsnubben des Stranges bis auf Sohle oder die Überschichtung des oberen Teiles der Bohrung, in dem Zirkulation möglich ist (z. B. bei teilweise ausgebautem Strang) mit „überbeschwerter“ Spülung, sodass der sich in Summe ergebende hydrostatische Druck dem Formationporendruck entspricht. In einem solchen Fall kann der Strang in die vorübergehend druckausgeglichene Bohrung bis auf Sohle eingebaut und dann die auf die erforderliche Totpumpdichte beschwerte Spülung einzirkuliert werden. Erst dann kann die Bohrung als totgepumpt bezeichnet werden. Um nun einen Gaszufluss aus der Bohrung zu entfernen, muss dem Gas gemäß Gasgesetzen die Möglichkeit gegeben werden, beim Aufsteigen zu expandieren, damit der Druck auf Sohle konstant bleiben kann. Das bedeutet, dass ständig kontrolliert Spülung abgelassen werden muss, damit das Gas expandieren kann und das Produkt aus Druck und Volumen konstant bleibt (p . V = const.). Das geht so lange, bis der Gaszufluss den Bohrlochkopf erreicht hat. Wird jetzt Gas statt bisher Spülung abgelassen, so muss das ausgeblasene Gasvolumen durch Flüssigkeitsvolumen ersetzt werden, so lange, bis sich statt Gas und Flüssigkeit nur noch Flüssigkeit im Bohrloch befindet, also der Zufluss komplett ausgeblasen wurde. Würde das Auffüllen mit Spülung nicht erfolgen, so würde das zuletzt vom Gas eingenommene Bohrlochvolumen nach dem
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11 Die Volumetrische Methode
Ausblasen des Gases fehlen, was zu einem entsprechenden Verlust an hydrostatischem Druck im Bohrloch und damit zu einer Unterdrucksituation auf der Bohrlochsohle führen würde. Befindet sich der Bohrstrang noch teilweise im Bohrloch, und ist Zirkulation möglich, so braucht man den Zufluss natürlich nicht bis zum Bohrlochkopf aufsteigen zulassen und dann ausblasen. In diesem Fall reicht es, den Zufluss so weit aufsteigen zu lassen, bis er sich komplett zwischen Bohrstrang und Bohrlochverrohrung befindet. Ab diesem Zeitpunkt kann er mittels der 1. Phase der Bohrmeister-Methode auszirkuliert werden. Vorgehensweise bei der volumetrischen Methode Nach dem Eintritt und der Feststellung des Kicks ist bei Anwendung der volumetrischen Methode wie folgt vorzugehen: 1. Schließen des Preventers für Totalabschluss – sofern sich kein Gestänge im Bohrloch befindet – bzw. des Ring- oder Backenpreventers – sofern sich noch ein Strang oder ein Teil des Stranges im Bohrloch befindet. 2 Ringraumdruck ablesen und notieren. Sofern sich ein Zufluss ermitteln lässt, diesen notieren. Ansonsten das Gesamt-Tankvolumen im aktiven Tanksystem nach dem Einschließen der Bohrung ermitteln und notieren. 3. Arbeitsblatt bearbeiten, insbesondere die Druckänderung pro Volumeneinheit Spülung in der Bohrung (z. B. bar/m3) berechnen. Anmerkung: Steigt der Casingdruck nach dem Einschließen an, so deutet das auf eine aufsteigende Gasblase hin. Die Percolationsgeschwindigkeit kann aus der Druck- und Zeitdifferenz berechnet werden. 4. Choke-Line mit dem Trip-Tank verbinden, um abzulassendes Spülungsvolumen besser auslittern zu können. Ist kein Trip-Tank vorhanden, abzulassendes Spülungsvolumen in einen genau definierten Tank leiten. Messen des Spülungsvolumens mittels Tankstandsanzeiger (pit volume totalizer) bzw. (bei genau bekannter Tankoberfläche) durch Messen der Zuflusshöhe und Umrechnung in Liter. 5. Vorkalkuliertes Spülungsvolumen über die Düse ablassen. Düse dabei so einstellen, dass vorberechneter Ringraumdruck während des Ablassens beibehalten wird. Anschließend Ringraumdruck auf neuen Wert bringen und unter Konstanthalten dieses Wertes erneut vorkalkuliertes Spülungsvolumen ablassen usw. Fortfahren, bis Gas am Bohrlochkopf ankommt. 6. Ist ein bestimmtes Gasvolumen aus der Bohrung abgelassen worden, vorkalkuliertes Spülungsvolumen langsam über die Kill-Line in die Bohrung einpumpen, bei geschlossener Düse. 7. Ringraumdruck dabei nur im Bereich der beim Ablassen von Spülung sich ergebenden Drucksprünge ansteigen lassen. Druckregulierung mittels Pumpgeschwindigkeit vornehmen. Eingepumpter Spülung ausreichend Zeit lassen (bis zu 30 Min.!), um durch die Gasblase hindurch im Bohrloch abzusinken und die im Bohrloch anstehende Spülungssäule zu erreichen und aufzufüllen. Bei großen Bohrlochdurchmessern und versetzt angeordneter Kill- und Choke-Line ist es jedoch durchaus möglich, langsam aber kontinuierlich Spülung einzupumpen und Gas abzulassen. Allerdings sollte zuvor getestet werden, ob eine solche Vorgehensweise machbar ist. 8. Gas in einzelnen Schüben unter Beachtung der unter 6. gemachten Angaben solange ausblasen lassen, bis der Ringraumdruck auf null gefallen ist und kein Gas mehr aus der Bohrung austritt.
I Bohrlochkontrolle
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Tritt kein Gas mehr aus der Bohrung aus und ist der Ringraumdruck trotzdem noch nicht auf Null zurückgegangen, so ist das ein Anzeichen dafür, dass der Kick zwar ausgeblasen wurde, die im Bohrloch befindliche Spülung jedoch zu leicht ist, also beschwert werden muss. In einem solchen Fall zunächst versuchen, das Gestänge in das Bohrloch einzustrippen und auf Sohle zu fahren, damit eine Spülungszirkulation von Sohle aus möglich ist. Anschließend beschwerte Spülung einzirkulieren. Danach erneut eine Drucküberprüfung durchführen.
12 Die Low Choke Methode Die Low Choke oder besser Low Choke Pressure Methode besagt, dass man bewusst von dem Prinzip des konstanten Bohrlochsohlendruckes während des Auszirkulierens des Kicks und/oder Totpumpens der Bohrung abweicht. Bei den konventionellen Zirkulationsmethoden wird beim Zirkulieren die Düse (choke) so weit geschlossen, dass der Gestänge- oder Steigleitungsdruck zusammen mit dem hydrostatischen Druck der Spülungssäule im Bohrstrang dem Formationsporendruck entspricht oder diesen leicht übersteigt (Sicherheitsmarge). Manchmal zeigt sich aber, dass der Düsen- oder Casingdruck bei einem solchen Vorgehen über den gesetzten Grenzwert, z. B. den MAASP, ansteigt. Es gilt nun zu entscheiden, ob diese Überschreitung des Grenzwertes toleriert werden kann, oder ob ernste Schäden für die Bohrung zu befürchten sind. Deutet sich jedoch an, dass der Grenzwert erheblich überschritten wird, so bietet sich als Alternative an, die Düse soweit geöffnet zu halten, dass ein festgesetzter Grenzwert nicht überschritten wird. Das allerdings bedeutet, dass der Bohrlochsohlendruck unter den Formationsporendruck fällt, und dass während des Zirkulierens ständiger Zufluss stattfindet. Auch hier gibt es nun Entscheidungskriterien, die das weitere Vorgehen bestimmen. Handelt es sich um Hochdrucklagerstätten mit geringer Permeabilität und somit niedriger Produktionsrate, so kann man davon ausgehen, dass der Zufluss während des Zirkulierens verhältnismäßig gering ist und unter dem initialen Zufluss liegt. Das würde bedeuten, dass bei entsprechend hoch gewählter Zirkulationsrate mehr Zufluss pro Zeiteinheit auszirkuliert wird als erneut zufließt. Die Chance, die Bohrung nach einigen Umläufen tot zupumpen ist somit durchaus gegeben. Dazu trägt auch mit bei, dass bei entsprechend hoch gewählter Zirkulationsrate (so hoch wie möglich !) und je nach geometrischen Verhältnissen in der Bohrung (Clearance) ein entsprechend hoher Zirkulationsdruckverlustanteil im Ringraum entsteht, der beim Zirkulieren zusätzlich zum hydrostatischen Druck auf der Bohrlochsohle wirkt und dem Formationsporendruck entgegengesetzt wird. Ist allerdings davon auszugehen, dass der Zufluss beim Zirkulieren größer ist als das auszirkulierte Volumen, so steuert die Bohrung unaufhaltsam einem Blowout zu, da sich das Zuflussvolumen ständig vergrößert. Das wäre aber auch der Fall, wenn der Düsendruck stark über den Fracdruck am Rohrschuh der letzten Rohrtour ansteigt, wenngleich es hier zunächst zu einem Underground Blowout kommen würde. Ursache für Casing-Einschließdrücke, die gesetzte Grenzwerte überschreiten, sind weniger in unerwartet hohen Reservoirdrücken zu sehen als vielmehr in der Tatsache, dass die letzte Rohrtour nicht tief genug eingebaut wurde, Drücke im Bohrloch). Gründe dafür sind vielfach Sparmaßnahmen oder Leichtfertigkeit oder Unwissenheit bei den Planern von Bohrungen, die
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13 Die dynamische Totpumpmethode
Casingabsetzteufen nur nachgeotechnischen Gesichtspunkten, nicht aber nach Maßgaben er Bohrlochkontrolle festlegen. Als Ursache sind aber auch Schwäche- oder Kluftzonen zu nennen, die unerwartet unterhalb des Rohrschuhs angetroffen werden, und die dazu führen, dass die vorkalkulierten Ringraumdrücke beträchtlich unterschritten werden. Allerdings hat die Low Choke Methode gerade in jüngster Zeit ein neues Anwendungsgebiet gefunden, die Underbalanced Drilling Technik. Hierbei wird der Bohrlochsohlendruck bewusst unter dem Formationsporen- oder Lagerstättendruck gehalten, um einen ständigen Zufluss von Lagerstätteninhalt zu gestatten. Grund hierfür ist entweder das Bohren in unterhydrostatischen oder druckabgesenkten Lagerstätten, oder die Vermeidung von Trägerschädigungen durch die in diesen eindringende Spülung und Spülungsbestandteile (Skin Effekt, innerer Filterkuchen etc.). Das trifft insbesondere für Kluftlagerstätten mit sehr hohen Porositäten und Permeabilitäten zu. Allerdings ist man in einem solchen Fall auf die Produktion während des Bohrens (PWD = production while drilling) vorbereitet. Rotationspreventer und entsprechende Separatoren zum Trennen von Spülung und zugeflossenem Öl und Gas gehören dann zur standardmäßigen Ausrüstung der Bohrung. Im Normalfall gilt die Low Choke Methode als gefährlich und sollte nur in solchen Gebieten angewendet werden, wo die Lagerstättenverhältnisse genau bekannt sind, und wo man sicher ist, dass die Zuflussrate sehr niedrig ist, sodass eine Chance besteht, bei entsprechender Zirkulationsrate in der Zeiteinheit mehr Zuflussvolumen auszuzirkulieren als erneut zufließt. Auch bei Slimhole-Bohrungen kann die Low-Choke-Methode angewendet werden, da durch eine Steigerung der Zirkulationsrate und den dadurch bedingten Anstieg des dynamischen Bohrlochsohlendruckes der Zufluss in der Formation zurückgehalten werden kann. Besser ist es im Normalfall, bei der Ermittlung der Rohrabsetzteufen mögliche Zuflüsse einzukalkulieren und sicherzustellen, dass eine Bohrung auch bei größeren Zuflüssen und höheren Formationsporendrücken sicher eingeschlossen werden kann. Als Hilfsmittel hierfür bietet sich eine Kick-Toleranz-Berechnung an.
13 Die dynamische Totpumpmethode Die dynamische Totpumpmethode ist im vereinfachten Fall das Totpumpen einer Sonde mit einer Spülung, deren Dichte nicht ausreichend ist, um den Formationsporendruck zu kompensieren, und bei der ein Einschließen oder Gegensteuern mittels der Düse nicht oder nur bedingt möglich ist. Dabei wird der fehlende hydrostatische Druck durch einen dynamischen Druckanteil, den Zirkulationsdruckverlust im Ringraum versucht zu ersetzen. Das trifft u.a. bei einem Blowout zu, wenn der Bohrlochkopf nicht mehr vorhanden ist und Spülung durch eine Entlastungsbohrung in die ausbrechende Bohrung gepumpt wird, kann aber auch auf eine einzelne Bohrung übertragen werden. Dabei wird von zwei Röhren oder Fließkanälen ausgegangen (z. B. als U-Rohr dargestellt), wobei der eine Schenkel z. B. durch die Entlastungsbohrung oder den Bohrstrang gebildet wird, der zweite Schenkel durch den Ringraum der am Kopf offenen Bohrung. In beiden Fäl-
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len wird die fehlende Spülungsdichte durch Reibungsdruckverluste der zirkulierenden Spülung im Ringraum, die auf der Bohrlochsohle und somit an der produzierenden Formation anstehen, ersetzt. Um zu wissen, welcher Druck bei Anwendung der dynamischen Totpumpmethode auf der Bohrlochsohle herrscht, und ob dieser ausreichend ist, den Lagerstätteninhalt in der Formation zurückzuhalten, müsste der Zirkulationsdruckverlust bekannt sein, den eine bestimmte Zirkulationsrate im Ringraum hervorruft. Das ist aber, wie aus der Bohrlochhydraulik bekannt ist, nur bedingt möglich. Eine einigermaßen exakte Berechnung der Zirkulationsdruckverluste ist nur mittels des sehr komplizierten Power-Law-Verfahrens möglich. Dieses lässt sich wegen seiner Komplexität jedoch in einem solchen Fall kaum anwenden. Wird aber mit dem vereinfachten Bingham-Verfahren gerechnet, so wird einerseits mit der plastischen Viskosität gerechnet, die für die Ringraumzirkulation mit Sicherheit zu niedrig ist, da hier ein niedrigeres Schergefälle vorliegt, was gemäß der Fließkurve eine höhere echte Viskosität bedeutet, andererseits wird aber von turbulenter Strömung ausgegangen. Ob diese im Ringraum überhaupt vorliegt, ist fraglich. Hinzu kommt, dass im Ringraum verschiedene Fließquerschnitte (offenes Bohrloch ./. DC, DP, HWDP ...) vorliegen, die wiederum unterschiedliche Strömungsarten verursachen können. Eine weitere Unsicherheit ist, wie sich bei einer bestimmten Fließrate die Zirkulationsdruckverluste auf die einzelnen Ringraumabschnitte verteilen. Es kann deshalb hier nur die Trial-and Error-Methode empfohlen werden, wobei z. B. anhand von Kurven oder Tabellen (z. B. Drilling Data Handbook]) die Zirkulationsdruckverluste bei verschiedenen Zirkulationsraten der im Bohrloch befindlichen Spülung für die einzelnen Ringraumabschnitte ermittelt und addiert werden, wobei die Volumenstromrate so lange verändert wird, bis die Summe der Druckverluste in etwa dem geforderten Wert entspricht. Der erforderliche Zirkulationsdruckanteil entspricht, sofern ein Einschließen der Bohrung nach dem Erkennen des Zuflusses überhaupt möglich war, dem Gestänge-Einschließdruck. Ansonsten muss versucht werden, den Formationsporendruck anderweitig, z. B. aus Nachbarbohrungen, zu besorgen oder zu schätzen, was zu einer weiteren Ungenauigkeit dieses Verfahrens führen muss.
14 Die Über-Kopf-Totpumpmethode Die Über-Kopf-Totpumpmethode oder das Bullheading ist eigentlich ein Totpumpverfahren, das aus der Workovertechnik kommt. Muss von einer produzierenden Sonde der Bohrlochkopf entfernt werden, so wird der Einfachheit halber meistens der Lagerstätteninhalt, insbesondere, wenn es sich um Gas handelt, in die Formation zurückgepresst. In der Bohrtechnik wird diese Methode jedoch nur in Notfällen angewendet, wenn ein Auszirkulieren des Zuflusses nicht möglich ist, z. B. wenn es sich bei dem Zufluss um Sauergas handelt, das übertage nicht schadlos entsorgt werden kann und dann zu einer erheblichen Gefahrenquelle würde. Das Bullheaden kann angewendet werden, unabhängig davon, ob sich Gestänge im Bohrloch befindet oder nicht. Beim Bullheaden wird tunlichst beschwerte Spülung über die Kill-Line über Kopf in die Bohrung eingepumpt und der Kick in die Formation zurückgedrängt. Da dabei jedoch sehr hohe
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15 Totpumpmethode mit linksläufigem Spülungsumlauf
Drücke aufgewendet werden müssen, ist zuvor zu prüfen, ob das Bohrloch diesen Drücken überhaupt standhält. Auch wird Gas nur dann in die Lagerstätte zurückgedrängt, wenn mit einer Volumenstromrate gepumpt wird, die mindestens 20 x dem Quadrat des Innendurchmessers des Stranges in Zoll entspricht, durch den gepumpt wird. Das kann im Extremfall der Rohrdurchmesser der Produktionsrohrtour sein, wenn sich kein Strang (Bohrgestänge, Tubingstrang) im Bohrloch befindet. Wird durch einen Tubing- oder Bohrstrang gepumpt, so wird vereinfachend in der Regel der Außendurchmesser dieses Stranges in die Berechnung eingesetzt, da diese Werte bekannt sind, während die Innendurchmesser erst zu ermitteln wären. Wird beispielsweise durch eine 9.5/8" Produktionsrohrtour mit einem Innendurchmesser von 8Ǫ" gepumpt, so wäre eine Volumenstromrate von V = 20 . 8,3752 = 1400 l/min erforderlich. Das kann bei größeren Bohrungsdurchmessern zu Schwierigkeiten mit der Pumpenkapazität führen. Zum andern ist fraglich, ob der Zufluss überhaupt in die Formation, aus der er gekommen ist, zurück gedrängt wird, oder ob er in eine andere Kluft- oder Schwächezone eindringt. Das könnte dann zu einem Underground-Blowout führen, eine Gefahr, die bei produzierenden Sonden deshalb nicht besteht, weil diese in der Regel bis in den Träger oder kurz oberhalb desselben verrohrt sind. Hinzu kommt, dass die mit dem Zufluss in die Lagerstätte verpresste Spülung in dieser nicht unerhebliche Schäden verursacht. Allerdings dürften diese Überlegungen in einer Notsituation kaum ins Gewicht fallen.
15 Totpumpmethode mit linksläufigem Spülungsumlauf Bei dieser Methode wird die Spülung in den Ringraum eingepumpt und durch den Bohrstrang auszirkuliert (reversed circulating). Dabei treten jedoch eine ganze Reihe von Nachteilen auf, wie beispielsweise das Verstopfen der Meißeldüsen mit der Gefahr, die Zirkulation sowohl direkt wie indirekt dauerhaft zu unterbrechen. Aus diesem Grunde wird dieses Verfahren im Bohrbetrieb auch kaum, im Förderbetrieb mit offenen Strängen dagegen häufiger angewendet. Das liegt u.a. an der Tatsache, dass dabei der Zufluss schnell durch den in der Regel kleineren Strangquerschnitt auszirkuliert wird, und dass, insbesondere wenn es sich um einen Gaskick handelt, die Drücke im Ringraum niedriger sind als bei direkter Zirkulation. Grund hierfür ist, dass das Gas beim Aufsteigen expandieren muss, und dass dieses innerhalb der Rohre des Bohr- oder Tubingstranges geschieht, der eine weitaus höhere Innendruckfestigkeit hat als das offene Bohrloch. Wird die Linkszirkulation mittels bereits beschwerter Spülung durchgeführt, so können die Drücke im Ringraum noch weiter reduziert werden. Deshalb empfiehlt sich dieses Verfahren u.a. auch dann, wenn man es mit druckschwachen Formationen im Bereich des offenen Bohrloches zu tun hat, und wenn eine Linkszirkulation ohne Gefährdung (z. B. Verstopfen der Fließwege) möglich ist.
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16 Vergleich der Verfahren Grundsätzlich muss zunächst erst einmal unterschieden werden zwischen den verschiedenen Situationen, in denen sich die Bohrung bei Eintritt des Kicks befindet. Tritt der Kick beim Bohren ein, oder ist es möglich, den Bohrstrang wieder bis auf Sohle einzubauen, so kommen zur Kickbekämpfung die Zirkulationsverfahren zur Anwendung, von denen die Bohrmeister- und die Warte und Beschwere-Methode die verbreitetsten Verfahren sind. Beide Methoden haben eine Reihe von Vor- und Nachteilen. Bei der Warte und Beschwere-Methode ist nur ein Zirkulationsumlauf erforderlich was bedeutet, dass man dabei mit minimalem Zeitaufwand für die Kickbekämpfung auskommt. Dieser Zeitvorteil führt dazu, dass die Bohrlochausrüstung nur für relativ kurze Zeit der hohen Beanspruchung ausgesetzt wird, die eine Totpumpoperation mit sich bringt, sodass der Verschleiß auch am geringsten sein dürfte. Das wird noch dadurch begünstigt, dass die Drücke im Zirkulationssystem bei diesem Verfahren am niedrigsten sind, weil Kopfdrücke schon bald durch hydrostatische Druckanteile ersetzt werden. Dadurch werden auch die unproduktiven Ausfallzeiten verringert und Kosten gespart. Außerdem wird durch die geringeren Differenzdrücke im System die Gefahr des Festwerdens des Bohrstranges durch Differential Sticking verringert. Nachteilig ist bei der Warte und Beschwere-Methode allerdings, dass für ihre Anwendung ein größeres Know-how erforderlich ist als für die Bohrmeister-Methode, dass ein erhöhter Berechnungsaufwand betrieben werden muss, insbesondere, wenn mit abgesetzten Strängen (tapered strings) gearbeitet wird, oder wenn es sich um Horizontalbohrungen handelt, und dass man nach dem Einschließen der Bohrung relativ viel Zeit zum Beschweren der Spülung benötigt, so dass diese Methode bei flachen Bohrungen kaum angewendet werden kann. Auch kann das Stehenlassen des Bohrwerkzeuges im Bohrloch über einen längeren Zeitraum (Beschweren) leicht zum Festwerden führen. In Horizontalbohrungen bringt diese Methode zudem keine Vorteile. Der Vorteil der Bohrmeister-Methode ist darin zu sehen, dass unmittelbar nach dem Einschließen der Bohrung mit dem Auszirkulieren des Kicks begonnen werden kann, ein Zeitvorteil, der bei flachen Gasbohrungen, die in eine Kicksituation kommen, von entscheidender Bedeutung sein kann. Hinzu kommt, dass diese Methode am einfachsten zu realisieren ist, sodass sie auch mit weniger erfahrenen Mannschaften durchgeführt werden kann. Als Nachteil ist im Wesentlichen der sehr hohe Zeitaufwand, hervorgerufen durch die beiden Zirkulationsumläufe, zu nennen, sowie die hohen Drücke, die beim Auszirkulieren auftreten und zu einer großen Belastung der Ausrüstung führen können. Außerdem ist bei der Bohrmeister-Methode durch die hohen Ringraumdrücke die Gefahr, den Fracdruck am Rohrschuh zu erreichen, am größten. Trotzdem ist die Bohrmeister-Methode das Verfahren, das bei uns als das Standardverfahren schlechthin gilt, und auch in den meisten Fällen sogar vom Betriebsführer oder Auftraggeber vorgeschrieben ist. Es ist zudem das einzige Verfahren, das bei Horizontalbohrungen angewendet wird. Die gleichzeitige Methode dürfte die schwierigste Zirkulationsmethode sein, weil bei diesem Verfahren die exakten Drücke auf der Bohrlochsohle nur sehr schwer zu erfassen sind, sodass die Gefahr, weitere Zuflüsse zu bekommen, hierbei am größten ist. Bezüglich der Drucksituation im Zirkulationssystem nimmt die gleichzeitige Methode eine Mittelstellung zwischen den beiden zuvor beschriebenen Verfahren ein, hat aber den Vorteil, dass unmittelbar nach dem Einschließen der Bohrung mit der Zirkulation begonnen werden kann. Sie ist somit insbesondere für flache Gasbohrungen geeignet, bei denen die Drücke leicht in kritische Bereiche kommen können. Zur Anwendung dieser Methode kann nur dann geraten werden, wenn die
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17 Drücke im Bohrloch
Mannschaft in der Behandlung von Kicksituationen bereits über entsprechende Erfahrungen verfügt und in dieser Methode ausreichend ausgebildet wurde. Befindet sich bei Eintritt der Kicksituation kein Gestänge im Bohrloch, bzw. ist das Gestänge mehr als 600 m über Sohle hochgezogen und kann weder eingestrippt noch eingesnubbt werden, bzw. ist eine Zirkulation durch das Gestänge von Sohle nicht möglich, weil die Meißeldüsen blockiert sind oder der Strang im oberen Bereich einen Durchspüler hat, so kann zumindest bis in die Teufe, in der sich das Gestänge (z. B. Bohrwerkzeug) befindet – keines der vorstehend beschriebenen Zirkulationsverfahren angewendet werden. Da ein Einbauen des Gestänges bei einem Gaskick kaum möglich sein wird, muss somit versucht werden, die Gasblase unter ständiger Expansion und damit unter Druckabbau im Bohrloch aufsteigen zu lassen. Als Verfahren hierfür bietet sich die volumetrische Methode an, deren Nachteil darin liegt, dass sie relativ kompliziert und langwierig ist und somit in der Praxis auf gewisse Schwierigkeiten stoßen dürfte. Da es jedoch die einzige Methode ist, die in einer solchen Situation angewendet werden kann, muss man notgedrungen mit diesen Schwierigkeiten fertig werden. Die übrigen Verfahren – Low-Choke-Methode, dynamische Totpumpmethode, Reversed Circulation und Bullhead-Squeezing – sind Sonderfälle, die speziellen Situationen vorbehalten bleiben sollten. Die Low-Choke-Methode sollte nur dann angewendet werden, wenn die Gefahr besteht, dass der Fracdruck bei Anwendung eines der gängigen Verfahren überschritten werden könnte, während auf das Bullhead-Squeezing wegen der unübersehbaren Gefahren, die mit dieser Methode verbunden sind, insbesondere der Gefahr des Fracens und damit des UntertageBlowouts, nur dann zurückgegriffen werden sollte, wenn sich ansonsten keine Möglichkeit mehr abzeichnet und die Gefahr eines Blowouts kaum mehr abzuwenden ist bzw. wenn es sich um einen Sauergaskick handelt, der auf keinen Fall auszirkuliert werden soll, weil das aus einer solchen Bohrung austretende Sauergas wegen seiner Toxizität ungleich größere Schwierigkeiten mit sich bringen und weitaus gefährlicher sein würde als alles, was durch das Bullheading im Bohrloch geschieht. Das dynamische Totpumpen hat sich besonders bei Slimholes (Bohrungen mit kleinen Durchmessern z. B. bei Baugrunduntersuchungsbohrungen) bewährt, wo der ZirkulationsDruckverlust im Ringraum weitaus größer ist als im Bohrstrang (umgekehrt als bei normalen Bohrungen). Hier kann ein Kick zurückgehalten werden, wenn die Spülungszirkulation erneut gestartet und damit der Ringraum-Zirkulations-Druckverlust zusätzlich auf die Bohrlochsohle und damit die produzierende Formation einwirkt. Das Verfahren der umgekehrten Zirkulation wird dagegen meistens bei bereits produzierenden Bohrungen angewendet, die mit einem Zirkulationssub ausgerüstet sind, da sich dann beim Auszirkulieren keine Druckprobleme im Ringraum ergeben.
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17 Drücke im Bohrloch 17.1 Einschließdrücke Vorstehend wurde wiederholt davon gesprochen, die Einschließdrücke am Gestänge und am Ringraumkopf zu ermitteln. Nachstehend sollen diese beiden Drücke näher erläutert werden. Beim Zirkulieren von Spülung während des normalen Bohrprozesses ergeben sich folgende Kopf drücke an Gestänge und am Ringraum: • am Gestängestrang: Pumpendruck = Gesamtzirkulationsdruckverlust im Strang und im Ringraum. • am Ringraum: Druck am Spülungsauslauf = atmosphärischer Druck. Daraus folgt, dass durch den Gestängestrang eine höhere Druckkomponente wirksam ist als durch den Ringraum und ein Kick nicht im Gestängestrang (gegen den Pumpendruck und durch die Meißeldüsen!) aufsteigen wird, sondern im Ringraum. Zumindest gilt das für „normale“ Bohrlochverhältnisse. Bei einer Kicksituation tritt Lagerstätteninhalt in das Bohrloch ein und wird mit dem Spülungsstrom im Ringraum aufsteigen. Wird nun die Bohrung eingeschlossen, so baut sich an der Oberfläche ein Druck auf, da der hydrostatische Spülungssäulendruck niedriger ist als der Formationsporendruck. An der Oberfläche wird sich ein solcher Druck einstellen, der zusammen mit dem hydrostatischen Spülungssäulendruck dem Formationsporendruck entspricht. Das Bohrloch kann sowohl als U-Rohr (Abb. I-16 links) wie auch als Doppelrohr Abb. (I-16 rechts), bestehend aus zwei konzentrischen Rohren, aufgefasst werden. In den beiden Schenkeln oder Rohrquerschnitten ergeben sich nach dem Einschließen einer Bohrung nach einem Kick im statischen Zustand unterschiedliche Drucksituationen und zwar: • Im Gestänge: Gestänge-Einschließdruck (pDP oder SIDPP) + hydrostat. Spülungssäulendruck im Gestänge = Formationsporendruck. • Im Ringraum: Casing – oder – Ringraum – Einschließdruck (pA oder SICP) + hydrostat. Spülungssäulendruck im Ringraum + hydrostat. Druck des zugeflossenen Mediums = Formationsporendruck. Weil der Formationsporendruck um den Betrag, der am Gestängedruckmanometer angezeigt wird, also den Gestänge-Einschließdruck (pDp) größer ist als der hydrostatische Druck der Spülungssäule im Gestängestrang, bedeutet das, dass das Gestänge als BohrlochsohlendruckManometer angesehen werden kann, da hier der wahre Bohrlochsohlendruck leicht ermittelt werden kann, sofern die Dichte der Spülung bekannt ist und der hydrostatische Druck der Spülungssäule im Gestänge exakt ermittelt werden kann. Beim Casingdruck wird das schwieriger, weil, wie die Rechnung zeigt, der Bohrlochsohlendruck sich aus Casing-Einschließdruck (pA) + hydrostatischem Spülungssäulendruck + hydrostatischem Druck des Zuflusses ergibt. Der Zufluss ist jedoch bezüglich seiner Dichte und bezüglich der eingenommenen Strecke im Ringraum zunächst nicht bekannt. Auch dürfte die exakte Dichte der mit Cuttings beladenen Spülung im Ringraum in den meisten Fällen kaum bekannt sein. Ist jedoch die Dichte der eingepumpten Spülung bekannt, so lassen sich die Druckverhältnisse auf der Bohrlochsohle mit Hilfe des Gestängedruckes leicht ermitteln und später konstant halten.
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Abb. I-16: Druckverteilung im Bohrloch nach dem Einschieben – U-Rohr-Schema) (links) Druckverteilung im Bohrloch nach dem Einschließen (rechts) [BKH]
Wird somit der Gestängedruck so kontrolliert, dass der Bohrlochsohlendruck stets dem Formationsporendruck entspricht oder sogar leicht darüber liegt, so kann kein weiterer Zufluss von Lagerstätteninhalt in die Bohrung erfolgen. Dieses Konzept ist die Grundlage der „Methode des konstanten Bohrlochsohlendruckes“(Constant bottom hole pressure method oder CBHP-method). Nun spielt aber auch die Zeit noch eine gewisse Rolle. Misst man die Einschließdrücke, so stellt man fest, dass diese sich erst nach einer gewissen Zeit – nach dem Einschließen der Bohrung – stabilisieren. Die hierfür erforderliche Zeit hängt ab von • der Art des Zuflusses, • der Porosität und der Permeabilität der Lagerstätte, • dem Betrag des Unterdruckes bei Eintritt des Kicks. Die Zeit, die bis zum Erreichen einer Druckstabilisierung einer eingeschlossenen Bohrung vergeht, reicht von wenigen Minuten bis zu Stunden. Letzteres besonders in Formationen mit nur geringer Porosität und Permeabilität. Als ausreichend wird ein Stabilisierungszeitraum zwischen 5 und 10 Minuten angesehen. Vorstehend geschildertes Vorgehen ist jedoch nur dann möglich, wenn in den Bohrstrang kein Rückschlagventil eingebaut ist, da ein vollständig schließendes Rückschlagventil einen Druckaufbau im Strang naturgemäß nicht gestattet. In einem solchen Fall erhält man den GestängeEinschließdruck, indem man mit der Pumpe langsam Spülung in den Strang einpumpt. Dabei muss der Casingdruck mit der Düse konstant gehalten werden. Ein Druck-Volumendiagramm wird einen leichten Druckanstieg beim Weiterpumpen zeigen, der auf die Kompression der im Strang befindlichen Spülung zurückzuführen ist. Nach einer gewissen Zeit wird eine Druckkonstanz bzw. sogar ein minimaler Druckabfall zu registrieren sein. Das ist der Zeitpunkt, zu dem sich das Rückschlagventil öffnet. Der sich an die Phase der Druckkonstanz anschließende weitere Druckanstieg ist auf die Kompression der Spülung im
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Ringraum zurückzuführen. Der Rückschlagventil-Öffnungsdruck wird dann als GestängeEinschließdruck (pDP) für die weiteren Berechnungen zugrunde gelegt. Wichtig ist auch zu wissen, dass bei eingebautem Rückschlagventil immer dann, wenn Spülung über den Ringraum abgelassen wird, wenn sich der Ringraumdruck infolge Aufsteigens der Gasblase bei einem Gaskick erhöht, mit der Pumpe kurz in das Gestänge nachgepumpt werden muss, damit festgestellt werden kann, ob das Druckgleichgewicht an der Bohrlochsohle noch vorhanden ist. Das lässt sich durch Vergleich der jeweiligen Rückschlagventil-Öffnungsdrücke ermitteln, da die Gestängedruckanzeige bei eingebautem Rückschlagventil nicht automatisch arbeitet.
17.2 Bohrlochsohlendruck Der Bohrlochsohlendruck ist die Summe aller Drücke, die in der jeweiligen Situation (statisch oder dynamisch) auf die Bohrlochsohle einwirken. Der Bohrlochsohlendruck lässt sich nach folgender Gleichung ermitteln: PBLS = Phyd + PCA + PK [bar] Hierin sind: [bar] PBLS = Bohrlochsohlendruck phyd = hydrostatischer Druck der Spülungssäule [bar] PCA = Zirkulationsdruckverlust im Ringraum [bar] PK = aufgebrachter Bohrloch-Kopfdruck (z. B. Einschließdruck, Pumpendruck o.a.) [bar] Zur Berechnung des Bohrlochsohlendruckes müssen nun jeweils die Werte, die nicht vorhanden sind, gleich Null gesetzt werden. Für den Fall des Einschließens der Bohrung nach einem Zufluss ergibt sich somit für den Gestängestrang: PBLS = Phyd + 0 + PDP [bar] Für den Ringraum ergibt sich beim Einschließen: [bar] PBLS = Phydm + PhydZu + 0 + pA PhydZu ist hier der hydrostatische Druck des Zuflusses (Öl, Gas o.a.), pphym der hydrostatische Druck der Spülungssäule. Wird nun der Kick auszirkuliert, so wirkt auf jeden Fall auf der Bohrlochsohle der Zirkulationsdruckverlust der Spülung im Ringraum (pCA) bei der jeweils angewendeten Zirkulationsrate. Der Zirkulationsdruckverlust der Spülung im Bohrstang ist dagegen auf der Bohrlochsohle bereits verbraucht, sodass dieser Wert nicht in die Rechnung eingeht. Damit ergibt sich für das Auszirkulieren eines Kicks mittels der Bohrmeistermethode folgende Situation: Für den Ringraum: PBLS = Phydm + PhydZu + PcA + PA [bar] Beim Auszirkulieren eines Kicks mittels der Warte-und-Beschwere-Methode ergibt sich folgendes Bild: Für den Ringraum: PBLS = PhydOMW + PhydKMW + PhydZu + PcA + PA [bar]
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Hierin sind: PhydOMW = hydrostatischer Druck der im System befindlichen Spülung mit ursprünglicher Dichte PhydKMW = hydrostatischer Druck der Totpumpspülung mit erhöhter Dichte (KMW) Auch bei diesen Gleichungen ist wiederum zu beachten, dass alle diejenigen Parameter, die nicht vorhanden sind, gleich Null gesetzt werden. Das gilt u. a. dann, wenn z. B. die beschwerte Totpumpspülung noch nicht in den Ringraum eingetreten ist, oder wenn die Totpumpspülung bereits den gesamten Gestängestrang aufgefüllt hat, oder wenn der Zufluss (Kick) bereits auszirkuliert wurde etc. Es sei hier noch angemerkt, dass das Verständnis des Bohrlochsohlendruckes insofern von grundlegender Bedeutung ist, weil der Bohrlochsohlendruck vielfach mit dem hydrostatischen Druck der Spülungssäule gleichgesetzt wird. Das ist jedoch nur dann der Fall, wenn die Dichte der Spülung so groß ist, dass der Formationsporendruck kompensiert wird, sodass kein Kick eintreten kann und die Spülungszirkulation unterbrochen wurde (z. B. beim Nachsetzen einer Bohrstange). Das ist immer dann der Fall, wenn die primäre Bohrlochkontrolle funktioniert, trifft jedoch für eine Kicksituation niemals zu. In einer Kicksituation muss dagegen der Bohrlochsohlendruck als Summe aller auf die Bohrlochsohle wirkenden Drücke stets so groß wie der Formationsporendruck sein, damit ein weiterer Zufluss unterbunden wird, und das sowohl im statischen wie auch im dynamischen Zustand.
17.3 Drücke im Ringraum Nachdem ein Zufluss erkannt und die Bohrung eingeschlossen worden ist, werden sich sowohl am Kopf des Gestänges, wie auch am Kopf des Ringraumes oder am Choke-Manifold Einschließdrücke einstellen, die zusammen mit den hydrostatischen Drücken im Bohrloch dem Formationsporendruck entsprechen. Bleibt die Bohrung eingeschlossen, so werden im Laufe der Zeit beide Einschließdrücke ansteigen, da der Zufluss in der Regel aufgrund der Dichtedifferenz zwischen Zuflussmedium und im Bohrloch befindlicher Spülung sowie wegen des Druckgefälles zwischen Bohrlochsohle und Bohrlochkopf im Bohrloch aufsteigen wird. Dieses Aufsteigen (Percolation) wird um so schneller vonstatten gehen, je größer die Dichtedifferenz zwischen Zuflussmedium und Spülung ist. Daraus folgt, dass die Einschließdrücke sich bei Gaszufluss schneller verändern als bei Flüssigkeitszufluss (Öl, Salzwasser). Wird dem Gaszufluss die Möglichkeit der Expansion nicht eingeräumt, so werden zudem beide Kopfdrücke pro Zeiteinheit um denselben Betrag ansteigen, sodass dieses gleichartige Ansteigen der Drücke als Indiz für die Percolation des Zuflussmediums gewertet werden kann. Lässt man einen Gaszufluss im Bohrloch unter Expansion aufsteigen, wie das beim Auszirkulieren eines Kicks der Fall ist, so werden die Ringraumdrücke ebenfalls ansteigen, da durch die Gasexpansion schwerere Spülung aus dem Ringraum abgelassen werden muss, sodass der hydrostatische Druck der Spülungssäule stetig kleiner wird. Dieser Druckverlust muss aber durch eine entsprechende Erhöhung des Kopfdruckes ausgeglichen werden, zumal auch der Druck des zugeflossenen Gases durch die Expansion stetig geringer wird. Hydrostatischer Druck von Gas und Spülung plus Kopfdruck müssen aber nach wie vor den Formationsporendruck ergeben.
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Abb. I-17: Ringraumdruck beim Auszirkulieren eines Flüssigkeitskicks [BKH]
Aus diesen Ausführungen wird deutlich, dass sich der Ringraumkopfdruck und damit der Druckverlauf im Ringraum, durch die ständige Gasexpansion ebenfalls ständig verändern wird, dass also eine Druckkonstanz im Ringraum nicht gegeben ist. Das wird bei gasförmigen Zuflüssen besonders deutlich, während bei flüssigen Zuflüssen zwar auch eine ständige Veränderung des Ringraumdruckes erfolgt, wenngleich diese aufgrund der verschwindend geringen Expansionseigenschaften von realen Flüssigkeiten so klein ist, dass sie in der Praxis kaum oder gar nicht zu beobachten sein dürfte. Das heißt, dass der Ringraumdruck beim Auszirkulieren eines Flüssigkeitskicks konstant bleibt. Wird dagegen ein Gaskick auszirkuliert, so wird sich der Ringraumdruck ständig änder. Das bedeutet aber auch, dass insbesondere beim Auszirkulieren eines Gaskicks der Ringraumdruck nicht als Kontrollkriterium zur Überprüfung der Konstanz des Bohrlochsohlendruckes herangezogen werden kann. Aber gerade diese ständige Überprüfung ist wichtig, da jederzeit sichergestellt sein muss, dass der Bohrlochsohlendruck dem Formationsporendruck entspricht, und das trotz der Dynamik des Auszirkulierens (Pumpvorgang), da im Falle des Unterdruckes auf der Bohrlochsohle ein erneuter Zufluss von Formationsinhalt erfolgt (2. Kick usw.), im Falle eines gravierenden Überdruckes auf der Bohrlochsohle dagegen die Gefahr des Fracens des Bohrlochs nicht auszuschließen ist.
Abb. I-18: Ringraumdruck beim Auszirkulieren eines Gaskicks [BKH].
Aus dem vorstehend gesagten folgt, dass beim Auszirkulieren eines Kicks der Ringraumkopfdruck kein verlässliches Kontrollinstrument zur Überprüfung der Druckkonstanz im Bohrloch ist und somit als Überwachungsparameter ausscheidet. Konstant bleibt dagegen der Gestängekopfdruck, sofern sich die Dichte der im Strang befindlichen Flüssigkeit (Spülung) nicht ändert.
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Hydrostatischer Druck der Spülung, Gestänge-Einschließdruck und reduzierter Zirkulationsdruck können beim Auszirkulieren des Zuflusses relativ leicht konstant gehalten werden. Und da die Summe dieser Drücke (zuzüglich einer Druck – Sicherheitsmarge) den Formationsporendruck ergibt, kann dieser ebenso leicht kompensiert werden. Daraus folgt, dass beim Auszirkulieren und Totpumpen einer Bohrung dem Gestängedruck als Kontrollinstrument eine weitaus größere Bedeutung zukommt als dem Ringraumdruck. Trotzdem darf der Ringraumdruck bzw. die sich im Ringraum ergebende Drucksituation nicht vernachlässigt werden, ist doch der Ringraum der empfindlichere Teil des Zirkulationssystems, sodass die Druckentwicklung im Ringraum durchaus bekannt sein und, was ihre Grenzwerte anbelangt, auch überwacht werden muss. Der Ringraumdruck wird im Wesentlichen von drei Faktoren beeinflusst: • der Art des Zuflusses (Gas, Flüssigkeit) • dem Zuflussvolumen • dem Totpumpverfahren. Unkritisch ist die Ringraum – Drucksituation in der Regel beim Auszirkulieren eines Flüssigkeitszuflusses, sofern sie nicht bereits beim Einschließen der Bohrung kritisch wurde. Kritisch kann die Ringraum – Drucksituation jedoch beim Auszirkulieren eines Gaskicks werden, selbst wenn sie im Stadium des Einschließens der Bohrung noch unkritisch war. Das geht deutlich aus Abb. I-18 hervor. Da also Flüssigkeitskicks die weniger kritischen Situationen liefern, sollen sich die folgenden Ausführungen ausschließlich auf Gaskicks beziehen. Von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung der Ringraumdrucksituation ist zum andern das Zuflussvolumen. Je später ein Zufluss erkannt und je später dem zufolge die Bohrung eingeschlossen wird, desto kritischer wird auch die Drucksituation im Ringraum. Da ein größeres Zuflussvolumen auch eine größere Höhe im Ringraum in Anspruch nimmt, wird die Länge der Spülungssäule und damit der dadurch hervorgerufene hydrostatische Druckanteil reduziert. Der fehlende hydrostatische Druckanteil muss durch erhöhten Kopfdruck ausgeglichen werden.
Abb. I-19: Effekt des Zuflusses
Von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung der Maximaldrücke im Ringraum ist auch die Auswahl der Totpumpmethode. Hier sollen die Bohrmeister-Methode, die Warte und Beschwere-Methode und die gleichzeitige Methode untersucht werden.
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Abb. I-20: Drucksituation beim Auszirkulieren eines Gaskicks mit der Bohrmeistermethode [BKH]
Bei der Bohrmeister-Methode wird der Zufluss mit der ursprünglich im Bohrloch befindlichen (zu leichten) Spülung durch den Ringraum auszirkuliert. Bezogen auf eine bestimmte Situation des Auszirkulierens ergibt sich dann im Ringraum folgende Drucksituation (Abb. I-20). Der Bohrlochsohlendruck ergibt sich aus dem Druck des Kicks (vereinfachend wurde der hydrostatische Druck der Gassäule vernachlässigt) und dem hydrostatischen Druck der Spülungssäule unterhalb des Kicks. Bei der Warte und Beschwere-Methode wird der Zufluss mit der neuen, beschwerten Spülung durch den Ringraum auszirkuliert. Bezogen auf eine analoge Situation des Auszirkulierens ergibt sich dann folgende Drucksituation (Abb. I-21).
Abb. I-21: Drucksituation beim Auszirkulieren eines Gaskicks mit der Warte und BeschwereMethode [BKH]
Der Bohrlochsohlendruck ergibt sich aus dem Druck des Kicks (vereinfachend wurde der hydrostatische Druck der Gassäule vernachlässigt), dem hydrostatischen Druck der Spülungssäule mit leichter Spülung (Säule 3), die sich aus dem Gestängevolumen ergibt (die im Gestänge befindliche, ursprüngliche Spülung muss zunächst verdrängt werden, ehe die beschwer-
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te Spülung die Bohrlochsohle erreicht) und dem hydrostatischen Druck der Spülungssäule mit der beschwerten Spülung (Säule 2). Der vergleichbare Ringraumkopfdruck ist bei dieser Methode um etwa 8 bar niedriger als bei der Bohrmeister-Methode. Bei der gleichzeitigen Methode wird der Zufluss mit teilbeschwerter Spülung durch den Ringraum auszirkuliert. Bezogen auf eine ebenfalls analoge Situation des Auszirkulierens ergibt sich dann eine Drucksituation, die im Prinzip mit der Warte und Beschwere-Methode übereinstimmt: Der Bohrlochsohlendruck ergibt sich aus dem Druck des Kicks (vereinfachend wurde der hydrostatische Druck der Gassäule vernachlässigt), dem hydrostatischen Druck der Spülungssäule mit leichter Spülung (Säule 3), die sich aus dem Gestängevolumen ergibt (die im Gestänge befindliche, ursprüngliche Spülung muss zunächst verdrängt werden, ehe die beschwerte Spülung die Bohrlochsohle erreicht) und dem hydrostatischen Druck der Spülungssäule mit der teilbeschwerten Spülung (Säule 2). Da die genaue Dichte dieser Spülung nicht bekannt ist, kann der hydrostatische Druck dieser Säule nur annähernd geschätzt werden. Aus diesen Ausführungen dürfte bereits klar werden, dass der Ringraumkopfdruck bei der Bohrmeister-Methode am größten und bei der Warte und Beschwere-Methode am geringsten ist, da bei letzterer der hydrostatische Druckanteil der Spülungssäule II am größten ist. Das bedeutet, dass das Bohrloch bei Anwendung der Warte und Beschwere-Methode am meisten geschont wird. Ein Rechenbeispiel zu den vorstehenden Ausführungen ergibt folgendes Resultat: Eingabedaten Bohrlochteufe: 3000 m Bohrlochdurchmesser: 8.1/2" Spülungsdichte: 1,2 kg/l Rohrschuhteufe: 2600 m Rohrdaten: 9.5/8" ID, 53.50 lb/ft, 216,8 mm ID Bohrstang: DP: 5", 19.5 lb/ft, 4,276" ID von 0 – 2676 m DC: 6.1/4" × .13/16" von 2676 – 3000 m Ringraumabschnitte: 8.1/2" × 6.1/4" von 3000 – 2676 m 8.1/2" × 5 von 2676 – 2600 m 216,8 mm × 5" von 2600 – 0 m Gestängeeinschließdruck: 48 bar Zuflussvolumen: 2,5 m3 Gas Zu berechnen ist der Druck im Ringraum in 1000 m Teufe: 1. Mittels der Bohrmeistermethode ergeben sich folgende Werte: Ringraumdruck, wenn der Kick sich in 1000 m Teufe befindet: 191,18 bar Zufluss, wenn der Kick sich in 1000 m Teufe befindet: 5,25 m3 berechnete Länge der Gasblase: 217,00 m Casing-Kopfdruck: 73,53 bar Druck am RS, wenn der Kick sich in 1000 m Teufe befindet: 353,88 bar 2. Mittels der Warte und Beschwere-Methode ergeben sich folgende Werte: Ringraumdruck, wenn der Kick sich in 1000 m Teufe befindet: 183,22 bar Zufluss, wenn der Kick sich in 1000 m Teufe befindet: 5,47 m3 berechnete Länge der Gasblase: 226,50 m
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Casing-Kopfdruck: 65,57 bar Druck am RS, wenn der Kick sich in 1000 m Teufe befindet: 353,88 bar Dichte der Totpumpspülung: 1,40 kg/l Grundsätzlich steigt der Ringraumkopfdruck ständig und immer schneller, je weiter ein Gaskick in einer Bohrung aufsteigt, weil mit dem Aufsteigen der Gasblase eine stetige Expansion des Gases verbunden ist, sodass ein immer größer werdendes Spülungsvolumen abgelassen werden muss. Dadurch wird der hydrostatische Druckanteil der Spülungssäule immer geringer. Der maximale Kopfdruck ergibt sich dann, wenn die Gasblase den Bohrlochkopf erreicht. Wird dann jedoch das Gas durch die Düse abgeblasen, so sinkt der Ringraumkopfdruck sehr schnell. Beim Arbeiten mit der Bohrmeister-Methode sinkt der Ringraum – Kopfdruck auf den Wert des Gestängeeinschließdruckes, da nach dem Abblasen des Zuflusses der Ringraum wie auch das Gestänge vollständig mit Spülung gefüllt sind. Der hydrostatische Druck der Spülungssäule plus dem Einschließdruck ergibt dann den Bohrlochsohlendruck, dergleichen dem Formationsporendruck ist. Beim Arbeiten mit der Warte und Beschwere-Methode geht der Ringraumkopfdruck gegen Null, wenn die beschwerte Spülung die Oberfläche wieder erreicht hat und die Dichte der beschwerten Spülung richtig berechnet wurde. Beim Arbeiten mit der gleichzeitigen Methode wird sich ein Kopfdruck einstellen, der zwischen Null und dem Gestänge-Einschließdruck liegt, je nachdem, wie groß die Dichtesteigerung in den einzelnen Schritten war. Wird mit der Bohrmeister-Methode, also in zwei Zirkulationsumläufen, gearbeitet, so steigt der Gestängedruck vom Einschließdruck auf den Anfangszirkulationsdruck (ICP) mit der ursprünglichen Spülung, ggfs. zuzüglich einem Sicherheitsdruckzuschlag, an. Er bleibt auf diesem Wert, bis die beschwerte Spülung einzirkuliert wird, und sinkt dann auf den Endzirkulationsdruck (FCP) mit der beschwerten Spülung ab. Dieser Wert wird erreicht, wenn die beschwerte Spülung am Bohrwerkzeug ankommt und wird bis zum Ende der Totpumpoperation beibehalten. Der Ringraumdruck steigt ab dem Zeitpunkt, wo die Zirkulation aufgenommen wird, langsam aber stetig an und erreicht seinen Maximalwert, wenn die Gasblase die Oberfläche erreicht. Nun fällt der Druck konstant ab, bis das Gas ausgeblasen ist. Der neue Ringraumdruck wird nun so lange beibehalten, bis die beschwerte Spülung das Bohrwerkzeug erreicht hat. Anschließend sinkt er weiter ab bis zum Wert Null, der sich einstellt, wenn die beschwerte Spülung die Oberfläche erreicht. Wird mit der Warte und Beschwere-Methode, also in einem Zirkulationsumlauf, gearbeitet, so steigt der Gestängedruck vom Einschließdruck auf den Anfangszirkulationsdruck (ICP),sinkt dann aber auf den Endzirkulationsdruck (FCP) mit der erschwerten Spülung ab. Dieser Wert wird erreicht, wenn die beschwerte Spülung am Bohrwerkzeug ankommt und wird bis zum Ende der Totpumpoperation beibehalten.
17.4 Der MAASP Der MAASP ist der maximal mögliche oder erlaubte Ringraumkopfdruck (Maximum Allowable Annular Surface Pressure), der bei Zirkulations- und Totpumparbeiten nicht überschritten werden sollte. Es ist der Kopfdruck, bei dessen Erreichen der Anfangsbrechdruck am Rohrschuh der letzten Rohrtour oder an einer anderen, zuvor ermittelten Schwächezone im Bohrloch, wie im Leak-Off Test ermittelt erreicht wird. Das bedeutet, dass der MAASP zusammen mit dem hydrostatischen Druck der Spülungssäule zwischen der Oberfläche und dem Schwächebereich (z. B. Rohrschuh) dem Anfangs – Formationsbrechdruck an dieser Stelle entspricht. Der Anfangs – Formationsbrechdruck wird am Rohrschuh der letzten Rohrtour unmittelbar nach dem Aufbohren des Rohrschuhs durch einen sogenannten Leak-Off-Test ermittelt
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oder ergibt sich, sofern sich die Schwächezone im offenen Bohrlochsbereich befindet, beispielsweise durch Spülungsverluste bzw. durch Drucktests auf behandelte Verlusthorizonte oder Drilling – Break – Zonen. Sind der Fracdruck im Bereich der Schwächezone oder der entsprechende Leak-Off-Druckgradient z. B. aus den beschriebenen Tests bekannt, so kann der MAASP wie folgt berechnet werden: MAASP = Leak-Off-Druck – hydrostatischer Druck der Spülungssäule zwischen Oberfläche und Testhorizont (z. B. Rohrschuhteufe). Der MAASP kann auch direkt mittels eines Leak-Off- oder Drucktests ermittelt werden, denn der bei solchen Tests sich ergebende Kopfdruck, der zum Aufbrechen der getesteten Formation führt, ist mit dem MAASP identisch. Da man zu jedem Zeitpunkt mit einen Kick rechnen muss, sollte der MAASP bzw. Leak-OffDruck jederzeit bekannt und im vorbereiteten Arbeitsblatt eingetragen sein. Er ändert sich jeweils nur dann, wenn • sich die Spülungsdichte ändert, • eine neue Rohrtour eingebaut und ein neuer Leak-Off-Test durchgeführt wird, • eine druckschwache Formation angebohrt wird, deren Anfangsbrechdruck kleiner ist als der Anfangsdruck am Rohrschuh der letzten Rohrtour. Eine grafische Darstellung der Situation beim Erreichen des MAASP ergibt sich aus Abb. I-22. Findet ein Gaszufluss in eine Bohrung statt, so wird sich die hydrostatische Druckgradientenlinie (1) parallel verschieben bis zum Kopf des Zuflusses, d. h. sie wird sich dem Kopfdruck des Zuflusses überlagern (2). Schneidet die neue Gradientenlinie die Anfangsbrechdrucklinie (Anfangsbrechdruck gemäß Leak-Off-Test als Druckgradient umgerechnet), unterhalb der Rohrschuhteufe der zuletzt eingebrachten Rohrtour, so wird der Anfangsbrechdruck am Rohrschuh nicht überschritten (3). Liegt der Schnittpunkt oberhalb des Rohrschuhs, so wird er überschritten (4). Liegt der Schnittpunkt in Rohrschuhteufe, so ist der maximal zulässige Zufluss erreicht, der zum Erreichen des MAASP führt (5). Wird ein solches Druck-Teufendiagramm für einen bestimmten Bohrlochabschnitt vorgefertigt, so kann in einer Kicksituation durch Eintragen der Höhe des Zuflusses sehr schnell festgestellt werden, ob der MAASP kritisch wird oder nicht, sowie welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um das Bohrloch nicht zu gefährden. Wird beim Totpumpen oder Auszirkulieren eines Kicks der MAASP erreicht, so gibt es zwei Alternativen: 1. Man öffnet die Düse so weit, dass der MAASP nicht überschritten wird, oder 2. reduziert die Pumprate bei konstanter Düsenstellung entsprechend. Man hält den Gestängedruck auch weiterhin konstant und überschreitet den MAASP. Beide Methoden, insbesondere die zweite, sind als kritisch einzustufen. Wird der MAASP nicht überschritten (Fall 1), so fällt durch das Öffnen der Düse der Gestängedruck naturgemäß ab, das Prinzip des konstanten Bohrlochsohlendruckes wird solche erneuten Zuflüsse als einen 2. Kick. Das bedeutet aber auch, dass der Ringraumdruck durch den erneuten Zufluss weiter ansteigen wird, so dass die Chance, den Bohrlochdruck unter Kontrolle zu bekommen, immer geringer werden wird.
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I Abb. I-22: Darstellung des MAASP [BKH]
Hält man dagegen den Gestängedruck konstant, so wird der Anfangsbrechdruck in der gefährdeten Teufe überschritten. Da es sich aber z. B. bei dem im Leak-Off-Test ermittelten Druck um den Anfangsbrechdruck handelt, der der Mindest-Streckgrenze gemäß Hooke'schem Gesetz gleichgesetzt werden kann, und der eigentliche Brechdruck (ob) demzufolge noch um etliches höher liegen kann, kann man bei diesem Vorgehen hoffen, dass ein eigentliches Fracen der Formation nicht stattfindet, insbesondere wenn der MAASP nur minimal überschritten zu werden braucht. Das hat sich in der Vergangenheit auch in der Praxis bestätigt, da bei einem geringfügigen Über schreiten des MAASP die Formation in der Regel nicht bricht. Die Begründung hierfür ist zum einen darin zu sehen, dass zwischen Anfangsbrechdruck und dem eigentlichen Brech- oder Fracdruck noch eine recht große Druckspanne liegen kann. Zum andern hat sich die getestete Formation, insbesondere wenn es sich um die Formation unmittelbar unterhalb des Rohrschuhs handelt, und wenn seit dem Leak-Off-Test bis zum Eintritt des Kicks eine längere Zeit verstrichen ist, inzwischen verfestigt, u. a. durch die Einwirkung der Spülung und des Filterkuchens. Hinzu kommt, dass die traditionelle Bohrlochkontrolltheorie davon ausgeht, dass der Zufluss immer, auch wenn es sich um Gas handelt, als eine einzige Gasblase vorliegt (single bubble theory). Die Länge der Gasblase wird dabei von ihrem Volumen (Zuflussvolumen) und der Bohrlochgeometrie bzw. dem Bohrlochdurchmesser und dem Durchmesser von Bohrstrang und Bottom Hole Assembly (BHA) bestimmt. Diese Betrachtungsweise ist jedoch nur wenig realistisch, da insbesondere dann, wenn ein Gaskick beim Bohren eintritt, die Spülung zirkuliert wird, so dass davon ausgegangen werden muss, dass das in die Bohrung eintretende Gas sich mit der Spülung vermischt und als Flüssigkeits-Gas-Gemisch im Ringraum aufsteigt.
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Hierfür spricht auch, dass eine unter Überdruck stehende Formation langsam angebohrt wird und zunächst nur wenig Lagerstätteninhalt freisetzen kann, so dass ein Gaszufluss nicht spontan und mit voller Volumenstromrate stattfindet, sondern sich das Zuflussvolumen erst allmählich steigert. Bei gering permeablen und niedrig porösen Gasträgern ist eine Entgasung ohnehin nicht spontan sondern eher zögerlich. Dadurch wird in der Regel bereits ein größeres Gasvolumen in die Bohrung eingetreten sein, wenn sich der Zufluss derart kumuliert hat, dass er übertage als Zufluss zu erkennen ist und die Bohrung eingeschlossen wird. Auch wenn der Zeitpunkt des initialen Gaseintritts in der Regel nicht oder nur sehr ungenau (z. B. durch Einsatz von Mud-Logging Units) bestimmt werden kann, ist davon auszugehen, dass sich die Spitze des Zuflusses (Kopf der Gasblase) nach dem Einschließen der Bohrung viel höher in der Bohrung befindet, als dieses nach der Berechnung unter Zugrundelegen einer einzigen, zusammenhängenden und den gesamten Ringraumquerschnitt einnehmenden Gasblase der Fall ist. Nun besteht die größte Gefahr für ein Aufbrechen der Formation am Rohrschuh – das ist die gefährdeste Stelle, da hier der petrostatische Druck am niedrigsten ist – dann, wenn der Kopf der Gasblase diesen Bereich (Rohrschuh) erreicht hat. Dieser Zeitpunkt ist jedoch nur schwer zu bestimmen, weil die Länge der Gasblase selbst bei der Single Bubble Methode nicht genau ermittelt werden kann, da das Gas beim Aufsteigen expandiert. Aus diesem Grunde geht man davon aus, dass der MAASP so lange nicht überschritten werden soll, bis die Gasblase vollständig in den Rohren verschwunden ist. Dieser Zeitpunkt ist durch Berechnung der Verpumpzeit der Spülung bis zum Erreichen des Rohrschuhs recht genau zu ermitteln. Später wird der Ringraum-Kopfdruck auf jeden Fall weiter steigen und in der Regel auch den MAASP als Grenzwert übersteigen. Ist nun aber die Gasblase nicht zusammenhängend, sondern zumindest im oberen Bereich – mehr oder weniger in der Spülung dispergiert wie vorstehend erläutert, so erreicht die Spitze (Kopf) des Zuflusses bereits viel früher den kritischen Rohrschuhbereich als berechnet, also zu einem Zeitpunkt, wo der Ringraumdruck noch weitaus niedriger war, da dieser stetig ansteigt. Aus diesem Grunde dürfte der Kopf des Zuflusses in vielen Fällen bereits in den Rohren verschwunden gewesen sein, als nach der Berechnung mittels der Single Bubble Methode der Kopf der Gasblase den Rohrschuh erreicht hat und der MAASP leicht überschritten wurde. Hinzu kommt, dass die Aufstiegsgeschwindigkeit der Gasblase beim Auszirkulieren nicht konstant ist und der Zirkulationsgeschwindigkeit entspricht, sondern dass sie auch mit abnehmender Viskosität der Spülung zunimmt. Die Viskosität der Spülung als pseudoplastische Flüssigkeit ist wiederum von der Zirkulationsgeschwindigkeit bzw. der Pumprate abhängig. SHELL hat entsprechende Untersuchungen über den MAASP mittels der sog. „Dual Flow Methode“ angestellt und ein entsprechendes Rechenmodell als sog. „Advanced-Model“ erarbeitet. Dabei konnte eindeutig festgestellt werden, dass der Gaszufluss zum Zeitpunkt des Erkennens des Zuflusses bereits eine beträchtliche Strecke im Bohrloch aufgestiegen war, so dass der Anteil des freien Gases an der Bohrlochsohle, wo der Kick eingetreten ist, weitaus geringer war, als das mittels der Single Bubble Methode zu sein scheint (100%). Allerdings sind die vorstehend geschilderten Erkenntnisse bisher noch nicht wissenschaftlich untermauert und zur allgemein gültigen Regel geworden. Wäre das der Fall, so hätte der MAASP an Bedeutung verloren und würde in der Bohrlochkontrolle nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Vorläufig sollte der MAASP jedoch auch weiterhin beachtet werden, um sicherzustellen, dass Katastrophen wie Underground-Blowouts vermieden werden. Das wäre die Folge, wenn allzu leichtfertig mit dem MAASP umgegangen würde, ohne dass die exakten Druckverhältnisse im Ringraum einer Bohrung bekannt und berechenbar wären.
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Abb. I-23: Gasverteilung zum Zeitpunkt der Kickerkennung. [BKH]
Ist die Automatikdüse mit einer MAASP-Automatik ausgestattet, so öffnet die Düse automatisch, wenn der eingestellte Wert für den MAASP überschritten wird. Hier ist darauf zu achten, dass diese Automatik zumindest dann ausgeschaltet wird, wenn der Kick nach der herkömmlichen Methode als in den Rohren verschwunden gilt, weil ab diesem Zeitpunkt der Ringraumkopfdruck meistens über den MAASP-Wert ansteigen dürfte. Ein unbeabsichtigtes Öffnen der Düse würde dann aber ein erneutes Druck-Ungleichgewicht auf der Bohrlochsohle und einen erneuten Zufluss bedeuten. Das würde die Totpumpoperation unnötig verzögern und möglicherweise weitere Probleme mit sich bringen. Vor dem Hintergrund der vorstehenden Erläuterungen ist es jedoch durchaus empfehlenswert, diese Automatik generell abzuschalten und eine manuelle Steuerung vorzunehmen. In einem solchen Fall kann man immer noch reagieren, wenn sich bei Überschreitung des MAASP vor dem Eintritt der Gasblase in den Rohrschuh Druckwerte einstellen, die eine Missachtung des MAASP als gefährlich erscheinen lassen.
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18 Spezielle Probleme der Bohrlochkontrolle
18 Spezielle Probleme der Bohrlochkontrolle 18.1 Untertage-Blowouts 18.1.1 Entstehung von Untertage-Blowouts
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Untertage-Blowouts (Underground Blowouts) liegen dann vor, wenn der Inhalt einer Formation über das Bohrloch in eine andere, druckschwächere und meist höher gelegene Formation umsteigt (Abb. I-24). Diese kann entweder hochpermeabel sein, oder sie ist zuvor durch entsprechend hohe Bohrlochdrücke aufgebrochen worden. Letzteres geschieht am häufigsten, weil ansonsten beim Durchteufen dieser Formation bereits Spülungsverluste hätten auftreten müssen. Das Aufbrechen der aufnehmenden Formation wiederum geschieht bevorzugt dann, wenn in einem tiefer gelegenen Horizont ein Kick eingetreten ist und das Bohrloch eingeschlossen wird, wobei sich im Bohrloch ein Druck aufbaut, der den Fracdruck der gefährdeten Formation übersteigt. Es kann jedoch auch sein, dass der Fracdruck erst überschritten wird, wenn der Kick auszirkuliert wird, weil beim Auszirkulieren eines Gaskicks der Ringraumdruck ständig ansteigt. Häufig treten solche Fracs auf, wenn durch leergeförderte Horizonte hindurch in tiefere Formationen gebohrt werden muss. Untertage-Blowouts sind besonders gefährlich, weil sie oftmals gar nicht erkannt werden oder zumindest in ihrem Ausmaß nicht eingeschätzt werden können, und weil der Zufluss, vor allem wenn es sich um Gas handelt, unkontrollierbar und nicht steuerbar irgendwo an der Oberfläche austreten kann, z. B. durch undichte Ringräume von Nachbarbohrungen, durch Klüfte oder Spalten im Gebirge. Allerdings muss der Austritt nach übertage nicht unbedingt sofort nach Eintritt eines Untertage-Blowouts erfolgen. Es kann durchaus sein, dass der übertägige Ausbruch erst nach längerer Zeit stattfindet oder dann, wenn der neue, oberflächennahe Speicherhorizont angebohrt wird. Letzteres ist besonders kritisch, weil in solchen oberflächennahen Bereichen nicht mit solch hohen Drücken gerechnet wird, bzw. weil vielfach zu diesem Zeitpunkt noch keine Absperreinrichtungen installiert wurden, wenn beispielsweise die Ankerrohrtour noch nicht eingebracht wurde. Wesentlich ist es, die Fließrichtung bei einem Untertage-Blowout zu erkennen. Wenngleich diese in den meisten Fällen von unten nach oben gerichtet sein wird (der Zufluss steigt aus einer tieferen in eine flacher gelegene Formation um), so ist auch der umgekehrte Fall möglich. Das kommt dann vor, wenn eine druckschwache Formation angebohrt wird, die zu Spülungsverlusten führt und zuvor eine unter höherem Druck stehende Formation durchteuft wurde. Der Inhalt dieser Formation wird nun mit der Spülung nach unten in die Verlustzone strömen, wobei das Druckgefälle zwischen der fördernden und der aufnehmenden Formation, also von oben nach unten, und der im Vergleich dazu wesentlich höhere hydrostatische Druck der Spülungssäule zwischen der fördernden Formation und der Tagesoberfläche diese Bewegung auslöst bzw. unterstützt.
I Bohrlochkontrolle
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Abb. I-24: Untertage-Blowout [BKH]
18.1.2 Anzeichen für Untertage-Blowouts Wichtig ist es nun, einen Untertage-Blowout zu erkennen, um entsprechende Maßnahmen ergreifen zu können. Da jedoch die Anzeichen für einen Untertage-Blowout nicht so eindeutig wie für einen normalen Kick sind, gehören zum Erkennen eines Untertage-Blowouts neben entsprechender Erfahrung auch sorgfältige Aufmerksamkeit. Folgende Anzeichen können auf einen Untertage-Blowout hindeuten: • Nach (normalem) Eintritt eines Kicks und dem Einschließen der Bohrung fallen die Einschließdrücke ab, da es durch den Druckaufbau im Ringraum zum Fracen und damit zur Druckentlastung im Bohrloch kommt. • Schwankende oder instabile Übertagedrücke (Einschließdrücke wie auch Zirkulationsdrücke) nach einer (normalen) Kicksituation können ein Anzeichen dafür sein, dass ein Schwächehorizont aufgebrochen wurde und die gefracte Formation. • Spülung in unregelmäßigen Schüben aufnimmt. Es ist aber auch möglich, dass die Formation, aus der Zufluss erfolgt, diesen in unregelmäßigen Schüben abgibt (kein UntertageBlowout). • Der Zirkulationsdruck (Pumpendruck) beim Bohren nimmt ohne ersichtlichen Grund ab, da die Zirkulationsstrecke verkürzt ist und die Zirkulationsdruckverluste reduziert sind. • Es treten Spülungsverluste auf. • Der Gestängedruck reagiert beim Totpumpen der Bohrung oder dem Auszirkulieren des Kicks nicht auf die Betätigung der Düse, weil die verpumpte Spülung (inklusive Zuflussmedium) in die Verlustzone gepumpt wird und die Düse nicht erreicht.
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18.1.3 Bekämpfungsmaßnahmen
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Wird ein Untertage-Blowout vermutet, so sollte der Bohrstrang auf keinen Fall in die Rohre gezogen werden, da dann die Gefahr besteht, z. B. durch Brückenbildung nicht wieder zurück auf Sohle zu kommen, sodass eine Zirkulation nicht mehr möglich ist. Um jedoch ein Festwerden des Stranges im offenen Bohrlochbereich durch Differential Pressure Sticking zu vermeiden, empfiehlt es sich, den Strang zu fahren. Das ist so lange besonders wichtig, wie noch vorbereitende Arbeiten zur Bekämpfung des Blowouts durchgeführt werden müssen. Hierzu gehört unter anderem der Versuch, den Frac-Horizont zu ermitteln, damit die Bekämpfung des Blowouts gezielt in Angriff genommen werden kann. Leergeförderte Horizonte oder beim Bohren festgestellte Brüche oder Klüfte (Kluftsysteme) kommen als mögliche Verlusthorizonte bevorzugt in Frage, jedoch sollte eine Überprüfung dieser Zonen vorgenommen werden, um sicher zu gehen, dass diese Bereiche tatsächlich die aufnehmenden Horizonte sind. Eine solche Überprüfung kann durch Aufnahme eines Temperaturlogs erfolgen (Temperatur nimmt im Verlustbereich schlagartig ab) oder durch Aufnahme eines Gamma-Ray-Logs, nachdem der eingepumpten Spülung radioaktive Tracer zugesetzt wurden. Die Logs werden im Gestänge aufgenommen, während die Spülung in den Ringraum gepumpt wird. Allerdings sind Temperaturlogs meistens nur sehr schwer zu interpretieren und sehr zeitaufwendig, weshalb sie in der Regel nur zu Kontrollzwecken gefahren werden. Alle derartigen Messungen müssen, wenn der Bohrstrang unter Druck steht, durch Schleusen gefahren werden. Zur Bekämpfung eines Untertage-Blowouts werden im Wesentlichen folgende Methoden angewendet, sofern sich der Bohrstrang im Bohrloch und auf Sohle und damit im Bereich der kickenden Formation befindet und eine Zirkulation möglich ist (Stuck Pipe verkompliziert die Verhältnisse): • Einpumpen von beschwerter Spülung zwischen produzierende und aufnehmende Formation, • produzierende Formation mittels eines Schwerspat-Stopfens isolieren, • Einbringen einer Zementbrücke im Bereich der produzierenden Formation. Die gebräuchlichste Methode ist, (oftmals sogar extrem) beschwerte Spülung durch das Gestänge und den Ringraum bis in den Bereich der aufnehmenden Formation einzuzirkulieren. Das verpumpte Spülungsvolumen sollte mindestens dem zweifachen Ringraumvolumen zwischen den beiden Horizonten entsprechen und mit hoher Pumprate verpumpt werden. Da sich die Fracformation unterhalb des Rohrschuhs befinden muss ist ein Fracen im Rohrschuhbereich – sofern hier nicht die Verlustzone ansteht – ausgeschlossen. Ziel dieser Maßnahme ist es, durch die Spülungspille zwischen dem produzierenden und dem aufnehmenden Horizont einen hydrostatischen Druck aufzubauen, der dem Formationsporendruck der produzierenden Formation entspricht. Daraus folgt, dass die Dichte der eingepumpten Spülung vom Formationsporendruck des Kickhorizontes sowie dem Abstand der beiden Horizonte abhängt, das Volumen dagegen von der Bohrlochgeometrie im zu betrachtenden Bohrlochabschnitt. Da jedoch alle diese Daten in den meisten Fällen nicht genau bekannt sein werden, leitet sich daraus aber auch die Unsicherheit des Verfahrens ab. Die wahrscheinlich erfolgversprechendste Methode, besonders, wenn große Mengen Formationsinhalt freigesetzt werden, ist das Einpumpen einer Schwerspatpille über den produzierenden Horizont. Dazu wird möglichst grobkörniger Schwerspat verwendet und ein Stopfen von mindestens 150 m bis 300 m Höhe verpumpt. Die Dichte des Stopfens sollte bei mindestens 1,9 bis 2,0 kg/l liegen. Höhere Dichten (bis zu 2,5 kg/l) lassen sich erzielen, wenn Lignosulfonate oder andere synthetische Verdünner zugegeben werden, um so die Verpumpbarkeit der Stopfenmasse zu garantieren. Die Verdünner haben daneben noch den Effekt, die Schwerspatsedimentation nach dem Verpumpen des Stopfens zu erleichtern.
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Ziel dieser Maßnahme ist es, den Schwerspat sedimentieren zu lassen, um somit möglichst schnell einen kompakten Stopfen zu bekommen, der den produzierenden Horizont absperrt, wobei weniger der hydrostatische Druck des Stopfens zur Wirkung kommt, als vielmehr seine Dichte und Undurchlässigkeit infolge der Massensedimentation. Führt das Verpumpen einer Pille nicht zum Erfolg, so kann das Verfahren durchaus mehrere Male wiederholt werden. Nach dem Platzieren des Stopfens sollte der Strang mindestens 30 m über den Stopfenkopf hochgefahren werden. Der Stopfenkopf kann etwa 12 Stunden später abgetastet werden. Auch das Einbringen eines Zementstopfens im Bereich des produzierenden Horizontes ist in der Regel erfolgreich, wenn die Schlämmendichte groß genug ist, um den Zufluss zu stoppen oder zumindest einzudämmen und der Schlämme Zeit zum Abbinden gegeben wird. Ist bekannt, dass im Bereich des produzierenden Horizontes Wasser freigesetzt wird, so kann der Stopfen aus Dieselöl-Zement hergestellt werden, damit der Zement vor Ort mit dem Wasser reagieren und abbinden kann und nicht verdünnt oder fortgeschwemmt wird. Die Zugabe von Abbindebeschleunigern ist erforderlich, um schnellstmöglich einen kompakten Zementstein zu bekommen. Auch hier kann es notwendig werden, mehrere Stopfen nacheinander zu verpumpen, ehe sich ein Erfolg einstellt. Deshalb ist es wichtig, den Zementstopfen so weit wie möglich unter dem Bohrwerkzeug zu platzieren. Die Gefahr des Einzementierens des Stranges ist bei dieser Methode nicht auszuschließen, dürfte jedoch in den meisten Fällen das kleinere Übel sein. Alle genannten Methoden können nur dann zum Erfolg führen, wenn der Abstand zwischen produzierendem und aufnehmendem Horizont groß genug ist, sodass sich in den Stopfen oder Pillen ein ausreichender hydrostatischer Druck aufbauen kann, der den Zufluss blockiert. Ist ein Downhole-Motor in den Strang eingebaut, so ist die Gefahr des Blockierens des Stranges beim Verpumpen von Schwerspat oder Zement zu groß, sodass in einem solchen Fall von der Durchführung dieser Methoden abzusehen ist. Als Alternative sollten Verstopfungsmittel durch den Ringraum in die Verlustzone einzirkuliert werden, wobei gleichzeitig leichtere Spülung mit niedriger Pumprate durch den Stranggepumpt wird, um einem Rückfluss aus dem Ringraum in den Strang und damit der Gefahr des Blockierens des Stranges vorzubeugen. Ziel dieses Vorgehens ist es, entweder die Verlustzone abzudichten und eine normale Zirkulation wieder herzustellen, oder den Gaszufluss auf einen möglichst niedrigen Wert zu reduzieren, sodass andere Maßnahmen, wie beispielsweise das Einpumpen von beschwerter Spülung, zum Erfolg führen können. Kann man davon ausgehen, dass die Bekämpfungsmethode erfolgreich war, so muss mittels eines Temperaturlogs sichergestellt werden, dass der Zufluss tatsächlich gestoppt werden konnte. Führt eine Methode nicht zum Erfolg, so sollte eine andere ausprobiert werden. Nachdem der Zufluss unterbrochen wurde, muss die aufgebrochene Formation durch Einbringen von Verstopfungsmaterialien oder (besser gleich) durch Zementieren so abgedichtet werden, dass weitergebohrt werden kann. Dabei ist darauf zu achten, dass die zum Weiterbohren erforderliche Dichte der Spülung von der Kickformation vorgegeben wird. Würde der hydrostatische Druck einer solchen Spülung im Bereich der früheren Verlustzone über dem zulässigen Fracdruck liegen, so muss das Bohrloch vor dem Weiterbohren verrohrt werden. Ansonsten ist die zum Abdichten des Kickhorizontes eingebrachte schwere Spülung schubweise auszuzirkulieren, indem der Strang stufenweise abgesenkt und die schwere Spülung durch Spülung mit der neuen Dichte verdrängt wird. Schwerspat bzw. Zementstopfen werden aufgebohrt.
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18.2 Kicks nach der Zementation
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Kicks, die nach erfolgreich durchgeführter Zementation auftreten, sind relativ selten, wenngleich nicht weniger gefährlich als normale Kicks. Zum einen treten sie sehr überraschend auf, zum anderen besteht nicht die Möglichkeit, sie durch Einpumpen beschwerter Spülung zu beherrschen. Hinzu kommt, dass sich der Zuflusshorizont kaum lokalisieren lässt. Solche Kicks können deshalb schnell in Übertage- oder Untertage-Blowouts übergehen. Kicks nach der Zementation treten in erster Linie dadurch auf, dass sich oberhalb der gasführenden Formation durchlässige Schichten befinden, die unter einem niedrigeren Druck stehen als die gasführende Formation. In einer solchen Formation kann es zu einem schnellen Abbinden der Zementschlämme durch Filtration und erhöhte Temperatur kommen, da, wie entsprechende Untersuchungen ergeben haben, die maximalen Zirkulationstemperaturen in einem Bohrloch nicht an der Bohrlochsohle, sondern in etwa 1/3 Bohrlochlänge von der Sohle entfernt auftreten. Das führt dazu, dass sich eine Zementbrücke bildet, die die Zementschlämmensäule unterbricht. Ist nun der hydrostatische Druck der Zementschlämmensäule unterhalb der Zementbrücke kleiner als der Formationsporendruck der gasführenden Schicht, so steigt Gas aus der Lagerstätte durch die Zementschlämme hindurch auf. Hält die sich an der durchlässigen Formation gebildete Zementbrücke dem Gasdruck stand, so kann es zu einem Frac unterhalb der Zementbrücke und damit zu einem Untertage-Blowout kommen. Hält die Brücke dem Gasdruck nicht stand und bricht auf, so besteht die Gefahr eines Übertage-Blowouts. Zu weiterer Abnahme des hydrostatischen Druckes der Zementsäule tragen Filtrations- und initiale Schrumpfungseigenschaften der Zementschlämme bei. Um Kicks nach der Zementation zu vermeiden, muss insbesondere darauf geachtet werden, dass die Zement- wie auch die Bohrlocheigenschaften optimal sind. Dazu gehört, dass die zu zementierende Rohrtour ordnungsgemäß im Bohrloch zentriert ist, sodass die Zementschlämme den Ringraum zwischen Rohrtour und Bohrlochwand gut ausfüllen kann. Bildet der Zementstein keinen geschlossenen Mantel um die Rohrtour, so entstehen an den Fehlstellen ideale Fließwege für Lagerstätteninhalte, insbesondere Gas. Auch ist dafür Sorge zu tragen, dass die Zementschrumpfung im Zuge der Hydratation der Zementschlämme auf ein Minimum reduziert wird, was durch Auswahl von Zementen, die einen kompakten Zementstein bilden, ebenso erreicht werden kann wie durch Zugabe von Zuschlagstoffen, die den Schrumpfungsprozess reduzieren, verhindern oder gar in einen Expansionsprozess überleiten. Solche Zuschlagstoffe sind u.a. Salz (NaCI), das mit einem Volumenanteil von 37,2 % (bezogen auf das Anmachwasser der Schlämme) dem Trockenzement zugegeben wird. Tritt Zementschrumpfung ein, so löst sich der Zementstein in den Grenzfläche vom Rohr bzw. vom Gebirge und die dabei entstehenden Mikroringräume stellen wiederum ideale Fließwege für niedrig viskose Medien wie beispielsweise Gase dar. Abhilfe schafft auch schon, wenn nur der Bereich unmittelbar über einer Lagerstätte (250 – 500 m im Ringraum) mit nicht schrumpfendem, kompaktem Zement ausgefüllt wird. Dieser Bereich kann dann von normalem Zement überlagert sein. Diesbezügliche Entscheidungen müssen jedoch für jeden Einzelfall neu getroffen werden.
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8.3 Gestänge-Ausbrüche Obwohl ein Zufluss in ein Bohrloch in der Regel in den Ringraum erfolgt, weil der Druck im Ringraum von der Bohrlochsohle bis zur Oberfläche hin mit der Abnahme der Länge der Spülungssäule ebenfalls abnimmt und gegen Null geht (am Spülungsauslauf), kann es auch vorkommen, dass ein Kick in den Bohrstrang eintritt. Das kann passieren, wenn beispielsweise beim Ziehen des Stranges der Ringraum im Bereich der Stabilizer durch Tone blockiert wird, so dass der hydrostatische Druck der Spülungssäule unterbrochen wird und auf der kickenden Formation nur noch der hydrostatische Druck der restlichen Spülungssäule zwischen der Blockierung und der Lagerstätte wirkt. Beim weiteren Hochfahren des Stranges wird unterhalb der Blockierung (Kolben) durch die Kolbenwirkung zudem ein Unterdruck erzeugt, der zur Folge hat, dass die Spülungssäule im Strang absinkt, um den Volumenverlust im Ringraum auszugleichen (Prinzip der kommunizierenden Röhren). Da jedoch wegen der ungleichen Querschnittsverhältnisse zwischen Ringraum- und Gestängeinhalt eine große Differenz besteht, entspricht eine kurze Ringraumhöhe meistens einer langen Gestängehöhe. Ist also nur ein relativ kurzer Ringraumabschnitt mit Spülung aus dem Gestänge aufzufüllen, so kann das dazu erforderliche Volumen einer recht langen Spülungssäule im Gestänge entsprechen. Daraus folgt, dass bei einem solchen Volumenausgleich der hydrostatische Druck der Spülungssäule im Gestänge drastisch abnehmen kann. Eine weitere Ursache für einen Gestängeausbruch kann auch eine normale Swabwirkung beim Hochfahren des Gestänges sein, die darin besteht, dass der Strang schneller hochgefahren wird als die Spülung an den Strang-Einbauteilen vorbei unter das Bohrwerkzeug strömen kann, sodass es wiederum zu einem Unterdruck im Bereich unter dem Bohrwerkzeug kommt. Befindet sich am Kopf des Stranges kein Gegendruck, weil dieser bereits gezogen wird und damit oben offen ist, so tritt der Zufluss auch in den Strang ein. Da der Strangquerschnitt in der Regel geringer ist als der Ringraumquerschnitt, kommt es zu einem schnellen Aufsteigen des Kicks und damit zu gefährlichen Situationen. In eine ähnliche Situation kann man auch beim Seilkernen (continuous coring) kommen, wenn das Innenkernrohr mit hoher Geschwindigkeit ausgebaut wird. Dabei entsteht unterhalb des Kernrohres ein Unterdruck, der eine Saugwirkung auf die Formation ausübt und Lagerstätteninhalt in den Strang strömen lässt. Ist eine echte Kolbenwirkung oder ein Swabeffekt festzustellen bzw. zu erwarten (z. B. beim Durchteufen klebriger Tone), so muss der Strang sehr langsam hochgefahren werden, oder es muss spülend ausgebaut werden, sodass der hydrostatische Druck stets erhalten bleibt. Auch eine sogenannte „Pille“ aus beschwerter Spülung, durch den Strang eingepumpt, kann in einer solchen Situation nützlich sein. Als weitere Maßnahme zur Vermeidung von Gestängeausbrüchen ist ein Rückschlagventil im Strang anzusehen, das jedoch eine Reihe von Nachteilen hat und den Kick als solchen auch nicht vermeiden kann, denn der wird dann in den Ringraum abgeleitet.
18.4 Sauergas – Kicks Sauergas ist ein schwefelwasserstoffhaltiges Gas, das besonders in tiefer liegenden geologischen Formationen der Trias und des Perm anzutreffen ist. Da Schwefelwasserstoff (H2S) selbst in geringsten Konzentrationen wie beispielsweise in der Verdünnung mit Luft, ein sofort
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und absolut tödlich wirkendes Atemgift ist müssen, Sauergaskicks mit ganz besonderer Sorgfalt angegangen werden. Dabei ist nach dem Grundsatz zu handeln, das Gas auf keinen Fall nach übertage auszuzirkulieren, sofern keine übertägigen Aufbereitungsanlagen vorhanden sind, damit keine giftige Atmosphäre geschaffen wird. Tritt Sauergas trotzdem in die Atmosphäre ein, so tritt ein für jede Sauergasbohrung speziell aufgestellter Alarmplan in Kraft, der alle Sicherheitsorgane sofort auf den Plan ruft und die Evakuierung und Abschirmung des gefährdeten Bereiches um die Bohrung herum zum Ziel hat. Erschwerend für die Kontrolle von Sauergasbohrungen kommt gegenüber normalen Gasbohrungen hinzu, dass Schwefelwasserstoff in Wasser sehr stark löslich ist, und demzufolge im Bohrloch auch keine separate Gassäule bildet. Schwefelwasserstoff bleibt, in Abhängigkeit von Druck und Temperatur im Bohrloch, bis in Teufen von etwa 200 – 300 m in Lösung, ehe er freigesetzt wird. Daraus folgt, dass der Schwefelwasserstoff erst bemerkt wird, wenn er die Oberfläche nahezu erreicht hat, sodass in der Regel nur wenig Zeit zum Schließen der Preventer bleibt, wenn eine Sauergaslagerstätte und vermutet angebohrt wird und kickt. Wird in eine bekannte Sauergaslagerstätte hinein gebohrt, so müssen alle nur erdenklichen Maßnahmen getroffen werden, um eine Kicksituation zu vermeiden, bzw., wenn sie trotzdem eintritt, zu beherrschen. Dazu gehört auch, dass alle Teile der Bohrlochausrüstung, insbesondere Bohrlochabsperrorgane, aus sauergasresistentem Material hergestellt sind, so dass Korrosionsbrüche durch das Gas ausgeschlossen werden können. Wichtig ist auch eine intensive Schulung des Personals, das mit allen Fragen der Bohrlochkontrolle bis ins Detail vertraut sein sollte, um mögliche Kicksituationen sofort zu erkennen und darauf reagieren zu können. • Ist trotz aller Vorsichtsmaßnahmen ein Sauergaskick eingetreten, so gibt es im wesentlichen zwei Möglichkeiten, um mit dieser Situation fertig zu werden: • Zurückdrängen des Gases in die produzierende oder eine andere Formation mittels Bullheading, oder • Einschließen der Bohrung und Ableiten des Gases durch ein geschlossenes Leitungssystem aus sauergasresistentem Material in eine entsprechend ausgelegte Entgasungsanlage, die Entfernung des toxischen Schwefelwasserstoffes aus dem Gas gestattet, sodass das entgiftete Gas wie ein normaler Gaszufluss behandelt werden kann.
18.5 Behinderung der Zirkulation Grundsätzlich gilt, dass Bohrungen nur durch Einzirkulieren von beschwerter Spülung über die Bohrlochsohle totgepumpt werden können. Wird die beschwerte Spülung nicht bis zur Bohrlochsohle eingebracht, so wird sie der im unteren Bohrlochbereich befindlichen, leichten Spülung überschichtet, sodass keine definierten hydrostatischen Verhältnisse vorliegen. Nun können Umstände eintreten, die, obwohl der Kick beim Bohren eingetreten ist, der Strang sich also auf Sohle befindet, eine Zirkulation unmöglich machen bzw. eine Zirkulation unterbrechen oder beeinträchtigen. Solche Verhältnisse ergeben sich durch ausgewaschenes oder blockiertes Gestänge oder dadurch, dass die Pumpen ausfallen, so dass eine Zirkulation nicht mehr möglich ist.
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18.5.1 Durchspüler Als Durchspüler (washouts) werden Löcher im Bohrgestänge bezeichnet, die bevorzugt an den Tooljoints oder an Haarrissen im Stangenkörper dadurch entstehen, dass die Spülung einen im Ansatz vorhandenen Fließweg durch Erosion vergrößert, bis der Hauptanteil des Spülstroms durch diesen Fließweg in den Ringraum eintreten kann. Vorbeugen kann man solchen Schäden durch regelmäßige Gestängeinspektionen, um Haarrisse rechtzeitig zu erkennen, sowie durch ordnungsgemäßes Verschrauben (Kontern) der Verbinder. Durchspüler können beim normalen Bohrbetrieb daran erkannt werden, dass der Zirkulationsdruck ab- und die Pumpenhubzahl zunimmt. Ist man jedoch beim Auszirkulieren eines Kicks, wo der Pumpen- oder Gestängedruck durch Gegensteuern mit der Düse geregelt wird, so kann das Erkennen eines Durchspülers schwierig werden, weil ein Zufahren der Düse auch durch Gasexpansion im Ringraum oder durch Änderung der Bohrlochgeometrie notwendig werden kann. Hinzu kommt, dass die Lage der Durchspüler im Strang (im oberen oder unteren Strangbereich) von Bedeutung ist, sowohl für das Erkennen einer solchen Situation wie auch für die zu ergreifenden Maßnahmen. Befindet sich der Durchspüler nahe dem Bohrwerkzeug, so wird er oftmals überhaupt nicht bemerkt, weil die Beeinflussung der Bohrlochdrücke nicht zu erkennen ist. Befindet er sich dagegen im oberen Teil des Stranges, so dürfte die Beeinflussung der Bohrlochdrücke recht stark sein, so dass daraus auf einen Durchspüler geschlossen werden kann bzw. muss. Da Durchspüler die Tendenz haben, sich zu vergrößern, kann aus einem kontinuierlichen Abfall des Gestängedruckes oftmals auf einen Durchspüler geschlossen werden. Ein anderes Indiz für einen Durchspüler ist dann gegeben, wenn bereits beschwerte Spülung in die Bohrung einzirkuliert wird und diese eher als berechnet im Ringraum austritt. Wichtig ist es, die Lage eines Durchspülers zu lokalisieren. Eine gebräuchliche Methode ist, die Hübe, die benötigt wurden, um die Totpumpspülung bis zur Oberfläche zu pumpen, ins Verhältnis zu setzen gegenüber der berechneten Hubzahl. Aus der Differenz lässt sich dann die Teufe der Auswaschung ungefähr ermitteln. Allerdings ist dieses Verfahren nur dann anzuwenden, wenn die Warte und Beschwere-Methode zum Totpumpen angewendet wird, oder wenn der Durchspüler erst auftritt, wenn die beschwerte Spülung bereits verpumpt wird (Bohrmeister-Methode), da die Hubzahlen bei der Spülungszirkulation beim Auszirkulieren eines Kicks mittels der BohrmeisterMethode (1. Umlauf) in der Regel nicht vorliegen und nicht registriert werden. Ein anderes, felderprobtes Verfahren ist, ein Verstopfungsmittel in den Strang einzupumpen und die Zeit bzw. die Hübe zu registrieren, die benötigt werden, um dieses Material bis zum Durchspüler zu verpumpen. Als Verstopfungsmaterial wird üblicherweise ein Stück Seil oder entsprechendes verwendet, also ein Material, das sich an den scharfen Kanten des Bruches verfängt und zu einem Druckanstieg führt. Ein dauerhaftes Verstopfen des Durchspülers ist damit im Allgemeinen nicht beabsichtigt und auch nicht möglich. Die Lösung der sich mit einem Durchspüler ergebenden Probleme ist in der Regel sehr komplex und hängt von einer Reihe von Faktoren ab, wie beispielsweise der Teufe des Durchspülers, der Größe der Durchflussöffnung, dem Zeitpunkt seines Auftretens (am Anfang oder in der Endphase einer Totpumpoperation) und von der Art, Schwere und Gefährlichkeit des Zuflusses. Allerdings sollte nie außer acht gelassen werden, dass ein Durchspüler durch Erosion aus einem, mit dem bloßen Auge meist nicht zu erkennenden Haarriss oder Anriss entstanden ist, und sich so weit vergrößern kann, dass es zum Gestängebruch kommt.
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Diese Situation ist besonders schwerwiegend, wenn der Bruch in der Nähe der Oberfläche geschieht. Daraus folgt, dass die bei Erkennen eines Durchspülers zu ergreifenden Maßnahmen sehr unterschiedlich sein können. Liegt der Durchspüler im unteren Strangbereich, so muss der Zirkulationsdruck den neuen Zirkulationsverhältnissen angepasst werden. Das geschieht so, dass man den Ringraumdruck auf seinem momentanen Wert, also dem Wert, er bei Beginn dieser Operation vorliegt, für kurze Zeit fixiert und die Pumpe auf die vorgegebene, reduzierte Hubzahl bringt. Der Gestängedruck, der sich jetzt einstellt, muss dann für den Rest der Totpumparbeiten beibehalten werden (der Ringraumdruck wird sich schnell wieder verändern!). Bei diesem Vorgehen wird davon ausgegangen, dass die Druckverhältnisse im Bohrloch trotz veränderter Pumpenhubzahl und veränderter Zirkulationsdruckverluste (die Pumpe läuft schneller, und die Zirkulationsdruckverluste sind niedriger wegen der verkürzten Zirkulationsstrecke) konstant sind, so dass für einen kurzen Zeitraum der Ringraumdruck als Kontrollinstrument herangezogen werden kann. Seine durch die Gasexpansion bedingte Änderung vollzieht sich nicht so schnell, als dass man ihn nicht für einen begrenzten Zeitraum als konstant ansehen könnte. Liegt der Durchspüler dagegen im oberflächennahen Bereich, so empfiehlt es sich, die Bohrung einzuschließen und den Strang soweit auszustrippen, bis die Schadstelle oberhalb der Arbeitsbühne ist, sodass die beschädigte Stange (Stangen) ausgewechselt werden kann. Anschließend wird der Strang wieder so weit wie möglich, tunlichst bis auf Sohle, eingestrippt. Für eine solche Striparbeit ist es jedoch erforderlich, dass der Innenraum des Stranges verschlossen wird. Das geschieht im einfachsten Fall durch ein eingebautes Gestängerückschlagventil. Befindet sich ein solches nicht im Strang, so muss entweder ein mechanischer, ziehbarer Stopfen eingebracht werden, oder es muss eine Pille aus einer hochviskosen und sehr dichten (schweren) Flüssigkeit eingepumpt werden, die später wieder ausgespült werden kann. Bei diesen sehr zeitaufwendigen Arbeiten ist der Zeitbedarf gegen das Risiko des Gestängebruches abzuwägen, wobei der zum Totpumpen der Bohrung nach Feststellung des Durchspülers noch benötigte Zeitaufwand eine entscheidende Rolle spielen wird. Als Alternative zu den genannten Methoden kann auch in Erwägung gezogen werden, den Zufluss zunächst nach übertage zu bringen und dann eine Reparatur des Stranges vorzunehmen. Dieses Vorgehen bietet sich insbesondere bei Gaskicks an, weil diese während der Stillstandzeiten weiter percolieren und damit zu erhöhten Druckbelastungen der Bohrung führen. In diesem Fall wird der Kick zunächst durch Anwendung der volumetrischen Methode ausgebracht. Sodann kann beschwerte Spülung, soweit möglich, einzirkuliert werden, oder der Strang wird ausgestrippt und repariert, ehe das Totpumpen der Bohrung vorgenommen wird. Auf jeden Fall liegen zu diesem Zeitpunkt bessere Bohrlochbedingungen vor als vorher.
18.5.2 Verstopfter Strang Strangverstopfungen (plugged drill pipe) sind bei Totpumparbeiten keine Seltenheit. Sie werden entweder dadurch verursacht, dass Beschwerungsstoffe wie grobkörniger Schwerspat durch die Meißeldüsen gepumpt werden und diese verstopfen, oder dass es bei Unterbrechung der Pumparbeiten für längere Zeit zur Sedimentation dieser Stoffe kommt. Verstopfte Fließwege – es werden in erster Linie die Meißeldüsen sein – können daran erkannt werden, dass in der Stillstandsphase der Ringraumdruck ansteigt, während der Gestängedruck konstant bleibt. Beim Pumpen zeigt sich der gegenteilige Effekt, dass der Gestänge- oder Pumpendruck ansteigt, wohingegen der Ringraumdruck keine Reaktion zeigt.
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Abhilfe bei verstopften Meißeldüsen kann eine umgekehrte Zirkulation bringen, indem Spülung in den Ringraum gepumpt wird, die den Stopfen im unteren Strangteil aufspült. Auch ein pulsierendes Pumpen in den Strang (Druckaufbau und Druckablassen in Wechselfolge) kann erfolgreich sein, wenngleich dabei riskiert wird, dass der Stopfen erst recht verfestigt wird. Bringen diese Maßnahmen keinen Erfolg, so muss ein neuer Fließweg geschaffen werden, indem der Strang perforiert wird. Die Perforation sollte allerdings so tief wie möglich liegen, wobei der optimale Punkt unmittelbar am Kopf der Schwerstangen ist. Liegt dieser Punkt jedoch bereits innerhalb der Rohrtour, so muss die Intensität der Sprengladungen so gewählt werden, dass ein Perforieren der Rohre vermieden wird. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Düsen aus dem Bohrwerkzeug herauszuschießen. Das gelingt jedoch nicht, wenn diese sich unter einem mächtigen Schwerspatstopfen befinden, sodass die Düsen oftmals bereits vor Beginn der Totpumparbeiten herausgeschossen werden, wenn mit groben Beschwerungsmitteln gearbeitet werden muss oder soll. Als Alternative zu diesen Maßnahmen ist die Anwendung der volumetrischen Methode anzusehen. Mittels der volumetrischen Methode kann zunächst der Kick auszirkuliert werden, so dass der Strang anschließend ausgestrippt werden kann, ohne dass die Gefahr besteht, dass durch die Percolation des Gaskicks das Bohrloch gefährdet würde.
18.6 Shallow Kicks Unter der Bezeichnung shallow Kick versteht man, dass ein Kick (in der Regel ein Gaszufluss) eingetreten ist zu einem Zeitpunkt, wo sich noch keine Ankerrohrtour, bestückt mit Preventern, im Bohrloch befindet, so dass das Einschließen der Bohrung nicht möglich ist, jedoch auch gar nicht möglich wäre, selbst wenn eine Verschlusseinrichtung installiert wäre, weil der sich im Bohrloch aufbauende Einschließdruck den Fracdruck am Rohrschuh von Standrohr oder kurzer Hilfsverrohrung übersteigen würde. Solche Situationen sind typisch für OffshoreBohrungen und können hier beträchtliche Schäden, besonders am Bohrgeräteträger, verursachen (Reduzierung des Auftriebs und damit Sinken des schwimmenden Geräteträgers). Sie sind aber auch bei Onshore-Bohrungen nicht ungewöhnlich. Auch hier ist eine solche Situation problematisch, weil es keine Möglichkeit gibt, den Zufluss abzusperren oder zumindest von der Arbeitsbühne wegzuleiten, sofern die bisher eingebrachte Rohrtour nicht mit einem Diverter bestückt ist. Der Diverter ist ein Ringpreventer niedriger Druckstufe (500 – 2000 psi) mit großem Durchgang, der somit auch auf oberflächennahe, großkalibrige Rohrtouren aufgesetzt werden kann, und der nicht die Aufgabe hat, das Bohrloch einzuschließen, sondern den Zufluss seitlich abzuleiten. Dazu wird die Ringmanschette geschlossen und das Gas durch die stets offen gehaltene Diverterleitung zur Fackel geleitet. In der gasfreien Atmosphäre ist ein Weiterarbeiten auf der Arbeitsbühne gefahrlos möglich mit dem Ziel, beschwerte Spülung in den produzierenden Horizont zu pumpen, um so den Zufluss zum Stehen zu bekommen. Diverter gehören zwar bei Offshore-Bohrungen zur Standardausrüstung und sind inzwischen auch bei Onshore-Bohrungen häufiger anzutreffen, sind aber mit entsprechender Vorsicht einzusetzen, da sie keinen absoluten Schutz vor einem Ausbruch garantieren. Das liegt im wesentlichen daran, dass das Shallow Gas meistens sehr viel abrasiven Sand mit fördert, der die Diverterleitungen und -manschetten innerhalb kürzester Zeit beschädigen kann. Trotzdem sollten sie immer dann eingesetzt werden, wenn bekannt ist, dass flache Gaslagerstätten oderaufgeladene, oberflächennahe Sande durchteuft werden müssen (wie z. B. im Feld
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Georgsdorf), da sie in vielen Fällen trotz allem einen besseren Schutz bieten als eine offene Rohrtour. Wird Shallow Gas angetroffen oder ist damit zu rechnen, so sollte verhalten gebohrt werden, um die Beladung der aufsteigenden Spülung mit Cuttings so gering wie möglich zu halten. Dadurch wird die ECD ebenso reduziert wie der Druck, der auf die Schwachstelle wirkt. Bei Anzeichen von Shallow Gas sollte die Pumprate auf die maximal mögliche Rate gesteigert werden, um einen möglichst hohen Gegendruck zu erzeugen und das Gas in die Formation zurückzudrängen. Vielfach ist es auch ratsam, ein Pilotloch zu bohren, weil dann weniger Cuttings anfallen und höhere dynamische Drücke durch höhere Ringraumdruckverluste in einem Bohrloch kleineren Durchmessers anstehen.
18.7 Spülungsverluste
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Spülungsverluste, die zur Zirkulationsunterbrechung führen, können auftreten, wenn eine Unterdruckzone mit Spülung derselben Dichte durchteuft worden ist, wie sie für eine darüber befindliche Hochdruckzone benötigt worden ist. Durch die Spülungsverluste kommt es zur Absenkung des Spülungsspiegels im Bohrloch, verbunden mit einer Abnahme des hydrostatischen Druckes auf die Hochdruckzone, so dass diese Lagerstätteninhalt freisetzen, also kicken kann. Ob dabei ein Kick eintritt oder nicht, hängt davon ab, wie weit der Spülungsspiegel absinkt und wie groß die dadurch verursachte Abnahme des Bohrlochsohlendruckes ist. Eine andere Ursache ist darin zu sehen, dass eine Bohrung nach Eintritt eines Kicks eingeschlossen wurde und der sich im Bohrloch aufbauende Druck größer ist als der Fracdruck im Bereich einer Schwächezone. Eine solche Drucküberschreitung kann aber auch erst beim Auszirkulieren eines Kicks auftreten. Sind die Spülungsverluste so gering, dass der Rückfluss nur noch 75 %, äußerstenfalls 50 % beträgt, so besteht die Chance, einen Kick trotzdem auszuzirkulieren, weil der Druck in Höhe der Verlustzone abnimmt, wenn die Gasblase diese Stelle passiert hat. In einer solchen Situation sollte die Düse etwa alle 5-10 Minuten etwas geöffnet werden, um zu sehen, ob Ringraum- und Gestängedruck hierauf reagieren. Ist das nicht der Fall, so wird ein Totpumpen unter diesen Bedingungen nicht möglich sein. Für die dann zu ergreifenden Maßnahmen ist von Bedeutung zu wissen, ob die Verlustzone oberhalb oder unterhalb der produzierenden Zone liegt. Da Verlustzonen oberhalb der produzierenden Zone erst entstanden sein können, nachdem die Bohrung in einer Kicksituation eingeschlossen und der sich aufbauende Ringraumdruck im Verlustbereich über dem Fracdruck lag, ist davon auszugehen, dass dann, wenn Spülungsverluste und Kick beim Bohren eingetreten sind, die Verlustzone tiefer liegt als die produzierende Zone. Abhilfe im ersten Fall schafft man, indem man Verstopfungsmittel durch den Ring- räum bis in die Verlustzone pumpt oder einen Schwerspat- oder Zementstopfen unterhalb der Verlustzone einbringt. Beim Einzirkulieren von Verstopfungsmaterialien sollte Spülung bei niedriger Zirkulationsrate durch den Strang gepumpt werden, um ein Verstopfen der Meißeldüsen zu vermeiden. Ein anschließendes Beschweren der Spülung scheidet aus, weil die Spülungsdichte zum Durchteufen der Hochdruckzone offensichtlich ausreichend war.
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Es sollte aber getestet werden, ob mit der gegebenen Dichte und dem daraus resultierenden hydrostatischen Druck durch die Schwächezone weitergebohrt werden kann, oder ob hier intensivere Abdichtmaßnahmen zu ergreifen sind. Liegt die Verlustzone unterhalb des produzierenden Horizontes, so muss diese auf jeden Fall abgedichtet werden, ehe die Totpumpoperation anlaufen kann. Hier bietet es sich an, einen Schwerspatstopfen mit grobem Schwerspatmaterial oder einen Zementstopfen in den Verlustbereich einzubringen, um das Abfließen von Spülung zu stoppen, sofern das Einpumpen von Verstopfungsmitteln keinen Erfolg zeigt. Ist der Meißel mit Düsen bestückt, so sollten diese tunlichst vor Beginn der Verpumpungsarbeiten herausgeschossen werden, um einer Verstopfung vorzubeugen. Sofern die Druckstufender Preventer entsprechend sind, kann auch versucht werden, durch Anwendung des Bullhead Squeezing das Gas in die Formation zurückzudrängen.
18.8 Stripping und Snubbing 18.8.1 Allgemeines Es ist zwar möglich, einen Gaskick in einer Bohrung aufsteigen und ausblasen zu lassen, ohne dass dabei Spülung durch das Bohrlochsystem zirkuliert wird, indem z. B. die volumetrische Methode angewendet wird, es ist aber nicht möglich, eine Bohrung anschließend totzupumpen, ohne dass eine Spülungszirkulation stattfindet. Das bedeutet auf jeden Fall, dass ein Strang bis auf Sohle eingebaut werden muss, um von Sohle aus die beschwerte Spülung einzuzirkulieren. Allerdings ist das Einbauen eines Stranges immer dann, wenn ein Kick während des Roundtrips auftritt und der Strang bereits ganz oder teilweise ausgebaut ist, in der Regel sehr problematisch, weil das Einbauen gegen den Bohrlochdruck erfolgen muss. Das bedeutet, dass der Strang im Bohrloch unter Konstanthalten des Kopfdruckes eingebaut werden muss, damit kein erneuter Zufluss erfolgen kann, und unter Ablassen der durch den verschlossenen Strang verdrängten Spülung (geschlossene Verdrängung = total displacement). Die entsprechenden Arbeiten laufen unter der Bezeichnung des „Stripping“ oder des „Snubbing“. Der Unterschied zwischen Strippen und Snubben liegt darin, dass beim Strippen der Strang durch das Eigengewicht in die Bohrung abgesenkt werden kann, während er beim Snubben nach unten gepresst werden muss. Letzteres ist meistens dann der Fall, wenn der Strang zum Zeitpunkt des Kicks vollständig ausgebaut ist, so dass das Stranggewicht, zumindest in der Anfangsphase des Einbauens, noch sehr gering ist. Im Bohrloch wirkt jedoch der durch den Zufluss verursachte Gegendruck voll auf den Gestängequerschnitt, was dazu führen kann, dass der Strang aufschwimmt (Effekt des Auftriebs). Das gilt auch für das Einbauen von Tubingsträngen, die zu leicht sind, um durch das Eigengewicht abgesenkt zu werden. Zum Snubben benötigt man deshalb auch ein besonderes Equipment (Snubber-Unit), das meistens durch ein einschlägiges Service-Unternehmen beigestellt wird. Beim Strippen wird der Strang dagegen durch das Eigengewicht abgesenkt, was bedeutet, dass sich in der Regel bereits ein beträchtlicher Anteil des Stranges im Bohrloch befinden muss, um den zum Absenken erforderlichen Gegendruck aufzubringen. In beiden Fällen muss das Bohrloch geschlossen gehalten werden, sodass die Strip- oder SnubArbeiten durch die geschlossenen Preventer hindurch zu erfolgen haben. Die Durchführung von Striparbeiten ist zwar nicht ganz einfach, jedoch relativ sicher, wenn die Bohrmannschaft mit den zu ergreifenden Maßnahmen vertraut und entsprechend ausgebildet worden ist. Um Striparbeiten, also das Einbauen des Stranges bis zur Sohle gegen den
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Druck im Bohrloch, zu vermeiden, kann man die Bohrung auch vorübergehend in einen stabilen und im oberen Bereich drucklosen Zustand dadurch versetzen. Der im Bohrloch verbliebenen Strang kann durch eine beschwerte Spülung einzirkuliert werden. Dabei wird in der Regel davon ausgegangen, dass der Druck am Kopf der Gasblase dem Lagerstättendruck entspricht, sofern der echte Druck am Kopf der Gasblase nicht ermittelt wurde.
18.8.2 Stripping (Abpumpen)
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Beim Strippen unterscheidet man das Arbeiten mit zwei Backenpreventern, einem Backenund dem Ringpreventer oder mit dem Ringpreventer allein. Voraussetzung für das Strippen mit zwei Preventern ist, dass die beiden Preventer soweit auseinander sind, dass ein Tooljoint in den Zwischenraum passt. Das bedeutet, dass beim Strippen mit Ring- und Backenpreventer der Backenpreventer nicht direkt unter dem Ringpreventer sein darf. Beim Strippen mit zwei Backenpreventern (ram to ram stripping) muss zwischen den beiden Backenpreventern ein Spool oder ein anderer Backenpreventer sein. Eine weitere Voraussetzung ist, dass zwischen den beiden Strip-Preventern Zu- und Ableitungen sind. Die Ableitung oder Choke-Line muss mit dem Choke-Manifold verbunden sein. Die Zuleitung oder Kill-Line dient dazu, in der Kammer zwischen den beiden Strip-Preventern Druck aufzubauen bzw. abzulassen. Schließlich wird für jede Stripoperation empfohlen, Ersatzdichtungen, -backen und Schieber auf der Lokation bereitzuhalten, da der Verschleiß von Verschleißteilen einer Preventergarnitur beim Strippen und Snubben sehr groß ist. Da Strip- und Snubarbeiten sehr kompliziert sind und einer guten Planung bedürfen, sollten diese Arbeiten nur von entsprechend geschulten Aufsichtspersonen (z. B. dem Drilling Superintendent) verantwortlich geleitet werden. Alle übrigen Personen, die eigenverantwortlich mitarbeiten sollen, müssen ebenfalls speziell unterrichtet worden sein. Sie haben dann ganz besondere Aufgaben zu erfüllen, auf die sie entsprechend vorbereitet sein müssen. Wichtig ist bei solchen Arbeiten, einen Einsatz- und Verantwortlichkeitsplan aufzustellen, damit jeder Mitarbeiter über seine Aufgaben genau informiert ist. Geht man einmal davon aus, dass der Kick beim Ausbauen des Stranges bemerkt wurde und das Bohrwerkzeug sich mehr als 600 m von Sohle entfernt befindet, so muss zunächst entschieden werden, ob der Zufluss mittels der volumetrischen Methode bis zum Bohrwerkzeug und anschließend mit einer der gängigen Zirkulationsmethoden (Bohrmeister-Methode, Warte und Beschwere-Methode) auszirkuliert werden soll, ehe der Strang bis auf Sohle gestrippt wird, oder ob Strippen und Auszirkulieren gleichzeitig erfolgen sollen. Des weiteren ist festzulegen, welche Art des Strippens (zwischen zwei Preventern oder mittels Ringpreventer allein) angewendet werden soll. Entsprechend den getroffenen Entscheidungen müssen dann die Vorbereitungen begonnen werden. Ist kein Rückschlagventil in den Strang eingebaut, so muss das jetzt nachgeholt werden, da ein Strippen oder Snubben nur möglich ist, wenn der Strang verschlossen ist. Anstelle eines Rückschlagventils kann auch ein Gestänge-Innenpreventer verwendet werden. Hier sei auf das Einschließen von Bohrungen beim Roundtrip verwiesen. Des weiteren sei darauf hingewiesen, dass der Strang beim Einlassen in die Bohrung von oben aufgefüllt werden muss, da ein automatisches Auffüllen wegen des Rückschlagventils nicht möglich ist. Ist das Stranggewicht sehr groß und die Gefahr des Kollapses durch Außendruck nicht gegeben, so kann das Auffüllen auch eingeschränkt werden, um mit weniger Hakenlast arbeiten zu
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können. Allerdings muss der Strang dann vor Aufnahme der Zirkulationsarbeiten aufgefüllt werden.
18.8.3 Strippen mittels zwei Preventern Beim Strippen mit zwei Preventern muss sich zwischen den beiden Preventern eine Kammer befinden, die mit zwei Leitungsanschlüssen versehen und in der Lage ist, einen Tooljoint aufzunehmen. Die Leitungen sind erforderlich, um in der Kammer einen Druck auf- bzw. abzubauen. Die Stripoperation geht dann folgendermaßen vonstatten: Beim Einlassen des Stranges ist der untere Preventer geöffnet, während der obere Preventer soweit geschlossen ist, dass der Strang durch die Dichtung der Backen (oder die Ringmanschette beim Ringpreventer) hindurchgleitet. Kommt ein Tooljoint oberhalb des oberen Preventers an, so muss der untere Preventer um den Strang geschlossen werden. Nun wird der Druck in der dadurch gebildeten Kammer zwischen den beiden Preventern über die Choke Line langsam abgelassen. Anschließend kann der obere Preventer gefahrlos geöffnet werden, um den Tooljoint passieren zu lassen. Ist dieser unmittelbar oberhalb der Backen des unteren Preventers angelangt, so wird der obere Preventer wiederum geschlossen und die sich bildende Kammer über die Kill Line mit Spülung aufgefüllt, bis der Druck in der Kammer dem Ringraumdruck, also dem Druck, der unmittelbar unter dem geschlossenen, unteren Preventer ansteht, entspricht. Nun kann der untere Preventer geöffnet werden, ohne dass der Bohrlochinhalt (Spülung, Zufluss) schlagartig in die Kammer eintritt und zu einer möglicherweise unzulässig hohen Belastung der Dichtelemente des oberen Preventers und der Schieber führt.
18.8.4 Druck-Kontrolle beim Strippen Sind eine oder mehrere Stangen in die Bohrung hineingestrippt worden, so wird aufgrund des zusätzlich in die Bohrung eingebrachten Strangvolumens und der dadurch bewirkten Kompression des Bohrungsinhalts ein Druckanstieg zu verzeichnen sein. Dabei ist zu beachten, dass dadurch, dass der Strang geschlossen ist, das Verdrängungsvolumen des Stranges in die Berechnung eingehen muss. Ist der Kick vor Beginn der Striparbeiten bereits auszirkuliert worden, so wird der Druckanstieg dem eingebrachten Strangvolumen entsprechen. Um den Druck in der Bohrung konstant zu halten folgt daraus, dass dieser von Zeit zu Zeit abgelassen werden muss, indem Spülung, deren Volumen dem eingebrachten Strangvolumen entspricht, durch die Choke Line abgelassen wird. Das Druckablassen braucht nicht kontinuierlich zu erfolgen, sondern richtet sich danach, welcher Druckanstieg in der Bohrung gefahrlos geduldet werden kann. Daraus folgt, dass das Ablassen des Druckes nach dem Einstrippen von einer oder mehreren Stangen erfolgen kann. Ist ein Gaskick vor Beginn der Striparbeiten nicht auszirkuliert worden, so wird der durch den Gestängeeinbau verursachte Druckanstieg in der Bohrung durch den Druck überlagert, den die aufsteigende Gasblase am Bohrlochkopf verursacht (Percolationsdruck). Das bedeutet, dass nicht nur der durch die Gestängeverdrängung erzeugte Druck abgelassen werden muss, sondern dass auch der Gasblase die Möglichkeit zur Expansion gegeben werden muss, was zum Ablassen von zusätzlichem Spülungsvolumen führt. Da es kompliziert ist, sowohl die Striparbeiten wie auch die Gasexpansion zu kontrollieren, wird in der Regel so vorgegangen, dass zunächst lediglich das Gestänge-Verdrängungsvolumen abgelassen wird. Sind nur wenige Stangen einzustrippen und gehen die Striparbeiten zügig voran, so besteht die Möglichkeit, dass der Percolationsdruckanstieg in der Zwischenzeit
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so gering ist, dass man die Gasblase nicht expandieren lassen muss. Dauern die Striparbeiten dagegen länger, so muss der Gasblase die Möglichkeit zur Expansion gegeben werden, wobei nach den Grundsätzen der volumetrischen Methode zu verfahren ist. Befindet sich die Gasblase noch unterhalb des Stranges, so wird dabei der volle Bohrlochquerschnitt zugrunde gelegt, ansonsten muss mit dem Ringraumvolumen zwischen Bohrloch (Casing) und Gestänge gerechnet werden. Ist die Gasblase bereits innerhalb der Verrohrung, so kann man den Druck auch auf Werte oberhalb des MAASP steigen lassen. Als Kriterium sind dann die Innendruckfestigkeit der Rohre sowie die Druckbelastbarkeit der Verschlussorgane heranzuziehen. Erreicht die Gasblase den Strang, so tritt diese in den Ringraum zwischen Schwerstangen und Bohrlochwand ein, was bedeutet, dass das dann vorliegende Gasvolumen einen längeren Bohrlochabschnitt einnimmt (die Länge der Gasblase nimmt zu). Die Folge davon ist, dass der hydrostatische Druck der Spülungssäule ab und der Kopfdruck zunimmt. Die Steigerung des Kopfdruckes muss gestattet werden, um den Bohrlochsohlendruck konstant zu halten. Erreicht die Gasblase den Gestängeabschnitt (DP), so erfolgt eine Erweiterung des Ringraumquerschnitts (DC-Durchmesser auf DP-Durchmesser) und damit eine Abnahme der Länge der Gasblase und des Kopfdrucks. Hat der Fuß der Gasblase das Bohrwerkzeug erreicht, d. h. ist die Gasblase vollständig in den Ringraum zwischen Strang und Bohrloch eingetreten, so kann die Gasblase vor dem weiteren Einstrippen des Stranges mit der Bohrmeister-Methode auszirkuliert werden.
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18.8.5 Snubbing (Einschleusen) Bei Snuboperationen muss der Strang, dessen Gewichtskraft kleiner ist als die Gegenkraft, die sich durch den Druck im Bohrloch aufgebaut hat, in die Bohrung hinein gepresst werden, wozu eine spezielle Vorschubeinrichtung erforderlich ist, die unter der Bezeichnung „snubber unit“ bekannt und durch den Service erhältlich ist. Snubber Units arbeiten entweder mechanisch oder hydraulisch. Die Grundkonzeption beider Einrichtungen besteht darin, dass die nachzusetzende Bohrstange mittels einer Greifvorrichtung (vergleichbar einem Spider Elevator) umfasst und nach oben bewegt wird. Dabei geschieht das Einschleusen durch die Preventer wie im vorstehenden Kapitel beschrieben. Snubber Units sind auch vielfach mit speziellen Preventereinrichtungen ausgerüstet, die zusätzlich zu den anlageneigenen Preventern montiert werden.
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19 Bohrlochkontrolle bei besonderen Bohrungsverhältnissen 19.1 Allgemeines In den vorstehenden Kapiteln wurden ausschließlich die „klassischen“ Bohrlochkontrollmaßnahmen bei vertikalen Bohrungen mit „normalen“ Bohrlochgeometrien (Standard-ClearanceVerhältnissen) behandelt. Das ist insofern wichtig, damit alle Grundlagen der Bohrlochkontrolle ausführlich diskutiert werden können, da diese auch in allen Sonderfällen zugrunde gelegt werden müssen. Nun hat jedoch im Bereich der Bohrtechnik gerade in den letzten Jahren ein erheblicher Wandel stattgefunden, weil heutzutage viele Bohrungen als stark geneigte Bohrungen (highly deviated wells) oder Horizontalbohrungen abgeteuft werden, weil die Slimhole-Bohrtechnik (SHD) eine breitere Anwendung findet, und weil es eine Reihe von bohrtechnischen Besonderheiten in Bezug auf die Bohrlochkontrolle dadurch gibt, dass mittels spezieller Bohrverfahren, wie beispielsweise dem Underbalanced Drilling (UDB), gearbeitet wird. Es ist verständlich, dass für derartige Bohrprojekte die Standard-Bohrlochkontrolloperationen nur noch bedingt angewendet werden können, bzw. dass auf die speziellen Bohrlochsituationen auch speziell eingegangen werden muss. Falsch wäre es aber zu meinen, dass die konventionellen oder klassischen BohrlochkontrollTheorien bei solchen Projekten überhaupt nicht mehr angewendet werden könnten, und dass hierfür spezielle und eigenständige Verfahren entwickelt werden müssten. Die Grundlagen der Bohrlochkontrolle bleiben auch hier gültig, und die Standardverfahren finden auch hier Anwendung, müssen jedoch in einigen Fällen leicht modifiziert werden. Auch ist es wichtig, die Drucksituation im Bohrloch neu zu überdenken und zu berücksichtigen, da der eiserne Grundsatz vom konstanten Bohrlochsohlendruck (Constant Bottom Hole Pressure Method = CBHP method) auch hier voll zur Anwendung kommen muss! In den nachstehenden Kapiteln soll nun auf die Besonderheiten bei den vorstehend erwähnten speziellen Bohrlochbedingungen näher eingegangen werden.
19.2 Bohrlochkontrolle in stark geneigten und Horizontalbohrungen Die meisten Bohrlochkontroll-Methoden, die in vertikalen Bohrungen angewendet werden, können auch in Horizontalbohrungen angewendet werden. Das gilt i.a. ohne Einschränkungen, wenn sich der Meißel auf Sohle befindet, also Zirkulation möglich ist. Tritt der Kick während des Roundtrips ein (bit off bottom), so ist die Anwendung begrenzt, weil beispielsweise die volumetrische Methode wie auch das Bullheaden in Horizontalbohrungen kaum effektiv sind, da vertikale Höhe fehlt. Allerdings sind beim Abteufen von Horizontalbohrungen einige Dinge zu bedenken, die bei Vertikalbohrungen von weniger großer Bedeutung sind, wie beispielsweise: 1. Da sich die Horizontalstrecke überwiegend, wenn nicht gar ausschließlich in der Trägerformation befindet, ist die Chance, einen Zufluss zu bekommen, größer als in einer Vertikalbohrung, wo nur eine verhältnismäßig kleine Strecke des Trägers durchteuft wird.
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2. Da bei einer Horizontalbohrung eine größere Strecke des Trägers offensteht als in einer Vertikalbohrung, ist auch von einem entsprechend größeren Zuflussvolumen auszugehen. Das wird aus folgendem Beispiel deutlich: Wird von einer Produktionsrate von 250 l/m und Minute ausgegangen, so beträgt der Zufluss beim Durchteufen einer 10 m mächtigen Formation mittels einer Vertikalbohrung etwa 2,5 m3/min. Werden dagegen 100 m dieser Formation horizontal erbohrt, so beträgt der Zufluss bereits etwa 25 m3/min. Daraus folgt, dass bei gleicher Reaktions- und Einschließzeit ein wesentlich größerer Zufluss in die Bohrung eintritt als bei einer Vertikalbohrung unter denselben Bedingungen. 3. Kicks in Horizontalbohrungen können schwerer zu erkennen sein als in Vertikalbohrungen, insbesondere, wenn leicht underbalanced gebohrt wird und die Zuflussrate sehr gering ist, z. B. wegen geringer Permeabilität des Trägers. Tritt Gas in die Bohrung ein, so wird es sich, besonders bei Bohrunterbrechungen, aus der Spülung lösen und im oberen Teil eines meist wellenförmig verlaufenden Bohrlochs ansammeln. Erst wenn sich genügend Gas angesammelt hat, wird es schließlich in den vertikalen Bohrungsbereich eintreten und zu erkennen sein. Letztlich führt das dazu, dass mehr Gas übertage austritt, als eine initiale Kickberechnung ergab. Die einzige Möglichkeit, Kicks zu erkennen, besteht in der exakten Beobachtung der Tankstände oder – noch besser – in der Messung der Volumina, die in die Bohrung hineingepumpt werden bzw. diese wieder verlassen (Flow-in – Flow-out). 4. Solange sich der Zufluss in der Horizontalsektion befindet, findet keine Migration statt, da hydrostatische Höhe fehlt. Das bedeutet, dass beide Einschließdrücke (Gestänge- und Casing-Einschließdruck) sich stabilisieren und dann nicht weiter ansteigen, solange der Zufluss nicht in den vertikalen Bohrlochbereich gelangt. Außerdem haben beide Drücke in der Regel den gleichen Wert. 5. Solange sich der Zufluss in der Horizontalsektion befindet, sind der Gestänge- und der Casing-Einschließdruck fast identisch, da es nicht zu einem Verlust von hydrostatischem Druck durch den leichteren Zufluss in den Ringraum kommt, wie das bei Vertikalbohrungen der Fall ist. Der Zufluss muss nicht unbedingt am Bohrlochtiefsten oder am Ende des Bohrloches eintreten, wovon bei Vertikalbohrungen normalerweise ausgegangen wird. In Horizontalsektionen kann ein Zufluss an jeder Stelle des Trägers und damit an jeder Stelle des horizontalen Bohrloches stattfinden. 6. Das bedeutet, dass der Zufluss schneller zutage kommen kann, als erwartet, und dass er auch schneller in den Vertikalbereich eintreten kann. 7. Da Porosität und Permeabilität, aber auch die Struktur des Trägers entlang der erbohrten Horizontalstrecke sehr unterschiedlich sein können, besteht die Gefahr dass der an einer Stelle eingetretene Zufluss an einer anderen Stelle wieder in das Gebirge eintritt. Das kann im schlimmsten Fall zu einem Underground Blowout führen. In der Regel erkennt man ein solches Phänomen daran, dass sich die Einschließdrücke nicht stabilisieren, sondern fallen, was wiederum die weiteren Berechnungen erschwert und ungenau werden lässt. Viele Horizontalbohrungen werden underbalanced gebohrt oder als Bohrungen, die bereits beim Abteufen produzieren (Produce While Drilling Wells oder PWD Wells). Hierbei wird während des Bohrens durch ein Rotating Head oder einen Rotationspreventer ein Gegendruck aufgebracht, wie das beim Auszirkulieren eines Kicks durch die Düse (Choke) geschieht.
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Überlagert wird dieser Druck noch von dem Pumpendruck beim Zirkulieren der Spülung. Durch diesen erhöhten Gegendruck kann es vorkommen, dass Zuflüsse in schwächere Formationsbereiche verpresst werden. Werden nun die Pumpen gestoppt, so fällt der zusätzliche Pumpendruck fort, und der Zufluss kann, wenn er unter ausreichendem Druck steht, zurück in das Bohrloch fließen und austreten, so dass Ursache und Zeitpunkt des Zuflusses völlig unbekannt sind. 8. Solange der Gaszufluss in der Horizontalsektion verpumpt wird, findet kaum Expansion statt, sofern der Bohrlochsohlendruck konstant gehalten wird. Tritt der Zufluss in die Vertikalsektion ein, so erfolgen schlagartig Expansion und Druckerhöhung im Ringraumbereich, denen durch Manipulation der Düse entgegengewirkt werden muss. Zum einen sind diese Phänomene ohnehin schon stärker als bei Zuflüssen in Vertikalbohrungen, zum anderen kommt noch hinzu, dass Horizontalbohrungen meistens als Bohrungen mit reduziertem Querschnitt gegenüber Vertikalbohrungen, gebohrt werden, sodass der Zufluss selbst wie auch die durch die Expansion verursachte Volumenvergrößerung im Vertikalbereich eine wesentlich größere Höhe einnehmen als bei Vertikalbohrungen, und dass dieser Effekt sehr schnell wirksam wird. Es empfiehlt sich deshalb, bei Horizontalbohrungen wie bei Slimhole Bohrungen Expert Kick Detection Systems zu installieren, die Zuflüsse zum einen schon sehr früh erkennen und zum anderen Bohrungen sehr schnell einschließen können. 9. Da bei Horizontalbohrungen die Schwerstangen – sofern solche zum Einsatz kommen – im vertikalen Bereich des Bohrloches angeordnet werden, ebenso wie die HWDP, die sich ggfs. noch in der Kurvensektion befinden, ergibt sich hieraus ein weiterer Effekt, der die in Vertikalbohrungen herrschenden Verhältnisse umkehrt. Im unteren Bohrlochbereich ist das Bohrgestänge, und damit die größte Clearance zwischen Strang und Bohrlochwand. Hier nimmt der Zufluss deshalb die kleinste Höhe bzw. Länge im Bohrloch ein. Tritt er in den vertikalen Bereich ein, so kommt es zum einen zu Migration und Expansion. Erreicht der Zufluss nun den Schwerstangenbereich, so wird er weiter gestreckt, was das Konstanthalten des Bohrlochsohlendruckes und die Operation der Düse zusätzlich erschwert. 10. Da die Berechnung der Dichte der Totpumpspülung auf der Vertikalteufe der Bohrung basiert, muss diese bekannt sein. Vereinfachend wird davon ausgegangen, dass das Ende der Kurvensektion (EOC = End of Curve oder EOB = End of Build) der tiefste Punkt der Bohrung ist, was jedoch nicht unbedingt der Fall sein muss, wenn beispielsweise die Horizontalsektion einfallend verläuft. Volumina und Verpumpzeiten basieren dagegen auf der gemessenen Bohrlochlänge, die in der Regel weitaus größer ist als die Vertikalteufe, sodass hier erhebliche Unterschiede gegenüber einer „normalen“ Vertikalbohrung bestehen. Das mag alles sehr einfach klingen, jedoch sind gerade die einfachen Dinge oft genug die Ursache für Blowouts gewesen! 11. PWD Wells sind besonders schwierig totzupumpen, da beim Einpumpen von beschwerter Spülung, diese in die Lagerstätte eindringen und die Fließwege zusetzen würde. Auch besteht die Möglichkeit, dass die beschwerte Spülung in bereits ausgeförderten Lagerstättenteilen oder in Fraczonen verloren geht und somit der erwartete Effekt der Druckstabilisierung gar nicht eintritt. Wenn eine solche Bohrung kickt, dann kann sie zwar eingeschlossen werden, sollte jedoch durch Aufgabe eines entsprechend hohen Gegendruckes („Düseneffekt“) in Balance gehalten werden. Um einen besseren Überblick über die Verhältnisse in einer Kicksituation in Horizontalbohrungen zu bekommen, hat PETROBRAS ein Computermodell zur Druckvorhersage entwickelt, das u. a. folgende Ergebnisse bzw. Erkenntnisse lieferte: 1. Drücke am Rohrschuh sind niedriger als bei Vertikalbohrungen, 2. Gestänge- und Casingeinschließdrücke sind so lange gleich groß, wie sich der Zufluss in der horizontalen Strecke befindet,
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3. Länge der Horizontalsektion und Neigungsaufbau rate (build-up rate) haben nur geringen Einfluss auf die Drücke im Bohrloch, 4. Bohrlochgeometrie und Zirkulationsrate beim Auszirkulieren haben mittelgroßen Einfluss auf die Drücke im Bohrloch, 5. Zuflussvolumen und Differenzdruck zum Zeitpunkt des Zuflusses haben einen großen Einfluss auf die Drücke im Bohrloch, 6. Die Gefahr des Fracens im offenen Bohrloch ist geringer als bei Vertikalbohrungen. Mit Hilfe dieses Computermodells wurden verschiedene Druckverläufe berechnet. Zu erwähnen ist allerdings, dass das Modell nicht nur Horizontalbohrungen berechnete, sondern gleichzeitig noch den Effekt großer Wassertiefen mit in die Berechnung einbezog, wobei insbesondere die hohen Zirkulationsdruckverluste in der Chokeline bei Subsea Completion zu erwähnen sind, die bei Onshorebohrungen oder Bohrungen in flachen Gewässern nicht von Bedeutung sind. Der Druckverlauf des Casingdruckes beim Auszirkulieren eines Gaskicks mit der Bohrmeistermethode ergab sich ähnlich dem, wie er von Vertikalbohrungen bekannt ist. Nachdem das Gas auszirkuliert ist, wird die zu leichte Spülung durch beschwerte Spülung in einer zweiten Zirkulation ersetzt. Um sicherzustellen, dass der Bohrlochsohlendruck immer konstant bleibt, müssen Gestänge- und Casingdruck ständig kontrolliert werden. Zu Beginn des Totpumpprozesses sind beide Kopfdrücke gleich groß, solange sich der Zufluss im horizontalen Bereich des Bohrloches befindet, da sich eine Differenz zwischen Gestänge- und Casingdruck nur durch den unterschiedlichen hydrostatischen Druck des Zuflusses (Gas) zum hydrostatischen Druck der Spülung im Ringraum ergibt.
Abb. I-25: Drillpipe-Druckverlauf beim Totpumpen einer Horizontalbohrung [BKH]
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Abb. I-26: Casing-Druckverlauf beim Totpumpen einer Horizontalbohrung [BKH]
Beim Einschalten der Pumpen ergibt dargestellten Beispiel ein scharfer Anstieg des Druckes vom Gestänge-Einschließdruck (14 bar) zum initialen Zirkulationsdruck (36 bar) bei Pkt. A. Danach fällt der Gestängedruck kurvenförmig und nicht linear wie bei Vertikalbohrungen ab. Kurz bevor die beschwerte Spülung den Meißel erreicht, ergibt sich ein Druckminimum (B). Im Bereich zwischen B und C wandert die Grenzfläche zwischen der unbeschwerten und der erschwerten Spülung im Ringraum nach oben, wobei der Gestängedruck konstant bleibt. Wie ein Vergleich mit dem zugehörigen Casingdruckverlauf zeigt, fällt dieser vom Einschließdruck (14 bar) nach Einschalten der Pumpe schlagartig auf 9 bar ab und bleibt nun so lange konstant, bis die beschwerte Spülung aus dem horizontalen Bohrlochabschnitt in den kurvenförmigen Bohrlochabschnitt eintritt, unbeschadet der Tatsache, dass die beschwerte Spülung inzwischen aus dem Meißel ausgetreten ist. Hier ergibt sich ein erster Unterschied zu Vertikalbohrungen, wo der Casingdruck abzufallen beginnt, sobald die beschwerte Spülung aus dem Meißel austritt und im Ringraum aufzusteigen beginnt. Bei Horizontalbohrungen gilt derselbe Grundsatz, allerdings ist die Kalkulation etwas schwieriger, weil hier der Zeitpunkt des vollständigen Auffüllens des Bohrstranges (Spülung tritt aus dem Meißel aus) kein Kriterium ist. Nach dem Eintritt der beschwerten Spülung in den geneigten Bohrlochabschnitt (Neigungssektion) fällt der Casingdruck bis auf Null ab. Ab diesem Punkt kann der Bohrlochsohlendruck nicht mehr konstant gehalten werden, die Düse ist vollständig geöffnet, Casingdruck kann somit nicht mehr abgebaut werden, also steigt der Gestängedruck stark an (von Pkt. C nach Pkt. D). Dieser Anstieg wird um so stärker sein, je höher die Zirkulationsdruckverluste im Zirkulationssystem (Bohrloch) sind. Je größer somit die Wassertiefe und damit die Druckverluste in der Chokeline (zwischen Meeresboden und Bohrgeräteträger) sind, desto höher wird auch der Pumpendruck sein, und desto höher wird zwangsläufig auch der Bohrlochsohlendruck. Gleiches gilt auch für tiefe Bohrungen mit geringer Clearance zwischen Bohrstrang und Bohrlochwand (Slimholebohrungen). Da das Programm die Tiefwassersituation mit berücksichtigt, fällt der Druckanstieg in diesem Beispiel besonders krass aus. Bei Onshorebohrungen normaler Konfiguration können sich weitaus günstigere Verhältnisse ergeben. Steigt der Pumpendruck und damit der Bohrlochsohlendruck jedoch stark an, so sollte die Zirkulationsrate reduziert werden, um einen Frac zu vermeiden.
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In Pkt. D (Abb. I-25 erreicht die beschwerte Spülung die Tagesoberfläche. Dieser Druck entspricht dem Zirkulationsdruckverlust mit der beschwerten Spülung. Es wird aus den vorstehenden Abbildungen und Erläuterungen bereits deutlich, dass die Vertikalteufe bei vertikalen Bohrungen sehr starken Einfluss hat, bei Horizontalbohrungen jedoch nur von untergeordneter Bedeutung ist. Aus diesem Grunde ist auch die Anwendung der Warte und Beschwere Methode, deren Hauptvorteil darin zu sehen ist, dass der hydrostatische Druckanteil der beschwerten Spülung im Ring- räum den Ringraum-Kopfdruck und damit den gesamten Druckverlauf im Ringraum günstig beeinflusst, bei Horizontalbohrungen keinen positiven Effekt hat. Somit gilt die Bohrmeister-Methode als Standardmethode zum Auszirkulieren eines Kicks und Totpumpen einer Bohrung. Zum andern konnte festgestellt werden, dass die für das Verpumpen der beschwerten Spülung erforderliche Totpumpkurve einen anderen Verlauf hat, als das bei einer für Vertikalbohrungen berechneten Kurve der Fall ist. Das liegt darin begründet, dass im als vertikal angenommenen Bereich von der Tagesoberfläche bis zum KOP ein anderer Druckabfall pro 100 Hub errechnet wird, als im geneigten Bereich der Bohrung oder gar im horizontalen Abschnitt. Da der entsprechende Druckabfall im vertikalen Bereich größer ist als im geneigten Bereich, wird die Kurve im ersten Teil steiler, im zweiten weniger steil abfallen. Im horizontalen Abschnitt verläuft der Druck dann entweder konstant, oder er steigt sogar zum Endzirkulationsdruck am Bohrwerkzeug leicht an, was wiederum von der Länge der Horizontalsektion und damit von den hier herrschenden Reibungsdruckverlusten abhängt. Zwar wird der Endzirkulationsdruck wieder erreicht, jedoch würde der GestängeZirkulationsdruck beim Verpumpen der beschwerten Spülung zu hoch sein, würde diesem Phänomen nicht Rechnung getragen. Folge davon könnte in Aufbrechen der Formation sein. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen und entsprechender, in der einschlägigen Literatur veröffentlichter Rechenmodelle wurde vom IWCF ein spezielles Kill Sheet für stark geneigte und Horizontalbohrungen entwickelt. Stark geneigte Bohrungen enden dann am EOB (Abb. I-28), während bei Horizontalbohrungen noch die Horizontalsektion mit berechnet werden muss.
Abb. I-27: Totpumpkurve bei stark geneigten Bohrungen [BKH]
Der schematische Verlauf der Totpumpkurve beim Verpumpen der beschwerten Spülung zwischen Tagesoberfläche und Bohrwerkzeug für stark geneigte und Horizontalbohrungen ist den Abbildungen I-27 und I-28 zu entnehmen.
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Abb. I-28: Totpumpkurve bei Horizontalbohrungen [BKH]
Ein anderer Unterschied, der sich im Vergleich mit Vertikalbohrungen ergibt, ist die Drucksituation im offenen Bohrlochbereich bzw. auf Bohrlochsohle, hervorgerufen durch die Zirkulation der Spülung. Bei mehr oder weniger vertikalen Bohrungen wirkt auf die Bohrlochsohle zunächst einmal der hydrostatische Druck der Spülungssäule. Werden die Pumpen zur Zirkulation der Spülung gestartet, so wird dieser Druck überlagert durch den Zirkulationsdruckabfall, der im Ringraum zwischen Bohrlochsohle und Tagesoberfläche wirksam ist. Dieser Druckanteil ist zwar bei „normalen“ Bohrungen in der Regel vernachlässigbar, da hier über 90% des Zirkulationsdruckverlustes im Bohrstrang verbraucht werden und nur ein geringer Anteil auf den Ringraum entfällt, da dort in der Regel größere Fließquerschnitte vorliegen. Bei Horizontalbohrungen liegen die Verhältnisse jedoch insofern meistens anders, da mit kleineren Durchmessern gearbeitet wird, so dass der auf den Ringraum entfallende Zirkulationsdruckverlust wie bei den Slimhole Bohrungen erheblich größer werden und damit ins Gewicht fallen kann. Schließlich wird der auf die Bohrlochsohle wirkende Druck noch überlagert durch den Cuttingsanteil in der im Ringraum aufsteigenden Spülung, der zu einer Erhöhung der Dichte der aufsteigenden Spülung führt. Bezogen auf die Verhältnisse in einer „normalen Vertikalbohrung“ wird der Reibungsdruckverlust im Ringraum i.a. in Spülungsdichtewerten ausgedrückt und als äquivalente Spülungsdichte (Equivalent Circulating Density = ECD) bezeichnet.
19.3 Bohrlochkontrolle in Slimhole Bohrungen Unter Slimhole Bohrungen (slim hole drilling, SHD) werden, im Hinblick auf die Bohrlochkontrolle, i. A. Bohrungen mit einem Durchmesser von 4.¾" und kleiner verstanden. Bei diesen Bohrlochdurchmessern gibt es, bezüglich der Bohrlochkontrolle, eine Reihe von Begrenzungen, denen Rechnung getragen werden muss.
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Das trifft vor allem für die erhöhten Ringraumzirkulationsdruckverluste zu. Die Zirkulationsdruckverluste im Ringraum, die normalerweise vernachlässigbar gering sind, müssen bei Slimholes auf jeden Fall mit in die Überlegung einbezogen werden, weil sie den Bohrlochsohlendruck beim Zirkulieren erhöhen, wenn mittels der konventionellen Berechnungen gearbeitet wird, wobei bei Zirkulation der gesamte, reduzierte Zirkulationsdruckverlust dem GestängeEinschließdruck hinzuaddiert wird und den Anfangszirkulationsdruck (ICP) ergibt. Ist der Zirkulationsdruckverlust im Ringraum, der Teil des reduzierten Zirkulationsdruckverlustes ist und auf die Bohrlochsohle wirkt, sehr klein, wie das bei konventionellen Bohrungen der Fall ist, so kann dieser Druckanteil als Sicherheitsdruckzuschlag auf Sohle betrachtet werden. Ist dieser Anteil jedoch sehr hoch, wie das bei Slimhole Bohrungen der Fall ist, so kann dieser Druckanteil zum Aufbrechen von schwachen Formationsbereichen und damit zu Spülungsverlusten und gegebenenfalls zu Underground Blowouts führen. Das bedeutet, dass die Ringraumzirkulationsdruckverluste bei reduzierter Zirkulationsrate separat ermittelt werden und in Anrechnung gebracht werden müssen. Die Berechnung der Ringraumzirkulationsdruckverluste ist jedoch kaum exakt möglich, weil die Geometrie des Ringraumes ebenso wenig bekannt ist wie die exakten Spülungseigenschaften (Dichte oder ECD mit Cuttings beladen, effektive Viskosität entsprechend des tatsächlich herrschenden Schergefälles, effektive Strömungsgeschwindigkeit). Hinzu kommt, dass die Druckverluste gerade bei kleinen Ringräumen sehr stark von Auswaschungen und damit Querschnittsänderungen beeinflusst werden. Je nachdem, welche Zirkulationsrate zum Auszirkulieren des Kicks und zum Totpumpen der Bohrung gewählt wird, kann der Zirkulationsdruckverlust im Ringraum größer, kleiner oder gleich dem Ringraumeinschließdruck (plus ggfs. einem Sicherheitsdruckzuschlag) sein. Ist der Zirkulationsdruckverlust im Ringraum größer oder gleich dem Einschließdruck, so ist der Druck an der Düse beim Zirkulieren gleich Null, d. h., dass kein Gegendruck auf den Ringraum aufgebracht werden kann. Aus diesem Grunde wird empfohlen, die Zirkulationsrate so zu wählen, dass der Ringraumzirkulationsdruckverlust immer kleiner als der Ringraumeinschließdruck ist. Die vorstehend erläuterten, hohen Ringraumzirkulationsdruckverluste bewirken auch, dass die äquivalente Zirkulationsdichte (ECD) im Ringraum sehr hoch ist. Das wiederum bedeutet, dass beim Bohren immer ein sehr hoher Überdruck auf die Bohrlochsohle wirkt, sodass ein Kick während des Bohrens sehr unwahrscheinlich ist. Werden dagegen die Pumpen gestoppt, so ist die Gefahr eines Zuflusses entsprechend groß, weil jetzt der zusätzlich wirkende Zirkulationsdruck fortfällt. Hinzu kommt, wie entsprechende Untersuchungen ergeben haben, dass die Zirkulationsdruckverluste noch von Druckverlusten überlagert werden, die durch die Gestängerotation entstehen, und die in Bohrungen mit „normalen“ Durchmesserbzw. Clearance-Verhältnissen vernachlässigbar sind. BODE et. al. haben in einer 3.½" Slimhole-Forschungsbohrung mit 2.¾" flush Joint Drillpipe mit am Casing angebrachten Drucksensoren festgestellt, dass die ECD bei Zirkulation von Spülungen mit einer Dichte von 1,02 kg/l einen Wert von 1,126 kg/l ergab, wenn die Spülung mit einer Rate von 190 l/min zirkuliert wurde. Wurde eine Strangrotation von 600 min-1 überlagert, so stieg die ECD auf 1,33 kg/l an. Hinzu kommt noch die Cuttingsbeladung der Spülung im Ringraum, die, je nach Bohrfortschritt, einen weiteren Anstieg der ECD ergibt. So kann es leicht zu unerkannten Kicksituationen kommen, wenn die Spülungsdichte unzureichend ist, was jedoch wegen der hohen ECD beim Bohren/Zirkulieren nicht registriert wird. Werden nun die Pumpen abgeschaltet, tritt schlagartig ein Zufluss ein. Um diese Situation zu „entschärfen“, wird empfohlen, beim Nachsetzen zunächst den Strang zum Stillstand zu bringen und die Bohrung auf Zufluss hin zu beobachten (Flowcheck). Wird kein Zufluss registriert, so werden als nächstes die Pumpen gestoppt, oder, sofern ein Pumpenstop nicht praktiziert werden soll, die Steigleitung mit dem Auslauf kurzgeschlossen (bypassing), was den Vorteil hat, dass der Ringraum auch während des Nachsetzens
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ständig gefüllt gehalten wird. Auch hier kann ein weiterer Flowcheck Klarheit darüber geben, ob ein Kick eingetreten ist. Auch sollten ausgedehnte und sorgfältig durchgeführte Flowchecks bei Slimholebohrungen nach dem Abbohren einer bestimmten Bohrlochsektion und ausreichendem Spülen des Bohrloches zum Auszirkulieren der Cuttings selbstverständlich sein. Erschwerend kommt hinzu, dass ein Zufluss in einer Slimhole-Bohrung mit geringen Clearance-Verhältnissen selbst bei kleinem Zuflussvolumen eine große Länge einnimmt und damit das Druckgleichgewicht erheblich stört. Das geht besonders deutlich aus nachstehendem Beispiel hervor: 1. 4.½" Bohrloch mit 2.7/8" DP Ringrauminhalt: ca. 6,0 l/m Ringrauminhalt: 23,3 l/m 2. 8.½" Bohrloch mit 5" DP Tritt ein Zufluss von 2000 Liter ein, so beträgt die Kicklänge: • im 4.1/2" Bohrloch (Fall 1): ca. 330 m • im 8.1/2" Bohrloch (Fall 2): ca. 86 m Kommt es bei Gaskicks noch zur Expansion des Gases, so werden die Druckunterschiede im Bohrloch noch gravierender, so dass es leicht dazu führen kann, dass ein Kick nicht mehr auszirkuliert werden kann. Als oberer Grenzwert des Zuflussvolumen wird deshalb in Slimholes ein Zuflussvolumen von etwa 150 I (1 bbl) angesehen. Daraus folgt, dass ein Zufluss so schnell wie möglich erkannt werden sollte, was gutes Equipment zum Erkennen eines Zuflusses ebenso voraussetzt wie eine gut geschulte Bohrmannschaft, die in der Lage ist, eine Bohrung selbst bei so geringen Zuflussvolumina einschließen zu können. Gerade die mangelnde Bohrlochkontrolle war in früheren Zeiten ein wesentlicher Grund, Slimhole-Bohrungen, die im Bergbaubereich schon seit Jahrzehnten mit Erfolg als Voll- oder Seilkernbohrungen (continuous coring) praktiziert werden, nicht in der KWSt Bohrtechnik einzuführen, da Blowouts nicht ausgeschlossen werden konnten. Heutzutage gibt es jedoch eine Vielzahl von Kick-Erkennungssystemen, die auf unterschiedlichsten Prinzipien aufbauen, und die in der Lage sind, sowohl minimale Zuflüsse (bis etwa 10 Liter) zu erkennen, und Fehler in der Erkennung, z. B. verursacht durch Fahren des Stranges (scheinbarer Zufluss beim Absenken des Stranges) auszuschalten. Auch sind die heutigen Systeme in der Lage, Zuflüsse sowohl beim Bohren wie auch beim Roundtrip, also dann, wenn keine Spülungszirkulation stattfindet, zu erkennen. Die sog. expert well control Systems sind außerdem in der Lage, die Bohrung in einer bestimmten Zeit nach Erkennen des Zuflusses selbstständig einzuschließen, sofern der Driller während dieses Zeitraums keine Maßnahmen zum Einschließen der Bohrung eingeleitet hat. Auch Drilling Breaks sollten sorgfältig beachtet werden. Wird ein Drilling Break bemerkt, so sollte die Bohrung sofort eingeschlossen werden (kein Flowcheck !), nachdem die Pumpen gestoppt und die Mitnehmerstange hochgefahren wurden. Das sofortige Einschließen der Bohrung garantiert einen minimalen Zufluss. Außerdem sollte hier auf jeden Fall das sog. harte Einschließen (sofortiges Schließen eine Gestängepreventers, ohne zuvor die Chokeline zu öffnen) praktiziert werden. Swabbing kann zu einem ernsthaften Problem in Slimholes werden. Wegen der geringen Clearanceverhältnisse ist die Gefahr des Ankolbens recht groß, und ein relativ kleines Swabvolumen bringt, wie bereits vorstehend diskutiert, eine große Zuflusslänge. Ein Druckungleichgewicht auf der Bohrlochsohle und weiterer Zufluss sind die Folgen. Um der Gefahr des Swabbens vorzubeugen, wird empfohlen, spülend auszubauen, besonders im offenen Bohrloch, aber auch in den Rohren. Hierfür eignen sich Topdrives besonders gut. Das gilt auch und in besonderem Maße für das Seilkernen, das aus mehreren Gründen in der Slimhole Bohrtechnik gern praktiziert wird. Hierbei ist darauf zu achten, dass die Ausbaugeschwindigkeit des Innenkernrohres so gewählt wird, dass kein Swabeffekt entsteht.
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Vorbeugende Planungsmaßnahmen beziehen sich in erster Linie auf Kicks, die beim Bohren eintreten. Hier ergeben sich im Wesentlichen folgende Fälle: • Anbohren einer Hochdruckformation Wird eine Hochdruckformation angebohrt, bei der der Formationsporendruck größer ist als die ECD, so findet der Zufluss bereits beim Bohren und damit beim Zirkulieren der Spülung statt. Das führt dazu, dass der Zufluss in der Spülung dispergiert ist, was bedeutet, dass sich, wegen der geringen Clearance Verhältnisse, ein Großteil des zugeflossenen Gases bereits innerhalb der Casings befindet, wenn das Gas nach der Einzelblasenmethode (Singlebubble method) den Rohrschuh erreicht, sodass der Druck am Rohrschuhtatsächlich niedriger sein wird als nach dem konventionellen Verfahren berechnet. Daraus folgt, dass die konventionellen Berechnungsverfahren, die von einer zusammenhängenden Gasblase als Zufluss ausgehen, die sich nach dem Einschließen der Bohrung an der Bohrlochsohle befindet, zu ungenaue Ergebnisse liefern und kaum in Betracht kommen, da andernfalls eine Slimholebohrung kaum noch zu realisieren ist. Andere, mehr realistische Berechnungsverfahren, die von einem dispergierten Gaszufluss ausgehen, lassen sich aber ebenso wenig anwenden, da hier zu viele unbekannte oder nur sehr ungenau zu erfassende Größen eingehen müssten, wie das Zuflussvolumen, das Zuflusspotenzial etc.
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• Zufluss nachdem die Zirkulation unterbrochen wurde. Die vorstehend geschilderte Situation des Anbohrens einer Hochdruckformation ist insofern normalerweise recht selten, weil die ECD bei Slimholebohrungen gewöhnlich um 5 – 15% über der effektiven Spülungsdichte liegt und Hochdruckformationen mit solch hohen Überdrücken meistens bereits vorherbekannt sind. In der Praxis führt das dazu, dass Kicks meistens nach der Unterbrechung der Spülungszirkulation eintreten. Dadurch wird die Dispersion des zugeflossenen Gases in der Spülung i.a. in Grenzen gehalten, sodass die „Single Bubble Methode“ bei der Berechnung der Ringraumdrücke recht realistische Ergebnisse ergibt. Bei Swabkicks sind die Ringraumdrücke i. A. niedriger als bei Kicks, die beim Bohren eingetreten sind. Tritt ein Kick in einem Slimhole ein, so sollte dieser mittels der Bohrmeistermethode (Driller's Method) auszirkuliert werden, weil dadurch der geringste Migrationseffekt erreicht wird. Für die Planung sollte angestrebt werden, die letzte Rohrtour so tief abzusetzen, dass der Fracdruck am Rohrschuh selbst bei großen Zuflussvolumen noch größer ist als der Druck, der sich beim Auszirkulieren des Kicks in diesem Bereich ergibt. Als Zuflussvolumen sollte durchaus von einem Volumen größer dem Ringraumvolumen des offenen Bohrlochbereiches ausgegangen werden. Um Schwierigkeiten bei der Bohrlochkontrolle in Slimholes auf ein Minimum zu begrenzen, sollte folgendes beachtet werden: 1. Die Anzahl der Schwerstangen ist auf ein Minimum zu reduzieren. PDC und TSD Werkzeuge erfordern geringere Meißelbelastung und damit weniger Schwerstangen. Downholemotoren ersetzen einen Teil der Schwerstangen. 2. Die Spülung im Ringraum sollte im laminaren Fluss sein, weil sich dabei eine niedrigere ECD ergibt. Gute rheologische Spülungsplanung ist unumgänglich. 3. Es sollten sehr empfindliche Flowmeter sowohl in der Steigleitung wie auch am Auslauf verwendet werden, die selbst kleine Zuflussvolumen schnell anzeigen. Eine Differenzmessung zwischen verpumptem Volumen und austretendem Volumen ist dabei unumgänglich.
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4. Das aktive Spülungsvolumen übertage (Tankvolumen) sollte so klein wie möglich sein, um Zuflüsse schneller erkennen zu können.
19.4 Bohrlochkontrolle beim Underbalanced Drilling Bei Anwendung konventioneller Bohrtechnik werden Bohrlochkontrollprobleme untertage behandelt, indem z. B. beschwerte Spülung einzirkuliert wird, um den Bohrlochsohlendruck dem Formationsporendruck anzupassen, oder Lost Circulation Material in Verlustzonen einzirkuliert wird, um Spülungsverluste und damit eine Abnahme des Bohrlochsohlendruckes zu vermeiden. Die Dynamik des Underbalanced Drilling (UBD) schließt jedoch in den meisten Fällen den Einsatz von Feststoffen oder Gelen zur Unterbindung eines Zuflusses aus einer Formation aus, da das Hauptanwendungsgebiet für das UBD Kluftlagerstätten mit sehr stark ausgeprägten Vertikalklüften sind, die entweder Lagerstätteninhalt produzieren oder Bohrlochflüssigkeit aufnehmen, und die in der Regel kaum oder gar nicht abzudichten sind. Außerdem würde ein Abdichten der Klüfte die Vorteile des UBD, die Trägerschonung durch Vermeidung des Skin Effektes, zunichte machen und ist somit auch nicht gewollt. Das bedeutet, dass beim UBD die Bohrlochkontrolle nicht untertage sondern übertage statt finden muss. Aus diesem Grunde müssen die Bohrungen mit entsprechenden Bohrlochkontrolleinrichtungen übertage ausgerüstet sein. Dazu gehören Preventerstacks mit ausreichender Druckstufe, sowie ein Rotationspreventer, um die aus dem Bohrloch austretende, mit Lagerstätteninhalt (Öl, Gas) beladene Spülung abzuleiten und aufzubereiten. Hierfür stehen Unterdruckbehälter zur Verfügung, in denen eine Trennung in die Phasen gasförmig, flüssig und fest stattfindet. Das mit geförderte Gas wie auch der ggfs. der Spülung zur Dichtereduzierung zugesetzte Stickstoff werden dabei im oberen Bereich des Behälters abgezogen. Bei der flüssigen Phase ist noch zu unterscheiden zwischen einer flüssigen Spülung, z. B. einer Wasserphase, und mit gefördertem Öl. Hier erfolgt die Trennung nach der Dichte (Öl ist leichter als Wasser und überschichtet dieses). Und schließlich muss der sedimentierte Feststoff (Cuttings) ausgeschleust werden. Nachteilig beim UBD ist, dass immer Lagerstätteninhalt mit gefördert wird. Während beim konventionellen Bohren das Mitfördern von Lagerstätteninhalt ein Indiz für einen Zufluss oder Kick ist, kann dieses Kriterium beim UBD nicht herangezogen werden. Hier geht es allenfalls um die Menge oder das Volumen an mit gefördertem Lagerstätteninhalt. Nimmt dieses zu, so kann der gewünschte und beabsichtigte Unterdruck im Bohrloch gestört werden, was dazu führen kann, dass die Bohrlochkopfausrüstung der neuen Situation nicht mehr gewachsen ist. Da aber eine Volumenkontrolle, insbesondere beim Gas, kaum möglich sein wird, müssen andere Kriterien zur Bohrlochkontrolle herangezogen werden. Die konventionelle Bohrlochkontrolle basiert darauf, den Bohrlochsohlendruck über dem Formationsporendruck zu halten, sodass ein Zufluss aus der Formation nicht stattfinden kann. Wie jedoch vorstehend schon zum Ausdruck gebracht wurde, ist genau dieser Zufluss beim UBD erwünscht oder unumgänglich, sodass man hier in einer ständigen Kicksituation lebt. Tritt bei der konventionellen Bohrtechnik ein Kick ein, so werden die Bohrarbeiten gestoppt. Das Bohrwerkzeug verbleibt auf jeden Fall auf Sohle, um ein Zirkulieren und damit Totpumpen der Bohrung zu ermöglichen, und der Bohrlochsohlendruck wird während der Zirkulations- und Totpumparbeiten konstant gehalten (PBH = PDP + PC)- Auf keinen Fall darf jedoch der Tankspiegel beim Zirkulieren unter Druck konstant gehalten werden, da dem Gas (sofern es sich um Gaszufluss handelt) die Möglichkeit der Expansion beim Aufsteigen gegeben werden muss, wie bereits in früheren Kapiteln ausführlich erläutert wurde.
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Beim UBD gelten diese Grundsätze nicht. So wird der Bohrlochsohlendruck bewusst niedriger als der Formationsporendruck gehalten, um die Produktion während des Bohrens zu gestatten (PWD = Production While Drilling). Auch werden die Bohrarbeiten bei Zufluss nicht gestoppt, und das Bohrwerkzeug kann bei Zufluss ausgebaut werden (z. B. für einen Roundtrip). Beim Bohren und Spülen (Zirkulieren) wird der Bohrlochsohlendruck bewusst unter dem Formationsporendruck gehalten, während der Tankstand beim Zirkulieren unter Druck auf jeden Fall konstant gehalten wird, wenn sich kein Subsurface Pressure Gauge (UT Manometer) im Strang befindet, das eine genauere Aussage über den Bohrlochsohlendruck liefert. Begründet wird dieses Vorgehen damit, dass besonders beim Bohren mit DHM's der Gestängekopfdruck nur bedingt Aussagen über die Untertagedrücke liefert, so dass es sich als praktikabel gezeigt hat, den Tankstand konstant zu halten. Da z. B. Gas aus der Formation in der gesamten Ringraum-Spülungssäule dispergiert ist, gibt ein konstanter Tankstand einen relativ guten Hinweis darauf, dass der Anteil der (Spülungs-) Flüssigkeit im Ringraum konstant bleibt, und dass somit auch die (beabsichtigte) Zuflussrate an Lagerstätteninhalt (Gas) ebenso konstant bleibt wie der Bohrlochsohlendruck. Ein erhöhter Zufluss mit der Gefahr, die daraus resultierenden Drücke nicht mehr beherrschen zu können, ist damit auszuschließen. Auch ist ein Fracen am Rohrschuh der letzten Rohrtour nicht zu erwarten, sofern horizontal gebohrt wird und die Rohrtour im Träger bzw. am Kopf des Trägers abgesetzt wird, weil dann die vertikale Höhe zwischen Bohrung und Rohrschuh minimal ist. Werden vertikale Gasbohrungen underbalanced gebohrt, so trifft diese Feststellung nicht mehr zu. Hier muss dem Gas die Möglichkeit zur Expansion gegeben werden, um den Bohrlochsohlendruck konstant zu halten. Da nun jedoch keine Kontrolle über den Bohrlochsohlendruck gegeben ist, muss mit Subsurface Pressure Gauges gearbeitet werden, die den Druck vor Ort aufnehmen und die Daten mittels elektromagnetischer Wellen nach übertage zu einem Messwertaufnehmer übertragen. Das bedeutet, dass alles das, was in der klassischen Bohrlochkontrolle gelehrt wird, beim UBD entgegengesetzt verläuft, und dass die im konventionellen Bereich gemachten Vereinfachungen hier nicht mehr zutreffen. Das wird schon daraus ersichtlich, dass die erste Barriere gegen unkontrollierten Zufluss beim konventionellen Bohren der hydrostatische Druck der Bohrspülung ist und dass die zweite Barriere für den Fall, dass der Formationsporendruck doch höher ist und es zu einem Zufluss kommt, die Preventer sind. Die gefährlichste Situation ist dann gegeben, wenn man unmittelbar vor dem Erreichen der nächsten Rohrabsetzteufe ist, weil dann die größte Strecke an offenem Bohrloch vorliegt, und weil dann beim Einschließen der Bohrung die Gefahr des Fracens im Rohrschuhbereich der letzten Rohrtour mit einem Underground Blowout am größten ist. Die meisten Regeln der konventionellen Bohrlochkontrolle basieren somit auch darauf, Underground Blowouts zu vermeiden. Dazu gehören u.a. die Festlegung einer sicheren Rohreinbauteufe, die Minimierung des Zuflussvolumen und die Notwendigkeit, einem Zufluss beim Auszirkulieren die Möglichkeit zur Expansion zu geben, woraus sich ergibt, dass das Tankvolumen ständig ansteigt. Beim UBD wird die letzte Rohrtour in der Regel am Top des Trägers (besonders bei Richtbohrungen) abgesetzt, wobei Leak-Off-Tests hier ohne Bedeutung sind. Die erste Barriere gegen einen unkontrollierten Zufluss liegt nicht im Bereich der Bohrlochsohle (Bohrlochsohlendruck), sondern übertage und ist der Rotationspreventer. Der Lagerstättenzufluss wird beim Bohren nach übertage zirkuliert, selbst wenn sich DHM und MWD im Strang befinden. Tritt beim UBD unverhältnismäßig viel Formationsinhalt in die Bohrung ein, so dass der Rotationspreventer die sich daraus ergebenden Bohrlochkopfdrücke nicht mehr zurückhalten kann, so muss Totpumpspülung im Ringraum einzirkuliert werden, die – besonders bei Kluftlagerstätten wie dem Austin Chalk – die Bohrspülung in die Formation presst und einen erhöhten Druck im Bohrloch ausübt, was den Kopfdruck reduziert. Dadurch kann es zwar zur Trägerschädigung kommen, die jedoch in Kauf genommen werden muss. Besonders bei Kluftlagerstätten hat sich
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jedoch gezeigt, dass diese in der Regel verhältnismäßig gering ist, zumal die verdrängte Spülung meistens wieder gefördert wird. Da der Formationsinhalt ständig gefördert wird und sich mit der Spülung vermischt, ist der hydrostatische Druck der Spülungssäule zu keiner Zeit zu definieren, was ebenfalls einen entscheidenden Unterschied zum konventionellen Bohren darstellt. Hieraus wird ersichtlich, dass das UBD bei allen bohr- und lagerstättentechnischen Vorteilen bezüglich der Bohrlochkontrolle recht sensibel ist und einer sehr exakten Überwachung bedarf, die nur von geschultem Personal, das mit den Drucksituationen im Bohrloch absolut vertraut ist, praktiziert werden sollte.
20 Vorbeugende Maßnahmen bei der Bohrlochkontrolle 20.1 Allgemeines Ist ein Kick erst einmal eingetreten, so kann und sollte man zwar nach der Ursache forschen, um Lehren für spätere Fälle zu ziehen, jedoch ist es dann zu spät, um über die Frage zu richten, ob der Kick und damit die Gefahr eines daraus möglicherweise entstehenden Blowouts vermeidbar war oder nicht. Es sollte die wichtigste Aufgabe aller im Bohr- und Förderbetrieb beschäftigten Personen sein, Kicks erst gar nicht entstehen zu lassen, indem in der Planung und im Betrieb alle Maßnahmen getroffen werden, um mögliche Kicksituationen vorherzusehen, und sich durch geeignete Preventivmaßnahmen darauf einzustellen. Es gibt Experten, die behaupten, dass Blowouts vermeidbar seien. Daraus folgt konsequentermaßen, dass Kicks, die Vorstufe eines jeden Blowouts, erst recht vermeidbar sind. Dabei stellt sich allerdings die Frage, wie man eine solche Behauptung aufrechterhalten kann, hat doch schon so mancher einer plötzlich und unerwartet eintretenden Kicksituation gegenübergestanden, ohne gegen die Entstehung dieser Situation etwas tun zu können. Beide Argumente sind richtig. Es gibt Situationen, in denen der Mann im Betrieb einem Kick oder gar einem Blowout gegenüber hilflos ist, weil er diesen nicht zu verantworten hat und ihn auch nicht verhindern konnte. Betrachtet man das Objekt Bohrung jedoch einmal in einem größeren Rahmen, so sind neben dem Praktiker vor Ort auch noch eine Reihe anderer Personen für diese Bohrung verantwortlich und damit möglicherweise für eine Kicksituation mitverantwortlich. Das beginnt mit dem Geologen, der auf Hoch- und Niederdruckformationen hinweisen muss, sofern sie ihm bekannt sind. Er muss alle verfügbaren Daten dahin gehend bearbeiten, solche kritischen Zonen zu ermitteln, um den Bohrtechnikern entsprechende Hinweise geben zu können, damit diese sich auf eventuelle Kicks einstellen können. Und da die Erfahrung die besten Ergebnisse liefert, sollten alle verfügbaren Daten und Hinweise aus bereits abgeteuften, vergleichbaren Bohrungen (sog. offset wells) mit in die Bohrplanung einer neuen Bohrung einbezogen werden. Sind solche Daten nicht verfügbar (z. B. bei Aufschlussbohrungen in völlig unbekanntem Gebiet), so muss versucht werden, Hochdruck- und Schwächezonen beim Bohren so rechtzeitig wie möglich zu erkennen und entsprechend zu handeln. Hier ist im wesentlichen der Bohrungsgeologe angesprochen.
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Das nächste Glied in der Kette ist der Planungsingenieur, also derjenige, der für die bohrtechnische Planung verantwortlich ist. Er muss alle ihm verfügbaren Daten mit in seine Überlegungen einbeziehen und muss vor allem das Spülungs- und Verrohrungsprogramm so auslegen, dass Bohrlochschwierigkeiten ausgeschlossen oder zumindest auf ein unvermeidbares Mindestmaß begrenzt bleiben. Dazu benötigt er jedoch die entsprechenden geologischen Grunddaten. Ist beispielsweise bekannt, dass auf eine Zone normalen Druckes eine Niederdruckzone folgt, so muss vor Erreichen der Niederdruckzone eine Verrohrung eingebracht werden, damit Spülungsverluste in dieser Zone vermieden werden, die dann zu einem Kick aus der Normaldruckzone führen können. Dieselben Maßnahmen sind zu ergreifen, wenn eine Hochdruckzone unter einer Normaldruckzone ansteht. Schließlich sind die Rohrabsetzteufen nicht nur nach geologischen Gesichtspunkten zu fixieren, sie müssen auch auf Bohrlochdrücke bei möglichen Kicks hin berechnet werden. Ist eine Rohrtour zu flach eingebracht worden und tritt in einer wesentlich tiefer gelegenen Formation ein Kick ein, so darf der sich nachdem Einschließen der Bohrung in dieser aufbauende Druck am Rohrschuh nicht größer sein als der Fracdruck an dieser Stelle. Ist das nicht der Fall, so muss das Gebirge hier aufbrechen, und es kommt zu einem Untertage-Blowout, den der Praktiker auf der Anlage kaum oder nur schwer verhindern kann, und für den er sicherlich nicht verantwortlich ist. Der Fehler liegt hier im Bereich der Planung, woraus folgt, dass bei globaler Betrachtung auch dieser Kick sowie der daraus möglicherweise entstehende Ausbruch vermeidbar gewesen wäre. Aber auch im Betrieb können Fehler gemacht werden, die zunächst mit Problemen der Bohrlochkontrolle gar nicht in Verbindung gebracht werden. Hierzu zählen Druckstöße, die beim Fahren von Rohren oder Gestänge auftreten, und die zum Fracen des Gebirges oder zu Unterdrucksituationen führen können. Da auch solche Situationen berechenbar sind, sind Betrieb und Planung dafür gleichermaßen verantwortlich. Im Folgenden sollen nun die vorstehend aufgeworfenen Fragen im Einzelnen diskutiert werden.
20.2 Die Erkennung abnormaler Druckhorizonte 20.2.1 Definition Es wird unterschieden zwischen: • Normaldruck = hydrostatischer Druck • Unterdruck = unterhydrostatischer Druck • Überdruck = überhydrostatischer Druck Der Formationsporendruck wird als normal bezeichnet, wenn er ausschließlich durch den hydrostatischen Druck einer mit der Oberfläche in Verbindung stehenden Wassersäule erzeugt wird. Als Porenfüllung wird dabei Salzwasser mit einer Dichte zwischen 1,05 und 1,10 kg/l angenommen. Die Druckgradienten liegen dann im Mittel bei 0,1127 bar/m. Je nach Ansatz- und Landepunkt einer Bohrung können folgende Drucksituationen unterschieden werden:
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Abb. I-29: Unterdrucksituationen [BKH]
Liegen Bohransatz- und Landepunkt oberhalb des piezometrischen Niveaus (Wasserspiegel), so ist die Lagerstätte leer (Abb. I-29). Bei karstigen, oberflächennahen Formationen besteht die Gefahr von Spülungsverlusten, sodass in solchen Fällen nur mit Luft- oder Schaumspülung gebohrt werden kann. Liegt der Bohransatzpunkt wesentlich höher als das piezometrische Niveau, der Landepunkt jedoch nur wenig darunter, so steht die Lagerstätte nur unter einem geringen Druck, nämlich dem hydrostatischen Druck der Wassersäule zwischen piezometrischem Niveau und Lagerstätte (Abb. I-30). Auch hier kann nicht mit flüssigen Spülungen gearbeitet werden, ohne Gefahr zu Laufen, Spülungsverluste zu bekommen. Hier müsste z. B. Öl aus dem Reservoir herausgepumpt werden.
Hw = Höhe der Wasserstände – Dichtew = mittlere Wasserdichte Abb. I-30: Überdrucksituation mit geringem Überdruck [BKH]
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Abb. I-31: Überdrucksituation mit großem Überdruck [BKH]
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Liegen Bohransatz- und Landepunkt weit unter dem piezometrischen Niveau (Abb. I-31, so liegt ein Arteser vor, also eine Lagerstätte, die unter wesentlich höherem Druck steht, als dem hydrostatischen Druck im Bohrloch (bezogen auf die Bohrlochlänge) entspricht. In einem solchen Fall muss mit beschwerter Spülung gebohrt werden, die Förderung erfolgt eruptiv. Trotz der sehr unterschiedlichen Absolutdrücke zählen alle drei Lagerstättentypen zu den Normaldruck-Formationen. Alle Lagerstätten, deren Drücke nicht diesen Bedingungen entsprechen, werden als abnormal bezeichnet. Abnormale Drücke treten z. B. auf, wenn es sich um sehr mächtige Lagerstätten handelt. Dabei kann der Druck unterhalb des Randwasserkontaktes durchaus normal sein. Infolge der mächtigen Kohlenwasserstoff-Säule mit niedrigerer Dichte als Wasser, wird jedoch der Lagerstättenkopfdruck, insbesondere bei Gaslagerstätten, höher als der hydrostatische Druck sein. Eine weitere Begründung für Lagerstätten mit abnormalem Druck liegt in unter kompaktierten Formationen. Normalerweise nimmt die Dichte oder Kompaktion des Gesteins mit zunehmender Teufe zu und die Porosität ab. Das liegt an den höheren Auflasten durch das überlagernde Gebirge. Hat der Poreninhalt die Möglichkeit, in das Deckgebirge abzuwandern, wird eine Normaldrucklagerstätte entstehen. Durch Einschluss einer Lagerstätte in impermeable Formationen wie Tone, Anhydrit oder Salz, durch tektonische Aktivitäten oder durch zu schnelle Sedimentation (Poreninhalt hat keine Zeit zum Abwandern und wird eingeschlossen), wird ein Druck auf den Poreninhalt übertragen, der das umgebende Gestein stützt. Die Kompaktion der Gesteinsmatrix findet also nicht oder nur bedingt statt. Zu unterscheiden sind hier noch zwei Fälle: • der Träger ist durch impermeable Formationen eingeschlossen oder durch Störungen abgedichtet, die Abdichtung des Trägers ist somit perfekt, • der Träger ist infolge zu schneller Sedimentation nicht vollständig abgedichtet, so dass sich eine Übergangszone (transition zone) ausbildet. Im ersten Fall wird die Kompaktion des Gebirges verhindert, die Formation bleibt so, wie sie ursprünglich war. Dadurch, dass der Poreninhalt geostatischen Druck übernimmt, wird der Poreninhalt zusammengepresst und steht unter Hochdruck, der wiederum in seinem Absolutbetrag von Art und Dichte des Poreninhaltes abhängig ist. Im zweiten Fall ist die Abdichtung der Lagerstätte nicht perfekt. Es findet ein teilweises Abfließen von Poreninhalt in die unter Normaldruck stehenden, überlagernden Schichten statt. Dabei werden die oberen Bereiche der Übergangszone normal kompaktiert sein, während die unteren Bereiche mit zunehmender Teufe immer unterkompaktierter werden, also einen immer
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größer werdenden Anteil des Gebirgsdrucks an den Poreninhalt übertragen. Der Druckgradientenverlauf in der Übergangszone wird nicht mehr linear verlaufen sondern kurvenförmig. Durch den ansteigenden Porendruck in der Übergangszone wird diese für den Bohrtechniker besonders unangenehm, weil es schwierig wird, die Dichte der Spülung dem Forrnationsporendruck exakt anzupassen, so dass man immer zwischen den Gefahren einerseits einen Kick zu bekommen, andererseits Verluste zu riskieren, pendelt.
20.2.2 Erkennen von abnormalen Drücken vor Bohrbeginn Während der Planungsphase gibt es im Wesentlichen drei Möglichkeiten, abnormale Druckzonen zu erkennen: • seismische Daten, • Logs aus Vergleichsbohrungen, • Erfahrungswerte aus Vergleichsbohrungen. Bei Aufschlussbohrungen ohne Vergleichsmöglichkeit ist die Seismik das einzige Mittel, abnormale Druckzonen zu erkennen, da die seismischen Laufzeiten unter anderem von der Kompaktion oder Dichte der Gesteine abhängen, wenngleich hier Fehlinterpretationen nicht ausgeschlossen werden können. Sind Referenzbohrungen verfügbar, so geben insbesondere Logs über Porositäten und Permeabilitäten gute Auskunft über Zonen abnormalen Druckes. Durch Korrelation ist es dann möglich, auch für die geplante Bohrung entsprechende Vorhersagen zu machen. Die brauchbarsten Messungen sind: Sonic-Log, Widerstandsmessungen, Leitfähigkeitsmessungen, Dichte- und Temperaturmessungen.
20.2.3 Erkennen von abnormalen Drücken beim Bohren Haben die im vorstehenden Kapitel aufgeführten Untersuchungen keine abnormalen Druckhorizonte ergeben, so ist es beim Abteufen von Aufschlussbohrungen besonders wichtig, trotzdem jederzeit auf das Anbohren solcher Formationen vorbereitet zu sein. Allerdings kann es zum Handeln bereits zu spät sein, wenn man die entsprechende Zone erkannt hat. Deshalb sollten alle Möglichkeiten von Vorabinformationen beim Bohren genutzt werden, um solche Zonen so früh wie möglich, tunlichst noch vor dem Anbohren, zu erkennen. Auch hier gibt es einige Anzeichen und Informationsmöglichkeiten, die zu kennen für den Bohrtechniker von Bedeutung sein kann. Zunächst einmal muss die Bohrungsgeologie darauf bedacht sein, alle sich bietenden Anzeichen im Hinblick auf solche Formationen zu interpretieren. Besonders mächtige Salzlager über einer erwarteten Lagerstätte können ein Hinweis auf eine Hochdruckformation sein, weil dadurch die Voraussetzung für eine Lagerstättenabdichtung gegeben ist. Allerdings ist ihre Einordnung nicht ganz einfach. Einfacher sind dagegen Übergangszonen zu identifizieren, insbesondere, wenn mehrere Methoden der Früherkennung, wie beispielsweise die nachstehend beschriebenen, mit in die Untersuchungen einbezogen werden. Salinität und Temperatur der austretenden Spülung können ebenfalls ein Hinweis auf anstehende Hochdruckformationen sein, wenngleich ihre Aussagekraft vergleichsweise gering ist. Aber auch die rheologischen Eigenschaften können sich durch die Vermischung von Spülung und Poreninhalt ändern. Sie sollten in einem solchen Fall ständig überprüft werden.
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20 Vorbeugende Maßnahmen
Infolge der Unterkompaktion kann es auch zu bohrtechnischen Problemen kommen, bedingt durch Nachfall oder Auskesselungen. Diese machen sich in der Regel durch erhöhtes Drehmoment, Brückenbildung (Nachfall) mit erhöhten Zirkulationsdrücken und Ziehen mit Überlast bemerkbar. Auch die Cuttingsanalyse kann entscheidend zur Früherkennung von Problemzonen mit beitragen. Zu untersuchen sind im Wesentlichen die Dichte und die elektrische Leitfähigkeit der Cuttings. Nimmt die Dichte ab statt zu und die Leitfähigkeit zu (infolge des gut leitenden Poreninhalts), so kann das ein Indiz für eine Übergangszone sein. Allerdings ist die Leitfähigkeitsmessung sehr kompliziert und wenig praxisgeeignet. Alle bisher genannten Verfahren und Anzeichen sind mit entsprechender Vorsicht zu betrachten, können sie doch sehr leicht die Ursache für Fehlinterpretationen sein, da ihre Aussagekraft meist nur gering ist. Von entscheidender Bedeutung für die Früherkennung können allerdings die Drilling Records wie Bohrfortschritt und Gasanzeichen sein. Gasanzeichen (gas shows) deuten auf jeden Fall auf eine Gaslagerstätte hin und sollten deshalb auch mit besonderer Aufmerksamkeit bedacht werden. Sie haben ihre Ursache in: • einer Reduktion des Differenzdruckes, wodurch der Poreninhalt leichter in das Bohrloch eintreten und zur Oberfläche aufsteigen kann, • einem Migrieren von Gas durch die Deckschicht hindurch in die überlagernden Schichten aufgrund des anstehenden Differenzdrucks. Eine besondere Bedeutung in der Hochdruckzonen-Früherkennung wird in der internationalen Literatur dem sogenannten „d-Exponenten“ zugewiesen. Der d-Exponent ist der Exponent in der von BINGHAM aufgestellten und von JORDEN und SHIRLEY bearbeiteten, international bekannten und verwendeten Bohrfortschrittsgleichung (hier nicht dimensionsgerecht): R = K ⋅n⋅
FB DH
d
Hierin sind: R Bohrfortschritt K Bohrbarkeits-Konstante n Meißeldrehzahl FB Meißelbelastung DH Bohrlochdurchmesser Ändern sich die Meißeldrehzahl, die Meißelbelastung und die Zusammensetzung des Gesteins (Bohrbarkeit) nicht, so besteht ein direkter Zusammenhang zwischen dem Bohrfortschritt und dem d-Exponenten. Trägt man nun den d-Exponenten über der Teufe auf, so ergibt sich eine Gerade mit einer bestimmten Steigung. Je größer diese ist, desto besser ist die Bohrbarkeit des Gesteins. Daraus folgt, dass in einer bestimmten Formation eine Gerade mit einer bestimmten, in etwa konstanten Steigung aufgenommen werden kann. Nimmt die Steigung zu, so kann daraus auf eine verbesserte Bohrbarkeit geschlossen werden, die ihre Ursache darin haben kann, dass der Differenzdruck an der Bohrlochsohle stetig abgebaut wird, da der Porendruck ansteigt. Allerdings kann auch ein Formationswechsel zu einer besser bohrbaren Formation hin stattgefunden haben. Wichtig ist allerdings der Hinweis, dass diese Methode der Hochdruckzonen-Früherkennung nur in Tonformationen möglich ist, und dass dazu bestimmte Erfahrungswerte über den normalen Verlauf der d-Exponenten-Steigung und die durch Formationswechsel bedingten Änderungen der Steigung erforderlich sind, sodass Anomalien auch eindeutig interpretiert werden können. In den USA wurden über Jahre hinweg Aufzeichnungen und Auswertungen des typischen Exponentenverlaufs für die einschlägigen Bohrgebiete vorgenommen (z. B. Golfküste, Texas, Rocky Mountains ...). Die „normalen“ d-Exponenten-Verläufe wurden auf Deckfolien ge-
I Bohrlochkontrolle
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zeichnet und können nun über die eigenen Aufzeichnungen gelegt werden, sodass daraus recht brauchbare Ergebnisse abzulesen sind. Eine Übertragung dieses Verfahrens auf andere Bohrgebiete ist jedoch nur möglich, wenn auch für diese entsprechende Normalwerte empirisch ermittelt wurden. Das ist jedoch für den europäischen Raum nur bedingt möglich, weil die geologische Abfolge hier sehr wechselhaft ist und damit kaum schematisiert werden kann, so dass die empirisch zu ermittelnden Trends nur wenig Aussagekraft haben würden. Allerdings kann man sich behelfen, indem man eine sorgfältige Beobachtung des Bohrfortschritts vornimmt. Nach MOORE deutet ein plötzlicher Anstieg der Bohrgeschwindigkeit ebenso wie eine plötzliche Abnahme derselben auf einen Formationswechsel hin. Steigt die Bohrgeschwindigkeit dagegen allmählich aber stetig an, so kann daraus auf eine ebenso stetige Abnahme des Bohrlochsohlen-Differenzdrucks geschlossen werden, was bedeutet, dass man sich in einer Übergangszone befindet. Voraussetzung für eine solche Interpretation ist allerdings, dass Meißeldrehzahl, Meißelbelastung und Dichte der Spülung während des Beobachtungsintervalls nicht geändert werden.
20.3 Ermittlung von Rohrabsetzteufen 20.3.1 Allgemeines Produktionsrohrtouren haben meistens vorgegebene Absetzteufen. Sie werden auf den zu erwartenden bzw. im Drill-Stem-Test (DST) ermittelten Lagerstättendruck ausgelegt. Die Absetzteufen von Anker- und Zwischenrohrtouren müssen dagegen so gewählt werden, dass aus diesen Rohrtouren heraus gefahrlos in einen zu erwartenden Träger gebohrt werden kann. Das bedeutet, dass gegebenenfalls im Verlauf der Bohrarbeiten im offenen Bohrloch eine Beschwerung der Spülung auf den Lagerstättendruckgradienten vorgenommen werden muss, ohne dass es dadurch zum Aufbrechen der Formation am Rohrschuh kommt. Das bedeutet aber auch, dass man aus einer Lagerstätte einen Zufluss bekommen und die Bohrung daraufhin einschließen können muss, ohne dass es wiederum zu einem Frac am Rohrschuh kommt.
20.3.2 Ermittlung von Rohrabsetzteufen bei gegebenem Verlauf von Poren- und Formationsdrücken Der Porendruck entspricht im Normalfall dem hydrostatischen Druckgradienten einer Salzwassersäule. Wird die Dichte des Salzwassers mit 1,05 kg/l angenommen, so ergibt sich ein Druckgradient von 0,1029 bar/m. Wie jedoch bereits ausgeführt wurde, steigt der Porendruckgradient in Hochdruckzonen schlagartig an, wenn eine gute Abdichtung der Formation zum Deckgebirge hin erfolgt, bzw. er steigt allmählich an, wenn sich über der Lagerstätte eine Übergangszone befindet. Dieser Anstieg des Porendruckes bzw. des Druckgradienten kann aus benachbarten Bohrungen bekannt sein, oder er wird durch entsprechende Methoden er-mittelt und auf größere Teufen hin extrapoliert. Der Fracdruckgradient wird wegen der Kompaktion des Gebirges ebenfalls nicht konstant bleiben, sondern ansteigen. Aus diesem Grunde muss auch der Fracdruck nach jedem Rohreinbau im Rohrschuhbereich neu ermittelt werden, da eine Berechnung mittels des einmal ermittelten Gradienten zu Fehlergebnissen führen würde.
I
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20 Vorbeugende Maßnahmen
I Abb. I-32: Bestimmung der Rohrabsetzteufen nach Druckgradienten [BKH]
Außerdem kann davon ausgegangen werden, dass der Fracdruck immer über dem Formationsporendruck liegt, da es ansonsten zu einem Fracen der Formation und damit zu einem Druckabbau gekommen wäre. Der Aufbau einer Hochdruckformation wäre somit nicht möglich gewesen. Sind beide Werte, der Porendruckverlauf und der Fracdruckverlauf, in Abhängigkeit von der Teufe bekannt, so können sie in ein Diagramm mit der Teufe als Ordinate eingetragen werden. Hierbei rechnet man die Druckgradienten in Dichtewerte (kg/1 bzw. kg/dm3) um. Ein solches Diagramm ist beispielhaft in Abb. I-32 wiedergegeben. Bei der Ermittlung der Rohrabsetzteufen wird von unten nach oben vorgegangen, beginnend mit der untersten Zwischenrohrtour bzw. dem entsprechenden Liner, und endend mit der Ankerrohrtour. Im Beispiel gemäß Abb. I-32 soll angenommen werden, dass die Lagerstätte sich in einer Teufe von 2250 m befindet und unter einem Lagerstättendruck von 441 bar steht. Das entspricht einem Druckgradienten von 0,196 bar/m bzw. einem Dichtewert von 2,0 kg/l. Daraus folgt, dass der Lagerstättendruck kompensiert werden kann, wenn die Lagerstätte mit einer Spülung mit der Dichte 2,0 kg/l angebohrt wird. Der Beginn der Übergangszone, also der Punkt, an dem der Porendruck vom Dichtewert 1,05 kg/l abweicht und ansteigt, wurde bei etwa 1200 m ermittelt. Um nun die Lagerstätte sicher anbohren zu können, müssen zum vorstehend ermittelten Dichtewert von 2,0 kg/l bei der Spülung noch gewisse Sicherheitszuschläge hinzu addiert werden:
I Bohrlochkontrolle
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Ausgangsdichte Trip-Marge Swab-Marge
2,00 2,02 2,02
kg/l Kg/l Kg/l
eff. Spülungsdichte
20,4
Kg/l
Mit einer Spülung der Dichte 2,04 kg/l ist es möglich, die Lagerstätte auch dann sicher anzubohren, wenn der Spülungsspiegel beim Roundtrip leicht abfällt oder beim Hochfahren des Stranges gewisse Unterdrücke (Swabeffekt) hervorgerufen werden. Der Fracdruck wurde in Lagerstättenteufe zu 507 bar entsprechend 2,3 kg/l ermittelt. Er nimmt zur Oberfläche hin ab auf einen Wert von etwa 0,162 bar/m entsprechend 1,65 kg/l. Um nun die Absetzteufe der untersten Zwischenrohrtour ermitteln zu können, geht man davon aus, dass aus dieser Rohrtour heraus mit einer Spülung von 2,04 kg/l gebohrt werden muss, um die Lagerstätte sicher anbohren zu können. Dabei ist es belanglos für die Druckbetrachtung, wann die Spülungsdichte auf diesen Wert eingestellt wird (direkt nach dem Aufbohren des Rohrschuhs oder unmittelbar vor dem Anbohren des Trägers). Das bedeutet, dass der sich beim Bohren mit einer Spülung der Dichte 2,04 kg/l am Rohrschuh ergebende Druck maximal so groß sein darf, wie der Fracdruck an dieser Stelle (Grenzwertbedingung). Die grafische Lösung erfolgt so, dass man von der Lagerstättenteufe (2250 m) ausgehend mit dem Dichtewert 2,04 kg/l senkrecht nach oben geht, bis man die Fracdruckkurve schneidet. Das ist im Beispiel gemäß Abb. 10-4 in einer Teufe von 1480 m. Daraus folgt, dass die Zwischenrohrtour bis maximal 1480 m eingebaut werden darf, eine weitere Steigerung der Spülungsdichte über den Wert von 2,04 kg/l hinaus jedoch dann nicht mehr möglich ist. Dieses Vorgehen wird nun für die vorhergehende(n) Rohrtour(en) auf gleiche Art wiederholt. Um eine Teufe von 1480 m anbohren zu können, muss mit einer Spülungsdichte von 1,25 kg/l gearbeitet werden. Tritt hier ein Kick ein, so muss er unter einem größeren Druck stehen als dem hier angenommenen Porendruck von 181 bar. Wird ein Überdruck von 15 bar (= 0,010 bar/m = 0,103 kg/l) zugegeben, so kann die Absetzteufe der Ankerrohrtour mittels der Trialand-Error-Methode (Probiermethode) wie folgt ermittelt werden: PRS = Pm+
TKick TRS
[kg/l]
Hierin sind: PRS Spülungsdichte in Absetzteufe der Ankerrohrtour [kg/l] Größe des Kicks [kg/l] pKick pm Spülungsdichte bei Eintritt des Kicks [kg/l] TRS RS-Teufe der vorhergehenden Rohrtour [m] TKick Eintrittsteufe des Kicks [m] Für das Beispiel gemäß Abb. I-33 ergibt sich folgende Rechnung, sofern zunächst eine Absetzteufe der Ankerrohrtour von 210 m vorgesehen wird : 1480 · 0,06 = 1,673 kg/l 210 Das bedeutet, dass bei Eintritt eines Kicks mit 15 bar Überdruck in einer Teufe von 1480 m (max. Teufe des offenen Bohrlochabschnitts unterhalb der Ankerrohrtour = Absetzteufe der Zwischenrohrtour) dieser mit einer Spülung der Dichte 1,673 kg/l totgepumpt werden muss. Der Fracdruck am Rohrschuh der Ankerrohrtour beträgt aber in Dichtewerten 1,74 kg/l, wie aus der Grafik (Abb. I-33) hervorgeht, sodass diese Absetzteufe praktikabel ist.
PRS = 1,25 +
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20 Vorbeugende Maßnahmen
Würde beispielsweise eine Absetzteufe für die Ankerrohrtour von nur 150 m vorgesehen gewesen sein, so ergäbe sich unter sonst gleichen Bedingungen eine erforderliche Spülungsdichte für die Totpumpspülung von 1,84 kg/l, woraus folgt, dass diese Rohrschuhteufe zu flach wäre. Gerade bei der Bestimmung der Absetzteufe der Ankerrohrtour ist eine solche Berechnung von entscheidender Bedeutung und sollte auf jeden Fall, zusätzlich zu den geologischen Überlegungen (Absetzen von Rohrtouren in dichten, tragfähigen Formationen, Absetzen zwischen Formationen unterschiedlicher Porendrücke wie Hoch- und Niederdruckformationen u. a.) bevorzugt mit in die Entscheidung einbezogen werden.
20.4 Swab- und Surge-Drücke
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Surge-Drücke entstehen dann, wenn Equipment (Bohrstrang, Rohrtour) in ein flüssigkeitsgefülltes Bohrloch eingefahren wird. Swab-Drücke entstehen, wenn Equipment aus einer solchen Bohrung ausgebaut wird. Das ist wie folgt zu begründen: Bewegt sich ein Rohr (oder Stab) in einer Flüssigkeit, so wird der an der Rohroberfläche anhaftende Teil der Flüssigkeit mit der gleichen Geschwindigkeit wie das Rohr und in dieselbe Richtung wie das Rohr bewegt. Dabei wird ein Teil der Bewegungsenergie auf die das Rohr umgebende Flüssigkeit übertragen, so dass das Rohr die Flüssigkeit trichterförmig mit sich reißt (Scherprinzip wie beim Strömen von Flüssigkeiten in Rohrleitungen). Dieses Prinzip stellt sich auch ein, wenn das Rohr (Stab) in einem anderen flüssigkeitsgefüllten Rohr (Bohrloch) nach unten bewegt wird, vorausgesetzt, dieses Rohr (Bohrloch) ist unten offen, so dass eine Flüssigkeitsströmung stattfinden kann (Abb. I-33). Findet die Abwärtsbewegung des Rohres in einem Bohrloch statt (unten geschlossen), so kann sich keine reine Abwärtsbewegung der Flüssigkeit einstellen, da es an der Bohrlochsohle zu einem Flüssigkeitsstau kommt. Es bewegt sich somit nur der in unmittelbarer Nähe des sich bewegenden Rohres befindliche Teil der Flüssigkeit in der Bewegungsrichtung des Rohres, der weiter entfernte Teil der Flüssigkeit jedoch in entgegengesetzter Richtung, d. h. es stellt sich eine Gegenströmung ein (Abb. I-34).
Abb. I-33: Flüssigkeitsbewegung beim Fahren eines Stranges in einem unten offenen Bohrloch (schematisch) [BKH]
I Bohrlochkontrolle
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Abb. I-34: Flüssigkeitsbewegung beim Fahren eines Stranges im unten geschlossenen Bohrloch (schematisch) [BKH]
Berechnungen und Beobachtungen haben ergeben, dass es um das sich bewegende Rohr (Strang) herum zu einem Schereffekt in der Flüssigkeit kommt, der bei viskosen Flüssigkeiten (Spülung) wegen des größeren Trägheitseffektes auch entsprechend groß ausgebildet sein wird. Daraus folgt, dass sich ein sog. viskoser Zugeffekt einstellt, der den sich bewegenden Teil zurückzuhalten versucht. Bei einer Abwärtsbewegung des Stranges folgt daraus, dass jedes Flüssigkeitsteilchen stärker auf das darunter liegende Teilchen drückt, als der hydrostatischen Kraft entspricht. Das bedeutet, dass der viskose Zugeffekt wie eine Steigerung des hydrostatischen Druckes wirkt. Bei einer Abwärtsbewegung des Stranges (Einbauen) ergibt sich somit eine Drucksteigerung, die als Einbau- oder Surge-Druck bezeichnet wird. Bei einer Aufwärtsbewegung des Stranges (Ausbauen) ergibt sich eine Druckentlastung, die als Ausbausog oder Swab-Druck bzw. SwabEffekt bezeichnet wird, da sich die Verhältnisse gemäß Abb. I-34 umkehren. Swab- und Surge-Effekte sind um so gravierender in ihrer Auswirkung, je enger die Clearance-Verhältnisse in einem Bohrloch sind, je tiefer eine Bohrung ist, je viskoser die Spülung ist und je schneller ein Strang gefahren wird. Alle diese Dinge führen dazu, dass die Spülung sehr stark mit dem sich bewegenden Strang mitgerissen wird, und dass durch den viskosen Zugeffekt nur geringe Spülungsmengen die Gelegenheit haben, in der Zeiteinheit durch den Ringraum zwischen Strang (Einbauteilen) und Bohrloch in den Bereich des Bohrloches zu strömen, der der Bewegungsrichtung des Stranges entgegengesetzt ist. Das bedeutet z. B. beim Ausbauen des Stranges, dass die Spülungssäule abreißen kann, wenn der Strang zu schnell gezogen wird, sodass die Spülung den Bohrlochbereich unterhalb des Werkzeuges nicht genau so schnell wieder auffüllen kann, wie Strangvolumen entfernt wird. Da Spülungsviskosität wegen der Spülungsdichte, Bohrlochgeometrie und Teufe der Bohrung nicht zu beeinflussen ist, bleibt nur eine Möglichkeit, um unerwünschte Swab- und SurgeEffekte zu vermeiden, den Strang nur so schnell zu fahren, dass keine schädigenden Druckspitzen (sowohl positive wie auch negative) auftreten. Solche Druckspitzen können die Ursache für eine Reihe von Bohrlochschwierigkeiten sein (Nachfall, Brückenbildung, Spülungsverluste usw.).
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21 Abkürzungen
Surgedrücke können aber auch zum Aufbrechen von druckschwachen Horizonten und damit zu Spülungsverlusten, verbunden mit einer Abnahme des hydrostatischen Druckes und der Gefahr eines Kicks führen. Swabdrücke wiederum beinhalten die Gefahr, dass die Spülungssäule unterhalb des Bohrwerkzeuges abreißt, sodass nur noch der unterhalb des Werkzeugs anstehende Teil der Spülungssäule mit ihrem hydrostatischen Druck gegen die Formation wirkt, was ebenfalls zu einem Kick führen kann. Diese Gefahr ist um so größer, je näher das Bohrwerkzeug an der Bohrlochsohle ist. Geschieht das Abreißen der Spülungssäule erst dann, wenn der Strang fast vollständig ausgebaut ist, so ist der Anteil der verbleibenden Spülungssäule relativ groß (fast die gesamte Bohrlochlänge), sodass eine Kickgefahr entsprechend klein ist. Reißt die Säule jedoch bereits ab, nachdem der Meißel nur wenige Meter von Sohle gefahren ist, so erzeugt nur ein verschwindend kleiner Teil der Spülungssäule einen hydrostatischen Druck. Die Kickgefahr ist sehr groß! Daraus folgt, dass bei Bohrungen, bei denen mit dem Auftreten von hohen Swab- und Surge-Drücken zu rechnen ist (z. B. wegen Querschnittsverengungen durch drückende Formationen), das Werkzeug besonders langsam von Sohle gefahren werden muss. Ist der Ringraum vollständig verstopft, so muss spülend ausgebaut werden.
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21 Abkürzungen TD KOP EOB MD TVD BHA SIDPP SICP KMD ICP FCP CP OMD SCR KS RR DC DP HWDP
True depth Kick off point End of build up Measured depth True vertical depth Bottom hole assembly Shut in drill pipe pressure Shut in casing pressure Kill mud density Initial circulation pressure Final circulation pressure Circulation pressure Original mud density Slow circulating rate Kill Sheet Ringraum Drill collar Drill pipe Hevi wall drill pipe
= Teufe ( kann MD oder TVD sein ) = Beginn der Ablenkung = Ende der Ablenkungsstrecke = gemessene Teufe (Länge) = vertikale Teufe (Saigerteufe) = Garnitur (HWDP bis Meißel) = Gestängeeinschließdruck = Ringraumeinschließdruck = Totpumpspülungsdichte = Anfangszirkulationsdruck = Endzirkulationsdruck = derzeitige Spülungsdichte = Zirkulationsdruck = Reduzierter Zirkulationsdruck = Totpumpberechnungsblatt = Schwerstänge = Bohrgestänge
J Bohrlochabsperrungen (Preventer) 1 Allgemeines In ersten Teil des Bohrloch Kontroll-Handbuchs (Theoretische Grundlagen) wurde wiederholt davon gesprochen, dass eine Bohrung, in die ein unkontrollierter Zufluss oder Kick eintritt, eingeschlossen werden muss. Das geschieht mittels der sich am Bohrlochkopf befindlichen Preventeranlage, die wiederum von einer entsprechenden Schließanlage aus betätigt wird. Hinzu kommen Einrichtungen, die es ermöglichen, dass eine eingeschlossene Bohrung manipulationsfähig bleibt, dass also ein Kick auszirkuliert und Totpumpspülung einzirkuliert werden kann. Hierzu dienen die Kill- und Choke-Lines mit den entsprechenden Installationen wie Schiebern und Düsen, und die Messeinrichtungen zur Erfassung der Bohrlochdrücke und der ausfließenden Volumina. Als weiteres sind die Abschlusseinrichtungen für den Bohrstrang zu nennen und die modernen Einrichtungen der Bohrlochkontrolle, die zur Kickfrüherkennung dienen. Alle diese Einrichtungen sind jedoch immer im Zusammenhang mit den übrigen Installationen von Bohrung und Bohranlage zu sehen, da sie allein nicht funktionsfähig sind. So bildet der Preventerstack zusammen mit der Verrohrung und der Zementation eine Einheit. Das Bindeglied zwischen Verrohrung und Preventerstack ist die Bohrlochverflanschung mit Hanger- und Dichtsystemen, die eine druckdichte Verbindung zwischen beiden Elementen garantiert. Eine Spülungszirkulation zum Auszirkulieren eines Kicks und zum Totpumpen der Bohrung ist wiederum nur im Zusammenhang mit einem Spülungszirkulationssystem wie Tankanlage, Spülungsmischeinrichtung und Pumpen mit dem zugehörigen Leitungssystem und einer Feststoffkontrolleinrichtung zu realisieren. Bedingt durch die Tatsache, dass in den letzten Jahrzehnten immer größere Teufen erbohrt werden mussten, dass Hochdruck-Gaslagerstätten erschlossen werden, und dass der Anteil der Sauergasvorkommen (schwefelwasserstoffhaltiges Gas) immer größer wird, musste sich auch die einschlägige Industrie auf die gestiegenen Anforderungen einstellen. Preventeranlagen mit immer höheren Druckstufen, bestehend aus sauergasresistentem Material, entsprechende Dichtelemente ausverschleißfestem und öl- und sauergasbeständigem Material, zugehörige Schieber und Düsen wie auch die entsprechenden Steuer- und Sicherungseinrichtungen mussten entwickelt und zur Serienreife gebracht werden, wobei der Sicherheitsaspekt immer an oberster Stelle zu stehen hat.
2 Rechtliche Grundlagen und Vorschriften Es gibt eine ganze Reihe von nationalen und internationalen Vorschriften die Bohrlochabsperreinrichtungen betreffend, da man sicher gehen will, dass Fehler am Equipment bei Bohrlochkontrollmaßnahmen auf ein Minimum reduziert werden. Für Deutschland werden Fragen der Bohrlochkontrolle und des zugehörigen Equipments in der Bergverordnung für Tiefbohrungen, Tiefspeicher und die Gewinnung von Bodenschätzen durch Bohrungen (BVOT) geregelt, die auf der Basis des Bundesberggesetzes (BBergG) erlasH. -O. Buja, Handbuch der Tief-, Flach-, Geothermie- und Horizontalbohrtechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-9943-9_10, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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2 Rechtliche Grundlagen und Vorschriften
sen wurden. Daneben gelten für den internationalen Raum die Vorschriften des MERICANPETROLEUM INSTITUTE (API). Vorschriften für die Bohrlochabsperreinrichtungen sind in § 112 und § 113 der BVOT geregelt. In § 112 heißt es: 1. Beim Niederbringen von Bohrungen, „mit denen Erdöl- oder Erdgas erschlossen werden sollen oder mit denen Lagerstätten dieser Art angebohrt werden können (§111 (1))“ oder „Bohrungen, mit denen andere gas- oder flüssigkeitsführende Gebirgsschichten oder Hohlräume angebohrt werden können, bei denen Ausbrüche nicht ausgeschlossen werden können (§111(7))“ muss der Bohrlochkopf mit Absperreinrichtungen ausgerüstet sein, die im Falle eines Ausbruches den Vollabschluss des Bohrloches und den Abschluss des Ringraumes gewährleisten. Die Absperreinrichtungen müssen eingebaut sein, bevor die Bohrung nach Einbau der Ankerrohrfahrt und der nachfolgenden Rohrfahrten jeweils weiter vertieft wird. 2. Die Druckstufen der Absperreinrichtungen müssen den höchsten Kopfdrücken genügen, die bis zum Erreichen der Einbauteufe der nächsten Rohrfahrt oder nach Einbau der letzten Rohrfahrt bis zum Erreichen der Endteufe zu erwarten sind. 3. Ist der höchste zu erwartende Kopfdruck größer als 5 bar, müssen für jeden der beiden in Absatz (1) genannten Absperrfunktionen wenigstens zwei voneinander unabhängige und nach einem unterschiedlichen Prinzip arbeitende Absperreinrichtungen eingebaut sein. 4. Ist mit dem Anbohren oberflächennahen Erdgases zu rechnen, bevor die Ankerrohrfahrt eingebaut werden kann, ist der Bohrlochkopf mit einer Einrichtung zu versehen, mit der das Bohrloch geschlossen und gleichzeitig gefahrlos entlastet werden kann. 5. Zum Verschließen des eingebauten Bohrstranges muss die Mitnehmerstange an beiden Enden mit einem Absperrhahn versehen sein. Zum Verschließen des von der Mitnehmerstange gelösten Bohrstranges muss auf der Arbeitsbühne eine geeignete Absperreinrichtung griffbereit sein. 6. Die Absperreinrichtungen müssen von der Arbeitsbühne des Gerüstes sowie von einem in sicherer Entfernung vom Bohrloch befindlichen weiteren Bedienungsstand außerhalb des Gerüstes betätigt werden können. 7. Die Absperreinrichtungen sind nach dem erstmaligen Aufbau, nach jedem Umbau, nach jeder Instandsetzung und nach jedem Backenwechsel einer Druckprobe und einer Prüfung auf Funktionssicherheit zu unterziehen. Der Prüfdruck muss wenigstens dem höchsten am Bohrlochkopf zu erwartenden Druck entsprechen. Annularpreventer dürfen mit einem um 30% niedrigeren Druck geprüft werden. Beim Aufwältigen von Förderbohrungen kann die Druckprobe nach Satz 1 entfallen, wenn sie technisch nicht möglich ist oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand durchgeführt werden könnte. 8. Die Absperreinrichtungen sind unbeschadet der in Absatz 7 vorgeschriebenen Prüfungen in den vom Unternehmer festzusetzenden Fristen regelmäßig weiteren Funktionsprüfungen und weiteren Druckproben zu unterziehen. Anmerkung: Unter dem in § 112 (3) genannten Kopfdruck ist der Ringraumeinschließdruck während einer Kicksituation zu verstehen, der sich errechnet aus dem Formationsporen- oder Lagerstättendruck minus dem hydrostatischen Druck des zugeflossenen Mediums, das bis zutage ansteht. Das ist der schlimmste, zu erwartende Fall (worst case). Dabei ergibt eine Gasbohrung wegen der geringeren Dichte des Gases und dadurch bedingt dem niedrigeren hydrostatischen Druck immer höhere Kopfdrücke als eine Bohrung auf eine Öllagerstätte. §113 der BVOT regelt alle Fragen im Zusammenhang mit den Totpump- und Druckentlastungseinrichtungen. Hier heißt es u.a.:
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
1. Beim Niederbringen der (in § 111 Abs. 1 und 7 genannten) Bohrungen muss der Bohrlochkopf mit absperrbaren Anschlüssen versehen sein, durch die Gase oder Flüssigkeiten aus der Bohrung abgelassen und in die Bohrung eingepumpt werden können. Der Anschluss zum Einpumpen muss so beschaffen sein, dass die Spülungspumpen und andere Hochdruckpumpen schnell und gefahrlos angeschlossen werden können. 2. In sicherer Entfernung vom Bohrloch muss an gut zugänglicher Stelle eine mit dem Bohrlochkopf verbundene Druckentlastungseinrichtung vorhanden sein, mit der Gase und Flüssigkeiten aus dem Bohrloch gefahrlos abgeleitet werden können. Die Druckentlastungseinrichtung muss mit mindestens zwei regelbaren Düsen ausgerüstet sein, die sich während des Betriebes einzeln auswechseln lassen. Die Druckentlastungseinrichtung und die Anschlussleitung sind so auszulegen, dass sie dem höchsten am Bohrlochkopf zu erwartenden Druck standhalten. 3. Die Druckentlastungseinrichtung ihre Anschlussleitungen und die Totpumpleitungen sind nach dem Aufbau einer Druckprobe mit dem 1,3-fachendes höchsten zu erwartenden Betriebsdruckes und einer Prüfung auf Funktionssicherheit zu unterziehen. 4. Für das Aufwältigen von Bohrungen, bei denen die Gefahr eines Ausbruchs nicht auszuschließen ist, gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend. Für den internationalen Bereich gilt die API RECOMMENDED PRACTICE 53 (RP53) mit dem Titel „Recommended Practice for Blowout Prevention Equipment Systems for Drilling Wells“, die jedoch nicht im Widerspruch zur BVOT steht. Hier werden Empfehlungen ausgesprochen für verschiedene Anordnungen von Preventerstacks sowie die Auslegung von Choke- und Kill-Line-Systemen für unterschiedliche Druckstufen oder die Installation und Funktion von Divertersystemen. Auch werden Fragen des Testens von Absperreinrichtungen, Totpump- und Druckentlastungseinrichtungen analog zu § 113 BVOT behandelt. Die API RP 53 findet überall dort Anwendung, wo die Gültigkeit der BVOT nicht mehr gegeben ist, also außerhalb Deutschlands.
3 Bohrlochverflanschungen Wie bereits in Kap. 1 erwähnt wurde, müssen die Bohrlochabsperreinrichtungen, kurz Preventerstack genannt, mit der jeweiligen Rohrtour so verbunden werden, dass sie dann, wenn sich bei geschlossenem Preventer in der Bohrung ein Druck aufbaut, abdichten und den mechanischen Druck- bzw. Zugbelastungen standhalten. Anderseits ist jedoch eine dauerhafte Verbindung nicht möglich, weil der Preventerstack jeweils nach Erreichen der Absetzteufe der nächsten Rohrtour entfernt und nach dem Einbauen und der Zementation dieser Rohrtour wieder mit der neuen Rohrtour verbunden werden muss. Das bedeutet, dass eine lösbare und trotzdem den o. g. Anforderungen genügende Verbindung geschaffen werden muss. Das wird durch ein Casinghanger und -abdichtsystem erreicht, wobei die Rohrtouren jeweils in der vorhergehenden, erstmalig in der Ankerrohrtour, mittels eines Keilsystems abgehängt und mittels entsprechender Dichtelemente abgedichtet werden. Da die Ankerrohrtour die erste Rohrfahrt ist, auf der eine Preventeranlage montiert wird, muss hier zunächst ein sog. Bodenflansch befestigt werden. Dieser kann nach Einbau und Zementation der Ankerrohrtour mit dem obersten Rohr verschraubt oder an dieses Rohr angeschweißt werden.
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3 Bohrlochverflanschungen
Eine dritte Möglichkeit besteht darin, diesen Flansch schon vorher an das Rohr an zuarbeiten (Integralflansch). Abb. J-1 zeigt die drei verschiedenen Flanschtypen. Die gängigste Art der Befestigung ist das Verschrauben mittels Big Omega Gewinde.
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Abb. J-1: Flanschausführungen [bkh]
Abb. J-2: Futterrohrabhängung mit Keilen und Dichtungen im Bodenflansch [bkh]
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
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Das Innere des Bodenflansches (Abb. J-2) ist so ausgebildet, dass sich im oberen Teil eine zylindrische Ausdrehung befindet, in die die Dichtungen eingelegt werden. Darunter ist ein konischer Teil für die Keile zum Abhängen der Rohre. Dieser Konus hat eine Steigung von 45° (früher auch 6° und 8°), was ein besseres Freiziehen der abgehängten Rohrtour ermöglicht, falls das erforderlich werden sollte. Dabei werden die Keile nach dem Befestigen spezieller Schellen und Schrauben direkt an den Keilen gezogen. Wichtig bei den 45° Schultern ist, dass die Rohrtour beim Setzen der Keile absolut mittig hängt, da ansonsten zu starke einseitige Belastungen auftreten. Die Keile selbst haben gehärtete Messer, die beim Absenken der Rohrtour auf dem Konus nach unten gleiten und sich dann verkeilen. Diese Keile sind je nach den erwarteten Belastungen unterschiedlich ausgebildet. Zahlen beziehen sich auf Abb. J-2. 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Doppelflansch Bodenflansch Bolzen mit Muttern Dichtring Testbohrung Rückschlagventil Gewindestopfen Casing, abgehängt Dichtfläche
10 11 12 13 14 15 16 17
Innenkonus Meißelführungen (RX Bit Pilot) Nachdichtung Gewindestopfen Injektionsbohrung Verpressschraube Rückschlagventil Abfangkeil mit aktivierbarer Dichtung und Innensechskantschrauben
Oberhalb der Keile befindet sich im konischen Teil des Flansches die Abdichtung. Diese Dichtung kann automatisch beim Setzen der Keile aktiviert werden, wobei dann allerdings keine Kontrolle über die Abdichtfunktion besteht. Verbreiteter ist daher die separat zu aktivierende Dichtung. Als Dichtungen werden Elastomerringe eingesetzt. Diese Dichtung wird mittels Inbus-Schrauben, die senkrecht in dem Dichtungsring angeordnet sind und in eine Gewindebohrung in den Keilen eingeführt werden, aktiviert, indem der Dichtring auf die Keilsegmente gepresst wird. Dabei wird die Elastomermasse nach außen und innen gepresst und der Kontakt zum Rohr und zum Flansch verstärkt. Rohrtour angepasste werden kann (X steht für unbekannt). Diese Dichtungen dichten nach innen zum Rohr hin ab. Nach außen zum Flansch hin befinden sich austauschbare Sprengringe, die das Dichtelement im Flanschgehäuse befestigen. Um sicher zu gehen, dass die Abdichtung auch bei Hochdruck funktioniert, ist noch eine sekundäre Abdichtung vorgesehen, das sog. P-Seal (P steht für pressure). Dabei wird durch eine horizontale, durch die X-Bushing hindurch führende 1.1/2“ Bohrung(14), eine Plastikmasse mittels eines speziellen Druckgerätes (Hydraulic Gun) durch ein Rückschlagventil (16) hindurch zwischen Rohr und X-Bushing gepresst. Das Rückschlagventil ist auf 150 – 180 bar eingestellt. Die Bohrung wird anschließend mit einer Schraube (15) verschlossen. Die Dichtmassen werden nach den erwarteten Temperaturen unterteilt (nach CAMERON: grün bis 150°C, rot für höhere Temperaturen, weiß für Temperaturen bis -40°C). Die Ausbildung des Bodenflansches mit Keilen und Dichtungen geht aus Abb. J-2 hervor. Bei Hochdruck-Gasbohrungen wird vielfach statt der X-Bushing-Dichtung eine Doppel-PDichtung eingebracht, da X-Bushings nur bis zu Drücken von 5000 psi (ca. 350 bar) ausgelegt sind. Die Anordnung des Doppel-P-Seals ist aus Abb. J-3 zu entnehmen. Doppel-P-Seals haben sich auch bei Bohrungen mit sehr großen Durchmessern (z. B. Kavernenbohrungen) bewährt. Diese Dichtungen sind allerdings im Durchmesser nicht variierbar, sondern müssen den
J
600
3 Bohrlochverflanschungen
Double Integral P Seal
Abb. J-3: Doppel-P-Seal Anordnung [bkh]
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jeweiligen Durchmessern exakt angepasst werden. Vorteil der Doppel-P-Seals ist, dass sie zwei aktivier-bare Nachdichtungen haben, zwischen denen sich eine Testbohrung befindet, so dass jederzeit festgestellt werden kann, ob eine Undichtigkeit von oben oder von unten kommt. Das ist bei den X-Bushings nicht möglich. Der Bodenflansch wird so platziert, dass er sich kurz oberhalb der Kellerschachtsohle befindet, so dass das Aufsetzen und Verbolzen eines weiteren Flansches (Gegenflansch) möglich ist. Die meisten Flansche werden mittels Schraubenbolzen miteinander verbunden, die durch entsprechende Bohrungen beider Flansche gehen und Muttern auf beiden Bolzenenden haben. Gebräuchlich sind aber auch Flansche mit Stehbolzen auf einer Flanschseite oder Flansche, die so ausgebildet sind, dass sie mittels Klemmschellen miteinander verbunden werden können. Letztere werden bevorzugt im Offshorebereich eingesetzt, da diese Verbindungen sehr schnell herzustellen sind (Abb. J-4). Flansche und Bolzen für Bohrlochköpfe sind nach API SPEC 16A genormt. Auf diesen Bodenflansch wird dann zum ersten Mal der Preventerstack montiert. Ist die Absetzteufe der nächsten Rohrfahrt erreicht, so wird der Preventerstack demontiert und die nächste Rohrtour eingebaut und zementiert. Nach einer bestimmten Zeit der Zementerhärtung wird diese dann in Keilen im Bodenflansch, bei folgenden Rohrtouren in dem DoppelReduzierflansch der vorhergehenden Rohrtour, abgehängt. Aus diesem Grund sind die Flansche so ausgebildet, dass sie an der Innenseite eine konische Schulter haben.
Abb. J-4: Flanschausführungen [bkh]
Die Abdichtung der Flansche gegeneinander erfolgt mittels Weicheisenringen. Gebräuchlich sind bzw. waren folgende Ringe:
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
601
R-Ringe Ringe mit symmetrischen Oval- oder Achteckprofil. Diese Ringe schaffen sich durch Verformung selbst eine Dichtfläche in der entsprechenden Nut. Sie dichten bis zu 5000 psi (ca. 350 bar) ab, werden aber heute nicht mehr eingesetzt (Abb. J-5). RX-Ringe Asymmetrische Achteckform mit ausgebildeten Dichtflächen, mit denen der Ring gegen die Nut gepresst wird, wenn er von innen mit Druck beaufschlagt wird (Abb. J-5).
Abb. J-5: R und RX Weicheisenringe und 6B Ringnut [bkh]
R- und RX-Ringe werden in sog. 6B Nuten eingelegt, wobei die beiden miteinander verschraubten Flansche nach der Verschraubung einen Ringspalt gem. Abb. J-6 bilden. Die gesamte Kraftübertragung erfolgt somit von Flansch zu Flansch über den entsprechenden Ring, was zur genannten Verformung und damit Abdichtung führt. Da die 6B Ringnut für beide Ringtypen gilt, sind R- und RX-Ringe untereinander austauschbar. BX-Ringe Achteckige, selbstdichtende Form, in der Regel mit vertikaler Bohrung zum Druckausgleich innerhalb der Nut. BX-Ringe werden in 6BX Ringnuten und Flansche eingesetzt, wobei die Besonderheit dieser Flansche darin besteht, dass sie mittels entsprechend bearbeiteter Oberfläche aufeinander liegen und den Ring in sich einschließen. BX-Ringe haben eine gewisse Vorspannung und ziehen sich erst beim Verschrauben der Flansche in der Nut gerade. Das führt dazu, dass der Ring, wenn er drucklos eingelegt ist, nicht genau in die Nut passt und „klappert“. BX-Ringe werden ab Druckstufen von 5000 psi (ca. 350 bar) eingesetzt. Nach API werden Weicheisenringe trocken in die Nut eingelegt, also nicht eingefettet, weil das Fett bei höheren Temperaturen flüssig wird und aus der Nut verdrängt würde. Das könnte zu Undichtigkeiten führen, die unmittelbar nach dem Verschrauben nicht erkannt wurden. Nach CAMERON sollten die Ringe jedoch leicht eingeölt werden, um ein Festfressen der Ringe unter Druck und damit entsprechender Korrosion vorzubeugen. Zwischen den Flanschen befindet sich noch eine Testbohrung (Pos. 5 in Abb. J-2), die, wenn sie nicht zu Testzwecken benutzt wird, mittels eines Gewindestopfens verschlossen ist. Mittels dieser Bohrung kann getestet werden, ob eine der Dichtungen in den beiden Flanschen undicht ist. Es kann aber auch ein Testdruck (max. 50% der kritischen Außendruckfestigkeit der Rohre) aufgebracht werden. Um die obere Dichtung und die Oberkante der Rohre insbesondere beim Einbau von Bohrwerkzeug und Bohrstrang zu schützen, wird oberhalb der oberen Dichtung ein Meißelführungsring (Bit Pilot, Pos. 11 in Abb. J-2) eingebaut. Dieser Ring hat einen Durchgang, der etwas unter dem Innendurchmesser der Rohrtour liegt.
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3 Bohrlochverflanschungen
Zum Schutze der inneren Dichtflächen und des Konus für die Casingabhängung der nächsten Rohrtour wird für die Phase des Abteufens des nächsten Bohrlochabschnittes in den Doppelflansch eine Verschleißbüchse eingebaut. Diese wird durch in einem Zwischenflansch befindliche Halteschrauben in Position gehalten. Verschleißbüchsen können nachträglich eingebaut und wieder gezogen werden (Abb. J-8), um zu testen, ob die Dichtungen diesem Druck standhalten.
Abb. J-6: 6B Flanschverbindung (links) – Weicheisenring BX Type (rechts) [bkh]
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Abb.J-7: 6 BX Flanschverbindung [bkh]
Abb. J-8: Verschleißbüchse im Doppelflansch [bkh]
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
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Die Druckstufen der Seitenauslassöffnungen der Doppel- oder Reduzierflansche sind immer auf die Druckstufe des oberen Teils des Flansches abgestimmt. Dabei handelt es sich in der Regel um den höheren Druck, da dieser Flanschteil für den tieferen Bohrlochabschnitt ausgelegt sein muss.
4 Bohrloch-Absperreinrichtungen 4.1 Allgemeines Unter den Bohrloch-Absperreinrichtungen werden im Wesentlichen die Blowout-Preventer (BOPs) verstanden. Hierbei handelt es sich um Einrichtungen, die das Einschließen einer unter Druck stehenden Bohrung ermöglichen. Dabei muss ein Einschließen möglich sein, wenn sich kein Bohrstrang im Bohrloch befindet (Totalabschluss), aber auch dann, wenn sich Elemente des Stranges wie Bohrstangen, Tooljoints oder Schwerstangen im Bereich der Preventer befinden. Außerdem müssen zwei voneinander unabhängige und nach einem unterschiedlichen Prinzip arbeitende Absperreinrichtungen gem. § 112 (3) BVOT 2) eingebaut sein. Aus dieser Forderung, die nicht nur Grundlage der BVOT sondern weltweit gültige Forderung ist, ist abzuleiten, dass es Preventer geben muss, die nach unterschiedlichen Prinzipien arbeiten, und die in allen geschilderten Situationen einen Bohrlochabschluss gewährleisten. So entstanden Preventer, die den Bohrlochabschluss mittels Backen bewirken, und die Universalpreventer, die mit einer ringförmigen Verschlussmanschette ausgerüstet sind. Bei den Backenpreventern (ram type preventer) gibt es Backen für den Abschluss verschiedener Ringräume, die sich zwischen Verrohrung und Bohrstrangelementen bilden, sowie Backen, die den vollen Bohrlochquerschnitt abschließen für den Fall, dass sich kein Strang im Bohrloch befindet. Die Universal- oder Ring- oder Stopfbuchsenpreventer (annular preventer) sind mit einer ringförmigen Manschette ausgestattet, die sich jedem Strangelement (Mitnehmerstange, Tooljoint, Bohrgestänge, Schwerstangen unterschiedlicher Durchmesser) anpasst, und somit jeden beliebigen Ringraumquerschnitt (geometrischen Querschnitt) ebenso einschließen. Da die Manschetten soweit zusammengepresst werden können, dass sie im Zentrum aufeinander treffen und dabei gegeneinander gepresst werden, kann mittels dieser Preventer auch ein Totalabschluss bewirkt werden, was zu dem Namen Universalpreventer führte. Wie aus der vorstehenden Beschreibung der verschiedenen Preventertypen ersichtlich wird, erfüllt nur der Ringpreventer alle Anforderungen gleichzeitig, so dass dieser Preventer nur als einziges Exemplar auf normalen Bohrungen installiert zu werden braucht. Backenpreventer können je nachdem mit welchen Backen sie bestückt sind, nur einen Ringraumabschluss oder einen Totalabschluss bewirken, so dass in einer Preventeranlage neben dem Ringpreventer mindestens zwei Backenpreventer vorhanden sein müssen, um die gestellten Anforderungen zu erfüllen. Da die Backen relativ schnell gewechselt werden können, brauchen Gestängebacken nicht für jedes Strangelement unterschiedlichen Durchmessers installiert zu sein. Vielmehr ist es möglich, die Backen immer dann zu wechseln, wenn ein Strangelement eines anderen Durchmessers aus- oder eingebaut wird.
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4 Bohrloch-Absperreinrichtungen
Tafel 1-J: API-Klassifikation der Arbeitsdrücke für Preventer API – Klassifikation 0.5 M 2M 3M 5M 10 M 15 M 20 M
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Arbeitsdrücke J3SI 500 2 000 3 000 5 000 10 000 15 000 20 000
~ bar 35 140 210 350 700 1 050 1 400
Trotzdem ist es empfehlenswert, mehr als zwei Backenpreventer im sog. Preventerstack installiert zu haben, um eine größere Flexibilität zu haben. Daneben gibt es dann noch die Gestängeoder Innenpreventer, die z. B. beim Roundtrip im Falle eines Kicks auf den Strang aufgesetzt werden, um den Strang abzuschließen. Gemäß § 112 (2) BVOT müssen die Preventer so ausgelegt sein, dass sie den höchsten zu erwartenden Kopfdrücken genügen. Aus dieser, auch international gültigen Forderung ergab sich schließlich eine API Klassifikation für Preventer, die für die entsprechenden Arbeitsdrücke (Testdrücke liegen höher!) wie aus der vorstehenden Tabelle zu entnehmen ist, ausgelegt sind. Die jeweiligen Flanschgrößen und minimalen, vertikalen Bohrungen können der API RP 53, Section 8-A entnommen werden.
Abb. J-9: CAMERON QRC Preventer [CAMERON]
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
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4.2 Backenpreventer 4.2.1 Allgemeines Ein erster Backenpreventer wurde 1882 unter der Bezeichnung Blowout Preventer entwickelt und auf den Markt gebracht. Die frühen Backenpreventer wurden handbetätigt, d. h. dass die Backen mittels Spindeln über die Bohrung bzw. in die Ruheposition gedreht wurden. Erst 1945kamen die ersten hydraulisch betätigten Backenpreventer auf den Markt. Hierzu zählt z. B. der CAMERON QRC Preventer (Abb. J-9). Eine weitere frühe CAMERON Konstruktion ist der F Preventer, bei dem die ovalen Backen durch Hebelarme geschlossen bzw. geöffnet werden (Abb. J-10). Das Bewegen der Hebel kann dabei von Hand, hydraulisch oder pneumatisch erfolgen, wobei der Hydraulikzylinder außerhalb des Preventerkörpers angebracht ist.
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Abb. J-10: CAMERON F Preventer [CAMERON]
Weitere frühe Konstruktionen sind die SHAFFER B und E Preventer, die als Einzel- oder Doppelpreventer gebaut wurden und Flachbacken besaßen. Alle diese Preventertypen waren richtungsweisend für die modernen Preventerkonstruktionen und befinden sich noch heute teilweise im Einsatz. Grundsätzlich können Backenpreventer als Einzelpreventer Doppelpreventer oder Dreifachpreventer hergestellt werden. Bei Einzelpreventern befindet sich nur ein Backenpaar in einem Preventerkörpers, der wiederum mit Flanschen an der Ober- und Unterseite versehen ist, sodass er mit anderen Preventern oder Zwischenstücken (Spools) oder Übergängen verbunden werden kann. Bei Doppelpreventern sind zwei Backenpaare in einem Gehäuse. Bestückt werden Doppelpreventer in der Regel mit einem Satz Gestänge- und einem Satz Blindbacken oder Blind-ScherBacken. Der Vorteil dieser sehr verbreiteten Konstruktion ist, dass man Bauhöhe spart, da die Verflanschung zwischen den Preventern entfällt. Um einen Zwischenraum zwischen den beiden Backenkammern z. B. zum Einstrippen von Bohrgestänge zu haben, sind einige Doppelpreventer mit einem Zwischenstück oder Spacer zwischen den beiden Backenkammern ausgestattet. Dadurch entfällt jedoch der Vorteil der geringeren Bauhöhe. Außerdem kann derselbe Effekt mittels zweier Einzelpreventer erzielt werden.
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4 Bohrloch-Absperreinrichtungen
Dreifachpreventer sind relativ selten zu finden, da sie zum einen sehr unhandlich und schwer sind, zum andern der Vorteil einer dreifachen Backenanordnung in einem Gehäuse nicht unbedingt gegeben ist.
4.2.2 Aufbau und Funktion der Backenpreventer Backenpreventer werden hergestellt von den Firmen CAMERON, NL SHAFFER und HYDRIL, wobei jeder Hersteller bei seinen Fabrikaten einige Besonderheiten hat, die ihn von den Mitbewerbern unterscheiden.
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Abb. J-11: CAMERON U Preventer [CAMERON]
Der Standard-Preventer von CAMERON ist der Backenpreventer vom Typ U, der für einen großen Nenngrößen- und Druckstufenbereich ausgelegt ist. U steht ursprünglich für „Unterwasser“, da der Preventer speziell für Subsea (Unterwasser) Operationen entwickelt wurde (Abb. J-11). In den Seitenkörpern bewegt sich in einer zylindrischen Kammer ein scheibenförmiger Kolben, der von einer durchgehenden Kolbenstange geführt wird. Auf dieser Kolbenstange befindet sich auf der Bohrlochseite die Backe, die auf die Kolbenstange aufgesetzt wird. Seitlich des Arbeitszylinders befinden jeweils zwei kleinere Zylinder mit hohlen Kolbenstangen und Kolben an ihren Enden, die ebenfalls mit der Hydraulikflüssigkeit beaufschlagt werden, die im Arbeitszylinder wirkt. Werden nun die Bolzen, mit denen die Seitenteile des Preventerkörpers, die Bonnets, mit dem Hauptpreventerkörper verbunden sind, gelöst, und wird der Preventer mittels der Schließanlage auf „Schließen“ gestellt, so presst die Hydraulikflüssigkeit gegen den Zylinder im Bonnet und schiebt dieses auf den Kolbenstangen nach außen, da der Widerstand des Bonnets zum Aktivieren des Arbeitskolbens fehlt. Auf diese Weise ist es möglich, das Bonnet ohne Hilfsmittel zu entfernen und damit die Backe zum Backenwechsel freizulegen.
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
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Abb. J-12: Hydrauliksystem zum Öffnen und Schließen von CAMERON U Preventern [CAMRON]
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Abb. J-13: Blowout Preventer [CAMERON]
Beim Schließen des Bonnets wird der umgekehrte Weg beschritten, indem der Preventer an der Schließanlage auf „Öffnen“ gestellt wird, wobei sich das Bonnet wieder an den Preventerkörper heranzieht. Nun können die Bolzen wieder befestigt werden und der Preventer ist wieder einsatzfähig. Der Öffnungsmechanismus für die Bonnets ist schematisch in Abb. J-12 dargestellt. Eine Weiterentwicklung des U Preventers ist der U II Preventer von CAMERON. Auch dieser Preventer verfügt über das hydraulische Öffnungs- und Schließsystem für die Bonnets. Der wesentliche Unterschied gegenüber dem U Preventer besteht darin, dass die Breite es Preventers um etwa 30% geringer ist weil kürzere Kolbenstangen verwendet werden. Auch HYDRIL bietet Backenpreventer an. Bei diesen Preventern handelt es sich um sog. Torpreventer, wobei ein Auswechseln der Backen dadurch ermöglicht wird, dass die äußeren Drittel des Preventerkörpers mittels Scharnieren zur Seite geklappt werden können. Das hydraulische Öffnungs- und Schließsystem ist bei diesen Preventern vollständig im Gehäuse integriert. Sehr viele Backenpreventer, die weltweit im Einsatz sind, werden von der Firma NL SHAFFER hergestellt. Auch SHAFFER baut die sog. Torpreventer, wobei ein Teil des Gehäuses, in dem sich Arbeitszylinder und Kolben befinden, mitsamt der Hydrauliksteuerleitungen zum Backenwechsel zur Seite geklappt werden (Abb. J-15 und J-16).
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4 Bohrloch-Absperreinrichtungen Scharnier mit Leitungsdurchführung
Hydraulikanschluss
Abb. J-15: NL-SHAFFER Einfach-Backenpreventer Type SL [Schaffer]
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Abb. J-16: NL SHAFFER Doppel-Backenpreventer Type SL [Schaffer]
Bei fast allen Backenpreventern befindet sich in dem Zwischenflansch im oberen Teil eine Öffnung für die Aktivierung einer im Inneren angebrachten sog. „schlafenden“ Dichtung. Diese Dichtung dichtet den Teil des Preventerkörpers zwischen Arbeitskolben und Bohrloch zusätzlich ab, wenn sie von außen durch Einpressen einer Plastikmasse mit Druck beaufschlagt wird. Notwendig wird diese Maßnahme immer dann, wenn durch eine Bohrung im unteren Teil des Zwischenflansches (der Aktivierungsbohrung gegenüberliegend) Hydraulikflüssigkeit oder Bohrlochflüssigkeit austritt. Diese Testbohrung wird in der Regel als Weep Hole bezeichnet (Abb. I-17). Tritt Hydraulikflüssigkeit aus, so ist die Dichtung zum Arbeitskolben hin undicht, ansonsten die Dichtung zur Bohrlochseite. Ist die schlafenden Dichtung aktiviert worden, sollte sie bei nächster Gelegenheit ausgewechselt werden, wenn die Hauptdichtung erneuert wurde.
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
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J Abb. J-17: Kolbenstangen-Nachdichtung und Weep Hole (Beispiel SHAFFER LWS Backenpreventer) [Schaffer]
Alle Preventerhersteller geben für ihre Backenpreventer auch die wesentlichen Operationsdaten an. Hierzu zählen das benötigte Volumen an Hydraulikflüssigkeit zum Schließen und Öffnen eines Backensatzes, die Anzahl der Umdrehungen der Arretierspindeln zum manuellen Arretieren der geschlossenen Preventerbacken bzw. das benötigte Volumen an Hydraulikflüssigkeit zum Schließen oder Öffnender hydraulischen Verriegelung, das Schließ- und das Öffnungsverhältnis. Das benötigte Volumen an Hydraulikflüssigkeit liegt je nach Bauart und Größe des Preventers zwischen wenigen Litern und über 100 Litern. So benötigt beispielsweise der CAMERON U II Backenpreventer mit 18.3/4“ Durchgang und 15 000 psi Arbeitsdruck zum Schließen eines Backensatzes 34,7 Gallons (131 I) und zum Öffnen 32,2 Gallons (122 I). Diese Angaben sind wichtig, um die erforderliche Kapazität der Schließanlage (vgl. Kap. 5.2) zu berechnen und diese entsprechend auszulegen Die Anzahl der Umdrehungen der Arretierspindel bei manueller Arretierung der Backen ist ein Indiz dafür, dass die Backen ordnungsgemäß geschlossen sind. Das Volumen an Flüssigkeit zum Schließen bzw. Öffnen der hydraulischen Verriegelung geht wiederum in die Auslegung der Schließanlage ein. Für einen CAMERON U II 18.¾“ 15000 psi Backenpreventer mit WEDGELOK Verriegelungssystem werden z. B. 0,66 Gallons (2,5 l) zum Verriegeln und 5.5 Gallons (21 l) zum Entriegeln benötigt. Unter dem Schließ- bzw. Öffnungsverhältnis ist das Flächenverhältnis der dem Schließ- oder Öffnungsdruck ausgesetzten Kolbenfläche zu den dem Bohrlochdruck ausgesetzen Backenflä-
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4 Bohrloch-Absperreinrichtungen
chen zu verstehen. Wird z. B. ein Schließverhältnis von 7:1 angegeben so bedeutet das, dass bei einem Bohrlochdruck von 700 bar ein Schließdruck von 100 bar ausreicht, um die Backen zu Schließen. Auch dieses Verhältnis hängt von Größe und Druckstufe sowie der Bauart der Preventer ab. Der CAMERON U II 18.3/4“ 15 000 psi Backenpreventer hat beispielsweise ein Schließverhältnis von 9,3:1 und ein Öffnungsverhältnis von 3,5:1 [4]. Die übrigen Preventer haben im Mittel ein Schließverhältnis von etwa 7:1 und ein Öffnungsverhältnis von etwa 3:1, unabhängig von Größe, Druckstufe und Fabrikat.
4.2.3 Preventerbacken
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Die Preventerbacken sind die eigentlichen Dichtelemente der Backenpreventer. Sie müssen einen Total- oder einen Gestängeanschluss gewährleisten und zudem in geschlossenem Zustand gegen das Gehäuse des Preventers abschließen, um ein Bypassing zu verhindern. Vor allem im Offshore-Bohrbetrieb ist es manchmal nötig, den Strang zu durchtrennen, um im Notfall den schwimmenden Bohrgeräteträger von der Lokation zu entfernen, z. B. wenn die Witterungsverhältnisse das erforderlich machen und nicht genügend Zeit verbleibt, um den Strang auszubauen oder anderweitig zu trennen. Für solche Fälle wurden Scherbacken (shear rams) entwickelt, die heutzutage in Kombination mit Blindbacken auch bei OnshoreBohrungen bereits standardmäßig eingesetzt werden. Die Backenformen unterlagen ebenso wie die Preventer selbst einer gewissen Entwicklung, sind aber auch fabrikatabhängig. Begonnen wurde mit den runden Backen, wie sie im CAMERON QRC Preventer beispielsweise eingesetzt wurden. Die flache Form findet sich u.a. bei HYDRIL und SHAFFER, während CAMERON die ovale Form bevorzugt. Auf diese Formen wird bei der Besprechung der Backentypen nachstehen noch eingegangen. Entsprechend ihrer Aufgabe besteht jede Backe aus einem Stahlkörper mit einem Frontpacker als Abdichtung zur Gegenbacke bzw. zum eingeschlossenen Rohr, und einem Kopfpacker, der die obere Abdichtung zum Preventergehäuse bewirkt. Beispielhaft sind die einzelnen Packer in Abb. J-18 an einer CAMERON Gestängebacke dargestellt.
Abb. J-18: CAMERON Gestängebacke mit Dichtungen [CAMERON]
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
Im Einzelnen werden folgende Backentypen eingesetzt: Gestänge- oder Rohrbacken Gestänge- oder Rohrbacken sind so ausgebildet, dass sie in geschlossenem Zustand im Zentrum eine kreisrunde Öffnung bilden, deren Durchmesser dem Durchmesser des einzuschließenden Gestänges oder Rohres entspricht. Die Öffnungen haben Durchmesser zwischen etwa 1“ und etwa 16“ und sind für alle gängigen Tubing-, Bohrgestänge- und Schwerstangendurchmesser erhältlich, ebenso für verschiedene, gängige Casingdurchmesser, fall es erforderlich wird, Rohre durch einen Preventer in eine Bohrung einzubauen. Allerdings hängt der Durchmesser des einzuschließenden Rohres vom Durchgang (Nenngröße) des Preventers ab, so dass jeder Preventer einer bestimmten Nenngröße auch nur für bestimmte Gestänge- und Rohrdurchmesser eingesetzt werden kann. Die Packer bestehen aus temperatur-, öl- und schwefelwasserstoffresistentem Gummimaterial, das mehrfach zum Einschließen von Bohrungen verwendet werden kann. Gestängebacken sind so konstruiert, dass sich das einzuschließende Gestänge selbst unter Last selbstständig zentriert, wenn die Backen geschlossen werden. Diese Zentrierung ist erforderlich, da die meisten Bohrstränge nicht absolut zentrisch im Bohrloch hängen. Würde der Preventer ohne Zentriervorrichtung an den Backen geschlossen werden, so würde die Stange sich möglicherweise außerhalb der halbkreisförmigen Ausnehmung in der Backe befinden und ein Schließen des Preventers wäre damit nicht möglich. Die Zentriereinrichtung (Abb. J-20) besteht aus jeweils einer keilförmigen Nase an beiden Seiten einer jeden Backe, die in eine entsprechende Nut der Gegenbacke eingreift. Dabei sind die Nasen jeweils versetzt an der Oberund Unterseite der Backen angebracht, wie aus Abb. J-20 und Abb. J-19 zu entnehmen ist. Ein nicht zentrisch stehender Strang wird beim Schließen der Backen nun durch die keilförmigen Nasen in das Zentrum gedrückt, so dass die beiden Backen sich exakt um den Rohrquerschnitt schließen können.
Abb. J-19: Gestängezentrierung bei Gestängebacken [CAMERON]
Eine weitere Besonderheit ist bei einer ganzen Reihe von Gestängebacken, dass das Gummi der Frontpacker nachfließen kann (vgl. Abb. I-21). Würde nur ein bestimmtes Gummivolumen des Packes aus den Backenkörper herausragen, so würde dieses sehr schnell verschleißen und es würden schließlich die metallenen Backenkörper beim Schließen der Backen aufeinander treffen. Eine Abdichtung wäre dann nicht mehr gegeben. Dadurch, dass das Gummi des Frontpackers zwischen zwei Stahlplatten gelagert ist, die so angeordnet sind, dass sie in die Gum-
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4 Bohrloch-Absperreinrichtungen
mimasse hineingedrückt werden, muss Gummimaterial durch die Mitte zwischen den Platten hindurch zum Bohrungszentrum fließen. Je stärker der Druck ist, mit dem die Extrusionsplatten gegen ein Rohr gepresst werden, desto stärker ist auch der Gegendruck in die Gummimasse, und desto größer ist auch das Gummivolumen, das nun an das Rohr gepresst wird. Dieses Prinzip des „Self-Feeding“ wurde 1935 von CAMERON erstmals eingeführt und ist inzwischen bei vielen anderen Produkten (z. B. HYDRIL) ebenfalls zu finden. Bei CAMRON läuft das Feeding System unter der Bezeichnung CAMRAM. Gestängebacken sollten niemals geschlossen werden, wenn sich kein Gestänge im Bohrloch befindet, weil das zu Beschädigungen führen würde.
J Abb. J-20: Gestängebacken verschiedener Fabrikate [CAMERON]
Blindbacken / Blind-Scherbacken Blindbacken werden benötigt, um einen Totalabschluss der Bohrung zu bewirken, wenn sich kein Gestänge im Bohrloch befindet. Die Backen haben deshalb nicht die halbkreisförmige Gestängeaussparung, wie die Gestängebacken, sondern gerade Flächen, mit denen sie zusammenstoßen, wenn sie geschlossen werden. Auch sie sind mit Front- und Kopfpackern versehen, um im geschlossenen Zustand sowohl gegeneinander wie auch gegen das Gehäuse abzudichten. Abscherbacken (Shear Rams) wurden, für das Offshore-Bohren entwickelt. Allerdings sind sie heutzutage auch auf Onshore-Bohranlagen sowie im Workoverbetrieb standardmäßig zu finden und werden besonders bei Gestängeausbrüchen betätigt. Moderne Abscherbacken sind so gestaltet, dass sie auch als Blindbacken fungieren, da sie nach dem Schließen, unabhängig davon, ob sie dabei Gestänge geschert haben oder nicht, die Bohrung im Totalabschluss dicht einschließen. Das ist möglich, weil die Backen neben einem Kopf- und einem Seitenpacker zur seitlichen Abdichtung auch einen Frontpacker in einer Backe haben, gegen den das Scherblatt der anderen Backe beim Schließen drückt, wie aus Abb. J-21 hervorgeht. Beim Scheren wird das Rohr so getrennt, dass es nicht zusammengedrückt wird wie ein Rohr, das mit einer Kneifzange getrennt wird. Vielmehr erfolgt das Abtrennen so, dass das Zentrum des Rohres offen bleibt, sodass eine Zirkulation über die Kill-Line durch das abgescherte Rohr möglich ist. Aus diesem Grunde wurden die Scherblätter der beiden Backen unterschiedlich ausgebildet, sodass das Rohrende beim Scheren nicht gequetscht wird, sondern leicht in die eine Backe hinein gebogen wird.
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
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Abb. J-21: Blind-Scherbacke nach [CAMERON]
Beim Scheren von Rohren muss bedacht werden, um welche Rohrdurchmesser, Wandstärken und Gütestufen es sich dabei handelt. In den meisten Fällen wird außerdem der zum Schließen von Backenpreventern übliche Druck von 105 bar (1500 psi) nicht ausreichend sein, um die erforderliche Kraft zum Scheren aufzubringen. In solchen Fällen ist es möglich, über einen Bypass den vollen Speicherdruck der Druckspeicheranlage in Höhe von 210 bar (3000 psi) auf die Kolben aufzubringen oder einen Druckverstärker zu installieren, der einen höheren Schließdruck auf die Backen wirken lässt. Auch ist zu bedenken, dass nur verhältnismäßig schwache Rohrelemente geschert werden sollten, also z. B. Bohrgestängekörper und keine Tooljoints. Auch dürfte das Abscheren von Schwerstangen Schwierigkeiten bereiten, wenngleich diesbezügliche Tests gezeigt haben, dass im Notfall sogar Schwerstangen geschert werden konnten. Sollen Rohre geschert werden, was ohnehin nur im äußersten Notfall wie z. B. bei einem drohenden Sauergas-Ausbruch geschehen dürfte, so muss auch überlegt werden, ob der Strang nach dem Scheren in die Bohrung fallen gelassen oder auf unterhalb der Scherbacken befindlichen Gestängebacken abgefangen werden soll. Obwohl ein Abfangen von Bohrgestänge auf Gestängebacken mit Lasten von bis zu 350 t durchaus möglich ist, geht man heute vielfach dazu über, den Strang nicht mehr abzufangen, sondern fallen zu lassen. Begründet wird das damit, dass ein auf Zugspannung beanspruchter Strang besser zu scheren ist als einer, der bereits auf Gestängebacken abgesetzt wurde. Soll der Strang im Falle des Scherens abgefangen werden, so müssen sich in entsprechender Distanz unter den Scherbacken nochmals Gestängebacken befinden. Der Abstand zwischen Scher- und Gestängebacken, auf denen der Strang abgefangen wird, muss größer als eine Tooljointlänge sein, da der Strang oberhalb des Tooljoints geschert und auf dem Tooljoint abgehängt werden muss. Hierzu ist dann eine entsprechende Anordnung der einzelnen Backenpreventer erforderlich. Soll der Strang nicht abgehängt werden, so können die Scherbacken in den untersten Preventer eingebaut werden. Variable Backen Variable Backen (Abb. J-22) sind solche Backen, die im Backenkörper selbst eine größere Öffnung haben, in die dann ein Gummipacker eingesetzt wird, der sich unterschiedlichen Rohrdurchmessern anpasst. Dazu ist der Gummipacker ähnlich ausgebildet wie die Ringmanschette, wie sie im CAMERON Ringpreventer verwendet wird. Variable Backen gibt es jeweils für bestimmte Einsatzbereiche wie beispielsweise für Rohrdurchmesser von 2.Ǭ“, 3.½“ – 5“oder 3½“ – 7./ǫ“.
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4 Bohrloch-Absperreinrichtungen
Abb. J-22: Variable Backen nach [CAMERON]
Das Abfangen von Gestänge auf variablen Backen ist jedoch nur bedingt und nur für den jeweils größtmöglichen Gestängedurchmesser möglich, weil sich nur dann der Tooljoint auf dem stählernen Backenkörper absetzen kann. Kleinere Tooljoints würden durch den Gummipacker hindurch rutschen.
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4.2.4 Arretieren von Preventerbacken Die Backen von Backenpreventern werden heute ausschließlich mittels hydraulisch beaufschlagter Kolben geschlossen bzw. geöffnet. Nach dem Schließen der Backen sollte sichergestellt sein, dass die Backen auch gegen den Bohrlochdruck geschlossen bleiben. Hierzu bedarf es einer Arretierung der geschlossenen Backen, die im einfachsten Fall mechanisch erfolgt, indem eine Spindel manuell in das Bonnet eingeschraubt wird und den Hydraulikkolben daran hindert, im Zylinder nach außen in die geöffnete Position zu gleiten. Mittels der Arretierspindeln ist es auch möglich, den Preventer im Notfall manuell zu schließen, indem die Spindel in den Körper geschraubt wird, wobei der Hydraulikkolben zur Mitte geschoben wird und die Backe in die Schließposition bringt. Ein Öffnen der Backen ist jedoch nicht möglich, da die Arretierspindel nicht mit dem Hydraulikkolben verbunden ist, sondern nur stumpf gegen den Kolben bzw. die Kolbenstange stößt. Bei Offshore-Bohrungen ist eine manuelle Sicherung der Backen allerdings nicht machbar, weil zu diesem Zweck jeweils Taucher auf den Meeresgrund geschickt werden müssten. Deshalb wurden speziell für Subsea Preventer hydraulisch arbeitende Arretiervorrichtung entwickelt, die heute auch bei Onshore-Bohrungen eingesetzt werden. Bei dieser Entwicklung sind die verschiedenen Hersteller unterschiedliche Wege gegangen.
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
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Abb. J-23: CEMERO WEDGELOG Arretiersystem [CAMERON]
4.3 Ringpreventer 4.3.1 Allgemeines Wie bereits ausgeführt wurde, schreibt die BVOT zwei unabhängig voneinander und nach unterschiedlichen Prinzipien arbeitende Preventersysteme für Tiefbohrungen vor. Das zweite System sind die Ringpreventer (annular preventer), die ihren Namen von der ringförmigen Dichtmanschette haben. Ringpreventer haben den Vorteil, dass sie alle erdenklichen Rohrquerschnitte (rund, oval, mehreckig) ebenso abdichten können wie auch zwei unterschiedliche Querschnitte, die sich zum Zeitpunkt des Einschließens der Bohrung im Bereich des Preventers befinden. Das ist u.a. dann der Fall, wenn sich im Bereich des Dichtelementes ein Stück Bohrgestänge und ein Stück Tooljoint befinden würde. Da eine solche Situation nicht mit Sicherheit auszuschließen ist empfehlen viele Operatoren, dass zum Einschließen einer Bohrung nicht ein Backen- sondern der Ringpreventer benutzt wird, und dass erst dann, wenn überprüft wurde, dass sich im Bereich des vorgesehenen Backenpreventers nur das Gestänge
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4 Bohrloch-Absperreinrichtungen
befindet, das zu den eingebauten Backen passt, dieser geschlossen und der Ringreventer wieder geöffnet werden sollte. Und schließlich ist es möglich, die Ringmanschette soweit zusammen zu drücken, dass Gummi auf Gummi trifft und damit auch ein Totalabschluss herzustellen ist. Der Ringpreventer kann deshalb auch als Universalpreventer bezeichnet werden, weil mit ihm alle Forderungen der BVOT erfüllt werden. Das ist auch der Grund, dass das zweite Preventersystem nur einen Preventer benötigt, während Backenpreventer mindestens zwei Preventer erfordern, einen für den Gestänge- und einen für den Totalabschluss. Aufgrund der verbesserten Qualität der Gummi-Kunststoff-Mischung, die zum Herstellen der Dichtmanschette verwendet wird, ist es heutzutage möglich, einen Ringpreventer durchaus mehrfach auch für den Totalabschluss zu verwenden, ohne dass die Manschette ausgetauscht werden müsste. Allerdings empfiehlt es sich, nach einem Totalabschluss die Manschette auf eine weitere Verwendbarkeit hin zu überprüfen. Zu den Ringpreventern zählen die eigentlichen Preventer mit ringförmiger Manschette, die Diverter, Rotationspreventer und die sog. Stripper.
4.3.2 Aufbau und Funktion der Ringpreventer
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Erste ringförmige Preventer wurden um 1922 entwickelt, ähnelten aber mehr einem Stripper als einem Ringpreventer. Ein erster Ringpreventer für höhere Drücke kam 1928 von HYDRIL auf den Markt und wurde um 1930 mit einer Fernsteuerung versehen. Nach verschiedenen Zwischenstufen kam 1946 ein HYDRIL Ringpreventer heraus, der alle Rohrquerschnitte wie auch einen Totalabschluss bewirkte, und der im Wesentlichen dem späteren HYDRIL GK Ringpreventer entsprach. Durch diese Entwicklung war HYDRIL jahrelang führend in der Produktion von Ringpreventern, so dass auch heute noch Ringpreventer vielfach als „der Hydril“ bezeichnet werden, unabhängig davon, um welches Fabrikat es sich handelt.
Abb. J-24: HYDRIL GK Ringpreventer
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
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Im Prinzip besteht der Ringpreventer aus einem topfförmigen Gehäuse, in dem sich ein Ringkolben aus Stahl befindet, der wiederum eine ringförmige Gummimanschette so bewegt, das diese zur Bohrlochmitte hin bewegt und damit im Bohrloch befindliche Rohrelemente umschließt und abdichtet. Der Weg dahin wird allerdings von den verschiedenen Herstellern auf unterschiedlich Art erreicht, so dass nachstehend auf die wesentlichen Fabrikate und deren Funktionsweise gesondert eingegangen werden soll. HYDRIL-Ringpreventer Die gebräuchlichen HYDRIL Ringpreventer sind die Typen GK (Abb. J-24) und GL (Abb. J24) die GK Type bereits seit nahezu 50 Jahren in fast unveränderter Form im Einsatz ist.
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Abb. J-25: HYDRIL GL Ringpreventer
In dem zylindrischen Gehäuse befindet sich der Ringkolben (Abb. J-25), der an der Außenseite zylindrisch, an der Innenseite konisch ausgebildet ist. Der Ringkolben ist außen durch einen horizontal angeordneten ringförmigen Steg in zwei Abschnitte unterteilt. Dieser Ring befindet sich in der im Gehäuse ausgesparten Hydraulikkammer. Der obere Teil der Kammer wird beim Öffnen des Preventers, der untere Teil beim Schließen mit Hydraulikflüssigkeit beaufschlagt. CAMERON-Ringpreventer CAMERON hat etwas andere Systeme zum Betätigen der Ringmanschette entwickelt, wobei zu unterscheiden ist zwischen dem früheren A-Preventer und der Weiterentwicklung, dem Dreventer. Bei der A Type wird mit acht, radial im Gehäuse angeordneten Scheibenkolben gearbeitet, die ebenfalls radial mit Hydraulikflüssigkeit beaufschlagt werden. Diese Kolben wirken auf die Ringmanschette, die sich zwischen den Scheibenkolben und dem Bohrloch befindet, wobei die Manschette Richtung Bohrloch gepresst wird, da eine Bewegung in vertikaler Richtung durch Deckel (oben) und Gehäuse (unten) nicht möglich ist. CAMERON A-Preventer werden heute nicht mehr hergestellt, sind aber teilweise noch im Einsatz.
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Abb. J-26: CAMERO D-Preventer
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Die Weiterentwicklung ist der CAMERON D-Preventer (Abb. J-26), bei dem das Funktionsprinzip etwas verändert wurde. Beim D-Preventer wird ein ringförmiger, horizontal liegender Scheibenkolben, der nach oben hin mit einem senkrecht stehenden Ring versehen ist, in einer ebenfalls ringförmigen Hydraulikkammer zum Schließen von unten und zum Öffnen von oben mit Hydraulikflüssigkeit beaufschlagt. Der stehende Ring mündet an der Oberseite in einer liegenden, ringförmigen Druckplatte (Pusher Plate), auf die wiederum ein großvolumiges Gummiringelement aufgesetzt wird, der sog. Donut. Der Donut besteht aus nur geringfügig zusammenpressbarem Gummi und passt sich einer ringförmigen Kammer im Gehäuse an, die im unteren Bereich zylindrisch ist, im oberen Bereich jedoch schräg zur Mitte hin verläuft. Wird der Donut nun von unten über Kolben und stehenden Ring sowie Pusher Plate mit Druck beaufschlagt, so kann er nicht nach oben entweichen, wird aber auch nur minimal zusammengepresst, so dass der aufgebrachte Druck nahezu vollständig auf die sich innerhalb des Donuts ringförmige Manschette übertragen wird. Druck nahezu vollständig auf die sich innerhalb des Donuts befindliche ringförmige Manschette übertragen wird. Die Manschette besteht – wie schon bei der A-Type -aus 16 Stahlsegmenten, die in das Manschettengummi einvulkanisiert sind. Die Stahlsegmente bestehen aus einem vertikalen Steg, der oben und unten mit einer flügelförmigen Platte verbunden ist. Diese Platten sind so angeordnet, dass sie sich dann, wenn sie mit radialem Druck beaufschlagt werden, nach dem Prinzip der Fotoblende gegeneinander verschieben, wobei eine Drehung der Segmente bis zu 90° möglich ist. Das Gummielement erhält dadurch eine sehr große innere Spannung und wird nach innen Richtung Bohrloch bewegt. Ringpreventer besitzen im Gegensatz zu Backenpreventern kein Arretiersystem. Allerdings ist es möglich, in die Schließleitung zwischen ¾-Wege-Ventil und Preventer einen Schieber einzubauen, der, wenn er (manuell) geschlossen wird, den Druck auf der Schließkammer des Ringpreventers hält und somit ein Öffnen des Preventers z. B. durch Leckageverluste im Leitungssystem verhindert. Dazu sollte dieser Schieber allerdings möglichst dicht am Preventer montiert sein. Heutzutage werden solche Schieber allerdings kaum noch eingebaut. Einige Hersteller fertigen spezielle Stripping- oder Snubbing-Ringpreventer an, die im wesentlichen mit einer besonders widerstandsfähigen Manschette bestückt sind und keinerlei lose Teile enthalten, die beim Einschleusen von Strängen in das Bohrloch fallen könnten. Ein sol-
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cher Preventer ist der HYDRIL GS mit einer Vertikalbohrung von 4.1/16“ und Druckstufen von 10 000 psi bzw. 15 000 psi. Ringpreventer sind wie Backenpreventer als Einzel- oder als Doppelpreventer erhältlich, wenngleich in den meisten Fällen Einzelpreventer eingesetzt werden.
4.3.3 Diverter Diverter sind ebenfalls Ringpreventer, die in der Regel große Nennweiten haben, da sie auf Standrohrtouren oder großkalibrige Schutzrohrtouren aufgesetzt werden müssen, dafür aber nur verhältnismäßig geringe Arbeitsdrücke aufweisen. Das ist dadurch begründet, dass Diverter ein Bohrloch nicht einschließen, sondern aufsteigendes Gas aus z. B. Shallow Gas Lagerstätten oder aufgeladenen oberflächennahen Formationen von der Arbeitsbühne wegleiten oder ableiten sollen (to divert = umleiten, ableiten). Diverter wurden ursprünglich für den OffshoreEinsatz entwickelt, weil dort verstärkt mit Shallow Gas zu rechnen ist, werden aber inzwischen immer häufiger auch bei Onshore-Bohrungen eingesetzt, da auch hier verstärkt oberflächennahe Gasvorkommen anzutreffen sind. Alle zuvor erwähnten Hersteller von Ringpreventern bieten auch Diverter an. Die Druckstufen der Diverter liegen heutzutage zwischen 500 psi (35 bar) und 5000 psi (350 bar). Die vertikalen Durchgänge gehen bis zu 30“.
4.3.4 Stripper Stripper sind ringförmige Abdichtungselemente, die durch den Bohrlochdruck aktiviert werden, wie Ringpreventer schließen und gegen Strangteile abdichten. Sie werden gewöhnlich nur für das Einschleusen oder Ziehen von Tubings oder Workoversträngen in unter Druck stehende Bohrungen verwendet. Stripper sind auch mit integrierter Abfangvorrichtung für den einoder auszuschleusenden Strang erhältlich, da im Workoverbetrieb das Abfangen von Strängen problematisch wer-den kann. Stripper werden in der Regel auf Ringpreventer montiert.
4.3.5 Rotationspreventer Rotationspreventer sollen das Bohrloch beim Bohren nach oben hin abdichten, dabei aber gleichzeitig eine vertikale Strangbewegung gestatten. Man unterscheidet zwischen Rotating Heads und Rotating Preventern. Rotating Heads (Abb. I-28) werden nach API RP 53 auch als Diverter bezeichnet, da sie das Bohrloch nicht einschließen, sondern den Rückfluss ableiten. Sie haben Arbeitsdruckstufen von 1000 psi (70 bar) und werden bei niedrigen Gas-Öl-Verhältnissen und geringen Gesamtdrücken eingesetzt, vielfach beim Schaum- oder Luftbohren oder beim Underbalanced Drilling. Das Dichtelement ist ein Stripper Gummi(Stripper Rubber), das vom Strangelement (Kelly, DP, DC) zur Seite gedrückt wird und dadurch an der Stange abdichtet. Ein Verschleiß des Gummis führt naturgemäß zu Undichtigkeiten.
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Abb. J-27: HYDRIL RS Tubing Stripper
Rotating Preventer (RBOP) (Abb. J-27) haben einen inneren und einen äußeren Packer, die mit hydraulischen Druck beaufschlagt werden und dabei gegen ein Abdichtelement, das „replaceable quick change packer assembly (QCPA)“, ein schnell unter Bohrlochdruck zu wechselndes Dichtelement, drücken. Dieses QCPA dichtet an den Stangen des Bohrstranges ab. Mechanische Dichtungen halten die Hydraulikflüssigkeit zurück. In der Regel wird der hydraulische Arbeitsdruck, der auf die Dichtungen wirkt, automatisch eingestellt, entsprechend dem Druck im Bohrloch. Arbeitsdrücke, die 200 – 300 psi (14-21 bar) über dem Bohrlochdruck liegen, gelten als völlig ausreichend, um den Strang abzudichten und ihm gleichzeitig die Möglichkeit zu geben, durch den Preventer hindurch zu gleiten. RBOPs können auch bei schwefelwasserstoffhaltigen Ölen oder Gasen eingesetzt werden.
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Abb.J-28: Rotationspreventer
4.4 Preventer für Workoverarbeiten Müssen an in Produktion stehenden Bohrungen Aufwältigungs- oder Reparaturarbeiten durchgeführt werden, so müssen Maßnahmen getroffen werden, um bei solchen Arbeiten einen unkontrollierten Austritt von Lagerstätteninhalt zu verhindern. Das ist in der Regel weitaus schwieriger als während des Bohrens, da im Workover-Betrieb standardmäßig keine Absperreinrichtungen vorhanden sind, sodass jede Bohrlochkontrollmaßnahme einer besonderen Vorgehensweise bedarf und individuell entsprechend der angetroffenen Situation und der Möglichkeiten des Workover Rigs geplant und durchgeführt werden muss. Für Workoverarbeiten werden in der Regel leichte, fahrbare Anlagen eingesetzt. Unterbaue werden meistens nicht benötigt, so dass der Platz für die Preventer, die REGAN hat mit dem Ringpreventer vom Typ „Toms“ einen Preventer auf den Markt gebracht, der eine sehr niedrige Bauhöhe hat und der deshalb bevorzugt bei Flachbohrungen und Workoverarbeiten zum Einsatz kommt. CAMERON hat einer Anregung aus Anwenderkreisen folgend eine Preventerkombination, bestehend aus einem Ring- und einem Einfach- oder Doppel-Backenpreventer für den Workovereinsatz entwickelt, der unter der Bezeichnung ANNURAM läuft (Abb. J-29). Bei dieser Preventerkombination sind alle Absperreinrichtungen in einem Gehäuse untergebracht.
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4 Bohrloch-Absperreinrichtungen
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Abb.J-29: CAMERON ANNURAM Preventer
In diese Kategorie von Absperreinrichtungen fallen auch die Stripping- und Snubbing-Preventer für normale Tubings und Coiled Tubings. Dabei handelt es sich um Preventer mit besonders kleinem Durchgang, mittels derer Stränge in eine unter Druck stehende Bohrung ein- bzw. ausgeschleust werden können. Auch gibt es Preventer, die für Wireline-Arbeiten entwickelt wurden, und die Backen haben, die die jeweils zum Einsatz kommenden Kabel umschließen. Bei allen Besonderheiten, die Preventer für Workover- und Servicingarbeiten aufweisen, sind die Grundfunktionen und der grundsätzliche Aufbau der Preventer absolut identisch mit denen, die im Bohrbetrieb eingesetzt werden.
4.5 Gestänge-Preventer Gemäß BVOT muss die Möglichkeit bestehen, sowohl die Mitnehmerstange zu verschließen wie auch den Bohrstrang für den Fall, dass die Mitnehmerstange ge-löst wurde. Das gilt auch dann, wenn mittels Topdrive gebohrt wird und der Strangmittels Elevator, also ohne Verbindung zum Topdrive, aus- oder eingebaut wird.
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
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Tritt zu einem solchen Zeitpunkt eine Kicksituation ein, so muss auf den Strang ein sog. Gestänge- oder Innenpreventer aufgesetzt werden können, der den Strang dann verschließt und somit einen Durchfluss versperrt. Das ist wichtig, weil ansonsten beim Verschließen des Ringraumes der Zufluss Entlastung durch den offenen Strang suchen und es dann zu einem Gestängeausbruch kommen würde. Zu den Gestängepreventern zählen zunächst einmal die sog. Kellyhähne. Das sind in der Regel Kugelhähne, die oberhalb und unterhalb der Mitnehmerstange angeordnet sind oder sich an entsprechenden Positionen im Topdrive befinden, und die entweder von Hand oder hydraulisch betätigt werden können. Der untere Kellyhahn hat Tooljoint-Durchmesser, weil er beim Bohren durch Preventer und Verflanschung hindurch in die Bohrung eingelassen werden muss. Der obere Kellyhahn ist dagegen meistens etwas robuster gebaut und an der bauchigen Ausbuchtung zu erkennen, in der sich die Kugel befindet. Die robustere Bauweise ist auch damit zu begründen, dass der Hahn z. B. beim Abstellen von Mitnehmerstange und Spülkopf durch letzteren starken axialen Belastungen ausgesetzt ist. Die Handbetätigung des Kellyhahnes erfolgt dadurch, dass in ein entsprechendes Sechskantelement ein Inbus-Schlüssel eingesetzt und gedreht wird, wobei die Kugel im Uhrzeigersinn geschlossen und entgegengesetzt geöffnet wird. Abb. J-30 zeigt einen HYDRIL Kellyhahn in der Schnittdarstellung.
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Abb. J-30: HYDRIL Kellybahn „Kellyguard“
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4 Bohrloch-Absperreinrichtungen
Sind Mitnehmerstange oder Topdrive abgeschraubt, so ist der Strang offen. Für diesen Fall liegt auf der Arbeitsbühne eine Verschlusseinheit in Form eines Rückschlagventils bereit, wobei allerdings darauf zu achten ist, dass die Anschlüsse und Gewindeformen von Tooljoint und Gestängepreventer zueinander passen. Wie bereits in Band 1 des BohrlochkontrollHandbuchs beschrieben wurde, dürfte es schwierig werden, ein Rückschlagventil auf einen Strang zu montieren, aus dem bereits Spülung unter Druck austritt. Deshalb legt man zusätzlich noch einen Kellyhahn bereit, der dann in geöffnetem Zustand von Hand, mittels einer Aufsetzvorrichtung oder mittels einer entsprechenden Vorrichtung im Iron Roughneck auf den Strang aufgesetzt und verschraubt wird. Nach dem Kontern wird dieser Hahn geschlossen. Nach dem Einschließen des Ringraumes kann dann der Gestängepreventer (Rückschlagventil) aufgesetzt werden. Wird nun der Kellyhahn geöffnet, so steht der Druck am Rückschlag an. Nun kann der Strang in die unter Druck stehende Bohrung eingeschleust werden. Der gängigste Typ eines Gestängepreventers (Abb. J-31) besteht aus einem federbelasteten Kegelrückschlagventil. Soll das Ventil in geöffnetem Zustand eingebaut werden, so muss die nach oben verlängerte Ventilschaftstange mittels einer Stellschraube offen gehalten werden. Ehe das Ventil jedoch in das Bohrloch eingelassen wird, muss das seitlich herausragende Handrad der Stellschraube entfernt werden, zumal dieses ohnehin nicht in das Bohrloch passen würde. Auf diese Weise ist es möglich, den Gestängepreventer in geöffnetem Zustand zu montieren, wenn nur wenig Spülung unter geringem Druck aus dem Strang ausfließt, ohne dass, wie vorstehend beschrieben, zusätzlich ein Kellyhahn benötigt würde.
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Abb.J-31: Gestängepreventer
Bohrwerkzeug eingebaut werden, und die den Strang automatisch verschließen und damit verhindern, dass ein Rückfluss durch das Gestänge stattfindet, wenn der Ringraum bei Zufluss
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geschlossen wird. Rückschlagventile verhindern auch den Eintritt von Tripgas und das eindringen von Feststoffen beim Einbau des Stranges. Diese Rückschlagventile werden als Klappen- oder Kegelventile gebaut und bilden entweder einen Vollabschluss des Strangquerschnitts oder einen Teilabschluss, indem z. B. Löcher in den Klappen sind, die u.a. für einen langsamen Druckausgleich nach dem Einschließen der Bohrung sorgen. Nachteilig bei Rückschlagventilen mit Vollabschluss ist, dass sie keine Gestängedruckanzeige nach dem Einschließen der Bohrung gestatten, sodass der Formationsporendruck nicht direkt zu ermitteln ist. Um dennoch eine Vorstellung von diesem Druck zu bekommen, muss langsam in den Strang hinein gepumpt werden, bis das Rückschlagventil öffnet. Der Öffnungsdruck gilt dann als Gestänge-Einschließdruck.
5 Preventer-Schließanlagen 5.1 Allgemeines Wie bereits in den entsprechenden Kapiteln besprochen wurde, lassen sich Ringpreventer nur hydraulisch betätigen, während Backenpreventer heutzutage ebenfalls nur noch hydraulisch betätigt werden, wenngleich sie sich zumindest dann, wenn sie mit einem manuellen Verriegelungssystem ausgestattet sind, manuell schließen lassen. Manuell betätigte Backenpreventer sind nicht mehr auf dem Markt zu finden, da der Schließvorgang im Notfall zu zeitaufwendig und unsicher ist, da die Handräder zum Einschrauben der Spindeln nur wenig aus dem Unterbau herausragen und somit z. B. bei Austritt von Sauergas nicht mehr oder nur mit Atemschutzgerät zu erreichen sind. Das bedeutet, dass jede Preventeranlage über eine Schließeinrichtung verfügen muss, die den benötigten, hydraulischen Druck zur Verfügung stellt. Diese Schließanlagen werden auch als Akkumulatoranlagen bezeichnet, da ein wesentlicher Teil der Anlage die Druckspeicheranlage ist, in der Hydraulikflüssigkeit zur Preventerbetätigung vorgehalten wird. Schließanlagen befinden sich außerhalb des Gefahrenkreises von 30 m, der um das Bohrloch gezogen wird. Da jedoch die Betätigung der Preventer von hier aus ebenfalls zu zeitaufwendig wäre, weil der Zufluss in der Regel zuerst auf der Arbeitsbühne erkannt wird, befindet sich auf der Arbeitsbühne noch ein sog. Fernsteuerstand, von dem aus die entsprechenden Ventile der Schließanlage betätigt werden können.
5.2 Schließanlage Die Akkumulatoranlage besteht im Wesentlichen aus dem Vorratstank für die Hydraulikflüssigkeit, die zum Betätigen der Preventer dient, den Förderpumpen für diese Flüssigkeit, der Druckspeicheranlage, in der die Hydraulikflüssigkeit auf einem bestimmten Vordruck gehalten wird, den ¾ Wege-Ventilen, mittels derer die Hydraulikflüssigkeit zu den Preventerleitungen geleitet wird, und dem Manifoldsystem. Alle diese Komponenten sind auf einem mit Kufen versehenen Grundrahmen montiert und bilden somit eine kompakte Einheit.
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5 Preventer-Schließanlagen
Der Vorratstank ist nach API RP 53 (Section 5-A, 5.A.18) so auszulegen, dass er eine Kapazität vom doppelten des nutzbaren Volumens an Hydraulikflüssigkeit(usable fluid volume) hat. Dabei ist als nutzbare Volumen das Volumen definiert, das ohne Pumpeneinsatz aus den Akkumulatoren im Speicherdruckbereich zwischen dem max. Speicherdruck (z. B. 207 bar = 3000 psi) und 200 psi (= ca. 14bar) über dem Akkumulator-Vordruck entnommen werden kann, um einen Backen plus den Ringpreventer zu schließen plus den hydraulisch betätigten Choke-Line Schieber (HCR) zu öffnen (Section 5A, 5.A.3). Als Hydraulikflüssigkeit wird entweder ein Hydrauliköl auf biologischer Basis oder ein Wasser-Glykol-Gemisch, dem ein Schmierstoff zugesetzt wird, verwendet. Glykol sollte nach API RP 53 (Section 5A, 5.A.17) jeder Hydraulikflüssigkeit, die Wasser enthält, immer dann in ausreichender Menge zugesetzt werden, wenn Temperaturen unter 0°C (32° F) zu erwarten sind. Die Hydraulikflüssigkeit ist von Zeit zu Zeit zu reinigen bzw. zu erneuern, damit sich kein Sumpf bildet, da die Verunreinigungen leicht zum Verstopfen von Ventile etc. führen können. Die Tanks sind mit einer elektrischen Tankstandsanzeige ausgerüstet. Wird ein zuvor festgelegter Niedrigststand (low-low-level) erreicht, so schalten die Pumpen automatisch ab, um einen Trockenlauf zu vermeiden. Anmerkung: Abweichend von API kann vom Operator jedoch auch ein größeres Volumen an Hydraulikflüssigkeit als sog. nutzbares Volumen gefordert werden.
5.2.2 Pumpen
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Aus dem Vorratstank wird die Hydraulikflüssigkeit im Normalfall mittels einer elektrisch betriebenen Duplex- oder bevorzugt Triplex-Plungerpumpe zu den Akkumulatoren befördert. Diese Pumpe ist mit einem Druckschalter versehen, der die Pumpe automatisch einschaltet, wenn der Druck in den Speicherflaschen weniger als 90% des Akkumulator-Betriebsdruckes
Abb. J-32 : Schaltschema einer Schließanlage
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
entspricht. Da der normale Betriebsdruck 3000 psi (207 bar) beträgt, muss die elektrisch betriebene Pumpe somit bei minimal 2700 psi (186 bar) einschalten. Die Pumpe wird abgeschaltet, wenn der Druck 3000 psi (207 bar) erreicht hat. Der Einschaltdruck ist einstellbar. Um bei Ausfall der Elektrizitätsversorgung oder bei Defekt von Pumpe oder Motor trotzdem einsatzbereit zu sein, sind die Schließanlagen zusätzlich noch mit luftbetriebenen Kolbenpumpen ausgerüstet, da nach API für jede Schließanlage zwei oder drei unabhängig voneinander arbeitende Energiequellen für die Pumpen verfügbar sein sollen. API empfiehlt als Minimum ein duales System mit elektrisch und luftbetriebenen Pumpen. Die luftbetriebenen Pumpen werden mittels eines separaten Druckschalters ein- bzw. ausgeschaltet. Die luftbetriebene Pumpe wird über den sog. pump governor, einen federbelasteten Kolben, manuell auf den jeweiligen Druckbereich eingestellt. Die Einstellung erfolgt so, dass zunächst die elektrische Pumpe aktiviert wird. Erst bei Ausfall der elektrischen Pumpe springt die pneumatisch betriebene Pumpe an. Der Einschaltdruck für die pneumatisch betriebene Pumpe liegt bei 170 bar. Dieser Druck ist einstellbar. Auch schaltet die pneumatisch betriebene Pumpe etwas früher ab als die elektrische, nämlich schon bei etwa 203 bar. Falls die Schließanlagen nur mit pneumatisch betriebenen Pumpen bestückt ist, entsprechen Ein- und Ausschaltdrücke denen der elektrisch betriebenen Pumpe. Begründet wird die Regelung, dass die elektrisch betriebene Pumpe das Restvolumen in den Akkumulator fördert damit, dass die pneumatisch betriebene Pumpe eine größere Volumenstromrate fördert als die elektrisch betriebene Pumpe, sodass bei der Endbefüllung des Akkumulators Druckspitzen auftreten können. Die pneumatisch betriebenen Pumpen werden vom Drucklufterzeuger der Bohranlage versorgt. Beide Pumpenarten können gemeinsam zum Befüllen des Akkumulators herangezogen werden. Nach API RP 53 (Section 5A, 5.A.10) sollte jede Schließanlage mit einer ausreichenden Anzahl von Pumpen bestückt sein, die so auszulegen sind, dass dann, wenn die Akkumulatoreinheit nicht in Funktion ist, die Pumpen in der Lage sind, den Ringpreventer und einen Backenpreventer zu schließen plus den hydraulisch betätigten Choke-Line-Schieber (HCR) zu öffnen und zusätzlich noch einen Druck zu halten, der mindestens 200 psi (ca. 14 bar) über dem Akkumulator-Vordruck liegt. Diese gesamte Operation muss in 2 Minuten oder weniger durchgeführt sein. Zwischen den Pumpen und dem Druckspeicher ist ein Filter geschaltet, um Verunreinigungen aus der Hydraulikflüssigkeit zurückzuhalten. Diese Filter sind von Zeit zu Zeit zu säubern. Die Pumpen sind mit einem Überdruckventil ausgestattet, das auf 230 bar eingestellt ist. Dieses wird aktiviert, falls der Druckschalter der Pumpe defekt ist und die Pumpe bei Erreichen des maximalen Speicherdruckes (3000 psi = 207 bar) nicht abgeschaltet wird.
5.2.3 Druckspeicher (Akkumulatoren) Die eigentliche Druckspeicher- oder Akkumulatoranlage besteht aus einer Reihe von kugeloder flaschenförmigen Druckbehältern, in die die Hydraulikflüssigkeit gepumpt und unter einem Druck von max. 3000 psi (207 bar) gehalten wird. Dieser Speicherdruck wird erreicht, indem man in die Flaschen Stickstoff mit einem bestimmten Vordruck gibt, der dann, wenn die Hydraulikflüssigkeit in die Flasche gepumpt wird, komprimiert wird und wie eine gespannte Feder oder wie ein Kolben auf die Flüssigkeit drückt, die nicht komprimierbar ist. Stickstoff wird verwendet, weil dieser mit dem Hydrauliköl kein brennbares Gemisch bildet und auch sonst als Inertgas im Ex-Bereich einer Bohranlage eingesetzt werden kann.
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5 Preventer-Schließanlagen
Das erforderliche Gesamtvolumen an Stickstoff und Hydraulikflüssigkeit im Akkumulator ergibt sich, wenn man den Akkumulator Faktor mit dem berechneten Volumen multipliziert, das erforderlich ist, um den Ringpreventer und einen Backenpreventer zu schließen und den hydraulisch betätigten Choke-Line-Schieber(HCR) zu öffnen (= Betriebsvolumen). Das ergibt nach API RP 53:
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Abb. J-33: Druckbehälter mit Blase nach NL-SHAFFER
Akkumulator-
empfohlener, min.
Betriebsdruck [psi]
Vordruck [psi]
1500 2000 3000
750 1000 1000
nutzbares Flaschenvolumen. (Anteil am Flaschenvolumen.) 1/8 1/3 ½
Akkumulator Faktor 8 3 2
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
Abb. J-34: Flaschenförmiger Druckbehälter mit Schwimmer nach CAMERON
Die Trennung zwischen Stickstoff (Gas) und Flüssigkeit erfolgt in den kugeligen Behältern durch einen Schwimmer oder ein Membran, in den flaschenförmigen Behältern durch eine Blase, einen Schwimmer oder einen Trennkolben. Druckbehälter mit Blase (Abb. J-33) befinden sich u.a. in den Druckspeicheranlagen von NL SHAFFER, Die Blase besteht aus synthetischem Gummi, die in den flaschenförmigen Behälter eingezogen wird. Über ein Gasfüllventil am Kopf der Flasche wird die Gasblase mit Stickstoff gefüllt und auf den erforderlichen Vordruck von in der Regel 1000 psi (69 bar) gebracht. Am Fuß der Flasche befindet sich das Flüssigkeitsventil, ein federbelastetes Kegelventil mit einer Platte am oberen Ende des Ventilstiftes. Wird die Blase mit Stickstoff gefüllt, so füllt sie den gesamten Innenraum der Flasche auf und drückt dabei auf den Ventilteller, der das Ventil schließt. Wird die Flasche mit Flüssigkeit gefüllt, so öffnet sich das Fußventil bei einem bestimmten Druck, die Flüssigkeit strömt in den Behälter und drückt die Gummiblase zusammen, bis der Speicherdruck von 3000 psi (207 bar) erreicht ist. Die Stickstoffvorlage wird dabei um das Volumen komprimiert, den die Flüssigkeit im Behälter einnimmt. Bei Flüssigkeitsentnahme expandiert die Stickstoffvorlage entsprechend und drängt die Flüssigkeit in das Manifold. Druckspeicher mit Schwimmer (Abb. J-34) werde u.a. von CAMERON und KOOMEY gefertigt. Dieser kolbenförmige, zylindrische Schwimmer hat keine Dichtungen wie Kolben und bewegt sich frei in dem meist flaschenförmigen Behälter. Die Abdichtung zwischen Flaschenwand und Schwimmer wird durch einen Ölfilm realisiert. Der Schwimmer hat im Zentrum eine Stange, die oberhalb und unterhalb aus dem Schwimmerkörper herausragt. Wird der Schwimmer nun beim Entleeren des Behälters nach unten bewegt, so verschließt diese Stange das sich am unteren Ende der Flasche befindliche Entnahmeventil, so dass die Stickstoffvorladung nicht entweichen kann.
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5 Preventer-Schließanlagen
Das Schwimmerrohr ist hohl, so dass ein Druckausgleich gegeben ist. Die Flaschen werden durch am Fuß befindliche Ventile sowohl mit Stickstoff wie auch mit Hydraulikflüssigkeit gefüllt. Die Stickstoffbefüllung erfolgt dann, wenn sich der Schwimmer in der untersten Position befindet. Jede Druckspeicherflasche kann in der Regel separat mittels eines Ventils abgesperrt werden. Das hat den Vorteil, dass bei Reparaturen oder Austausch einzelner Flaschen nicht die gesamte Akkumulatorbatterie stillgesetzt werden muss. Gleichzeitig kann damit jede einzelne Druckspeicherflasche auf ausreichenden Vordruck überprüft werden, indem der Druck der Flasche abgelassen wird bis zum Vordruck von 69 bar. Der Akkumulatordruck muss dann schlagartig auf null gehen, was ein Indiz dafür ist, dass alles in Ordnung ist.
5.2.4 Manifold
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Von den Druckbehältern gelangt die Hydraulikflüssigkeit in das Verteilersystem oder Manifold. Die Verbindung von Druckbehälter zum Manifold ist ständig gegeben, da die handbetätigten Druckspeicher-Absperrventile während des Betriebes ständig geöffnet sind. Sie werden nur geschlossen, wenn die Druckspeicher isoliert werden müssen, weil z. B. Wartungsarbeiten an ihnen durchgeführt oder sie demontiert werden müssen. Im Manifold gibt es je nach herrschendem Druck zwei Leitungssysteme. Das erste ist das System, in dem die Hydraulikflüssigkeit unter dem Druck wie im Druckspeicher (3000 psi = 207 bar) steht, und das zweite System mit einem Druck von 1500 psi (= 103 bar). Unter Speicherdruck steht die Flüssigkeit bis zum manuell regelbaren Druckreduzierventil. Hier wird der Druck auf die genannten 1500 psi (= 103 bar) herunter geregelt. Ein anderer Ast der Hochdruckleitung geht zum sog. BypassVentil. Dieses Ventil kann mittels eines Luftzylinders von dem auf der Arbeitsbühne befindlichen Fernsteuerstand aus ferngesteuert werden. In der geschlossenen Position trennt dieses Ventil die Hochdruckleitung von der Niederdruckleitung. In der geöffneten Position wird die Hydraulikflüssigkeit aus der unter Speicherdruck (3000 psi = 207 bar) stehenden Hochdruckleitung in die Niederdruckleitung geleitet. Damit steht der Speicherdruck dann auch an den Backenpreventern in voller Höhe an, wenn z. B. Scherarbeiten durchgeführt werden sollen, wofür in der Regel der Niederdruck von 1500 psi (= 103 bar), der normale Schließdruck, nicht ausreichend ist. Die Hochdruckleitung, in der sich das Bypass-Ventil befindet, wird verlängert bis zum einstellbaren Druckreduzierventil für den Ringpreventer. Dieses wird ebenfalls vom Fernsteuerstand aus pneumatisch oder elektrisch-hydraulisch ferngesteuert und kann auf jeden Druck stufenlos eingestellt werden. Dadurch wird es möglich, am Ringpreventer den Schließdruck einzustellen, der zum Schließen erforderlich ist, was u.a. bei solchen Ringpreventern notwendig ist, bei denen der Bohrlochdruck zur Unterstützung des Schließvorganges herangezogen wird (HY-DRIL), was aber auch erforderlich wird, wenn der Strang eingestrippt wird und die Tooljoints durch die Manschette geschleust werden müssen. Im Normalfall wird für den Ringpreventer ein Schließdruck zwischen 40 und 70 bar eingestellt.
5.2.5 Steuerventile In der Niederdruckleitung befinden sich die Steuerventile zur Betätigung der verschiedenen Backenpreventer und der hydraulisch betätigten Schieber in der Kill- und Choke-Line. Dabei handelt es sich um 3-Positionen/4-Wege-Ventile, die manuell direkt von der Druckspeicheranlage aus oder mittels eines Druckluft- oder Hydraulikzylinders vom Fernsteuerstand aus ferngesteuert werden können.
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
Bei der pneumatischen Betätigung der Ventile geschieht dieses direkt vom Fernsteuerstand aus, von wo die Steuerungsluft für die Operation der Zylinder aktiviert wird. Bei der hydraulischen Betätigung wird vom elektrisch arbeitenden Fernsteuerstand aus ein elektrisches Signal an eine Hydraulikpumpe an der Schließanlage gegeben. Die Pumpe pumpt dann Hydraulikflüssigkeit in den ausgewählten Zylinder und betätigt somit das Ventil. Der Vorteil der hydraulischen Betätigung ist, dass das Ventil schneller aktiviert wird, und dass bei Frost keine Gefahr des Einfrierens der Luftleitungen besteht. Hydraulisch betätigte ¾-Wege-Ventile mit elektrisch arbeitenden Fernsteuerständen sind immer mehr auf dem Vormarsch und verdrängen die pneumatischen Einrichtungen. Die drei Positionen der ¾-Wege-Ventile sind open (Preventer öffnen), close (Preventer schließen) und off bzw. neutral oder block (Schieber in neutraler Stellung). In der Position „Schließen“ wird die Hydraulikflüssigkeit von den Druckspeicherbehältern über die Hochdruck- und Niederdruckleitung durch den Schieber zum Preventer in den Teil des Arbeitszylinders geleitet, der den Druck zum Betätigen des Arbeitskolbens in Richtung Bohrlochmitte aufbringt und somit die Preventerbacken schließt. Die sich im inneren Teil des Zylinders (Öffnungszylinder) befindliche Flüssigkeit wird über separate Leitungen zurück in den Vorratsbehälter geleitet. In der Position „Öffnen“ wird die Hydraulikflüssigkeit entsprechend in den inneren Teil des Arbeitszylinders am Preventer geleitet und schiebt dabei die Kolben und somit die Backen zurück in die Ruheposition. Die Flüssigkeit aus dem Schließzylinder wird dabei zurück in den Vorratsbehälter geleitet. Entsprechendes gilt für den Ringpreventer. In der neutralen Position strömt die Hydraulikflüssigkeit aus dem Leitungssystem zurück in den Vorratsbehälter, so dass die Leitungen drucklos sind. Würden sich die Ventile in dieser Position befinden, so müssten, wenn ein Preventer geschlossen werden soll, erst die Leitungen aufgefüllt werden, ehe die Flüssigkeit den Schließvorgang einleiten könnte. Dadurch würde wertvolle Zeit verloren gehen. Beim geschlossenen Preventer ohne Arretierung, so beispielsweise beim Ringpreventer, würde die Gefahr bestehen, dass der Preventer sich selbsttätig öffnet. Außerdem bestünde die Gefahr, dass sich Luft in den Leitungen sammelt, was zu Schwierigkeiten beim Schließvorgang führen würde. Und schließlich kann es durch Vibrationen am
Abb.J-35: ¾-Wege-Ventil mit Näherungsschalter
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5 Preventer-Schließanlagen
Preventerstack beim Bohren zum unbeabsichtigtem Schließen eines Preventers kommen, wenn diese nicht in der geöffneten Position arretiert sind. Aus diesem Grunde müssen die Ventile während des Bohrbetriebes immer in der open oder close Position stehen, niemals in der neutral Position. Diese Position dient lediglich zum Entleeren der Leitungen beim Umbau der Bohranlage oder bei Reparaturen an Preventern oder Schließanlage. Um die Position des ¾-Wege-Ventils am Fernsteuerstand anzuzeigen, sind die Ventile mit einem Näherungsschalter ausgestattet (Abb. J-35. Dabei befindet sich der eine Teil des Näherungsschalters am Hebel, der andere am Gehäuse. Wird der Hebel in die Schließposition gefahren, so leuchtet am Fernsteuerstand eine rote Kontrolllampe auf, in der Öffnen-Position eine grüne. Diese optischen Anzeigen sind jedoch keine Gewähr dafür, dass der Preventer auch tatsächlich geschlossen oder geöffnet wurde, da er lediglich die Position des Hebels am ¾‘‘-Wege-Ventil anzeigt. Um ein unbeabsichtigtes Schließen der Blind-Shear-Rams zu verhindern, wird das Ventil zur Betätigung dieser Backen mit einer zusätzlichen Sicherung ausgestattet. Das kann u.a. ein Blechkasten oder eine Kralle sein, die per Schwerkraft immer über dem Handhebel liegt. Soll dieser Hebel bewegt werden, so muss zunächst diese Sicherung angehoben werden, so dass die Betätigung der Blind-Shear-Rams immer eine Zwei-Hand-Operation ist, wenn sie von der Schließanlage vorgenommen wird.
5.3 Fernsteuerstand
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Um im Notfall ein schnelles Einschließen der Bohrung zu gewährleisten, ist auf der Arbeitsbühne, in unmittelbarer Näher des Fahrstandes der Bohranlage, ein Preventer-Fernsteuerstand installiert (Abb. J-36). Hier ist symbolisch der Preventerstack angezeigt, wobei die Betätigungshebel jeweils dem entsprechenden Preventer oder den hydraulisch betätigten Schiebern in der Kill- bzw. Choke-Line zugeordnet sind. Bei pneumatisch arbeitenden Anlagen werden vom Fernsteuerstand stand aus bei Betätigung des entsprechenden Hebels die zugehörigen Luftventile und damit die Luftzylinder an der Schließanlage aktiviert. Um jedoch eines dieser Luftventile in Funktion zu setzen, muss zunächst das Hauptdruckluftventil mittels entsprechendem Handhebel geöffnet werden. Erst bei Betätigung beider Luftventile fließt die Steuerluft zur Schließanlage und aktiviert das zugehörige ¾-Wege-Ventil. Somit ist zum Schließen wie auch zum Öffnen eines Preventers oder der hydraulisch betätigten Kill- und Choke-LineSchieber immer eine Zwei-Hand-Operation erforderlich. Sollen die Blind-Shear-Rams betätigt werden, so muss zusätzlich noch die Sperre entriegelt werden, wozu eine dritte Hand erforderlich ist. Dadurch wird verhindert, dass die Shear-Rams unbeabsichtigt betätigt werden. Neben den Betätigungshebeln für die Luftventile befinden sich am Fernsteuerstand noch die Druckanzeigegeräte für den Akkumulator- oder Speicherdruck, den Manifolddruck, den eingestellten Druck zum Schließen des Ringpreventers und den Luftdruck. Letztere beträgt in der Regel 7 bar (100 psi) bis max. 14 bar (200 psi). Die übrigen Drücke wurden bereits vorstehend erörtert. Da, wie besprochen, die bei fast allen Fernsteuerständen installierten optischen Anzeigen (grüne bzw. rote Kontrollleuchten) kein Indiz dafür sind, dass ein Preventer oder der entsprechende Schieber auch tatsächlich geöffnet oder geschlossen wurden, müssen bei Betätigung eines dieser Elemente diese Manometer zusätzlich als Kontrollinstrumente mit herangezogen werden. Wird beispielsweise ein Preventer geschlossen, so muss der Akkumulatordruck leicht abfallen, da Hydraulikflüssigkeit aus dem Druckspeicherbehälter via Manifold zum Preventer geleitet wird. Das gleiche gilt auch für den Manifolddruck und den Luftdruck.
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
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Abb.J-36: Fernsteuerstand
Letzterer ist zusammen mit der optischen Anzeige ein Indiz dafür, dass der Luftzylinder am ¾Wege-Ventil betätigt wurde und der Ventilhebel sich entsprechend bewegt hat. Ist der Schließvorgang beendet, so muss der Manifolddruck innerhalb eines kürzeren Zeitraumes wieder auf den ursprünglichen Wert (1500 psi = 103 bar) ansteigen, weil die in den Arbeitszylinder am Preventer geleitete Flüssigkeit aus dem Druckspeicher ersetzt wird. Ob der Druck im Druckspeicher wieder ansteigt hängt davon ab, um welchen Betrag er gefallen ist. Liegt der Druck noch über dem Einschaltdruck der Pumpe (2700 psi = 186 bar), so bleibt er auf diesem Wert konstant. Fällt er unter diesen Wert ab, so springt die Pumpe an und füllt den Druckspeicher wieder bis zum Maximaldruck von 3000 psi (= 207 bar) auf. Bei Betätigung eines Backenpreventers oder eines hydraulisch betätigten Schiebers wird die Anzeige für den Ringpreventer konstant bleiben, bei Betätigung des Ringpreventers bleibt dagegen der Manifolddruck konstant, während der Druck an der Anzeige für den Ringpreventer abfällt, da der Ringpreventer eine separate Hydraulikleitung hat, wie aus Abb. J-32 zu entnehmen ist.
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5 Preventer-Schließanlagen
Abb. J-37 : Fernsteuerstand (Ausschnitt mit Manometern)
Bei neueren Schließanlagen werden der Druck und die durchgesetzten Volumina an Hydraulikflüssigkeit in den Druckleitungen zwischen Schließanlage und Preventer gemessen. Sind beide Werte realistisch, so wird die entsprechende Kontrolllampe aktiviert. Durch dieses Verfahren ist es möglich, korrekt festzustellen, ob das ausreichende Volumen zum Schließen oder Öffnen des Preventers bei dem entsprechenden Druck verpumpt wurde. Folgende Fehler sind beim Schließen eines Backenpreventers möglich: 1. Optische Anzeige schaltet auf rot, Akkumulator- und Manifolddruck fallen ab, steigen aber nicht wieder an. Möglicher Fehler: Hydraulikleitung ist nicht mit dem Preventer verbunden (Hydraulikflüssigkeit tritt frei aus), oder Leckage in der Leitung. 2. Optische Anzeige schaltet auf rot, Akkumulator- und Manifolddruck bleiben konstant. Möglicher Fehler: Hydraulikleitung ist blockiert, oder die Öffnungs- und Schließleitungen sind vertauscht. 3. Optische Anzeige bleibt auf grün, Akkumulator- und Manifolddruck bleiben konstant. Möglicher Fehler: ¾-Wege-Ventil bewegt sich nicht. Zu beachten wäre hier, ob sich überhaupt Luft im Steuersystem befindet (Anzeige am Luftdruckmanometer ?) oder ob des Hauptdruckluftventil betätigt wurde. Entsprechendes gilt für den Ringpreventer. Ist keine Steuerluft vorhanden, so kann keine Funktion der Schließanlage vom Fernsteuerstand aus durchgeführt werden, weder die Betätigung der Preventer, noch die der hydraulisch betätigten Schieber in der Kill- und Choke-Line. Ist das Niederdruck-Manifold blockiert, so kann zumindest noch der Ringpreventer betätigt werden.
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
635
Ist der Druckspeicher blockiert, so können alle Funktionen ausgeführt werden, weil jetzt die Hydraulikpumpen die entsprechenden Aggregate mit Hydraulikflüssigkeit versorgen. Allerdings arbeiten moderne Fernsteuerstände, kaum noch pneumatisch, sondern elektrisch. Hierbei wird ein elektrischer Impuls vom Fernsteuerstand zur Schließanlage übertragen, der dort eine Hydraulikpumpe einschaltet, die Hydraulikflüssigkeit in den Zylinder pumpt, der wiederum das Ventil aktiviert.
5.4 Hydraulikleitungen Die Verbindungsleitungen zwischen der Schließanlage und den Preventern oder Schiebern wird mittels starren 1“ Hochdruckleitungen mit Gelenkverbindungen oder mittels entsprechender Hochdruckschläuche hergestellt. Die Leitungen werden bevorzugt unter dem Laufsteg des Gestängelagers verlegt, um sie so vor Beschädigungen zu schützen. Daraus resultiert, dass die Schließanlage unmittelbar vor dem Gestängelager aufgestellt wird.
5.5 Auslegung der Druckspeicherbehälter Nach API RP 53 sollte die Preventer-Schließanlage und damit der Druckspeicher so ausgelegt sein, dass jeder Backenpreventer innerhalb von 30 Sekunden geschlossen werden kann. Bei Ringpreventern sollte die Schließzeit 30 Sekunden für Preventer kleiner 20“ und 45 Sekunden für Preventer von 20“ und größer nicht übersteigen. Hieraus wie auch aus der Forderung, dass mittels der Druckspeicheranlage, ohne Einschalten der Pumpen, ein Backenpreventer und der Ringpreventer geschlossen und der hydraulisch betätigte Choke-Line Schieber geöffnet werden können muss, ergibt sich dann auch die Auslegung der Druckspeicheranlage. Im Druckspeicher gibt es drei charakteristische Drücke: • der Stickstoff-Vordruck von meistens 1000 psi (69 bar), • der maximale Speicherdruck von 3000 psi (207 bar), • der minimale Verdrängungsdruck = minimaler Arbeitsdruck von 1200 psi (83 bar). Anmerkung: Dieser Druck soll nach API RP 53 200 psi über dem Vordruck in den Akkumulatoren liegen. Somit ergeben sich in einer Druckspeicherflasche drei Zonen, wie auch Abb. I-38 zu entnehmen ist: • Bereich der Stickstoff-Vorladung, V^ • Bereich der Arbeitsflüssigkeit (usable fluid) • Bereich der nicht nutzbaren Flüssigkeit (non-usable fluid). Die Volumina in den Druckspeichern lassen sich mit Hilfe des Boyle-Mariotte‘sehen Gesetzes (Boyle‘s Law) wie folgt vereinfacht berechnen: P1 · V1 = p2 · V2 Hierin sind: p1 max. Arbeitsdruck im Druckspeicher = 3000 psi V1 Stickstoffvolumen im Druckspeicher unter Druck p1 p2 min. Arbeitsdruck im Druckspeicher = 1200 psi
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5 Preventer-Schließanlagen
V2 Stickstoffvolumen im Druckspeicher unter Druck p2 V Gesamtvolumen des Druckspeichers (Stickstoff + Hydraulikflüssigkeit)
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Abb. J-38: Zoneneinteilung einer Druckspeicherflasche
Das gesamte nutzbare Flüssigkeitsvolumen unter Berücksichtigung eines Sicherheitsfaktors von normalerweise 50% ergibt sich aus der Differenz von V2 – V1. Um die Volumenverteilung in einer Akkumulatorflasche zu berechnen, gibt es folgende Möglichkeit: Der Stickstoff nimmt unter der Vorspannung von 1000 psi (69 bar) 100% des Flachenvolumens ein, was einem Volumenfaktor von 1 entspricht. Wird der Stickstoff nun auf 3000 psi (207 bar) verdichtet, so ergibt sich nach vorstehendem Gesetz folgende Rechnung: 1000 ⋅1 = 0,333 300 Das Stickstoffvolumen in der unter Arbeitsdruck (3000 psi) stehenden Flasche beträgt somit 33,33%. Wird der Arbeitsdruck auf den zulässigen Minimaldruck von 1200 psi (83 bar) abgesenkt, so ergibt sich ein Stickstoffvolumen von
V2 =
3000 ⋅ 0, 03333 = 0,8325 1200 Das Stickstoffvolumen beträgt nunmehr 83,25%. Die verbleibende Flüssigkeit nimmt somit einen Raum von VFL = 1 í 0,8325 = 0,1675 = 16,75% ein.
V2 =
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
637
Dieses Flüssigkeitsvolumen ist das nicht nutzbare Volumen (non usable volume). Das nutzbare Volumen (usable volume), das ist das Volumen zwischen 3000 psi und 1200 psi Akkumulatordruck, ergibt sich dann zu VFlnutz = 1 í 0,3333 í 0,1675 = 0,500 = 50,00 %
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Abb. J-39: Füllsituation einer Akkumulatorflasche
Das bedeutet, dass das nutzbare Volumen im Druckspeicher der Hälfte des Flaschenvolumen entspricht. Daraus folgt wiederum, dass der Druckspeicher-Faktor 2 beträgt, also dem doppelten Nutzvolumen entspricht, sodass also das doppelte nutzbare Volumen als Flaschenkapazität vorzuhalten ist. Die Verhältnisse einer Druckspeicherflasche mit einem Stickstoff-Vordruck von 1000 psi (69 bar) und einem Arbeitsdruck von 3000 psi (207 bar) gehen auch aus Abb.I-39 hervor. Eine andere Möglichkeit ist, die Berechnung von Druckspeicheranlagen nach API RP 16E [12] durchzuführen. Danach soll eine Druckspeicheranlage eine Mindest-Speicherkapazität haben, um, ohne zugeschaltete Pumpen, die größere der beiden nachstehenden Anforderungen zu erfüllen: 1. Schließen aller Preventer in einem Preventerstack plus 50% Reserve, wenn sich alle Preventer in geöffneter Position befinden und der Bohrlochdruck 0 bar beträgt. 2. Der Druck des Flüssigkeitsvolumen in den Akkumulatorflaschen nach dem Schließen aller Preventer soll größer sein als der erforderliche Arbeitsdruck eines jeden Backenpreventers (ausgenommen Shear-Rams) im Stack beim Schließen gegen maximalen Bohrlochdruck (Gegendruck). Das hierfür benötigte Gesamt-Speichervolumen errechnet sich wie folgt nach dem BoyleMariotte sehen Gesetz:
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6 Preventeranordnungen
Vges =
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VFinutz Pn P − n Pmin Pmax
Hierin sind: Vges Gesamt-Speichervolumen (Hydraulikflüssigkeit + Stickstoff) Vfimz nutzbares Flüssigkeitsvolumen inkl. Sicherheitsvolumen pn Stickstoff-Vorspanndruck (z. B. 1000 psi) pmln min. Arbeitsdruck im Druckspeicher = 1200 psi pmax max. Arbeitsdruck im Druckspeicher = 3000 psi Ein Beispiel soll den Gebrauch dieser Gleichung für eine bestimmte Druckspeicheranlage erläutern: Zum Schließen eines Backenpreventers werden 0,0220 m3 Hydraulikflüssigkeit benötigt, zum Öffnen 0,0206 m3. Zum Schließen des Ringpreventers werden 0,0680 m3 benötigt, zum Öffnen 0,0536 m3. Für einen Preventerstack mit 3 Backen- und einem Ringpreventer plus 50% Sicherheitsreserve ergibt sich: 3 · 0,0220 m3 = 0,0660 m3 + 0,0330 m3 = 0,0990 m3 1 · 0,0680 m3 = 0,0680 m3 + 0,0340 m3 = 0,1020 m3 nutzbares Flüssigkeitsvolumen 0,2010 m3 Anmerkung: Die Werte 0,0330 m3 und 0,0340 m3 entsprechen 50% der benötigten Schließvolumina von 0,0660 m3 bzw. 0,0680 m3. Das Gesamt-Speichervolumen (Hydraulikflüssigkeit + Stickstoff) ergibt sich dann gemäß vorstehender Gleichung zu: 0, 2010 0, 2010 = = 0, 402 m3 1000 1000 0,8333 − 0,3333 − 1200 3000 Die Druckspeicher müssen somit auf insgesamt 402 Liter ausgelegt sein. Da diese Druckspeicheranlage mit den genannten Drücken einen Druckspeicher-Faktor von 2 hat, wie vorstehend ausgeführt wurde, ergibt sich das Gesamtvolumen auch durch Verdoppelung des nutzbaren Flüssigkeitsvolumens. Vges =
6 Preventeranordnungen Wie in Kap. 2 bereits ausgeführt wurde, müssen auf Tiefbohrungen Absperreinrichtungen für den Ringraum- und den Totalabschluss installiert sein, und zwar zwei voneinander unabhängig arbeitende Systeme. Dieser Forderung wurde durch die Entwicklung von Ring- und Backenpreventern Rechnung getragen. Das bedeutet, dass in einem Preventerstack als Minimum ein Ringpreventer und zwei Backenpreventer, je einer für den Ringraum- und einer für den Totalabschluss, zu installieren sind. Es gilt nun optimale Anordnungen zu finden, um mit einer Preventerzusammenstellung möglichst viele, notwendig werdende Operationen durchführen zu
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
können. Dabei wird in der Regel zwar ein Ringpreventer ausreichend sein, nicht aber nur jeweils ein Ringraum- und ein Totalabschluss-Backenpreventer. API RP 53 hat für die verschiedenen Druckstufen Arrangements entwickelt, die für den Normalfall allen Gegebenheiten und Anforderungen Rechnung tragen dürften. Allerdings sind diese Konfigurationen für den Bohrunternehmer nicht verbindlich, und es haben sich im Laufe der Jahre je nach Firmenphilosophie ganz bestimmte Preventeranordnungen als praktikabel herausgestellt, die dann jeweils standardmäßig benutzt werden. Um die Beschreibung eines Preventerstacks zu vereinfachen, empfiehlt API folgende Kürzel zu verwenden: A annular type blowout preventer = Ringpreventer G rotating head R single ram type preventer = Einzel-Backenpreventer = Doppel-Backenpreventer Rd double ram type preventer Rt triple ram type preventer = Dreifach-Backenpreventer S drilling spool with side outlet connections for choke and kill lines M 1000 psi rated working pressure = 1000 psi Arbeitsdruck Die Preventerstackteile werden nun von unten nach oben benannt. Beispielsweisebedeutet: 5M – 13.ǫ – SRRA dass es sich um folgenden Preventerstack handelt: 5M 5000 psi Arbeitsdruck 13.ǫ freier Durchgang in Zoll S Drilling Spool R Einzel-Backenpreventer R Einzel-Backenpreventer A Ringpreventer Über die Bestückung der Einzel-Backenpreventer mit Gestänge- oder Blindbacken wird hier nichts ausgesagt. Die Abbildung I-40 zeigt beispielhaft schematisch die typischen Preventeranordnungen nach API RP 53. Es muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass die APIPreventeranordnungen für 3M und 5M (Abb. J-40) nicht BVOT-konform sind und somit in Deutschland nur im Ausnahmefall nach entsprechender Genehmigung durch die Bergbehörde eingesetzt werden dürfen, wenn überhaupt. Je nach Zusammenstellung der Preventer ist es nun möglich, verschiedene Operationen durchzuführen wenn einzelne Preventer geschlossen sind. Die gängigste Art einer Preventeranordnung ist der Preventerstack links in Abb. J-41 mit der Bezeichnung RSRRA. Hierbei befindet sich auf dem Bodenflansch zunächst ein Casing Spool, das ist ein Doppelflansch mit zwei seitlichen Anschlüssen für die Choke- und Kill-Line. Darüber wird ein Backenpreventer mit Gestängebacken installiert. Darüber befindet sich der Drilling Spool, ebenfalls ein Doppelflansch mit seitlichen Abgängen für Choke- und Kill-Line. Darüber werden entweder ein Doppel-Backenpreventer oder zwei Einzel-Backenpreventer installiert. Im unteren Preventer werden meistens die Blind-Shear Rams, im oberen die Gestängebacken eingebaut. Den Abschluss bildet dann der Ringpreventer.
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6 Preventeranordnungen
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Abb. J-40: Preventeranordnungen nach API RP 53 für 3M und 5M Arbeitsdruck
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
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Abb. J-41: Preventeranordnungen nach API RP 53 für 10M und 15M Arbeitsdruck
Mittels dieser Anordnung ist es nun möglich, bei geschlossenem Ring- oder oberen Backenpreventer Spülung durch den Strang in die Bohrung zu pumpen und aus dem Ringraum über die Choke-Line am Drilling Spool oder am Casing Spool auszuzirkulieren. Ist das Gestänge geschert worden, so kann es auf den Gestängebacken des unteren Backenpreventers (unterhalb des Drilling Spools) abgefangen werden. Über die Kill-Line am Drilling Spool kann nun durch den Strang gepumpt werden, wobei die Spülung aus dem Ringraum über die Choke Line am Casing Spool auszirkuliert wird. Für den Fall, dass die Backen am Doppel Backenpreventer oder einem der beiden oberen Preventer ausgetauscht werden müssen ist es möglich, die Bohrung mittels des untersten Backenpreventers einzuschließen und gleichzeitig zu zirkulieren oder Druck aus dem Ringraum über die Choke-Line am Casing Spool abzulassen. Diese Preventeranordnung bietet die meisten Operationsmöglichkeiten und gilt deshalb vielfach als Standardanordnung.
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7 Choke- und Kill-Lines, Chokemanifold, Düsen
7 Choke- und Kill-Lines, Chokemanifold, Düsen 7.1 Allgemeines Nach § 113 der BVOT muss der Bohrlochkopf mit absperrbaren Anschlüssen versehen sein, durch die Gase oder Flüssigkeiten aus der Bohrung abgelassen und in die Bohrung eingepumpt werden können. Außerdem muss in sicherer Entfernung an gut zugänglicher Stelle eine Druckentlastungseinrichtung vorhanden sein, mit der Gase und Flüssigkeiten aus dem Bohrloch gefahrlos abgeleitet werden können. Hierfür müssen mindestens zwei regelbare Düsen vorhanden sein. Damit ist die Grundkonzeption für die Kill-Line sowie die Choke-Line und das Chokemanifold bereits gegeben.
7.2 Choke-Lines und Chokemanifold
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Für die Auslegung von Choke-Line und Chokemanifold gibt wiederum API RP 53 entsprechende Vorschläge, die in Abb. J-42, J-43 und J-44 wiedergegeben sind. Danach sind in der Choke-Line jeweils zwei Schieber zu installieren. Bei der Ausführung für die Nenndruckstufen 2M und 3M kann es sich dabei um zwei manuell betätigte Schieber handeln (bei 2M ist der zweite Schieber wahlweise vorgesehen), bei den Nenndruckstufen 5M, 10M und 15M soll einer der beiden Schieber fernsteuerbar sein und vom Fernsteuerstand auf der Arbeitsbühne aus betätigt werden können. Hierbei handelt es sich um den bereits in mehreren Kapiteln erwähnten hydraulisch betätigten Choke-Line-Schieber, der im Betrieb oft als HCR bezeichnet wird (Anmerkung: HCR ist eine CAMERON Bezeichnung).
Abb. J-42: Choke-Line Manifold für Nenndrücke 2M und 3M nach API RP 53
Die Choke-Line sollte möglichst geradlinig und möglichst auf einer Ebene verlaufen, da beim Auszirkulieren von Gas hohe Strömungsgeschwindigkeiten auftreten, was zum einen zu Vereisung (Hydratbildung) führen kann, zum andern durch mitgeführte Sandpartikel zu erhöhtem Verschleiß an den Krümmern und Bögen führen würde.
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
Abb. J-43: Choke-Line Manifold für Nenndrücke 5M nach API RP 53
Abb. J-44: Choke-Line Manifold für Nenndrücke 10M und 15M nach API RP 53
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7 Choke- und Kill-Lines, Chokemanifold, Düsen
Um die Choke-Line besonders bei hohen Preventerstacks hoher Druckstufen auf einer Ebene verlegen zu können ist es vielfach erforderlich, das Chokemanifold auf einer erhöhten Bühne unterzubringen. Ist das nicht möglich, so sollte die Leitung in einem lang gezogenen Bogen zum Manifold am Boden geführt werden. Hierfür eignen sich insbesondere die neben den starren Leitungen ebenfalls zugelassenen Hochdruckschläuche. Die Durchmesser der ChokeLines sollten nach API so gewählt werden, dass erhöhte Erosion oder erhöhte Reibungsdrücke vermieden werden. In der Regel wird für die Choke-Line ein Nenndurchmesser von 3“ als ausreichend angesehen, wobei dieser Durchmesser nach API als Minimumdurchmesser anzusehen ist (2M Ausführung mit 2“ Durchmesser). Wie aus den entsprechenden Abbildungen zu entnehmen ist, geht die Choke-Line in das Chokemanifold über. Hierbei handelt es sich um einen Verteiler, bestehend aus in der Regel drei parallel zueinander verlaufenden Rohrleitungen, die auf der zum Bohrloch hingewandten Seite wie auch auf der vom Bohrloch abgewandten Seite jeweils mit einer quer verlaufenden Rohrleitung verbunden ist, so dass das aus dem Bohrloch austretenden Medium von der ChokeLine aus auf verschiedene Rohrstränge verteilt werden kann.
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Abb. J-45: Chokeline Manifold nach CAMERON
Der mittlere Rohrstrang hat meistens einen Durchmesser von 4“ (bei 2M und 3M Ausführungen auch 3“), sollte aber nach API RP 53 mindestens denselben Durchmesser haben wie die Choke-Line. Sie ist die gerade Verlängerung der Choke-Line. Sie wird als Bleed-Line oder Vent-Line bezeichnet und führt auf direktem Wege, also ohne Krümmer oder Bögen, zur Schlammgrube.
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
Die Bleed-Line umgeht die Düsen und erlaubt es, Bohrlochinhalt bei geschlossenen Preventern mit dem minimal möglichen Gegendruck auszuzirkulieren. Außerdem können dabei große Volumina an Bohrlochinhalt auszirkuliert werden, was u.a. dann erforderlich ist, wenn der Ringraumdruck (Casingdruck) sehr hoch ist und reduziert werden soll. Die beiden äußeren Rohrleitungen enthalten jeweils eine Düse, wie u.a. in der BVOT vorgesehen. Dabei ist meistens eine Düse fernsteuerbar, während die zweite handsteuerbar ist. Diese Leitungen haben meistens einen 2“ Durchmesser. Diese Verdoppelung sollte immer gewählt werden, um erodierte, verstopfte oder sonst wie blockierte Leitungen oder Installationen in den Leitungen isolieren und reparieren zu können, ohne dass die Zirkulation unterbrochen werden müsste. Die hintere Querverbindung besteht entweder aus einer Rohrleitung oder einem Stahlkörper, in den eine axiale, zylindrische Öffnung gebohrt wurde. Dieses Rohr wird als Entspannungsrohr (buffer tank = Puffertank) bezeichnet, da sich hier die in der Düse druckreduzierte Flüssigkeit entspannt und dann zur Fackel, zum Mud-Gas-Separator, zur Schüttelsiebgrube oder zu einem Tank geleitet wird. Da hier sehr hohe Strömungsgeschwindigkeiten mit entsprechenden Erosionserscheinungen auftreten können, wird statt einer einfachen Rohrleitung vielfach ein verstärktes Rohr oder der o.g. Stahlkörper mit Axialbohrung gewählt. Eine räumliche Darstellung des Chokeline Manifolds ist Abb. J-45 zu entnehmen. Um den aus der Bohrung austretenden Flüssigkeits- oder Gasstrom zu kanalisieren, müssen sich in den einzelnen Leitungsabschnitten entsprechende Schieber befinden. Dabei handelt es sich in der Regel um handbetätigte Plattenschieber mit Flansch- oder Gewindeanschlüssen und Nenndruckstufen von 2000 psi (138 bar) bis 20 000 psi (1380 bar). Der Spaten ist ein formgeschmiedeter Körper, der schwimmend gelagert ist und durch dem Druck des Mediums, das gegen ihn an-steht, gegen den Sitz gepresst wird. Manuell betätigte Schieber dichten immer in beiden Richtung ab. Der Spaten hat im unteren Bereich eine Bohrung, deren Durchmesser mit dem Nenndurchgang übereinstimmt. Wird der Schieber geschlossen, so wird der Spaten mit
Abb. J-46: Chokeline-Schieber (Plattenschieber) nach [CAMERON]
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7 Choke- und Kill-Lines, Chokemanifold, Düsen
tels einer Spindel nach unten bewegt, wobei die Öffnung in den unteren Bereich des Schiebergehäuses gefahren wird. Die Spindel ist mit einem Adapter am Spaten über einen Scherstift verbunden, der abschert, wenn die Kräfte beim Fahren des Schiebers zu hoch werden. Damit soll eine Beschädigung von Spaten und Dichtsitz verhindert werden. Die Schieber sollen nach API RP 53 voll zu öffnen sein, da sie ansonsten zu starken Erosionserscheinungen unterliegen würden (Abb. J-46). Da immer dann, wenn mit der manuell betätigten Düse gearbeitet wird, der Gestängedruck, der konstant gehalten werden muss beim Auszirkulieren eines Kicks, wie auch der Ringraumdruck dem Düsenoperator bekannt sein müssen, müssen sich entsprechende Anzeigegeräte am Chokemanifold befinden.
7.3 Düsen (Chokes)
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Die Hauptaufgabe des Chokemanifolds ist die Druckreduzierung des vom Bohrloch über die Choke-Line herangeführten, unter hohem Druck stehenden Mediums, das auszirkuliert werden soll, wobei der Gegendruck so eingestellt werden muss, dass der Bohrlochsohlendruck konstant bleibt. Diese Druckreduzierung bzw. -einstellung wird von den Düsen bewerkstelligt. Wie bereits zuvor zum Ausdruck gebracht wurde, sind fernsteuerbare und manuell betätigte Düsen im Einsatz. Die handsteuerbaren Düsen sind entweder Nadelventildüsen oder Zylinderdüsen (analog der fernsteuerbaren CAMERON Düse). Bei diesen Düsen wird die Nadel bzw. der Zylinder durch eine mittels Handrad betätigte Spindel in den Ventilsitz bewegt. Nachteilig ist, dass diese Düsen weniger feinfühlig gefahren werden können als die fernsteuerbaren Düsen, und dass der Düsenoperator keinen direkten Kontakt zum Pumpenoperator hat, sodass die Kommunikation etwas schwieriger wird. Aus diesen Gründen werden Totpumpoperationen bevorzugt über die fernsteuerbare Düse abgewickelt. Hier gibt es, je nach Hersteller, verschiedene Operationsmechanismen. Eine Möglichkeit, den Fließquerschnitt zu verändern ist, ein Gummielement in einen rohrförmigen Körper einzubauen und damit den Querschnitt zu variieren. Bei dem Gummikörper handelt es sich in der Regel um ein rohrförmiges Gebilde mit rundem oder sternförmigen Innenquerschnitt im Durchmesser der Rohrleitung, in die die Düse eingebaut ist (z. B. 2“). Um den Querschnitt zu verringern, wird nun entweder ein Ringkolben axial auf den Gummikörper gepresst,
Abb. J-47: Prinzip der SiWACO-MAGCOBAR Düse [SiWACO]
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
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wobei dieser zur Mitte hin ausweicht und den Fließquerschnitt verringert (Prinzip SWACOMAGCOBAR, Abb. I-47), oder es wird das Gummirohr von außen mit Druck beaufschlagt und dabei zur Mitte hin bewegt (Prinzip REAGAN ABC Valve, Abb. J-48. Die Gummidüse nach dem Prinzip von DRILLING WELL CONTROL CR (Abb. J-49) hat einen sternförmigen Innenquerschnitt und arbeitet nach dem SWACO-MAGCOBAR-Prinzip gem. Abb. J-47. Besonderheit bei der REAGAN Düse ist, dass die Gummipackung um einen Dorn (Kontrollmandrel) schließt, so dass der Gummi nicht bis in die Mitte der Bohrung gepresst werden muss.
Abb. J-48: Prinzip der DRILLING WELL CONTROL CPR Düse [SiWACO]
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Abb. J-49: Prinzip der DRESSER-MAGCOBAR Super Choke
CAMERON (Abb. J-50) arbeitet mit einer analogen, rechtwinkligen Anordnung der Düse, allerdings wird hier ein Zylinder mehr oder weniger in einen Sitz gefahren, sodass der verbleibende Spalt den geforderten Rückstau ergibt. Da der Zylinder angefasst ist und sich im Sitz eine entsprechende Ausnehmung befindet, kann mittels dieser Düse ebenso wie mit der DRESSER-MAGCOBAR Düse ein Totalabschluss der Choke-Line bewirkt werden. Bei den Gummidüsen ist das naturgemäß nicht gegeben, so dass hier ein Abschluss mittels eines zusätzlichen Schiebers erfolgen muss. Außerdem sind Düsen mit Stahlkörpern verschleißresistenter als solche mit Gummikörpern. Die CAMERON Düse wird hydraulisch über die Leitungsanschlüsse 1 (= Schließen) bzw. 2 (= Öffnen) gefahren. Die ferngesteuerten Düsen werden entweder hydraulisch oder pneumatisch betätigt über die entsprechenden Kolben oder Stellgetriebe mit zugehörigen Motoren.
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7 Choke- und Kill-Lines, Chokemanifold, Düsen
Fliesrichtung Abb.J-50: CAMERON Düse [CAMERON]
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Chokemanifolds für höhere Druckstufen haben vielfach noch eine vierte Leitung mit einer manuell zu betätigenden Düse, wenn z. B. zwei fernsteuerbare Düsen eingebaut sind. Diese Vorrichtung ist immer dann sinnvoll, wenn die zweite Düse ebenfalls fernsteuerbar ist, und wenn sich nur ein Fernsteuerstand für die Düsen auf der Arbeitsbühne befindet, der dann im Notfall möglicherweise nicht mehr zu erreichen und zu bedienen ist. Wird ein zweiter Fernsteuerstand im Bereich des Chokemanifolds installiert, was heutzutage immer häufiger praktiziert wird, so können die handbetätigte Düse und die zusätzliche Leitung entfallen. Die ferngesteuerten Düsen benötigen eine bestimmte Zeit zum Öffnen bzw. Schließen. Diese lässt sich an einigen Düsen einstellen. Dabei ist davon auszugehen, dass ein Zeitbedarf von 30 Sekunden nicht überschritten wird, wobei jeweils von Endstellung (vollständig offen oder geschlossen) zu Endstellung gerechnet wird.
7.4 Kill-Lines Kill-Lines oder Totpumpleitungen sind integrierter Bestandteil des übertägigen Bohrlochkontroll-Equipments. Sie ermöglichen eine Zirkulation durch die Bohrung bei geschlossenen Preventern auch dann, wenn nicht durch den Bohrstrang zirkuliert werden kann. Die Kill-Line verbindet das Steigleitungsmanifold mit dem Preventerstack und ist hier gegenüber der ChokeLine entweder am Preventerkörper oder am Drilling Spool angeflanscht. Dadurch wird eine Verbindung von der Pumpe über die Steigleitung bis zum Bohrlochkopf hergestellt. Grundsätzlich gelten nach API RP 53 für Kill-Lines dieselben Empfehlungen wie für ChokeLines und Chokemanifolds. Als minimaler Nenndurchmesser werden 2“ empfohlen, und bei Kill-Lines für Nenndrücke von 5M und mehr werden in der Leitung zwei Schieber empfohlen, wobei bei 2M Nenndruckstufe auch ein Schieber als ausreichend angesehen wird.
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
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Abb. J-51: Kill-Line für Nenndruckstufen 2M und 3M nach API RP 53 [API]
Abb. J-51 zeigt ein Beispiel für eine 2M und 3M Kill-Line, Abb. J-52 eine solche für Nenndruckstufen von 5M, 10M und 15M. Wie aus Abb. J-52 ersichtlich, wird für höhere Nenndrücke ein zusätzlicher Abgang (remote Pump Connection) empfohlen, um den Bohrlochkopf für den Fall, dass die normale Spülpumpe ausfällt oder nicht mehr ausreicht, um eine Bohrung totzupumpen, direkt mit einer Hochdruckpumpe (z. B. Zementierpumpe) verbinden zu können. Das macht aber nur dann Sinn, wenn eine solche Hochdruckpumpe fest auf der Anlage installiert ist oder als Standby vorgehalten wird. Muss die Hochdruckpumpe erst zur Lokation transportiert werden, so kann sie dann auch über die Steigleitung oder anderweitig mit dem Bohrlochkopf verbunden werden. Ein Manometer zur Druckanzeige sollte auch in der Kill Line vorhanden sein. Vielfach wird auch ein Rückschlagventil eingebaut, um einen bohrlochseitigen Druck zurückzuhalten.
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Abb. J-52: Kill-Line für Nenndruckstufen 5M, 10M und 15M nach API RP [API]
7.5 Düsen-Fernsteuerstand Die fernsteuerbare Düse wird in der Regel von einem auf der Arbeitsbühne befindlichen Fernsteuerstand aus betätigt. Daneben ist es auch möglich, noch einen zweiten Fernsteuerstand im Bereich des Chokemanifolds zu installieren, um dann, wenn der Fernsteuerstand von der Arbeitsbühne aus nicht mehr betätigt werden kann, von hier aus die fernsteuerbare Düse betätigen und damit nutzen zu können.
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7 Choke- und Kill-Lines, Chokemanifold, Düsen
Abb. J-53: Düsen-Fernsteuerstand nach CAMERON (links) und SWACO (rechts) [CAMERON]
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Der Fernsteuerstand (Abb. J-53) bietet die Möglichkeit, die Düse (bzw. die Düsen) zu öffnen bzw. zu schließen, wobei ein entsprechendes Gerät die jeweilige Position der Düse angibt. Die Düsenstellung wird in der Regel in Achteln angegeben. Das bedeutet, dass 8/8 die geöffnete, und 1/8 die geschlossene Position anzeigt. Sind zwei fernsteuerbare Düsen installiert, so kann zwischen Düse 1 und Düse 2 umgeschaltet werden. Teilweise wird optisch angezeigt, welche Düse aktiviert ist. Daneben werden Gestänge- und Ringraumdruck angezeigt, sowie ggfs. die Drücke auf der Hydraulik- bzw. Luftleitung für die Betätigung der Düse, je nachdem mit welchem System gearbeitet wird. Daneben gibt es einen Pumpenhubzähler, damit beim Totpumpen jeweils ermittelt werden kann, wo sich die Totpumpspülung befindet. Einige Fabrikate haben die Möglichkeit, eine MAASP Begrenzung einzustellen. Dabei wird der MAASP als maximaler Ringraumkopfdruck eingestellt. Erreicht der effektive Ringraumkopfdruck diesen Wert, so wird das optisch und/oder akustisch angezeigt. Gleichzeitig öffnet die Düse soweit, dass der Ringraumkopfdruck bis zum Grenzwert absinkt und fährt dann automatisch wieder auf den eingestellten Öffnungsbetrag zurück. Eine solche Automatik mag gegebenenfalls Sinn machen, wenn der Ringraumkopfdruck kurzfristig ansteigt, weil die Düse durch Feststoffe verstopft und damit blockiert. Sie ist auch ideal beim Anfahren der Pumpen, weil für diesen kurzen Zeitraum der Ringraumdruck konstant gehalten werden soll, bis der Gestängedruck auf den Anfangszirkulationsdruck hochgefahren wurde. Diese Operation ist mittels der Automatik einfacher durchzuführen als manuell. Steigt jedoch der Ringraumkopfdruck beim Auszirkulieren eines Kicks oder unmittelbar nach dem Einschließen der Bohrung über den MAASP, so bewirkt ein Öffnen der Düse, dass der Bohrlochsohlendruck unter den Formationsporendruck sinkt, sodass ein erneuter Zufluss stattfindet. Dadurch wird das Druckgleichgewicht in der Bohrung erheblich gestört. Je größer das Zuflussvolumen, desto höher die Drücke im Ringraum. Das kann schnell zu einem UntertageBlowout führen.
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
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Generell kann aufgrund von Erfahrungen und den gemachten Ausführungen nur empfohlen werden, diese Automatik, so sie denn eingebaut ist, für den normalen Totpumpprozess auszuschalten (diese Möglichkeit besteht immer) oder dauerhaft außer Funktion zu setzen, um Schäden von der Bohrung beim Auszirkulieren oder Totpumpen abzuwenden.
7.6 Druck- und Funktionsprüfungen von Druckkontrolleinrichtungen Funktions- und Sicherheitsüberprüfungen der Druckkontrolleinrichtungen sind u.a. in der BVOT wie auch in den einschlägigen API Recommended Practices vorgesehen bzw. gefordert.
7.6.1 Funktionsprüfungen Druckkontrolleinrichtungen sind nach BVOT „in vom Unternehmer festzusetzenden Fristen regelmäßig Funktions- und Druckprüfungen zu unterziehen“. In der Regel werden Funktionsprüfungen nach jedem Roundtrip, einmal pro Tag oder einmal pro Schicht durchgeführt, je nachdem, wie kritisch die anstehende Bohrphase ist. Steht das Anbohren eines unter Hochdruck stehenden Trägers unmittelbar bevor, so sollte auf jeden Fall sichergestellt sein, dass alle Druckkontrolleinrichtungen funktionsfähig sind. Dabei sollen alle Preventer geschlossen und geöffnet werden, wobei Backenpreventer mit Gestängebacken nur um ein entsprechendes Gestänge geschlossen werden sollten, weil es ansonsten zu Beschädigungen der Dichtungen kommen kann. Das gilt auch für den Ringpreventer, der um ein geeignetes Rohr zu schließen ist. Dieser Test sollte mindestens einmal pro Woche erfolgen. Die genannten Tests sind zum einen direkt von der Preventerschließanlage aus, zum andern vom Fernsteuerstand aus durchzuführen. Auch sollen alle Schieber und Düsen in der Kill- und Choke-Line mindestens einmal pro Woche einem Funktionstest unterzogen werden. Das gilt auch für die Druckspeicheranlage. Funktionstests sind aber auch durchzuführen, wenn die gesamte Druckkontrollanlage erstmalig aufgebaut, umgebaut oder repariert wurde oder wenn ein Backenwechsel vorgenommen wurde, um sicher zu stellen, dass alle Leitungen etc. richtig angeschlossen und betriebsbereit sind.
7.6.2 Druckprüfungen Druckprüfungen sind nach BVOT wie die Funktionsprüfungen nach dem erstmaligen Aufbau, nach jedem Umbau, nach jeder Instandsetzung und nach jedem Backenwechsel sowie in vom Unternehmer festzusetzenden Fristen regelmäßig durchzuführen. Dabei muss der Prüfdruck wenigstens dem höchsten am Bohrlochkopf zu erwartenden Druck entsprechen. Ringpreventer dürfen dagegen mit einem um 30% niedrigeren Druck geprüft werden. Zum Testen wird meistens Wasser verwendet. Soll ein Test trotzdem mit Gas durchgeführt werden, so ist ein Inertgas wie Stickstoff zu verwenden, damit zusammen mit Kohlenwasserstoffen kein explosibles Gemisch entsteht.
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Getestet werden alle Teile der Druckkontrolleinrichtungen abschnittsweise, sodass Leckagen schnell erkannt und eingegrenzt werden können. Dazu bedient man sich teilweise spezieller Testgarnituren, auf die nachstehend eingegangen wird. Folgende Testprozedur wird vorgeschlagen: 1. Abdrücken des gesamten Futterrohrstranges, des Bohrlochkopfes und der Anschlüsse (Abb. J-54) Dieser Test wird i. A. im Anschluss an den Rohreinbau und die Zementation durchgeführt. Dabei sollte beachtet werden, dass der Test unmittelbar nach dem Verpumpen der Zementschlämme erfolgt, also zu einem Zeitpunkt, wo die Zementschlämme noch nicht abgebunden hat. Sie ist dann in der Lage, sowohl dem sich ausdehnenden Rohr zu folgen wie auch nach Ablassen des Druckes die Schrumpfung mitzumachen. So kann die Gefahr der Bildung von Mikroringräumen entgegengewirkt werden.
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Abb. J-54: Abdrücken des gesamten Futterrohrstranges, des Bohrlochkopfes und der Anschlüsse [CAMERON]
Bei diesem Test werden die Blindbacken und alle seitlichen Auslässe von Kill- und ChokeLine geschlossen. Es wird ein Druck aufgebracht, der maximal 80% des zulässigen Innendruckes des obersten Futterrohres entspricht. Nachteilig bei diesem Test ist, dass Undichtigkeiten unter Tage nicht lokalisiert werden können, da die gesamte Rohrtour getestet wird. Das Testmedium wird mittels einer Dosierpumpe über die Kill-Line in die Druckkammer gepumpt.
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
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Abb. J-55: Abdrücken der oberen Futterrohrverbindung, des Bohrlochkopfes und der Anschlüsse nach dem Aufbohren des Rohrschuhs [CAMERON]
2. Abdrücken der oberen Futterrohrverbindung nach dem Aufbohren des Rohrschuhs (Abb. J-55) Nach dem Aufbohren des Rohrschuhs würde ein Test auf die gesamte Rohrtour, wie vorstehend beschrieben, auch den bereits erbohrten Teil des Bohrloches unterhalb des Rohrschuhs erfassen. Ein solcher Test ist nur dann sinnvoll, wenn die Güte der Zementation getestet werden soll, nicht aber die Dichtigkeit von Bohrlochkopf und Anschlüssen. Aus diesem Grund wird unmittelbar unterhalb der obersten Futterrohrverbindung ein Testpacker eingebaut, so dass der Testdruck nur ab dieser Verbindung ansteht. Der Testpacker (Abb. J-56) wird am Gestänge in die Bohrung eingelassen. Das oberhalb eingebrachte Testmedium drückt, wenn es unter Druck steht, die Manschetten oder Lippen des Packers gegen die Rohrwandung und dichtet somit ab. Der Packer wird wegen seiner Form auch als Cup Type Tester bezeichnet.
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Abb. J-56: Manschetten- oder Cup Type Tester
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Abb. J-57: Abdrücken der Blindbacken [CAMERON]
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
Das Testmedium kann nun, nach dem Schließen eines Gestänge-Backen-Preventers und der seitlichen Auslässe entweder in die dadurch entstehende Druckkammer unter Druck eingepumpt werden, wie bereits vorstehend beschrieben, oder es wird der Packer am Gestänge aufwärts gefahren, so dass das Testmedium komprimiert wird, solange, bis das Testmedium unter Testdruck steht. Wird letzteres Vorgehen praktiziert, so ist zuvor zu prüfen, ob das Gestänge, an dem sich der Packer befindet, mit der erforderlichen Axialkraft beaufschlagt werden kann, um den Testdruck zu erzeugen. 3. Abdrücken der Blindbacken (Abb. J-57) Hierbei wird das Bohrloch mittels eines Konuspackers nach unten hin abgedichtet. Dieser Packer (Abb. J-58) besteht aus einem massiven Stahlkörper mit Dichtungsringen an der Außenseite sowie einem Tool Joint Zapfenanschluss im unteren und einem Muffenanschluss im oberen Bereich. Der Packer wird am Bohrgestänge in den konischen Teil des Bohrlochkopfes gefahren und dort abgesetzt. Um ihm ein höheres Gewicht und damit eine verbesserte Anfangsdichtheit zu geben, werden in der Regel unterhalb des Packers einige Schwerstangen befestigt, die den Packer in den Konus hineinziehen. 4. Abdrücken der Gestängebacken, des Ringpreventers, der Kill- und Choke-Lines, des Chokemanifolds und aller Schieber und Düsen (Abb. J-59) Um diese Tests durchführen zu können, wird wiederum ein Konuspacker am Gestänge eingefahren und abgesetzt. In diesem Fall wird jedoch das Setzgestänge nicht ausgebaut, sondern über den Spülkopf mit der Testpumpe verbunden. Das Testmedium wird durch das Gestänge über eine Bohrung im Packer oder eine Öffnung in einem oberhalb des Packers befindlichen Übergang in die Druckkammer gepumpt. Nun kann jeweils ein Gestänge-Backen-Preventer geschlossen und getestet werden. Gleiches gilt auch für den Ringpreventer.
Abb. J-58: Testen von Gestängepreventern, Kelly Hähnen, Spülkopf, Spülschlauch und Steigleitung
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Auch können sämtliche seitlichen Abgänge, die Kill-Lines und die Choke-Lines und sämtliche dort installierten Schieber getestet werden, bis hin zum Standpipe Manifold und zum Chokemanifold. Sind z. B. in die Kill-Lines Rückschlagventile eingebaut, so sind diese vor dem Test zu entfernen, da ansonsten die nachfolgenden Schieber nicht von der Bohrlochseite aus getestet werden können. 5. Testen von Gestängepreventern, Kelly Hähnen, Spülkopf, Spülschlauch und Steigleitung (Abb. 7-20) Zum Testen dieser Geräteteile wird am unteren Ende der Mitnehmerstange ein Testjoint mit seitlichem Anschluss für eine Testpumpe angeschraubt. Mittels der Testpumpe kann dann ein Testmedium in die genannten Teile injiziert werden. Die aufzubringenden Testdrücke sollten immer so bemessen sein, dass die Dichtheit der getesteten Elemente sichergestellt wird, dass aber Beschädigungen auszuschließen sind. API RP 53 besagt, dass Backenpreventer zunächst nach dem Schließen mit 1500 psi (103 bar) mit einem Druck von nur 200 -300 psi (=14-21 bar) abgedrückt werden, weil die Backen dazu tendieren, bei höheren Drücken eher abzudichten als bei niedrigeren. Das liegt daran, dass der Bohrlochdruck unter die Backen wirkt und damit den Schließprozess unterstützt.
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Abb. J-59: Testen von Gestängepreventern, Kelly Hähnen, Spülkopf, Spülschlauch und Steigleitung [CAMERON]
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
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So kann es vorkommen, dass die Backen bei hohen Einschließdrücken zwar dicht sind, bei niedrigeren jedoch Leckagen zeigen. Zeigen sich bei Aufbringen der niedrigeren Testdrücke nach 3Im Rahmen einer besonderen Testprozedur sollen auch die Dichtungen zwischen der Öffnungs- und der Schließkammer sowie die Kolbendichtungen überprüft wer-den. Hier sei auf die Testabfolgen in API RP 53 verwiesen.
J Abb. J-70: Ansicht eines Gestängepreventers
Die vorstehenden Empfehlungen für das Testen von Ringpreventern beziehen sich jedoch nur auf solche Preventer, deren Schließvorgang nicht von Bohrlochdruck unterstützt wird. Diese Art von Ringpreventern muss nach den von den Herstellern aufgestellten Testempfehlungen getestet werden, da ansonsten zu hohe Drücke aufgebracht werden könnten, die zur Zerstörung von Dichtmanschetten und anderen beweglichen Teilen führen könnten.
8 Messgeräte für die Bohrlochkontrolle Es Wurde bereits auf einige Geräte hingewiesen, die beim Erkennen von Kicksituationen eine Rolle spielen. Hier sind vor allem die Geräte zu nennen, die anzeigen, dass mehr Spülung aus einer Bohrung austritt, als hineingepumpt wurde.
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8 Messgeräte für die Bohrlochkontrolle
8.1 Auslaufmessgerät Die erste Anzeige darüber, dass mehr Spülung aus einer Bohrung ausfließt als hinein gepumpt wird erhält man durch das Auslaufmessgerät (Flowline Indicator). Hierbei handelt es sich um ein Durchflussmessgerät, das die Volumenstromrate ermittelt. Das kann z. B. in offenen Spülungsrinnen mittels eines Paddels mechanisch erfolgen, wobei das Paddel auf dem Spülstrom schwimmt. Tritt mehr Spülung aus, so wird das Niveau des Spülstroms ansteigen, das Paddel nach oben ausgelenkt und dabei die Veränderung pneumatisch auf ein Anzeigegerät übertragen. Das Anzeigegerät ist in der Regel so gebaut, dass der Zeiger eine Mittelposition einnimmt, sodass sowohl Zuflüsse wie auch Verluste angezeigt werden. In geschlossenen Auslaufrohren wird der Volumenstrom meistens induktiv oder per Ultraschall erfasst und ausgewertet. Die induktive Methode hat den Nachteil, dass damit nur leitfähige Spülungen erfasst werden können. Bei Ölspülungen würde die Messung demzufolge nicht funktionieren. Deshalb ist die Ultraschall-Messung heute als Stand der Technik zu verstehen. Hierbei wird die Oberfläche des Spülungsstromes per Schallwellen abgetastet. Die Werte werden dann in entsprechende Messimpulse umgesetzt und dem Messinstrument zugeführt. Die Anzeige ist jeweils auf einen bestimmten Wert einzustellen, der der vorgegebenen Volumenstromrate entspricht. Bei Veränderungen erfolgt nicht nur eine Auslenkung des Zeigers, sondern meistens noch eine optische und/oder akustische Anzeige, sodass das Messgerät nicht kontinuierlich beobachtet werden muss.
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8.2 Tankstandsanzeige Die Tankstandsanzeige misst den Spülungsspiegel im Tanksystem bzw. in einem separaten Tank. Wird ein konstanter Volumenstrom durch die Bohrung gepumpt, so bleibt der Tankspiegel naturgemäß konstant, da immer die gleiche Menge (Volumen) an Spülung im Saugtank abgezogen und über den Auslauf dem System wieder zugeführt wird. Fließt nun mehr Spülung aus als abgesaugt wird, so steigt der Tankstand an. Allerdings ist bei solchen Messungen zu bedenken, dass bei einem normalen 50 m3 Spülungstank die Tankoberfläche etwa 20 – 25 m2 beträgt. Bei einer Änderung des Tankspiegels um nur 1 cm entspricht das einem Volumen von etwa 250 Litern. Da aber der Tankinhalt ständig gerührt werden muss bedeutet das, dass die Messgenauigkeit gröber als 1 cm Spiegeländerung sein müsste, weil ansonsten infolge der Wellenbewegung ständig Alarm signalisiert würde. Das bedeutet, dass schon ein beträchtlicher Zufluss stattgefunden haben muss, ehe es hier zu einer Anzeige kommt. Um diesen Fehler auszuschalten sind moderne Tankstandsindikatoren in der Lage, eine ständige Mittelung der Messwerte vorzunehmen, sodass die genannten Schwankungen ausgeglichen werden können. Die Anzeige erfolgt meistens direkt in Kubikmetern. Wird das Messgerät auf null gestellt, so kann der Zufluss im Tank direkt in Volumeneinheiten abgelesen werden. Für die Tankstandsanzeige wird entweder der herkömmliche Schwimmer verwendet, wobei ein Schwimmkörper auf dem Tankspiegel schwimmt und bei vertikaler Bewegung eine Spindel bewegt, die wiederum auf resistivem oder kapazitivem Wege einen Strom erzeugt und zum Anzeigegerät überträgt. Eine andere Möglichkeit der Messung geschieht auch hier mittels Ultraschall. Allerdings wird der Schall bei verschäumter Spülung bereits an der Schaumoberfläche reflektiert, sodass dann der echte Spülungsspiegel nicht erfasst werden kann, was bei stark verschäumter Spülung
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
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schnell zu Missweisungen führen kann. Die Ultraschallgeräte sind meistens mit einem Computer verbunden und messen in bestimmten Zeitintervallen. Dabei werden Spiegelveränderungen nur dann weitergegeben, wenn sie realistisch sind. Würde z. B. das Paddel eines Rührwerkes in den Messstrahl gelangen und dabei unrealistische Zuoder Abnahmen des Tankspiegels anzeigen, so wird diese Messung eliminiert.
8.3 Moderne Kick-Früherkennungssyteme Die vorstehend geschilderten Kickerkennungssysteme haben den Nachteil, dass sie ein relativ großes Zuflussvolumen benötigen, ehe sie einen Zufluss anzeigen. Das ist bei Slimholes nicht mehr tragbar. Generell geht man davon aus, dass der Zufluss nicht mehr als etwa 50 m im Ringraum zwischen Bohrloch und Bottom Hole Assembly (BHA) einnehmen sollte. Das entspricht bei einem 8.1/2“ Bohrloch mit entsprechendem BHA etwa 900 Liter, bei einem 5.7/8“ Bohrloch 250 Liter und bei einem 4.1/8“ Bohrloch ca. 100 Liter. Um derart geringe Zuflüsse erkennen zu können, muss deshalb die Volumenstromrate, die in das Bohrloch gepumpt wird, mit der, die aus dem Bohrloch austritt, verglichen werden (flow in ./. flow out). Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass es verschiedene Betriebssituationen gibt, die einen größeren Ausfluss erzeugen, und somit einen Kick simulieren. Das ist u.a. der Fall, wenn ein Short Trip gefahren wird und der Strang wieder auf Sohle bewegt wird. In einem solchen Fall wird mehr Spülung aus dem Bohrloch verdrängt als eingepumpt wird. Die Kick Detection Systeme dieser Art müssen deshalb auch die Hakenposition mit berücksichtigen und daraus auf Kick Situationen schließen oder diese ausschließen. Darüber hinaus sollten sie auch dann praktikabel sein, wenn Strangelemente nachgesetzt werden, wenn nur zirkuliert wird, oder wenn ein Flow Check durchgeführt wird. Die Kick Detection Systeme, die speziell für das Slimholebohren (Bohrungen mit kleinen Durchmessern) entwickelt wurden, zeigen Differenzströme bereits ab 20 – 30 Litern an und sind teilweise sogar in der Lage, den Einschließvorgang einer Bohrung selbstständig einzuleiten, wenn der Driller die Anzeichen übersieht und den Einschließprozess nicht beginnt. Early Kick Detection Systeme wurden auch für normale Tiefbohranlagen entwickelt, wo sie sich in Testläufen teilweise recht gut bewährt haben. Zur Standardausrüstung von Tiefbohranlagen gehören sie allerdings noch nicht. Sie sind allerdings eine zwingende Voraussetzung für das Slimholebohren
9 Ölunfall im Golf von Mexiko 9.1 Allgemeines Die große Bedeutung der Bohrlochkontrolle und Bohrloch-Sicherheitsabsperrungen hat der Unfall auf der Tiefseeplattform „Deepwater Horizon“ (eine von ca. 800 Bohranlagern im Golf von Mexiko am 20. April 2010 gezeigt. Er gehört zu den bisher schwersten Unfällen in der Offshore-Ölgewinnung.
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9 Ölunfall im Golf von Mexiko
Elf Bohrarbeiter kamen dabei ca. 80 km vor der Küste Louisianas um Leben. 115 konnten sich durch einen Sprung in das 22 m tiefer liegende Wasser retten. Bis zum Abschluss dieses Buchprojektes ca. Ende Juli 2010 sprudelten täglich ca. 9 Millionen Liter Rohöl in den Golf von Mexiko und hatten bis zu diesem Zeitpunkt bereits die Küste von Louisiana erreicht. Dort führt es zu einer Naturkatastrophe mit unvorstellbaren Ausmaßen.
9.2 Die Bohrplattform Die Deepwater Horizon war eine Ölbohrplattform im Golf von Mexiko. Die Plattform wurde 2001 bereitgestellt, die Firma Transocean betrieb sie im Auftrag des Leasingnehmers BP für Ölbohrungen in rund 1500 Meter tiefen Gewässern. Die Explorations-Plattform war eine dynamisch positionierte Halbtaucherkonstruktion, sie ruhte also auf vier teilweise in das Meer eingetauchten Säulen, die von unter Wasser befindlichen Auftriebskörpern getragen wurden. Technische Daten der Plattform:
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Kiellegung: Werft: Stapellauf: / gesunken: Eigner und Betreiber: Pächter: Baukosten: Länge/Breite/Tiefe Tiefgang im Betrieb Verdrängung: Tragfähigkeit Maschinen-Energieversorgung: Antrieb / Geschwindigkeit
Dezember 1998 Hyundai Heavy Südkorea Februar 2001 / 22.April 2010 Transocean BP 350 Mil. Dollar 124 / 78 /41 m 23 m 52.887 Tonnen 8.202 t 43.735 kW 44 MW / ca. 4 Knoten
Von der Deepwater Horizon wurde am 2. September 2009 im Tiber-Ölfeld in einer Meerestiefe von 1.250 Metern die bisher weltweit tiefste Bohrung ihrer Art bis in 10.685 Meter getrieben. Seit Februar 2010 bohrte die Ölbohrplattform 84 Kilometer südöstlich von Venice, Louisiana das Macondo-Ölfeld an, um es zu erkunden.
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
Abb. J-61: Die Deepwater Horizon, eines der modernsten Bohrplattformen der Welt, auf dem Weg zum Einsatzort [Freigabe von Transozian]
9.3 Der Unfallhergang Bisher ist folgendes Bekannt geworden: Am 20. April 2010 ereignete sich um ca. 22:00 Uhr US Central Standard Time auf der Deepwater Horizon eine Explosion, der ein Brand folgte. Die eingesetzten Löschboote konnten die Bohrinsel nicht retten, sodass die Plattform am 22. April 2010 sank. 115 Arbeiter konnten gerettet werden, elf blieben vermisst. Der Senat der Vereinigten Staaten hielt am 11. Mai 2010 eine Anhörung ab, in deren Verlauf sich die Vertreter der beteiligten Firmen BP America, Transocean und Halliburton gegenseitig für die Katastrophe verantwortlich machten. Eine vom US-Kongress beauftragte Untersuchung führte zu dem Ergebnis, dass eine Vielzahl menschlicher und technischer Fehler zum Untergang der Bohrinsel führten. Während der Bohrung hatte es eine ungewöhnlich hohe Zahl von Erdgaseinbrüchen („sog. kicks“) in die Bohrung gegeben. Wenige Wochen vor dem Unglück drang so viel Erdgas in das Bohrloch, dass an Deck der Bohrplattform ein Notstopp aller potentiell feuergefährlichen Aktivitäten verhängt werden musste. In den Folgewochen kam es immer wieder zu heftigen Gaseinbrüchen. Das Risiko durch Erdgaseinbrüche in Zusammenhang mit diesem Bohrvorhaben war von BP ein Jahr zuvor als „vernachlässigbar“ bezeichnet worden, obgleich von Regierungsseite deutlich davor gewarnt worden war. Zum Unglückszeitpunkt befand sich die Bohrinsel in 1500 m tiefem Wasser und hatte eine 5500 m tief in den Meeresboden reichende Bohrung fast fertiggestellt. Wenige Stunden vor dem Unfall war das Bohrloch von der Spezial-Firma Halliburton durch Eingießen von Beton befestigt und gesichert worden. Da die Deepwater Horizon eine Bohrplattform, aber keine
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Förderplattform war, sollte die fertiggestellte Bohrung versiegelt werden. Für die Förderung des Öls war eine andere Plattform vorgesehen. Durch einen starken Druckanstieg im Bohrloch kam es jedoch zu einem Blowout (Ausbruch) – in der Fachsprache „Kick. Eine ca. 70 m hohe Wasserfontäne gefolgt von Bohrschlamm, Gas und Öl trat aus. Das in großer Menge unter hohem Druck ausströmendes Erdgas entzündete sich, zum Brand und Explosion der Bohrplattform, die anschließend sank. Die für diesen Fall vorgesehene Schutzvorrichtung, das mehrfach redundant konzipierte zentrale Bohrlochabsprerrvorrichtung (Blowout-Preventer, kurz: BOP), wurde zwar betätigt, funktionierte jedoch nicht.
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Abb. J-62: Löschversuch an der Bohrplattform Deepwater Horizon (Veröffentlichung in Google)
Verfahrensfehler: Entgegen dem ausdrücklichen Wunsch mehrerer Transocean-Mitarbeiter und entgegen üblicher Praxis bestand ein BP-Manager darauf, vor der Erstellung einer zweiten Versiegelung mittels eines Zementstopfens, den schützenden, schweren Bohrschlamm gegen Meerwasser zu tauschen. Ein Sicherheitsexperte, der in der TV-Sendung 60 Minuten danach gefragt wurde, ob der Unfall geschehen wäre, wenn man den Bohrschlamm im Loch belassen hätte, meinte: „Es sieht nicht danach aus“. Obgleich die im Anschluss an die ersten Betonierungsarbeiten durchgeführten Drucktests unbefriedigend ausfielen, hat BP die Befestigungsarbeiten für abgeschlossen erklärt. Da mangelhafte Betonierungsarbeiten in der Vergangenheit mehrfach als eine Ursache für Blowouts angesehen wurden, ist es Gegenstand laufender Untersuchungen, inwieweit die Bohrlochsicherung für das Unglück mitverantwortlich war. Im Verlauf der Öl-Katastrophe wurde bekannt, dass die Nationale Aufsichtsbehörde Minerals Management Service auf die Ausarbeitung eines vorgeschriebenen Notfall-Plans für Unfälle bei vielen Plattformen im Golf von Mexiko verzichtet hat.
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
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Zur Begründung wurde angegeben, dass ein großer Ölunfall unwahrscheinlich bis unmöglich sei und sich die Bohrinsel ohnehin weit genug im Meer befände, sodass selbst im Falle einer Ölpest Küstenregionen nicht betroffen sein würden.
9.4 Versagen des Blowout-Preventers Der eingesetzte Blowout-Preventer (BOP) war in vielerlei Hinsicht schad- und fehlerbehaftet. Eine O-Ring-Dichtung, die im Notfall das Ausströmen von Öl und Gas stoppen soll, war ca. vier Wochen vor dem Unglück beschädigt worden. Die Batterien mindestens einer Steuerungseinheit des Preventers waren leer. Leere Batterien in beiden Steuereinheiten zusammen mit einem Konstruktionsfehler könnten die Ursachen dafür gewesen sein, dass die Totmanneinrichtung des BOP versagte. Ein Druckstempel war nur in einer nicht funktionierenden Testversion verbaut. Es gab Lecks in der Hydraulik durch eine gelockerte Verbindung. Entgegen üblicher Standards fehlte dem BOP eine Fern- und eine Automatikauslösung. Als BP nach dem Unfall von Transocean technische Zeichnungen des verwendeten BOP anforderte, stellte man fest, dass diese nicht zu dem verbauten BOP passten, da er offenbar stark modifiziert worden war. Außerdem wurde klar, dass der BOP zwar den Rohrkörper abquetschen kann, jedoch zu schwach ist, um Verbindungsstücke zusammenzudrücken, die aber ca. 10 % der gesamten Verrohrung ausmachen.
Abb. J-63: Situation im Bereich des Preventers am Meeresboden
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Im Gegensatz zu Onshore-Anlagen (landgestützte Bohranlagern) sind die BOP nicht unmittelbar unterhalb der Arbeitsplattform eingebaut, sondern am Meeresboden (s. Abb. J-63). Das erschwert die Wartung und Funktionsprüfungen der BOP. Außerdem ist die Beanspruchung wesentlich stärker. Alle Arbeiten müssen von Tauchern bzw. ferngesteuerten Robotern ausgeführt werden.
9.5 Auslaufendes Öl und Ölkatastrophe Unmittelbar nach dem Untergang entströmte aus mehreren Bohrlöchern Öl. Verschiedene Gegenmaßnahmen (Chemikalieneinsatz, Abbrennen des Öls an der Wasseroberfläche) konnten die Ausbreitung eines Ölteppichs nicht unterbinden, sodass am 29. April 2010 das Öl erstmals auf die US-Küste traf. Dadurch sind neben Meereslebewesen und -pflanzen im Golf von Mexiko u. a. auch das Flussdelta des Mississippi von einer Ölpest bedroht. Ebenso hatte laut den am 19. Mai 2010 veröffentlichten Bildern des Envisat-Satelliten, das Öl möglicherweise den Loop Current (Schleifenstrom) erreicht.
9.6 Maßnahmen zur Schadensbegrenzung
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Neben einigen anderen Versuchen, das Ausströmen des Rohöls zu stoppen, wurde am 24. Mai 2010 (35. Tag nach der Katastrophe) ein Versuch mit dem sog. „Top Kill“ (Abb. J-64) unternommen
Abb. J-64: Installation der Absaugglocke
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
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Das Verfahren: Schwerer Bohrschlamm wurde an einen Verteiler auf dem Meeresboden im Bereich des Blowout-Preventers gepumpt und von dort über zwei Rohre mit hoher Geschwindigkeit in das System gepresst. Der Schlamm sollte absinken und der Gegendruck der Dichtmasse das aufsteigende Öl zurückhalten. Sobald die Quelle erfolgreich geschlossen war, sollte sie mit Beton verschlossen werden. Der Versuch scheiterte. Ein weiterer Versuch erfolgte am 3. Juni unternommen. Hierbei wurde eine Absaugglocke (Abb. J-64) mit Unterwasser-Robotern über die Schadstelle gestülpt. Nachdem die defekte Leitung zunächst mit Robotern gekappt worden war, sollte die Absaugglocke nun das Abpumpen eines Großteils des ausströmenden Öls ermöglichen. Jedoch trat weiterhin täglich etwa bis etwa 9 Millionen Liter Rohöl (Stand 01.08.2010) aus. Am 15.07.2010 konnte die BP zum ersten Mal nach Eintritt der Katastrophe den Erfolg mit einer verbesserten Glocke (Haube) melden. Danach trat bis zum 30.07.2010 kein Öl mehr aus. Insgesamt sollen seit dem 20.04.2010 ca. eine Mill. Tonnen Öl ausgetreten sein. Eine Entwarnung konnte bis dato allerdings nicht geben werden, da zunächst noch die Druckentwicklung in der Glocke getestet werden musste. Die Glocke könnte sich noch durch den hohen Druck abheben oder das Gas an anderen Stellen austreten. Der letzte Stand bei Reaktionsschluss für dieses Buch (5. August 2010) war, dass Bohrschlamm und Zement in das Bohrloch gepumpt wurde, um die Bohrung vollkommen zu schließen. Fachleute vermuteten daher, dass nur Entlastungsbohrungen das Problem endgültig lösen könnten, mit denen nicht vor August 2010 gerechnet wurde. Bei Abschluss dieses Buches (5. August 2010) standen zwei Entlastungsbohrungen in einer Tiefe von ca. 4.500 m ab Meeresboden. Der Ölteppich hatte sich bis Anfang August 2010 – zumindest oberflächlich – vollkommen aufgelöst. Die Beseitigung der Schäden an den Ufern und Stränden und die Erholung der Tierwelt werden sicherlich noch lange Zeit in Anspruch nehmen.
Abb. J-65: Die verbesserte Abdeckglocken
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Ergänzendes zum Blowout Preventer Der sog. BOP ist im Prinzip eine überdimensionale Kneifzange, die im Ernstfall Bohrrohre, Bohrgestänge und deren Übergänge zusammenkneifen kann. Er hat bei der Deepwater Horinzon eine Höhe von ca. 15 m, ein Gewicht von etwa 450 t und steht ohne besondere Abstützungen auf dem Standrohr der Bohrung. Es dürfte klar sein, dass das über 1500 m lange Risergestänge durch Wellengang und Meeresströmungen ständig in Bewegung ist, daher ist das Risergestänge flexibel (Flexloint) mit dem Preventer verbunden. Der Flexloint (s. Abb. Preventer) erlaubt Bewegungen von ± 10 %. Der Preventer kann bei Offshore Bohranlagen nur per computergesteuerter Hydraulik betätigt und von ferngesteuerten Robotern überwacht werden. Ein weiteres Problem der großen Meerestiefen ist, dass eine Verbindung vom Bohrloch zur Bohranlage (Bohrplattform) zur Förderung des Rohstoffes und Zurückführung der Bohrspülung benötigt wird. Auf einer Landbohranlage wird dies durch das Bohrgestänge realisiert. Der Einsatz eines Riesentankers (Abb. 66), der das ölverschmutzte Meerwasser durch Öffnungen am Rumpf aufsagen, an Bord von der Verschmutzung reinigen und das gereinigte Wasser wieder ins Meer pumpen sollte, führte ebenfalls nicht zum erwartenden Erfolg.
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Abb. J-66: Der Einsatz dieses Riesentankers zum Absaugen des Öles hatte bisher keinen Erfolg.
Weitere Probleme bei Tiefseebohrungen sind: Da eine Bohrplattform auf dem Meer durch Wind, Wellen und Strömung nicht ortsstabil ist und sich mit einer gewissen Geschwindigkeit bewegt, muss eine flexiblere Lösung als die steifen Bohrstangen geschaffen werden. Hierfür wurde der „Marine Riser“ entwickelt. Die klimatischen Verhältnisse, der hohe Druck und die Gase können in Verbindung mit dem Wasser zu Eisbildungen führen, was zu Verstopfungen in den Bohr- bzw. Produktionsrohren sowie zu Funktionsstörungen des Preventers führen kann.
J Bohrlochabsperrungen (Preventer)
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9.7 Gründe für Bohrungen in großen Meerestiefen Der Grund für derartig aufwendige und risikoreiche Projekte liegt nicht zuletzt darin, dass der Umfang der jährlichen Funde von neuen Erdölvorkommen seit etwa Mitte der achtziger Jahre stetig abnimmt. Da die leicht erreichbaren und ausbeutbaren Ölvorkommen zuerst erschlossen wurden und viele Staaten z. B. der OPEC den Zugang zu ihren Ölreserven beschränken, wird es deswegen für nicht auf nationalem Gebiet operierende internationale Erdölunternehmen immer schwieriger und kostspieliger, neue Vorkommen zu erschließen. Zusätzlich wird die Möglichkeit eines bevorstehenden Rückgangs der Ölförderung und damit das Eintreten des globalen Erdölfördermaximums (Peak Oil) von zahlreichen Experten diskutiert, welches voraussichtlich stark steigende Preise für Erdöl nach sich ziehen würde. Die größeren technischen Schwierigkeiten führen, zusammen mit hohen Kosten für Sicherheitsmaßnahmen, auch zu wesentlich höheren Risiken. Aufgrund der Umweltrisiken sind in den USA neue Offshore-Bohrungen in ökologisch verletzbaren Regionen und ihre möglichen ökonomischen Folgen Gegenstand intensiver politischer Debatten. Ständig werden neue Techniken entwickelt, um auch im Bereich der Tiefsee an das kostbare Öl zu kommen. Bei Voruntersuchungen ist man auf große Verkommen (z. B. im Golf von Mexiko, vor der Küste von Brasilien und vor der Westküste von Afrika) gestoßen. Die Meerestiefen betragen hier allerdings mehrere tausend Meter. Von dort aus sind Bohrtiefen von 6.000 m und mehr erforderlich, um die ölhaltigen Schichten zu erreichen. Die Bohrtechniken und Geräte unterscheiden sich hier jedoch wesentlich von Offshorebohrungen im flachen Gewässern und bei Onshore-(Land)- bohrungen.
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9.8 Schlussfolgerung des Autors Jeder Bohrmeister lernt an der Bohrmeisterschule (z. B. Bohrmeisterschule Celle) die Handhabung und Prüfverfahren von Bohrloch-Sicherungseinrichtungen (Preventer oder BOP) sowie die Beachtung von Anzeichen, die einen „sog. Kick“ ankündigen (Kickerkennung), wie sie in diesem Buch auch ausführlich beschrieben werden. Er lernt z. B. welche Gegenmaßnahmen und zu ergreifen bzw. anzuwenden sind, um einen „Kick“ zu vermeiden oder evtl. Folgen zu reduzieren. Gegen diese Grundlagen der Tiefbohrtechnik ist im vorliegenden Fall seitens der Verantwortlichen (Betreiber, Pächter und Behörden) dilettantischer Weise verstoßen worden. Man hat u. a. fehlerhafte Geräte verwendet, vorgeschriebene Prüfungen unterlassen und ist Anzeichen für eine „Kick“ nicht gewissenhaft nachgegangen und hat dabei Menschenleben geopfert. Die gewaltigen Schäden an der Natur den Lebewesen waren zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht voll erkennbar und zählen zu den bisher größten Umweltschäden. Sie nahmen noch Ende Juli 2010 immer größerer Ausmaße an. Während bei den Bohrtechniken immer aufwendigere Geräte entwickelt und eingesetzt werden, sind in der Ölbekämpfung bisher noch keine nennenswerten Fortschritte zu verzeichnen. Die Ölindustrie setzt leider weiterhin auf die natürliche Selbstreinigung (wie im vorliegenden Fall) und gerät dadurch in eine immer schlechtere Beurteilung in der öffentlichen Meinung.
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Abb. J-67: Beispiel für den fast aussichtslosen manuellen Kampf gegen die Ölmassen.
K Besonderheiten der Offshore-Bohrtechnik 1 Offshore- (Meeres-) Bohrtechnik 1.1 Allgemeines Auf der Suche nach Rohstoffen und bei der Erforschung der geologischen Struktur unseres Planeten spielen die Ozeane und Meere, deren Wasserflächen knapp 71% der Oberfläche des Planeten bedecken, eine immer entscheidendere Rolle. Insbesondere die langsam voranschreitende Verknappung von natürlichen Rohstoffen, allen voran Erdöl und Erdgas, zwingen dazu, die Exploration auf die Weltmeere auszudehnen. Aber auch im Bereich der Erforschung der Erdkruste sowie deren Tektonik ist die Erkundung des Meeresbodens von wachsender Bedeutung, da so beispielsweise auch die Vorhersage und Analyse von Erdbeben möglich wird. Rund ein Drittel der Weltmeere weist eine durchschnittliche Tiefe zwischen 4.000 und 5.000 Metern auf. Für die Erkundung und Förderung von Rohstoffen sowie der wissenschaftlichen Exploration des Meeresbodens ist im Vergleich zur landgestützten Aktivität ein gewaltiger technischer Aufwand erforderlich. Dies liegt einerseits daran, dass die klimatischen Bedingungen bedeutend schlechter als an Land sind, aber auch an der mangelnden Infrastruktur auf hoher See. Mit der zunehmenden technologischen Entwicklung nach 1950 sowie der konstant auf moderatem Niveau wachsenden Weltwirtschaft wurde die Entwicklung von Plattformen für den Einsatz auf Hochsee respektive Offshore begünstigt. Die bekanntesten Formen von Offshoreplattformen sind dabei die so genannten Bohrinseln bzw. Ölbohrinseln.
1.2 Entwicklung der Offshore-Bohrtechnik Teilweise nach Informationen u. a. von RWE-DEA, Shell, ExxonMobil u. M. Reich Die erste „Offshore-Bohrung“ wurde um 1900 vor der Küste Kaliforniens abgeteuft. Es wurde hierbei eine Sandaufschüttung nahe des Strandes gebohrt. Spätere Bohrungen, die vom Strand ins Wasser führten, wurden dann von Holzstegen aus geteuft. Ab 1911 wurden Bohrplattformen auf Holzpfeilern befestigt. Diese Bohrung auf Pfählen fand zum ersten Mal in einem Sumpf in den USA statt. Dabei waren teilweise bis zu 250 Pfeiler für eine Plattform im Einsatz. Doch das Wasser, das vorherrschende Klima und auftretende Insekten führten dazu, dass diese Pfeiler nicht lange genutzt werden konnten. Um dieser Zerstörung entgegen zu wirken baute man die Beine aus Beton. Diese Betonbauten hatten aber den Nachteil, dass sie den Meereswellen zu viel Angriffsfläche boten und es zu heftigen Erschütterungen auf der Anlage kam. Wenig später in den 20er Jahren baute man schließlich Pfeiler mit einer netzartigen Struktur. Diese metallenen Gitter konnten gut auf dem Meeresboden befestigt werden und gaben den Wellen eine geringere Angriffsfläche. In Venezuela, am Lake Maracaibo, wurde die Stahlkonstruktion das erste Mal erfolgreich eingesetzt. 1928 konnte dann das erste Patent für eine "inkabIe Barge“ vergeben. Sie sollte die sehr hohen Kosten einer Bohrung verringern, da es nicht unbedingt nötig war einen Bohrturm zu bauen, vor allem da viele Bohrungen nur selten fündig waren. Die sinkable Barge (unsinkbare Plattform) reichte beim Bohren bis auf den Meeresgrund und ragte beim Schwimmen hoch aus dem Wasser. Das Problem war allerdings die Entfernung der Barge von H. -O. Buja, Handbuch der Tief-, Flach-, Geothermie- und Horizontalbohrtechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-9943-9_11, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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ihrem Einsatzort. Es musste verhindert werden, dass die Barge sich ruckartig vom Meeresgrund ablöste. Die Lösung des Problems war jedoch schnell gefunden. Man leitete Strom durch den Boden der Barge, welches ein leichtes Ablösen vom Grund zur Folge hatte. Von diesem Zeitpunkt an konnte man schnell feststellen, wo man abbauwürdige Ölfelder finden kann. Dabei drang man auch immer mehr in größere Meerestiefen vor und man entfernte sich mehr und mehr von der Küste. 1937 gab es schon Bohrinseln in 13 Meilen Entfernung von der Küste, wie zum Beispiel in Texas. Aber die fehlende Funkverbindung, die nicht vorhandenen Unterkünfte und weitere Probleme, machten die Logistik und die Arbeitsbedingungen auf der Bohrinsel sehr schwierig. Deshalb wurden circa 1940 erstmals Unterkünfte für die Mannschaft gebaut. Ab jetzt konnte die Crew auch über Nacht auf dem Meer bleiben. 1951 stach das erste Bohrschiff, die Submarex in See. Das Bohrschiff war aus einem alten Armee-Kreuzer umgebaut wurden. Dadurch, dass der Turm für die Gestänge seitlich über der Reeling hing, kippte das Schiff beim Trippen (Ein- uns Ausbau des Bohrgestänges und der Meißel) fast um. Bohrungen in Tiefwasser, über 200 ft waren noch nicht möglich. Da die frühen Bohrplattformen, eine spätere Form von Bohrinseln, nur für bis zu 60-70 m Wassertiefe ausgelegt waren und man aber noch in tieferes Wasser vordringen wollte, erfand man 1954 die Jack-up Rigs, auch Hubplattformen genannt. Diese wurden zunächst aus 12 massiven, zylindrischen Beinen gebaut. Doch später stellte man fest, dass auch 3 Beine für diese Konstruktion ausreichen. Diese Beine wurden dann als Mast-Konstruktion gefertigt, damit die Wellen weniger Angriffsfläche hatten. Seitdem entwickelt sich die Technik immer weiter. 1956 gab es das erste für den Ozean taugliche Bohrschiff, welches mit allerhand wichtigen technischen Neuheiten (Führungsleinen, Marine Riser, Positionierungssystem u. ä.) ausgestattet war. Anfang der 60er Jahre setzten sich Helikopterlandeplatz (Heli-Pads) als Standard durch. Da die Mannschaft ja jetzt auch auf der Bohrinsel wohnen konnte, war dies die beste und schnellste Möglichkeit, die Crew an Bord zu bringen. 1983 baute man die Lena-Plattform, die mit circa 1300 ft (390 m) 50 ft höher als das Empire State Building war. Dies war eine nicht bewegliche Plattform, die als Stahlsäule, eine Art Leuchtturm gebaut wurde. Wenig später wurden dann die Semit Submersiblen Plattformen (Halbtaucher) durch Zufall entdeckt. Auch heute werden noch Ölfelder gesucht und genutzt. Diese Nutzung fordert auch, dass die Technik und die Ausrüstung der Bohrinseln, Bohrschiffe und Plattformen stetig weiter entwickelt und verbessert wird. Es wird also auch in Zukunft neue verbesserte Konzepte der Erkundung und Förderung von Öl- und Gaslagerstätten geben.
1.3 Besonderheiten der Offshore-Bohrtechnik Im Laufe der Zeit wurden die bereits genannten Möglichkeiten entwickelt, wie man auch auf dem Meer an das kostbare Öl kommt. Natürlich sind hier andere Bedingungen anzufinden. Deshalb müssen sich auch die Geräte der Offshore Bohranlage etwas von denen einer Landbohranlage unterscheiden. Alles beginnt schon mit dem Bohren eines Loches. Wie bohrt man ein Loch, bei einer Meerestiefe von mehreren tausend Meter? Dazu wird eine schwere, aus Stahl (oder Stahl + Beton) bestehende, kurzzeitige Plattform auf dem Meeresgrund an dem Ansatzpunkt der Bohrung transportiert. Damit der Meißel an diese vorbestimmte Stelle gelangen kann, sind an der Tiefenplattform und dem Bohrschiff bzw. der Bohrplattform o. ä. Leinen befestigt, die der Führung des Meißels dienen. Dieses Prinzip wird solange fortgeführt bis die Bohrlochkonstruktion (wie bei der Landbohranlage) komplett angebracht ist. Auch hier gibt es auf der Ankerrohrtour einen Blow-out-Preventer.
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Da jedoch die gesamte Konstruktion manchmal mehrere Kilometer tief im Meer befestigt ist, kann der Preventer nicht manuell betätigt werden. Der Preventer muss bei einer Offshore Bohranlage per computergesteuerter Hydraulik betätigt werden. Ein weiteres Problem der großen Tiefen im Meer ist, dass eine Verbindung von dem Bohrloch zur Bohranlage zur Förderung des Rohstoffes und Zurückführung der Bohrspülung gebraucht wird. Auf einer Landbohranlage wird dies durch das Bohrgestänge realisiert. Da eine Bohrinsel auf dem Meer durch Wind, Wellen und Strömung nicht ortsstabil ist und sich mit einer gewissen Geschwindigkeit bewegt muss eine flexiblere Lösung, als die steifen Bohrstangen geschaffen werden. Hierfür wurde der „Marine Riser“ entwickelt, der auf dem Preventer aufgebracht wird. Dieser Riser macht auch die Führungsleinen für den weiteren Prozess unnötig.
Abb. - K-1: Montage von Riser-Gestänge [Aker]
Die Abb. K-1 zeigt die Montage von Riser-Bohrgestänge im Werk (hier AkerSulutions). Es ist deutlich zu erkennen, dass es sich um eine technisch sehr anspruchsvolle Konstruktion handelt. Die Tiefbohrtechnik und hier insbesondere die Offshore-Bohrtechnik, stellt sehr hohe Anforderungen an die verwendeten Konstruktionen und Materialien. Da die meisten Bohranlagen fest sind und nur an dieser bestimmten Stelle genutzt werden kann, musste eine Möglichkeit geschaffen werden, mehrere Löcher von einer Anlage aus bohren zu können. Diese sogenannten „Conductors“ (Standrohrführungen) bestehen aus mehreren vorgefertigten Bohrgestängen, über die die Plattform nach einem programmierten Schema fährt und aus jedem dieser Rohre neue Bohrlöcher macht. Damit keine schon vorhandenen Bohrlöcher angebohrt werden, was sehr gefährlich ist, nutzt man heute die Möglichkeit des Rotary-Bohrprinzips. Mit Hilfe eines geringwinkligen Knickes im Bohrmotor (der am Bohrgestänge sitzt) kann man ohne großen Aufwand in verschiedene Richtungen bohren. Diese kontrollierte Richtungskorrektur kann bis auf ein gewisses Maß betrieben werden. So ist es möglich auch auf einer festen Bohranlage alles aus einer Lagerstätte rauszuholen, was möglich ist. Aufgrund der hohen Wellenbewegung auf See, wird ein weiteres Gerät sehr wichtig. Der „Heave Compensator“ (Ausgleichsvorrichtung), ein Druckzylinder, der mit dem Bohrstrang und einem Flaschenzug auf einem Druckluftpolster sitzt, verhindert, dass der Bohrstrang zu sehr von der Wellenbewegung erfasst wird. Damit wird das Risiko ein bestehendes Bohrloch zu zerstören ebenfalls minimiert. Auch hier gibt es sicherlich noch weitere wichtige Einrichtungen, die zur Erkundung, Förderung, Bewachung und Sicherheit von Nöten sind.
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Abb. K-2: links: Schematische Darstellung und Details der Riser-Technik rechts oben: lagernde Riser-Gestänge – rechts unten: Riserkupplung. [Aker]
Dennoch sollte man nicht außer Acht lassen, dass eine Offshore Anlage auch eine große Herausforderung für die Mannschaft, die hier arbeitet, ist. Das wahrscheinlich größte Problem ist die geringere Möglichkeit schnell und sicher bei Gefahr zu flüchten. Deshalb müssen alle Menschen, die auf einer Bohrinsel arbeiten, an besonderen Sicherheitsmaßnahmen teilnehmen und alle die Maßnahmen der Ersten Hilfe perfekt beherrschen. Zusätzlich müssen die Feuerbekämpfung, das Überleben im kalten Wasser und das zu Wasser lassen der Rettungsboote ständig trainiert werden.
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Da der Helikopter das am häufigsten benutzte Transportmittel ist, müssen auch hier alle Eventualitäten geübt werden. Dafür sind spezielle Schwimmbecken und Helikopter-Kapseln entwickelt worden, mit denen man jede Gefahrensituation realistisch nachahmen kann. Alle „Passagiere“ müssen sich regelmäßigen, von einem speziell ausgebildeten Arzt, Gesundheitschecks und Drogentests unterziehen. Da alle Beschäftigten zu jederzeit für eine Rettungsaktion in der Lage sein müssen, sind Alkohol und Drogen strengstens verboten und es sind nur vom Arzt der Bohrinsel verschriebene Medikamente erlaubt. Für diese medizinischen Maßnahmen gibt es ein eigenes Krankenhaus. Die Mannschaft, die im Zwei-Wochen-Takt arbeitet, muss aber auch anderweitig versorgt sein. Eine Bohrinsel ist Arbeitsstelle und Unterkunft für 100 – 120 Beschäftige, die im Dreischichtbetrieb ihren Dienst tun. Sie werden großzügig verpflegt und stets mit sauberer Arbeitsbekleidung versorgt. Es sind Einrichtungen für die Freizeitbeschäftigung (Kino, Sporteinrichtungen u. ä.) vorhanden.
1.4 Gruppen von Offshore Bohranlagen Die Bohrinseln bzw. Offshore-Plattformen können hinsichtlich ihrer Konstruktion und Funktionsweise, neben ihrem Zweck, in die folgenden Gruppen eingeteilt werden: Feste Plattform = Fixed Plattform oder Submersible Rig oder auch Bohrinsel genannt ist eine auf dem Meeresboden feststehende Plattform. Die Plattform steht dabei auf einem oder mehreren massiven Sockeln aus Beton oder Stahl fest auf dem Meeresboden. Die maximale Tiefe beträgt rund 520 Meter. Dieser Typ Bohrinsel ist nicht transportabel und für den dauerhaften Verbleib am ersten Einsatzort bestimmt. Einige Hundert dieser Bohrinseln sind z. Zt. In der Nordsee eingesetzt. Zu den festen Plattformen gehört auch die Bohrinsel Mittelplate im Wattenmeer.
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Abb. K-3: oben: Beispiel für eine feste Plattform (Submersible Rig) unten: Bohrinsel „Mittelplate“ im Wattenmeer [RWE-DEA]
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Turmplattform = Compliant Tower ist eine auf dem Meeresboden feststehende Plattform. Die Plattform ist nicht schwimmfähig und steht dabei auf einem oder mehreren Gerüstbeinen aus Stahl. Die maximale Tiefe beträgt rund 900 Meter. Dieser Typ Bohrinsel ist eingeschränkt transportabel, d.h. neben Lastschiffen und Schiffen zum Schleppen ist der Auf-/Abbau des Sockels erforderlich.
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Abb. K-4: Turmplattform (Schema)
Hubbohrinsel = Jack-up Rig oder Self elevating Platform (SEP) Die Plattform verfügt über drei oder vier vertikal bewegliche Gerüstbeine aus Stahl. Zur Arretierung der Plattform über dem Bohrloch werden die bis zu 150 Meter langen Gerüstbeine bis auf den Meeresboden abgesenkt. Die Plattformen sind teilweise selbst schwimmfähig. Dieser Typ Bohrinsel ist transportabel.
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Abb. K-5: Hubbohrinsel RWE-DEA]
Halbtaucherbohrinsel = Semi-submersible Rig. Die Plattform ist als Ponton ausgeführt und ist somit schwimmfähig. Mittels unterhalb der Plattform angebrachter Ballasttanks kann die Höhe der Plattform über dem Meeresspiegel verändert werden, was in erster Linie der Stabilität bei rauen Witterungsverhältnissen dient. Die Fixierung der Plattform über dem Bohrloch erfolgt mittels Anker oder eines eigenen Antriebs. Die maximal erreichbare Wassertiefe beträgt zwischen 1.800 und 3.000 Metern. Die Bohrinsel ist, unabhängig von der Methode zur Positionierung, transportabel.
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Abb. K-6: Halbtaucher (Modell)
Nachgiebige Plattform = Tension Leg Plattform (TLP)Die Plattform selbst ist, wie auch die klassische Halbtaucherbohrinsel, als schwimmfähiger Ponton ausgeführt. Die Positionierung über dem Bohrloch erfolgt mittels zwischen dem Meeresboden und dem Ponton gespannter Stahlseile. Theoretisch ist eine Wassertiefe von bis zu 1.100 Meter überbrückbar. Es handelt sich um eine Weiterentwicklung der klassischen Halbtaucherbohrinsel. Die Bohrinsel ist somit eingeschränkt transportabel.
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Abb. K-7: Nachgiebige Plattform (Tension Leg Plattform) -Schema
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Abb. K-8: Tension Leg Plattform im Einsatz
Schwimmende Plattform = Spar Plattform ist eine als schwimmfähiger Körper ausgelegte Plattform. Im Gegensatz zu Halbtaucherplattformen dient die gesamte, aus Beton oder Stahl gefertigte Unterkonstruktion als Ballast- oder Lagertank. Hinsichtlich des horizontalen und vertikalen Aufbaus des Schwimmkörpers gibt es in Abhängigkeit der Nutzung verschiedene Ausführungen. Zur Arretierung der Plattform dienen, ähnlich wie bei der Tension Leg Plattform (TLP), gespannte Stahlseile sowie Anker. Die Wassertiefe kann bis zu 1.800 Metern betragen. Dieser Typ Bohrinsel ist eingeschränkt transportabel. Die Bohrplattform „Sea Troll“ ist die größte schwimmfähige Bohrplattform im NordseeOffshore Gebiet und die größte ihrer Art in der Welt (Bau, Entwicklung und technische Daten siehe Sonderbericht).
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Abb. K-9: Bohrplattform „Sea Troll“ [Aker]
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Abb. K-10: Die „Sea Troll wird von 10 Schleppen zu Bohrplatz geschleppt [Aker]
Schließlich gibt es noch Bohrschiffe, die eigen beweglich und fernab von einer Landbasis für das Bohren in großer bis sehr großen Wassertiefen eingesetzt werden können. Bohrschiff = Drillship – ein Schiff dient als Plattform. Das Antriebssystem des Schiffs dient zur Positionierung über dem Bohrloch. Typischerweise werden Bohrschiffe ab einer Wassertiefe von mehr als 3.000 Metern eingesetzt. Hinsichtlich der maximal möglichen Wassertiefe gibt es praktisch keine Einschränkung. Aufgrund der Nutzung eines konventionellen Schiffsrumpfes ist der Typ Bohrinsel uneingeschränkt transportabel. Die überwiegende Anzahl der Bohrinseln, Bohrschiffe und sonstigen Offshore-Plattformen dient der kommerziellen Exploration sowie der Förderung von Rohstoffen wie Erdöl und Erdgas. Daneben erfüllen diese Bauwerke aber auch eine Reihe von wissenschaftlichen Aufgaben. Hierzu zählt beispielsweise die Erhebung von meteorologischen Daten auf den Ozeanen und Weltmeeren. Ergänzende Informationen zum Thema Bohrinseln und Offshore-Plattformen einschließlich deren technischen Daten und Einsatzorte sind auf den nachfolgenden Websites verfügbar:
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Abb. K-11.1: Beispiel für ein Bohrschiff
Weitere Beispiele für Bohrplattformen und Bohrschiffe
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Abb. K-11.2: BP-Bohrplattform „West Azeri“ eine der größten Bohr- und Förder-Plattformen [BP]
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Abb. K-11.3: BP-Hubinsel Form-Sha-Deniz Alpha beim Transport [BP]
1.5 Offshore-Bohrungen in der Nordsee Die Nordsee hat eine Fläche von rund 575.000 Quadrat-Kilometern und gehört zu den größten Offshore-Fördergebieten weltweit. Aufgrund der globalen Ölkrise in den 70er Jahren suchte die Ölindustrie nach neuen Fördermöglichkeiten. Die Ölkrisen 1973 und 1979 verschafften Klarheit seitens der Ökonomen und Politiker über die Abhängigkeit von der OPEC und über die Bedeutung des schwarzen Goldes für die Weltwirtschaft. Die Energiepolitik und die Suche nach alternativen Energiequellen wurde zu einem der wichtigsten Themen Ende der 70er. In diesem Zusammenhang wurde die Nordsee, deren ersten erfolgreichen Explorationen im selben Zeitraum mit der Ölkrise stattfanden, als eines der größten Investitionsvorhaben entdeckt. Norwegen wurde über Nacht zu einer der stärksten Ölnationen weltweit. Zwar wurden schon seit Anfang der 60er Erdgasfelder entdeckt und auch produziert, jedoch wurde die Suche nach Erdöl erst nach 1973 verstärkt. Nach der zweiten Ölkrise 1979/80 und der Förderung aus den alternativen Energiequellen der Nordsee ging der Preis für Erdöl wieder zurück und stabilisierte sich. Die Exploration und Förderung von Erdöl und Erdgas in der Nordsee teilen sich die folgenden Länder: • • • • •
Norwegen Großbritannien Dänemark Niederlande Deutschland (z. B. Mittelplate, „Entenschnabel“
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1.6 Erdgas aus dem „Entenschnabel“ Am 19. September 2000 wurde rund 300 Kilometer nordwestlich von Borkum in der Nordsee, auf der neuen Erdgas-Förderplattform im so genannten „Entenschnabel“, dem äußersten Zipfel des deutschen Wirtschaftsraumes, die Tätigkeit aufgenommen. Die Vorbereitungen dauerten etwa 18 Monate.
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Abb. K-11.4: Der äußerste Zipfel des Deutschen Wirtschaftsraumes, genannt „Entenschnabel“ (wegen seiner Form) – oben -, liegt die Förderplattfom A6-A (unten)
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Mittlerweile ist die Bohrplattform, die das ergiebige Erdgasfeld A6/B4 ausbeuten wird, im Meeresboden des Festlandssockels der Nordsee fest verankert. Das gewonnene Gas wird über eine Gaspipeline nach Den Helder in den Niederlanden gefördert. Dort wird das geförderte Gas in einer Aufbereitungsanlage zunächst getrocknet und vom mit geförderten Lagerstättenwasser befreit. Hier eliminiert man aber auch unbrauchbare Beiprodukte wie Schwefel, Stickstoff oder Kohlenstoffdioxid, bevor die Verteilung des jetzt reinen Erdgases, in der Regel Methan, an die Verbraucher beginnt. 16 Jahre lang soll die Erdgasplattform, die mit Bohrturm, Unterkünften und Helikopterlandeplatz gut 3.600 Tonnen wiegt, jährlich rund 1,2 Milliarden Kubikmeter Gas aus der Lagerstätte A6/B4 im Meeresboden fördern. Verantwortlich für das Projekt: Das Deutsche NordseeKonsortium an dem unter anderem die Winterschall AG und die BEB Erdgas und Erdöl GmbH beteiligt sind. 48 Meter tief ist das Wasser, in dem die Plattform steht, noch viel tiefer, 2.600 Meter unter der Nordsee, warten insgesamt 13,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas unter großem Druck auf die Ausbeutung im porösen Speichergestein. Die Rohstoffexperten haben mit drei Bohrungen von 3.800 Metern Länge den unterirdischen Speicher angezapft. Rund 1.000 Meter der Bohrstrecke führen dabei horizontal mitten durch die Lagerstätte hindurch, um die maximal mögliche Förderrate zu erreichen. Etwa Dreiviertel des vorhandenen Gases, in der Regel Methan, werden im Laufe der Zeit allein durch den enormen in der Tiefe herrschenden Druck an die Erdoberfläche strömen. Sinkt dieser im Erdgasfeld nach einigen Jahren Förderung ab, müssen die beteiligten Erdgasfirmen künstlich nachhelfen. Mithilfe von weiteren Bohrungen werden dann neue Bereiche des gewaltigen Erdgasfeldes erschlossen. Vielleicht jedoch müssen die Techniker und Ingenieure sogar neue Fließwege für das Gas schaffen. Mithilfe des so genannten (Multi-) Frac-Verfahrens pressen sie dazu eine Flüssigkeit, die mit Spezialsand versehen ist, tief in den Untergrund. Auf diese Weise sprengen sie bis zu 100 Meter lange Risse ins Gestein, damit das Gas leichter fließen kann. Im Frühjahr 2005 hatte mittlerweile die Offshore-Plattform im Entenschnabel knapp fünf Jahre „Dienst A6/B4“ hinter sich. Das 200 Millionen Euro teure Prestigeobjekt der deutschen Erdgasfirmen liefert täglich bis zu 3,3 Millionen Kubikmeter des begehrten Rohstoffs Erdgas.
1.7 Erdöl- und Erdgasgewinnung in der Tiefsee Die Unterwasser-Exploration der Erdölindustrie hat sich stufenweise von flachen in immer tiefere Bereiche und in klimatisch immer rauere Gebiete vorgewagt. Dabei werden zunehmend kühnere Konstruktionen für die Bohranlagen entwickelt. Aufgrund des extremen Eisgangs vor der Nordküste Alaskas entschloss man sich, zum Bohren mitten im Meer eine künstliche Insel in 15 m tiefem Wasser aufzuschütten. Schon am Anfang des letzten Jahrhunderts kannte man feste, in den Meeresboden gerammte Holzkonstruktionen z. B. in Kalifornien. Moderne Stahlkonstruktionen dieser Art verwendet man auch heute noch. So wurde die erste 1963 im deutschen Sektor der Nordsee niedergebrachte Bohrung in 36 m tiefem Wasser von Mobil nach dieser Methode gebohrt. Der nächste Schritt war die Entwicklung schwimmfähiger Plattformen, Hubinseln oder Jackups genannt, die mit hydraulisch ausfahrbaren Beinen über der Bohrstelle auf dem Meeresgrund stehen und das Arbeitsdeck zum Schutz vor den Wellen etwa 20 m über den Wasserspiegel heben. Mit ihnen kann man in bis zu 100 m tiefem Wasser arbeiten. Für noch größere Wassertiefen verwendet man die sogenannten Halbtaucher. Das sind schwimmfähige Plattfor-
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men aus Stahl, deren am Einsatzort geflutete Ballasttanks den Schwerpunkt der Anlage tief ins Wasser verlegen. Ihre genaue Position über dem Bohrloch bewahren sie auch bei Sturm durch Verankerungen, zahlreiche computergesteuerte Schiffsschrauben und Sonarortung. Öl und Gas aus dem Untergrund des Meeres zu gewinnen, erfordert insbesondere in tieferem Wasser und unter rauen Wetterbedingungen äußerst stabile und dauerhafte Fördereinrichtungen. So wurden auf dem Meeresboden verankerte Förderplattformen entwickelt, die zu den spektakulärsten technischen Bauten der Gegenwart gehören. Die Daten über die von ExxonMobil nördlich des 61. Breitengrades mitten in der Nordsee in 145 m tiefem Wasser installierten Förderplattformen „Statfjord“ sprechen für sich. Die Höhe der Stahlbetonkonstruktion vom Meeresboden bis zur Spitze des Bohrturms beträgt 271 m, ihr Gewicht 816.000 t. Die jährliche Förderung von den drei zum Feld gehörenden Plattformen ist auf 30 Millionen Tonnen Erdöl und sechs Mrd. m³ Gas ausgelegt. Die Investitionen für der Unternehmen sind die höchsten ihrer Firmengeschichte. Für sehr große Wassertiefen - über 300 m - hat man Fördereinrichtungen entwickelt, die auf dem Meeresboden stehen. Sie werden in geringeren Tiefen von Tauchern installiert und gewartet, in großen Wassertiefen von ferngelenkten Arbeitsgeräten. Der Weltrekord im Tiefwasserbohren hat im Jahr 2001 die ExxonMobil Plattform „Hoover-Diana“ im Golf von Mexiko in einer Wassertiefe von 1.461 m aufgestellt. Die BP rechnet damit, dass im kommenden Jahrzehnt mehr als die Hälfte der Erdölförderungen in der Tiefsee stattfinden wird. Um aus bislang unzugänglichen Ressourcen nutzbare Reserven zu machen, ist leistungsfähige Technik gefragt. Offshorebohrungen erfolgen in der Regel von Plattformen, Hubinseln oder Halbtauchern aus. Bei den Plattformen trägt ein Stahl oder Betonfuß, der bis zum Meeresboden reicht, die über dem Wasserspiegel liegenden Einrichtungen. Hubinseln stehen auf höhenverstellbaren Stahlgerüststelzen. Sie kommen in Küstengebieten zum Einsatz. Halbtaucher werden von Schwimmkörpern (Pontons) getragen und durch Ballasttanks und Stahlseile stabilisiert. Sie sind am Meeresboden verankert und haben einen eigenen Antrieb. Damit sind sie mobil einsetzbar und liegen vor allem in offenen tiefen Ozeanen wie dem Golf von Mexiko und Alaska oder dem Beringmeer.
Abb. K-12: Bohrplattformen für Offshorebohrungen in der Tiefsee [BP]
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1.8 Die Geschichte eines „Giganten“ 1992 begann die norwegische Firma Aker Kværner mit dem Bau der Bohrinsel Sea Troll. 1993 wurde zunächst ein 36 Meter hoher Grunddom im Trockendock von Stavanger gebaut, auf dem dann ab Sommer 1994 im norwegischen Vats Fjord die vier je 343 Meter hohen Betonsäulen gebaut wurden. Dabei kam ein besonderes Verfahren der österreichischen Firma Gleitbau zum Einsatz, das mittels einer Gleitschalung den Bau in einem Zug ermöglichte und damit die Bauzeit gering halten konnte.
Abb. K-13: Betonieren der 343 m hohen Säulen
Ebenfalls an Land wurden aus verschiedenen Modulen die 22.500 Tonnen schweren Arbeitsplattform zusammengesetzt. Im Januar 1995 wurden die Ballasttanks im Sockel sowie die gesamten Säulen geflutet und im Fjord abgesenkt, sodass die vier Säulen nur noch 6,5 Meter über den Wasserspiegel ragten. Dann konnte die auf Pontons schwimmende Arbeitsplattform von Schleppern über die Säulen gezogen werden. Bei einem gleichartigen Manöver einer Schwesterplattform der Sea Troll - der Sleipner A kam es beim Fluten der Säulen zu einem Unfall. Auf Grund der Druckverhältnisse implodierten die Säulen und sanken auf den Meeresboden. Der Aufschlag auf dem Meeresboden konnte als ein Erdbeben der Stärke 3 registriert werden. Nach der Montage wurde die gesamte Bohrinsel soweit angehoben, dass diese 230 Meter über den Meeresspiegel ragte und im Mai 1995 durch zehn Schlepper (siehe Abb. K-10) mit insgesamt 130.000 PS zu ihrem 170 Seemeilen entfernten Troll Bestimmungsort gezogen werden. Mit einer Geschwindigkeit von 1,7 Knoten wurden dazu zehn Tage benötigt. Mit diesem Transport gilt die Plattform als das größte und schwerste je von Menschenhand bewegte Bauwerk der Welt. Nach dem Transport wurde die Sea Troll auf den Meeresboden abgesenkt. Innerhalb weniger Tage sackte die Bohrinsel auf Grund ihres Eigengewichtes etwa 9 Meter in den weichen Meeresboden ein. Endgültig befindet sich die Arbeitsplattform etwa 30 Meter über dem Meeresspiegel. An ihrem Bestimmungsort wurde eine schwimmende Hotelplattform über eine Gangway mit der Sea Troll verbunden. Diese ist nicht verankert, sondern sie wird mit computergesteuerten Motoren auf ihrer exakten Position gehalten.
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1.9 Erdöl und Erdgas in der Nordsee
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Abb. K-14: Übersichtskarte der Bohr- und Fördertechnik in der Nordsee
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2 Offshore-Tiefbohranlage aus deutscher Produktion 2.1 Allgemeines Auf Grundlage der bewährten Onshore-Tiefbohranlagen VDD 370 und VDD 200.1 hat die STREICHER GmbH & Co. KG in Zusammenarbeit mit der Seawell Norge AS die Tiefbohranlage VDD 400.1 entwickelt. Mit der Entwicklung und dem Bau der VDD 400.1 eröffnet STREICHER als einer der wenigen deutschen Tiefbohranlagenhersteller im Bereich der Offshorebohrungen ganz neue Möglichkeiten. Auch auf hoher See bleibt STREICHER dem modularen Konzept treu und ermöglicht somit erstmals, Offshore-Bohranlagen nach Projektabschluss kosten- und zeiteffizient wieder abzubauen. Dank der modularen Bauweise passt sich die Vertikalbohranlage jeglichen Platzverhältnissen auf der Lokation an. Dabei übersteigt keines der Module die Gewichtsobergrenze von 11 Tonnen, so dass sie mithilfe der vorhandenen Plattformkrane von allen bestehenden Plattformen einfach auf Schiffe verladen werden können. Auch der vollhydraulische Top Drive spart an Gewicht, wie auch an Lärmemission. Der Auf- und Abbau der Anlage erfordert max. jeweils 14 Arbeits-Tg. Obwohl die VDD 400.1 mit einem Gewicht von insgesamt 390 Tonnen (ohne Peripherie) besonders leicht ist, ist sie dennoch maximal belastbar und das bis zu einer Teufe von 5.000 Metern. Sowohl Material, als auch die Statik der Anlage trotzen Wind, Wetter und Salzwasser. So wurden für das Stahlgerüst zum Beispiel spezieller C-Stahl sowie besonders korrosionsbeständiger Edelstahl verwendet. Die Tiefbohranlage überträgt alle bewährten Elemente der STREICHER Onshore-Bohranlagen erfolgreich auf den Offshorebereich. Sie erfüllt die NORSOK Standards und damit die strengsten weltweit.
2.2 Aufbau und Kenndaten max. Bohrteufe Masthöhe zul. Zuglast zul. Drucklast Top Drive Drehmoment Zirkulationsdruck Gestänge-Kran Power-System
5.000 m 28 m 362 t 90 t 85 kNm 345 bar 3 t / 17 m 3 × 1,2 MW
1 Spülungstank 2 Absetztanks je 2 Umlauftanks je freie Arbeitshöhe des Turms Vorschubgeschwindigkeit Generator Deck-Kran Spülpumpensystem 4 Triplex-Pumpen
50 m3 50 m3 50 m3 19 m 45 m/min 1575 kVA 10,5 t /14 m 4 × 660 kW
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2 Offshore-Tiefbohranlage aus deutscher Produktion
K Abb. K-15: Offshore Tiefbohr-Anlage System STREICHER-Seawell Typ VDD 400.1
Abb. K-16: Drillfloor Layout
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Abb. K-17: Spülungssystem 4 TriplexPumpen mit je einem Antrieb von 660 kW (Draufsicht)
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Abb. K-18: rechts: Gesamtansicht Bohrgerüstes (ohne Peripherie) links-oben: Preventer links-unten: Prinzip des Zahnstangenverschubs
L Onshore Bohrtechnik Nachdem im Auftrage der Ölgesellschaft die Bohrstelle vorbereitet ist d. h., die vorgesehene Fläche ist hergerichtet und befestigt, die Zufahrten sind auch für Schwerstlastzüge hergestellt, die Ver- und Entsorgeleitungen wurden verlegt, die Anschlüsse für Strom und Telefon sind vorhanden, ein Parkplatz angelegt und das Standrohr eingebracht (alles weitere siehe Kap. EBohrplatzeinrichtung). Die jetzt auszuführenden Arbeiten liegen im Aufgabenumfang und Verantwortungsbereich des Bohrunternehmers (engl. Contractor) und sind im Auftrag vereinbart. Zu diesen Leistungen gehören der Antransport (movin) • des Bohrgerätes (rig), • den Kraftdrehkopf (Top Drive), • das Bohrgestänge (drill pipes), • die Schwerstangen(drill collars), • die Stabilisatoren (Stabilizer), • die Stoßdämpfer (shock sub), • die Schlagschere (drilling jar), • den Bohrmotor (downhole motor) • den Preventer, • Bedienungskabine (drillers room) • der Diesel- und Stromaggregate (diesel engine, generator set), • die Generatoren (Generator) • der Spülpumpen (mud pump), • Schüttelsiebe (shale shaker), • Spülungstanks (mud tank), • des Wassertanks (water tank), • die Silos (bulk tank) • das Labor (lab), • des Dieseltank (gas oil tank), • die Tagesunterkunft (Pausenraum) für die Bohrmannschaft (rig Crew-break room), • die Büros (offices) für den Bohrmeister (Tool Pusher), den Geräteführer (Driller) und den Vertreter der Ölfirma (Company Man, Operator), • der Sanitätsraum (emergency room), • der Waschraum/WC (washroom/wc), • das Wohnlager (housing-aria), • die Werkstatt (workshop) • das hier nicht näher bezeichnete Zubehör (appurtenance). Der Großteil der genannten Geräte, Maschinen und des Zubehörs sind üblicherweise in Containern untergebracht. Kleingerät und Material wird in Boxen oder Big-Bags angeliefert. Werkstätten sind z. B. voll eingerichtet, die Büros, Sanitäranlagen und Tagesunterkünfte sind in Spezial-Containern eingerichtet. Das Gleiche gilt für die Einrichtung des Wohnlagers. Zum Teil entfällt das Wohnlager, da das Personal privat oder in Hotels untergebracht ist. Vielfach bringen die Beschäftigten auch ihre Wohnwagen mit.
H. -O. Buja, Handbuch der Tief-, Flach-, Geothermie- und Horizontalbohrtechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-9943-9_12, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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1 Aufbau und Einrichtung
1 Aufbau und Einrichtung 1.1 Arbeitsvorbereitungen Für eine Fahrbare Bohranlage (mobile drilling rigs) mit einem Gesamtgewicht von 150 bis 200 t (ohne Bohrgestänge) werden ca. 35 Transportladungen (z. T. Schwer- und Schwersttransporte) benötigt. Stationäre Anlagen (stationary drilling rigs) mit einem Gesamtgewicht von 200 bis 500 t sind bis zu 65 Transporte (ohne Bohrgestänge) erforderlich. Darunter sind Ladungen mit Übergewicht, Überlängen und Überbreiten. Hierzu sind Sondergenehmigungen einzuholen. Von den Zulassungsbehörden werden dafür z. T. bestimmte Fahrstrecken und Fahrzeiten vorgegeben. Da vor Ort selten ausreichend Platz für das Parken bzw. Abstellen der Transporteinheiten vorhanden ist, muss mit allen Beteiligten (Bohr-, Transport- und Kranunternehmen sowie Auftraggeber) ein genauer Ablaufplan festgelegt werden. Ferner sind die zuständigen Behörden, die Polizei und auch die Anlieger zu verständigen. Entsprechend den Einzelgewichten und Reichweiten ist der erforderliche Krantyp festzulegen. Teilweise sind auch mehrere Kräne nötig. Hierfür müssen auch die entsprechend befestigte Stellplätze vorhanden sein. Der Bohrplatz sollte auch über eine Umfahrung, eine Wenden der großen Fahrzeuge selten möglich ist. Es muss ein Lade- und Transportplan erstellt werden, der die Reihenfolge der Transporteinheiten festlegt. Aus Platzgründen dürfen sich die Transporte nicht überschneiden. In der Regel wird zunächst das evtl. Wohnlager eingerichtet. Zu den Vorbereitungen gehört auch das Gestänge- und Bohrmateriallager. Während des Antransportes beginnt schon der Aufbau der Bohranlage. Neuere Anlagen bestehen aus Containermodulen, die den Aufbau wesentlich erleichtern.
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Abb. L-1: Container-System der Rig 30 von Itag im Aufbau [ITAG]
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1.2 Einrichtung und Aufbau Während der Antransporte beginnt i. d. R. der Aufbau der Bohranlage. Durch das ContainerSystem der neueren Anlagen wird der Aufbau erleichtert und beschleunigt. Die Container sich bereits mit den nötigen Einrichtungen und Verkabelungen ausgerüstet. Sobald das Bohrgerüst errichtet ist erfolgt nach einem Einrichtungsplan die Aufstellung der Generatoren, Aggregate, Spülpumpen, Silos, Tankanlagen und der Material- und Werkstattcontainer. Es folgen die Container für Wasch- und Sanitäranlagen, Tagescontainer für die Rig Crew und Bürocontainer für Operator, Toolpusher und Driller. Eine großen Platz nehmen die Spülungsbehälter und Aufbereitungsanlagen ein. Alle Geräte müssen verkabelt werden. Die Leitungen der Messeinrichtungen werden mit den Anzeigegeräten in der Driller Cabine verbunden. Arbeitsbereiche die vom Driller aus der Cabine nicht einsehbar sind, sollten mit Überwachungskameras ausgestattet werden. Tanks und Silos sowie die Spülungsbehälter müssen aufgefüllt werden. Das Bohrgestängelager mit dem Gestängezubehör (Schwerstangen, Gestängeverbindungen, Stabilisatoren, Stoßdämpfer usw.) ist einzurichten. Je nach Vertragsgestaltung zwischen dem Ölunternehmen und der Tiefbohrunternehmung sind die Aufgaben der Vertragspartner sehr unterschiedlich. Die Verträge haben einen Umfang von 8 bis 100 Seiten. So sind u. a. folgende Vertragsvereinbarungen möglich: [BU = Bohrunternehmung] [AG = Auftraggeber] a) der BU stellt nur die Tiefbohranlage über Mietvertrag (AG stellt Mannschaft, Operator und Service), b) der BU stellt die Tiefbohranlage mit Bohrmannschaft als Kombination von Mietvertrag und Dienstleistungsvertrag (AG stellt Operator und Service), c) der BU stellt die Tiefbohranlage mit Bohrmannschaft und mit verschiedenen Serviceleistungen wie Errichtung Bohrplatz und Bohranlage, Spülungsstoffkontrolle mit Entsorgung, Richtbohrung/Stabilizer, Rohreinbau und Centralizer, der BU stellt die Tiefbohranlage mit Bohrmannschaft, verschiedenen Serviceleistungen Zementation, Messung und Testung als Generalunternehmervertrag mit vorwiegend werkvertraglichen Zügen und Projektmanagement/Operator in der Tendenz als Werkvertrag, d) der BU erbringt bestimmte Tiefbohrleistungen als Werkvertrag auf Nachweis, e) der BU wird nach einem Meterpreis vergütet, wobei er alle dazu erforderlichen Geräte, Werkzeuge und Verbrauchstoffe stellt. Ohne auf die einzelnen Vertragsarten einzugehen kann man sagen, dass Vertrag nach b) am häufigsten zur Anwendung kommt. Neben Operator und Serviceleistungen gehen alle Kosten für Werkzeuge und Verbrauchsstoffe zu Lasten des AG. Der dann auch die Lieferverträge mit den Lieferanten von Verbrauchsmaterial (Betriebsstoffe, Spülungszusätze usw.) abschließt. Diese müssen unbedingt zuverlässig sein, denn ein Stillstand des Bohrvortriebs wegen fehlender Materiallieferung darf auf keinen Fall vorkommen. Die erheblichen Kosten, die hierdurch entstehen können, gehen voll zu Lasten des Auftraggebers. Die Terminierung bzw. Koordinieren liegt eindeutig bei AG. Die Verträge können sicherlich sehr unterschiedlich sein und die jeweiligen Verantwortungen werden darin genau geregelt sein. Allgemein ist es im Onshore-Bereich üblich, dass die Beauftragung und Kosten von Service-Leuten Sache des Auftraggebers, also Ölunternehmens ist.
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Ganz gleich welche Vertragsart zur Anwendung kommt, erfolgen die Arbeiten in enger Abstimmung zwischen AG und BU.
1.3 Probelauf Wenn gesamte Anlage betriebsfertig aufgebaut ist, Spülungsbehälter und Materialsilos befüllt sind kann ein Probelauf erfolgen. Hierbei wird die Funktion aller Geräte einschließlich der Messgeräte einschließlich Preventer gestestet und festgestellte Mängel beseitigt. Der eigentliche Testlauf findet beim Setzten der Ankerrohrtour statt. Die Bohrgarnitur mit Schwerstangen, Stabilisatoren und Stoßdämpfern muss nun zusammengestellt werden und in Zusammenarbeit mit dem Geologen oder einem Servicefachmann das Bohrwerkzeug bestimmt werden.
1.4 Setzen der Ankerrohrtour
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Mit dem Setzen der Ankerrohrtour beginnen die ersten Bohrarbeiten. Hierzu wird zunächst ein großer Bohrmeißel an die erste Schwerstangen geschraubt. Die Spülpumpen erden angefahren, der Bohrstrang in Drehung versetzt und der Bohrmeißel auf die Sohle des Standrohres gefahren. Sobald das Standrohr mit Spülung gefüllt ist, kann ein kontrollierter Spülungskreislauf erfolgen. Das vom Meißel gelöste Bohrklein wird vom Spülungsstrom auf das Schüttelsieben transportiert. Ein Geologe nimmt Bodenproben und analysiert dies dann in seinem Labor. So weiß er immer, wie das Gestein unten am Bohrmeißel gerade beschaffen ist. Die wird natürlich erst interessant, wenn die oberen lockeren Bodenschichten durchbohrt sind, die i. d. R. aus Überlagerungsschichten unterschiedlicher Böden bestehen. Eine intensive Kontrolle des Bohrgutes beginnt, wenn die Ankerrohrtour gesetzt ist kann gesetzt ist und der Meißel die festen Gesteinsschichten erreicht hat. Die Ankerrohrtour selbst ist ein starkwandiges Stahlrohr, das in die Bohrung eingesetzt wird. Dabei ist Außendurchmesser des Rohres geringfügig kleiner als der Durchmesser des Bohrlochs. Zwischen der Außenwand der Ankerrohrtour und der Bohrlochwand verbleibt ein etwa 3 bis 4 cm breiter Spalt, der mit einer Zementsuspension kraftschlüssig verfüllt werden. Nach Erhärtung der Verfüllung ist die Ankerrohrtour fest mit dem Gebirge verankert. Das Setzen der Ankerrohrtour muss äußerst sorgfältig erfolgen. Das ist wichtig für den gesamten weiteren Verlauf der folgenden Bohrung, da bei Bohrungen auf Erdöl jederzeit damit gerechnet muss, dass eine Gaslagerstätte angebohrt wird. Dabei kann es die passieren, dass unter hohem Druck stehende Gas in die Bohrung gepresst wird. In diesem Fall spricht man von einem „Gaskick“. Die Bohrspülung wird zur Erdoberfläche gedrückt. Der Druck im Bohrloch wird dabei immer geringer und die Gasblase kann sich immer stärker ausdehnen. Man erkennt die Gefahrensituation u. a. daran immer mehr Spülung aus dem Bohrloch herauskommt, hineingepumpt wird. Jetzt muss sehr schnell gehandelt werden, damit die Situation nicht eskalieren. Im Extremfall kann es aber schon zu spät und plötzlich schießt das Gas mitsamt der gesamten Spülung in Form einer gigantischen Fontaine unter hohem Druck und einem gewaltigen Getöse aus der Bohrung heraus. Man spricht hierbei von einem Blowout, dem wahrscheinlich schlimmsten Unfall, auf einer Bohrstelle. Ein kleiner Funke das ausströmende Gas entzünden, und eine riesige Stichflamme Mensch in Gefahr bringt und das Gerät zerstört.
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Erkennen und Verhindern von Kicks ist in den Kap. I – Bohrlochkontrolle und J – Bohrlochabschluss ausführlich beschrieben.
Abb. L-2: Beispiel für einen Preventer
Zur wesentlichen Aufgabe einer Ankerrohrtour gehört, diese Situationen zu verhindern. Auf die Ankerrohrtour, die aus dem Bohrkeller herausragt, wird der Bohrlochabschluss, ein Sicherheitsventil (engl. Blowout Preventer) aufgeschraubt. Sobald die Anzeichen eines Kick’s im Bohrlochung zu erkennen sind, kann innerhalb weniger Sekunden die Bohrung verschlossen werden. Der Verschluss der Bohrung ist nur wirksam, wenn die Ankerrohrtour wirklich fest im Boden verankert ist! Beschreibung und Wirkungsweise verschiedener Blowout Preventer sind im Kap. J ausführlich beschrieben.
1.5 Voruntersuchungen 1.5.1 Allgemeines Die hohen Kosten eine Tiefbohrung setzen voraus, dass grundsätzliche Informationen über der Schichtenverlauf, die Tiefenlage und Mächtigkeit Erdöl- und Erdgasvorkommen vorliegen, da die Bohrung nicht auf Verdacht angesetzt werden kann – im Durchschnitt wird trotz aller Voruntersuchungen nur je 7. Bohrung fündig. Daher soll im Folgenden auf die Verfahren der Voruntersuchungen (Exploration) besprochen werden.
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1.5.2 Geowissenschaftliche Untersuchungen 1.5.2.1 Vorbemerkungen Die Suche nach Erdgas- und Erdöllagerstätten ist mit außerordentlich hohen Kosten und wirtschaftlichen Risiken verbunden. Deshalb kommt es darauf an. Die Gebiete einzugrenzen, in denen gute Erfolgschancen für die Aufsuchung von Lagerstätten bestehen. Geowissenschaftliche Untersuchungen gehen daher der Bohrtätigkeit voraus und sollen die Erfolgschancen einer Bohrung verbessern. Das mit Abstand wichtigste geophysikalische Verfahren ist die 3D-Seismik, die es ermöglicht, den Aufbau des Untergrundes bis in Tiefen von 5.000 bis 6.000 m in einer hohen Genauigkeit dreidimensional zu erkunden. e
1.5.2.2 Reflexionsseismische Untersuchungen Das Verfahren beruht wie beim Echo auf dem Prinzip der reflektierten Schallwellen. Bei den Messungen werden durch kleine Sprengungen in flachen Bohrlöchern (Abb. L-3), durch Vibratoren entlang von Wegen oder durch Luftpulser im Wasser künstlich Schwingungen ausgelöst, die von den verschiedenen Gesteinsschichten im Untergrund an die Oberfläche zurückgeworfen werden. Dort werden die zurückkehrenden Schallwellen mit ihren gesteinsspezifischen Informationen von hochempfindlichen Geophonen -(Erdmikrophonen – (Abb. L-3) registriert, in elektrische Impulse umgewandelt und in einer zentralen Messeinrichtung digital aufgezeichnet.
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Abb. L-3: 6 – 30 m sind die Löcher, in denen mittels Explosivladungen Schallwellen erzeugt werden. [WEG]
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Bei der früher ausschließlich und heute nur noch vereinzelt angewendeten 2D-Seismik werden die Schusspunkte und Geophone in einer geraden Linie angeordnet. Die Auswertung erbringt ein zweidimensionales vertikales Schnittbild der Erdschichten nur unterhalb dieser Linie, das oftmals nicht alle interessierenden geologischen Aspekte erfassen kann. Zu aussagefähigeren Ergebnissen führt dagegen die 3D-Seismik. Hierbei werden mehrere Linien von Schallquellen und Geophonen netzförmig angeordnet. Die Messpunkte befinden sich in Abständen von in der Regel 50 m und werden aus verschiedenen Richtungen vielfach beschallt. Dadurch wird eine so hohe Informationsdichte erreicht, dass sich die Sicherheit der Vorhersage gegenüber der 2D-Seismik praktisch verdoppelt. Zur Vermeidung von Schäden werden die für das Bohren eingesetzten Fahrzeuge dem jeweiligen Gelände entsprechend ausgerüstet, z. B. mit Niederdruckreifen, um Flur- und Wegeschäden so gering wie möglich zu halten. Darüber hinaus wird darauf geachtet, dass sich die eingesetzten Fahrzeuge soweit wie möglich auf Wegen oder Straßen bewegen. Mindestabständen der Schallquelle vermieden. Die Mindestabstände sind in der DINVorschrift 4150 bzw. durch bergamtliche Vorgaben geregelt. Im Zuge seismischer Messungen aufgetretene Flur-, Wege- und sonstige Schäden werden unmittelbar nach Beendigung der Arbeiten aufgenommen und einvernehmlich geregelt. Wegen ihrer verbesserten Aussagekraft hat die 3 D-Seismik in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Um die mit dieser Messmethode verbundenen Beeinträchtigungen für Mensch und Natur zu begrenzen, werden die Arbeiten sorgfältig vorbereitet.
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Abb. L-4: Vorbereitung für das Auslegen von Geophonen für eine 3D-Ssimik [WEG]
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1 Aufbau und Einrichtung
Schäden an Gebäuden und Einrichtungen werden durch die Einhaltung Mindestabständen der Schallquellen vermieden. Die Abstände sind nach DIN-Vorschrift 4150 bzw. durch bergamtliche Vorschriften geregelt.
Abb. L-5: Geophone (Erdmikrophone) werden in der Suche nach Erdöl und Erdgas eingesetzt, sie nehmen die erzeugten Schallwellen auf [WEG]
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Abb. L-6a: Auswertung von Reflexionsseismischen Messungen [WEG]
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Bei der Auswahl der Schallquellen wird die örtliche Beschaffenheit des Geländes berücksichtigt. Mit den zuständigen Behörden wird abgestimmt, in welchen Gebieten besondere Schutzmaßnahmen anzuwenden sind. Zwar müssen die Geophone und Bohrlöcher rasterförmig im Untersuchungsgebiet angeordnet sein, doch können durch Verlegung von Bohrlöchern z. B. Gebäude oder Biotope ausgespart werden. Bei kleineren empfindlichen Flächen ist eine solche Verlegung in der Regel problemlos und gehört zur Routine. Bei der Zeit- und Ablaufplanung wird in Abstimmung mit den Naturschutzbehörden auf spezielle Belange des Natur- und Umweltschutzes Rücksicht genommen. Wie aus der Darstellung klar zu erkennen ist, sind die Schichtgrenzen klar zu erkennen. Die Auswertung erfolgt mit sehr leistungsfähigen Computern und entsprechender Software.
1.5.2.3 Erdmagnetische Messungen Jeder magnetisierbare oder magnetische Gesteinskörper lenkt das natürliche, zwischen magnetischem Nord- und Südpol verlaufende Magnetfeld in seiner Umgebung ab. Den so beeinflussten Verlauf der magnetischen Kräfte kann man mit empfindlichen Geräten messen. Das wird heute meist von Flugzeugen aus gemacht. Die Auswertung solcher Messungen erlaubt in gewissen Grenzen Aussagen über Form und Tiefenlage magnetischer Gesteine. Sie erfordert den Einsatz moderner Rechenanlagen.
1.5.2.4 Gravimetrische Verfahren (Schweremessungen) Jeder Körper übt in Abhängigkeit von seinem spezifischen Gewicht eine gewisse Anziehung auf andere Körper aus. Unterschiede der Erdanziehung - der Schwerkraft an der Erdoberfläche - hängen mit der unterschiedlichen Verteilung verschieden schwerer Gesteine in der Erdkruste zusammen. Mit einer besonderen, hochempfindlichen Waage, dem Gravimeter (Abb. D-17), kann man sehr kleine Schwerkraftunterschiede messen. So können beispielsweise die Lage und Umgrenzung eines Salzstocks ermittelt werden, da Salz ein verhältnismäßig geringes spezifisches Gewicht hat. Die Auswertung dieser Schweremessung hat durch den Fortschritt der Computertechnik erheblich an Exaktheit und damit an Bedeutung gewonnen.
Abb. L-6b: Gravimeter [EXXONMobil]
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Um die Fündigkeit einer Bohrung beurteilen zu können, sind viele Informationen erforderlich über Porosität, Wasser- oder Kohlenwasserstoff-Sättigung, Permeabilität (Durchlässigkeit), Temperatur, Druck, Verlauf der Formationen und die mineralogische Zusammensetzung des Gesteins. Zur Ermittlung dieser Daten dienen Sonden, die am Kabel in das Bohrloch eingefahren werden und die benötigten physikalischen Parameter messen. Die durch das Kabel übertragenen Daten werden auf einem Diagramm (in der Fachsprache „Log“) und gleichzeitig auf elektronischem Datenträger aufgezeichnet. Fachleute werten diese Informationen entweder gleich an der Bohrung oder später im Rechenzentrum aus und vergleichen sie mit vorhandenen Daten. Erdgas- oder erdölführende Formationen lassen sich dann mit großer Wahrscheinlichkeit erkennen. Die genaue Gliederung der erbohrten Trägerformationen erlaubt eine Bewertung des neuen Fundes. Im langjährigen Durchschnitt ist in Deutschland nur etwa jede sechste Aufschlussbohrung wirtschaftlich fündig. Dies verdeutlicht das erhebliche Risiko und den hohen Kapitalbedarf bei der Suche nach Erdgas und Erdöl.
1.5.2.5 Auswertung der Messergebnisse
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Mit der Feldvermessung ist erst die Basisarbeit getan. Danach folgt im Rechenzentrum eine aufwendige Datenverarbeitung. Die Fortschritte in der Computer-Technologie haben die Einführung der 3D-Seismik überhaupt erst möglich gemacht, denn nur mit leistungsfähigen Rechnern können die riesigen Datenmengen in einer vertretbaren Zeit verarbeitet werden. Das Endergebnis der Verarbeitung sind Datensätze, mit denen die seismischen Informationen ortsgetreu den Untergrundpunkten zugeordnet werden. Die ermittelten Daten stehen für die Auswertung durch ein Team von Geologen, Geophysikern, Petrophysikern und Lagerstätten-Ingenieuren zur Verfügung. Mit einer leistungsfähigen Software können die Eigenschaften der untersuchten unterirdischen Horizonte einzeln oder kombiniert zu Karten und Profilen aufbereitet werden. Auf den Karten des Untergrundes wird der Verlauf der Gesteinsschichten räumlich sichtbar. Damit lassen sich die Bereiche erkennen, in denen gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Suche nach Erdgas oder Erdöl bestehen. Innerhalb eines Bereichs können die Fachleute sogar die Zonen umreißen, in denen stärkere Konzentrationen an Kohlenwasserstoffen zu erwarten sind. Die Ergebnisse der Seismik werden häufig in 3D-Räumen visualisiert. Die Experten sind mit dieser Technik in der Lage, sich im virtuellen dreidimensionalen Untergrund frei zu bewegen und den optimalen Bohrungsverlauf festzulegen. Die entscheidende Frage, ob im Untergrund tatsächlich eine wirtschaftlich verwertbare Ansammlung von Erdgas oder Erdöl vorhanden ist, lässt sich selbst nach der gründlichsten geophysikalischen Vorarbeit nicht sicher beantworten. Endgültige Klarheit hierüber kann nur eine Bohrung bringen. Trotz dieses enormen Aufwands ist es gelungen, die Kosten für das Auffinden von Öl- und Gaslagerstätten enorm zu senken. Der technische Fortschritt auf allen Gebieten, insbesondere die Computertechnik, hat die Anzahl der Bohrungen zum Auffinden von Lagerstätten von 10 auf 2 verringert. Das spart nicht nur Kosten für vergebliche Bohrungen, sondern schont zugleich auch die Umwelt.
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1.6 Gewinnung von Bohrkernen 1.6.1 Allgemeines Da die Erkenntnisse aus dem Bohrklein der vom Rütteltische und elektronischen Messungen nach dem MWD-Verfahren (Measurement While Drilling) nicht immer ausreichend sind, müssen abschnittweise zusätzlich Bohrkerne zur besseren Beurteilung gewonnen werden. Diese werden i. d. R. mit Hilfe des Seilkernverfahren, das für Tiefbohrungen weiterentwickelt wurde, gewonnen das nachfolgend näher beschrieben wird. Während in der Baugrunderkundung lediglich nur Kerne von 1000 bis 2000 mm Länge gewonnen werden, erlauben diese Kernrohre Kernlängen bis 9000 mm. Das Prinzip der Kerngewinnung ist dabei gleich. Beim Bohren von Kernen hat man das Ziel, möglichst viel Material bei optimalem Bohrfortschritt und minimalen Kosten zu erreichen. Beim Seilkernverfahren können Kerne gezogen werden, ohne das ganze Gestänge aus- und einbauen (round trip) zu müssen.
1.6.2 Beschreibung des Seilkernrohr-Verfahrens 1.6.2.1 Das Seilkernrohr Seilkernrohre sind Doppelkernrohre für kontinuierliches Bohren in allen Formationen, speziell auch in der Überlagerung. Es besteht aus dem eigentlichen Kernrohr und der Fangvorrichtung. Bei einigen Systemen ist die Fangvorrichtung mit einem Fangzapfen (20) und einer entsprechenden Fangklaue im Kernrohr ausgestattet. Der Vorteil der Seilkernrohrbohrmethode gegenüber dem herkömmlichen Kernbohren liegt darin, dass das innere Kernrohr durch das Bohrgestänge hindurch rasch hochgezogen werden kann, während das Bohrgestänge mit dem äußeren Kernrohr im Bohrloch verbleibt. Bei der Entnahme des Bohrkernes aus dem Innenrohr (8) wird nicht wie bei Doppelkernrohren der gesamte Bohrstrang ausgebaut, sondern nur das innere Kernrohr (8) über eine Fangvorrichtung (29), die an einem Stahlseil in das Gestänge eingelassen wird, aus seiner Arretierung im Außenrohr gelöst und mit der Seilwinde durch das Gestänge nach oben gezogen. Der Bohrstrang verbleibt während des Kernzuges in der Bohrung, was bei größeren Tiefen zu erheblicher Zeitersparnis führt. Bei flachen Bohrungen erübrigt sich häufig eine zusätzliche Hilfsverrohrung. Die Bohrung bleibt während des Kernzuges verrohrt. Nach dem Entleeren wird das innere Kernrohr (8) im freien Fall (wenn das Bohrloch mit Wasser gefüllt ist) oder mit Hilfe der Fangvorrichtung (wenn das Bohrloch nicht mit Wasser gefüllt ist) durch das Bohrgestänge hindurch zum äußeren Kernrohr (3) und zur Bohrkrone (1) abgesenkt. Wenn das innere Bohrrohr (8) wieder an seinem Platz ist, wird das Bohren fortgesetzt. Das innere Kernrohr (8) dreht sich nicht während des Bohrens. Das Seilkernrohr eignet sich nur für Bohrarbeiten, bei denen das Bohrloch nicht mehr als 45° von der Senkrechten aus geneigt ist. Es ist für die Spülung mit Wasser, Wasser mit Spülungszusätzen oder Luft vorgesehen und vom Bohrgerätetyp unabhängig. Da der Kernausbau unter Umständen längere Zeit in Anspruch nimmt, werden vielfach zwei Kernrohre vorgehalten.
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1 Aufbau und Einrichtung Teile des Seilkernrohres (links): 1
Bohrkrone
11 Mitnahmebohrer
2
Führungsnippel
12 Spindel
3
Außenrohr
13 Rillenkugellager
4
Landering
14 Sperrklauengehäuse
5
Verbindungsmuffe
15 Lagergehäuse
6
Kernfanghülse
16 Innenkernrohrkopf
7
Kernfangring
17 Sperrklauen
8
Innenrohr
18 Druckfeder
9
Wellendichtungen
19 Rückzugsgehäuse
10 Mutter
20 Fangzapfen
Teile der Fangvorrichtung (rechts): 21 Axialrillenkugellager 22 Mutter 23 oberes Führungsteil 24 Zwischenhülse 25 Fanggestänge 26 Zwischenstück 27 Verbindungsnippel 28 unteres Führungsteil 29 Fangklaue
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Abb. L-7: Aufbau eines Seilkernrohres
Es gibt unterschiedliche Systeme und Durchmesser. Der Typ 146/176 hat sich jedoch als vorteilhaft erwiesen. Kleine und mittlere Unternehmen werden kaum mehrere Typen vorhalten. Alle Systeme haben einen der Abb. L-7 vergleichbaren Aufbau.
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Abb. L-8: Spezialkernrohr für Tiefbohrungen, es erlaubt Kernlängen von 9,00 m [Comdrill]
1.6.2.2 Kernbohrungen mit dem Seilkernrohr Zusätzliche Anwendungshinweise: Das Außenkernrohr wird zusammen mit dem Bohrstrang eingebaut und zunächst die Bohrlochsohle freigespült. Danach wird das Innenkernrohr in das Bohrgestänge eingesetzt bis in seinen Sitz im Außenkernrohr. Dies gelingt jedoch nur bis Bohrlochneigungen, die kleiner als 45° sind. Bei größeren Bohrlochneigungen muss das Innenkernrohr mit einer begrenzten Pumpenleistung bis in seine Stellung im Außenkernrohr gepumpt werden. Die Sperrklinken rasten ein, sobald das Innenkernrohr seine Arbeitsstellung erreicht hat. Wenn der Kern abgebohrt und das Innenkernrohr gefüllt ist, wird dieses nach oben gedrückt. Hierdurch wird ein elastisches Ventil, das sogenannte Spülungsschließventil, im oberen Teil des Innenkernrohres zusammengepresst, wodurch der Durchfluss der Bohrspülung unterbrochen wird, was einen erheblichen Anstieg des Pumpendruckes zur Folge hat. Daraufhin wird der Bohrstrang kurz angehoben und dabei der Kern vom anstehenden Gebirge getrennt. Mit dem Fanggerät, das in die entsprechende Vorrichtung am Innenkernrohr einklinkt, kann das Kernrohr mit dem darin befindlichen Bohrkern am Seil nach oben ausgebaut werden. Anschließend ist es möglich, sofort ein anderes Innenrohr einzulassen und weiterzubohren. Bei stark geneigten Bohrungen sowie bei Horizontalbohrungen muss auch die Fangvorrichtung bis zum Außenkernrohr gepumpt werden. Mit Seilkernrohren können in der Regel Kernlängen von 5 m (maximal bis 9 m s. Abb. L-8) erreicht werden. Die Kerndurchmesser betragen maximal 100 mm.
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1 Aufbau und Einrichtung
StandardKernlänge 1500 mm äußeres Rohr inneres Rohr Auskleidung bei Spülung mit: Luftbedarf 17 m3/min
Außen-∅
Innen-∅
mm
mm
140,0 117,0 110,0
127,0 111,0 105,6
Loch-∅
Kern-∅
150,0
102,0
Wasser
146,0
102,0
Komponenten des Systems NSK 146 1 äußeres Kernrohr 2 inneres Kernrohr 3 Fangvorrichtung 4 Seil 5 Bohrgestänge 6 Winde 7 Zwischenstück
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Abb. L-9: Seilkernrohrsystem mit Datentabelle
Der Einsatz von Seilkernrohren erfordert eine gut gereinigte, geringviskose Spülung, da in der Bohrspülung verbliebenes Bohrklein das Einrasten des Innenkernrohres verhindern kann. Sämtliche feineren Bauteile müssen gut gewartet und auf Verschleiß kontrolliert werden, da andernfalls die Funktionsfähigkeit nicht gewährleistet ist. Die Verwendung von Nachräumern, die zur Stabilisierung der Kerngarnitur beitragen, ist ebenfalls notwendig, um die Kaliberhaltigkeit des Bohrloches zu sichern. Es können alle Kronenarten verwendet werden. Falls aufgrund der Gesteinshärte Diamantkronen eingesetzt werden müssen, so sollte eine gute Diamantqualität gewählt werden.
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Abb. L-10: Bohrkerne (links) - Ring-Bohrkronen für das Seilkernverfahren (rechts) – Ausführliches über Ringbohrkronen s. Kap. N-Baurunderkundungs-Bohrungen [Comdrill]
1.7 Technische Rohrtouren Nachdem die Ankerrohrtour eingebracht und sicher mit dem mit dem umgebenden Boden fest im verankert, wird der Blowout Preventer aufgesetzt und fest verschraubt. Jetzt kann endgültige Bohrgarnitur zusammengestellt werden. Dazu gehören die erforderlichen Schwerstangen, Stabilisatoren und Stoßdämpfer. Ferner wird gemeinsam mit dem zuständigen Geologen entsprechend den zu erwartenden Bodenschichten der Meißeltyp festgelegt und an das Rohrende geschraubt. Der Durchmesser muss so gewählt werden, dass er durch den geöffneten Blowout Preventer und die Ankerrohrtour passt. Jetzt kann mit nächsten Bohrabschnitt unterhalb der Ankertour begonnen werden. Bevor die Lagerstätte erreicht ist, können Problemzonen durchfahren werden. Zu diesen gehören vor allem Salze. Rein bohrtechnisch bieten sie keinen extremen Widerstand. Auf dem Weg in Richtung durchbohren wir verschiedenste Gesteinsformationen. Salz hat jedoch die unangenehme Eigenschaft unter hohem Temperatur langsam zu fließen und schiebt sich so allmählich immer weiter in das Loch hinein. Bohrt man ungeachtet weiter, kann es passieren, dass beim Ausbau des Gestänges der Bohrmeißel nicht Bohrstrang hängen bleibt. Beim Versuch, den Meißel frei zu spülen, können durch den hohen Wasserdruck erheblich Hohlräume und Nachfall auftreten, die dann evtl. weitere Schwierigkeiten hervorrufen. Nicht nur Salz, sondern auch Ton ist eine Formation, die große Probleme beim Bohren bereiten kann. Durch den Kontakt mit der Spülung kann der Ton quellen, matschig und klebrig werden oder sich in der Spülung auflösen und die Spülung verändern. Auch starke Risse oder Spalten im Gebirge können zu einem hohen Spülverlust führen. Es können aber auch größere Mengen Formationswasser in die Bohrung eindringen und die Spülung verwässern.
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Sind derartige Problemzonen bekannt oder treten sie massiv beim Bohren auf, so wird es unter Umständen erforderlich, das Bohrloch in diesem Bereich zu verrohren und die vorhandenen Hohlräume zu zementieren. Diese Arbeiten wurden im Kap. Spülung und Zementration ausführlich beschrieben. Es kann allerdings jetzt nur mit einem kleineren Bohrmeißel weiter gebohrt werden, der durch die technische Rohrtour geht. Sollten weitere Problemzonen auftreten, so muss eine zweite technische Rohrtour eingebaut werden, was zu einer weiteren Verringerung des Bohrdurchmessers führt. Unter Umständen können noch weitere technische Rohrtouren mit deiner weiteren Verringerung des Bohrdurchmessers nötig werden. Das bedeutet, dass die Bohrung mit einem entsprechend großen Durchmesser begonnen wird.
1.8 Festlegung des Anfangsdurchmessers
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Der Bohringenieur, der die Bohrlochkonstruktion bestimmt bzw. berechnet, wird sich von diesen Problemzonen nicht überraschen lassen. Wenn keine Probebohrungsergebnisse vorliegen, so kann aufgrund der geophysikalischen Voruntersuchungen erkannt werden, ob und wo Bohrprobleme auftreten werden. Er kennt ferner die geplante Endtiefe und weiß, mit welchem Mindestdurchmesser er in der Lagerstätte ankommen muss. Er ermittelt anhand der Voruntersuchungen die Anzahl der technischen Rohrtouren und kann somit festlegen mit welchem Durchmesser er die Bohrung beginnen muss. Bei unsicheren Grundlagen wird er einen entsprechenden Zuschlag machen. Aufgrund der hohen Rohkosten wird man bestrebt sein mit den einzelnen Rohrtouren nicht immer von oben anzufangen. Man wird bestrebt sein etwas, oberhalb des Endes der letzten Rohtour zu beginnen. Rohrtouren, die nicht bis zur Oberfläche geführt werden, nennt man „verlorene Rohrtouren“ oder engl. Liner. Bei der Vollverrohrung spricht man von einem Casing. Da die Verrohrung im Boden verbleibt, wenn die Bohrung fündig wird, muss sie aus besonders hochwertigem Material bestehen. Schlechtes Rohrmaterial könnte durch den hohen Gebirgsdruck zusammengedrückt werden oder extremen Gasdruck platzen. Hohe Qualitätsansprüche gelten auch für den verwendeten Zement. An den Einbau der technischen Rohrtour werden hohe Ansprüche gestellt. Es dürfen auf keinen Fall Nachlässigkeiten oder Unachtsamkeiten auftreten. Die Aufgabe einer Bohrung wegen unsachgemäß eingebauter technischer Rohrtouren ist mit sehr hohen Kosten verbunden.
1.9 Senkrechte Bohrungen Das Bohrgestänge bestehend aus den Einzelbohrstangen (Länge etwa 10 m), Schwerstangen, Übergangsgestängen (in der Fachsprache „Heavy Weight Drill Pipes“), Stabilisatoren, Stoßdämpfern, dem Bohrmotor und dem Meißel, wurde im „Kapitel G-Gestänge und Bohrwerkzeuge“ schon hinreichend beschrieben. Im Folgenden noch einige allgemein geltende zusätzliche Erläuterungen: Alle im Bohrloch eingesetzten Bohrrohre, Bohrgestänge, Bohrmotoren und Bohrkronen unterliegen einem hohen API-Standard. Beim Roundtrip werden alle Geräte und Werkzeuge eingehend überprüft. Beim Gestänge betrifft dies besonders die Verbinder. Bei kleinsten Mängeln
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werden die betreffenden Gestänge ausgesondert und gehen in die eigene oder externe Werkstätten. Bohrkronen bzw. -meißel die einmal „im Loch“ waren, werden grundsätzlich unabhängig von der Einsatzzeit ausgetauscht. Endscheidend sind nicht die Verschleißerscheinungen, denn vielfach können bei Rollenmeißeln die Lager Schaden genommen haben. Die Meißel werden komplett zerlegt und jedes auch nur geringfügig beschädigte Teile ersetzt, der Meißel geschmiert und wieder zusammengebaut. Nach einer zweiten Reparatur werden die Meißel i. d. R. als gebrauchte Meißel deklariert und an Bohrunternehmen verkauft, die in der Flachbohrtechnik tätig sind. Der hohe Qualitätsanspruch gilt ebenfalls für alle eingesetzten Maschinen und Geräte. Stillstände durch Maschinenausfallkönnen hohe Kosten verursachen. Für stark beanspruchte bzw. empfindliche Geräte, müssen Ersatzgeräte vorgehalten werden. Die Maschinen (z. B. Spülpumpen dürfen auch nicht längere Zeit auf Volllast gefahren werden. Zeigen sich die kleinsten Unregelmäßigkeiten bei den Bohrmotoren und den Hightech-Bohrköpfen, so wird umgehend das Gestänge ausgebaut und das Gerät ausgetauscht.
1.10 Bohrmotoren, Bohrturbinen und MWD-Antriebe 1.10.1 Allgemeines Bohrwerkzeuge, besonders die Bohrmotoren und neuen MWD-Antriebe (MWD steht für Measurement While Drilling) unter den schwersten Bedingungen arbeiten und sicher funktionieren. Sie arbeiten im Schlamm bei Temperaturen wie in einem Pizzaofen und bei Drücken bis 1700 bar. Marion Fischer arbeitet als Physikerin bei der Niederlassung von Baker-Hughes, einem texanisches Milliardenunternehmen, in Celle. Sie sagt:“Unter diesen Bedingungen Hightech zu installieren ist aufwendiger als in der Raumfahrt!“ Mit Ihren Kollegen hat Fischer die Kernspinresonanz (ein Verfahren aus dem Krankenhaus bekannt) für die „Bohrhölle“ tauglich gemacht.
1.10.2 Beschreibung des Verfahrens Das System namens MagTrak liefert Daten aus der Tiefe, noch während sich der diamantbesetzte Meißel ins Gestein hineinfrisst. ,,Mit der Kernspintresonanz bekommen wir jetzt auf einen Schlag noch einen umfassenderen Einblick“, sagt Fischer, die mittlerweile die Erprobung des Systems koordiniert. Ölfirmen wie Eiton und Shell verlangen möglichst schnell ein genaues Bild von Lage und Ergiebigkeit ihrer Lagerstätten. Die Sprengungen, deren Echos beim Aufspüren von Öl im Gestein helfen werden, geben nur einen groben Überblick. Bevor das Fördern beginnen kann, müssen daher Probebohrungen gemacht werden. Schnell und präzise sollen sie genaue Daten liefern, der Betrieb einer Bohranlage kostet bis zu 500 000 $ am Tag. Früher wurden Gesteinsproben aus dem Bohrloch entnommen und über Tage vermessen, oder man ließ Messinstrumente nachträglich in die Tiefe hinab. Heute ist die Bohrgarnitur selbst ein rotierendes Minilabor, das das umgebende Gestein und die darin vorhandenen Flüssigkeiten binnen Sekunden analysiert Weil sich die Richtung der Bohrung relativ genau steuern lässt, können die Ingenieure vor Ort sogar auf die Analysen reagieren und mit einer kleinen Neigung des Bohrkopfs gezielt in reichhaltigere Gesteinsregionen vorstoßen. Unter läge kann sich die Bohrung in der Horizontalen bis zu elf Kilometer vom Bohrturm entfernen.
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1 Aufbau und Einrichtung
Eine Reihe von Messverfahren ist bereits im Einsatz, als Sensor hinter dem Bohrkopf in den nur 20 Zentimeter dicken Bohrstrang integriert Bislang wurden etwa GammastrahlenDetektoren mit in die liefe geschickt, um Schiefer- und Tongestein anhand ihrer natürlichen Strahlung zu identifizieren. Messungen des elektrischen Widerstands geben Auskunft über die Durchlässigkeit der Poren und ihre Füllung. Jetzt ist das Magnetresonanz-Verfahren hinzugekommen. Mithilfe mehrerer Magnete versetzt ein Computer die Atomkerne im Gestein in charakteristische Schwingungen. Aus denen schließen die Forscher auf die Zahl der beteiligten Atome und die Substanz, mit der sie es zu tun haben, und gewinnen präzise Daten über die Größe der Gesteinsporen und ihre Durchlässigkeit Damit lässt sich errechnen, wie gut ein Ölvorrat ausgeschöpft wenden kann. Kernspin-Resonanz wird überirdisch bereits seit den 90er-Jahren eingesetzt, um Materialien zerstörungsfrei unter die Lupe zu nehmen. „Doch der Betrieb von Magneten und Elektronik unter den extremen Bedingungen in einem Bohrloch erfordert besondere Maßnahmen“, sagt Fischer. Das gilt nicht nur für die hochempfindlichen Messgeräte selbst. Weil eine Verkabelung des auf mehrere Tausend Meter rotierenden Bohrgestänges nicht möglich ist, muss der benötigte Strom ganz tief unten im Bohrloch erzeugt werden. Das geschieht mit einer kleinen Turbine, die von der einströmenden Bohrspülung angetrieben wird.
1.10.3 Datenübertragung durch Schlamm
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Um die gemessenen Daten ohne Funk oder Kabel an die Oberfläche zu befördern, nutzt der Hightech-Bohrkopf ein Informationsverfahren, dessen Entwicklung in die Anfangszeiten des Bergbaus zurückreicht und zwar Klopfzeichen. Über ein Ventil werden Druckpulse mittels der Bohrspülung nach oben geschickt. Oben verwandelt ein Empfänger die an- und abschwellende Schlammflut aus der Tiefe wieder in Bits. So lassen sich Übertragungsraten erreichen, die in etwa zwei Buchstaben pro Sekunde entsprechen. Zusammen mit ausgeklügelten Komprimierungsverfahren, die man sich bei der digitalen Fotografie abgeschaut hat, können sogar Bilder übertragen werden. Mittlerweile hat MagTrak bereits zwei Dutzend kommerzielle Einsätze hinter sich, einen davon auf der Mittelplate, dem größten deutschen Erdölvorkommen am Südrand des schleswig-holsteinischen Wattenmeers. „Diese Methoden bedeuten zwar einen enormen technischen Aufwand“, meint Volker Krüger von Baker Hughes. „Aber durch den hohen Ölpreis wird das jetzt für viele Ölkonzerne rentabel." Durch die besseren Daten aus dem Gestein sei eine 60- bis 65-prozentige Ausbeutung einzelner Ölvorkommen in Reichweite statt der bislang üblichen 30 bis 50 Prozent. Kabel nach oben gibt es nicht, auch Funk funktioniert Tausende Meter unter der Erde nicht mehr. Die gemessenen Daten müssen deswegen in Form von Wasserimpulsen nach oben gesendet werden. Die Übertragungsgeschwindigkeit entspricht etwa zwei Buchstaben pro Sekunde. Das System liefert u. a. folgende Informationen: • Drehzahl der Bohrstrangkomponenten • Bohrungsverlauf • Art und Ausmaß der Vibration im Bohrloch • Bohrloch-Temperatur • Drehmoment und Bohrandruck • Volumenstrom der Spülung • Beschaffenheit des Gesteins • Porengehalt des Gesteins
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Steuern Die komplexe Technik ermöglicht ein interaktives Bohren: Je nachdem, wie die Gesteinsschichten beschaffen sind, wird der Bohrer ein wenig weiter nach rechts oder links gelenkt. Beliebige Neigungen und Kurven können gefahren werden und sich in der Horizontalen bis zu elf Kilometer vom Bohrturm entfernen.
1.10.4 Bohrmotoren und -turbinen für das Senkrechtbohren Richtungsbohrer (directional drilling) wurde zuerst bei Prospektions- und Produktionsbohrungen auf Öl und Gas eingesetzt, um von einer Plattform aus die Lagerstätte an mehreren Stellen erkunden und anzapfen zu können. Auch bei Forschungsbohrungen hat sich das Verfahren schon bewährt, insbesondere bei sehr tiefen absolut vertikalen Bohrlöchern. Die Temperaturen im Bohrloch müssen dabei deutlich unter 200°C bleiben, weil sonst die Elektronik nicht mehr arbeitet.
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Abb. L-11 Vertikal-Bohrsystem (directional drilling)
Bohrturbinen werden von einigen Unternehmen hergestellt. Sie verwenden unterschiedliche Verfahren (z. B. Baker Hughes, Schlumberger und Halliburton). Es würde zu weit führen auf alle System einzugehen. Die Antriebsenergie liefert in jedem Fall die Spülung. Beispiel zeigen die Abb. L-11 und L-12. Hinweise: Die Abb. L-11 zeigt ein directional-drilling-System (Richtungsbohren) das vornehmlich für Senkrechtbohrungen eingesetzt wird. Die Temperaturen im Bohrloch dürfen dabei 200° Celsius nicht übersteigen, da sonst die empfindliche Elektronik ausfällt. Die Abb. L-12 zeigt ein System, das Ablenkungen mittels eines Knickstückes erlaubt.
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1 Aufbau und Einrichtung
Abb. L-12: RSS- Bohrsystem (Rotary Steering System) mit der Möglichkeit von Ablenkungen
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Abb. L-13: Der Bohrmeister überprüft gewissenhaft den Bohrmeißel, der möglichst lange der Hitze und dem Druck im Bohrloch standhalten muss, bevor er an Bohrmotor geschraubt wird [WEG].
Weitere Erläuterungen zu Bohrantrieben s. Kap. G – Bohrgestänge und Werkzeuge.
1.10.5 Anwendung, Bedienung und Auswertung Aus dem bisher Gesagten lässt sich leicht erkennen, dass die Anwendung und Bedienung der komplizierten Bohrantriebe nur von gut ausgebildeten Fachleuten der Service-Unternehmen geleistet werden kann. Sie kommen überwiegen von den Herstellern und haben dort z. T.
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selber an der Entwicklung der Geräte mitgearbeitet. Sie kennen jedes Detail der HightechMaschinen und können auch die Signale auswerten. Die Bohrmannschaft wäre hiermit gänzlich überfordert. Ohne Hightech-Spezialisten ist die heute Tiefbohrtechnik nicht mehr wirtschaftlich durchführbar. Die Kosten dieser Service-Leute sich inzwischen zu einem wesentlichen Teil der Gesamtkosten einer Bohrung Beteiligt.
1.11 Horizontalbohrtechnik Neue Lagerstätten, die heute noch entdeckt werden, dehnen sich heute mehr in der Horizontalen (z. T. viele km) als in der Tiefe (z. T. nur wenige m) aus. Das trifft insbesondere für die Ölschicht zu, die sich zwischen Gas und Wasser in diesen Schichten befindet. Das erklärt auch den Nachteil der reinen senkrechten Bohrungen. In den ehemaligen Ölfeldern in Öelheim und Wietze in den Jahren1890 bis 1910 standen Bohrgerüste im damaligen Ölrausch ca. 100 m und weniger auseinander. Es war logisch, dass die Ölsucher sich das begehrte Öl gegenseitig abpumpten, sodass viele Bohrungen sehr schnell aufgegeben werden mussten und der Ölboom auch nicht lange anhielt.
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Abb. L-14: Das Ölfeld Wietze im Ölrausch um 1900
Mit den neuen Bohr- und Fördertechniken wurden bisher in der Nähe dieser Ölfelder wieder Bohrungen fündig. In einer vertikalen Bohrung bewegt sich teilweise viel mehr Wasser und Gas auf den Förderstrang zu als Öl. In Deutschland gibt es eine Menge von Bohrungen, die bis zu 99 Prozent Wasser produzieren. Das Öl steht hier aus mehr oder weniger großen Fettaugen auf dem Wasser. Gerichtete Bohrungen verlaufen nicht genau senkrecht. Der Meißel wird insbesondere bei einem Wechsel von weichen Schichtern zu härteren Schichten oder umgekehrt, in die waagerechte oder senkrechte Richtung abgelenkt. So entstehen Kurven und geneigte Abschnitte.
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1 Aufbau und Einrichtung
Bei horizontalen Bohrungen und Kurvenbohrungen überlässt man das nicht dem Zufall, sondern setzt intelligente Bohrantriebe ein, die man in die gewünschte Richtung steuert. So kann eine Horizontalbohrung über weite Strecken mitten in der Ölschicht verlaufen. Wasser und Gas sind relativ weit von der Bohrung entfernt und können nicht so leicht in den Förderstrang eindringen. Die Ölförderung kann auf diese Weise also ganz erheblich verbessert werden. Die Oberfläche eines horizontalen Bohrlochabschnittes in der Lagerstätte ist wesentlich größer als wenn man die Ölschicht senkrecht durchteuft. Damit kann die Ergiebigkeit einer Bohrung wesentlich gesteigert werde. Die Vorteile des Horizontalbohrens sind damit klar zu erkennen. Die Horizontalbohrtechnik wurde seit den späten 1980er immer mehr verfeinert. Ziel ist, die Reichweite der horizontale der Bohrungen immer weiter auszudehnen. In den frühen 1990er Jahren war eine drei Kilometer senkrechte Bohrung von der man einen Kilometer horizontal durch die Ölschicht zu fuhr, schon etwas Besonderes. Heute verlaufen inzwischen in drei Kilometern Tiefe und mehr zehn Kilometer horizontal. So kann man Öl- und Gaslagerstätten, die in geschützten Gebieten liegen. Ein Beispiel ist die Bohrinsel Mittelplate (s. Kap. Bohrungen auf Erdöl und Erdgas in Deutschland) Ein Beispiel hierzu ist auch die Bohrung Siedeburg Z-17 Abb. L-15. Die Bohrung wurde zunächst fast 5000 m senkrecht durch einen Salzstock geführt und dann als Horizontale Bohrung in die Öllagerstätte gefahren.
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Abb. L-15: Beispiel für die Anwendung einer Horizontalbohrung [ExxonMobil]
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1.12 Weiterer Verlauf der Bohrung Nachdem die Ankerrohrtour einbaut und zementiert ist, die je nach anstehendem Boden bis mehrere hundert Meter lang sein kann, erfolgt der erste round trip (Bohrgestänge ein- und ausbau). Dabei wird das Gestänge neu zusammengestellt, d. h. aus den Einzelstangen von 10 m Länge werden jeweils drei Stangen zu einem Dreierzüge verbunden. Auch Viererzüge und Fünferzüge sind möglich, haben sich aber nicht durchgesetzt, da entsprechend höhere Bohrtürme erforderlich sind. Die Dreierzüge haben eine Länge von ca. 30 m, sodass sich die Zeit für einen round trip um ein Drittel verkürzt. Dadurch werden auch die Gewinde der Verbindungen geschont.
1.10.7 Einbau der Produktionstour und Produktionsstrang Da aus der senkrechten Bohrung selten gefördert wird, erfolgt vor Erreichen der Lagerstätte die Ablenkung in eine geneigte oder horizontale Bohrung, die wie bereits beschrieben, in der Lagerstätte verläuft. Es kann auch von Anbeginn eine geneigte Bohrung angesetzt werden oder in jeder anderen Bohrtiefe. Die Bohrstrecke in der Lagerstätte muss mit einer Produktionsrohrtour verrohrt werden. Das sind starkwandige Stahlrohre die geschlitzt oder mit kleinen Löcher versehen ist (s. Abb. K16). Diese Rohrtour wirkt wie ein Drainagerohr. Durch die Löcher oder Schlitze kann das Öl zufließen oder das Gas einströmen. Bei günstigen Verhältnissen kann auf die technischen Rohrtouren und Produktionsrohrtouren ganz verzichtet werden, was aber sehr selten vorkommt.
1.10.8 Abschluss der Bohrung Ist eine Onshore-Bohrung nicht fündig geworden oder ausgefördert, so muss das Bohrloch aus bergrechtlichen Gründen verschlossen werden. Hierfür gibt es entsprechende Verfahrensvorschriften.
Abb. L-16: Beispiel für einen „Cork“
Bei Offshore-Bohrungen (marinen Bohrungen) kann das Bohrloch mit einem Pfropfen (engl. Cork) verschlossen werden, der auch wieder entfernt werden kann, wenn man später einmal wieder an der selben Stelle weiterbohren und das Loch evtl. vertiefen will.
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Neue Verfahren in der Bohrtechnik
Neue Verfahren in der Bohrtechnik
2.1 Allgemeines Bohrungen sind das A und O beim Fördern von Öl und Gas. Im vergangenen Jahrhundert haben neue Bohrverfahren und -technologien die erreichbaren Bohrlochlängen von einigen wenigen Metern auf über 10 km gesteigert. Eine Bohrung verläuft nicht mehr notwendigerweise vertikal nach unten – heute wird auch horizontal, um die Ecke und in Schlangenlinien von einer Öltasche zur nächsten gebohrt. Bohrungen können sich sogar ähnlich den Wurzeln eines Baumes in mehrere Bohrlöcher verzweigen. Früher brauchte jede Lagerstätte speziell angepasste Plattformen und Bohrungen. Aus diesem Grunde war die Erschließung kleinerer Öl- und Gasvorkommen ökologisch und ökonomisch unrentabel. Neue Plattformkonstruktionen und andere Planungskonzepte für Bohrungen, wie etwa „Drilling thek Limit“ von Shell, das Bohrtechnologie und maximale Bohreffizienz in den Mittelpunkt stellt, haben dazu geführt, dass Bohrungen heutzutage schneller, mit weniger Energieaufwand und kostengünstiger niedergebracht werden können. Mit jedem technischen Fortschritt bei den Bohrtechnologien, -konstruktionen und -verfahren werden mehr dieser wertvollen Vorkommen zugänglich. Die Technologie hat sich stetig weiterentwickelt, und jeder Fortschritt hat die wirtschaftlich erschließbaren Ressourcen ein Stück weit vergrößert. Beispiele hierfür sind Technologien, die die mögliche Bohrlochlänge erhöhen oder den Umgang mit eindringendem Wasser nach Erstellung des Bohrloches verbessern.
2.2 Dehnbare Futterrohre
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Quellfähige Elastomere sind synthetische Gummidichtungen, die Wasser daran hindern, in die Bohrung einzudringen und sich mit dem Öl zu vermischen. Um immer längere Bohrungen niederbringen zu können, kommt es darauf an, die Bohrung gut „zusammenzusetzen“. Herkömmlicherweise wird ein Abschnitt des Bohrlochs gebohrt und in diesen Abschnitt ein Futterrohr oder Liner eingesetzt. Anschließend wird der nächste Abschnitt gebohrt, und es muss ein zweites Futterrohr eingesetzt werden. Um dieses aber an seinen Platz zu bringen, muss es durch das erste Futterrohr hindurchpassen. Deswegen wird der Durchmesser die einzelnen Futterrohrabschnitte sukzessive immer kleiner, bis schließlich das Bohrloch zu eng ist und nicht mehr weiter gebohrt werden kann. Ein Shell Ingenieur ließ sich von Flaschenschutznetzen inspirieren und löste dieses Problem mit der Erfindung von dehnbaren Rohren. Es handelt sich dabei um metallische Futterrohre, die sich im wahrsten Sinne des Wortes ausdehnen lassen, indem ein Spreizkegel durch sie hindurchgedrückt wird, nachdem sie im Bohrloch an Ort und Stelle gebracht worden sind. Das Rohr ist somit einerseits klein genug, um durch den vorherigen Futterrohrabschnitt hindurch zupassen, kann aber anschließend auf den vollen Durchmesser aufgeweitet werden und ist dann bereit für die Aufnahme des nächsten Abschnitts. Das Futter muss sich nicht mehr verjüngen, so dass Bohrungen mit dieser Technik länger als je zuvor werden und Öl- und Gasvorkommen erreichen können, deren Erschließung zuvor als zu teuer oder zu schwierig angesehen wurden. Das Konzept dehnbarer Rohre wurde auf eine Reihe bohrtechnischer Erzeugnisse übertragen, mit denen längere Bohrlöcher bei geringerem Materialverbrauch und niedrigeren Kosten ge-
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bohrt werden können. Die Technik kommt inzwischen in 23 Ländern rund um die Welt zum Einsatz.
2.3 Bohr-Futterrohre mit Elastomere In den meisten Ölförderbohrungen ist auch Wasser anzutreffen. Insbesondere in ältere Bohrungen können große Mengen Wasser eindringen, sodass viel Aufwand für die Förderung von Wasser statt Öls verloren geht. Es handelt sich hierbei um ein zunehmend akutes Problem für die Branche, doch jetzt zeichnet sich eine Lösung ab: „quellfähige Elastomere“ – eine Technologie, bei der Wasser mit Wasser abgewiesen wird.
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Abb. L-17: Elastomere Bohrrohre [Shell]
Diese Elastomere werden rund um die Futterrohre (die interne Verrohrung der Bohrung) angebracht (Abb. L-17) und schwellen auf das Zwei- bis Dreifache ihrer Größe an, wenn sie mit Wasser in Kontakt kommen. Auf diese Weise unterbrechen sie den Wasserstrom. Öl dagegen bewirkt keine Größenveränderung und kann die Elastomere ungehindert passieren. Bei einer Reihe von Bohrungen konnte mit quellfähigen Elastomeren das geförderte Ölvolumen verdreifacht werden; in einem Fall sank der Wasseranteil sogar von 90 auf 20 Prozent. Quellfähige Elastomere – die Idee stammt ursprünglich von einem Kinderspielzeug – sind heute unter dem Namen EZIP auf der ganzen Welt im Einsatz. In weniger als fünf Jahren haben EZIPAnwendungen eine Steigerung der Fördermengen um geschätzte 1,5 Milliarden Barrel Öl bewirkt.
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3 Einsatzbericht über eine moderne Tiefbohranlage
3 Einsatzbericht über eine moderne Tiefbohranlage 3.1 Allgemeines
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Die neue STREICHER Tiefbohranlage VDD 200.1 ist für den Landeinsatz in Mitteleuropa konzipiert. Ein erster läuft auf dem Projekt Schoonebeek. DrillTec erhielt im Dezember 2007 einen Letter of Intent und wurde im April 2008 von der Nederlandse Aardolie Maatschappij B. V. (NAM) mit den Bohrarbeiten für den Neuaufschluss der Erdöllagerstätte Schoonebeek in Holland beauftragt. Aus dieser Lagerstätte wurde von 1947 – 1996 Öl gefördert. Die Förderung wurde 1996 durch die NAM eingestellt. Alle Bohr- bzw. Förderplätze wurden vollständig in den Zustand vor Beginn der Erschließungsarbeiten zurückgebaut. Die Lagerstätte, die sich auf deutscher Seite im Raum Emlichheim fortsetzt, soll mit insgesamt 73 Bohrungen von 18 Lokationen wieder in Betrieb genommen werden. Für das Abteufen der Bohrungen sind insgesamt 2 Jahre vorgesehen. Die Horizontalbohrungen mit einer vertikalen Teufe von ca. 700 – 800 m und einer Bohrlochlänge von ca. 900 m – 1.800 m werden jeweils in 6 bis 15 Tagen niedergebracht. In diese Zeitkalkulation ist das Verschieben bzw. Umsetzen der Bohranlage mit inbegriffen. Dies stellt eine extreme Herausforderung an die Mobilität der Bohranlage, die Logistik und die Koordinierung der Arbeiten dar. Die VDD 200.1 hat eine maximale Hakenlast von 180 t. Sie umfasst neben dem Rig selbst jegliche Peripherie inklusive der Energieerzeugung mit einer Gesamtleistung von 3300 kVA. Es handelt sich um eine vollhydraulische, modulare SuperSingle Anlage mit automatisiertem Pipehandler auf Basis der bewährten Baureihe VDD 370. Folgende wesentlichen Neuerungen werden umgesetzt: • Die Anlage besteht aus möglichst wenigen Transporteinheiten, die auf den Landtransport in Mitteleuropa ohne Sondergenehmigungen zugeschnitten sind. • Die Auf- und Abbauzeit ist durch umfangreichen Einsatz von Schnellverbindern, modularen Aufbau und in die Container integrierte Anlagenteile optimiert. Die benötigte Aufstellfläche der Grundkomponenten ist auf ca. 800 m2 reduziert. • Die Bohranlage und die gesamte Peripherie sind verskidbar. Der Mast ist frei stehend und der freie Arbeitshub gegenüber den Anlagen der VDD 370 Reihe vergrößert. • Die spezifischen Leistungen für Top-Drive, Hebewerk und Pipehandler sind erhöht. Neben dem Rig selbst sind auch der Steuerstand, die Hydraulikaggregate und die Spülungspumpen ex-geschützt ausgeführt. • Die funktionelle Redundanz wesentlicher Baugruppen wie Energieerzeugung und Verteilung, Spülungspumpen und Hydraulikaggregate ist gegeben.
3.2 Beschreibung des Projektes Im Dezember 2007 erhielt die DrillTec GUT Großbohr- und Umwelttechnik GmbH (DrillTec) einen Letter of Intent und wurde im April 2008 von der Nederlandse Aardolie Maatschappij B. V. (NAM) mit den Bohrarbeiten für den Neuaufschluss der Erdöllagerstätte Schoonebeek in Holland beauftragt. Die Lagerstätte befindet sich an der deutsch-holländischen Grenze südlich der Stadt Emmen. Sie setzt sich auf deutscher Seite im Raum Emlichheim fort. Die derzeitige Projektphase umfasst den Wiederaufschluss des Westteils der Lagerstätte.
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Entdeckt wurde das Feld im Jahre 1943 und 4 Jahre später in Produktion genommen. 1996 wurde die Förderung von Erdöl beendet und das gesamte Förderfeld komplett zurückgebaut und rekultiviert.
Abb. L-18: Feld der Neuerschließung „Schoonebeek“ [STREICHER/DrillTec]
Das noch in der Lagerstätte vorhandene Potenzial an Erdöl beträgt 750 Mio. Barrel (119 Mio. m3) von welchem ca. 100 Mio. Barrel (16 Mio. m3) im Rahmen dieses Projektes ausgebracht werden sollen. Insgesamt werden 73 Horizontalbohrungen von 18 Lokationen niedergebracht. Für das Abteufen der 44 Produktions-, 25 Injektions- und 4 Observationsbohrungen i ist ein Zeitraum von 2 Jahren vorgesehen. Die vertikale Teufe der Horizontalbohrungen beträgt ca. 700 – 800 m bei einer Bohrlochlänge von ca. 900 m – 1.800 m. Das Verrohrungsschema besteht aus einer 10¾“ technischen und einer 7ǫ“ Produktionsrohrtour. Der Bohrdurchmesser beträgt 14¾“ bzw. 9½2“. Die 6½“ Horizontalbohrstrecke wird mit einem 5“ Wickeldrahtliner verrohrt. Der Linerhanger wird in der 7ǫ“ Rohrtour mit einem Packer abgedichtet und nicht zementiert. Die Bohrungen werden jeweils in 6 bis 15 Tagen abgeteuft. In diese Zeitkalkulation ist das Verschieben bzw. Umsetzen der Bohranlage mit inbegriffen.
3.3 Beschreibung der Bohranlage Für dieses anspruchsvolle Projekt wurde in enger Zusammenarbeit zwischen dem Bohrkontraktor DrillTec, dem Bohranlagenhersteller MAX STREICHER GmbH & Co. KG a.A. (STREICHER) und dem Auftraggeber NAM eine völlig neue Bohranlage konzipiert und gebaut.
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3 Einsatzbericht über eine moderne Tiefbohranlage
Abb. L-19: Gesamtanlage der VDD 200.1, Sicht von der Pipehandlerseite [STREICHER/DrillTec]
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Gerätegruppen der VDD 200.1 gemäß Abb. L-19 1+2:
Unterbaumodule links mit Pipehandlerschacht und Elektroraum.
3+4:
Unterbaumodule rechts mit integrierter Treppe.
5+6:
Kombinierte Ringfloor/Unterbaumodule
7
Automatisiertes Stangenmagazin
8:
Pipehandler, Greifer-Arm, Fahrschlitten.
9:
Pipehandlermast
10:
Driller-Kabine
11+12: Bohrmast, zweiteilig 13:
Top-Drive+Hebewerk
14+15: Bohrspülungssystem 19+17: hydraulische Antriebeinheiten mit Kabel- und Schlauchbrücken 18:
Dieselvorratstank
Da diese Bohranlage erst im Mai 2009 ihre Arbeit aufnahm, kam in der Startphase des Projektes von Januar 2009 bis ca. Mai 2009 eine der bewährten schweren DrillTec VDD 370 Tiefbohranlagen zum Einsatz.
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Abb. L-20: Gesamtanlage, Sicht von der Spülungsaufbereitungsseite [STREICHER/DrillTec] Gerätegruppen nach Abb. L-20 19 +20:
Elektromodule mit FU's, Schaltschränken, Rückkühlung, Kompressoren etc.
21:
Transformator, Schaltschränke, Elektromodul für Spülungsaufbereitung
22 bis 24:
Stromerzeuger
25:
Siebtank mit integrierter BOP-Schließanlage, Choke- / Killmanifold und MoineauPumpe
26:
Saug- und Mix- / Pilltank mit integriertem Hopper
27+28:
Sieb 1 + 2
29-30:
Zentrifuge - Mud-Gas-Separator
31:
Trip-Tank und Spülungsteiler
Die neue Tiefbohranlage VDD 200.1 ist für den Landeinsatz in Mitteleuropa konzipiert und hat eine maximale netto Hakenlast von 180 t. Es handelt sich um eine vollhydraulische, modulare Super-Single Anlage mit automatisiertem Pipehandler auf Basis der bewährten Baureihe VDD 370.
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3 Einsatzbericht über eine moderne Tiefbohranlage
Die Anlagenhöhe beträgt 33 m und die Aufstellfläche inkl. aller Peripherie ~ 800 m2. Alle Anlagenteile sind frei stehend, d. h. ohne Abspannungen oder Verankerungen. Die Anlage erfüllt alle europäischen Richtlinien und einschlägige API Normen.
3.4 Unterbau, Rigfloor und Pipehandler Der Unterbau besteht aus 4 unteren Modulen in Längsrichtung und zwei oberen Modulen in Querrichtung, in denen der Rigfloor integriert ist. Darüber hinaus beherbergt der Unterbau einen Überdruckgekapselten Elektroraum, ein Treppenhaus und einen Lagerraum. Auf dem Rigfloor befindet sich der Pipehandlermast, ein hydraulischer Hilfskran mit Seilwinde, ein hydraulischer Cathead, ein Konterpfosten und diverses Bohrzubehör. Der Rigfloor ist mit steckbaren, durchsichtigen Windschutzelementen versehen. Alle Flüssigkeiten, die auf den Rigfloor auftreffen werden gesammelt und kontrolliert abgeleitet. Der Pipehandler ist integriert und übernimmt das Equipment aus einem beigestellten automatischen Magazin. Der Betrieb ist sequenziell vollautomatisch. Technische Eckdaten: – Gesamthöhe: 8,70 m; – freie Innenhöhe: 7,70 m; – lichte lnnenweite: 3,00 m – Aufstellfläche: 6 m ൈ 8 m – BOP-Hebezüge: 2 ൈ 20 t – Drehtischgröße 37½" – Pipehandler: Tragkraft max. 3 t, Durchmesser von 2Ǫ" bis 20" – Tripgeschwindigkeit: max. 400 m/h
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Abb. L-21: Pipehandler [STREICHER/DrillTec]
3.5 Bohrmast Der Mast ist eine geschweißte, frei stehende Kastenkonstruktion mit integrierten Zahnstangen. Die freie maximale Höhe von Rigfloor - Oberkante zu Elevator-Oberkante beträgt 18 m. Der Mast ist zweiteilig ausgeführt. Die Teile werden zentriert miteinander verflanscht. Beim Einzeltransport der Teile verbleibt das Hebewerk, Top-Drive und Energieketten am oberen Teil.
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Technische Eckdaten: – Mastgesamthöhe: 24,3 m – Mastgesamtgewicht mit Hebewerk und Topdrive: 65 t
Abb. L-22: Mastunterteil [STREICHER/DrillTec]
3.6 Top-Drive mit integriertem Hebewerk Der hydraulische Top Drive und das Hebewerk besteht aus 6, die hydraulische Rotationsvorrichtung aus 4 Rotationsmotoren jeweils mit nachgeschalteten Planetengetrieben und einem Stirnradsammelgetriebe für die Rotationsvorrichtung. Die max. abgegebenen Drehmomente und Kräfte sind vom Driller frei vorwählbar. Zusätzlich steht eine SPS – gesteuerte Autodrillerfunktion zur Verfügung.
L Technische Eckdaten: – max. Drehmoment: 55.000 Nm – max. Drehzahl: 190 U/min – max. Zuglast: 200 st = 180 mt – max. Drucklast: 75 st = 68 mt – max. Fahrgeschwindigkeit: 50 m/min – max. Bohrspülungsdruck: 345 bar ~ 5000 psi
Abb. L-23: Top-Drive / Hebewerk [STREICHER/DrillTec]
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3 Einsatzbericht über eine moderne Tiefbohranlage
3.7 Driller-Kabine Die Driller-Kabine (Driller’s Cabin) ist mittels einer Hilfskonstruktion am Rigfloor befestigt, klimatisiert und mit Sicherheitsglas und Fallschutz versehen. Alle Daten, die dem Driller zugänglich sind, werden auch fernübertragen zum Toolpusher (Bohrmeister) und Auftraggeber. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der Fernwartung. Die Programmierung der Visualisierung, Steuerung, Automatisierung und Datenerfassung wird durch die Fa. STREICHER durchgeführt.
Abb. L-24: Driller-Kabine (Container) – links: Innenansicht – rechts: Außenansicht [STREICHER/DrillTec]
Die funktionale Sicherheit der Anlage gemäß IEC 61508 und Maschinenrichtlinie ist zertifiziert. Der Bedienerstuhl ist mit multifunktionalen Seitenkonsolen und Joy-Sticks ausgestattet.
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3.8 Hydraulische Power-Packs Es stehen 2 Powerpacks (hydraulische Antriebsmodule) zur Verfügung. Diese sind identisch aufgebaut und speisen im Tandembetrieb jeweils zu 50% in die entsprechenden Funktionen ein. Die Bohranlage inkl. Pipehandler kann auch nur mit einem Powerpack betrieben werden. Dabei können alle Funktionen mit verminderter Leistung ausgeführt werden. Die Powerpacks werden je über einen wassergekühlten Drehstrommotor über Frequenzumrichter angetrieben. Technische Eckdaten: Antriebsleistung je 600 kW – Max. Hydraulikdrücke: 350 bar – Tankinhalt je 1250 l – Maße (L × B × H) je: 6 m × 2,99 m × 2,9 m – Gesamtgewicht je: 24 t
Abb. L-25: Hydraulikpumpen [STREICHER/DrillTec]
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3.9 Spülungspumpen Die Anlage ist mit zwei 1000 PS Spülungspumpen ausgestattet. Diese werden über wassergekühlte Drehstrommotoren mittels Frequenzumrichter angetrieben. Die Pumpen sind mit einem SPS gesteuertem Soft-Pump System ausgestattet. Die Leistungsübertragung von Motor zur Triplex-Kolbenpumpe erfolgt über Keilriemen. Technische Eckdaten: Antriebsleistung, je: 880 kW – max. Spülungsdruck: 345 bar ~ 5000 psi – max. Fördermenge je: 2400 l/min – Maße (LൈBൈH) je: 9,0 m ൈ 2,99 m ൈ 2,9 m – Gesamtgewicht je: 40 t
Abb. L-26: Powerpacks und Spülpumpen [STREICHER/DrillTec]
L 3.10 Feststoffkontrolle Die Feststoffkontrolle besteht aus zwei Siebmaschinen und einer Zentrifuge. Darunter befindet sich der Vorabscheidetank. Darüber ist der Mud-Gas-Separator (Poorboy), der Mengenteiler und der Triptank angeordnet. Im Anschluss an den Vorabscheidetank steht der Saug- und Mix-/Pilltank. In diesem ist ein Hopper integriert. Alle Daten der Spülungsaufbereitung sowie der Bohrlochkontrolle werden in die Driller-Kabine übertragen. In der Feststoffkontrolleinheit wurde versucht, möglichst auf die Demontage von Saug- und Druckleitungen zu verzichten. Die Verbindung der Leitungen zwischen den einzelnen Containern erfolgt durch flexible „Jumper Hoses“ (Verbindungsschläuche).
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3 Einsatzbericht über eine moderne Tiefbohranlage
Abb. L-27: Feststoff-Kontolleinheit [STREICHER/DrillTec]
3.11 Tankanlage Um das Reinigen der Tankanlage zu erleichtern, werden Tanks mit gerundeten Böden eingesetzt. Für das Schoonebeek Projekt kommt eine kleine Tankanlage mit insgesamt nur 45 m3 Tankvolumen zum Einsatz. Durch den bereits erwähnten modularen Aufbau der Anlage ist eine spätere Erweiterung der Tankkapazität problemlos möglich.
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Abb. L-28: Tankanlage [STREICHER/DrillTec]
3.12 Energieversorgung Zur Energieversorgung stehen 3 Stromaggregate mit je 1.100 kVA zur Verfügung. Diese arbeiten synchronisiert und es können während des Betriebes beliebig Aggregate zu- oder abgeschaltet werden. Die Überwachung und Bedienung erfolgt auch von der Driller-Kabine aus.
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Die Dieselversorgung vom Zentraltank zu den Tagestanks in den Aggregaten erfolgt automatisch.
Abb. L-29: Energieversorgung – verschiebbar [STREICHER/DrillTec]
Die Powerpacks verfügen über je zwei integrierte faltbare Schlauch- und Kabelbrücken im Dach, um die Anschlüsse zu der Energieversorgung und zur Bohranlage schnell und sicher durchführen zu können. Alle entsprechenden Komponenten sind in Abhängigkeit von ihrer Aufstellposition für den Betrieb in der Ex-Zone 1 bzw. 2 nach 94/9/EG (ATEX) zugelassen.
L 3.13 Besondere Features im Zusammenhang mit dem Projekt Von Beginn der konzeptionellen Entwicklung der Bohranlage an wurde der kompakte Aufbau und ein möglichst geringer Platzbedarf als Grundkriterium gesehen. Darauf basierend wurde jede einzelne Komponente sowohl hinsichtlich Platzierung im Gesamtlayout als auch hinsichtlich Designs optimiert. Ausgehend von den Erfahrungen mit den Tiefbohranlagen vom Typ VDD 370 wurde auf besondere Umbaufreundlichkeit der Einzelkomponenten geachtet (z. B. verschiebbar). Erfahrungsgemäß nimmt insbesondere das Aufstellen der kleineren Anlagenkomponenten, die Verlegung der Verbindungsleitungen und das „Verkabeln“ der Anlage viel Zeit in Anspruch. Deshalb wurde weitestgehend auf zu lösende und wieder zu verschraubende Kabelverbindungen verzichtet. Ein weiterer wichtiger Aspekt besteht darin, möglichst viele Ausrüstungsteile nicht zu demontieren sondern umbaufreundlich in die Container zu integrieren oder zu „verstauen“. Nachfolgend soll beispielhaft auf einige dieser Lösungen eingegangen werden. Für den aus zwei Einheiten bestehenden Pumpentrakt wurde auf ein separates Manifold Filterstationen und Hilfsrahmen verzichtet.
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3 Einsatzbericht über eine moderne Tiefbohranlage
Abb. L-30: Poorboy [STREICHER/DrillTec]
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In jedem Pumpenmodul sind die Ladepumpe, alle Leitungen, Schieber, Filter, Sensoren etc. für den Niederdruck- und Hochdruckbereich integriert. Die Anlage ist, wie oben beschrieben, standardmäßig mit einem Poorboy ausgerüstet. Für den Umbau wird dieser nicht demontiert, sondern mittels Hydraulikzylinder in den Containerrahmen umgeklappt. Konsequent wurde versucht, sich auf Steckverbindungen zu orientieren. Für das Umsetzen der Anlage von Cluster zu Cluster sind im Moment 4,5 Tage geplant. Von einer Reduzierung dieser Zeit auf 3 Tage geht man nach entsprechender Einarbeitungszeit aus. Ein weiterer Schwerpunkt in der Entwicklung der Anlage lag in der Reduzierung der Umbauzeiten auf den einzelnen Bohrclustern. Die gesamte Bohranlage ist verkidbar. Alle Anlagenkomponenten stehen auf einem Schienensystem. Dieses System besteht aus 35 mm starken und 1200 mm breiten Stahlplatten, auf welche 250 mm breite Schienen verschweißt wurden. Die einzelnen Stahlplatten sind untereinander durch ein puzzleähnliches System von Aussparungen und Ösen verbunden (Abb. L-31). Nach dem gleichen Prinzip werden die einzelnen „Schienenstränge“ untereinander mittels Abstandshaltern fixiert.
Abb. L-31: Schienen-Verschiebe-System – links: Verbindungstechnik der Stahlplatten [STREICHER/DrillTec]
L Onshore Bohrtechnik
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Die gesamte Anlage wird in einem Schritt verschoben. Dazu sind die einzelnen Anlagenkomponenten, die zusammen verschoben werden sollen, mit massiven Abstandshaltern verbunden. Für den gesamten Skidvorgang (Verschiebevorgang) sind maximal 8 Stunden (Rig Release bis Spudin – Anlagenfreigabe bis Bohrbeginn am nächsten Bohrpunkt) vorgesehen. Das eigentliche Verschieben erfolgt mittels Hydraulikzylindern die mit an den Anlagenkomponenten verschraubten Ösen verbolzt werden. Die Hydraulikzylinder stützen sich auf den Schienen ab. In speziell vorgesehenen Aussparungen in den Schienen verkrallen sich entsprechende Halteplatten als Stützlager. Durch den Zylinderhub können dann die Anlagenkomponenten entweder verschoben oder gezogen werden. Damit ist grundsätzlich ein Versetzen in beide Richtungen möglich. Die Standardprozedur sieht ein Schieben in Richtung Pumpen- und Generatortrakt vor. Dies ist insbesondere dadurch bedingt, dass bei Clusterbohrungen fertig gestellte Bohrungen mit E Kreuzen versehen sind. Diese würden eine andere Verschieberichtung erschweren.
L Abb. L-32: Verschiebevorrichtung [STREICHER/DrillTec]
3.14 Ergänzungen zu den STREICHER Tiefbohranlagen Die STREICHER Onshore-Tiefbohranlagen werden nach einem völlig neuen technischen Konzept entwickelt: Sie sind leicht, kompakt und modular aufgebaut und bieten so enorme Einsparungspotenziale bei Transporten und Rigmoves. Der hohe Automatisierungsgrad erfüllt höchste Sicherheitsstandards. Dank geringer Lärmemissionen und geringem Energieverbrauch fällt auch die Umweltbilanz vorbildlich aus. Nach Entwicklung und dem Bau der VDD 370 mit vollautomatisierter Pipehandler und hydraulischer Top Drive, folgte die Tiefbohranlage VDD 200.1, die zu Recht den Namen „Compact“ trägt, was einen schnellen Auf- und Abbau garantiert. Trotz der kompletten Peripherie inklusive der Energieerzeugung von 3.300 kVA erbringt die VDD 200.1 hohe Leistung auf einer geringen Aufstellfläche. Die Last- und Drehmomentmesszelle direkt an der Antriebswelle des Top Drive garantiert eine schnelle, direkte, vor allem aber äußerst genaue Messung der einwirkenden Kräfte und des Drehmoments des Bohrgestänges.
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3 Einsatzbericht über eine moderne Tiefbohranlage
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Abb. L-33: Gesamtansicht der STREICHER Tiefbohranlage Typ 200.1 Compact in Arbeitsstellung [STREICHER/DrillTec]
M Erdöl- und Erdgas-Gewinnung in Deutschland 1 Übersicht In Deutschland werden jährlich rund 20 Mrd. m3 (2007: 17 Mrd. m3) Erdgas aus inländischen Quellen gefördert. Dies entspricht etwa einem Fünftel des deutschen Erdgasbedarfs und würde ausreichen, mehr als 10 Millionen Haushalte mit Erdgas zu beheizen. An Erdöl werden in Deutschland jährlich rund 4 Mio. t (2007: 3,4 Mio. t) gewonnen – eine Menge, mit der die inländische Mineralölnachfrage zu rund 3 % gedeckt werden kann. Aus der heimischen Erdölproduktion könnten 700.000 Haushalte mit Heizöl versorgt und zusätzlich Kraftstoffe für die Jahresfahrleistung von 400.000 PKW zur Verfügung gestellt werden. Die deutsche Erdöl- und Erdgasgewinnungsindustrie gehört insbesondere für die norddeutschen Bundesländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein zu den wichtigen Schlüsselindustrien. Die Förderung von Erdgas und Erdöl im Inland entlastet auch die Leistungsbilanz der Bundesrepublik Deutschland und verringert die politische Abhängigkeit. Jeder Kubikmeter Erdgas und jede Tonne Erdöl, die im Inland gefördert werden, brauchen nicht importiert zu werden. Die Unternehmen der Förderindustrie sind vor Ort als Arbeitgeber, Steuerzahler und Auftraggeber ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, insbesondere in strukturschwachen ländlichen Gebieten.
2 Überwindung ungünstiger geol. Verhältnisse Die Aufsuchung und Förderung von Erdgas und Erdöl im Inland erweist sich seit Jahren als zunehmend schwieriger. Ungünstige geologische Verhältnisse wirken sich erschwerend aus. Dies betrifft vor allem die große Tiefe der Lagerstätten. Zusätzlich sind neue Lagerstätten in Deutschland vergleichsweise klein und erfordern regelmäßig den Einsatz aufwändiger technischer Verfahren, um die Lagerstätten überhaupt in Betrieb nehmen zu können. Die Speichergesteine, in denen Erdöl vorwiegend auftritt, gehören der Jura- und Kreidezeit des Erdmittelalters an. Sie sind 100 bis 200 Mio. Jahre alt und liegen meist in Tiefen (in der Fachsprache: „Teufen“) von 1.000 bis 2.500 m. Die Erdgaslagerstätten liegen hauptsächlich in den Formationen des Zechsteins und des Rotliegenden, die etwa 250 bis 300 Mio. Jahre alt sind und überwiegend Tiefen von 3.000 bis 5.000 m erreichen. In jüngster Zeit werden auch Erdgaslagerstätten in noch tieferen Gesteinsschichten (Karbon) gesucht. Wegen der großen Anzahl an Lagerstättentypen und der Verschiedenartigkeit der Speichergesteine treten erhebliche Unterschiede in der Zusammensetzung und Qualität des Erdgases und Erdöls auf. Beim Erdgas schwankt vor allem der Gehalt an unerwünschten Begleitstoffen wie Stickstoff, Schwefelwasserstoff und Kohlendioxid; beim Erdöl spielt u. a. die unterschiedliche Fließfähigkeit, die Viskosität, eine Rolle.
H. -O. Buja, Handbuch der Tief-, Flach-, Geothermie- und Horizontalbohrtechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-9943-9_13, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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4 Förderung
3 Öl- und Gasreserven Die bekannten inländischen Erdgas- und Erdölreserven weisen schon seit vielen Jahren eine statistische „Reichweite“ von etwa 10 bis 15 Jahren auf. Das heißt, bei Aufrechterhaltung der Produktion in der gegenwärtigen Höhe und unter der Annahme, dass keine neuen Vorkommen mehr gefunden würden, wären sie rechnerisch am Ende dieses Zeitraums erschöpft. Höhe und Reichweite der Reserven sind für die Zukunftsperspektive der Erdöl- und Erdgasproduktion nur bedingt aussagekräftig. In der Vergangenheit ist es oft gelungen, die Entnahme aus den Lagerstätten aufgrund der laufenden Förderung durch Neufunde und Neubewertungen der Lagerstätten auszugleichen. Technischer Fortschritt führt dazu, dass heute Lagerstätten besser als in zurückliegenden Jahren genutzt werden können. Auch dadurch steigen die wirtschaftlich nutzbaren Reserven. Damit inländisches Erdgas und Erdöl noch über einen längeren Zeitraum zur Verfügung stehen, muss nach weiteren Vorkommen gesucht werden oder anders ausgedrückt: Es müssen Ressourcen zu Reserven entwickelt werden. Die geologischen Chancen für die Entwicklung neuer Reserven in Deutschland sind vor allem beim Erdgas günstig. Nach Einschätzung der Experten kann damit gerechnet werden, noch einmal annähernd das gleiche Reservenvolumen wie das heute bekannte erschließen zu können. Auch beim Erdöl bieten sich noch Chancen. Es bestehen also gute Voraussetzungen, dass Erdgas und Erdöl aus einheimischen Feldern noch auf lange Sicht einen nennenswerten Beitrag zur Sicherung der deutschen Energieversorgung leisten können.
4 Förderung M Zur Förderung von Erdgas wird in das verrohrte und zementierte Bohrloch ein Steigrohr eingebaut, das bis zum tiefsten Punkt der Lagerstätte reicht. Damit das Gas aus der Gesteinsschicht, in der sich das Erdgas befindet, in dieses Rohr eintreten kann, wird sein unterstes Teilstück mit Hilfe kleiner Sprengsätze zur Lagerstätte hin geöffnet. Übertage (obererdig) ist das Bohrloch mit einem Eruptionskreuz verschlossen, in dem sich mehrere Absperrvorrichtungen befinden. Zusätzlich verhindert ein untertage (untererdig) eingebautes Ventil, dass Erdgas unkontrolliert austritt. Aufgrund des natürlichen Lagerstättendrucks können im Allgemeinen etwa 75 % des Gasinhaltes aus dem Trägergestein gewonnen werden. Dieser günstige Ausbeutegrad beruht darauf, dass Erdgas aufgrund seines Aggregatzustandes gute Strömungseigenschaften besitzt und in den Lagerstätten unter vergleichsweise hohem Druck steht. Mit fortschreitender Förderung und abnehmendem Lagerstättendruck vermindern sich die Produktionsraten, sodass zusätzliche Bohrungen erforderlich werden können. Reicht der natürliche Druck für eine Einspeisung in das Hochdrucktransportsystem nicht mehr aus, werden zwischen Sonde und Transportnetz Verdichter zur Druckerhöhung installiert.
M Erdöl- und Erdgas-Gewinnung in Deutschland
729
5 Horizontalbohrtechnik und Multi-Frac-Technik Aus tief liegenden Erdgaslagerstätten, z. B. in den Formationen des Rotliegenden oder Karbon, können bei gering durchlässigem Gestein oftmals keine für eine wirtschaftliche Produktion erforderlichen Förderraten erzielt werden. Eine Verbesserung der Förderrate lässt sich durch die moderne Horizontalbohrtechnik und unter bestimmten Voraussetzungen durch Anwendung des so genannten Frac-Verfahrens erreichen.
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Abb. M-1: Systemdarstellung des Multi-Frac Verfahren [ExxonMobil]
Dieses zielt darauf ab, die Durchlässigkeit der Lagerstätte durch die Schaffung von künstlichen Fließwegen zu steigern. Dabei wird das Gestein durch Einpressen einer mit Spezialsand beladenen Flüssigkeit unter hohem Druck aufgebrochen (daher nach dem englischen Wort die Bezeichnung FracVerfahren). Ein hydraulischer Druck von rund 1.000 bar erzeugt im Gestein Risse von mehreren 100 m Länge. Diese werden mit einem Stützmittel gefüllt, das aus Spezialsand besteht. Es soll die künstlichen Risse im Gestein offen halten und damit dauerhaft bessere Fließbedingungen für das
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6 Erdöl-Förderung
Erdgas schaffen. Frac-Verfahren sind in Deutschland schon vielfach erfolgreich angewendet worden. Seit Mitte der neunziger Jahre ist in besonders dichten Lagerstätten (sog. Tight Gas) eine kombinierte Technologie entwickelt worden, bei der sowohl die Horizontalbohrtechnik als auch das Frac-Verfahren angewendet werden. In mehreren Bohrungen in Söhlingen, aber auch in Leer in Ostfriesland, ist es gelungen, 5.000 m unter der Erde in einer Horizontalbohrstrecke von etwa 1 km mehrere Fracs durchzuführen (s. Kap. K). Die Gesamtbohrstrecke beträgt dabei regelmäßig mehr als 6.000 m. Das Besondere an dieser hoch entwickelten Technologie ist, dass eine Vielzahl unterschiedlicher technischer Verfahren durch ein multidisziplinäres Team effizient und Kosten sparend kombiniert wird. Mit Hilfe dieser Hochtechnologie ist es möglich, Erdgas aus einem sehr dichten Gestein zu fördern und dadurch neue Reserven zu gewinnen. Diese kombinierte Technologie wird stetig weiterentwickelt. Mit jedem Projekt gewinnen die Erdgasproduzenten neue Erkenntnisse, die dazu beitragen, weitere Tight Gas-Vorkommen wirtschaftlich fördern zu können.
6 Erdöl-Förderung
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Wenn eine Bohrung Erdöl angetroffen hat, werden mit elektronischen Bohrlochsonden Mächtigkeit (Dicke) und Porositäten des Speichergesteins sowie der mit Öl gefüllte Speicheranteil gemessen. Mit Testapparaturen stellt man den stündlichen Zufluss von Öl in das Bohrloch fest und den Druck, unter dem es in der Lagerstätte steht. Durch Auswertung geophysikalischer und geologischer Daten ermittelt man die Ausdehnung der erdölgefüllten Struktur. Erst wenn man zu der Überzeugung gelangt ist, wirtschaftlich gewinnbare Ölmengen angetroffen zu haben, wird eine Bohrung mit den aufwendigen unter- und oberirdischen Produktionsanlagen versehen. Zuerst perforiert man die die Bohrung auskleidenden Futterrohre im Bereich des Förderhorizontes, damit das Erdöl in die Bohrung fließen kann. Hierzu benutzt man an Drahtseilen in die Bohrung hinabgelassene Schießeinrichtungen. Dann baut man in die Futterrohre Rohre kleineren Durchmessers. Sie dienen als Steigleitung für den Aufstieg des Öls oder Öl-Gasgemisches. Die Steigleitung mündet über Tage in das Eruptionskreuz, das mit Düsen zur Zuflussregelung und mit Manometern versehen ist. Von ihm aus wird das Öl in ein Sammelsystem geleitet. Die Fördermethode hängt davon ab, unter welchem Druck und welcher Temperatur das Öl in der Lagerstätte steht und wie hoch sein Gasanteil ist. Der Druck der Poreninhalte (Wasser, Öl, Gas) oder Gesteine nimmt mit 10 m Teufenzuwachs um je 1 bar zu, so dass z.B. in 1.000 m Tiefe ein Druck von etwa 100 bar herrscht. Die Temperatur nimmt je 100 m um durchschnittlich 3 °C zu. Zusammen mit dem Erdöl vorhandenes Gas verhält sich ähnlich wie Kohlensäure in einer Seltersflasche. Je höher der Druck ist, umso mehr Gas kann im Öl gelöst sein. Außerdem nimmt gashaltiges Öl unter sonst gleichen Bedingungen ein größeres Volumen ein als gasfreies Öl.
M Erdöl- und Erdgas-Gewinnung in Deutschland
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Wenn gashaltiges Öl in das Bohrloch fließt, sinkt der Lagerstättendruck, das Öl kann etwas an Volumen zunehmen und steigt bis zu Tage auf. Wie bei der Seltersflasche lässt sich mit sinkendem Druck immer mehr Gas aus dem Erdöl lösen. Deshalb wird mit Hilfe der Düsen am Eruptionskreuz der Lagerstättendruck so wenig und so langsam wie möglich abgesenkt, damit das Treibmittel Gas möglichst lange im Öl gelöst und in der Lagerstätte bleibt. Wenn im Laufe der Förderung der allmählich sinkende Lagerstättendruck kleiner wird als der Fließwiderstand in den Leitungen und das Gewicht der Ölsäule in der Bohrung, hört das Öl auf, selbständig auszufließen. Man kann die fließende Förderphase mit dem Gasliftverfahren verlängern. Hierbei wird in den Ringraum zwischen Futter- und Steigrohren Fremdgas in das Bohrloch gepresst. Es tritt unten in das Steigrohr in den Ölstrom ein. Das in Blasen hochsteigende Gas vermindert das Gewicht der Ölsäule und damit deren Druck auf die Lagerstätte, wodurch das Öl weiter aufsteigen kann. Dieses Verfahren lässt sich aber nur dort wirtschaftlich anwenden, wo Erdgas in ausreichenden Mengen mit genügend Druck zur Verfügung steht. Wo eine selbstfließende Förderphase wegen zu geringen Lagerstättendrucks nicht oder nicht mehr möglich ist, muss das Erdöl gepumpt werden. Hierzu wird gewöhnlich eine Kolbenpumpe in das untere Ende des Steigrohres gebaut. Ein Gestänge verbindet den Kolben mit dem auf- und abschwingenden „Pferdekopf“ (Abb. M-2) des übertägigen Pumpenantriebes. Je nach Hublänge (max. 3 – 4) m), Hubzahl (5 – 20 Hub/min) und Kolbengröße können bis zu 150 m3 Erdöl bzw. Erdöl-Wassergemisch pro Tag gefördert werden. Falls eine optimale Förderung die Entnahme größerer Flüssigkeitsmengen ermöglicht, kann man mit vielstufigen Kreiselpumpen, die mit Antriebsmotor in das Bohrloch versenkt werden, mehrere hundert Kubikmeter Flüssigkeit entnehmen.
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Abb. M-2: Tiefpumpenantrieb- sog. Pferdekopf [WEG]
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7 Sekundär- und Tertiärverfahren
7 Sekundär- und Tertiärverfahren Zur Steigerung der gesamten Ölausbeute einer Lagerstätte werden häufig Sekundärverfahren angewandt. Hierbei presst man in der Regel zusammen mit dem Erdöl gefördertes Formationswasser nach Abtrennung des Reinöls so in die Lagerstätte, dass es das Erdöl vom Rand den Fördersonden zutreibt.
Abb. M-3: Erdgasförderung im Sekundärverfahren [ExxonMobil]
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Abb. M-4: Erdölförderung im Tertiär-Verfahren [Exxon]
M Erdöl- und Erdgas-Gewinnung in Deutschland
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Zu einer weiteren Steigerung der Ausbeute dienen Tertiärverfahren. Hierbei wird die Viskosität des Erdöls durch Einpressen von Wasserdampf, Kohlensäure oder chemischen Mitteln verringert und damit seine Fließfähigkeit in der Lagerstätte verbessert. Mit Tensiden setzt man die Oberflächenspannung des Öls herab, wodurch es mit dem Formationswasser leichter mischbar und fließfähiger wird. In die Lagerstätte eingepresste Polymere erhöhen die Viskosität des Formationswassers, wodurch es das Öl wirkungsvoller verdrängen kann Dadurch wird eine bessere Entölung der Lagerstätte erzielt. Trotz all dieser Nachhilfen lassen sich nur bis zu 50% des in den Poren eines Speichers vorhandenen Erdöls gewinnen.
8 Offshore - Förderung in der Nordsee Seit Herbst des Jahres 2000 wird aus dem ersten Offshore-Projekt im deutschen Wirtschaftsgebiet der Nordsee Erdgas gefördert. In einer Entfernung von rund 300 km vor der deutschen Küste ist im so genannten „Entenschnabel“. Von 2000 bis 2007 wurden hier insgesamt 9 Mrd. m3 Erdgas produziert. Die Plattform steht in einer Wassertiefe von 48 Metern. Die Deckaufbauten mit den Prozessanlagen und den Unterkünften wiegen insgesamt 2.700 Tonnen. Während der Förderung sind acht Personen ständig auf der Plattform stationiert.
9 Erdölförderung im Wattenmeer Das größte und bedeutendste Erdölfeld Deutschlands liegt im Wattenmeer ca. 8 km vor der schleswig-holsteinischen Westküste. Seit 1987 fördert das Mittelplate-Konsortium dort mittels einer künstlich im Wattenmeer errichteten Bohr- und Förderinsel sowie seit 2000 zusätzlich von Land aus. Ursprünglich wurde das auf Mittelplate geförderte Erdöl mittels speziell entwickelter Öltransport-Leichter abtransportiert. Der erfolgreiche Einsatz weiterentwickelter Bohrtechnik - die so genannte Extended-Reach-Bohrtechnologie – ermöglicht dem Konsortium seit Mitte 2000 eine zusätzliche Ölgewinnung von Land aus. Mit weit abgelenkten Hightech-Bohrungen über Längen von mehr als 8.000 m lässt sich der östliche Teil der Lagerstätte von Friedrichskoog aus erschließen. Seit 2005 ist die Bohr- und Förderinsel Mittelplate über eine Pipeline mit der Landstation Dieksand (in Friedrichskoog) verbunden, wodurch die regelmäßigen Schifftransporte entfallen. Das in der Landstation Dieksand aufbereitete Reinöl, Erdölgas und Kondensat wird über Rohrleitungen an die Raffinerien Heide und Brunsbüttel zur dortigen Weiterverarbeitung geliefert. Die Bohr- und Förderinsel Mittelplate ist ein international viel beachtetes Beispiel dafür, dass Umweltschutz und Erdölförderung sehr gut miteinander vereinbar sind. Auf der Insel wird Erdöl unter höchsten Umweltstandards produziert. Hier gilt das Prinzip der „Null-Einleitung“.
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9 Erdölförderung im Wattenmeer
Das heißt: Die Plattform ist mit Spundwänden rund um das undurchlässige Stahl-BetonFundament hermetisch abgeriegelt. Nichts, keine Flüssigkeit, kein Feststoff darf ins Wattenmeer bzw. ins Seewasser gelangen. Alles, was beim Arbeiten und Leben auf der Insel anfällt oder benötigt wird, muss mit Frachtschiffen antransportiert bzw. entsorgt werden.
Abb. M-5: Bohr- und Förderplattform Mittelplate [RWE Dea]
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Abb. M-6: Bedienungsstand (Driller Cabine) der Bohranlage auf der Mittelplate [RWE Dea] 1
1 Alle Abb. mit der Quellenangabe [RWE Dea] sind von der Bildstelle der RWE Dea freigegeben.
M Erdöl- und Erdgas-Gewinnung in Deutschland
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10 Erdöl-Aufbereitung Das geförderte Erdöl muss übertage (übererdig) aufbereitet werden, damit es die für die Verarbeitung in einer Raffinerie erforderliche Qualität erreicht. Zu diesem Zweck werden das im Rohöl enthaltene Erdölgas und Verunreinigungen wie Lagerstättenwasser, Sand und Salz in zentralen Sammelstellen abgeschieden. Das vom Erdöl abgetrennte Wasser wird über Injektionsbohrungen zur Druckerhaltung wieder in die Lagerstätten eingepresst. Das anfallende Erdölgas dient der Wärmeerzeugung. Nach der Aufbereitung wird das Erdöl überwiegend per Pipeline, zum geringen Teil aber auch mit Eisenbahnkesselwagen und Tanklastwagen zu deutschen Raffinerien befördert und dort zu Mineralöl-Fertigerzeugnissen verarbeitet.
11 Exploration und Produktion 2007 Das LBEG (Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie) veröffentlicht jährlich die Aktivitäten der Exploration und Produktion von Erdöl und Erdgas in Deutschland. In der Zeitschrift „Erdöl-Erdgas - Kohle“ wurde im Heft 7/8 in einem Aufsatz von Michael Pasternak, darüber ausführlich berichtet. Die folgenden Ausführungen sind mit freundlicher Genehmigung von M. Pasternak aus dem o. ä. Aufsatz auszugsweise entnommen.
11.1 Kurzfassung Die Explorationsaktivitäten für Erdgas und Erdöl sind deutlich angestiegen, sowohl der Umfang der geophysikalischen Vorerkundung als auch der Umfang der Explorationsbohrtätigkeit. Aufgrund eines großen Offshore-Berichtes betrug die Fläche der akquirierten 3D-Seismik über 900 km2, also mehr das Fünffache des Vorjahres. Die Akquisition von 2D-Seismik lag mit über 200 Profilkilometern in etwa auf dem Niveau des Vorjahres. Gravimetrische Messungen wurden auf einer Fläche von knapp 300 km2 durchgeführt. In der Exploration ist die Anzahl der Bohrungen von neun im Vorjahr auf zwölf gestiegen. Neue Erdgas- und Erdöllagerstätten wurden mit sechs Aufschlussbohrungen gesucht. Leider konnte keine der vier mit Ergebnis abgeschlossenen Bohrungen eine neue Lagerstätte nachweisen. In der näheren Umgebung von bekannten Erdgasvorkommen wurden sechs Teilfeldsuchbohrungen gebohrt. Die einzige mit Ergebnis abgeschlossene Bohrung war nicht fündig. In der Feldesentwicklung ist die Anzahl der aktiven Bohrprojekte um zwei auf 15 zurückgegangen. Dazu kommen acht Bohrungen, die bereits im Vorjahr ihre Endteufe erreicht, aber noch kein Ergebnis erhalten hatten. 15 Bohrungen wurden erfolgreich abgeschlossen, davon waren elf öl- oder gasfündig und vier hatten ihr Ziel erreicht.
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11 Exploration und Produktion 2007
Die Bohrmeterleistung hat wieder deutlich zugenommen und erreichte mit 67.410 m den höchsten Wert seit 1999. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet das ein Plus von 26 %. Die Erdgasförderung ist gegenüber dem Vorjahr vor allem verbrauchsbedingt deutlich um 8,6 % gesunken und betrug 18 Mrd. m3. Die Summe der geschätzten sicheren und wahrscheinlichen Erdgasreserven betrug am Stichtag 218 Mrd. m3 (Rohgas) und lag damit 14 Mrd. m3 oder gut 6 % niedriger als im Vorjahr. Nur ein kleiner Teil der Förderung konnte also durch neue Reserven ausgeglichen werden. Die Erdölförderung (inkl. Kondensat) lag mit 3,4 Mio. t nur wenig unter der des Vorjahres. Der leichte Rückgang um knapp 3 % beruht auf dem natürlichen Förderabfall der meisten Erdölfelder und teilweise auf technischen Gründen. Die Summe der sicheren und wahrscheinlichen Erdölreserven wurde auf 37 Mio. t geschätzt. Damit haben die Reserven um 4 Mio. t, also um mehr als die Förderung, abgenommen.
11.2 Einleitung Der vorliegende Beitrag fasst die Ergebnisse der Exploration und Förderung von Erdöl und Erdgas des Jahres 2007 in Deutschland zusammen. Grundlage des Beitrages sind Daten, die im Rahmen der Aufsuchung und Gewinnung von Erdöl und Erdgas bei den Erdölgesellschaften gewonnen wurden und routinemäßig vom Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) bundesweit erhoben werden.
11.3 Bohrtätigkeit
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Entsprechend den Erwartungen hat die Bohraktivität gegenüber dem Vorjahr wieder deutlich zugenommen. Die Bohrmeterleistung erreichte den höchsten Wert seit 1999, obwohl die Anzahl der Bohrprojekte eher durchschnittlich ausgefallen ist und etwa dem Vorjahreswert entsprach. Die Anzahl der Explorationsbohrungen hat sich nochmals erhöht, während die Anzahl der Produktionsbohrungen etwas hinter dem Vorjahreswert zurückblieb. Damit ist der Anteil der Explorationsbohrungen auf mehr als 40 % gestiegen. Ein Wert, der seit vielen Jahren nicht erreicht wurde. Die durchschnittlichen Bohrmeter pro Bohrung sind auf etwa 2.400 m angestiegen; im Vorjahr betrug dieser Wert noch etwa 2.000 m, bei gleicher Anzahl von entsprechend kürzeren Ölbohrungen oder Bohrungen, die als Ablenkung aus bestehenden Bohrlöchern projektiert wurden.
11.4 Explorationsbohrungen Explorationsbohrungen haben das Ziel, neue Felder bzw. Teilfelder zu erschließen oder den Untergrund zu erkunden. Die Anzahl der Explorationsbohrungen hat sich von neun im Vorjahr auf zwölf erhöht. Hinzu kommt eine Bohrung die in 2006 ihre Endteufe erreicht hatte, aber noch kein Ergebnis erhalten hatte. In der Kategorie der Aufschlussbohrungen, die mit dem Ziel abgeteuft werden, neue Lagerstätten nachzuweisen, wurden sechs Bohrungen gebohrt.
M Erdöl- und Erdgas-Gewinnung in Deutschland
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In der Kategorie der Teilfeldsuchbohrungen, die in der unmittelbaren Umgebung von produzierenden Flächen nach Kohlenwasserstoffen suchen, wurden ebenfalls sechs Bohrungen gebohrt und zwar in den Bereichen Rotenburg-Taaken, Ostervesede, Uchte, Burgmoor und Deblinghausen. Seit mehr als fünfzehn Jahren wurde im Oberrheintal wieder eine Explorationsbohrung gebohrt; sie sollte den Ölfund einer Geothermiebohrung bestätigen.
11.5 Aufschlussbohrungen Im deutschen Sektor der Nordsee wurde die Bohrung J10-1 (EEG) niedergebracht. Es ist die erste Bohrung im Block J10 und liegt von der nächsten Bohrung, J 11-1, die bereits 1981 gebohrt wurde, etwa 10 km westnordwestlich entfernt. Die Bohrung erreichte die Sandsteine in der prognostizierten Teufe und wurde bei 5.170 m in den Vulkaniten des Rotliegend eingestellt. Die Zielhorizonte wurden in teils guter Reservoirausbildung und Gas führend angetroffen. Aufgrund der Befunde während des Bohrens, der Logauswertung und der Probennahme mittels MDT wurde ein Test durchgeführt. Die Testergebnisse und ein endgültiges Ergebnis der Bohrung lagen zum Jahresende noch nicht vor. Im Gebiet Elbe-Weser, etwa 12 km südwestlich des Gasfundes Bleckmar wurde die Bohrung Böstlingen Z1 (RWE Dea). Die Bohrung begann bereits in 2006 und stand zum Jahresende 2006 bei 3.527 m im Mittleren Muschelkalk. In 2007 erreichte sie ihre Endteufe in 5.912 m. Die Sandsteine des Rotliegend wurden zwar tiefer als erwartet, aber Gas führend angetroffen. Mehrere Teste auf unterschiedliche Reservoirabschnitte erbrachten nicht die Ergebnisse, die nach den Befunden während des Bohrens und der Logauswertung erwartet werden konnten. Da zum Jahresende über das weitere Vorgehen noch nicht entschieden worden war, hat die Bohrung auch noch kein endgültiges Ergebnis erhalten. Die Bohrung Lüdingen Z1 (RWE Dea) wurde etwa 4 km östlich des Gasfundes Weissenmoor abgeteuft. Geologisches Ziel waren die Rotliegend-Sandsteine im östlichen Teil des Rotenburg-Grabens. Die Bohrung konnte die prognostizierte Hochlage gegenüber der Struktur von Weissenmoor bestätigen und wurde bei 5.065 m im Vulkanit des Rotliegend eingestellt. Zwar hatte die Bohrung während des Bohrens im Rotliegend Gasanzeichen, doch waren die Zielhorizonte nicht speicherfähig ausgebildet. Die Bohrung wurde ohne Test als nicht fündig eingestuft und verfüllt. Im Gebiet Weser-Ems soll mit der Bohrung Kirchdorf Z1 (WIHO) etwa 5 km nördlich des Feldes Burgmoor eine seismisch kartierte allochthone Scholle des Staßfurt-Karbonat auf Gasführung untersucht werden. Allochthone Schollen wie diese sind besonders in den Konzessionen Dümmersee-Uchte und Scholen verbreitet und wurden schon häufiger Gas führend erschlossen. Die Bohrung stand zum Jahresende 2007 bei 1.165 m in der Unterkreide. Alpenvorland: Die Bohrung Kempten 1 (OMV) hatte das Ziel, innerhalb der Erlaubnis Südbayern an der Stirn der gefalteten Molasse die Bausteinschichten auf Gasführung zu untersuchen. Die Bohrung Kempten 1 bei 4.161 m ihre Endteufe. Das tektonische Modell konnte damit grundsätzlich bestätigt werden.
11.6 Teilfeldsuchbohrungen im Gebiet Elbe-Weser Am Südrand des Feldeskomplexes Rotenburg-Taaken soll die Bohrung Bötersen-Süd Z1 (EMPG) die Sandsteine des Rotliegend auf Gasführung untersuchen. Das Ziel der Bohrung
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11 Exploration und Produktion 2007
wurde anhand einer Anomalie der seismischen Amplituden definiert, die üblicherweise als Indikation für ein gutes Reservoir interpretiert wird. Das Risiko liegt in dieser Region vor allem in der Güte der Reservoireigenschaften der Rotliegend-Sandsteine. Zum Jahresende 2007 stand die Bohrung Bötersen-Süd Z1 im Wustrow-Sandstein des Rotliegend, hatte die Endteufe aber noch nicht erreicht. Im Bereich des Hauptzielhorizontes, dem Wustrow-Sandstein, wurde die Bohrung annähernd horizontal geführt und der Träger auf einer Strecke von knapp 500 m mit zum Teil sehr guten Gasanzeichen aufgeschlossen. Im Januar 2008 hatte die Bohrung die Endteufe von 5.650 m in den Vulkaniten des Rotliegend erreicht. Weiterführende Ergebnisse lagen noch nicht vor. Da die Reserven des Feldes Ostervesede nahezu erschöpft waren und die einzige Fördersonde des Feldes, Ostervesede Z1, aufgrund eines technischen Defektes nicht mehr fördern konnte, sollte dieser Block mit einer Ablenkung der Ostervesede Z1 um etwa 1 km nach Südwesten untersucht werden. Die Ablenkung wurde jahresübergreifend 2006/2007 gebohrt. Zum Jahresende 2006 stand die Bohrung bereits bei 4.262 m in der Solling-Folge des Mittleren Buntsandsteins. Im Februar 2007 hatte die Bohrung ihre Endteufe von 5.500 m in den Vulkaniten des Rotliegenden erreicht. Die Bohrung hat noch kein endgültiges Ergebnis. Im Gebiet Weser-Ems wurde die Bohrung Burgmoor Z4 begonnen. Ferner wurden die Bohrungen Deblinghausen Z6 und Z6a wurden zum Teil mit abgelenkten Bohrungen ausgeführt Im Gebiet Oberrheingraben wurde mit der Bohrung Römerberg 1 seit 15 Jahren erstmals wieder eine Explorationsbohrung auf Kohlenwasserstoff niedergebracht. Die Bohrung hat die Sandsteine in der erwarteten Teufe angetroffen und wurde bei 3100 m eingestellt. Zum Beginn des Jahres 2008 wurden Testarbeiten durchgeführt.
11.7 Feldesentwicklungsbohrungen
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In der Kategorie der Feldesentwicklungsbohrungen, die Erweiterungs- Produktions- und Hilfsbohrungen umfasst, blieb die Anzahl der aktiven Bohrprojekte mit 16 hinter dem Vorjahreswert von 18 zurück. Als »aktiv« werden an dieser Stelle die Bohrprojekte bezeichnet, die im Berichtsjahr zur Bohrleistung beigetragen haben. Darüber hinaus waren sechs Projekte in Bearbeitung, die bereits vor 2007 ihre Endteufe erreicht hatten, aber noch kein endgültiges Ergebnis erhalten hatten. Fünfzehn Bohrungen konnten erfolgreich abgeschlossen werden, davon waren elf öl- bzw. gasfündig und vier hatten ihr Ziel erreicht. Das Ergebnis »Ziel erreicht« ist erfolgreichen Hilfsbohrungen, die ohnehin keine Fündigkeit erzielen sollen, Pilotlöchern oder erfolgreichen technisch bedingten Ablenkungen bereits fündiger Bohrungen vorbehalten. Im Gebiet Weser-Ems wurde im Feld Goldenstedt/Oythe eine Tight-Gas-Bohrung mit multiplen Frac-Behandlungen im Karbon fündig. Je eine Bohrung war in den Zechstein-Gasfeldern Klosterseelte, Siedenburg, Staffhorst und Uchte erfolgreich. Ölfündig wurde eine Bohrung in dem emsländischen Feld Bramberge. Im Gebiet Weser-Elbe wurde eine Bohrung im Feld Walsrode fündig. Eine weitere Bohrung war am Nordrand des Gifhorner Troges im Feld Knesebeck ölfündig. Im Gebiet nördlich der Elbe wurden im Ölfeld Mittelplate zwei Bohrungen in den Sandsteinen des Doggers fündig. Auch eine Hilfsbohrung, die anfallendes Lagerstättenwasser zur Druckergänzung in den Horizonten des Dogger Epsilon und Delta versenken soll, war erfolgreich.
M Erdöl- und Erdgas-Gewinnung in Deutschland
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In den Ölfeldern des Gebietes westlich der Ems wurde lediglich in Emlichheim gebohrt. Neben zwei ölfündigen Bohrungen waren die technische Ablenkung einer existierenden Sonde und das Pilotloch für eine horizontale Ablenkung erfolgreich.
11.8 Bohrmeter Entsprechend den Erwartungen hat die Bohrmeterleistung wieder deutlich zugenommen und erreichte mit 67.410 m den höchsten Wert seit 1999. Gegenüber dem Vorjahr ist die Bohrleistung um 26 % gestiegen. Aufgrund der hohen jährlichen Schwankungen, insbesondere bei der Aufteilung der Bohrmeterleistung auf die unterschiedlichen Bohrungskategorien, wird zur Betrachtung der Entwicklung der Bohraktivität auch das willkürlich gewählte Mittel der vorangehenden fünf Jahre herangezogen. Dieser Mittelwert wurde in 2006 deutlich um 32 % übertroffen. Der Aufwärtstrend auf dem Explorationssektor hat sich fortgesetzt. Auf die Exploration entfielen knapp 37.000 m; das sind mehr als die Hälfte der gesamten Bohrmeter. Anteile von mehr als 50 % waren zuletzt in der Zeit der hohen Ölpreise der 1980er Jahre üblich. Gegenüber dem Vorjahr haben sich die Bohrmeter der Exploration damit fast verdoppelt, gegenüber dem Mittel der vorangehenden fünf Jahre sogar mehr als verdoppelt. In der Feldesentwicklung wurden etwa 30.500 m gebohrt. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dieser Wert einem Minus von knapp 9 %, gegenüber dem Mittel der vorangehenden fünf Jahre einem Minus von gut 13 %. Knapp zwei Drittel der Bohrmeter wurden in Niedersachsen abgeteuft. Obwohl die Bohrmeter auch in Niedersachsen zugenommen haben, fiel der relative Anteil seit Jahren wieder einmal unter die Marke von 70 %, und zwar auf 63 %. Der Anteil Schleswig-Holsteins ist aufgrund der tiefen Nordsee-Bohrung auf 21 % angestiegen. In Bayern wurden 11 % der Bohrmeter gebohrt; 5 % entfielen auf das Land Rheinland-Pfalz.
11.9 Aktuelle Kennzahlen der Erdöl- und Gasförderung Nach Veröffentlichungen der WEG – Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung e.V. wurden entsprechend dem Jahresbericht 2009 für Deutschland folgende Kennzahlen für das Jahr 2008 genannt: Erdöl: Gefördert wurden: Die Erdölvorräte betragen insgesamt: Davon wahrscheinlich: und sicher: Erdgas: Gefördert wurden: Die Vorräte betragen insgesamt: Davon wahrscheinlich: und sicher:
rd. rd. rd. rd.
3 Mio. Tonnen 34 Mo. Tonnen 18 Mio. Tonnen 16 Mio. Tonnen
rd. 15.5 Mrd. m3 rd. 181,7 Mrd. m3 rd. 62,1 Mrd. m3 rd. 119,6 Mrd. m3
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12 Historik der Öl- und Gasgewinnung in Deutschland
12 Historik der Öl- und Gasgewinnung in Deutschland Zeitraum Um 1450 1652
1856
1859 1881
Ab 1900 1930 Ab 1930 1938 1945
M
ab 1950 1960-65 1968 1975 1977
1981 1984 1987 ab 1992 1994/95 2000 2005
2009
Chronik Mönche eines Klosters am Tegernsee gewinnen gut brennendes „sonderbares“ Öl, das nach dem Patron des Klosters „Quirinus-Öl“ genannt wird. In der Lüneburger Heide bei Wietze, Kreis Celle, Austritt von Erdöl an „Teerkuhlen“. Die Heidebauern nennen die übel riechende Flüssigkeit „Smeer“ und benutzen sie als Wagenschmiere sowie als Heilmittel. In Dithmarschen trifft ein Bauer beim Ausschachten eines Brunnens auf ölhaltigen Sand, der ab 1858 im Tagebau genutzt wird. Durch Destillation in eisernen Retorten werden Leichtöl, Schmieröl und Asphalt gewonnen. Die geologische Auswertung der Bohrung Wietze bei Celle gibt Hinweise auf eine Öllagerstätte, die 25 Jahre lang 20 Zentner Cl pro Jahr erbringt. In der Nähe von Peine wird eine Bohrung mit einer eruptiven Förderung von 40 bis 70 m3 Erdöl pro Tag fündig und löst ein in Deutschland bis dahin ungekanntes Ölfieber aus. Erdölförderung im Gebiet Hänigen/Nienhagen mit einer Produktionsmenge von zunächst 500 Tonnen pro Jahr. Erster Erdölfund im Staßfurtkarbonat des Zechsteins in der Kaligrube Volkenroda (Thüringen). Die Förderung des Erdöls erfolgte untertägig. Verbesserung der Kenntnisse über den geologischen Aufbau Deutschlands durch sorgfältige Vermessung der als ölfähig angesehenen Gebiete. Im Emsland, im hannoverschen Raum, in Schleswig-Holstein und im Oberrheintal werden neue Erdölfelder entdeckt. Durch starke Ausbeutung der Lagerstätten im 2. Weltkrieg ohne gleichzeitige Entdeckung neuer Felder wird ein völliger Neubeginn notwendig. Steiler Anstieg der Erdölförderung. Starke Zunahme der Erdgasproduktion. Höhepunkt der deutschen Erdölförderung: rund 8 Mio. t. Das erste Dampfflutprojekt im Emsland läuft an. Zur Verbesserung der Ölausbeute wird Dampf in den Porenraum der Speichergesteine eingepresst. Großvolumige Frac-Behandlungen im Raum Südoldenburg zur Erschließung tief liegender, wenig durchlässiger Erdgaslagerstätten durch künstliche Rissbildungen im Gebirge. Start des Einsatzes der Dampffluttechnik im Erdölfeld Emlichheim. Aufnahme der ersten deutschen Offshore-Erdölförderung in dem Feld Schwedeneck-See in der Eckernförder Bucht. Vor der schleswig-holsteinischen Westküste beginnt die Testförderung im Feld Mittelplate. 3D-Seismik und Horizontalbohren finden Anwendung. In der Produktionsbohrung „Söhlingen Z-10" wird ein Multi-Frac (mehrere Fracs hintereinander) mit der Horizontalbohrtechnik kombiniert. Aufnahme der Erdgas-Förderung im ersten Offshore-Projekt in der deutschen Nordsee. Pipeline-Anbindung der Bohr- und Förderinsel Mittelplate an die Landstation Dieksand und Ausbau der Bohrkapazität durch Installation der neuen Bohranlage T-150. 150 Jahre Erdölförderung in Deutschland. [WEG]
M Erdöl- und Erdgas-Gewinnung in Deutschland
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Abb. M-8: Ölrausch in Deutschland. Das Bild zeigt einen Ausschnitt des Erdölfeldes Oelheim bei Braunschweig um 1890 [WEG]
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Abb. M-9: Ölrausch in Deutschland. Das Bild zeigt einen Ausschnitt des Erdölfeldes Wietze 1900 [WEG]
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12 Historik der Öl- und Gasgewinnung in Deutschland
Abb. M-10: Auch aus dem Meer wurde schon früh Erdöl (mit Schwämmen und Tüchern) gewonnen, das durch Klüfte und Risse seinen Weg an die Oberfläche fand und über Bäche und Flüsse ins Meer gelangte.[WEG]
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Abb. M-11: Das aus Quellen aufsteigende Wasser-ÖlGemisch (Bitumen) Das Öl wurde mit einem Bottich aufgefangen und in einem Eisen- oder Kupfergefäß erhitzt und so das enthaltene Wasser verdampft. [WEG]
N Erdöl- und Erdgasspeicherung 1 Untertage-Speichertechnik 1.1 Allgemeines Die Untertage-Speicherung von Erdgas und Erdöl in Deutschland zeigt seit Jahren durch die Einrichtung neuer und Erweiterung bestehender Speicher einen Aufwärtstrend. Diese Entwicklung erfährt derzeit einen besonderen Energieschub. Bei der Untertagespeicherung unterscheidet man: • Porenspeicher • Kavernenspeicher
Abb. N-1: Arten von Erdgas-Speichertypen [RWE Dea]
Das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie – Bergbehörde für die Länder Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein und Geologischer Dienst für Niedersachsen – berichtet jährlich über den Stand der Untertage-Gasspeicherung sowie über die Speicherung von Rohöl und Mineralölprodukten in Deutschland. Die Anfragen beim LBEG zu Informationen über Speicher, Kenndaten und Betreiber und zukünftige Projekte haben zugenommen. Die Kunden stammen nicht nur aus dem technischen Bereich und der Presse, sondern auch aus der Bank- und Investmentbranche. H. -O. Buja, Handbuch der Tief-, Flach-, Geothermie- und Horizontalbohrtechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-9943-9_14, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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1 Untertage-Speichertechnik
Vor dem Hintergrund zunehmender Erdgasimporte in Deutschland sowie der Perspektive, dass diese in den nächsten Jahrzehnten speziell aus dem russischen Raum zunehmen werden, übernehmen Speicher eine tragende Rolle in der Gaswirtschaft und Energiepolitik. UntertageErdgasspeicher sind Garanten für eine sichere Erdgasversorgung. Ihre Bedeutung und Wertschätzung steht inzwischen auch in der Wahrnehmung durch die Bevölkerung in exponierter Position, weil die strategische Bedeutung von Speichern mit einer Zunahme der Importabhängigkeit wächst. Presse, Funk und Fernsehen berichten regelmäßig zum Thema Erdgasversorgung, Speicherung sowie den Bau der geplanten Ostseepipeline. Das Thema Krisenbevorratung von Erdgas war im Rahmen der Georgienkrise auf der Tagesordnung. Die Untertage-Gasspeicherung nutzt seit Jahrzehnten moderne Technologien, die auch bei der umweltpolitisch motivierten Lagerung von CO2 im tieferen Untergrund eingesetzt werden sollen. Die Erfahrungen der Erdöl- Erdgas- und Speicherbranche werden im Falle einer Realisierung von CCS-Projekten in industriellem Maßstab zu nutzen und durch Forschung und Entwicklung, die auf spezielle Aspekte der CO2-Deponierung fokussiert sind, zu erweitern sein. Dieser Artikel steht nach seinem Erscheinen auch als Download auf der Website des LBEG in den Pfaden Produkte und Projekte, Publikationen, Untertage-Gasspeicherung. Die Veröffentlichung eines Aufsatzes von Dipl.-Ing. Robert Sedlacek in der Zeitschrift „ErdölErdgas-Kohle“, Jahrgang 2008, Heft 11, ist u. a. auszugsweise Grundlage der folgenden Ausführungen. Es wird vorausgesetzt, dass die Nutzung der frei zugängigen Informationen im Sinne der LGEG und des Autors ist.
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Abb. N-2: Herstellung von Erdgas-Untertagespeicher [RWE Dea]
N Erdöl- und Erdgasspeicherung
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1.2 Grundzüge der Untertage-Gasspeicherung Die sichere Erdgasversorgung der Bundesrepublik Deutschland – über 80 % des Gasverbrauches werden importiert wird u. a. durch Untertage-Erdgasspeicher gewährleistet. In beiden Fällen wird der Bedarf zuverlässig gepuffert und sowohl Grundlast als auch die tageszeitlichen Verbrauchsspitzen ausgeglichen. Im Versorgungsgebiet von Hannover kann z. B. der Winterverbrauch an Erdgas 15-mal so hoch sein wie im Sommer. Bei ständig steigendem Importanteil nehmen auch die Abhängigkeit von Lieferländern und die Bedeutung der Gasspeicherung zu. Erdgas aus Russland, das künftig auch über die Ostseepipeline und Deutschland nach WestEuropa gelangen soll, wird dabei künftig eine immer dominantere Rolle spielen. Deutschland verfügt im Norden des Landes über günstige Bedingungen für die Einrichtung großer Speicher. Als Speichertypen sind entweder Poren- oder Kavernenspeicher im Einsatz. Porenspeicher dienen grundsätzlich zur saisonalen Grundlastabdeckung und reagieren durch die natürlichen Fließwege im Porenraum der Speichergesteine in der Regel langsamer auf Veränderungen der Förderraten als Kavernenspeicher. Letztere sind eher mit unterirdischen Druckbehältern vergleichbar. Kavernenspeicher sind daher besonders für tageszeitliche Spitzenlastabdeckungen geeignet. Unter günstigen Bedingungen können Porenspeicher in natürlich geklüfteten Speichergesteinen Förderraten erreichen, die ähnlich hoch sind wie Raten aus Kavernenspeichern.
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Abb. N-3: Bei einem Porenspeicher wird das Erdgas in die Poren eines Speichergesteins gepresst [RWE Dea]
Das Gesamtvolumen der Speicher ist die Summe aus Arbeitsgas- und Kissengasvolumen. Das Arbeitsgasvolumen ist das tatsächlich nutzbare Speichervolumen. Als Kissengas bezeichnet man die verbleibende Restgasmenge in einem Gasspeicher, die den Mindestdruck aufrechterhalten soll.
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1 Untertage-Speichertechnik
Ein hoher Kissengasanteil ermöglicht eine konstant hohe Entnahmerate über einen langen Zeitraum. Je höher der prozentuale Anteil des Arbeitsgasvolumens am nationalen Erdgasverbrauch ist und je schneller das Kissengas ein- und ausgespeichert werden kann, umso leistungsfähiger ist die Erdgasspeicherung und die nationale Energieversorgung. Große Erdgasmengen können besonders gut und sicher in ehemaligen Gaslagerstätten eingespeichert werden. Dabei handelt es sich um natürliche Porenspeicher, in denen sich vor Millionen von Jahren Gas angesammelt hat und bis zu seiner Förderung dort sicher gespeichert war. Die Poren wirken wie ein stabiler Schwamm, der das Gas aufnehmen und bei Bedarf jederzeit wieder abgeben kann. Dichte Deckschichten verhindern das Austreten nach oben, und nach unten bilden wasserführende Schichten eine natürliche Barriere. Ihre Dichtigkeit haben diese Porengasspeicher über Jahrmillionen bewiesen. Solche ehemaligen Erdgaslagerstätten dienen RWE Dea als Erdgasspeicher in Wolfersberg, Inzenham West und Breitbrunn/Eggstätt.
1.3 Bohrarbeiten Die Ein- und Ausspeicherung des Gases erfolgt über dieselben Tiefbohrungen. Um den obertägigen Flächenbedarf gering zu halten, wurden die Bohrungen von sogenannten Sammellokationen aus niedergebracht. Die Bohrungen wurden mit modernster Technik abgelenkt und zum Teil auch horizontal in die Speicherhorizonte geführt. Die oben eng beieinander liegenden Bohrungen verlaufen folglich mit zunehmender Tiefe immer weiter auseinander und erschließen die Lagerstätte großflächig. Dadurch entsteht eine gute Injektions- und Entnahmekapazität. Im Vergleich zum vertikalen Bohren steigert der horizontale Verlauf des Bohrloches im Speichergestein die Förderkapazität auf das Dreifache. Die Bohrungen sind teleskopartig aufgebaut. Zur Stabilisierung und Abdichtung des Bohrlochs erfolgt abschnittsweise der Einbau von Futterrohren. Anschließend wird der Ringraum bis zum umgebenden Gebirge mit Zement ausgefüllt.
1.4 Komplettieren
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Für das Einpressen bzw. das Fördern des eingespeicherten Erdgases ist der Einbau von Steigrohren bis hin zur Lagerstätte erforderlich. Der untere Teil der Steigrohre wird am Ende der fertigen Bohrung mit einem Packer gegen die letzte (zementierte) Futterrohrtour abgedichtet. Der Ringraum zwischen Steig- und Futterrohren wird mit einer Schutzflüssigkeit ausgefüllt. In 50 bis 100 Metern Tiefe wird ein Sicherheitsabsperrventil in die Steigrohre eingebaut, das die Bohrung bei Bedarf automatisch schließt. Obertägig dichtet eine Sicherheitsarmatur am Bohrlochkopf die Bohrung ab.
1.5 Einspeicherung • Jeder Erdgasspeicher ist über eine unterirdisch verlegte Rohrleitung mit dem Fernleitungsnetz der Erdgasversorgungsgesellschaft verbunden. Durch sie wird das Gas an den Speicher herangeführt und wieder abgeleitet. • Das ankommende Gas durchströmt zunächst Filter, die Feststoffpartikel und Flüssigkeiten abscheiden. Anschließend durchströmt das Gas eine geeichte Volumenmessung.
N Erdöl- und Erdgasspeicherung
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• Zum Einpressen in den Speicher muss der Gasdruck erhöht werden. Dafür sind dienen sowohl Gasmotoren oder Gasturbinen als auch Elektroantriebe. • Gaskühler führen die bei der Verdichtung entstehende Wärme ab. • Danach wird das Gas über Hochdruckleitungen den Bohrungen zugeführt und in die Speicherhorizonte eingepresst.
Abb. N-4: Erdgaseinlagerung – Schema [RWE Dea]
1.6 Entnahme • Die Entnahme des Gases aus der Lagerstätte erfolgt über dieselben Bohrungen, durch die es in die Lagerstätten eingepresst wird. Das Gas nimmt in der Lagerstätte Wasser auf. Damit es nicht zu Korrosion und Verstopfung durch Gashydratbildung in der Fernleitung kommt, ist es erforderlich, dem Gas die aufgenommene Feuchtigkeit zu entziehen. • In einem ersten Schritt trennt ein Abscheider freie Wassertröpfchen vom Gasstrom ab. Das abgeschiedene Wasser wird in eine Wasserversenkbohrung eingepresst. • Ein Vorwärmer heizt das Gas auf, damit es bei der nachfolgenden Druckreduzierung auf den geringeren Fernleitungsdruck nicht zur Gashydratbildung innerhalb der Prozessanlage kommt. • Die Gastrocknung erfolgt in Glykolabsorbtionsanlagen. Dabei nimmt das Glykol aufgrund seiner hygroskopischen Eigenschaften das als Wasserdampf im Gas enthaltene Wasser auf. • Jetzt ist das Gas wieder in dem Zustand, in dem es ursprünglich angeliefert wurde, und kann, nach geeichter Volumenmessung, an die Erdgasversorgungsgesellschaft zurückgegeben werden. • Das geschilderte Verfahren der Entnahme aus dem Speicher setzt voraus, dass der Lagerstättendruck ausreichend hoch ist, um das Gas in die Fernleitung zu drücken.
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1 Untertage-Speichertechnik
• Ist dies am Ende der Entnahmephase nicht mehr der Fall, werden die Verdichter zeitweise auch beim Ausspeichern eingesetzt.
1.7 Sicherheitseinrichtungen Eine sichere und umweltschonende Speichermethode ist die Einlagerung von Erdgas in ausgeförderten Erdgaslagerstätten. Das Gas kann sich im Speicher nicht mit Luft vermischen. Somit ist eine untertägige Verbrennung oder Explosion von Erdgas ausgeschlossen. Zahlreiche Sicherheitseinrichtungen sorgen für einen sicheren Speicherbetrieb. Sie werden sowohl vom RWE Dea-Fachpersonal als auch von anerkannten, unabhängigen Sachverständigen regelmäßig überprüft. Gasspeicheranlagen unterliegen der Störfallverordnung. Diese fordert vom Betreiber einen Sicherheitsbericht, in dem sämtliche Sicherheitsvorkehrungen zur Verhinderung von Störfällen beschrieben sind. Die Nachbarschaft wird regelmäßig über das richtige Verhalten informiert, falls ein Störfall eintreten sollte. Darüber hinaus gibt es ein Alarm- und Gefahrenabwehrplan. Sicherheitstechnik für das Bohrloch Die Bohrungen sind durch einzementierte Rohrtouren und automatisierte Sicherheitsabsperrventile gegen unkontrollierten Erdgasaustritt gesichert. In einem Bohrloch zur Erdgasspeicherung liegt die erste Sicherheitsabsperrarmatur ca. 50 bis 100 Meter unter der Erdoberfläche. Die zweite Sicherheitsarmatur befindet sich am Bohrlochkopf. Speichereinrichtungen und -leitungen Die Prozessanlagen werden für alle Betriebszustände entsprechend den technischen Regeln sicher ausgelegt. So sind beispielsweise die Verbindungsleitungen zwischen den Sondenplätzen und der Verdichterstation jeweils an den Platzgrenzen mit Sicherheitsabsperrventilen ausgestattet. Die Ventile werden im Gefahrenfall geschlossen.
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Sicherheitstechnik für obertägige Anlagen Eine elektronische Steuerung überwacht alle obertägigen Anlagen. Bei Überschreitung eines Grenzwertes wird der entsprechende Anlagenteil automatisch abgeschaltet. Zusätzlich befinden sich in der Anlage Sicherheitsabblasventile gegen Drucküberschreitung. Mit dem Prozessleitsystem wird der gesamte Speicherbetrieb rund um die Uhr gesteuert und überwacht.
1.8 Lage und Kenndaten der Erdgas und Erdölspeicher De folgenden Speicherdaten basieren auf der Grundlage einer jährlichen Datenabfrage des LBEG bei den Speicherfirmen in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden der Bundesländer. Die Daten werden auch in der jährlichen Zusammenstellung des Bundeswirtschaftsministeriums »Der Bergbau in der Bundesrepublik Deutschland« verwendet. Aufgrund der Entwicklung auf dem Speichermarkt verzeichnet das LBEG seit Jahren eine steigende Nachfrage nach Daten der in Deutschland tätigen Speicherfirmen und geplanten Projekten.
N Erdöl- und Erdgasspeicherung
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Die geografische Lage der Untertage-Gasspeicher sowie der Kavernenspeicher für flüssige Kohlenwasserstoffe zeigt Abb. N-5. Tab. 1-N: Kavernen- und Porenspeicher Speicherart
ErdgasKavernenspeicher [in Betrieb] 169 23.522
ErdgasKavernen- speicher [im Bau] 58 5.217
Erdgas-Porenspeicher [in Betrieb]
Erdgas-Porenspeicher [im Bau]
Anzahl 23.522 45 Ges.-Volumen Mio. m3 Teufen bis m 500 – 1800 500 – 1800 350 – 2930 2930 Kavernenspeicher für Rohöl, Mineralölprodukte und Flüssiggas Anzahl 12 Betriebe mit 86 Speicher für Rohöl 103 Einzelspeichern 5 Speicher Leichtöl 3 Speicher Benzin Teufen 510 – 2000 m 9 Speicher für Propan, Butan, Ethylen und sonstige
Porenspeicher werden überwiegend durch ehemalige Erdöl- oder Erdgaslagerstätten in den Sedimentbecken von Nord-, Ost- und Süddeutschland dargestellt. Speicherhorizonte sind vorwiegend poröse Sandstein-Formationen. Aquiferspeicher spielen eine untergeordnete Rolle, haben aber an Standorten mit fehlenden Erdöl- und Erdgaslagerstätten bzw. Salzstrukturen für Kavernen eine hohe Bedeutung. Der Bau von Kavernenspeichern erfolgt durch einen bergmännischen »Solprozess« und ist nur dort realisierbar, wo mächtige Salinare vorkommen und gleichzeitig eine umweltverträgliche Ableitung oder Nutzung der Sole möglich ist. Die Lage von Kavernenspeichern ist daher aus geologischen Gründen auf den Norden Deutschlands beschränkt; der südlichste Kavernenspeicher liegt etwa auf der Höhe von Fulda. In bevorzugter Lage sind Standorte in Küstennähe, die eine Soleentsorgung ins Meer ermöglichen. Die Tabelle Tab. 1-N ist eine Kurzzusammenstellung der wesentliche Werte des o. g. Artikels. Die Speicher für Rohöl, Mineralöl, Flüssiggas und sonstige Minerale befinden sich mit einer Ausnahme in Salzstock-Kavernen. Ein Betrieb für Rohöl und Mineralprodukte befindet sich in einem stillgelegten Bergwerk in Hülsen. Weltweit werden 610 Erdgasspeicher mit einem Gesamtvolumen von 333.974 Mio. m3 betrieben. An der Spitze steht die USA mit 385 Speichern und einem Arbeitsvolumen von 100.846 m3. Nach den GUS-Staaten (22 Speicher u. 93.533 m3) und die Ukraine (13 Speicher u. 31.880 m3) folgt Deutschland an vierter Stelle.
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1 Untertage-Speichertechnik
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Abb. N-5: Lageplan der Kavernen- und Porenspeicher in Deutschland [LBEG]
N Erdöl- und Erdgasspeicherung
751
1.9 Speicher aus der Solegewinnung Bei der Bohrlochsolung wird jeweils eine Bohrung pro Kaverne bis zum liegenden Anhydrit niedergebracht. Je nach geplanter Verwendung der Kaverne wird mehr oder weniger tief in die Salzschichten verrohrt und anschließend die Bohrlochverrohrung zementiert. In die Bohrung werden zwei konzentrische Spülrohre eingehängt und übertage verflanscht. Der Solprozess beginnt mit dem direkten Spülverfahren. Dabei gelangt Süßwasser über das tiefer hängende Zentralrohr in das Bohrlochtiefste. Die entstehende Salzsole wird dann gleichzeitig über die zweite äußere Spülrohrtour nach übertage verdrängt. Im Laufe der Kavernenentwicklung wird der Spülkreislauf umgekehrt (indirektes Solverfahren). Hierbei gelangt das Süßwasser dann über den Ringraum in den Außenraum der Kaverne, sättigt sich auf dem Weg nach unten langsam auf und verlässt die Bohrung über das tiefer hängende Zentralrohr. Um während der Aussolung die Entwicklung der Kavernenfirste zu steuern, wird durch den Ringraum zwischen Bohrlochverrohrung und zweiter Spülrohrtour eine Schutzflüssigkeit, das sog. Blanket, eingepresst. Wegen der geringeren Dichte schichtet sich diese über das Süßwasser und verhindert damit die vertikale Aussolung. Durch Solung können Kavernen entstehen, die ein Hohlraumvolumen zwischen 250.000 und 400.000 m3bis maximal 970.000 m3 aufweisen. Wenn die Kaverne ausgesolt ist, der Hohlraum nicht mehr vergrößert werden kann, bietet sich hier die Möglichkeit für die Errichtung eines Kavernen-Erdgasspeichers an. In Deutschland gibt es etwa 35 Standorte mit Kavernenspeicher. Davon ist ein Teil durch Aussohlung bei der Salzgewinnung (z. B. im Bereich des Salzbergwerkes Epe in NRW) oder ein anderer Teil durch speziell als Kavernenbohrung hergestellte Speicher (z. B. der Erdgasspeicher Bremen-Lesum). Beispiel Für den Ausgleich kurzfristiger Bedarfsschwankungen verwendet man u. a. den Kavernenspeicher Bremen-Lesum. Er soll dazu beitragen, dass die Nachfrage auch an den verbrauchsstarken Wochentagen im Winter sicher gedeckt werden kann. Der Speicher in Bremen-Lesum ist ein Kavernen-Speicher, der durch Aussolen im Salzstock Lesum hergestellt wurde. Der Speicher Lesum ist mit einer 5,5 Kilometer langen 20-Zoll-Leitung an die regionale Leitung von Ganderkesee nach Cuxhaven angeschlossen. Somit kann er schwerpunktmäßig die Spitzenleistungs-Anforderungen der Verbrauchszentren Bremerhaven, Cuxhaven und des Raums Bremen abdecken. Der Endausbau umfasst drei Kavernen. Eine weitere große Speichermöglichkeit bietet sich in leergeförderten Erdgaslagerstätten an. Hierzu eignet sich besonders stark poröser Buntsandstein. So wurde in Dötlingen der Ausbau des Untergrundspeichers in mehreren Stufen geplant. Die erste Ausbaustufe wurde mit einem jährlichen Umschlagsvolumen von 350 Millionen Kubikmetern 1983 in Betrieb genommen. Die stündliche Einpress- bzw. Entnahmemenge war mit vier fertig gestellten Speicherbohrungen auf 200.000 Kubikmeter ausgelegt. Die Partner Esso und Mobil begannen 1985 mit der zweiten und 1991 mit der dritten Ausbauphase. Heute können in den Erdgasspeicher Dötlingen 2 Mrd. Kubikmeter Erdgas eingelagert werden. Das entspricht dem Jahresbedarf von etwa 1 Mio. Haushalten. Mit elf weiteren Speicherbohrungen sowie der Erweiterung der obertägigen Anlagen wird die stündliche Einpressmenge auf 775.000 Kubikmeter, die stündliche Entnahmemenge auf etwa 840.000 Kubikmeter angehoben.
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1 Untertage-Speichertechnik
Abb. N-6: Erdgasspeicher Bremen-Lesum [ExxonMobil]
1.10 Untertage-Kavernen-Speicheranlage Epe 1)
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Eine der größten Kavernen-Speicheranlagen weltweit befindet sich in Epe/Westfalen. Das Arbeitsgasvolumen der Kavernen beträgt über 2,5 Mrd. m3. Damit ist die Anlage die größte ihrer Art in Europa. Betreiber sind die Unternehmen E.on Ruhrgas AG, RWE WWE, Trianel sowie die niederländischen Unternehmen Essent und NUON. Das gespeicherte Erdgas stammt aus den Niederlanden, der Nordsee und Russland das Versorgungsgebiet reicht von Hamburg bis Frankfurt als auch die Niederlande. Die Deutsche BP lagert in 5 Kavernen Erdöl. Das Unternehmen ENECO aus den Niederlanden nimmt 2011 einen neuen Erdgasuntertagespeicher in Betrieb. Die Salzgewinnungsgesellschaft Westfalen (SGW), ein Gemeinschaftsunternehmen der Unternehmen Solvay, Vestolit und Bayer, gewinnt aus den Salzlager des Zechsteins in Epe jährlich über zwei Millionen Tonnen Kochsalz, die als Sole per Leitung an Standorte chemischen Industrie im Ruhrgebiet, Niederrhein und Belgien geleitet werden. 1
) Grundlage der folgenden Ausführungen sind Auszüge von Veröffentlichungen der Bez.-Regierung Arnsberg Abt. Bergbau und Energie – Werner Grigo und Peter Dörne sowie der Aufsatz: „Salzbergwerk Epe – Von der Solegewinnung zum größten Kavernenspeicher Europas“- Dipl.-Ing. Antje Kruse
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1.11 Näheres zum Salzbergwerk Epe Die Bergbehörde in Nordrhein-Westfalen genehmigt im nördlichen Münsterland bei Epe die Solung von Salz für die chemische Industrie und die Nutzung der entstandenen Kavernen zur Energierohstoffspeicherung. Die hierzu erforderlichen Bergbauberechtigungen wurden der Salzgewinnungsgesellschaft Westfalen mbH vom Land Nordrhein-Westfalen vertraglich für 99 Jahre auf einer Fläche von ca. 30 km2 übertragen. Die 100. Bohrung wurde im Jahr 2009 abgeteuft. Im Zuge der Ölkrise wurde im Jahr 1974 für die 1100–1500 m tiefen Solkavernen die Einlagerung von Rohöl zugelassen; zur Zeit besteht der Ölspeicher aus fünf Kavernen. Die Entwicklung als Gasspeicher begann zum gleichen Zeitpunkt. Aktuell werden 63 Kavernen mit Erdgas bespeichert, zehn weitere sind genehmigt und neun in der Planung. Das genehmigte Gesamtvolumen beträgt ca. 4,7 Mrd. Nm3 (Arbeitsgasvolumen ca. 3,3 Mrd. Nm3) und wird von deutschen und niederländischen Energieversorgern bewirtschaftet. Das Kavernenfeld ist durch Naturschutzgebiete, FFH-Gebiete, EU-Vogelschutzgebiete und Landschaftsschutzgebiete überdeckt. Aufgrund der besonderen Schutzwürdigkeit ist das Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung bei der Errichtung von Kavernenspeichern das Regelverfahren.
1.12 Bedeutung der Anlage Nordrhein-Westfalen ist das Energieland Nummer 1 unter den Bundesländern und Zentrum der europäischen Energiewirtschaft. Es ist federführend in der ressourcenschonenden Nutzung von Kohle, Öl und Gas und beheimatet energieintensive Branchen wie Stahl, Chemie und Maschinenbau. Um diesen Spitzenplatz zu erhalten und auszubauen, müssen sich alle Branchen auf eine stabile Versorgung mit Rohstoffen und Energie verlassen können. Dies gewährleistet in Nordrhein-Westfalen nicht zuletzt die landesweit zuständige Bergverwaltung, die Abteilung Bergbau und Energie in NRW der Bezirksregierung Arnsberg. Sie genehmigt unter anderem im nördlichen Münsterland die Gewinnung (Solung) von vorwiegend in der chemischen Industrie genutzten Salzen sowie die Nutzung der hierbei entstandenen Hohlräume (Kavernen) zum Zwecke der Energierohstoffspeicherung. Lediglich im Bereich „Borth“ erfolgt bergmännische Gewinnung durch das Salzbergwerk Borth.
N 1.13 Geologie der Salzlagerstätte Epe Die Salzlagerstätte in Epe ist Teil der niederrheinischen Salzpfanne. Diese großräumige Salzlagerstätte erstreckt sich von Rheinberg im Süden bis in die norddeutsche Tiefebene und in die Niederlande hinein (siehe Abb. N-7). Die Lagerstätte entstand vor ca. 250 Millionen Jahren und gehört zur geologischen Formation des Zechstein 1. Das Salz lagert in einer Teufe von etwa 1000 bis 1500 m relativ störungsfrei und flach. Das bis zu 400 m mächtige Salzlager wird im Liegenden und Hangenden von Anhydrit begrenzt. Zur Oberfläche hin schließen sich Schichtenfolgen des Zechstein 1, 2 und 3 an, die durch Ton-Anhydrit-Schichten gegen den darüber liegenden Buntsandstein abgedichtet sind. Die Schichten des Unteren und Mittleren Buntsandsteins sind insgesamt ca. 630 m mächtig, sie werden überlagert von Schichten der Unterkreise und des Quartär. Das in Epe gewonnene Salz ist sehr rein (98-99 % NaCl). Es ist
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1 Untertage-Speichertechnik
Abb. N-7:
Verbreitung und Mächtigkeit des Werra-Steinsalzes am Niederrhein und im Münsterland [Quelle: SGW –Ausschnitt]
daher auch ein ideales, dichtes Muttergestein für Speicherkavernen. Kalisalze treten regional nicht auf.
1.14 Gewinnung
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Der Salzgewinnungsgesellschaft Westfalen mbH (SGW) wurde gemäß § 38c ABG das Recht eingeräumt, im verliehenen Feld Steinsalz aufzusuchen, zu gewinnen und die hierzu erforderlichen Anlagen über und unter Tage zu errichten. Die erste Solegewinnungsbohrung S1 wurde im Jahre 1970 niedergebracht. Im Jahr 2008 wird mit dem Abteufen der 100. Solegewinnungsbohrungen begonnen. Die durch die Solung entstehenden Kavernenhohlräume sind in definierten Abständen zueinander in einem trigonalen Raster angeordnet. Das Feld entwickelte sich in den Jahren 1970 bis 1990 von Süden ausgehend nach Norden und später nach Osten. Zu dieser Zeit war das abgelenkte Bohren, bei dem der Bohrpfad gezielt in definierte Richtungen geführt wird, noch nicht Stand der Technik. Die Bohrungen wurden nahezu senkrecht abgeteuft – daher erkennt man Solegewinnungsbohrungen aus dieser Zeit daran, dass jeweils nur ein Bohrlochansatzpunkt auf einem übertägigen Platz liegt. Mit Einführung des abgelenkten Bohrens wurden im Feld Epe Clusterplätze möglich, auf denen anfangs zwei, später drei und heute schon bis zu 7 Bohrungen möglich sind. Das Zusammenfassen von Bohrlochansatzpunkten auf einen Platz stellt nicht nur einen finanziellen Vorteil für das Unternehmen dar, sondern es vermindert auch den Eingriff in Natur und Landschaft. Mit der Zulassung des Betriebsplanes für die 6. Solefelderweiterung im Jahre 2002 durch das ehemalige Bergamt Gel-
N Erdöl- und Erdgasspeicherung
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senkirchen dehnte sich die Entwicklung der Solegewinnung Richtung Westen aus. Von 2002 an entwickelte sich der Abbaufortschritt der SGW in diese Richtung. Aussolverfahren Im Steinsalzbergwerk Epe wird bei der kontrollierten Bohrlochsolung jeweils eine Bohrung pro Kaverne bis zum liegenden Anhydrit niedergebracht. Je nach geplanter Verwendung der Kaverne wird mehr oder weniger tief in die Salzschichten verrohrt und anschließend die Bohrlochverrohrung zementiert. In die Bohrung werden zwei konzentrische Spülrohre eingehängt und über Tage verflanscht. Der Solprozess beginnt mit dem direkten Spülverfahren.
N Abb. N-8: Prinzipdarstellung des direkten und indirekten Solverfahren [Quelle: Grafik KB Underground Technologies GmbH]
Dabei gelangt Süßwasser über das tiefer hängende Zentralrohr in das Bohrlochtiefste. Die entstehende Salzsole wird dann gleichzeitig über die zweite äußere Spülrohrtour nach über Tage verdrängt. Im Laufe der Kavernenentwicklung wird der Spülkreislauf umgekehrt (indirektes Solverfahren). Hierbei gelangt das Süßwasser dann über den Ringraum in den Außenraum der Kaverne, sättigt sich auf dem Weg nach unten langsam auf und verlässt die Bohrung über das tiefer hängende Zentralrohr. Um während der Aussolung die Entwicklung der Kavernenfirste zu steuern, wird durch den Ringraum zwischen Bohrlochverrohrung und zweiter Spülrohrtour eine Schutzflüssigkeit, das sog. Blanket, eingepresst. Wegen der geringeren Dichte schichtet sich diese über das Süßwasser und verhindert damit die vertikale Aussolung. Durch Solung sind in Epe Kavernen entstanden, die ein Hohlraumvolumen zwischen 250.000 und 400.000 m3 bis maximal 970.000 m3 aufweisen.
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Im Jahr 2006 wurden mit diesem Aussolverfahren durch die SGW 1.977.971 t Salz gewonnen. Das entspricht einem Solevolumen von 6.345366 m3.
1.15 Erdölspeicherung im Kavernenfeld Epe Im Zuge der Ölkrise und der Ansprüche des Energiebevorratungsgesetzes wurde der SGW 1974 für Solkavernen die Einlagerung von Rohöl und Rohölprodukten zugelassen. Zur Zeit besteht der Ölspeicher aus 5 Kavernen. Die Betriebsführung des Ölspeicherbetriebes erfolgt durch die Salzgewinnungsgesellschaft, die auch bergrechtlicher Unternehmer ist. Sie ist vertraglich verpflichtet, der Deutschen BP als Rechtnachfolger der VEBA-Chemie und VEBAOel insgesamt 3 Mio. m3 Ölspeicherraum bereitzustellen. Das Mineralöl gelangt über die Mineralölfernleitung Wilhelmshaven – Wesseling der NordWest Ölleitung GmbH (NWO) bis zur Pumpstation Ochtrup. Von hier führt eine 11 km lange, zum Speicherbetrieb gehörende, Stichleitung zu einer Hochdruckpumpenstation in das Kavernenfeld Epe. Über Feldleitungssysteme werden die Ölspeicherkavernen sowohl an die Pumpstation als auch an das Solenetz angebunden. Das Öl-Feldleitungsnetz ist ca. 1,6 km lang und weist Durchmesser von DN 300, DN 200, DN 150 auf.
1.16 Erdgasspeicherung im Kavernenfeld Epe
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An der Speicherung sind folgende Unternehmen beteiligt: E.ON Gas Storage GmbH Die Entwicklung des Kavernenfeldes Epe als Gasspeicher begann im Jahr 1974 mit der heutigen E.ON Gas Storage GmbH (EGS, vormals Ruhrgas AG und E.ON Ruhrgas AG). Der Errichtung eines Erdgaskavernenspeichers mit Verdichter- und Entnahmestation, Feldleitungen und anfänglich zehn Speicherkavernen folgte ab 1987 die Erweiterung des Speichers um weitere 23 Kavernen. Nach einer längeren Ruhephase erfolgte ab 2005 bis 2009 eine Erweiterung des Speichervolumens auf heute insgesamt 39 Kavernen. RWE Gasspeicher GmbH Als zweiter Gasspeicherbetreiber im Feld Epe erlangte die damalige Thyssengas, später RWE WWE Netzservice GmbH und heutige RWE Gasspeicher GmbH, 1986 eine Rahmenbetriebsplanzulassung für die Errichtung und den Betrieb eines Kavernenspeichers, der in der jetzigen Ausbaustufe aus insgesamt zehn Kavernen für die Speicherung von H-Gas besteht. NUON Epe Gasspeicher GmbH Schon im Juli 2004 folgte der Antrag eines weiteren niederländischen Energieunternehmens, im Bereich Gronau/Epe einen Erdgaskavernenspeicher errichten und betreiben zu dürfen. Im Dezember 2004 wurde der N.V. NUON Energy Sourcing, einer 100%igen Tochter der niederländischen N.V. NUON in Amsterdam, die Errichtung und der Betrieb einer eigenen Verdichter- und Entnahmestation mit vier Kavernen zugelassen. Im Mai diesen Jahres legte die NUON einen Antrag vor, um ihren Speicher um weitere drei Kavernen vergrößern und die Ein- und Ausspeicherkapazitäten erhöhen zu dürfen. Im Endausbau stehen bei einem maximalen Speichervolumen von 439 Mio. Nm3 ca. 332 Mio. Nm3 als Arbeitsgasmenge zur Verfügung. Trianel Gasspeicher Epe GmbH & Co. KG Als erstes deutsches Gemeinschaftsunternehmen im Kavernenfeld Epe beantragte im November 2005 die jetzige Trianel Gasspeicher Epe GmbH (vormals Trianel Gasspeichergesellschaft
N Erdöl- und Erdgasspeicherung
Epe mbH) die Errichtung und den Betrieb eines eigenständigen Erdgaskavernenspeichers mit 3 Kavernen. Gesellschafter der für den Betrieb verantwortlichen Trianel Gasspeicher Epe GmbH sind neben der Trianel European Energy Trading GmbH 13 kommunale Energieversorgungsunternehmen. Bevor im Oktober 2008 der kommerzielle Betrieb des Speichers offiziell aufgenommen wurde, hatte die Trianel schon die Erweiterung des Speichers um eine weitere Kaverne im August 2008 sowie im Dezember 2008 die Erweiterung der Station beantragt. Der Ausbau des Speichers ist zur Zeit in Gange. Im Endausbau verfügt der Trianel-Speicher mit vier H-Gas-Kavernen über ein Arbeitsgasvolumen von 238 Mio. Nm3 und ist in der Lage 300.000 Nm3 pro Stunde ein- und 600.000 Nm3 pro Stunde auszuspeichern. Die Ferngasversorgung erfolgt über zwei Ferngasleitungsanschlüsse an das H-Gas-Netz der RWE sowie einen Anschluss an das H-Gas-Netz der E.ON. Eneco Gasspeicher B.V. Als drittes und auch drittgrößtes Energieversorgungsunternehmen in den Niederlanden folgte die Eneco Gasspeicher B.V. dem Beispiel der Essent und der NUON und beantragte, trotz aller Bemühungen der Behörden, eine Zusammenarbeit mit bestehenden Speicherbetreibern einzugehen, im Februar 2008 die Errichtung und den Betrieb eines eigenständigen Erdgaskavernenspeichers. Die Eneco Gasspeicher B.V. ist eine 100%ige Tochter der Eneco Holding N.V., die aus einem Zusammenschluss von zwölf regionalen Energieversorgungsunternehmen entstand. Größte Einzelaktionäre sind Städte wie Rotterdam, Den Haag und Dordrecht. In einem Speicherhohlraum von insgesamt ca. 950.000 m³ können 190 Mio. Nm³ Gas eingelagert werden. Der Kavernenbetrieb ist mit ca. 100 Mio. Nm³ Arbeitsgas bei einer Einspeicherleistung von max. 400.000 Nm³/h und einer Ausspeicherleistung von max. 600.000 Nm³ geplant. KGE – Kommunale Gasspeichergesellschaft Epe mbH & Co. KG Im März 2008 beantragte die KGE (Kommunale Gasspeichergesellschaft Epe) als Zusammenschluss der Energie- und Wasserversorgung Mittleres Ruhrgebiet (ewmr), der Dortmunder Energie- und Wasserversorgung (DEW21), der Stadtwerke Essen und der Gelsenwasser AG einen neuen Erdgaskavernenspeicher. Hierbei schlug die KGE einen neuen Weg ein, verzichtete auf eine eigenständige Verdichter- und Entnahmestation und ging eine Kooperation mit der E.ON Gas Storage (EGS) ein. In einem Speicherhohlraum von insgesamt ca. 1,25 Mio. m3 können 250 Mio. Nm3 H-Gas eingelagert werden. Der Kavernenbetrieb ist mit ca. 180 Mio. Nm³ Arbeitsgas bei einer Einspeicherleistung von max. 150.000 Nm3/h und einer Ausspeicherleistung von max. 400.000 Nm3 geplant. CGS – Continental Gas Storage Die CGS Deutschland GmbH ist eine im Jahr 2008 gegründete 100%ige Tochtergesellschaft der niederländischen Continental Gas Storage B. V. mit Sitz in Berlin. Unternehmensgegenstand sind die Errichtung und der Betrieb von Einrichtungen zur Speicherung von Erdgas. Ziel der CGS ist es, Kapazitäten für die Speicherung von Erdgas zu schaffen und diese insbesondere kleineren Gasversorgungsunternehmen auf vertraglicher Grundlage zur Verfügung zu stellen. Die CGS beabsichtigt, eine eigene Verdichter- und Entnahmestation zu errichten und drei zur Gasspeicherung umgerüstete Kavernen als H- oder L-Gas-Speicher zu betreiben. Die EnBW – Energie Baden Württemberg AG plant die Errichtung und den Betrieb eines eigenständigen Erdgaskavernenspeichers. Auch für dieses Projekt konnte bisher kein gemeinschaftlicher Speicherbetrieb mit einem im Feld ansässigen Speicherbetreiber abgestimmt werden, so dass eine eigene Verdichter- und Entnahmestation geplant ist.
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758
1 Untertage-Speichertechnik
1.17 Übersicht über die Kavernenspeicher in Epe Tab. N-1: Übersicht über die Speichervolumina Stand: 2009 Kavernenbetreiber E.On Gas Storage RWE Essent NUON Trianel KGE Eneco CGS EnBW SGW
Kavernenanzahl Stoff (geplant) HGas 31, LGas 8 HGas 10 LGas 6 (4) LGas 4 (3) HGas 4 HGas (4) LGas (2) HGas, LGas (3) HGas, LGas (3) Öl 5
Gesamtgasvolumen [Mio.m3 (Vn)] 2400 625 433 (653) 285 (439) 305 250 190 (450) (215)
Arbeitsgasvolumen [Mio.m3 (Vn)] 1600 473 337 (503) 218 (332) 238 180 100 (149)
Tab. N-2: Übersicht über die Speicherleistung Kavernenbetreiber
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E.On Gas Storage
Einspeicherleistung (geplant) [Nm3/h] 700.000 (1.200.000)
RWE Essent NUON Trianel KGE Eneco CGS EnBW
170.000 200.000 (400.000) 60.000 (360.000) 300.000 (150.000) (400.000) (200.000) (250.000 – 300.000)
Ausspeicherleistung (geplant) [Nm3/h] 1.750.000 (3.500.000)H 1.200.000 (1.800.000)L 520.000 400.000 (800.000) 750.000 (1.000.000) 600.000 (400.000) (600.000) (500.000) (350.000 – 400.000)
Feldleitungslänge [km] 20 3,9 7 (2) 5,8 (10) 5,6 3,3 2,7 6,7 1,7
Teil III O Bohrungen in der Bautechnik P Baugrunderkundungsbohrungen Q Bohrungen im Bergbau
O Bohrungen in der Bautechnik 1 Allgemeines Bohrungen in der Bauindustrie finden immer umfangreichere Anwendungen. Dabei kommen immer stärkere und technisch hochgradig entwickelte Maschinen und Geräte zum Einsatz, die im Folgenden näher beschrieben werden. Verwendung finden die Bohrungen für folgende Aufgaben: • Gründungen • Verbautechnik • Grundwasserabsenkungen • Ankertechnik • Injektionstechnik • Geothermietechnik • Lockerungsbohrungen in der Rammtechnik
2 Geräte 2.1 Seilbagger Im Spezialtiefbau kommen heute Seilbagger als Geräteträger zum Einsatz, deren Dienstgewichte an etwa 250 t heranreichen. Bei der Bohrpfahlherstellung sind sie in erster Linie für Großbohrpfähle mit Durchmessern bis 3 m und mehr mit entsprechenden Verrohrungsanlagen sowie als Trägergeräte für schwere Drehbohrgeräte im Einsatz. Die Seilbagger haben den Vorteil, dass leistungsfähige Winden vorhanden sind, die bei Hydraulikbaggern zusätzlich aufgebaut werden müssen. Die Bagger erlauben den Anbau schwerster Zusatzeinrichtungen, wie Verrohrungsmaschinen, Bohrgeräte, Rammgeräte, Schlitzwandeinrichtungen usw. Zu unterscheiden sind – Mobilseilbagger und – Raupenseilbagger
2.1.1 Baugruppen Winden In der Grundausstattung stehen in der Regel zwei Arbeitswinden zur Verfügung, die hydraulisch angetrieben werden. Für Sondereinsätze sind zusätzliche Winden möglich. Sie sind ausgestattet mit Ölbad-Planetengetrieben und federbelasteten Sicherheitslamellenbremsen, die im Ölbad laufen. Für den Bohrbetrieb und Arbeiten mit Greifer und Meißel sind die Winden üblicherweise mit einer Freifalleinrichtung ausgerüstet. Des Weiteren besteht die Möglichkeit H. -O. Buja, Handbuch der Tief-, Flach-, Geothermie- und Horizontalbohrtechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-9943-9_15, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
O Bohrungen in der Bautechnik
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einer Greiferschließautomatik in Verbindung mit Windensynchronisation, die den Windengleichlauf garantieren und die Last gleichmäßig auf beide Winden verteilen. Für den Personenbetrieb (z. B. Arbeiten in Bohrungen) sind zusätzlich spezielle Personenwindenüblich, die mit einem mehrfachen Sicherheitsfaktor ausgestattet sind. Das hydraulische Antriebssystem erlaubt eine sehr feinfühlige Betätigung der Winden. Die Energie kann beim Beschleunigen und Abbremsen optimal genutzt und beim kraftschlüssigen Absenken der Last zurückgenommen werden.
Abb. O-1: Windenrillung
Bei geöffneter Freifallbremse sinkt die Last mit Fallgeschwindigkeit bei stehendem Antriebsmotor. Wird die Freifallbremse jedoch nur teilweise geöffnet, kann die Sinkgeschwindigkeit entsprechend gesteuert und falls gewünscht, wieder abgebremst werden. Die Freifalleinrichtung dient insbesondere zur Beschleunigung der Einfahrgeschwindigkeit beim Greiferbetrieb und bei der Meißelarbeit. Beim Personentransport dürfen keine Winden mit Freifalleinrichtung verwendet werden. Von besonderer Wichtigkeit ist die Art der Rillung (Abb. O-1). Während bei ein bis zwei Seillagen eine gerade Rillung (rechts oben) ausreicht, ist bei drei und mehr Lagen eine Sonderrillung zu empfehlen. Mit dieser Rillung werden die Schwierigkeiten bei mehrlagiger Bewicklung in üblicher Rillung vermieden, da die Kreuzungspunkte des Seils in jeder Seillage immer im gleichen Trommelabschnitt liegen und das Aufsteigen des Seils in die nächste Seillage genau definiert ist. Es können problemlos acht und mehr Lagen gewickelt werden. Winden mit Konus- oder Mehrscheiben-Trockenkupplungen (Lamellenkupplungen) sowie Bandbremsen sind wegen des hohen Verschleißes nur noch selten anzutreffen. Seilwinden neuerer Bauart verfügen über Kupplungselemente, die im Ölbad laufen. Rein kraftschlüssige Winden (Auf- und Abwinden) benötigen keine Kupplung bzw. Bremse, da der Ölmotor diese Aufgabe übernimmt. Auslegerverstellung Die Auslegerverstellung erfolgt bei einigen Systemen über einen hydraulischen Verstellzylinder; im Wesentlichen jedoch mittels einer hydraulisch angetriebenen Verstellwinde. Fahrerkabinen
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2 Geräte
Elastisch gelagerte und schallgedämmte Kabinen mit Rundumverglasung aus Sicherheitsglas sind inzwischen Standard geworden. Hinzu kommen eine körpergerechte Verstellmöglichkeit der Komfortsitze, stufenlos regelbare Heizung, Klimaanlage und z. T. schon Radio mit CDPlayer. Transport In der Traglastklasse bis 40 t lässt sich der Normalausleger (bis etwa 14 m) hydraulisch oder mechanisch zusammenklappen, sodass der Auf- und Abbau in wenigen Minuten durchgeführt werden kann und für den Ausleger kein gesonderter Transport erforderlich ist. Die Transportmaße entsprechen der Straßenverkehrsordnung.
Abb. O-2: Transportsituation bei den Raupenseilbaggern 620 HD und 620 M der Firma Sennebogen
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Hydraulik 2- bis 4-Ölkreis-Systeme mit Gesamt-Ölförderleistungen bis 1350 l/min ermöglichen entsprechend viele parallel zu bedienende Arbeitsfunktionen (z. B. gleichzeitiges Bohren und Verrohren). Bei Bedarf können Hydraulikanschlüsse für Anbaugeräte am Unterwagen integriert werden. Die Bedienung dieser Zusatzgeräte kann von der Fahrerkabine aus vorgenommen werden.
2.1.2 Mobilseilbagger 2.1.2.1 Allgemeines • Mobilseilbagger eignen sich für den Bohrbetrieb bei Traglasten bis 40 t. • Die Vorteile sind: • hohe Flexibilität • Straßengängigkeit • Schonung der Arbeitsebene • vielseitig einsetzbar • kurze Transporte können auf eigener Achse ausgeführt werden Die Nachteile sind: • schlechte Manövrierfähigkeit bei weichem und unebenem Gelände höherer Arbeitsaufwand beim Positionieren durch das Ausfahren und Unterbauen
O Bohrungen in der Bautechnik
763
• der Abstützung • durch die aufwendige Hydraulik der Abstützung sowie Reifenverschleiß höhere • Fahrwerkskosten als bei Raupengeräten Unterwagen Allgemeine Ausstattung: 4-Punkt-Schieberträgerabstützung vom Fahrersitz einstellbar, Zwillingsreifen, Allradantrieb, Servolenkung, 2 Fahrgeschwindigkeitsstufen (langsam und schnell), maximale Fahrgeschwindigkeit etwa 20 km/h.
Abb. O-3: Mobil-Seilbagger System Sennebogen Typ 620 M HD in Arbeits- und Transportstellung – Der Bagger hat eine Antriebsleistung von 119 kW und eine Traglast von max. 20 t
Einsatzmöglichkeiten der Mobilseilbagger • Leichte bis mittelschwere Bohrarbeit für Bohrpfahlherstellung im Greiferbohrverfahren. • Brunnenbohrungen und Bohrungen für Grundwasserabsenkungen • leichte Rammarbeiten mit Anbaumäkler • als Hilfsgerät für Hebearbeiten auf größeren Baustellen, besonders in Verbindung mit Drehbohrgeräten
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Abb.O-4: Mobilseilbagger mit Verrohrungsmaschine bei Bohrarbeiten
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2 Geräte
2.1.3 Raupenseilbagger 2.1.3.1 Allgemeines Raupenseilbagger stehen für Traglasten von etwa 14 t bis 180 t zur Verfügung, wobei die Einsatzgewichte bis zu 250 t betragen können. Neuere Geräte sind durchweg hydrostatisch angetrieben und die Fahrwerke in der Regel teleskopierbar. Hohe hydraulische Leistungen ermöglichen den direkten Antrieb von Zusatzgeräten (z. B. Verrohrungsmaschinen, Drehbohranlagen usw.). Bei Traglasten bis etwa 40 t ist ein Transport mit eingeklapptem Grundausleger (Länge etwa 14 m) möglich (Abb. O-2). Für die meisten Arbeiten ist diese Auslegerlänge ausreichend. Bei den höheren Gewichtsklassen wird der Ausleger gesondert transportiert. Dabei verfügen moderne Geräte in der Regel über eine Vorrichtung (z. B. Aufrichtemast), mit der das Auf- und Abladen des Auslegers sowie die Montage erfolgen kann, so dass ein Hilfsgerät hierzu nicht erforderlich ist (Abb. O-4).
Abb. O-5: Montagevorrichtung am Raupenseilbagger Typ Sennebogen 6180 HD
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Die Transporte sind ab der Traglastklasse 40 t nur mit Einzel-Sondergenehmigungen möglich. Bei den schwersten Geräten (z. B. Typ Sennebogen 6180 HD und Typ Liebherr LR 893) müssen für den Transport neben dem Ausleger auch die Fahrwerke demontiert werden (Abb. O-6).
Abb. O-6: Transportsituation für einen überschweren Raupenseilbagger (hier: Sennebogen 6180 HD)
Raupenseilbagger finden u. a. Verwendung in folgenden Bereichen des Spezialtiefbaus, Montage- und Baubetrieb: • Bohrpfahlarbeiten im Schlagbohrverfahren (insbesondere bei sehr großen Durchmessern) • Schlitzwand- und Schmalwandarbeiten • als Trägergeräte für schwere Drehbohrgeräte und Rammeinheiten
O Bohrungen in der Bautechnik
Abb. O-7:
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links: Sennebogen-Raupenbagger Typ 690 HD – rechts: Liebherr RaupenSeilbagger Typ HS 885 HD, jeweils mit hydraulischen Verrohrungsmaschinen und Bohrgreifer
• in der dynamischen Bodenverdichtung • Kranarbeit Für Anbaugeräte, die einen sehr hohen Hydraulikbedarf erfordern (Verrohrungsmaschinen, hydraulische Rammgeräte usw.), reicht die installierte hydraulische Leistung teilweise nicht aus. Hier stehen entsprechende Zusatzpakete zur Verfügung; gegebenenfalls müssen auch komplette Hydraulik-Zusatzaggregate aufgebaut werden.
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Abb. O-8: Raupenseilbagger Sennebogen Typ 690 HD Transportmaße
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2 Geräte
Abb. O-9: Wesentliche Stationen bei der Montage des Sennebogen-Raupenseilbaggers Typ 8180 HD. Sie sind vergleichbar mit dem Montageablauf beim LiebherrRaupenseilbagger Typ HS 885 HDSL.
Eine Besonderheit unter den Raupenseilbaggern stellen die Typen Sennbogen 6130 HD, 6180 HDSL und Liebherr HS 885 HD dar. Für den Transport müssen hier neben dem Ausleger und dem Ballast auch die Fahrwerkslaufwerke demontiert werden. Die Systeme sind jedoch so geschickt konstruiert, dass trotz der umfangreichen Montagearbeiten kein Zusatzgerät (z. B. Kran) erforderlich ist. Die Transport- und Montagestationen zeigt Abb. O-9. Für den Spezialtiefbau sind diese Geräte aus wirtschaftlichen Gründen nur für Großbaustellen mit schwerem Arbeitsgerät von Bedeutung, da bei den im Allgemeinen kurzen Einsatzzeiten der Transport- und Montageaufwand zu hoch ist.
O Bohrungen in der Bautechnik
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Tafel 1-O: Raupenseilbagger Typ Sennebogen (hohe Traglastklasse) nicht vollständig! Typ Dienstgewicht mit Ballast maximale Traglast maximale Motorleistung Bodenplatten Transporthöhe
t t kW/PS min m
Transportlänge
m
640 R-HD 660 HD
680-HD
6100 HD
40 60 205/279 800-1000 3,16 10,07
60 60 354/482 800-1000 3,18
80 80 354/482 800-1000 3,45
100 100 470/639 800-1000 3,87
6180 HDSL 200 200 550/775 1200 3,91
10,07
11,38
13,59
14,92
m
8,64 3,00
3,41
3,50
4,10
4,00
Breite Unterwagen — eingefahren Breite Unterwagen— ausgefahren Länge Laufwerk maximale Rollenkopfhöhe Hauptwinden maximale Windenkräfte Hydrauliksystem
m
4,20
4,80
4,80
4,90
4,80
m m St. kN L/min
5,35 22 2 120/160 2 × 320 1×220
5,95 25 2 160/200 2 × 300 2 × 200
6,25 28 2 160/250 2 × 300 2 × 200
6,60 30 2 200/300 2 × 420 2 × 200
8,80 32 2 200/320 2 × 420 1 × 300 1 × 210
Betriebsdruck
bar
330
330
330
330
330
Anmerkungen zu Tafel 1-O: Die Motor- und Hydraulikleistungen können dem vorgesehenen Einsatzzweck angepasst werden. Zusätzliche Winden und Hydraulikpumpen sind bei Bedarf installierbar. Für die Anlagen aus dieser Tabelle sind Sonder-Einzel-Transportgenehmigungen erforderlich. Eine Montagevorrichtung (Aufrichtemast) für den Auf- und Abbau ist vorhanden. Die Dienstgewichte sind abhängig von der jeweiligen Ausstattung (z. B. höhere Gegengewichte). Die angegebene Rollenkopfhöhe bezieht sich auf Ausrüstung für Greiferbetrieb. Als Motoren stehen zur Verfügung: wassergekühlte Deutz- und Caterpillar-Dieselmotoren. Zu den Typenreihen gibt es zum Teil weitere Varianten (z. B. unterschiedliche Laufwerke).
O
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2 Geräte
Tafel 2-0: Liebherr Raupen-Seilbagger Litronic Dienstgewicht (mit Ballast) bei Ausladung von Motorleistung max. Einsatzgewicht Transporthöhe Transportlänge Breite Unterwagen-eingefahren Breite Unterwagen- ausgefahren Länge Laufwerk maximale Rollenkopfhöhe Hauptwinden
HS t m kW/PS t m m m m m m St.
maximale Windenkräfte
kN
825 HD 43,5 4,00 270/362 530 3,26 11,25 3,00 4,20 5,48 26 3 80/120/ 160
845 HD 65,9 3,40 350/375 67,4 3,26 11,25 3,00 4,20 5,65 26 3 120/160/ 200
855 HD 90 3,60 450/600 84,4 3,35 11,86 3,0 4,50 5,92 30 3 160/200/ 250
875 HD 100 4,00 450/670 93,4 4,02 14,10 3,98 4,90 6,48 33 3 160/200/ 250
895 HD 200 5,00 670/900 169,2 3,95 17,38 4,20 6,80 9,36 55 4 200/250/ 350/450
Für HS 898 HD sind für den Transport i. d. R. die Raupenfahrwerke wegen Überbereite abzunehmen oder Spezialtransport durchzuführen. Anmerkungen zu Tafel 2-O: Die Motor- und Hydraulikleistungen können dem vorgesehenen Einsatzzweck angepasst werden. Zusätzliche Winden und Hydraulikpumpen sind bei Bedarf installierbar. Für die Anlagen aus dieser Tabelle sind Sonder-Einzel-Transportgenehmigungen erforderlich. Eine Montagevorrichtung (Aufrichtemast) für den Auf- und Abbau ist vorhanden. Die Dienstgewichte sind abhängig von der jeweiligen Ausstattung (z. B. höhere Gegengewichte). Alle Geräte sind mit dem Liebherr-Überwachungssystem Litronic® ausgerüstet Die angegebene Rollenkopfhöhe bezieht sich auf Ausrüstung für Greiferbetrieb. Als Motoren stehen zur Verfügung: wassergekühlte Liebherr V-4, V-6 und V-8 Dieselmotoren und alternativ Mercedes Benz V-12 Dieselmotoren.
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Informationen zur Liebherr-Litronic© Alle notwendigen Informationen über den Betriebszustand des Gerätes und die Vorwahlmöglichkeiten für Sonderprogramme sind in einer Einheit zusammengefasst, die übersichtlich in der Kabine angeordnet ist. Die Anzeige erfolgt über einen kontraststarken Bildschirm (Abb. O-10), der den Fahrer über alle notwendigen Betriebszustände informiert. Zusätzlich können Spezialprogramme auf der Tastatur vorgewählt werden. Integrierte Programmtasten unter dem Bildschirm ermöglichen eine schnelle und einfache Menüführung. Alle Betriebszustände sind vom Fahrer auf wenigen Bildebenen einzusehen und durch einfaches Blättern jederzeit zugänglich. Beim Motorstart überprüft das Kontrollsystem die Betriebssysteme und informiert nach Freigabe über das Grundbild den Fahrer bereits bei Arbeitsbeginn über den Zustand des Seilbaggers.
O Bohrungen in der Bautechnik
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Abb. O-10: Liebherr-Litronic©
Mit dem GSM-Service-Modem lassen sich mittels Ferndiagnose Fehler eingrenzen und zum Teil direkt beheben. Außerdem können damit Software-Updates vorgenommen und Servicearbeiten durchgeführt werden. Die Stillstandzeiten verkürzen sich und das Gerät bleibt damit länger einsatzfähig. Ein weiteres Datenübertragungs- und Ortungssystem für Liebherr-Maschinen und Maschinen von anderen Herstellern ist LiDAT. Basierend auf modernster Datenübertragungstechnik liefert LiDAT Informationen zur Lokalisierung sowie zum Betrieb der Maschinen und ermöglicht so deren effiziente Verwaltung, optimierte Einsatzplanung und Überwachung aus der Ferne. Mit LiDAT sind alle wichtigen Maschinendaten jederzeit einsehbar. Die Daten werden, je nach Abonnement, mehrmals täglich aktualisiert und können mit einem Webbrowser jederzeit abgerufen werden. Besonders wichtige Informationen, wie zum Beispiel das Verlassen des Gerätes einer vordefinierten Zone oder Meldungen bestimmter Betriebszustände und Einsatzparameter können ebenfalls abgefragt werden.
O 2.2 Hydraulikbagger 2.2.1 Allgemeines Hydraulikbagger finden im Bereich der Bohrpfahlherstellung im Wesentlichen Anwendung als Grundgeräte für den Aufbau von leichten und mittelschweren Drehbohreinheiten. Motor- und Hydraulikleistungen sind in der jeweiligen Gewichtsklasse zwar schon optimal ausgelegt, trotzdem können Seriengeräte in der Regel nicht verwendet werden. Die erforderlichen Sonderausstattungen wie Drehdurchführungen, Verstärkung der Motor- und Hydraulikleistungen, Hydraulikinstallationen für Anbaugeräte sowie zusätzliche Schalt- und Bedienungselemente für die Funktionen der Aufbaugeräte reichen i. d. R. nicht aus.
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2 Geräte
Der Grundausleger (in der Regel verstärkt) dient zur unteren Anlenkung des Bohrmastes. Hinzu kommen bei Bedarf weitere Stütz- und Verstellzylinder. Die Winden werden am Grundgerät oder am Bohrmast angebracht. Bei mehreren Winden sind auch beide Anordnungen gleichzeitig möglich.
2.2.2 Mobil-Hydraulikbagger Lediglich bei sehr leichten Bohreinrichtungen oder freihängenden Bohrantrieben (Abb. O-11) kommen Mobil-Hydraulikbagger zum Einsatz. Probleme treten insbesondere bei nicht ausreichend befestigten und unebenen Arbeitsebenen auf. Bei aufgerichtetem Bohrmast während des Verfahrens kommt das Gerät sehr schnell ins Schwanken und es besteht Umsturzgefahr. Die Pratzen der Abstützung müssen sorgfältig unterbaut werden, was sehr aufwendig ist.
Abb. O-11: Mobil-Hydraulikbagger mit freihängendem
O
Bohrantrieb und Bohrschnecke Die Abb. O-12 zeigt eine leichte hydraulische Ramm- und Bohreinheit mit Teleskopmäkler System ABI auf einem Mobilbagger-Grundgerät System Zeppelin Typ ZM 19 T. Die Maße entsprechen der StVZO, sodass grundsätzlich ein Straßentransport auf eigener Achse möglich ist.
Abb. O-12: Trägergerät Zeppelin Typ ZM 19 T (Systemmaße)
O Bohrungen in der Bautechnik
771
2.2.3 Raupen-Hydraulikbagger 2.2.3.1 Allgemeines Hydraulikbagger mit Raupenfahrwerk finden u. a. Verwendung als Trägergeräte für leichte bis mittelschwere Drehbohrgeräte und werden von verschiedenen Herstellern je nach Anforderung der Anwender mit unterschiedlichen Dienstgewichten, Motor- und Hydraulikleistungen hergestellt. Folgende Varianten sind je nach Hersteller möglich: • Teleskopierbare Raupenfahrwerke • unterschiedliche Motortypen • dem jeweiligen Verwendungszweck angepasste Motor- und -hydraulikleistungen, • Drehdurchführungen mit Anschlüssen für Zusatzgeräte, • hydraulische Installationen (Hydraulikleitungen, Ventile, Winden) für die jeweiligen Aufbauten, • Ausschwenkbare, kippbare Fahrerkabinen und ausfahrbare Kontergewichte (Abb. O-13). Daneben sind auch Universalgrundgeräte üblich, die vom Bohrgerätehersteller nach Bedarf ausgerüstet bzw. vervollständigt werden können. Ein typisches Grundgerät zeigt Abb. O-12. Das Gerät wird mit vier unterschiedlichen Raupenfahrwerken gefertigt.
Abb. O-13: Universalträgergerät System Sennebogen Typ SR 35 T. Das Fahrwerk ist von 3,0 m auf 4,5 m teleskopierbar, Motorleistung bis 364 kW und hydraulische Leistung bis 900 l/min möglich.
Obwohl grundsätzlich jedes der geforderten Leistung entsprechende Hydraulikbaggerfabrikat verwendet werden kann, haben sich folgende Hersteller besonders darum bemüht, in Zusammenarbeit mit den Geräteherstellern entsprechende Gerätetypen zu entwickeln. Hierzu gehören u. a.: • Liebherr • Sennebogen (Bauer/Sennebogen) • Orenstein & Koppel • Zeppelin/Caterpillar
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2 Geräte
Abb. O-14: Raupenseilbagger mit ausfahrbarem Kontergewicht (links) und ausschwenkbarer bzw. kippbarer Fahrerkabine (rechts).
2.3
Drehbohrgeräte
2.3.1 Allgemeines Die Drehbohrgeräte gehören zu den wichtigsten Geräten in der Pfahlbohrtechnik. Für kleine bis mittlere Durchmesser sind sie in der Leistung den Greiferbohrgeräten weit überlegen. Hinzu kommt, dass die hohen Drehmomente der Drehantriebe (Kraftdrehköpfe) ausreichen, um bei geringen bis mittleren Teufen die Verrohrung einzubringen (Primärverrohrung). Die Drehbohrgeräte können in folgende Systeme unterteilt werden: • Drehantriebe ohne Führung • Drehbohrgeräte mit feststehenden Drehantrieben • Drehbohrgeräte mit geführten und beweglichen Drehantrieben
O 2.3.2 Drehbohreinrichtungen ohne Führung Sie sind nur geeignet für untergeordnete Bohrarbeiten. Das Einbringen einer kurzen Verrohrung kann über einen spezielle Verrohrungsdrehkopf (Abb. O-15) oder durch Einrütteln erfolgen. Zufriedenstellende Leistungen sind bei Bohrdurchmessern bis maximal 60 cm nur in standfesten und wasserfreien Böden zu erzielen. Als Trägergeräte kommen grundsätzlich handelsübliche Hydraulikbagger mit Mobil- oder Raupenfahrwerk zur Anwendung, da bei ihnen wesentliche Um- oder Anbauten nicht erforderlich sind. Der Drehantrieb wird über einen Verbindungsbügel, der von den Baggerherstellern geliefert werden kann, an den Löffelstiel angeschlossen. Die Ölversorgung und Schaltung erfolgt über das Löffelstielventil.
O Bohrungen in der Bautechnik
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Abb. O-15: Nichtgeführter Drehbohrantrieb System ABI (links) – Verrohrung-Drehkopf System ABI an einem Hydraulikbagger (rechts).
Je nach Ölbedarf des Drehgetriebes sind evtl. Ölleitungen mit größerem Querschnitt zu verlegen. Anwendung finden diese Geräte für Mastgründungen, Lärmschutzwandpfosten, kurze Bohrpfähle mit kleinen Durchmessern usw.
2.3.3 Drehbohrgeräte mit feststehenden Drehantrieben In den Jahren zwischen 1970 und 1980 gehörten diese Geräte zu den am meisten eingesetzten Drehbohranlagen. Da die Drehantriebe sehr tief lagen, war der Einsatz von Verrohrungsmaschinen an diesen Geräten nur bedingt möglich. Der Werkzeugantrieb wurde mit einer einfachen oder auch teleskopierbaren Kellystange betrieben. Der Andruck erfolgte lediglich über das Gewicht der Kellystange, die hierzu teilweise zusätzlich belastet wurde (z. B. durch Schwerstangen). Der Anbau erfolgte an einem Seilbagger ohne wesentliche Sonderausrüstung, da durchweg ein gesonderter Bohrantrieb vorhanden war. Der Drehantrieb war auf einem Drehtisch angebracht und am Baggeroberwagen befestigt. Der Antrieb erfolgte unabhängig vom Trägergerät über einen Dieselmotor. Dabei konnten Drehmomente von 120 bis etwa 200 kNm an die Kellystange abgegeben werden. Die Geräte waren in Deutschland kaum noch gebräuchlich. Sie werden jetzt jedoch von namhaften Herstellern wieder produziert und weisen nun folgende Verbesserungen auf: • Der Antrieb ist so hoch gelegt, dass der Einbau einer Verrohrung und Einsatz einer Verrohrungsmaschine möglich ist. • Als Drehantrieb können auch Bohrgetriebe verwendet werden, wie sie auch an Bohrgeräten mit verschiebbarem Kraftdrehkopf üblich sind. • Die hydraulische Versorgung erfolgt über das Grundgerät, sodass ein zusätzliches Aggregat entfallen kann. • Die Kellystange kann verriegelt und über Hydraulikzylinder ein Andruck ausgeübt werden.
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2 Geräte
Abb. O-16: Drehbohrgeräte nach dem Calweld-System links: Bauer Typ B 36 auf Trägergerät Bauer/Sennebogen BS 6110 rechts: Liebherr LD 25 auf Trägergerät Liebherr HS 843 HD
Als Trägergeräte können neben den in Tafel 1-0 und 2-0 genannten auch andere handelsübliche Maschinen Verwendung finden.
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Abb. O-17: Montagesystem bei den Bohrgeräten B 15, B 22 und B 36 der Firma Bauer
O Bohrungen in der Bautechnik
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Durch Ausschwenken des Drehantriebs oder Vorneigen des Auslegers und Zurücksetzen des Baggers kann, z. B. bei Hindernissen, über eine zusätzliche Rollenführung am Mastausleger auch schlagend gebohrt werden. Die Liebherr-Geräte besitzen hierzu einen speziellen Rollenkopf mit vorgesetzter Rolle. Je nach Bodenart sind Durchmesser bis zu 300 cm durchführbar. Je nach Bohrdurchmesser können Bohrtiefen bis etwa 70 m erreicht werden. Der Aufbau dieser Geräte kann überwiegend ohne zusätzliche Kranhilfe erfolgen. Wie das Aufbauschema (Abb. O-17) zeigt, kann das Anbaubohrgerät mit dem Ausleger angehoben (1) und am Grundgerät angebolzt werden. Nach dem Anbolzen der Zylinder, wird das Anbaubohrgerät mit diesen Zylindern vom Boden abgehoben (2). Der kurze Mast wird senkrecht gestellt (3), das Drehgetriebe eingefädelt (4) und anschließend die Kellystange aufgenommen und eingefahren (4). Bei den Liebherr-Geräten erfolgt die Montage mit dem Hilfsausleger der Bohrgeräteausrüstung.
2.3.4 Drehbohrgeräte mit geführten Drehantrieben 2.3.4.1 Allgemeines Diese Geräte werden im Allgemeinen als Kompaktgeräte bezeichnet. Sie stellen den derzeitigen Standard bei Drehbohrgeräten dar und werden von mehreren Herstellern in unterschiedlichen Leistungsgrößen angeboten. Als Grundgeräte werden bis zu mittleren Leistungsgrößen überwiegend Hydraulik-Raupenbagger und bei den Großgeräten Raupenseilbagger verwendet, die in der Regel schon werksmäßig für diesen Einsatz ausgerüstet werden. Hierzu gehören: • eine großzügig bemessene Motorleistung • eine ausreichende hydraulische Leistung • die Abstellung des Hydrauliksystems auf die Bohraufgabe • Drehdurchführungen für Hydraulikabgänge der Verrohrungsanlage und sonstige Geräte • die Auslegung der Bedienungselemente auf die Arbeitsvorgänge Der Vorschub der Kellystange ist über Hydraulikzylinder oder Seilzug möglich. Die Verrohrung kann primär über den Drehantrieb (Kraftdrehkopf) oder extern mit einer hydraulischen Verrohrungsmaschine erfolgen. Mit bis zu 5mal teleskopierbaren Kellystangen wurden bereits Bohrtiefen bis etwa 90 m erreicht. Bei Drehmomenten bis 500 kNm sind Bohrdurchmesser bis 250 cm und mehr möglich. Beim Bohrgerät BG 48 der Fa. Bauer beträgt das Dienstgewicht je nach Ausstattung bis zu 250 t bei einer installierten Motorleistung von bis zu 570 kW. Der max. Bohrdurchmesser beträgt bis zu 300 cm und die erreichbare Bohrtiefe 102 m. Bei diesen Größenordnungen sind die Fahrwerke grundsätzlich ausfahrbar. Das Standmaß im ausgefahrenen Zustand beträgt 8,80 ൈ 7,20 m, was für die Standsicherheit dieser Geräte mit einer Einsatzhöhe von bis zu 36 m durchaus erforderlich ist.
2.3.4.2 Gerätebaugruppen Die wesentlichen Komponenten sind: • Grund- bzw. Trägergeräte • Mast mit Abstützung und Rollenkopf • Kellystange
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2 Geräte
• • • •
Kraftdrehkopf Winden Rohrmitnehmer Verrohrungseinrichtung
Abb. O-18: Hauptbaugruppen eines KompaktDrehbohrgerätes
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Trägergeräte Die Baggerleistung und Standsicherheit muss dem gewählten Drehantrieb entsprechen. Bei Mobil-Hydraulikbaggern ist daher unbedingt eine Vierpunktabstützung erforderlich. Für die oberen Leistungsklassen werden grundsätzlich Seilbagger eingesetzt, die überwiegend mit spreizbaren Fahrwerken ausgestattet sind. Es handelt sich hierbei nicht um Seriengeräte, sondern um speziell für den Geräteaufbau konzipierte Maschinen. Der Geräteaufbau erfordert in der Regel zusätzliche Pumpenaggregate, Drehdurchführungen und Hydraulikanschlüsse mit Schnellverschlusskupplungen, z. B. für den Anschluss von Verrohrungsmaschinen. Es entfällt hier der Aufbau der Winden bei der Geräteaufstellung, da diese in der Grundausstattung der Seilbagger enthalten sind. Die Bohrgerätehersteller bevorzugen folgende Baggerfabrikate, da hier die entsprechenden Erfahrungen in der Zusammenarbeit und Abstimmung vorliegen: • Liebherr (Seil- und Hydraulikbagger) • & K (Hydraulikbagger) • Sennebogen (Seilbagger) • Bauer/Sennebogen (Seil- und Hydraulikbagger) • Zeppelin/Caterpillar (Hydraulikbagger)
O Bohrungen in der Bautechnik
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Bohrgerätemast mit Rollenkopf und Abstützung Der Bohrgerätemast mit Rollenkopf und Abstützung besteht in aller Regel aus einem geschweißten Kastenprofil und dient zur Führung des Drehantriebs sowie der Aufnahme des Vorschubsystems (Hydraulikzylinder oder Winde). Die Abstützung erfolgt bei Klein- bis Mittelgeräten über den Hauptauslegerstummel mit zusätzlichem Stützzylinder. Bei Großgeräten sind spezielle Fußabstützungen und Nackenzylinder erforderlich (Abb. O-19). Einige Hersteller verwenden ein sogenanntes Parallelogramm, das eine große Ausladung des Bohrmastes ermöglicht (Abb. O-19). Montage und Transport Je nach Hersteller und Gerätetyp wird die Anlage zum Transport nach vorne oder nach hinten abgelegt. Letztere Variante wird sich voraussichtlich für alle Geräte durchsetzen, wobei bis zur mittleren Leistungsklasse (z. T. auch bei Großgeräten) ein Abbau des Drehantriebs (teilweise einschließlich Kellystange) nicht mehr nötig ist. Bei Großgeräten ist im Allgemeinen eine Teildemontage erforderlich. So ist z. B. bei den Geräten der Fa. Wirth das Ablegen und Transportieren mit Kellystange und Drehantrieb auch bei dem z. Z. größten Gerät ECOdrill 40 möglich (Abb. L-21). Diese Möglichkeit verkürzt die Rüstzeit erheblich und ist besonders für kleinere Baumaßnahmen von Vorteil.
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Abb. O-19: Mastverschiebung mit Parallelogramm-System beim Drehbohrgerät Wirth ECOdrill 22 SV
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2 Geräte
Abb. O-20: Der Transport der Drehbohranlage Wirth ECOdrill 22 SV erfolgt einschließlich Kraftdrehkopf und Kellystange. Der einsatzbereite Aufbau kann damit in wenigen Minuten erfolgen
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Abb. O-21: Transportversionen für die Drehbohranlage Bauer BG 22
Abb. O-22:Transportsituation für Bohranlage Liebherr LB 28 – ohne KDK und Kellystange
O Bohrungen in der Bautechnik
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Vorschub für Kraftdrehkopf Für den Vorschub des Drehantriebs (KDK) werden einfach- oder zweifach-wirkende Hydraulikzylinder oder ein Seilzug bis zu 400 kN Druck- bzw. Zugkraft eingesetzt. Letzteres führt zu einer großen freien Höhe zwischen Gelände und Rohrmitnehmer bzw. Werkzeug und ermöglicht auf diese Weise große Rohreinbaulängen (Abb. O-23). Die Gerätehersteller bieten überwiegend beide Varianten an. Der Vorteil des Seilvorschubs ist ferner, dass bei Umstellung auf das Endlosschnecken-Bohrverfahren keine Umbauarbeiten nötig sind.
Abb. O-23: links: Kolbenvorschub – rechts: Seilvorschub am Beispiel der Drehbohranlage Bauer BG 36 auf Trägergerät BS 80
O Rollenkopf und Zusatzausleger Rollenköpfe dienen zur Umleitung der Seile im erforderlichen Abstand zum Mast. Die Anzahl der Umlenkrollen richtet sich nach den vorhandenen Seilen. Die Grundausstattung besteht aus mindestens zwei Seilführungen für die beiden Hauptwinden. Es sollte aber stets eine dritte Seilführung für eine Hilfswinde vorgesehen werden, die über einen zusätzlichen Hilfsausleger geführt wird. Bei einigen Herstellern ist dieser Ausleger schwenk- und kippbar ausgerüstet (Abb. L-24), um für den Arbeitsvorgang den richtigen Abstand zum Mast einzustellen zu können (z. B. beim Einfahren des Bewehrungskorbes).
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2 Geräte
Abb. O-24: Rollenkopf mit Hilfsausleger System Liebherr
Die Seilrollen müssen über gute Führungen verfügen, die verhindern, dass das Seil abläuft. Die Seilrollen können aus Stahl oder zur Schonung der Seile aus Hart-PVC bzw. Stahl mit PVCEinlage bestehen.
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Kellystangen und Adapter Die Kellystange (Abb. O-25) ist eines der wesentlichen Bauelemente bei Drehbohrgeräten mit feststehenden und beweglichen Drehantrieben. Sie überträgt das Drehmoment des Drehantriebes auf das Bohrwerkzeug. Durch die Teleskopierbarkeit sind große Bohrtiefen bei verhältnismäßig geringen Masthöhen ohne Bohrgestängeverlängerung möglich. Nach heutigem Stand der Technik stehen Kellystangen mit 5-facher Teleskopierbarkeit und Nutzlängen bis etwa 85 m ab Flur zur Verfügung. Nach Werksangaben kann maximal ein Drehmoment von etwa 500 kNm übertragen werden. Die Abfederung eventuell durchfallender Kellystangen erfolgt über ein Federpaket am Kellystangenkopf, im Drehgetriebe oder durch Gummipuffer am Kopf- und Fußende der Kellystange (Abb. O-25). Über Mitnehmerleisten und Verriegelungstaschen kann die volle zur Verfügung stehende Andruckkraft auf das Werkzeug übertragen werden. Hierbei ist zu beachten, dass bei einigen Systemen teilweise kurzzeitig größere Drehmomente abgegeben werden können (z. B. zur Einbringung der Verrohrung). Dieses Moment darf allerdings nur im eingefahrenen Zustand der Kellystange zugeschaltet werden. Die Maße der Werkzeuganschlüsse sind nahezu genormt und als Vierkant mit den Maßen 100, 130, 150 und 200 mm vorhanden. Andere Maße werden durch sogenannte Adapter überbrückt. Kellystangenadapter verbinden eine Kellystange mit dem Bohrwerkzeug, wenn deren Anschlüsse nicht übereinstimmen. Sie bestehen zumeist aus einer Kellybox mit angeschweißtem Vierkant. Der Adapter muss in der Lage sein, das größte Drehmoment, das von der Kellystange abgegeben werden kann, zu übertragen. Wichtig ist dabei eine gute Passform. Wegen der hohen Reparaturkosten sollten für ein Bohrgerät mehrere Kellystangen zur Verfügung stehen, um nur die maximal notwendige Kellystange einsetzen zu können. Die Kellystangen aller Hersteller sind im Grundaufbau vergleichbar, daher mag es genügen hier nur das System Bauer darzustellen. Kleinere Abweichungen kann es im System der Verriegelung, dem Stangendurchmesser, der Abfederung und in den Standardlängen geben.
O Bohrungen in der Bautechnik
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Abb. O-25: Darstellung des Kellystangensystems (Quelle: Bauer-Prospekt)
Winden Bohrgeräte mit geführten Kraftdrehköpfen werden mindestens mit zwei Winden ausgestattet (Kelly-Winde und Arbeitswinde). Beim Seil-Vorschubsystem ist eine dritte Winde erforderlich. Von den zwei Hauptwinden ist im Allgemeinen mindestens eine als Freifallwinde eingerichtet. Vorschub- und Hilfswinde sind allgemein kraftschlüssig, Umschaltung auf Schnellgang ist teilweise ebenfalls möglich. Bei Verwendung eines Hydraulikbaggers als Grundgerät werden die Winden vom Bohrgerätehersteller geliefert und entweder am Mast oder auf dem Bagger montiert bzw. auch an beiden gleichzeitig angeordnet (Abb. O-26). Bei Seilbaggern sind dagegen die Winden Bestandteil des Baggers (Abb.O-34). Vielfach sind die Winden der Fa. Zollern anzutreffen, ebenso aber auch Eigenkonstruktionen der Bohrgeräte- und Baggerhersteller. Die Windenkräfte betragen bis zu 400 kN bei Seilgeschwindigkeiten von bis zu 120 m/min in der oberen Seillage. Die Hauptwinden der Seilbagger sind in aller Regel besser ausgestattet und leistungsfähiger.
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2 Geräte
Abb. O-26: Windenanordnungen, typische Anordnung bei Hydraulikbaggern [V]
Für die Drehantriebe hat sich die Bezeichnung Kraftdrehkopf, abgekürzt KDK, durchgesetzt. Im Folgenden wird diese Bezeichnung ebenfalls verwendet. Bei Kraftdrehköpfen unterscheidet man folgende Systeme: • KDK ohne Durchgang • KDK mit Durchgang • KDK mit Betonierkopf für das Bohren mit Endlos- und Verdrängerbohrschnecken • Doppelkopf-Bohrgetriebe DKS für das VdW-(Vor-der-Wand-)System
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KDK ohne Durchgang Kraftdrehköpfe ohne Durchgang sind geschlossene Systeme. Der Anschluss erfolgt entweder über eine Gabel an den Löffelstiel des Baggers oder geführt an einem Mast (Abb. O-27). Für den Gestängeanschluss wird in der Regel ein Sechskant verwendet, wobei ein Übergang auf andere Systeme mittels Adapter vorgenommen werden kann. Die Drehmomente betragen bei diesen Kraftdrehköpfen 2 bis 31 kNm bei Drehzahlen von 48 – 118 U/min.
O Bohrungen in der Bautechnik
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Abb. O-27: Kraftdrehköpfe ohne Durchgang – TBA: nicht geführte Drehgetriebe – MBA und MB geführte Antriebe - System RTG Typ MB und System ABI Typ MBA
Geführte Kraftdrehköpfe mit Durchgang Der am Bohrmast geführte Kraftdrehkopf besitzt einen offenen Durchgang für die Kellystange. Die Kraftdrehköpfe der verschiedenen Hersteller gehen vom gleichen Grundprinzip aus. Über die Mitnehmerleisten im Getriebedurchgang wird das Drehmoment auf die Kellystange oder Bohrschnecke übertragen. Die wesentlichen Konstruktionselemente sind: • Getriebegehäuse mit den aufgesetzten Hydraulikmotoren (in der Regel zwei) • Durchgang einschließlich Mitnehmer für die Kellystange • Konstruktion für Mastführung (KDK-Schlitten) mit Aufhängung • Drehteller
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Abb. O-28: Kraftdrehkopfsysteme [Bauer-Prospekt]
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2 Geräte
Die erreichbaren Drehmomente betragen 100 bis 450 kNm bei Drehzahlen bis etwa 60 U/min. Obwohl einige Systeme über Schaltgetriebe mit bis zu drei Schaltstufen verfügen, setzt sich zunehmend die stufenlose Drehzahlregelung durch. Bei einigen Systemen kann durch die Erhöhung des Öldrucks kurzfristig ein größeres Drehmoment (für Verrohrungsarbeiten oder besonders schwierige Bohrphasen) zugeschaltet werden. Die Typenbezeichnung gibt oft nur das kurzzeitig abnehmbare Moment an. Bei den meisten Systemen steht das angegebene max. Drehmoment nur kurzzeitig (z. b. beim Verrohren) zur Verfügung, während beim Bohreinsatz lediglich ein Drehmoment zur Verfügung steht. Bei den Herstellerangaben über das mögliche Drehmoment ist daher immer zu prüfen, ob es sich hier um eine ständige oder um eine nur kurzfristige Drehmomentabgabe handelt. KDK mit Betonierkopf Diese speziellen KDK-Ausführungen werden bei der Herstellung von sogenannten Schneckenbohrpfählen (SOB), also Bohrpfähle mit durchgehender Bohrschnecke, verwendet. Es handelt sich hierbei um die oben erwähnten Bohrköpfe mit Durchgang. Eine Drehdurchführung ist oben mit dem Anschluss für das Betonierrohr und unten mit dem Gewindezapfen für das Seelenrohr der Schnecke versehen. Diese Bohrköpfe haben grundsätzlich Seilvorschubsystem. Doppelkopf-Bohrgetriebe (DKS)
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Abb. O-29: Beispiele für Doppelkopf-Bohrgetriebe – oben: System Liebherr vdW – (vor der Wand) Bohrverfahren [Liebherr/BVV] – unten: Doppel-Bohrgetriebe System [Klemm]
O Bohrungen in der Bautechnik
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Für das sogenannte ,,Vor-der-Wand-Verfahren VdW‘‘ werden vornehmlich Kraftdrehköpfe mit Doppelgetriebe eingesetzt. Grundsätzlich können auch KDK mit Durchgang verwendet werden, die jedoch einschließlich des Mastrollenkopfes so konstruiert sein müssen, dass keine Teile nennenswert über den Außendurchmesser des Bohrrohrs hinausstehen. Bei der Doppelkopfbohreinrichtung (Abb. O-29) besteht der untere Antrieb aus einem Bohrgetriebe mit Durchgang und dient der kontinuierlichen Einbringung der Verrohrung. Der obere Antrieb ist ein geschlossener KDK, der die Bohrschnecke antreibt. Unterhalb des unteren Bohrgetriebes befindet sich die Auswurföffnung für das geförderte Bohrgut. Beide Getriebe arbeiten entgegengesetzt. Die Hauptdrehrichtung für den oberen Antrieb (Schnecke) ist rechts und für den unteren Antrieb (Bohrrohr) links. Der obere Antrieb ist gegen den unteren Antrieb je nach System um etwa 40 cm verschiebbar. Bei nicht gekoppelten Systemen sind der obere und untere Antrieb nicht auf einem Führungsschlitten befestigt. Die Getriebe können hierbei beliebig weit gegeneinander verschoben werden. Bohrantriebssysteme In Anlehnung an die Klassifizierung der Fa. Bauer können die zurzeit eingesetzten Bohrantriebe in folgenden drei Gruppen zusammengefasst werden: • Kraftdrehköpfe für Kleinbohrgeräte • Kraftdrehköpfe für Großbohrgeräte • Doppelkopfbohrantriebe Die Einteilung ist frei gewählt und dient nur der Übersichtlichkeit. Bei den jeweiligen Bohrgeräten sind die Kenndaten der Kraftdrehköpfe angegeben. Tab. 3-O: Kenndaten der Kraftdrehköpfe Kraftdrehköpfe für Kleinlochbohrgeräte Drehmoment Drehzahl kNm U/min bis 10 bis 180 bis 12 bis 120 bis 20 bis 50
Betriebsdruck bar bis 220 bis 250 bis 300
Gewicht kg bis 250 bis 350 bis 800
Drehzahl U/min 0 bis 120 0 bis 60 0 bis 40
Betriebsdruck bar 300 bis 320 300 bis 330 300 bis 350
Gewicht kg 2000 bis 3000 4000 bis 5000 7000 bis 8000
Drehzahl U/min 0 bis 80 0 bis 60 0 bis 30
Betriebsdruck bar 300 bis 330 300 bis 330 300 bis 330
Gewicht kg etwa 2500 etwa 4000 etwa 5000
Kraftdrehköpfe für Großbohrgeräte Drehmoment kNm 90 bis 150 160 bis 250 260 bis 500 Doppelkopf-Bohrantriebe Drehmoment kNm 25 bis 30 35 bis 70 80 bis 160
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Kontroll- und Überwachungseinrichtungen Zur Kontrolle der Mastneigungen verfügen alle Geräte über Neigungsmessgeräte und teilweise auch über Konstanthalteeinrichtungen der eingestellten Werte. Ferner gehören Tiefenmesseinrichtungen üblicherweise zur Standardausrüstung (Abb. L-32). Der Geräteführer kann dadurch wesentlich entlastet werden. Durch elektronische Bohrdatenerfassungsgeräte sind inzwischen alle wesentlichen Vorgänge bei der Bohrpfahlherstellung sowie anderen Spezialtiefbohrarbeiten (einschließlich der Gerätefunktionen und des Gerätezustandes) automatisierbar, erfassbar und visualisierbar. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Funktionen: • Wartungszustand des Trägergerätes • alle wesentlichen Arbeitsfunktionen • automatisches Aufrichten und Ablegen des Mastes • Kontrolle der vertikalen Maststellung bzw. der erforderlichen Neigung und der Bohrtiefe • Konstanthalteeinrichtung der Masteinstellung • bei Endlosschnecken-Bohrungen Überwachung und Aufzeichnung von Druck, Drehmoment, Betonmenge, Bohrtiefe, Vorschubkraft und Drehzahl • Vorgabemöglichkeit der genannten Bohrparameter
Abb. O-30: Mess- und Kontrolleinrichtungen in Drehbohrgeräten links: Neigungsanzeige – rechts: Tiefenanzeige
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Bei der Einbringung von Bohrpfählen im Endlosschnecken-Bohrverfahren wird die Überwachung und Aufzeichnung der zuvor genannten Parameter schon überwiegend vom Auftraggeber vorgeschrieben. Die Aufzeichnungen gehören bereits zu den vorgeschriebenen Aufmaßunterlagen. Sogenannte LOG-Systeme (Abb. O-31) wurden auch für alle üblichen Einpress- und Injektionsarbeiten entwickelt. Damit können bei einem Schneckenbohrpfahl die Parameter Pfahldurchmesser, Betonmenge, Vorschub, Druck und Länge auf einer Memory-Card vorgegeben und in das Feld- bzw. Bordgerät eingespeist wer Bei Vorgabe des Druckes wird der Vorschub automatisch betätigt, wenn der vorgegebene Druck erreicht ist. Ist der Durchmesser als Vorgabe gewählt worden, so wird der Vorschub erst getätigt, wenn, unabhängig vom Druck, der eingestellte Durchmesser erreicht wird. Der Bohrvorgang wird automatisch bei Erreichen der gewählten Bohrtiefe abgebrochen. Der Programmablauf kann an einem robusten Kleinbildschirm vom Fahrer überwacht werden. Bei Bedarf ist auch ein manueller Eingriff in die Voreinstellung möglich.
O Bohrungen in der Bautechnik
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Abb. O-31: Bohrdatenerfassungseinrichtung (LOG-System) [V]
Die auf der Memory-Card dokumentierten Daten werden im Baubüro oder im Betrieb ausgewertet, ausgedruckt und als Aufmaß verwendet. Weitere Hinweise zur Bohrdatenerfassung siehe PDE-Prozessdatenerfassung bei LiebherrBohrgeräten. Bei allen Vorteilen der elektronischen Überwachung und hochgradig elektrohydraulischer Ausstattung, muss auch auf die Nachteile hingewiesen werden. Der Fahrer steht sehr oft hilflos vor den umfangreichen Elektronik-Schaltkästen. Ohne Kundendienstmonteur ist der Fehler meistens nicht zu beheben. Ein guter und schneller Kundendienst ist daher beim Betrieb dieser Geräte unabdingbar notwendig, worauf beim Kauf zu achten ist.
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Hauptbaugruppen eines Großdrehbohrgerätes System Wirth Typ ECO 40
1 Trägergerät
5 Vorschubzylinder
2 Einrichtekinematik
6 KDK- Schlitten
3 Bohrmast
7 Kraftdrehkopf KDK
4 Mastkopf
8 Freifallwinde 1
9 Freifallwinde 2
13 Bohrwerkzeug
10 Maststützfuß
14 Rohrmitnehmer
11 Kellystange
15 Schneckenputzer
12 Mitnehmer zur Kellystange
16 Hilfswinde
O Abb. O-32: Hauptbaugruppen am Beispiel des Großdrehbohrgerätes Wirth ECO 40 [Wirth]
2.2.4.3 Großdrehbohrgeräte einiger Hersteller Die nachfolgende Betrachtung einiger Großbohrgeräte verschiedener Hersteller stellt keine Wertbeurteilung dar. Es werden nur die wesentlichen Merkmale dargestellt und einige Besonderheiten (z. B. Transportmöglichkeiten, Fahrwerkstechnik, Bedienungselemente usw.) hervorgehoben. Bei Erscheinen des Buches können durchaus verbesserte Systeme vorhanden sein, wobei aber kaum grundlegende Neuerungen zu erwarten sind.
O Bohrungen in der Bautechnik
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Großdrehbohrgerät System Wirth Typ ECOdrill 22
Trägergerät
Sennebogen
Motorleistung
220 kW /302 PS
20,50 m 72 kN
Drehzahl 1. / 2. / 3. Gang Zylindervorschub Seilvorschub
8 / 30 / 68 6,80 m 13,45 m
420 kN 65 t
Windenkraft 1 / 2 Seilgeschwindigkeit.
180 / 72 kN 60 / 72 m /min
Ausschwenkbare Fahrerkabine
Transport in Einsatzausrüstung ohne Bohrwerkzeug
SR 35 W/2
KDK Drehmoment 1./2./ 3. Gang Masthöhe zul. Hakenlast am Ausleger zul. Hakenlast am KDK Transportgewicht Einsatzgewicht ca. Besondere Merkmale
Abb. O-33:
220/184/55 kNm
70 t
Verschiebbares Kontergewicht
Drehbohrgerät Wirth ECOdrill 22 mit Systemmaßen Quelle: Wirth Maschinen- und Bohrgeräte-Fabrik GmbH, 41806 Erkelenz
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Großbohrgerät System Bauer Typ B G 24
Abb. O-34: Bauer Typ BG 24 H mit Datentabelle
O Trägergerät KDK Drehmoment
Bauer BT 75
Motorleistung
287 kW
222 kNm
Drehzahl
8 / 30 / 68
Fahrwerks-Länge Masthöhe zul. Hakenlast am Transportgewicht Einsatzgewicht ca.
5,50 m 21,87 m 420 kN 70 t 82 t
Fahrwerksbreite Seilvorschub Windenkraft 1/2/3 max. Bohr-Ø max. Bohrtiefe
3,00/4,40 m 15,40 m 330/250/100 kN 1700 mm 58 m
O Bohrungen in der Bautechnik
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Großbohrgerät System Bauer Typ BG 40
Abb. O-35a: Großdrehbohrgerät Bauer Typ BG 40 mit Datentabelle
Trägergerät KDK Drehmoment
Bauer BS 100
Motorleistung
433 kW
390 kNm
Drehzahl
62 U/min
Fahrwerks-Länge Masthöhe zul. Hakenlast am Transportgewicht Einsatzgewicht ca. Besondere Merkmale
6,00 m 27,00 m 460 kN 70 t 140 t Transportgewicht einschl. Kontergewicht
Fahrwerksbreite Seilvorschub Windenkraft 1/2/3 max. Bohr-Ø max. Bohrtiefe
3,70 / 5,00 m 19,70 m 460/384/162 kN 3000 mm 81 m Transport ohne KDK, Kelly u. Bohrwerkzeug
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Großbohrgerät System Bauer Typ BG 50 – Messeneuheit BAUMA 2010
Abb. O-35b: Großbohrgerät Bauer BG 50 (unten Datentabelle)
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Trägergerät KDK Drehmoment
Bauer BT 180 468 kNm
Motorleistung
709 kW
Drehzahl
1800 U/min
Fahrwerks-Länge Masthöhe Vorschub Druck/Zug Transportgewicht Einsatzgewicht ca. Dieseltank Hydrauliköltank
7,14 m 38,50 m 600/600 kN 70 t 270 t 1200 l 1500 l
Fahrwerksbreite Seilvorschub Windenkräfte 1/2 max. Bohr-Ø max. Bohrtiefe Raupenträger abnehmbar
4,60 / 5,70 m 19,70 m 600/170 kN 4400 mm 100 m Transport ohne KDK, Kelly u. Bohrwerkzeug
O Bohrungen in der Bautechnik
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Großdrehbohrgerät System Liebherr Typ LB 36
PDE – Prozessdatenerfassung Näheres nächste Seite
Abb. O-36: Großdrehbohrgerät Liebherr Typ LB 36 Litronic© mit Datentabelle Motor Kellywinde Hilfswinde Vorschubwinde Drehmoment KDK Drehzahl Drehmoment KDK Drehzahl Gesamthöhe Bodenplatten
Liebherr D 846 L A7 300 kN 100 kN 400 kN 366 kNm (1. Gang) 24 U/min 183 kNm (2. Gang) 48 U/min 26,20 m 900 – 1000 mm
Leistung Seilgeschwindigkeit Seilgeschwindigkeit Seilgeschwindigkeit Fahrweg Bohr. Ø unverrohrt verroht Bohrtiefe Transportbreite Breite ausgefahren
350 kW 0 - 71 m/min 0 – 89 m/min 0 – 74 m/min 18,5 m 2300 mm 2000 mm 58 m 3600 mm 5150 mm
2.2.4.1 PDE – Prozessdatenerfassung Die Liebherr Bohrgeräte können für alle Dreh-Bohrverfahren mit einer ProzessDatenErfassungs-Einrichtung PDE ausgerüstet werden. Folgende Messungen, Aufzeichnungen, Anzeigen und Daten liefert die PDE:
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2 Geräte
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Abb. O-37: Darstellung des PDE-Prozessdatenerfassung
Messungen Die Messungen erfolgen permanent während des Arbeitsvorganges. Es ist keine spezielle Messfahrt notwendig. Auch externe Sensoren können an das System angeschlossen werden. Anzeige der Messdaten Die gemessenen Daten, die für den Arbeitsgang wichtig sind, werden am Monitor in der Kabine angezeigt. Der Fahrer ist damit in der Lage, den Vorgang zu kontrollieren und gegebenenfalls zu korrigieren.
O Bohrungen in der Bautechnik
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Arbeitsunterbrechung Der Arbeitsvorgang und die Messungen können jederzeit unterbrochen werden. Die Messungen werdenden beim nächsten Arbeitsbeginn automatisch fortgesetzt. Speicherung von Mess- und Maschinendaten Alle Daten werden auf einer Speicherkarte aufgezeichnet. Diese kann mit einem PC ausgelesen werden. Damit ist eine Auswertung der Daten auch noch zu einem späteren Zeitpunkt möglich z. B. für Belege für den Auftraggeber, Ermittlung der Tagesleistungen, Stillstandszeiten usw., Aussagen über die Bodenbeschaffenheit Ausdrucken der Daten Nach jedem Arbeitsgang kann vom Drucker in der Kabine ein Protokoll ausgedruckt werden. Datenübertragung An die PDE kann ein GSM-Modem angeschlossen werden und somit eine Fernübertragung ermöglichen. Die Auswertung und Visualisierung durch Prozessdatenreporting (PDR) Die Liebherr-Software für das Prozessdatenreporting ermöglicht die Weiterverarbeitung der Daten am PC. Sie werden dort direkt gespeichert, sortiert und visualisiert. Kundenspezifische Auswertungen lassen sich damit einfach und schnell erstellen.
2.3 Spülbohrgeräte 2.3.1 Allgemeines Von einigen Ausnahmen abgesehen, werden Spülbohrgeräte in der Pfahlgründung stets in Verbindung mit konventionellen Bohrsystemen (Drehbohr- und Schlagbohrverfahren) eingesetzt. Angewendet wird das Spülbohrverfahren dort, wo unter besonders schwierigen Bodenverhältnissen große Teufen und Pfahldurchmesser auszuführen sind. Verwendet werden in der Regel sogenannte Aufsetzbohranlagen. Dabei erfolgt das Abbohren im allgemeinen zunächst im Schlagbohrverfahren (seltener im Drehbohrverfahren) unter Einsatz schwerer Verrohrungsmaschinen, HW-Schwingen, schweren Rammen oder Vibratoren, um die gut bohrbaren Bodenschichten wirtschaftlich zu durchfahren und dann ein Standrohr zu setzen. Auf dieses Standrohr wird dann die Spülbohreinrichtung aufgesetzt. Gebohrt wird mit verschiedenen Verfahren und Werkzeugen.
2.3.2 Spülbohranlagen Die Fa. Wirth, Erkelenz, ist einer der führenden Gerätehersteller für Spülbohranlagen. Die Abb.O-38 zeigt eine solche Anlage auf einer Baustelle in Hongkong. Im Zuge der Verkehrsanbindung des neuen Großflughafens waren zeitweise bis zu 22 solcher Anlagen im Einsatz. Hergestellt wurden Bohrpfähle mit einer Pfahllänge bis zu 80 m bei Pfahldurchmessern bis 2,5 m. Technisch ausführbar sind mit diesen oder vergleichbaren Anlagen Teufen bis 250 m bei Durchmessern bis 4 m und mehr. Die Geräte sind mit einem Doppelmast ausgerüstet. Die mögliche Mastneigung ist mit dem Hersteller abzustimmen. Einsatzbereiche der Pfahlbohranlagen sind: • Pfahlgründungsarbeiten mit großen Durchmessern und Teufen • Befestigungsbohrungen von Bohrplattformen
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2 Geräte
• Fundamentbohrungen für Brückenpfeiler, Hafen- und Kaianlagen • Bohrungen für Ankerpfähle • Anker- und Schutzwandbohrungen für Trockendocks • Bohrungen für Pfahlwände als Fundament großer Gebäude Im Vergleich zu Trockendrehbohranlagen ist das erforderliche Drehmoment und die benötigte Antriebsleistung wesentlich geringer. Der angegebene Leistungsbedarf bezieht sich dabei jedoch nur auf die Bohranlage. Zusätzliche Antriebsleistungen (die zum Teil sehr hoch sein können) werden bei Bohrarbeiten an Land für zusätzliche Pumpanlagen benötigt.
Abb. O-38: Wirth-Spülbohranlage bei der Herstellung von Bohrpfählen auf einer Baustelle in Hongkong Tab. 4-O: Datentabelle der Wirth-Spülbohranlagen
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Gerätetyp Hydraulik-Aggregat Motorleistung Gestängelänge Bohr- Hydraulische Vorschubeinrichtung Hublänge Hubkraft Andruck Kraftdrehkopf Drehmoment Drehzahl
PBA-408
PBA-612 PBA-818 PBA821
PBA1033
PBA 1038
150 3000/6000 1200
150 3000 1900
224 3000 2400
224 3000 2900
2x224 3000 3500
2x224 3000 4000
kW mm mm
3500 600 400
3500 650 550
3500 1000 800
3500 1100 800
3600 2400 1200
3600 2400 1200
mm mm kN
80 44
120 60
180 64
210 64
330 25
380 22
kNm min-1
2.4 Verrohrungseinrichtungen 2.4.1 Allgemeines Der eigentliche Aufschwung in der Bohrpfahlherstellung (insbesondere bei Durchmessern über 30 cm) begann mit der technischen Beherrschung der Mitnahme einer Verrohrung. Die ersten Anfänge gehen auf das Jahr 1920 zurück, als die Versuche mit der Benoto-Bohranlage begannen. Das erste serienreife und leistungsfähige Gerät kam 1955 in Verbindung mit dem Bohrgreifer (sog. Hammergrab) zum Einsatz. Neben dieser Kompaktanlage wurden bald hydraulische Verrohrungsgeräte entwickelt, die in Verbindung mit Seilbaggern und später auch Drehbohrgeräten eingesetzt werden konnten. Die starken Kraftdrehköpfe machten schließlich die Primärverrohrung über den KDK möglich. Ein spezielles Verrohrungssystem stellt die Drehschwinge nach dem Verfahren Hochstrasser und Weise (HW-Verfahren) dar. Unterscheiden kann man folgende Verrohrungssysteme: • statische Auflast • hydraulische Verrohrungsmaschinen – oszillierend – (externe Verrohrung) • hydraulische Verrohrungsmaschinen – durchdrehend – (externe Verrohrung) • Verrohrung über den Kraftdrehkopf (Primärverrohrung) • HW-Verfahren (pneumatisches Verfahren) • Vibrationsverfahren
2.4.2 Statische Auflast Die statische Auflast stellt die einfachste Möglichkeit der Verrohrung dar. Mit dieser Methode lässt sich allerdings die Forderung der DIN 4014 nach einem ausreichenden Voreilen der Bohrrohre nur bei sehr locker gelagerten oder weichen Böden gewährleisten. Verwendet werden hierzu Gewichte aus Beton, Stahlbehälter mit Kernschrott oder auch mit Blei gefüllt sowie gelegentlich auch einfache Wasserbehälter. Als Rohre kommen Nietbohrrohre (bekannt aus dem Brunnenbau) oder dünnwandige Schweißrohre zum Einsatz. Das Verfahren kommt heute nur noch in Ausnahmefällen zur Anwendung.
Abb. O-39: Verrohrung mit statischer Auflast
O Bohrungen in der Bautechnik
798
2.4.3 Hydraulische Verrohrungsmaschinen – oszillierend Die Herstellung von Bohrpfählen mit großen Durchmessern ist heute ohne Einsatz von hydraulischen Verrohrungsmaschinen kaum noch vorstellbar. Da bei der Oszillation der Reibungswiderstand am Rohrumfang erheblich abgebaut wird, sind große Teufen bei Durchmessern bis 3,80 m mit vertretbarem Geräteeinsatz möglich. Die Maschinen bestehen aus dem Grundrahmen, einer hydraulischen Rohrschelle mit Spannzylinder, zwei Hydraulikzylindern für die Auf- und Abwärtsbewegung sowie zwei Hydraulikzylindern für die Oszillation. Ferner ist die Ausrüstung mit einer zusätzlichen oberen Rohrführung möglich. Die Vertikalzylinder sind beweglich gelagert, sodass bei der Oszillation auch Vorschub bzw. Rückzug ausgeübt werden kann. Im Normalfall sind die Geräte am Bohrbagger zur Aufnahme der Reaktionskräfte befestigt. Durch Einrammen von Stahlträgern o. ä. ist ausnahmsweise auch eine vom Seilbagger getrennte Aufstellung möglich. Bei kurzen Bohrungen kann gegebenenfalls schon die Eigenlast zur Aufnahme der Reaktionskräfte genügen.
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Abb. O-40: Systemdarstellung mit Hauptbaugruppen einer hydraulischen Verrohrungsmaschine (oszillierend) für den Seilbaggeranbau
O Bohrungen in der Bautechnik
799
Tafel 4-O: Systemdaten hydraulischer Verrohrungseinrichtungen (oszillierend) lange Version für Seilbaggeranbau System Leffer Typ VRM L max. Rohr-0 Breite der Maschine Länge der Maschine Höhe der Maschine
A B C L M G
1300 1300 2350 6500 1800 2820 1300
1500 1500 2850 6500 1850 3220 1600
2000 2000 3200 7500 1950 3220 1300
2200 2000 3400 7500 2050 3220 1300
2500 2200 4000 8800 2580 –
2800 2800 4300 9100 258 –
3000 3000 4500 9140 261 –
mm mm mm mm mm mm
Verschiebeweg – – – Neigung nach vorne/hinten 6/8 6/8 6/8 6/8 – – ° Gewicht 12 17 25 27 40 48 52 t Hub 600 600 600 600 650 650 650 mm Hubkraft 1530 2050 2650 2650 5150 5150 7250 kN Spannkraft 1320 1660 2170 2170 3780 3780 4780 kN Drehmoment 1660 2900 4110 4520 7070 8000 8350 kNm Rohrdrehung 284 327 436 400 546 538 550 mm erforderliche Ölmenge 200 330 330 330 390 416 552 1/min erforderliche Motorleistung 145 145 302 235 235 300 350 PS Reduzierung bis 800 900 1300 1500 1800 2000 2000 mm Anmerkung: Durch entsprechende Reduziereinsätze ist jeder beliebige Rohrdurchmesser möglich.
Durch Verspannen der Rohrschelle kann der gesamte Rahmen hochgezogen und als Auflast benutzt werden. Der hydraulische Antrieb wird bei modernen und starken Seilbaggern mit entsprechender hydraulischer Leistung über die Bordhydraulik vorgenommen, was Umsetzung und Handhabung der gesamten Bohreinrichtung sehr vereinfacht. Vielfach werden aber für große Durchmesser auch externe Hydraulik-Aggregate eingesetzt. Die Ansteuerung des Gerätes kann über eine Fernsteuerung oder von der Fahrerkabine aus erfolgen, wobei der Oszilliervorgang automatisch abläuft. Insbesondere bei Neigungspfählen ist eine zusätzliche Führung üblich. Die neuesten Typen der Leffer-Verrohrungsmaschinen haben folgende Haupt-Kenndaten: Typ VRM
Rohr
Hub mm
Hubkraft kN
Drehmoment kNm
Breite mm Länge mm Gewicht t
3300
3300
650
9000
13000
4880
10470
68
3800
3800
650
9550
15800
5500
15800
77
Die Fa. Nordmeyer stellt ein sogenanntes Kompaktgerät (Abb. O-42) her, bei dem Motor und Hydraulik-Aggregat auf dem Grundrahmen montiert sind. Dieses Gerät ist besonders interessant für Geräteträger, die nicht über die entsprechende Bordhydraulik verfügen. Das Gewicht der aufgesetzten Komponenten kann gleichzeitig für die Auflast beim Niederbringen der Rohre genutzt werden, da die Maschine ansonsten verhältnismäßig leicht gehalten ist. Standardmäßig beträgt der maximale Rohrdurchmesser 1080 mm, er kann jedoch, wenn der Anwender es wünscht, auf 1200 mm erweitert werden. Reduziereinsätze bis zu einem Durchmesser von 600 mm sind möglich.
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800
Zwei Typen sind derzeit einsetzbar und zwar die • VSM 7700 für Durchmesser bis 770 mm • V SM 9600 für Durchmesser bis 960 mm Bisher wurden Tiefen bis 12,00 m erreicht.
Abb. O-41: Sennebogen-Raupenseilbagger Typ 630 mit Bohrgreifer und einer Verrohrungsmaschine System Leffer mit zusätzlichen Belastungsgewichten bei der Herstellung einer Brunnenbohrung Durchmesser von 120 cm.
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Abb. O-42: Nordmeyer-Kompakt-Verrohrungsmaschinen Typ HV 1080
O Bohrungen in der Bautechnik
801
Abb. O-43: Verrohrungsmaschine (oszillierend), lange Version System Bauer für Seilbaggeranbau Tafel 5-O: Systemdaten hydraulischer Verrohrungseinrichtungen (oszillierend), lange Version für Seilbaggeranbau System Bauer Typ BV HDR max. Rohr-Ø Breite der Maschine Länge der Maschine Höhe der Maschine (ohne ob. Führung) Neigung nach vorne Neigung nach hinten Hub Hubkraft Spannkraft Drehmoment Rohrdrehung Betriebsdruck Gewicht o. ob. Rohrführung Reduzierung bis
1500 1500 2800 6525 1940 6 8 600 2050 1660 3000 327 270 21,5 1200
2000 2000 3200 7960 2070 6 8 600 3100 3570 3920 440 315 30,5 1500
2500 2500 4000 9055 2580 6 8 650 5080 4800 6100 524 315 42,5 1800
mm mm mm mm ° ° mm kN kN kNm mm bar t mm
Bei tiefen Bohrungen und großen Durchmessern sowie bei Böden, die besonders hohe Anforderungen an die Verrohrung stellen, ist auch bei Drehbohrgeräten eine externe Verrohrung mit hierfür speziell konstruierten kurzen Verrohrungsmaschinen erforderlich. Um die Einbaulängen der Verrohrung nicht zu stark einzuschränken, wird keine obere Rohrführung verwendet und die Maschine sehr niedrig gehalten. Bedingt durch den geringen Abstand zwischen Bohrgerät und Bohrachse sind die Oszillierzylinder sehr kurz. Die Funktionen entsprechen jedoch den Verrohrungsmaschinen für das schlagende Bohren. Die Drehbohrgeräte verfügen ebenso über die nötigen mechanischen und hydraulischen Anschlussvorrichtungen. Je nach Bohrgerät und Fahrwerk der Trägergeräte sind unterschiedliche Anlenksysteme möglich. Der Baggerführer kann die Bedienung der Verrohrungsmaschine von der Fahrerkabine aus vornehmen. Auch Fernbedienung ist möglich. Die hydraulische Versorgung erfolgt über die Bordhydraulik.
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802
Abb. O-44: Bauer Spezialausrüstung für geringe Arbeitshöhe mit Bauer-Verrohrungsmaschine
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Abb. O-45: Anlenkungssystem
O Bohrungen in der Bautechnik
803
Tafel 6-O: Wesentliche Kenndaten Verrohrungsmaschinen kurze Bauart System max. Rohr- Drehmoment Hub Hubkraft Gewicht Länge /Breite C/B
Leffer VRM-KL 1000 - 2500 1250 -16201 400 - 450 1070 - 3000 7 -25 2700 - 4000
(5 Typ) Bauer BV 1180 - 2000 1000 -2780 450 - 600 1380 - 2280 7,5 – 18,6 2010 - 4655
(6 Typen) mm kNm mm kN t mm
Abb. O-46: Hydraulische Verrohrungsmaschine System Leffer Typ VRM K (kurz)
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Abb. O-47: Liebherr Drehbohrgeräte LB 36 jeweils mit Bauer VRM Typ BV K (kurz))
804
2.4.4 Hydraulische Verrohrungsmaschinen – durchdrehend Ein Verrohrungssystem, das sich in den letzten Jahren im Bereich Aufschlussbohrungen bis zu einem Rohrdurchmesser von 420 mm erfolgreich durchgesetzt hat, ist das Verfahren des kontinuierlichen Rotierens mit Andruck bzw. Zugkraft. Leffer – Saarbrücken hat dieses System nun auch für Rohrdurchmesser bis zu 3000 mm weiterentwickelt. Bei der kontinuierlichen Rohrbewegung wird die Reibung noch stärker reduziert als bei der Oszillation. Die hydraulischen, kontinuierlich drehenden Verrohrungsmaschinen werden wirtschaftlich eingesetzt zum Abteufen von verrohrten Bohrungen mit einem großen Anteil an schweren Böden, die fräsend zu bearbeiten sind, um einen den heutigen Anforderungen entsprechenden Bohrfortschritt zu erzielen. Bei entsprechender Schneidenausrüstung ist ein wirtschaftlicher Bohrfortschritt noch bei einer Gesteinsdruckfestigkeit von bis zu 2500 kg/cm2 möglich. Beim Einsatz dieser Maschinen sind Bohrungen mit großen Durchmessern bis zu Tiefen von 70 m möglich. Fa. Leffer hat zwei Systeme entwickelt und zwar: • am Grundgerät angeflanscht wie bei den oszillierenden Maschinen, • selbstfahrend mit Raupenfahrwerk und eigenem Aggregat. Das angeflanschte System erfordert eine hydraulische Versorgung über den Bagger, was eine sehr leistungsfähige Hydraulik und hohe Tragkraft des Baggers erfordert, da die Gewichte 32 – 97 t betragen. Das selbstfahrende System erleichtert das Umsetzen und ermöglicht schwere Maschinen für Bohrdurchmesser bis 3000 mm. Diese Geräte haben ein Gewicht bis zu 115 t. Durch das kontinuierlich drehende Vortreiben des Bohrrohrs mit starken Hydraulikmotoren wird die Gefahr des Verlaufens der Bohrungen beim Antreffen von Hindernissen ausgeschlossen. Darüber hinaus sind die Rohrdrehmaschinen sehr gut geeignet zum Herstellen von Vollverdrängungspfählen, da sehr hohe Torsions-, Druck- und Zugkräfte auf das Bohrrohr übertragen werden können, während bei den bekannten Drehbohranlagen aus statischen Gründen Grenzen gesetzt sind. Bei dem sehr hohen Gewicht der Maschinen (bis 115 t) sind allerdings entsprechend starke Trägergeräte bzw. Drehbohrgeräte für den Betrieb erforderlich. Der Einsatz wird sich daher insbesondere für sehr große Bohrtiefen bzw. besonders schwierige Bodenverhältnisse eignen.
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Das Problem hat die Fa. Leffer gelöst, indem sie die besonders schweren Geräte (z. B. 1500 mm) auf ein Raupenfahrwerk mit eigenem Aggregat gesetzt haben (s. Abb. O-46, 47, 48). Dieser Gerätetyp hat sich sehr bewährt.
O Bohrungen in der Bautechnik
805
Abb. O-46: Durchdrehende Verrohrungsmaschinen System Leffer selbstfahrende Ausführung: links unten – am Bagger angeflanscht: links oben rechts: durchdrehende Verrohrungsmaschine für kleinere Durchmesser bis 1500 mm System Bauer an einem Drehbohrgerät.
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Abb. O-47: Durchdrehende Verrohrungsmaschine System Leffer Typ VRM 3000 für einen Bohrdurchmesser von 2000 mm im Einsatz –Trägergerät Liebherr Typ HS 895 HD
806
Tafel 7-O: Technische Daten von durchdrehenden (rotierenden) Verrohrungsmaschinen Systeme Leffer Fabrikat Leffer
Rohr-0 von – bis A mm VRM 1500 800-1500 VRM 2000 1200-2000 VRM 2500 1500-2500 VRM 3000 2000-3000 Hinweise zu Tafel 7-O:
Antriebsleistung kW 220 220 338 485
Länge L mm
Breite Höhe DrehB H moment mm mm kNm
Hub mm
4150 6100 6200 6500
3100 3500 4300 4600
600 600 600 600
2320 2695 2695 2695
2300 2900 4700 7400
Hub- Gew. kraft RDM/ kN RDM-M t 1890 32/44 2400 42/65 3750 68/97 4560 80/115
Die durchdrehenden bzw. rotierenden Verrohrungsmaschinen der Fa. Leffer werden auch als selbstfahrende Versionen mit eigenem Aggregat (Typ RDM-M) hergestellt Die Systemdaten sind bis auf das Einsatzgewicht gleich. Die Drehgeschwindigkeiten betragen 1,1 bis 0,9 U/min. Ein Nachteil dieser Maschinen besteht allerdings in der sehr hohen Eigenlast. Von der Firma Leffer wurde daher die schon erwähnte Variante auf einem eigenem Fahrwerk mit Aggregat entwickelt. Der Antrieb aller hydraulischen Verrohrungsmaschinen kann sowohl über ein externes Aggregat als auch über das Trägergerät erfolgen. Bei sehr schweren Verrohrungsmaschinen (ab etwa einem Durchmesser B 1500 mm) sind für den Antrieb über die Bordhydraulik jedoch Grenzen gesetzt oder das Trägergerät muss unverhältnismäßig stark ausgelegt werden.
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Abb. O-48: Durchdrehenden Verrohrungsmaschine System Leffer Typ RDM für Rohrdurchmesser bis 3000 mm auf Raupenfahrwerk mit Aggregat.
2.4.5 Verrohrung über den Kraftdrehkopf (Primärverrohrung) Der besondere Vorteil der Drehbohrgeräte mit geführten Kraftdrehköpfen liegt in der Möglichkeit der Primärverrohrung. Hierbei wird über einen Rohrmitnehmer (Drehteller), der mit dem KDK verbunden ist, das Rohr beim Verrohren gedreht und vertikal beaufschlagt. Dies ergibt eine wesentlich höhere Bohrleistung und erlaubt einen erheblich geringeren Aufwand beim Umsetzen des Gerätes. Die mit sehr hohen Drehmomenten ausgestatteten Kraftdrehköpfe erlauben es heute, Bohrrohre bis zu einem Durchmesser von 250 cm ohne Zuhilfenahme von externen Verrohrungsma-
O Bohrungen in der Bautechnik
807
schinen in den Boden einzudrehen und wieder zu ziehen. Der sogenannte Verrohrungsteller oder besser bezeichnet als Rohrmitnehmer, stellt das Bindeglied zwischen Bohrgetriebe (KDK) und Bohrrohr dar. Die Rohrmitnehmer müssen genau auf das Rohrsystem und den Rohrdurchmesser abgestimmt sein. Je nach KDK erfolgt der Anbau direkt oder über ein Kardangelenk. Die Bolzenverbindung zum Rohr kann auf drei Arten erfolgen: • mechanisch mit dem Schraubwerkzeug durch einen Helfer vor dem Bohrgerät • teilmechanisch mittels eines Kurbelantriebs; dabei entfällt das Hochsteigen am Mast • automatisch mittels hydraulischer Verriegelung von der Fahrerkabine aus Die möglichen Verrohrungslängen sind stark vom Boden abhängig, so dass verbindliche Werte nicht angegeben werden können. Erfahrungen zeigen jedoch, dass Bohrungen bis zu einem Durchmesser von 90 cm, in mitteldicht gelagerten oder steifen Böden, bei einem Drehmoment von 150 kNm primär bis zu einer Teufe von etwa 20 m verrohrt werden können, bei sehr günstigen Bodenverhältnissen durchaus bis 30 m. Bei den meisten Kraftdrehköpfen kann das Drehmoment zur Verrohrung kurzfristig erhöht werden. Vielfach muss man beobachten, dass das Eindrehen der Bohrrohre ohne Verriegelung des Rohrmitnehmers mit dem Bohrrohr erfolgt. Wenn dabei der Rohrmitnehmer nicht konstant auf dem Rohr gehalten wird, was nicht gewährleistet werden kann, rutscht der Mitnehmer über die Mitnehmerstege am Bohrrohr. Dabei entstehen z. T. starke Schäden an den Rohrverbindungen. Es ist daher dringend zu empfehlen, nicht ohne die Rohrverriegelung zu arbeiten, um gegebenenfalls hohe Reparaturkosten zu vermeiden.
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Abb. O-48:
Rohrmitnehmersysteme (Druckrohre)
808
Abb. O-49: Automatisches Druckrohrsystem der Fa. ABF - zur Verwendung mit einwandigen Bohrrohren Ø 620 - 1200 mm
Bei dem automatischen Druckrohr handelt es sich um eine Neuentwicklung der Fa. ABF Bohrtechnik. Dieses ersetzt das manuelle Ankoppeln von Bohrrohren. Die Rohre sind einwandig mit Inspektionsöffnungen. Der ABF-Pneumat ist ein autarkes System und ist daher bequem per Fernbedienung zu ver-/entriegeln. Zusätzliche Sicherheit bietet die optische und akustische Kontrolle. Das Europäische Patent-Nr. 1624151 wurde hierfür im August 2007 vergeben.
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Abb. O-50: Rohrmitnehmer (Drehteller) im praktischen Einsatz - links: Drehbohrgerät Wirth ECOdrill 18 beim Verrohren mit einem Drehteller Ø 2000 mm- Mitte: Automatischer Verrohrungsteller System Bauer - rechts: Drehbohrgerät Bauer BG 30 beim Verrohren mit einem Drehteller Ø 1800 mm
O Bohrungen in der Bautechnik
809
2.4.6 HW-Verfahren (pneumatisches System) Ein besonderes Verfahren für das Einbringen der Verrohrung stellt das HW-Verfahren dar, welches auf einer Erfindung der Ingenieure Hochstrasser und Weise beruht. Eine auf das Bohrrohr aufgesetzte Schwinge wird mit Druckluft angetrieben und in Hin- und Herbewegungen versetzt. Über Anschlagnocken werden die Drehimpulse der Schwinge auf das Rohr übertragen (Abb. O-51). Die Auflast besteht aus dem Gewicht der Schwinge und einem dickwandigen Rohr, das nach Möglichkeit in voller Länge eingebaut wird. Bohrdurchmesser bis 250 cm sind möglich und auch schon ausgeführt worden.
Abb. O-51: HW-Schwinge (Systemschema)
Durch die oszillierende Bewegung wird die Mantelreibung erheblich herabgesetzt. Die Reibung der Ruhe geht in eine geringere Gleitreibung über. Ferner sind keine Festpunkte zur Aufnahme von Reaktionskräften nötig, damit kann der Bohrbagger völlig getrennt vom Bohrrohr aufgestellt sein. Aus diesem Grunde kann das Verfahren insbesondere bei Bohrungen in Böschungen eingesetzt werden. Der Hersteller des Gerätes ist Hans Leffer, Stahl- und Gerätebau GmbH in Saarbrücken.
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Abb. O-52: HW-Schwinge für Rohr-Ø bis 250 cm
810
2.4.7 Vibrationsverfahren Seitdem leistungsfähige Elektro- bzw. Hydraulik-Vibratoren im Einsatz sind, wurden diese Geräte auch zum Einbringen von Rohren mit sehr beachtlichen Durchmessern (Abb. L-59) verwendet. Überwiegend handelt es sich um Stahlrohrpfähle mit verbleibendem Rohr. Grundsätzlich kann das Verfahren aber auch für Bohrpfähle mit oder ohne Rückgewinnung des Mantelrohrs verwendet werden. Der Vorteil des Bohrpfahls – ein erschütterungsfreier Gebrauch – ist dann allerdings nicht mehr gewährleistet. Das Rohr muss in voller Länge angesetzt werden, da Schraub- oder Nippelverbindungen durch die Vibration zerstört oder nicht mehr lösbar sind. Gegebenenfalls ist eine Verlängerung im Schweißverfahren vorzunehmen. Für das Rammen von Rohren werden über eine Traverse 2 bis 4 hydraulische Klemmbacken angebracht. Kann das Rohr nicht in einer Länge eingebracht werden, so muss während des Rammvorgangs ausgebohrt werden. Dazu ist der Rüttler jeweils abzunehmen. Verlängerungen werden im Schweißverfahren vorgenommen werden. Die Rohrklemmzangen sind speziell konstruierte Klemmzangen zum Rammen und Ziehen von Stahlrohren. Führungsschienen dienen zur Aufnahme der Klemmzangen, die auf der Schiene beliebig verschoben und angepasst werden können. Die Klemmzangen nehmen die Rohre auf, die von den Klemmbacken über Hydraulikzylinder gehalten werden. Die Traverse dient zur Aufnahme der Führungsschienen.
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Abb. O-53: links: Schwere Vibrations-Ramme System MGF Typ RBZH 1575 B mit X-Traverse und 4 Rohrklemmen beim Einbringen von Stahlrohren Durchmesser 3,5 m für die Bohrpfahlherstellung - rechts: Rohrklemmzangen für Rohre.
O Bohrungen in der Bautechnik
811
Gürtel-Vibrationsrüttler Die Gürtel- oder Ringvibrationsrüttler (Abb. O-54) eignen sich zum Rammen, Ziehen und zur gleichzeitigen Betonverdichtung bei der Ortbetonpfahlherstellung. Die Rüttler werden mäklergeführt auf das Rammrohr aufgeschoben und mittels einer hydraulischen Spannvorrichtung vibrierfest an das Rohr geklemmt. Die Höhenposition am Rammrohr kann beliebig verändert werden. Diese Bauweise erweist sich als besonders wirtschaftlich beim Einrammen von Pfählen mit geschlossenem Rohr (Verdrängungspfähle) mit Pfahldurchmessern von 370 bis 760 mm. Bei diesem Einsatz kann über ein einziges Trägergerät das Rohr eingerammt, mit Beton ausgefüllt und wieder gezogen werden, ohne dass die Vibrationsramme abgebaut werden muss.
Abb.O-54: Gürtelvibrationsrüttler im praktischen Einsatz links: Gürtelrüttler mit Rohrdurchmesser 800 mm unten: Gürtelrüttler für Rohrdurchmesser 1500 mm
O
812
Der wesentliche Vorteil gegenüber Aufsatzrüttlern bei der Pfahlherstellung hat zur Entwicklung von Gürtel- oder Ringvibrationsrüttlern mit großen Durchmessern geführt (Abb. O-56). Mit einer hydraulischen Rohrschelle (wie auch bei Verrohrungsmaschinen) wird der Rüttler mit dem Rohr verbunden, und dem Bohrfortschritt entsprechend versetzt. So ist ein kontinuierliches Bohren und Verrohren bis zu einem Durchmesser von 1500 mm möglich. Der Einsatz erfordert allerdings entsprechend starke Rohrwandungen. Anwendung findet das Verfahren bei der Bohrpfahlherstellung im Greiferbohrverfahren und bei Drehbohrgeräten mit feststehendem Bohrantrieb (Drehtisch), da hier die freie Höhe für den Einsatz einer Verrohrungsmaschine in der Regel nicht ausreicht. Einsatzbeispiele zeigt Abb. O-54. Das System wurde inzwischen aber von den leistungsfähigen Drehbohrgeräten verdrängt und nicht weiterentwickelt, daher stehen auch keine Systemdaten mehr zur Verfügung.
2.5 Sondergeräte 2.5.1 Allgemeines
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Zu den Sondergeräten gehören Maschinen und Werkzeuge, die speziell für ein Bauvorhaben konstruiert werden, da die konventionellen Geräte baustellen- oder baugrundbedingt nicht eingesetzt werden können. Dabei kann es sich um völlige Neuentwicklungen oder um den Umbau vorhandener Geräte handeln (z. B. Sonderausführungen für Bohrplattformen). Diese Geräte können und sollen hier nicht besprochen werden. Daneben sind Baumaßnahmen abzuwickeln, die zwar selten auszuführen sind, jedoch nicht zu den einmaligen Projekten gehören, sodass eine Neuentwicklung oder Veränderung bestehender Systeme durchaus angebracht ist. Für die Gerätehersteller ergibt sich dabei die berechtigte Frage, ob die Entwicklungskosten gerechtfertigt sind und durch entsprechenden Umsatz gedeckt werden. Mit den so entwickelten Geräten muss sich daher eine wesentlich bessere Leistung, als mit den vorhandenen Maschinen unter erschwerten Bedingungen erzielen lassen, um sie für den Anwender interessant zu machen. Sehr oft kann aber ein zunächst für ein Einzelbauvorhaben entwickeltes Gerät die Grundlage für eine Serienanfertigung sein, da nur noch geringe Weiterentwicklungskosten anfallen. Zu den Projekten gehören zum Beispiel Bohrpfahlarbeiten ein beengten Baustellenverhältnissen, z. B. geringe Grundfläche oder Höhe (Bohrarbeiten unter Brücken oder in vorhandenen Gebäuden) oder der Einsatz bestimmter Werkzeuge (z. B. Hydraulikgreifer).
2.5.2 Bohrarbeiten bei geringer Arbeitshöhe Die Arbeiten kommen durchaus des Öfteren vor, sodass neben Eigenkonstruktionen der Anwender auch Spezialgeräte von den Geräteherstellern angeboten werden. Hierzu gehört ein Gerät der Firma Bauer, das eine Herstellung von Bohrpfählen unter Verwendung einer Verrohrungsmaschine im Greiferbohrverfahren bei einer freien Höhe von lediglich 6 m ermöglicht.
O Bohrungen in der Bautechnik
813
Abb.O-55: Spezialgerät für Bohrungen bei geringer Arbeitshöhe
2.6 Verrohrung 2.6.1 Allgemeines Obwohl die Bohrtechnik heute viele Möglichkeiten bietet, Bohrpfähle unverrohrt herzustellen und die DIN 4014 inzwischen diese Verfahren berücksichtigt (z. B. Bohren bei standfesten Böden, Bohren mit Stützflüssigkeit, Schneckenbohrpfähle ohne Bewehrung, Schneckenbohrpfähle mit nachtäglich eingebrachter Bewehrung usw.), wird der größte Teil der Bohrpfähle noch verrohrt hergestellt. Dies trifft insbesondere für Bohrpfähle mit großen Durchmessern zu. Als Rohrsystem haben sich die Schnellverschlussbohrrohre (Bezeichnung entsprechend BGL: Nippelbohrrohre) als übliches Verrohrungssystem durchgesetzt, für die sich ein gewisser Standard entwickelt hat. Daneben werden auch noch durchgehende Bohrrohre verwendet (z. B. für das Rüttelverfahren und das HW-Verfahren). Folgende Verrohrungssysteme werden eingesetzt: • Stahlrohre ohne Verbindungselemente • Nietbohrrohre • Bohrrohre mit Schraubverbindungen • Bohrrohre mit Bajonettverschluss • Bohrrohre mit Schnellverschlussverbindungen Zur Verrohrung gehören ferner: • Schneidschuhe • Schneidschuhbestückung • Bohrtrichter • Rohrgehänge
2.6.2 Bohrrohre ohne Verbindungselemente Für die Anwendung bei Bohrarbeiten mit Verrohrungsmaschinen sind diese Rohre ungeeignet, bei Einsatz von Vibratoren jedoch durchaus üblich. Die Rohre werden nach Möglichkeit in voller Länge eingesetzt oder durch Anschweißen verlängert. Verwendung finden dünnwandige Rohre (vorwiegend als verbleibende Verrohrung) bei Einsatz rein statischer Auflast oder bei Kleinbohrpfählen mit sehr leichten Verrohrungsmaschinen und als reine Schutzrohre bei der Befahrung von unverrohrt ausgeführten Bohrungen. Dickwandige Rohre kommen, bei der Verrohrung mit Vibratoren und dem HW-System zum Einsatz.
O
814
Die Durchmesser der dickwandigen Rohre entsprechen den üblichen Bohrdurchmessern, da die Entwürfe von Pfahlgründungen in der Regel von diesen Maßen ausgehen. Andere Durchmesser und Wandstärken sind möglich. Tafel 9-O: Standard-Rohrmaße Außen-Ø Wandstärke – dünnwandig Außen-Ø Wändstärke – dickwandig
508
610
711
813
1016 1220 1420 1620 1820 2020 mm
6
6
7
8
9
800
880
900
1000 1080 1200 1300 1500 1800 2000 mm
20
20
20
20
20
10
25
> 10
25
> 10
25
> 10
25
> 10
25
mm
mm
2.6.3 Nietbohrrohre (Brunnenrohre) Für kurze Pfähle und Bohrungen mit großen Durchmessern werden bei statischer Auflast gelegentlich noch Nietbohrrohre eingesetzt, die dann aber, soweit es geht, möglichst zusammengeschraubt bleiben. Die Rohre sind bei Brunnenbau-Unternehmen noch in größeren Mengen vorrätig, da sie für Wassergewinnungsbrunnen mit großen Enddurchmessern noch vielfach im Einsatz sind. Eine Verwendung in Verrohrungsmaschinen ist nicht möglich. Die Rohre haben mit den arbeitsaufwendigen Rohrverbindungen (Nietkopfschrauben) für Pfahlgründungen keine wesentliche Bedeutung.
2.6.4 Bohrrohre mit Gewindeverbindung Bohrrohre mit Gewindeverbindung werden nur für Bohrungen mit kleinen Durchmessern (z. b. B. Bodenaufschlussbohrungen, Geothermiebohrungen, Ankerbohrungen usw.) verwendet (siehe dort).
2.8.5 Bohrrohre mit Bajonettverschluss
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Diese Bohrrohre werden überwiegend von der Firma Casagrande hergestellt, in Deutschland jedoch kaum noch eingesetzt. Vorgenannter Hersteller bietet jetzt aber ebenso Nippelbohrrohre an. Hergestellt werden diese doppelwandigen und einwandigen Rohre heute bereits in den Durchmessern 500 bis 3800 mm in Wandstärken von 40 bis 100 mm (doppelwandig) und 15 bis 30 mm (einwandig). Die üblichen Einbaulängen betragen 1 bis 6 m. Das Drehmoment wird über die Bajonettzapfen übertragen, während die Verbindungselemente hierzu nicht vorgesehen sind.
O Bohrungen in der Bautechnik
815
Abb. O-56: Bajonettverbindungen nach dem System Casagrande
2.6.6 Bohrrohre mit Schnellverbindung (Nippelbohrrohre) Von wenigen Ausnahmen abgesehen, werden Pfahlgründungen heute fast ausschließlich mit diesem Rohrtyp ausgeführt. Möglich sind Rohre in einwandiger und doppelwandiger Ausführung. Einwandige Rohre sollten in starken Verrohrungsmaschinen nicht verwendet werden, da Verformungen dabei nicht zu vermeiden sind. Das wichtigste Bauelement sind die luftdichten Rohrverbindungen (Abb. 9-O), die aus hochfestem Vergütungsstahl hergestellt werden. Die Rohrverbindungen müssen in der Lage sein, die hohen Zug- und Druckkräfte sowie die Drehmomente ohne Verformungen aufzunehmen. Dem Durchmesser entsprechend besteht die Verbindung aus 8 bis 24 Schrauben. Die Teilungsgenauigkeit beträgt dabei +0,01 mm. Nur so ist es möglich, dass die Rohre in jeder Anordnung stets zusammenpassen. Führungen aus Schlitzen und Nippeln erleichtern das Aufsetzen. Die Nippel erhalten eine Nut, in die ein Dichtungsring eingelegt wird (bzw. eingelegt werden kann). Von der Fa. Bauer werden die einwandigen Bohrrohre in den Durchmessern von 1300 bis 2500 mm in Einzellängen von 1 bis 6 m angeboten.
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L = 1 bis 8 m s1 = 10 bis 18 mm s2 = 8 bis 12 mm 1 Muffenteil 2 Nippelteil 3 Keil 4 Konusring 5 Gewindering 6 Schraube 7 O-Ring 8 Dichtung
Abb. O-57: Doppelwandige Schnellverschlussrohre (Nippelbohrrohre) nach dem System Leffer mit Detail der Rohrverbindung
1 Mutterteil 2 Vaterteil 3 Schraube 4 O-Ring 5 Gewindering 6 Konusring 7 Dichtung
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8 Schlüssel
Abb.O-58: links: Details der Rohrverbindung (gilt grundsätzlich für alle vergleichbaren Rohrsysteme) rechts: einwandiges Bohrrohr System Bauer
O Bohrungen in der Bautechnik
817
Die Rohrverbindungen werden (wie auch bei den Standardbohrrohren) komplett aus hochfestem Vergütungsstahl hergestellt. Die Gewinde und die Konusringe können bei Verschleiß ersetzt werden. Höhe, Umfangs-, Zug- und Biegekräfte werden betriebssicher über die konischen Flächen des Verschraubungssystems absolut spielfrei übertragen. Aufgrund der spielfreien Verbindung ist der Verschleiß an Verbindungselementen äußerst gering. Die Rohrverbindung ist wasserdicht und kann für ein- und doppelwandige Rohre verwendet werden. Aufgrund der Weiterentwicklung der hydraulischen Verrohrungsmaschine (Typ VRM) und der Neuentwicklung von kontinuierlich drehenden Rohrdrehmaschinen (Typ RDM) ist man heute in der Lage, verrohrte Bohrungen bis zu einer Tiefe von 100 m abzuteufen. Um den damit gewachsenen Anforderungen an die Bohrrohrtour gerecht zu werden, wurden von der Fa. Leffer Bohrrohre der schweren Baureihe (HD) entwickelt. Diese Rohre entsprechen im Aufbau den doppelwandigen Normalbohrrohren, haben jedoch z. T. erheblich höhere Gewichte. Sie werden zurzeit bis zu einem Außendurchmesser von 3200 mm hergestellt. Tafel 8-O: Maßtabelle für einwandige und doppelwandige Schnellverschlussrohre System Leffer Rohr-Ø innen einwandig D2 mm
– 600 640 700 750 800 880 900 1000 1180 1200 1300 1500 1800 2000 2220 2500
– 520 560 620 670 720 800 820 920 1100 1120 1220 1400 1700 1880 2080 2380
Rohr-Ø außen doppelwandig D1 mm 540 620 600 620 700 750 800 880 900 1000 1180 1200 1300 1500 1800 2200 2200 2500
Rohr Ø Anzahl innen dopVerbinpeldungswandig schraube n D2 St. mm 478 6 558 8 520 8 540 8 620 8 670 10 720 12 800 10 820 10 920 10 1100 12 1120 12 1220 12 1420 18 1720 20 1910 20 2080 20 2380 20
Wandstärke einwandig mm
Wandstärke doppelwandig mm
mittleres Gewicht einw./ doppelw kg/m
– 20 20 20 20 20 20 20 20 20 25 25 25 25 25 25 25
31 31 40 40 40 40 40 40 40 40 40 40 40 50 50 60 60 60
–/295 –/335 380/440 409/450 447/510 481/575 514/615 566/670 580/685 640/780 759/925 859/965 942/1025 1351/1225 1605/1460 2016/1590 2671/2224 2982/2465
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Tafel 9-O: Tabelle der einwandigen Bohrrohre System Bauer D1 mm 1300 1500 1800 2000 2200 2500
D2 mm 1220 1400 1700 1880 2080 2380
t mm 40 50 50 60 60 60
Schrauben St. 12 12 12 12 12 16
Gewicht kg/m 845 1310 1580 2140 2350 2575
Tafel 10-O: Tabelle der Bohrrohre System Leffer Typ HD (schwere Baureihe)
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Rohr-Ø außen doppel- wandig mm mm 600 640 700 750 800 880 900 1000 1080 1180 1200 1300 1500 1800 2000 2200 2500 2800 2800 2980 3000 3200
Rohr-Ø innen doppel- wand. mm 520 560 620 670 720 800 820 920 1000 1100 1120 1220 1400 1700 1880 2080 2380 2680 2640 2840 2840 3040
Anzahl Verbindungsschrauben St. 8 8 8 8 8 8 8 10 12 12 12 12 16 20 20 20 20 24 24 24 24 24
Wandstärke Wandstärke GesamtAußenrohr Innenrohr Wandstärke mm 17 17 17 17 17 17 17 17 17 17 17 17 17 22 22 22 22 24 24 24 24 24
mm 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 12 17 22 22 22 28 28 28 28 28
mm 40 40 40 40 40 40 40 40 40 40 40 40 50 50 60 60 60 60 80 80 80 80
mittleres Gewicht kg/m 433 465 509 549 567 637 653 724 790 860 870 950 1485 1910 2530 2785 3105 3730 4530 4910 4940 5240
Inzwischen stellt die Fa. Leffer die o. g. Bohrrohre mit Außendurchmessern von 3300 und 3800 mm her.
O Bohrungen in der Bautechnik
819
Abb. O-59: Doppelwandigen Bohrrohre (Nipelbohrrohre) System Leffer
2.6.7 Schneidschuhe Die Schneidschuhe bzw. -kronen müssen auf die zu durchbohrenden Bodenschichten abgestimmt sein. Die Praxis hat gezeigt, dass das kontinuierliche Nachdrehen der Verrohrung im Gleichlauf mit dem Bodenaushub nur dann funktioniert, wenn der Anpressdruck, die Zahnform und der entsprechende Freischnitt richtig gewählt sind.
Abb. O-60: Rohrschneidschuh für oszillierende Verrohrungsmaschinen, anschraubbar, mit angeschweißten Schneidzähnen
Die Anforderungen, die an die Ausführung der Schneidzähne gestellt werden, richten sich nach Art und Härte des Bodens. Laufend gesammelte Erfahrungen und ständige Weiterentwicklungen haben zur Festlegung der nachfolgend beschriebenen Schneidkronentypen geführt.
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Abb. O-61: Rohrschneidschuh für durchdrehende Verrohrungsmaschinen, anschraubbar, mit angeschweißten Zähnen
Die Schneidschuhabmessungen entsprechen den Rohrsystemen
2.6.8 Schneidschuhbestückung Je nach Bodenformation können die Rohrschneidschuhe mit unterschiedlichen hartmetallbesetzten Schneiderzähnen versehen werden. Bewährt haben sich inzwischen auswechselbare Schneideinsätze, die auf der Baustelle angeschweißt oder wie Baggerschaufelzähne eingesteckt werden können. Damit wird die aufwendige Auftragsschweißung vermieden. Wichtig ist das rechtzeitige Auswechseln abgenutzter Einsätze, um eine Beschädigung der Rohre zu vermeiden. Voraussetzung für eine gute Schneidwirkung ist die richtige Wahl der Zahnart und des Zahnabstands. Die Hersteller geben dazu aufgrund ihrer Erfahrungen mit den verschiedensten Anwendern entsprechende Empfehlungen. Von der Fa. Leffer werden folgende Schneidzahnsysteme hergestellt und empfohlen:
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Schneidensystem Typ I Merkmale Aus dem Vollen herausgeschnittene Zähne mit engen Zahnlücken. Die Zähne sind mit einer Spezialhartauftragung versehen und scharfkantig geschliffen.
Abb. O-62
O Bohrungen in der Bautechnik
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Schneidenzähne Typen IV, V und VI sind ein Wechselsystem bestehend aus Zahnhülsen, Spannstift und drei verschiedenen Zahntypen. Merkmale Typ IV: rollige Böden (Zähne können bei Verschleiß aufgepanzert werden); Typ V: bindige Böden, leicht lösbare Fels; Typ VI: schwer lösbarer Fels, überschnittene Pfahlwände.
Abb.O-63
Schneidensysteme Typen ASZ 83 und ASZ 110 Merkmale Die Schneidensysteme Typen ASZ 83 und ASZ 110: Anschweißbare, widiabewehrte Schneidenzähne, universal anwendbar für rollige und felsige Böden sowie Pfahlwandherstellung. Abb.O-64
Schneidensystem Typ ASS 70/40 Merkmale des Schneidensystems Typ ASS 70/40: Anschweißbare, robuste, widiabesetzte Stollenzähne für rollige und felsige Böden sowie für die Pfahlwandherstellung. Abb. O-65
Schneidensysteme Typen ASS 90/52 und ASS 120/80 Merkmale des Schneidensystems Typen ASS 90/52 und ASS 120/80: Anschweißbare, robuste, widiabesetzte Stollenzähne für rollige und felsige Böden sowie Pfahlwandherstellung.
Abb.O-66
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Schneidensystem Typen FZ 140 R, M, L
Abb.O-67
Schneidensysteme Typen BR und BH der Fa. Bauer Zahntyp BR Hauptmerkmale und Eigenschaften: Ausgeprägter Fräseffekt, optimaler Freischnitt durch verschränkte Zahnanordnung, Rückschneideffekt durch schräg nach außen verlaufende Stollenrücken, variable Stellung des Stollens möglich. Einsatzbereiche: harte rollige und bindige Böden, Gerölle, Fels, überschnittene Bohrpfahlwände. Besonders geeignet für schweren Verrohrungsmaschineneinsatz. Zahntyp BH Hauptmerkmale und Eigenschaften: Ausgeprägter Schneid- und Räumeffekt, optimaler Freischnitt durch verschränkte Zahnanordnung. Rückschneideffekt durch schräg nach außen verlaufende Zahnflanken, variable Stellung möglich. Einsatzbereiche: Sandige, kiesige und bindige Böden, Weichgestein (Ton, Mergel, Nagelfluh), besonders geeignet für Drehbohrverfahren.
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Abb. O-68a
O Bohrungen in der Bautechnik
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Abb. O-68b: Besonders schwerer Rohrschneidschuh für schweren Fels System Bauer
2.6.9 Zubehör Bohrtrichter
Abb. O-69: Bohrtrichter System Leffer
Der Bohrtrichter (Abb. O-69) dient als Schutz für die Rohrverbindung und erleichtert das Einführen der Bohrwerkzeuge. Der Durchmesser (D1) entspricht den jeweiligen Maßen der Bohrrohre. Die Höhe (H) beträgt 500 mm. Bohrgehänge Das Bohrrohrgehänge (Abb. O-70) ermöglicht das schnelle Anschlagen und Aufsetzen der Bohrrohre ohne Beschädigung der Gewinderinge. Statt der Knebelverschlüsse können auch Aufhängeösen mit Fernauslösung verwendet werden, mit denen sich das Hochsteigen zum Lösen der Knebel erübrigt. Bei einer zulässigen Traglast von 10 bis 30 t entsprechen die Durchmesser (D) den jeweiligen Maßen der Bohrrohre (~ D × 1,40)
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Abb.O-70: Bohrrohrgehänge System Leffer
2.6.10 Grundsätzliche Hinweise Bei der Anwendung der Nippelbohrrohre und des Zubehörs ist auf ihre ständige Reinigung zu achten, insbesondere von der restlichen Betonschlempe an den Verbindungen. Ein späteres Säubern ist sehr aufwendig. Bewährt hat sich der Einsatz von Hochdruckpumpen, die bei geringer Wassermenge eine sehr gute Wirkung erzielen. Die früher empfohlene Einfettung der Verbindungen wie der Schrauben hat sich in der Praxis nicht bewährt. Durch Fett oder Öl in Verbindung mit Feinstbodenteilchen wird das Lösen der Schrauben und Verbindungsstücke erheblich erschwert. Ein gründliches Reinigen der Verbindungen und Schrauben mit Wasser und entsprechendes Lagern der Rohre ist Voraussetzung für eine leichte und schnelle Handhabung. Für das Verschrauben werden heute vielfach Druckluft- oder Hydraulik-Schlagschrauber eingesetzt.
2.6.11 Sicherheitstechnische Hinweise
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Beim Umgang mit den Bohrrohren ereignen sich immer wieder Unfälle beim Aufsetzen, Abnehmen, Verschrauben und Säubern. Sie lassen sich bei Beachtung folgender Hinweise einschränken: • nicht unter hängenden Rohren arbeiten • beim Aufsetzen die Rohre oberhalb der Verbindung führen und nicht unten anfassen • nie die Hände auf die Rohrkante legen • geprüfte Anschlagmittel einsetzen • keine offenen Haken verwenden • Rohre so lagern, dass ein unbeabsichtigtes Abrollen vermieden wird • auf sichere Arbeitsbühnen achten (TBG-Sicherheitsregeln Arbeitsplattformen für Rammund Bohrgeräte)
O Bohrungen in der Bautechnik
825
2.7 Schlagbohrwerkzeuge 2.7.1 Allgemeines Die Schlagbohrwerkzeuge können unterteilt werden in: • mechanische Seilbohrgreifer • hydraulische Seilbohrgreifer • Spezial-Seilbohrgreifer • mechanische Brunnenbohrgreifer • hydraulische Brunnenbohrgreifer • Kiespumpen • Schlag- und Schlammbüchsen • Bohrmeißel
2.7.2 Mechanische Seilbohrgreifer Seit Einführung des Benoto-Pfahlsystems (etwa Mitte des 20. Jh.) ist auch der Bohrgreifer als eines der wichtigsten Werkzeuge bei der Pfahlbohrarbeit bekannt. Der zunächst unter der Bezeichnung Hammergrab bekannte Bohrgreifer wurde später von der Fa. Bade, Lehrte, weiterentwickelt und war in vielen tausend Exemplaren unter dem Namen Badegreifer im Einsatz. Wegen der einfachen Bauweise werden auch noch Ersatzteile geliefert, sodass diese Greifer heute teilweise noch im Einsatz sind. Der Greifer kann nur im Einseilbetrieb verwendet werden. Moderne Geräte lassen sich sowohl im Einseil- als auch im Zweiseilverfahren betreiben. Die vorgenannten Bohrgreifer sind nach heutigem Stand der Technik bis zu einem Durchmesser von 2980 mm für Rohraußendurchmesser bis 3800 mm lieferbar. Beim Einsatz der Seilbohrgreifer sind zwei Systeme üblich, und zwar:
2.7.3 Bohrgreifer-Einseilbetrieb Beim sog. Einseilbetrieb wird der Greifer am Schließmechanismus aufgehängt und mit offenen Schalen eingefahren. Aus einer gewünschten Höhe fällt dann der Greifer mit geöffneter Bremse (Freifall) auf die Bohrlochsohle und gräbt sich dort je nach Bodenfestigkeit mehr oder weniger tief ein. Beim Aufschlag fallen die Halteklinken im Gehäusedeckel nach außen, und die Greiferschalen schließen sich beim Anziehen des Baggerseils. Die Schließkraft wird je nach Bauart über ein Feder-, Hebel- oder Rollensystem verstärkt. Der Greifer wird in die am zweiten Greiferseil hängende Auslösekrone gefahren. Dort werden die Klinken wieder eingefahren. Beim weiteren Hochziehen öffnen sich dann die Greiferschalen und durch Anziehen des Greiferseils wird dieser wieder freigegeben.
2.7.4 Bohrgreifer-Zweiseilbetrieb Beim Zweiseilbetrieb befindet sich das erste Seil am Schließmechanismus und das zweite Seil am Greifergehänge. Beim Absenken des Greifers wird das erste Seil angezogen und damit die Schalen geschlossen. An der gewünschten Stelle wird das zweite Seil angezogen, die Schalen geöffnet und der Greifer im Freifall abgelassen. Durch Anziehen des ersten Seils schließen sich die Schalen. Man kann diesen Vorgang mehrfach wiederholen, um so eine gewisse Meißelwirkung auszuüben und eine gute Füllung des Greifers zu erreichen. Am ersten Seil hän-
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gend, wird der Greifer ausgefahren und, wie zuvor beschrieben, geöffnet. Sollte sich der Boden schlecht lösen, so kann der Vorgang mehrfach wiederholt werden.
2.7.5 Greifersysteme Seilbohrgreifer werden heute von mehreren Herstellern gefertigt. Zu den wohl bekanntesten deutschen Fabrikaten gehören die Systeme Leffer und Bauer. Daneben sind auch kleinere Stückzahlen anderer Hersteller und, wie bereits oben erwähnt, die Badegreifer im Einsatz.
2.7.6 Seilbohrgreifer System Leffer Die Fa. Leffer verfügt über eine große Palette der unterschiedlichsten Greifersysteme und -größen, die z. T. mit mehreren kann mit 8 Schalengrößen ausgestattet werden könne. Zur besseren Führung werden am Grundkörper Verbreiterungen angebracht. Ohne besondere Einrichtungen kann der Greifer im Ein- und Zweiseilverfahren eingesetzt werden, indem im Zweiseilbetrieb das Zweitseil statt an der Auslösekrone am Greiferkörper angeschlagen wird. Das Einseilsystem (SK) besitzt durch die notwendige Auslösekrone eine größere Baulänge. Der Umbau auf die unterschiedlichen Schaufelgrößen kann auf der Baustelle ohne besondere Vorkehrungen bzw. Einrichtungen erfolgen, sodass eine kostengünstige Ausstattung der Baustelle bei unterschiedlichen Bohrdurchmessern erfolgen kann. Das oben Gesagte trifft für alle Greifersysteme der Fa. Leffer zu (bis auf Kugelgreifer), wobei allerdings die Durchmesservielfalt je Grundkörper mit dem Durchmesser abnimmt.
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Abb.O-71: Bohrgreifer System Leffer Typen L 490 – L 890
O Bohrungen in der Bautechnik
827
Abb.O-72: Seil-Rollengreifer System Leffer – Typenreihe L 1350–2250 SK/SZ
Ab einem Rohrdurchmesser von 880 mm setzen sich immer mehr die sog. Kugelgreifer durch. Daher wird auf die anderen System nicht ausführlich eingegangen (keine Tabellen). Die Durchmesser sind auf die Bohrrohsysteme abgestimmt.
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Abb. O-73: Seil-Rollengreifer System Leffer – Typenreihe L 2170–2570 SK/SZ
Beide Greifersysteme sind im Einseilsystem (SK) und Zweiseilsystem (SZ) einsetzbar. Für den Umbau vom Einseil- auf das Zweiseilsystem ist lediglich der Kopf für die Auslösekrone anzu-
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bringen und das Zweitseil von der Auslösekrone am Grundkörper anzubringen (entsprechende Ösen sind bereits vorhanden). Spezialbohrgreifer System Leffer Robuster Freifallgreifer mit hoher Schließkraft, besonders gut geeignet zum Abteufen von Bohrungen in felsigen, rilligen Böden und zum Arbeiten unter Wasserauflast. Die Seilrollen haben wartungsfreie, ölgefüllte lifetime Lagerungen.
Abb.O-74: Spezialbohrgreifer System Leffer
Technische Daten
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Bohr- 600-1000 900-1600 1500-2500 2500-3000
Greifer-Typ L 490-890 S L 770-1460 S L 1350-2250 S L 2170-2570 S
O Bohrungen in der Bautechnik
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Mechanischer Kugelgreifer System Leffer
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Abb. O-75: Kugelgreifer System Leffer
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Kugelgreifer System Leffer sind zuverlässige Zweiseilgreifer mit hoher Schließkraft, besonders geeignet zum erschütterungsfreien Abteufen von Bohrungen in mittelharten und harten Böden. Hergestellt werden sie in 4 Systemgrößen und zwar mit folgenden Kenndaten: Tafel 14-O: Leffer Kugelbohrgreifer System Leffer Greifertyp Rohr–Innen Ø von – bis max. Greifer–Ø geöffnet max. Länge geöffnet max. Schaufellinhalt Gewicht leer
LKG 0 Anzahl 3 800 – 1120
LKG 1 Anzahl 5 1100 –1910
LKG 3 Anzahl 6 1880 – 3040
LKG 4 Anzahl 4 2800 – 3550
mm
785 –1065
1080 –1800
1810 – 2980
2710 – 3470
mm
4545 – 4815
5655 – 6460
6100 – 7230
7670 – 8210
mm
175 – 230
165 – 1030
970 – 4650
3900 – 7800
ltr.
5800 – 6750
8300 – 12900
15050 – 22100
27000 – 32010
kg
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Abb. O-76: Mechanischer Kugelgreifer System Leffer im Einsatz
2.7.7 Kiespumpen Bei Bohrungen in Kiesböden unter Wasser ist bei kleineren Bohrdurchmessern die Fördermenge der Greifer sehr oft unbefriedigend. Hier lassen sich mit Kiespumpen (Abb. L-88) teilweise wesentlich höhere Leistungen erzielen.
O Bohrungen in der Bautechnik
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Abb. O-77: Kiespumpe System Leffer
Die Kiespumpe besteht aus einem dickwandigen Stahlrohr, das unten mit einer Ventilklappe versehen ist. Im Körper befindet sich ein Kolben mit Kolbengestänge. Während des Bohrens steht die Kiespumpe auf der Bohrlochsohle, und nur der Kolben wird auf- und abbewegt, wobei das Bohrgut in den Pumpenkörper hineingezogen wird. Beim Hochfahren schließt sich die Ventilklappe. Zum Entleeren kann das gesamte Unterteil geöffnet bzw. abgeklappt werden. Die Kiespumpen stehen zur Verfügung für Bohr-Ø von 450 – 920 mm. Der Inhalt beträgt 100 bis 1000 L bei einem Leergewicht von 570 – 3420 kg.
2.7.8 Schlamm- und Schlagbüchsen In wasserführenden sandigen Böden bewähren sich immer noch sogenannte Schlamm- oder Schlagbüchsen (Abb. O-78 und O-79). Diese bestehen aus einem dickwandigen Stahlrohr mit entsprechender Aufhängung und einem Ventilunterteil, das mit einer Klappe oder auch mit Doppelklappe versehen ist. Die Büchse wird in kurzen Hüben von 30 bis 50 cm aufgestoßen. Beim Hub schließt sich das Ventil und es entsteht eine Sogwirkung, die den Boden auflockert. Beim Fallenlassen öffnet sich die Ventilklappe und der Boden kann eindringen (Abb. O-79). Seilbagger sind für dieses Bohrsystem nicht besonders geeignet, daher ist die Verwendung auf besondere Einsätze und das Säubern der Bohrlochsohle beschränkt, wenn sehr viel Bohrschlamm anfällt. Bei Kleinbohrpfählen und Aufschlussbohrarbeiten sind diese Bohrwerkzeuge allerdings noch sehr oft im Einsatz. Die Entleerung kann durch Boden- oder Seitenklappen erfolgen. Kleinere Büchsen werden lediglich umgekippt. Die Schlagbüchsen sind besonders schwere Schlammbüchsen, die zusätzlich noch mit einer gezahnten Schneide ausgerüstet sind. Sie eignen sich für besonders schwere Böden und auch für leichten Fels. Sie wurden früher mit speziellen Schlagbohrmaschinen betrieben.
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Abb. O-78: Schlamm- und Schlagbüchsen A: Schlagbüchse B: Schlammbüchse mit Doppelbodenventil C: Schlammbüchse mit Einfachventil
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Abb. O-79: Wirkungsprinzip der Schlammbüchsen
2.7.9 Bohrmeißel Neben Kiespumpen und Schlammbüchsen gehörten Meißel schon bei Bohrungen in der vorchristlichen Zeit zu den wichtigsten Bohrwerkzeugen. Noch Mitte des 20. Jh. wurde die Mehrzahl der Bohrpfahlgründungen mit sog. Schlagbohrwinden durchgeführt. Neben schweren Schlagbüchsen kamen hierbei überwiegend Meißel zum Einsatz. Dabei gelangten immer wie-
O Bohrungen in der Bautechnik
833
der neuere Konstruktionen zur Anwendung. Bedingt durch die zur Verfügung stehenden geringen Windenkräfte, waren die Gewichte jedoch für eine ausreichende Leistung zu gering. Abb. O-79 + O-80 stellen die heute typischen Bohrmeißel dar. Der Kreuzmeißel besitzt zum Schutz des Bohrrohrs und für eine gleichzeitige Führung in der oberen Hälfte einen Mantel. Die kreuzförmige Schneide hat zusätzliche Tangentialschneiden. Der Rundschaftmeißel hat neben dem mit Zähnen aus Manganhartstahl bestückten Zahnkranz eine Kreuzschneide.
Abb. O-79: Schwere Bohrmeißel System Leffer links: Kreuzmeißel – rechts: Rundschaftmeißel
Abb. O-80: Schnittzeichnung zu Abb. L-91 (Maße und Typenzusammenstellung siehe Tafel 21-L) Meißel-Länge: max. 4000 mm Bohr-: max. 3000 mm Meißel-: max. 2700 mm Meißelgewicht: 16 t
Möglich sind auch Meißel mit kronenartiger Schneidenanordnung. Auch doppelseitige Konstruktionen mit unterschiedlichen Schneidenformen, spiralförmige Meißel sowie asymmetrische Rundschneidmeißel sind im Einsatz. Spiralförmige Meißel gewährleisten ein ständiges Drehen der Schneide. Damit ist gewährleistet, dass die Meißelschneide nicht ständig auf die selbe Stelle auftrifft. Asymmetrische Meißel werden bisweilen bei stark geneigten Bohrungen eingesetzt. Die Schneiden erhalten eine Hartmetall-Auftragsschweißung, die rechtzeitig nachgearbeitet werden muss, damit der Grundkörper nicht beschädigt wird. Hierbei sind Verfahren anzuwenden, die nicht zusätzliche Spannungen erzeugen (z. B. Pulver-Schmelzschweißung). Da diese
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834
3 Drehbohrwerkzeuge
Schweißbearbeitung sehr aufwendig ist, laufen verschiedene Experimente mit schweren, auswechselbaren Baggermeißeln aus der Felstechnik. Ausreichende Erfahrungswerte liegen allerdings noch nicht vor. Die Meißelarbeit ist zum Teil mit großen Erschütterungen verbunden. Größere Felseinbindungen oder -durchörterungen sind daher bei Bedarf nach Möglichkeit im Drehbohrverfahren durchzuführen.
Abb. O-81: links: Spiralmeißel – rechts: asymmetrischer Meißel
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O Bohrungen in der Bautechnik
835
3 Drehbohrwerkzeuge 3.1 Allgemeines Selbst bei maximaler Ausstattung des Drehbohrgeräts lassen sich optimale Leistungen nur mittels effizient auf die Möglichkeiten des Geräts abgestimmten Werkzeugen und Zubehöreinrichtungen erreichen. Diese sind: • Meißel- und Pilotbohrer • Pfahlfuß-Erweiterungsbohrer • Normalbohrschnecken • Endlosbohrschnecken Fels- und Spezialbohrschnecken • Verdrängungsbohrschnecken • Bohreimer • automatische Rohrkupplungen • Kernrohre • Schneckenabstreifer • Rollenmeißel-Kernrohre • Tieflochhämmer • Spülbohrwerkzeuge Von einigen Ausnahmen abgesehen, befassen sich nur wenige Bohrgerätehersteller mit der Fertigung von Bohrwerkzeugen, wie Bohrschnecken, Kernrohren, Bohreimern usw. Hier haben inzwischen mehrere Spezialfirmen einen Markt gefunden. Darüber hinaus konstruieren viele Anwender einen Teil der Werkzeuge in eigener Regie. Zweifellos sind die Werkzeuge noch nicht den Leistungsmöglichkeiten der Bohrgeräte angepasst. Außerdem ist sicherlich auch noch ein Nachholbedarf in der Mitarbeiterschulung und Unterweisung vonnöten. Im Vergleich zur Tiefbohrtechnik wird beim Trockenbohren allzu sehr auf Kraft gesetzt, was zu enormen Werkzeugkosten führt. Folgende bohrtechnische Grundlagen müssen bei der Entwicklung und Nutzung der Bohrwerkzeuge beachtet werden: • Die Einflüsse des Bodens, und zwar seine Zusammensetzung • Körnung, Korngehalt, Kornbindung, Gefüge, Mineralbestand • und seine Festigkeitseigenschaften • Härte, Zähigkeit, Sprödigkeit, Druckfestigkeit und Scherfestigkeit –, bestimmen die Bohrbarkeit des Bodens. Auf diese spezifischen Eigenschaften müssen wiederum die Maschinen und Werkzeuge hinsichtlich abgestellt werden. • Drehmoment • Andruck • Bohrkleintransport • Form • Durchmesser • Drehzahl • Abnutzung und Reparaturkosten • Schneidengeometrie Viele der vorgenannten Einflüsse gelten im Wesentlichen für Fels oder vergleichbare Böden. Die Praxis zeigt aber auch, dass Überlagerungsböden zum Teil mit vollkommen falschen Werkzeugen und Bohrtechniken bearbeitet werden. Oft könnte eine kleine Änderung der Schneidengeometrie, die Änderung des Andrucks oder der Drehzahl zu wesentlich besseren Bohrleistungen und geringeren Reparaturkosten führen, zumal bei modernen Geräten Einrichtungen der Bohrdatenüberwachung vorhanden bzw. möglich sind. Für die Schneidenbestückung stehen heute leicht auswechselbare Piloten und Schneidenzähne zur Verfügung; trotzdem wird sehr oft mit vollkommen falschem oder stark abgefahrenem Besatz gearbeitet. Während das Auswechseln eines betreffenden Schneidenzahns nur Minuten
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3 Drehbohrwerkzeuge
in Anspruch nimmt, wird eine abgefahrene Zahnhalterung zunächst den Wechsel des Werkzeugs und am betreffenden Werkzeug mehrere Stunden Reparatur verursachen. Dies gilt besonders für den Piloten, dessen Bedeutung (Größe, Form, Bestückung) für die Bohrbarkeit und den Bohrfortschritt viel zu sehr unterschätzt wird. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Pfahlgründungsarbeiten überwiegend in den Störzonen mit stark wechselnden Schichten abspielen, was die Entwicklung und Wahl optimaler Werkzeuge beeinflusst. Da auf jeder Baustelle andere Baugrundverhältnisse anzutreffen sind, können allgemeingültige Regeln nicht aufgestellt werden. Es lohnt sicherlich, bei Beginn der Bohrarbeiten einige Versuche durchzuführen, um die günstigste Werkzeugbestückung und die entsprechenden bohrtechnischen Daten herauszufinden.
3.2 Meißel und Pilotbohrer für Drehbohrwerkzeuge 3.2.1 Allgemeines
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Als die Bohrschnecke noch von Hand bewegt werden musste, wussten die Bohrmeister, wie wichtig Form und Bestückung des Werkzeugs war. An der Feldschmiede wurden diese so lange bearbeitet, bis mit dem geringsten Kraftaufwand die größte Leistung möglich war. Es wäre angebracht, sich auch noch heute, trotz moderner und leistungsstarker Geräte, wieder daran zu erinnern. Die Wahl der optimalen Bohrwerkzeuge ist maßgebend für einen wirtschaftlichen Bohrprozess. Dies trifft insbesondere für die Bestückung der eigentlichen Bohrwerkzeuge (Bohrkronen, Meißel und Bohrschneiden) zu. Trotz zahlreicher wissenschaftlicher Abhandlungen und umfangreicher Tabellen bleibt es schwierig, verbindliche Empfehlungen für die Wahl der Meißel und Piloten zu geben. Dies trifft insbesondere für die Felsbohrtechnik im Trockenbohrverfahren (das Bohren ohne Spülung) zu. Hier werden vielfach die technischen oder wirtschaftlichen Grenzen der Verfahrenstechnik erreicht. Grundsätzlich wird, in Abhängigkeit von der Dichte oder Festigkeit des Bodens, zwischen folgenden Methoden unterschieden: • schneidendes bzw. schabendes Lösen von rolligen und bindigen Böden • reißendes Lösen von sehr fest gelagerten Böden und weichem Fels • schlagende, drückende und abscherende Verfahren bei mittelhartem bis hartem Fels
Abb. O-82:Methoden der Materiallösung beim Drehbohren links: schneidendes Lösen – Mitte: reißendes Lösen – rechts: drückendes Lösen
O Bohrungen in der Bautechnik
837
Zwar werden eine Vielzahl von unterschiedlichsten Bohrkronen und -meißel für die jeweiligen Gesteinshärten empfohlen, aber die Entscheidung, wann z. B. ein Fels sehr hart oder hart ist, bleibt beim Anwender. Die Beurteilung ist jedoch aufgrund der großen Festigkeitsbandbreiten sehr schwierig, wie die Tafeln 41-C und 42-C zeigen. Tafel 11-O: Gesteinshärten (Druckfestigkeiten) lfd. Nr.
Gesteinshärte
Gesteinsarten (Beispiele)
1
weiche Gesteine mittelharte Gesteine
Geschiebemergel, Gips, Salzgestein, Braunkohle, Kaolin, harter Lehm, Letten, stark verwitterter Schieferton Schieferton, verwitterter Kalkstein, harter Mergel, Marmor, schwach verwitterter Sandstein, Muschelkalk, Anhydrit, harte Steinkohle, quarzhaltiger Mergel, Raseneisenerz Sandstein, Kalkstein, Tuffgestein, Porphyr, Gabbro, unverwittertes Schiefergestein, Glimmerschiefer harter Kalkstein, Sandstein mit hohem Quarzgehalt sowie alle Gesteine mit hohem Quarzanteil, Konglomerate (Nagelfluhgestein), harter Tonschiefer, Syenit, Dolomitgestein Quarzit, Gneis, Diabas, Feuerstein, Hornstein, kompakte Ergussgesteine, Korundgestein, Diorit, Granit
2
3
harte Gesteine
4
sehr harte Gesteine
5
extrem harte Gesteine
Druckfestigkeit kN/cm² 1-3 2-10
5-25 10-30
20-40
Tafel 12-O: Verschiedene Gesteinsfestigkeiten Gesteinsart
Granit Dolomit Basalt Diabas Kalkstein
Festigkeitsbereich kN/cm2 7-30 15-30 10-40 15-30 1-35
mittlere Festigkeit kN/cm2 20 22 25 25 10
Gesteinsart
Sandstein Schieferton Mergel Beton Ziegelmauerwerk
Festigkeitsbereich kN/cm2 5-35 5-10 2-10 2-6 1-3
mittlere Festigkeit kN/cm2 17 6 4 2
3.2.2 Schneidenausbildung für rollige Böden Bohrschnecken und -schappen (Bohreimer) werden dazu fast ausschließlich mit HartmetallFlachzähnen (aus der Baggerschaufeltechnik) ausgerüstet. Diese Meißel lassen sich mittels spezieller Halterungen einfach und ohne großen Zeitaufwand auswechseln. Der Bohrvorgang entspricht dem schneidenden bzw. schabenden Verfahren. Der Anstellwinkel sollte so steil sein, dass die Schneide auch bei grobem Kies und Geröll gut greift. Bei der Anordnung der Meißelhalter ist darauf zu achten, dass der Halter nicht abgeschliffen wird (Vermeidung von Reparaturkosten). Einschnittige Ausführungen neigen in unverrohrten Bohrungen sehr stark zur Achsabweichung und sollten nach Möglichkeit nicht verwendet werden. Als Vorschneider genügen in der Regel einfache Fischschwanzpiloten.
O
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3 Drehbohrwerkzeuge
3.2.3 Schneidenausbildung für bindige Böden Als Schneidwerkzeuge haben sich die oben erwähnten Flachmeißel bewährt. Der Anstellwinkel sollte hier jedoch so flach gewählt werden, dass sich die Schnecke nicht zu stark in den Boden zieht und Gegenzug aufgebracht werden muss, damit der KDK nicht ,,abgewürgt‘‘ wird. Bohrtechnisch ist es wirkungsvoller, mit Andruck zu arbeiten. Sollte der Gegenzug nicht genügen, so muss durch rechtzeitiges Anheben der Schnecke der Boden laufend ,,abgerissen‘‘ werden. Das schneidende Verfahren kann zum Teil in sehr festen bindigen Böden und sehr fest gelagerten rolligen Böden nicht mehr angewendet werden. Hier muss gegebenenfalls auf ein ,,reißendes‘‘ Verfahren umgestellt werden.
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Abb. O-83: Verschiedene Meißel- und Pilotformen
O Bohrungen in der Bautechnik
839
3.2.4 Meißelbestückung für Fels und felsähnliche Böden Für hart gelagerte rollige Böden, bindige Böden mit Einlagerungen (z. B. Mergel) und Fels haben sich inzwischen Rundschaftmeißel mit Hartmetallspitzen durchgesetzt. Diese Meißel wurden aus dem Berg- und Tunnelbau (Frästechnik) übernommen, wo sie mit Erfolg für Gewinnungsmaschinen (Schrämmaschinen) und Vortriebsgeräte (Teil- und Vollschnittmaschinen) entwickelt und seit langem eingesetzt werden. Durch eine entsprechende Lagerung kann sich der Meißelschaft drehen und sorgt so für eine gleichmäßige Abnutzung. Um die Halterungen nicht zu beschädigen, sind die leicht lösbaren Meißel rechtzeitig zu wechseln. Das ,,Aufreißen‘‘ des harten Bodens bzw. Fels erfolgt durch schräggestellte Reißzähne am Boden des Drehbohrwerkzeugs. Beim Drehen des Werkzeugs reißen die Zähne Furchen in den Fels und nachfolgende Zähne lösen dann die stehen gebliebenen Bereiche. Da der Reißzahn die Tendenz hat aus dem Material herauszuwandern, muss das Bohrwerkzeug beim Drehen stark angepresst werden. Der Einsatz von Großdrehbohrgeräten ermöglicht die gleichzeitige Übertragung von hohen Drehmomenten und vertikalen Anpressdrücken auf die Reißzähne.
3.2.5 Wahl der Piloten Eine besondere Bedeutung für den Bohrfortschritt hat der Pilot. Die Piloten können sowohl mit Flachmeißeln als auch mit Rundschaftmeißeln besetzt sein. Bestückung und Form müssen dem anstehenden Boden angepasst werden. Teilweise kann es sinnvoll sein, das richtige Werkzeug für die anstehenden Bodenverhältnisse und Bohraufgaben zu entwickeln. Einige solcher Beispiele für Formen und Bestückungen zeigen Abb. O-83 und O-84. Für die Größe und Geometrie der Piloten gibt es keine allgemeingültigen Regeln. Da die Bohrarbeiten überwiegend in uneinheitlichen Überlagerungsformationen durchzuführen sind, können hier nur Versuche mit unterschiedlichen Systemen weiterhelfen. Gerätehersteller und Anwender sollten hier gemeinsam an optimalen Lösungen arbeiten. Hohe Drehmomente und entsprechende Andruckkräfte verleiten leider dazu, ohne wesentliche Rücksicht auf die Bodenformation Standardformen zu verwenden. Bei Versuchen sind unbedingt die erzielte Leistung und der Verschleiß zu berücksichtigen. Es ist sinnvoll, eine ausreichende Auswahl an Werkzeugen vorzuhalten und diese bei Bedarf rechtzeitig zu wechseln.
3.2.6 Sonderformen Obwohl, wie Versuche gezeigt haben, Größe und Bestückung der Vorschneider und Piloten von entscheidender Bedeutung für den Bohrfortschritt sind, hat sich eine Felsschneckenkonstruktion ohne Vorschneider offenbar ebenfalls bewährt. Eine weitere Sonderform stellt die Progressivschneide dar. Der Pilot und die ersten (progressiven) Schneckengänge sind hierbei zusammengefasst. Diese Form hat sich bei mittelhartem Fels bewährt. Sie erfordert allerdings hohe Drehmomente bei entsprechend hohem Verschleiß.
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Abb. O-84: Felsbohrschnecke ohne Vorschneider und Pilot (links) – Progressivschneide (rechts)
3.2.7 Normalbohrschnecken 3.2.7.1 Allgemeines
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Die Bohrschnecken kann man grundsätzlich nach folgenden Kriterien unterscheiden: • Bohrschnecken mit einseitiger Schneide und Flachmeißel Böden: weiche bis steife bindige und lockere rollige Böden • Bohrschnecken mit zweiseitiger Schneide und Flachmeißel Böden: steife bis feste bindige Böden und mitteldichte rollige Böden • Bohrschnecken mit zweiseitiger Schneide und Rundschaftmeißel Böden: schwere bindige Böden mit Einlagerungen, festgelagerte rollige Böden und Fels • Bohrschnecken mit zweiseitiger Schneide, besetzt mit Flach- und Rundschaftmeißel Böden: Mischböden und Sonderfälle • Bohrschnecken mit ausklappbarem Schneidenteil für Unterschneidungen, Bestückung mit Flach- oder Rundschaftmeißel Böden: bindige Böden und Fels • Spezialschnecken, z. B. Progressivschnecken, Schnecken mit unterschiedlicher Besetzung und besonderen Schneckensteigungen für Sondereinsätze (z. B. Gerölle). Grundsätzlich können alle Bohrschnecken mit den unterschiedlichsten Durchmessern, Nutzlängen, Wendelganghöhen sowie Vorschneiden und Piloten ausgestattet werden.
3.2.7.2 Schneckenformen Der Anstellwinkel der Schneidenzähne wird heute für die verschiedenen Einsatzgebiete zum größten Teil mit modernen 3D-CAD-Anlagen ermittelt. Die Rundschaftmeißel sind in Lagerungen befestigt, die eine Rotation der Meißel gestatten. Damit sind die Meißel selbstschärfend. Ferner wird ein einseitiger Verschleiß vermieden. Die Kellyboxen haben je nach Bedarf die Maße 110, 130, 150 oder 200 mm Vierkant und bestehen in der Regel aus Stahlguss 25 CrMo4 oder sonstigen hochwertigen Stählen. Bei besonderen Bodenverhältnissen können Spezialanfertigungen erforderlich werden. Des Weiteren haben die Wendel am Rand eine Auftragsschweißung, die rechtzeitig nachgearbeitet werden muss. Bewährt haben sich auch Einsätze aus Hartmetall. Die Maße sind vom jeweiligen Rohrsystem und vom Wunsch des Anwenders abhängig.
O Bohrungen in der Bautechnik
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Abb. O-85: Verschiedene Formen von Bohrschnecken System Bauer – oben-links: Progressivschnecke mit Rundschaftmeißeln für harten Fels – oben-rechts: Einschnittig mit Rundschaftmeißeln besetzt für Fels unten-links: Einschnittig mit Flachmeißeln – unten-rechts: zweischnittig mit Flachmeißel.
3.2.7.3 Bohreimer Allgemeines Für weiche und breiige bzw. bindige Böden, rolliges Bohrgut unter Wasser, Felsbohrungen unter Wasser sowie zum Säubern der Bohrlochsohle kommen Bohreimer zum Einsatz. Als Verschluss und Schneidelement dient der sogenannte Drehboden, der sich bei Rechtsdrehung öffnet und bei Linksdrehung schließt. Er ist mit einem Scharnier am Grundkörper befestigt. Zur Entleerung wird die Auslösestange gegen den Rohrmitnehmer gefahren und entriegelt. Die Entriegelung kann aber auch von Hand vorgenommen werden. Das Schließen und Einrasten erfolgt durch das Aufsetzen des Bohreimers. Ein eingebauter Belüftungsschacht oder ein eingebautes Belüftungsrohr verhindert das Entstehen eines Vakuums und somit einen Grundbruch beim Ziehen des Bohreimers. Der Drehboden kann ein- oder zweischnittig ausgeführt sein. Teilweise befinden sich auch Schneidwerkzeuge auf dem Boden verteilt. Er ist in der Regel mit einem Fischschwanz-Piloten versehen, kann aber auch mit jedem anderen Pilot-Typ ausgerüstet werden. Beim Säubern der Bohrlochsohle ist, um die Sohle nicht aufzureißen, ein Flachkopf-Pilot oder eine spezielle Räumplatte zu verwenden. Die Schneidenbesetzung kann mit Flach- oder Rundschaftmeißel oder einer Kombination beider Meißeltypen vorgenommen werden. Zur Vermeidung von Abnutzungen am Zylinder ist eine gute Auftragsschweißung nötig, die rechtzeitig erneuert werden muss.
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3 Drehbohrwerkzeuge
Abb.O-86: Bohreiner Systemdarstellung und Bauteile – System Leffer Links: Einschneidiger Drehboden mit Flachmeißeln besetzt, geeignet zum Lösen und Fördern von Lockerböden unter Wasser - Rechts: Einschneidiger Drehboden mit Flach- und Rundschaftmeißeln besetzt-(bei Bedarf zusätzliche Rundschaftmeißel auf der Bodenfläche, geeignet zum Lösen und Fördern härterer Bodenformationen.
O Abb.O-87: Bohreimer System Bauer - links: zweischnittig mit Flachmeißel rechts: einschnittig mit Rundschaftmeißel und Kaliberschneide
3.2.7.4 Schwere Felsbohreimer Bei Felsformationen, die unter Wasser zu lösen sind, ist die Förderung mit Bohrschnecken nicht möglich bzw. die Fördermenge durch teilweises Abspülen sehr gering. Hier können Felsbohreimer Abhilfe schaffen. Die Fa. Hartfuss stellt u. a. besonders schwere Geräte her, die nach Werksangaben folgende Merkmale aufweisen:
O Bohrungen in der Bautechnik
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Abb. O-88: Schwerer Felsbohreimer System Hartfuss
• Rundschaftmeißel sind in der Schneidleiste sowie einzeln unter dem Drehboden angeordnet. • Die Rundschaftmeißel in besonders kräftiger Ausführung sind stirnseitig in eine Leiste aus hochfestem Feinkornstahl sowie auf Distanzhaltern unter dem Drehboden eingesetzt. • Die Anstellwinkel der Rundschaftmeißel sind mittels 3D-CAD-Anlagen ermittelt; dadurch ergibt sich ein genauer Schnittwinkel, der zu höherer Leistung und geringerem Verschleiß führt. • Verschleißschutz, mit Panzerblech hergestellt • Pilotbohrer, mit 4 Rundschaftmeißeln ausgestattet Kellybox, gefertigt in Stahlguss 25 CrMo4
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Abb. O-89: links: Schwerer Bohreimer, zweischnittig mit Rundschaftmeißel besetzt System Bauer – rechts: Spezial-Bohreiner für Tonböden
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3.2.7.5 Imrohrbohrgerät System Leffer Typ IBG (Bohreimer) Bei der Herstellung von voll verrohrten Großbohrpfählen ermöglicht das seilgeführte Imrohrbohrgerät eine leistungsstarke und zugleich kostengünstige Kombination des schlagenden und drehenden Bohrens. Die Vorteile des Seilbaggers und Drehbohrgerätes können in einer Anlage genutzt werden. Ab einem Pfahldurchmesser von etwa 1.5 m wird das Imrohrbohrgerät zum erschütterungsfreien Durchbohren von harten Formationen oder zur Herstellung der Felseinbindung eingesetzt. Unabhängig von der Bohrtiefe erzeugt der sich im Bohrrohr verspannende hydraulisch angetriebene Bohrkopf (Felsbohreiner) das Drehmoment und den Andruck auf das Bohrwerkzeug direkt an der Bohrlochsohle. Die gleichmäßige Krafteinleitung auf das Bohrwerkzeug ermöglicht ein effektives und zugleich sehr homogenes Bohren verbunden mit einem äußerst geringen Verbrauch an Verschleißteilen. Tafel 13-O: Technische Daten Leffer Imrohrbohrgerät Typ IBG 20 IBG 30
Drehmoment (KN m) 200 300
Bohrdurchmesser (mm) 1500-2500 2000-3000
Andruck (KN) 500 740
Vorschub (mm) 800 800
Drehzahl 0 – 12/min 0 – 8/min
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Abb.: O-90: Imlochbohrgerät System Leffer Typ IBG – rechts im praktischen Einsatz
Gewicht (kg) 10000 15000
O Bohrungen in der Bautechnik
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3.2.7.6 Kernrohre Allgemeines Kernrohre nutzen die Tatsache aus, dass beim Lösen eines Teilquerschnitts der spezifische Anpressdruck ohne Erhöhung der Geräteleistung wesentlich erhöht werden kann. Kernrohre werden zum Schneiden von Beton und Fels mittlerer Festigkeit eingesetzt. Die Schneidringe sind besetzt mit Hartmetallstiften oder Rundschaftmeißeln. Hartmetall-Schneidringe gibt es beidseitig drehend oder nur rechtsdrehend. Sie eignen sich speziell zur Bearbeitung von Beton. Kernrohre, besetzt mit Rundschaftmeißeln, sind nur rechtsdrehend zu verwenden und haben sich durch den aggressiven Besatz zum Losreißen von klüftigem Fels besonders bewährt. Da nur ein schmaler Ring zu lösen ist, kann mit entsprechend hohem Andruck gearbeitet werden. Spiralförmige Schweißraupen oder aufgeschweißte Rippen dienen zur Förderung des Bohrkleins. Trotzdem neigen Kernrohre zum Verklemmen, da das Bohrklein besonders bei größerer Tiefe nicht völlig abgefördert werden kann. Es empfiehlt sich daher, beim Bohren das Rohr des Öfteren anzuheben, damit es sich ohne Schwierigkeiten freiarbeiten kann. Steigt das Drehmoment stark an, so sollte das Rohr umgehend herausgezogen werden. Wenn sich ein Kern bildet, kann dieser mit Hilfe von Fängerklappen gefördert und durch Abklappen des Fangrings entfernt werden. Bei Kernrohren ohne Fangvorrichtung bleibt der Kern stehen und muss gegebenenfalls mit einem Meißel zertrümmert und mit Schnecke, Bohreimer oder Greifer gefördert werden. Die Standardnutzhöhen betragen im Allgemeinen 800 mm bis 1500 mm (diese Längen sind eigentlich unnötig, da sie sich in der Regel nicht ausnutzen lassen). Kernrohrsysteme Typ AS Anschweißring, bestehend aus angeschweißten Stollenschneiden mit Hartmetalleinsätzen, geeignet für Linksund Rechtsdrehung Typ S Anschweißring aus Hartmetallstiften, geeignet für Links- und Rechtsdrehung Typ Z Anschweißring, bestehend aus angeschweißten Stollen mit Hartmetalleinsätzen in Sägezahnanordnung, nur für Rechtsdrehung geeignet Abb. O-91: Kernrohre mit Anschweißringen System Bauer
Alle Typen sind verwendbar für bewehrten und unbewehrten Beton sowie Fels in geringer Mächtigkeit. Die Kernrohre sind wahlweise auch mit speziellen Fangringen lieferbar. Die Hartmetalleinsätze sind mittels Hartlötung in den Halterungen befestigt. Alle Kernrohre können mit Förderleisten ausgestattet werden. Die angegebenen Bestückungen und Einsatzbereiche sind Empfehlungen aufgrund einer langjährigen Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Anwendern. Bei der sehr großen Band-
O
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3 Drehbohrwerkzeuge
breite der Gesteinsarten und unterschiedlichsten Anforderungen dürfte es verständlich sein, dass keine verbindlichen Angaben gemacht werden können. Letztlich können nur Versuche mit den verschiedenen Kernrohrtypen zum Erfolg führen. Außerdem wird es manchmal erforderlich, objektbezogene Konzepte zu entwickeln.
Abb.O-92: Kernrohre mit Förderleisten und wahlweise mit Fängerklappen, besetzt mit Hartmetall-Rundschaftmeißeln System Bauer
Typ KHF (rechts) Kernrohr, bestückt mit anschweißbaren Hartmetall-Rundschaftmeißeln, Förderleisten am Umfang und inneren Kernfängern. Nur für Rechtsdrehung geeignet. Typ KWF (links) Anschweißring, bestückt mit Schneidstollen und eingelöteten Hartmetallplättchen in Sägezahnanordnung. Nur für Rechtsdrehung geeignet.
O Abb. O-93: Kernrohre System Leffer
O Bohrungen in der Bautechnik
847
Abb. O-94: links: Kernrohr mit Rundschaftmeißel und Förderleisten – rechts: KernzerstörungsBohrer mit Förderleisten – System Bauer
3.2.7.7 Rollenmeißelkernrohr
Abb. O-95: Aufbau des Rollenmeißel-Kernrohrs
Allgemeines Das Problem der Bohrkleinentfernung bei den vorher genannten Kernrohren und teilweise Forderungen nach Felseinbindungen in zum Teil sehr harte Felsformationen mit Festigkeiten über 100 kN/cm2 haben zur Entwicklung des Rollenmeißel-Kernrohrs geführt. Durch eine ständige Absaugung des Bohrkleins im Injektorverfahren lassen sich mit verhältnismäßig geringem Druckluftbedarf auch unter Wasser gute Bohrleistungen erzielen.
O
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3 Drehbohrwerkzeuge
Abb. O-96: Rollenmeißel-Kernrohrs System Bauer
O
Das Konzept des Rollenmeißel-Kernbohrrohrs verbindet die Vorteile von zwei Methoden: Der Vorteil, sehr harten Fels mit Rollenmeißeln zu brechen, wird mit dem Vorteil, nur einen Ringspalt zu schneiden, kombiniert. Die Schneidbreite des Ringspaltes liegt bei etwa 150 mm. Der Anpressdruck wird über das System der verriegelbaren Kellystange, Drehantrieb und Vorschubzylinder aktiviert. Das Gerät besteht aus einem Zylinder mit Rollenmeißel-Schneidenring, den Absaugrohren, einem Auffangbehälter und der Kellybox für den Anschluss an die Kellystange. Die Druckluftzuführung erfolgt über einen Spülkopf, der mit einer Verdrehsicherung ausgerüstet ist. Die anfänglichen Versuche mit Rollenmeißeln aus dem Tunnelbau erwiesen eine sehr hohe Reparaturanfälligkeit, da die Lager für eine Vertikalbelastung nicht ausgelegt waren. Inzwischen werden mit Erfolg spezielle Rollenmeißel eingesetzt. Da Bohrdurchmesser bis 620 mm noch im vollen Querschnitt beherrscht werden können, beginnt die Anwendung des Rollenmeißel-Kernrohrs bei ca. 700 mm Durchmesser. Der gebohrte Ringraum beträgt je nach Bohrdurchmesser 150 bis 300 mm. Der Druckluftbedarf ändert sich nicht mit der Bohrtiefe, da das Bohrklein nur in den Auffangbehälter befördert werden muss und nicht wie beim Im-Loch-Hammer-Verfahren bis zur Oberkante des Geländes. Arbeitsweise Das von Warzen-Rollenmeißeln gelöste Bohrklein wird über mehrere Absaugrohre im Injektorverfahren kontinuierlich abgenommen, prallt gegen eine Platte über dem Auffangbehälter und fällt in diesen hinunter. Bei monolithischen Gesteinen bildet sich ein Kern bis zu etwa 0,80 m Länge, der sich in der Regel verklemmt, was durch vorzeitiges Abschalten der Absaugung unterstützt werden kann. Bei stark klüftigen und plattigen Felsformationen rutschen die Platten z. T. in den Bohrringraum und werden dort fortlaufend zerkleinert. Es kommt vor, dass so der gesamte Querschnitt zerkleinert werden muss. Dies hat natürlich einen wesentlichen Einfluss auf die Bohrleistung, da das Kernbohrrohr auch des öfteren gezogen und entleert werden muss. Für die Entleerung, die mit Druckluft oder mit einem Hochdruckwassergerät unterstützt werden kann, sind Klappen am Auffangbehälter vorhanden (Abb. O-96).
O Bohrungen in der Bautechnik
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Die Bohrleistung hängt sehr stark von der Gesteinshärte und -eigenschaft sowie vom Bohrdurchmesser ab. Bei einem vom Verfasser betreuten Projekt konnte bei einem Pfahldurchmesser von 120 cm und einer Gesteinsfestigkeit von 300 bis 500 kN/cm2 eine mittlere Leistung von 0,50 m/Std. erzielt werden, wobei streckenweise der volle Querschnitt zerkleinert werden musste, da sich kein Bohrkern bildete. Die Bohrleistungen konnten unter Wasser erhöht werden. Der Kern wurde überwiegend mit einem Bade-Dreischalengreifer gefördert. Da die Trocken-Schneckenbohrwerkzeuge inzwischen in der Lage sind, mittelschweren Fels zu bearbeiten und das Durchfahren oder Einbinden in harten bis sehr harten Fels nicht zur Normalausführung gehört, stellt der Einsatz dieses Werkzeugs eine Ausnahme dar, so dass im Bedarfsfall deren Anmietung vorgenommen werden sollte.
O
Abb. O-96: :Rollenmeißel-Kernrohr im praktischen Einsatz links: Entleerung des Bohrgutbehälters mit Hilfe einer Hochdruckwasserspülung rechts oben: Förderung eines Bohrkerns mit dem Bohrgreifer rechts unten: geförderter Bohrkern
850
3 Drehbohrwerkzeuge
Tafel 14-O: Standardkenndaten der Rollenmeißel-Kernrohre System Bauer Durchmesser
780
880
1060
Bohrohr- Innen-Ø Anzahl der Rollen
800
900
1080
8
8
12
120 0 122 0 12
1350
1500
1370
1520
12
12
165 0 167 0 14
1830
2000
2400
1850
2020
2420
14
14
16
300 0 332 0 18
mm mm St.
168 277 440 540 2100 2350 3600 4000 4700 4900 5400 kg 0 0 0 0 Anmerkung: Angaben beziehen sich auf Schnittbreiten von 140 bzw. 170 mm, daher sind geringfügige Abweichungen möglich. Gewicht
O
Abb. O-97: Anwendungsbeispiel für den Einsatz eines Rollenmeißel-Kernrohres System Bauer
O Bohrungen in der Bautechnik
851
3.2.7.8 Pfahlfuß-Erweiterungsbohrer Allgemeines Pfahlfußverbreiterungen waren bei Pfahldurchmessern bis 50 cm vor Verbreitung der Großbohrpfähle bei jedem Bohrpfahltyp möglich und wurden in der Regel auch in nicht standfesten sowie wasserführenden Böden angewendet (z. B. Lorenz-, Mast-, Papproth-, Franki-Pfähle). Dazu sind umfangreiche Versuche (s. Muhs: Versuche mit Bohrpfählen System Lorenz) durchgeführt worden. Dabei waren Verbreiterungen bis zum 2 fachen Schaftdurchmesser üblich. Der Aufwand wäre heute in Bezug auf die Tragfähigkeitszunahme nicht mehr gerechtfertigt. Dazu kommt das erhebliche Herstellungsrisiko in nicht standfesten Böden. Heutiger Stand der Pfahlfußverbreiterungen Von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen, kommen heute Pfahlfußaufschneider nur noch in wasserfreien und absolut standfesten Böden zur Erweiterung der Pfahlaufstandsfläche zum Einsatz. Für Fußverbreiterungen hat sich dabei das nachfolgende System durchgesetzt. Die Schneidarme werden beim Aufschneiden durch vertikales Andrücken auf die Schubstange nach außen geklappt. Der Boden, der durch die Drehbewegung der Schneidarme gelöst wird, fällt in den Aufschneidekörper. Vor dem Ziehen des Pfahlfußaufschneiders werden die Schneidarme durch Zug an der Schubstange geschlossen. Der Öffnungswinkel des aufgeweiteten Fußes beträgt normalerweise 60 G. Der Durchmesser des aufgeschnittenen Pfahlfußes ist in der Regel zwei- bis dreimal so groß wie der Schaftdurchmesser. Die Entleerung erfolgt durch Abklappen des Gerätebodens.
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Abb.O-98: Fußaufschneider System Brückner – links: geschlossen – rechts: gespreizt
852
3 Drehbohrwerkzeuge
Abb.O-99: links: Systemdarstellung des Fußaufweitungsschneiders System Bauer gespreizt rechts: Freigelegter Bohrpfahlfuß System Franki
Bei allen Systemen ist die Auffangkapazität nicht sehr groß, so dass je nach Fußdurchmesser ein mehrfaches Fördern nötig ist. Die Maße sind abhängig von den verwendeten Bohrrohren, wobei die Fußverbreiterung auch in unverrohrten Bohrungen möglich ist.
3.3 Bohrverfahren mit durchgehenden Bohrschnecken 3.3.1 Allgemeines
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Bei den durchgehenden Bohrschnecken unterscheidet man • Teilverdrängungsbohrschnecken mit dünnem Seelenrohr • Teilverdrängungsbohrschnecken mit dickem Seelenrohr • Vollverdrängungsbohrschnecken
3.3.2 Teilverdrängungsbohrschnecken Bei den Teilverdrängungsbohrschnecken wird nur der Bodenanteil verdrängt, der dem Durchmesser des Seelenrohrs entspricht. Sie können mit verlorener oder geschlossener Spitze eingesetzt werden. Ferner ist das Bohren mit offener Spitze möglich. Dabei liegt die Öffnung so im Schneidenschatten, dass kein Boden in das Seelenrohr eindringen kann. Außerdem ist gleichzeitiges Einpressen von Beton oder Suspension möglich. Durch entsprechende Felsschneiden können auch schwierige Bodenformationen beherrscht werden. Im Gegensatz zu anderen Pfahlbohrungen wird bei Schneckenbohrungen keine verrohrte Bohrung ausgeführt. Der Bohrung wird mit einer durchgehenden langen Bohrschnecke im Drehbohrverfahren hergestellt. Der Querschnitt entspricht dabei mindestens dem Außendurchmesser der Hohlbohrschnecke. Durch die stets mit Bohrgut gefüllte Bohrschnecke ist das
O Bohrungen in der Bautechnik
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Schneckenbohrverfahren in seiner Stützwirkung gegenüber dem Boden einer verrohrten Bohrung gleichzusetzen. Bei Bohrpfählen wird der Beton wird bei gleichzeitigem Ziehen der Hohlbohrschnecke durch das Zentrumsrohr (Seelenrohr) kontinuierlich eingebracht. Abhängig von den Bodenverhältnissen und der Ausbildung der Hohlbohrschnecke wird beim Einbohren der Bohrschnecke der Boden entweder fast vollständig zu Tage gefördert oder nur wenig im umgebenden Boden verdrängt. Bei Verwendung eines dicken Seelenrohres wird der Boden beim Einbohren wesentlich stärker verdrängt.
Abb. O-100: Hauptelemente beim Endlosschneckensystem
Bestandteile der Schnecken sind: • Seelenrohr • Schneckenwendel • Bohrspitze bzw. Schneidkopf • Anfängerstück • Verbinder (Sechskant oder Mitnehmer) • Schneckenverlängerungen • Kopfstück mit Anschluss an KDK Die Anfänger haben ein leichtes Eindringen in den anstehenden Boden zu gewährleisten, um möglichst wenig Boden zu fördern. Damit wird eine kontinuierliche Stützung des Bohrlochs erreicht. Die Endlosschnecken sind in der Bauweise sehr starr und können problemlos hohe Drehmomente aufnehmen. Die Schnecke sollte bis auf den Anfänger aus einem Stück bestehen und eine Stückelung nur vorgenommen werden, wenn die geforderte Pfahllänge größer ist als die vorhandene Mastnutzlänge. Die Verbindungen sind durch O-Ringe wasserdicht. Ein schnelles und problemloses Verbinden und Lösen ist nur gewährleistet, wenn die Verbinder ständig absolut sauber gehalten werden.
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3 Drehbohrwerkzeuge
Abb. O-101: links: Anfänger für Endlosschnecken System Bauer rechts: AFEF-Bohrschneckenspitze
Systeme: AF: Normalschnecke mit fester Schneide für bindige und lockere Böden AFE: Schnecke mit verlorener Spitze bzw. Schneide für mitteldichte Böden AFEF: Schnecke mit fester Schneide und Flachmeißel, Rundschaftmeißelbesatz für schwere Böden. Die Meißel sind so gesetzt, dass die Betonieröffnung im Schneidenschatten liegt und somit nicht abgedichtet werden muss. Bei bewehrten Bohrpfählen kann der Bewehrungskorb nur nach dem Rückbau der Bohrschnecke in den frischen Beton eingerüttelt werden. Der Bewehrungskorb muss gut ausgesteift und die erforderliche Betonüberdeckung gewährleistet sein. DIN 4014 lässt dieses Verfahren zu. Tafel 15-L: Standardmaße der Endlosschnecke
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Schnecken-Ø Seelenrohr-Außen-Ø Betonierrohr-Innen-Ø zulässige Axialkraft zulässiges Drehmoment Gewicht
400 168 118 300 120 130
550 168 118 300 120 180
630 168 118 300 120 200
750 356 125 500 300 330
880 445 125 600 400 430
1180 445 125 600 400 630
mm mm mm kN kNm kg/m
Eingesetzt werden die Endlosschnecken für Auflockerungsbohrungen und zur Pfahlherstellung. Bei den sog. SBO-Pfählen (Schneckenbohrpfahl) ist ein spezieller KDK mit Betonierdurchgang erforderlich. Die Pfahlherstellung mit Endlosschnecke vereinigt Aushub, Bohrlochstützung sowie Betonieren des Pfahls in einem Arbeitsgang und stellt daher ein sehr effektives Verfahren dar.
O Bohrungen in der Bautechnik
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Abb. O-102: links: Endlosbohrschnecken System Leffer rechts: Einsatz einer Endlosbohrschnecke bei der Herstellung eines Schneckenbohrpfahles mit einer Bohranlage Liebherr LRB 255
3.3.3 Vollverdrängungsbohrschnecken Eine andere Variante ist die Vollverdrängungsbohrschnecke. Bei diesem wird ein Vollrohr, auch Hohlbohrrohr genannt, das außen mit einer vergleichsweise schmalen Schneckenwendel versehen ist, drehend in den Boden eingebracht. Dabei wird Boden, sofern er entsprechend verdichtungsfähig ist, fast vollständig zur Seite verdrängt. Dieser Pfahltyp wird auch unter dem Namen VB Pfahl, VS Pfahl, SW Pfahl, Atlas Pfahl oder ebenfalls Schraubbohrpfahl hergestellt. Das Hohlbohrrohr ist unten stets verschlossen, entweder mit einer im Boden verbleibenden Fußplatte, einer verbleibenden Schraubspitze oder mit einem Rohr fest verbundenen Anfängerschnecke, konischen Schraubbohrspitze oder einem anderen Schneckenbohrwerkzeug. Das Säubern der Schnecke erfolgt häufig mit zusätzlich angebrachten Schneckenputzer. Die Anwendungsgrenzen ergeben sich zum einen aus den vorhandenen Bohrdurchmessern und je nach Bodenverhältnissen aus den damit möglichen Bohrtiefen, zum anderen aus der Größe (Länge, Breite, Höhe) der eingesetzten Geräte. Für die Herstellung von Schneckenbohrpfählen mit dickem Seelenrohr (Teilverdrängungsbohrpfahl) sowie für die Herstellung von Vollverdrängungsbohrungen werden Geräte mit hohen Drehmomenten benötigt (z. B. LB 24 s. Abb. O-103). Zum Einbohren der Hohlbohrschnecke sind große Drehmomente notwendig, da für die gesamte Bohrlochlänge eine große Reibung zwischen Schnecke und Untergrund sowie zwischen Bohrgut und den Schneckengängen überwunden werden muss. -
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3 Drehbohrwerkzeuge
Die dabei auftretenden Kräfte wie Torsion, Druck und Zug müssen über einen stabilen Mäkler abgetragen werden. Aus diesem Grund kann die Herstellung nur mit einem schweren Trägergerät erfolgen. Damit sind diesem Verfahren hinsichtlich Bohrtiefe, Bohrdurchmesser und Festigkeit des Bodens Grenzen gesetzt. Das Verfahren kann angewandt werden in fest bis locker gelagerten Böden und im verwittertem Fels sowie in gleichförmigen kohäsionslosen Böden mit einer Ungleichförmigkeitszahl U < 3. Unter dem Grundwasserspiegel und in bindigen Böden mit einer Scherfestigkeit Cu < 15 kN/m3 darf das Verfahren nicht angewandt werden.
Abb.O-103: Liebherr Drehbohrgerät Typ LB 24 mit durchgehender Bohrschnecke
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Weiterhin ist das Verfahren empfindlich gegenüber im Boden auftretenden Hindernissen, da während des Abbohrens nicht auf ein anderes Bohrwerkzeug wie zum Beispiel einen Meißel, umgestellt werden kann. Bei unüberwindlichen Hindernissen muss die Bohrung aufgegeben werden. Für die Herstellung einer Vollverdrängungsbohrung gelten die gleichen Kriterien. Aus wirtschaftlichen Gründen (Bohrleistung) sollten für diesen Pfahltyp bevorzugt die Liebherr Geräte LB 28 und LB 36 und vergleichbare Bohrgeräte-Systeme zum Einsatz kommen. (Näheres s. Verfahrenstechnik)
O Bohrungen in der Bautechnik
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Tafel 16-O: Pfahl-Ø und Bohrtiefen in Abhängigkeit vom Gerätetyp bei Liebherr-Bohrgeräten Gerätesystem Liebherr BA-Wert = Drehmoment in kNm LB 16 mit Einfachbohrantrieb BA 120 LB 20 mit Einfachbohrantrieb BA 120 LB 24 mit Einfachbohrantrieb BA 240 LB 28 mit Einfachbohrantrieb BA 280 LB 36 mit Einfachbohrantrieb BA 280
Bohrdurchmesser max. in mm 400 500 750 1100 1100
max. Bohrtiefe m 14 20 22 24 26
Tafel 17-O: Standarddaten der Vollverdränger-Bohrschnecken Schnecken-Ø 200 250 300 400 500 600 Schneiden-Ø 220 270 320 420 520 620 Zentralrohr-Ø 153 191 245 324 419 521 lichte Weite 125 150 200 250 340 445 Wendelsteigung 100 130 180 250 300 350 Wendelstärke 10 12 12 15 15 15 erforderl. Drehmoment 20 40 60 80 100 150 Anmerkung: Zwischenmaße entsprechend den Anwenderanforderungen
700 720 572 500 380 15 200
800 820 665 585 400 15 250
mm mm mm mm mm mm kNm
O Abb.O-104: rechts: Vollverdrängungsbohrschnecken – Links: Herstellung von Bohrpfählen mit Vollverdrängungsbohrschnecken
Zur Herstellung der sog. SOB-Pfähle (Schnecken-Ortbeton-Bohrpfähle), von verschiedenen Anwendern auch VSB-Pfähle (Verdränger-Schnecken-Bohrpfähle) genannt, werden die zuvor beschriebenen Endlosschnecken allerdings mit großem Seelenrohr verwendet, so dass nur ein geringer Querschnittsanteil gefördert wird. Bei diesem Verfahren ist der Einbau eines Bewehrungskorbes in das Seelenrohr möglich. Die Betonüberdeckung ist durch die Schneckenwendel gegeben.
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3 Drehbohrwerkzeuge
Abb. O-105: Anfängerrohr-für Vollverdränger-Bohrschnecke System Leffer – links: offen rechts mit Trapezklappe
O Abb.O-106: Franki VB-Pfahl in der praktischen Anwendung – rechts schematische Darstellung des Verfahrens
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O Bohrungen in der Bautechnik
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Tafel -2: Tragfähigkeiten der Franki-VB-Pfähle (durch Probebelastungen ermittelt) Pfahl-Ø mm 420 510 560 610
Ohne Mantelreibung kN 800 1100 1400 1600
Mit Mantelreibung kN 1100 1600 2000 2300
Bei einer Probebelastung eines mantelverpressten VB-Pfahles Ø 560 mm wurde eine max. Belastung von 5200 kN erreicht. Verdrängerpfahlsystem - Bauer • Ein an einem Gestänge geführtes Verdrängerwerkzeug wird mit hohem Drehmoment und Anpressdruck in den Boden gedreht. • Nach Erreichen der Endtiefe wird das Werkzeug gezogen und gleichzeitig wird Beton über die Hohlseele in den Hohlraum gepumpt. • Durch das vollständige Verdrängen des Bodens bleibt das Bohrplanum frei von Bohraushub, das Bohrgerät kann ohne Behinderung auf der Baustelle bewegt werden • Das seitlich verdrängte Bohrgut verdichtet das umgebende Erdreich. Dadurch wird die Tragkraft des Pfahles erhöht. • Bei kontaminierten Böden entfällt die kostspielige Entsorgung des Aushubmaterials • Das Verfahren ermöglicht hohe Bohrleistungen. Es ist sehr gut geeignet bei homogenen nicht bindigen Böden bis mitteldichter Lagerung. • Durchmesser 400 – 600 mm • Bohrtiefen 10 – 28 m Weitere Hinweise zum Vollverdränger-Bohrsystem Es wird weder eine Bohrlochverrohrung noch eine Stützflüssigkeit verwendet. Die Stützung der Bohrlochwandung erfolgt durch die stets mit Bohrgut gefüllte Schnecke. Die Tragfähigkeit der Pfähle ist durch die teilweise Verdrängung des Bodens und den unter Druck eingebrachten Beton höher als bei den herkömmlichen verrohrt hergestellten Ortbetonbohrpfählen. Der Kontakt zwischen Pfahlschaft und Bohrlochwand wird durch den erhöhten Betonierdruck wesentlich verbessert. Mit dem Verfahren sind hohe Leistungen möglich, denen allerdings auch hohe Gerätekosten gegenüberstehen (wie z.B. Betonpumpe und Hilfskran). Die Verfahren zeichnen sich durch extrem niedrige Erschütterungen aus. Da nur wenig bzw. fast kein Boden zu Tage gefördert wird, entfällt beim Bohren in kontaminierten Böden ein großer Teil der Kosten für die teure Entsorgung des Aushubmaterials. Das Verfahren zeichnet sich durch extrem niedrige Erschütterungen aus.
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3 Drehbohrwerkzeuge
Abb.O-107: Verdränger-Pfahlbohrsystem Bauer
3.3.4 Automatische Bohrrohrkupplung
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Zur Rationalisierung der Nebenarbeiten und Vermeidung der aufgezeigten kostentreibenden Nebenerscheinungen bei nicht vorgenommener Kupplung bzw. Verriegelung der Bohrrohre mit dem Rohrmitnehmer wurden inzwischen Vorrichtungen entwickelt, mit denen das automatische Verriegeln des Rohrmitnehmers mit dem Bohrrohr vom Bohrgerätefahrer vorgenommen werden kann.
O Bohrungen in der Bautechnik
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Abb.O-108: links: Automatische Rohrkupplungen System Delmag – rechts: System Bauer
3.3.5 Schneckenabstreifer Obwohl alle Bohrgerätehersteller inzwischen Schneckenabstreifer, auch Schneckenputzer genannt, anbieten, hat sich beim Kellybohren die Vorrichtung noch nicht voll durchgesetzt. Zunehmend wird aber bereits in den Ausschreibungen das Abschütteln der Schnecke untersagt, da dieser Vorgang z. T. sehr lärmintensiv ist, zumal bei bindigen Böden. Außerdem ist die kurz aufeinander-folgende Wechseldrehung – meistens im Eilgang – den Hydraulikmotoren und Getrieben nicht gerade dienlich. Die Geräte sind inzwischen aber so ausgereift, dass ihr Einsatz zur Selbstverständlichkeit werden müsste. Beim Bohren mit durchgehenden Schnecken finden die Schneckenputzer jedoch grundsätzlich Anwendung.
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Abb. O-109: Schneckenabstreifer System Liebherr – Bohrgerät LB 36
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3 Drehbohrwerkzeuge
3.4 Tiefloch-Bohrhämmer 3.4.1 Allgemeines Bei Bohrungen bis zu einem Durchmesser von 620 mm ist das Durchfahren von hartem Fels oder das Einbinden inzwischen mit Tieflochhämmern mit guten Bohrleistungen wirtschaftlich ausführbar. Der Einsatz ist in verrohrten und unverrohrten Bohrungen möglich. Der Luftbedarf liegt bei diesen neuentwickelten Hämmern in einem vernünftigen Bereich, zumal die Förderhöhe bei Pfahlgründungen verhältnismäßig gering ist. Bei großer Staubentwicklung kann eine Absaughaube eingesetzt werden. Der Vorteil der Tieflochhämmer ist, dass die Schlagenergie unmittelbar auf der Sohle aktiviert werden kann. Der Einsatz findet in großem Umfang in der Sprengtechnik statt, wo bei Massensprengungen in Steinbrüchen auch Bohrungen bis 200 mm Durchmesser zur Anwendung kommen. Die Aufgaben sind nur mit der Tieflochhammertechnik zu erfüllen. Inzwischen wurden bereits Versuche mit sogenannten Bündelhämmern für große Durchmesser gefahren. Hierbei werden mehrere Hämmer zu einer Einheit zusammengefasst. Da der Druckluftverbrauch etwa im Quadrat des Bohrdurchmessers steigt, können dabei jedoch Luftbedarfsprobleme auftreten. Schon bei einem Bohraußendurchmesser von 600 mm beträgt der Druckluftverbrauch etwa 50 m3/h bei 17 bar. Ferner muss die enorme Staubentwicklung beachtet werden. Zur Erzeugung einer ausreichenden Austragsgeschwindigkeit ist der Ringraum zwischen Luftgestänge und Bohrlochwandung bzw. Bohrrohr so gering wie möglich zu halten. Daher hat dieses System bisher keine wesentliche Bedeutung erlangt. Inzwischen wurden weitere Versuche mit größeren Durchmessern durchgeführt. Neben einem sehr hohen Luftverbrauch sind auch spezielle Geräteeinrichtungen erforderlich. Fundierte Ergebnisse und Erkenntnisse liegen dem Verfasser noch nicht vor. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass die ökonomische Grenze nach wie vor bei einem Durchmesser von etwa 800 mm liegt.
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Abb. O-110: Bohrgerät mit Tieflochhammer System Hausherr HBM 80 mit
O Bohrungen in der Bautechnik
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3.4.2 System der Tieflochhammerbohrung Das Bohrprinzip besteht beim Tieflochbohrhammer aus einer Kombination von Schlagen und Drehen. Die wesentlichen Bauteile sind der eigentliche druckluftbetriebene Hammer mit Schlagkolben, das Einsteckende und der Stiftbohrmeißel. Die Druckluft wird über das Hohlbohrgestänge dem Hammer zugeführt. Die Stifte der Krone dringen in den Fels ein und sprengen den Fels in Splittern ab. Obwohl die Eindringtiefe der Stifte je Schlag nur im Millimeterbereich liegt, ist die Bohrleistung bei entsprechender Schlagzahl sehr hoch. A Der Exzenter bohrt außerhalb der Verrohrung einen größeren Bohr-. B Der Exzenter wird nach innen gedreht und das Futterrohr kann nachgeschoben werden. C Exzenter-Einsteckende D Normaleinsteckende
Abb. O-111: System der Hammerbohrung
Die Druckluft kühlt die Bohrkrone, kehrt auf der Bohrlochsohle um und steigt im Ringraum zwischen Hohlbohrgestänge und Futterrohr bzw. Bohrloch nach oben, wobei das Bohrgut ausgetragen wird. Die Austragsgeschwindigkeit beträgt dabei 915 bis 2140 m/min. Der Luftverbrauch ist abhängig von der Ringraumgröße, daher muss das Gestänge dem Bohrdurchmesser angepasst sein. Der Drehantrieb erfolgt in der Regel über den Kraftdrehkopf. Das Bohren mit Imlochhammer gewinnt im Brunnenbau ständig an Bedeutung. Die dabei geforderten großen Bohrdurchmesser sind mit dem konventionellen Hammerbohren nicht erreichbar. Durch den Einsatz von Doppelwandgestänge, in Verbindung mit dem Überlagerungsbohrsystem „Symmetrix“, kann z. B. die Fa. GEOMECHANIK Wasser und Umwelttechnik GmbH Bohrdurchmesser von 150 mm bis 800 mm realisieren. Der Austrag des Bohrgutes über den Innenraum des Doppelwandgestänges (Linksspülbohren) gewährleistet eine gute Ansprache der gewonnenen Bohrproben. Dieses Verfahren erreicht auch bei großen Durchmessern einen Bohrfortschritt bis 5 m/Std.
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3 Drehbohrwerkzeuge
Der Luftbedarf reduziert sich gegenüber dem „Normalen Hammerbohren“ auf ca. 10 - 15%. Durch die Mitführung der entsprechenden Schutzverrohrung kann selbst bei schwierigsten geologischen Bedingungen die Bohrung sicher abgeteuft, sowie das ordnungsgemäße Einbringen des Brunnenausbaus garantiert werden. Das Imlochhammerbohren mit "Linksspülung" (mit oder ohne Schutzverrohrung) wird zukünftig bei Trockenbohrungen mit großem Durchmesser als echte Alternative eine immer größere Bedeutung gewinnen. Da der zu durchfahrende Felsbereich unverrohrt bleiben kann, sind auch Bohrmeißel in Exzenterausführung einsetzbar, mit denen die Bohrung unterhalb der Verrohrung aufgeweitet werden kann, mindestens aber dem Rohraußendurchmesser entsprechend.
Abb.O-112: Tieflochhammer-Bohrsystem bei der Herstellung einer Brunnenbohrung mit einem Durchmesser von 800 mm – Ausführung: Geomechanik Wasser- und Umwelttechnik GmbH.
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Abb. O-113-1: Nutzungshinweise für Imlochhämmer
O Bohrungen in der Bautechnik
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3.4.9.13 Nutzungshinweise für Imloch-Bohrhämmer Herstellung des Kopflochs Bei der Beginn einer Bohrung sollte mit reduziertem Luftdruck gearbeitet werden, sodass die Bohrlochfront nicht zerstört wird, besonders, wenn die Bohrung durch Weichüberlagerungen führt. Wenn das Kopfloch vollendet ist und verrohrt ist, kann der Druck auf den normalen Arbeitsdruck erhöht werden. Sehr nasse Bohrbedingungen
Abb. O-113-2: Nutzungshinweise für Imlochhämmer
In sehr nassen Bohrbedingungen sollte der Bohrhammer mindestens drei Meter vom Bohrlochboden hochgehoben werden, wenn die Bohrung nicht über Nacht fortgesetzt wird, oder eine längere Bohrunterbrechung erfolgt. Dies minimiert das Risiko, dass Bohrklein in den Hammer eindringt oder das Bohrloch zusammenfällt und gegebenenfalls den Hammer vergräbt. Erfolgt die Bohrung unter einer hohen Wassersäule, so empfiehlt sich der zusätzliche Einsatz eines, oder mehrerer Gestängerückschlagventile. Ein Gestängerückschlagventil hat die Form eines kurzen Gestängestücks und wird in ausreichendem Abstand vom Hammer in das Gestänge eingebaut. Es hält den Luftdruck für einige Zeit im Gestänge aufrecht. Bei einem Stopp der Luftzufuhr (z. B. beim Gestängewechsel) hämmert der Imlochhammer noch für kurze Zeit weiter und es kann so ein Rückfluss des Bohrkleins in den Hammer verhindert werden. Bohren mit übergroßen Bohrmeißeln Wenn mit übergroßen Bohrmeißeln gebohrt wird, sollte der Hammer regelmäßig von der Bohrlochsohle gehoben werden und mit bis zum zweifachen Luftvolumen gespült werden. Dies unterstützt die Reinhaltung des Bohrloches. Das Bohrklein, welches sich sonst in dem Bohrloch infolge der reduzierten Auftriebsgeschwindigkeit sammelt, wird durch diese Prozedur ausgetragen.
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Abb.O-113-3: Nutzungshinweise für Imlochhämmer
Einsatz bei Wasserdruck Starker Wasserdruck in einem Bohrloch erzeugt Druck gegenüber dem Luftstrom. 10 Meter Wasser in einem Bohrloch erzeugen 1 bar Gegendruck gegen den momentan herrschenden Luftdruck im Hammer. Es sollte daher bei der Festlegung des Luftdrucks die maximale Tiefe des Wassers, die in dem Bohrloch erwartet wird, berücksichtigt werden. Zum Beispiel ein Hammer, der mit 12 bar Luftdruck 40 Meter unter dem Wasserspiegel arbeitet erhält 4 bar Gegendruck, sodass er effektiv nur mit 8 bar arbeitet. Wenn der gewünschte, kalkulierte Druck von 8 bar unter dem Minimum des empfohlenen Arbeitsdrucks des Hammers liegt, wird die Vortriebsgeschwindigkeit stark reduziert und wird eventuell bis zu Null heruntergehen, wenn der Hammer noch tiefer unter Wasser bohrt. Bei Bohrungen unter Wasser ist es empfehlenswert den Meißel auf dem Boden des Bohrlochs stehen zu lassen, wenn Gestänge zugefügt wird, da sonst Wasser und Bohrklein in den Hammer durch die Auslasslöcher im Bohrmeißel eindringen kann.
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Abb. O-114-4: Nutzungshinweise für Imlochhämmer
O Bohrungen in der Bautechnik
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Benutzung von Schaum Schaum und Wasserlösungen können in den Luftstrom durch den Einsatz einer Schauminjektionspumpe beigefügt werden. Die Einspritzung des Schaumes sollte nach dem Luftölen erfolgen und mit einem Injektionsdruck, der ca. 3 bar höher liegt als der Nennarbeitsdruck. Ein Maximum von 1 bis 2 Litern Schaummittel auf 100 l Wasser ist im Allgemeinen ausreichend für die meisten Schauminjektionsanwendungen mit Imlochhämmern. Schauminjektionen sind eine ausgezeichnete Hilfe, um die Auftriebsgeschwindigkeit bei Bohrungen mit niedrigem Luftdruck mit übergroßen Meißeln zu unterstützen oder Bohrgutaustragungen durch große Mengen Wasser zu unterstützen. Schaum und Wasserinjektionen sind auch dann hilfreich, wo kleine Mengen Wasser im Bohrloch vorhanden sind, durch die der Felsstaub zu einer Paste gebunden wird. Hierbei besteht die Gefahr, dass die Luftaustrittsöffnung verstopft werden und eine Ausfütterung des Bohrloches entsteht. Schaum hilft auch, wenn durch Tonlager gebohrt wird. Horizontales Bohren Wenn eine Bohrung horizontal beginnt und der Mast horizontal liegt, besteht die Möglichkeit, dass der Kolben in eine Mittelposition gelangt (A). Wenn der Meißel dann mit dem Felsen in Kontakt gebracht wird und die Meißelschulter Kontakt mit dem Hammer bekommt bevor die Luft angestellt ist startet der Hammer möglicherweise nicht.
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Abb. O-115: Horizontales Bohren mit Imlochhammer
Um dies zu verhindern: sollte der Hammer vom Fels zurückgezogen werden, die Luft angelassen und durch den Hammer geblasen werden, damit der Meißel sich auf den Kolben legt (B). Der Hammer sollte wieder auf den Fels geführt werden und die Luft angestellt werden; der Hammer wird dann normal arbeiten (C).
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Arbeitsempfehlungen Es wird empfohlen, die Bohrmeißel so lange wie möglich verpackt zu lassen, um sie bis zum Einsatz geschützt zu halten. Falls sie für eine gewisse Zeit unverpackt stehen, sollten die Schlagflächen und Nuten mit Fett geschützt werden. Bevor der Bohrmeißel eingesetzt wird sollte überprüft werden, ob sich während des Transports irgendwelche Schäden ereignet haben. Es darf niemals auf den Hammerkopf geschlagen werden, um den Hammer auseinanderzuschrauben oder zusammenzusetzen. Die Hartmetallstifte dürfen niemals Kontakt mit anderen Metall bekommen. Es muss auf jeden Fall darauf geachtet werden, dass bei einer Verpackung von Meißeln niemals die Hartmetallstifte gegeneinander stoßen. Wenn eine neue Verpackung notwendig wird, müssen die Meißel so verpackt werden, dass die Fußventile geschützt sind und vor Beschädigungen geschützt werden.
Abb. O-116: Inspektion des Meißels
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Inspektion des Bohrmeißels Der Meißel muss gereinigt werden und die Schlagfläche visuell auf Beschädigung oder Metallteilchen untersucht werden. Die Meißelnuten müssen überprüft werden und alle scharfen Ecken oder Absplitterungen sollten mit einer Feile nachgeschliffen werden. Das Fußventil sollte auf Beschädigungen oder Verformungen untersucht werden und gegebenenfalls ersetzt werden. Die Meißeloberfläche muss auf die Stift- und Außendurchmesserbedingungen untersucht werden. Gründe für excessive und starke Meißelabnutzung Starke Abnutzung der äußeren Flächen der Hartmetallstifte wird durch zu schnelle Rotationsgeschwindigkeit oder unzureichende Spülluft begründet. Es ist wichtig, eine angemessene Drehgeschwindigkeit zu allen Zeitpunkten einzuhalten, die mit der Felsart und dem Bohrmeißeldurchmesser übereinstimmt. Es wird empfohlen, die Bohrmeißel regelmäßig zu schärfen, um zu erreichen, dass möglichst wenige Hartmetallstifte herausfallen oder beschädigt werden. Ein stark abgetragener Bohrmeißel wird eine starke Reduktion im Bohrfortschritt nach sich ziehen. Flache Oberflächenstifte des Meißels zeigen im Allgemeinen, dass der Hammer zu wenig Schlagenergie oder unzureichende Auflast hat.
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Abb. O-117: Meißelabnutzung
Starke Abnutzung Abrasiver Fels wie zum Beispiel Quarzite bedingen eine viel höhere Abnutzungsrate als weniger abrasive Felsen. Die Umfangsstifte erleiden hierbei die größte Abtragung, weil diese am schnellsten drehen und mehr Fels zu schneiden haben als die Zentrumsbohrstifte. Abgetragene Umfangsbohrstifte und der Verlust von Außenstahl im Innenmeißelkopf führen zu Verklemmungen, Reduktion der Bohrgeschwindigkeit und ziehen oft Stiftbrüche nach sich. Gebrochene Stifte kann mit einem oder mehreren gebrochenen Stiften weiter eingesetzt werden, aber natürlich mit einer reduzierten Fortschrittsgeschwindigkeit. Gebrochene Stifte sollten bis zum Grund abgeschliffen werden, um zu vermeiden, dass später abbrechende Stiftpartikel andere Stifte beschädigen.
O Abb. O-118: Gebrochene Stifte
Oberflächeneinkerbungen Bei der Inspektion des Bohrmeißels sollte darauf geachtet werden, ob irgendwelche Zeichen eines Thermalbruchs an den Stiften zu erkennen sind. Kleine Einkerbungen oder eine Menge von sehr kleinen Oberflächenrissen können durch Überhitzung der Hartmetallstifte entstanden sein. Wenn diese Bedingungen nicht bemerkt werden, können die Risse kleine Oberflächenspalten verursachen und eventuell zu einem kompletten Verlust eines Stiftes führen.
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3 Drehbohrwerkzeuge
Abb. O-119: Oberflächeneinkerbungen
Abb. O-120: Starke Abnutzungsflächen
Kleine Oberflächenrisse können in gewissen Felsbedingungen, lange bevor die Hartmetallstifte flach werden, auftreten. Sie sind leicht durch Schleifen der entsprechenden Fläche zu beseitigen.
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Starke Abnutzungsflächen Starke Abnutzungsflächen, besonders an den Außenstiften, ziehen eine starke Minderung der Fortschrittsgeschwindigkeit nach sich und führen zur Verkeilung oder Verklemmung im Loch und so zu Meißelschäden. Die Breite der Abnutzungsflächen sollten 3 mm nicht überschreiten, wenn Aufheizungen durch Reibung vermieden werden soll. Unter abrasiven Bedingungen ist es ratsam, die Rate der Abnutzung über eine gemessene Tiefe zu beobachten, um zu entscheiden, wann ein Überschleifen notwendig wird. Schleifmethoden Das Schleifen mit Diamant-Kappen-Schleifern ist die beste und meist praktizierte Methode des Überschleifens von Bohrmeißeln. Diaroc imprägnierte Schleifkappen sind in ihrer Form auf die Bohrmeißelstifte abgestimmt, um eine gute Qualität des Schleifvorgangs zu erreichen. Borroc Kappen haben eine imprägnierte Diamantoberfläche rund um die Lippe der Kappe um den Stahl als Basis des Hartmetallstiftes zu bearbeiten.
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Abb. O-121: Schleifmethoden
3.5 Spülbohrverfahren mit Rollenmeißel-Flachbohrköpfen Diese Bohrköpfe sind aus dem Großbrunnenbau, Rohrvortrieb, Tunnelbau und der Tiefbohrtechnik hinreichend bekannt. Rollenmeißel, mit Hartmetallstiften besetzt, sind die wesentlichen Werkzeuge für dieses System. Die Rollenmeißel sind am Werkzeug so angebracht, dass bei einer Umdrehung des Bohrkopfes die gesamte Bohrlochsohle abgefahren wird. Der Bohrandruck besteht aus der Eigenlast des Bohrstrangs, der Vorschubkraft und eventuellen Zusatzgewichten (Schwerstangen). Die Auflast muss so hoch sein, dass die Hartmetallstifte der Rollenmeißel in den Fels eindringen und ihn zum Abplatzen bringen können. Das gelöste Material wird im Spülbohrsystem (Lufthebeverfahren) zutage gefördert.
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Abb. O-122: Rollenmeißel-Großbohrkopf mit Rollenmeißelbesatz und hydraulischem Rohrunterschneider, links: Schnitt
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3 Drehbohrwerkzeuge
3.6 Sonstige Geräte
Abb. O-123: links: Arbeitskorb für zwei Personen - rechts: Arbeitskorb im praktischen Einsatz mit Gütesiegel nach den Richtlinien der Berufsgenossenschaft
Arbeitskörbe bzw. -bühnen Sind Arbeiten (z. B. beim Betonieren und Bewehren, bei Reparaturen usw.) in größerer Höhe (über 2 m) ohne gesicherte Arbeitsplattformen, Aufstiegsleitern oder sonstige Einrichtungen, die einen Absturz vermeiden, auszuführen, so können Arbeitskörbe oder Arbeitsbühnen eingesetzt werden. Sowohl die Körbe bzw. Bühnen als auch die Hebeeinrichtungen (Seilwinden) müssen den ,,Sicherheitsregeln für hochziehbare Personenaufnahmemittel“ der TBG (ZH 1/461) entsprechen. Die Inbetriebnahme solcher Einrichtungen muss der Berufsgenossenschaft angezeigt werden.
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Befahrungskorb Der Befahrungskorb ist vorgesehen zum Befahren von verrohrten Bohrungen und zum Durchführen von Arbeiten auf der Bohrlochsohle. Er muss an zwei Hebeaugen aufgehängt werden, die über voneinander unabhängige Antriebe verfügen: Das betriebsmäßige Hebezeug ist z. B. eine Winde, die den TBG-Sicherheitsregeln für hochziehbare Personenaufnahmemittel entspricht und am Ausleger eines Baggers befestigt ist. Das Hubseil des Baggers wird als Sicherungsseil ebenfalls am Befahrungskorb angeschlagen und während des Normalbetriebes schlaff mitgeführt; die Hubseilwinde des Baggers dient als Hebezeug für den Notfall. Der Seilbagger muss mit selbstständig wirkenden Sicherheitseinrichtungen für den Hebezeugbetrieb ausgerüstet sein. Der in Abb. O-124 gezeigte Befahrungskorb System Hartfuß Stahlbau, Saarbrücken, ist durch die Bau-Berufsgenossenschaft zugelassen und hat das GS-Siegel (Geräte mit geprüfter Sicherheit).
O Bohrungen in der Bautechnik
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Befahrungskorb Typ zulässige Personenzahl Nutzlast einschl. Person Eigenlast erforderl. Tragkraft des Hebezeuges für Bohrrohre ab Innen-Ø
BK 700 1 100 233 500
BK 900 2 300 366 1000
Einheit kg kg kg
800
1000
mm
Abb. O-124: Befahrungskorb System Hartfuss Stahlbau, Saarbrücken, mit Tabelle
Weiteres Zubehör Zur weiteren Ausrüstung einer bohrtechnischen Baustelle gehören neben den Großgeräten • Radlader • Magazin- und Personalcontainer • sanitäre Einrichtungen • handelsübliche Kompressoren • Schweißgeräte • Beleuchtungseinrichtungen Es wurde bei diesem Abschnitt der Flachbohrtechnik nicht näher auf die Bohrpfahlherstellung (Bewehren, Betonieren usw.) eingegangen, da es nicht zum Thema „Bohrtechnik“ gehört. Hierzu wird auf die entsprechende Literatur des Autors (z. B. „Handbuch des Spezialtiefbaus – Geräte und Verfahren“ sowie „ Spezialtiefbau Praxis A bis Z“) hingewiesen. Das gilt auch für die folgenden Abschnitte der Flachbohrtechnik.
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P Baugrunderkundungsbohrungen 1 Allgemeines Abgesehen von kleineren Baumaßnahmen werden Baugrunduntersuchungsarbeiten heute vorwiegend mit technisch ausgereiften Bohrgeräten und Bohrwerkzeugen ausgeführt. In den letzten Jahren hat hier eine enorme Entwicklung stattgefunden. Die Geräte ermöglichen nicht nur einen schnellen Transport und ein einfaches Umsetzen, sondern erlauben hohe Bohrleistungen mit einem geringen Personalaufwand. Die übliche Bohrkolonnengröße beträgt heute zwei Mann. Besonders die deutsche Bohrgeräteindustrie hat sich auf dem Bereich der leichten und mittelschweren Bohrgeräte spezialisiert. Es werden daher im Weiteren nur Geräte und Werkzeuge aus deutscher Produktion vorgestellt und besprochen. Die hohe technische Ausstattung macht es daher erforderlich, den maschinentechnischen Bereich in einem besonderen Kapitel ausführlich in folgenden Abschnitten zu behandeln: • Bohrgeräte • Werkzeuge
2 Bohrgeräte 2.1 Allgemeines Je nach Anforderungen und Baugrundverhältnisse kommen sowohl Geräte zum Einsatz, wie sie im Spezialtiefbau und Brunnenbau üblich sind, als auch Spezialgeräte oder für die besonderen Anforderungen angepasste bzw. weiterentwickelte Maschinen. So werden insbesondere im Deponiebereich vielfach Greiferbohranlagen mit hydraulischen Verrohrungsmaschinen verwendet. Dagegen erfordern Kernbohrungen spezielle Ausstattungen, die bei den Großdrehbohrgeräten des Spezialtiefbaus nicht vorhanden sind. Hinzu kommen andere Anforderungen bezüglich der Mobilität. Insbesondere die deutsche Bohrgeräteindustrie hat in Zusammenarbeit mit den Anwendern eine Vielzahl moderner Geräte für die Baugrunderkundung entwickelt. Aber auch namhafte ausführende Bohrunternehmen entwickeln und fertigen Spezialgeräte, die oft ihren eigenen Sonderverfahren entsprechen. Die Geräte der einzelnen Hersteller unterscheiden sich in bestimmten Details. Das Grundkonzept entspricht schon einem gewissen Standard. Alle Geräte sind sowohl für den Baugrundaufschluss als auch für den Brunnenbau einsetzbar. Die straßenzulässigen Typen haben, abhängig vom zulässigen Gesamtgewicht des Trägerfahrzeuges, Einsatzgewichte bis etwa 30 t. Großgeräte, die nicht Gegenstand dieser Betrachtungen sind, benötigen Transportausnahmegenehmigungen oder werden für den Transport teildemontiert. Diese Gerätetypen sind jedoch für den Baugrundaufschluss nicht geeignet. Die überwiegend vollhydraulisch arbeitenden Geräte stellen hohe Anforderungen an das Bedienungspersonal hinsichtlich Bedienung und Wartung. H. -O. Buja, Handbuch der Tief-, Flach-, Geothermie- und Horizontalbohrtechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-9943-9_16, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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2 Bohrgeräte
2.2 Drehbohrgeräte für die Baugrunderkundung 2.2.1 Baugruppen der Drehbohrgeräte Die wesentlichen Baugruppen sind: • Fahrwerk oder Trägerfahrzeug • Mast mit Abstützvorrichtung und Ausleger • Vorschubeinrichtung • Kraftdrehkopf bzw. Kraftspülkopf • Seilwinden • Schlagwerk • Gestängeabfangvorrichtung • Verrohrungsdrehtisch • Antriebsaggregat • Hydraulikaggregat • Pumpen • Kompressoren • Sonstige Ausstattung
2.2.3 Fahrwerke und Trägergeräte Bei den Drehbohrgeräten für den Baugrundaufschluss sind folgende Fahrwerke üblich: • Raupenunterwagen • Anhängerfahrgestell (ein- und zweiachsig) • Unimog oder Lkw • Kufen
P Abb.P-1: Bohrgerät Typ TR 4 der Fa. SCHÜTZEICHEL an einem Steilhang
Raupenunterwagen Die Raupenunterwagen haben sich sehr stark durchgesetzt, da sie bei allen Baustellenverhältnissen eingesetzt werden können. Sie erfordern keine besonderen Baustraßen oder befestigte
P Baugrunderkundungsbohrungen
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Bohrebenen und können auch größere Steigungen bzw. Gefalle bewältigen. Für den Straßenbereich sind Raupenbänder mit Kunststoffplatten möglich, anderenfalls sind Gummibänder, Reifen oder Bohlen auszulegen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Raupengeräte bei richtiger Einsatz- weise weniger Flurschaden verursachen als Mobilgeräte. Sie können abschüssigen Gelände und voll aufgerüstet (Mast abgelegt) verfahren werden Die Raupenfahrwerke für Baugrundaufschlussbohrgeräte sind in der Regel starr, d. h. ohne Drehkranz. Es erübrigen sich die sonst notwendigen Drehdurchführungen. Die Fahrwerksketten haben getrennte Hydraulikantriebe. Die Steuerung erfolgt über einseitigen oder gegenläufigen Antrieb. Die Fahrwerke müssen ausreichend bemessen sein und eine ausreichende Reserve für die Standsicherheit besitzen.
Abb. P-2: Bohrgerät Nordmeyer DSB 1 auf einem Tieflader
Ein wesentlicher Nachteil besteht darin, dass für den Transport eine Zugmaschine (Lkw oder Unimog) mit Tieflader benötigt wird. Bei weit auseinander liegenden Bohrpunkten muss der Tiefladerzug auch für das Umsetzen vorgehalten werden oder jeweils neu anfahren. Ein gewisser Ausgleich entsteht dadurch, dass das ziehende Fahrzeug die Bohrrohre, Werkzeuge und sonstiges Zubehör transportiert. Wegen der größeren Ladekapazität wird überwiegend ein Lkw zum Einsatz kommen. Anhängerfahrgestell Nur für leichte Bohrgeräte bis etwa 6,5 t Gesamtgewicht eignen sich Einachsfahrgestelle bei einer Tandemachse etwa 8,5 t. Diese Geräte sind im Gelände jedoch schlecht manövrierbar und daher nur für gut zugängliche Einsatzorte zu empfehlen. Neben den geringen Beschaffungs- und Vorhaltekosten sind auch die Transportkosten sehr günstig, da nur ein mittelschweres Zugfahrzeug benötigt wird, das gleichzeitig auch die Rohre und Werkzeuge befördert. Die Stückzahl dieser dürfte allerdings sehr gering sein.
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Abb. P-3: Nordmeyer-Bohrgerät Typ B-O auf Einachsfahrgestell
Unimog oder Lkw Diese Aufbauart ist wohl am meisten vertreten. Die Entscheidung ob Lkw oder Unimog hängt dabei in erster Linie vom Gewicht des Bohrgerätes ab. Die Nutzlast des z. Z. größten Unimog U 5000 Euro beträgt etwa 10.000 kg, das entspricht einem leichten bis mittleren Bohrgerät. Es stehen hier zahlreiche Varianten, z. B. besonders großer Radstand bis 4.100 mm (in der Regel erforderlich), zur Auswahl. Die Motorleistung beträgt 160 kW (ausreichend für eine mittl. Bohrgeräteklasse). So weit möglich, wird man dem Unimog aufgrund seiner hohen Geländegängigkeit den Vorzug geben. Ein weiterer Vorteil sind die zahlreich vorhandenen Zapfwellen und Abtriebe für Zusatzaggregate (z. B. Hydraulikaggregat) und eine leistungsfähige Hydraulikanlage. Eine Reifendruckanlage überwacht ständig den Reifendruck. Der Fahrer kann während der Fahrt bei einer Änderung der Untergrundverhältnisse den richtigen Luftdruck einstellen. Mit insgesamt 16 Gängen ist eine genaue Anpassung an die Geländeverhältnisse möglich. Für schwere, straßenzulässige Bohrgeräte kommen nur geländegängige Zweiachs- bzw. Dreiachsfahrzeuge zur Anwendung. Der Bohrgeräteantrieb erfolgt in aller Regel über den Fahrzeugmotor, was das Aufbaugewicht des Bohrgerätes reduziert.
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Abb. P-4: Unimog Typ U 5000 Euro 3 mit Normalradstand- zul. Gesamtlast max.14.100 kg
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Es dürfte selbstverständlich sein, dass auf Allradantrieb auf keinen Fall verzichtet wird, da nur selten ein reiner Einsatz im Straßenbereich möglich ist. In größeren Betrieben mag dies anders sein, da dort eine entsprechende Geräteauswahl zur Verfügung steht und dem jeweiligen Einsatz angepasst werden kann.
Abb. P-5: Nordmeyer Bohrgerät DSB 0-3 auf einem Unimog Typ U 5000 Euro 3 mit Vorbauwinde
Vielfach werden aus Kostengründen Gebrauchtfahrzeuge verwendet. Diese Entscheidung sollte gut überlegt sein, da die Gewichtsauslastung sehr hoch ist und der Motor als Antrieb für das Bohrgerät überwiegend auf Volllast betrieben wird. Gebrauchte Fahrzeuge (vielfach aus Bundeswehrbestand haben sich selten auf lange Sicht bewährt und führen sehr häufig zum Geräteausfall. Selbstfahrende Bohrgeräte haben gegenüber den Raupengeräten einen erheblichen Vorteil in der Logistik, besonders dann, wenn die jeweilige Gesamtlast und Aufbaukonzeption das Mitführen eines Anhängers für das Zubehör erlaubt. Dies ist oft nicht möglich, so dass ein Zweitfahrzeug mitgeführt werden muss. Je nach Anzahl und Lage der Bohrpunkte sowie Entfernung zwischen Firmensitz und Einsatzort ist eine Rückfahrt nicht von Vorteil. Hiermit entfällt eine anderweitige zwischenzeitliche Verwendung von Lkw bzw. Zugmaschine und Tieflader. Die Gerätevorhaltekosten erhöhen sich in diesem Fall nicht unerheblich.
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Abb. P-6: Aufbauvarianten – links: SATVIA-Bohrgerät Typ VB 400 auf Mercedes -3Achs-LkW – rechts: Nordmeyer Bohrgerät Typ DSB 2 auf 3Achs-Anhänger
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Wechselpritsche In den wenigsten Betrieben steht eine Geräteauswahl für die unterschiedlichsten Einsätze zur Verfügung. Andererseits können auch nicht nur die Anfragen bearbeitet werden, für die der Gerätepark „maßgeschneidert“ ist. Der Geräteaufwand soll aber auch betriebswirtschaftlich vertretbar sein. Eine Ausrüstung, die nicht den Baustellenverhältnissen angepasst ist, kann zur erheblichen Leistungsminderung führen, die das Baustellenergebnis unter Umständen negativ beeinflusst. Es muss also eine Möglichkeit gefunden werden, sich der jeweiligen Situation mit dem geringsten Aufwand anzupassen. Hier bietet sich ein Wechselpritschensystem an. Ein solches System könnte aus nachfolgenden Komponenten bestehen: • Bohrgerät (Kompaktbauweise) komplett mit Antriebsmotor auf Wechselrahmen • Raupenfahrwerk mit Wechselrahmen (evtl. mit Elektrohydraulikpumpe und Batterie für Bewegungen auf kurze Distanzen, z. B. beim Verladen) • Unimog mit Wechselrahmen • Ladepritsche für Unimog • Tieflader • 2achs-Anhänger Mit dieser Ausstattung wären folgende Transport- und Einsatzkombinationen möglich: • Bohrgerät auf Raupenfahrwerk, Transport mit Unimog auf Tieflader (evtl. Zusatzfahrt mit Unimog und Anhänger; der Unimog steht für die Versorgung der Baustelle zur Verfügung. • Bohrgerät auf Unimog und Anhänger für Bohrgeräte (falls das Mitführen eines Anhängers aus Zulassungsgründen nicht möglich ist, zusätzliche Zugmaschine erforderlich). • Ohne Auslastung der Bohrgeräte kann der Unimog mit Anhänger oder Tieflader für andere Einsätze verwendet werden.
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Abb. P-7: Systemdarstellung für den Geräteeinsatz beim Wechselpritschensystem
2.2.4 Gerätekomponenten Der Bohrmast (Abb. P-8), ein selbsttragendes Kasten- oder Rohrprofil, besteht aus folgenden Untergruppen: • Rollenkopf • Werkzeugausschwenkarm • Abstützung Er dient ferner zu Aufnahme • der Verschubeinrichtung • des Seil Schlagwerkes • der Gestängeabfangvorrichtung • der Verrohrungseinrichtung • der Führung des Kraftdrehkopfes Der Mast wird über Hydraulikzylinder mit Verlängerung abgestützt sowie auf- und abgelegt. Durch die hydraulische Absetzung sind auch Schrägbohrungen möglich. Der Kraftdrehkopf ist meistens als Spülkopf eingerichtet. Die Standardlänge ist so bemessen, dass die Transportmaße bzw. -vorschriften eingehalten werden. Falls größere Mastlängen nötig sind, lassen sich diese mit Hilfe einer absteckbaren Scharniereinrichtung einknicken.
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Der Rollenkopf ist in der Regel für zwei Seilführungen (Haupt- und Hilfswinde) vorgesehen. Die Rollen müssen mit zuverlässigen Führungen versehen sein, damit ein Abspringen der Seile verhindert wird. Unabhängig vom Gerätefabrikat ist der Mast heute standardmäßig mit einem sogenannte „Werkzeugausschwenkarm“ ausgerüstet, der das Aufnehmen und Ablegen von Gestängen und Bohrrohren mittels der Zusatzwinde erheblich erleichtert. Die Mastabstützung besteht aus einem Hydraulikzylinder. Sie dient der Stabilisierung des Bohrmastes, insbesondere bei der Aufnahme von Zugkräften. Zur Standardausrüstung gehören ferner: • Gestängeabfangvorrichtung, • Brecheinrichtung, • Verrohrungsdrehtisch, • Schlagwerk.
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Abb. P-8: Bohrgerätemast mit Anbaugruppen
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Vorschub- bzw. Nachlasseinrichtungen Aufgabe der Vorschub- bzw. Nachlasseinrichtung ist es, die Bohrwerkzeugbelastung bzw. entlastung während des Bohrens in einem vorgegebenen Umfang zu ermöglichen. Dazu ist es erforderlich, eine Vorschubkraft auf das Bohrwerkzeug auszuüben (Bohren mit Belastung) oder der Belastung des Bohrwerkzeuges entgegenzuwirken (Bohren mit Entlastung). Dies kann z. B. nötig werden, wenn sich eine Bohrschnecke so stark in den Boden zieht, dass der Bohrantrieb (Kraftdrehkopf) überlastet wird. Einrichtungen, die das Bohren mit Belastung ermöglichen, werden als Vorschubeinrichtungen, und Vorrichtungen, die nur das Bohren mit Entlastung erlauben, werden als Nachlasseinrichtungen bezeichnet. Um die Bohrwerkzeugbelastung im vorgegebenen Größenbereich während des Bohrens aufrechterhalten zu können, müssen Vorschub- bzw. Nachlassvorrichtungen kontinuierlich und unabhängig vom Antrieb des Bohrwerkzeuges regelbar sein, um sich den ständig ändernden Bohrbedingungen anzupassen. Die kennzeichnenden technischen Parameter von Vorschubeinrichtungen sind: Ihren Antrieb erhalten Vorschubeinrichtungen entweder über • Kolbenvorschubeinrichtungen • hydraulisch angetriebene Seil- oder Kettenzugeinrichtungen • Kombinationen von Winden und Hydraulikzylindern • Zahnradantrieb Kolbenvorschubeinrichtungen Reines Kolbenvorschubeinrichtungen ist überwiegend bei Trockenbohrgeräten mit Kraftdrehkopf anzutreffen. Der Kraftdrehkopf ist dabei mit der Kolbenstange verbunden, während das geschlossene Ende des Zylinders am Mastkopf bzw. Mast befestigt ist. Um einen möglichst großen Hub bei vertretbaren Kolbenlängen zu erhalten, verwenden verschiedene Hersteller ein Zweizylindersystem. Die Anordnung der Vorschubzylinder richtet sich nach dem Einsatzgebiet des Bohrgerätes. Sind hohe Vorschubkräfte erforderlich, zeigt die Kolbenstange in Bohrrichtung, so dass die Vorschubkraft von der vollen Kolbenfläche erzeugt werden kann. Bei vorwiegendem Bohren mit Entlastung werden die Vorschubzylinder entgegengesetzt angeordnet. Dabei kann die Vorschubeinrichtung außen oder im Mast liegen. Der Nachteil dieses Systems liegt in der eingeschränkten freien Arbeitslänge von 4 bis 8 m (gemessen von Unterkante Bohrwerkzeug bis zum Gelände). Ketten- oder Seilvorschubeinrichtungen Vorschubeinrichtungen mit Seilen oder Ketten als Funktionselemente werden ebenfalls vorwiegend an Bohrgeräten mit Kraftdrehköpfen verwendet. Der Kraftdrehkopf ist hier an einem Schlitten oder Wagen befestigt, der am Bohrgerüst geführt wird. Mit Hilfe von Seil- oder Kettensträngen kann der Schlitten in Vorschubrichtung bewegt werden. Angetrieben wird dieser Mechanismus von einer hydraulisch angetriebenen Seilwinde oder einem Zahnradgetriebe. Der Antrieb des Antriebsrades oder der Winde erfolgt über ein Getriebe mit Hydraulikmotor. Die Geschwindigkeit lässt sich stufenlos regeln.
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Abb. P-9:
System des Ketten- bzw. Seilvorschubs 1 Antriebssystem 2 Umkehrrolle 3 Seil- oder Kettenzug 4 Kraftdrehkopf 5 Schlitten oder Wagen
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Als Antriebsrad bei Seilvorschubeinrichtungen dient eine Trommel, um die der Seilstrang mit einigen Windungen gelegt wird. Beim Kettenvorschub wird ein entsprechendes Kettenrad verwendet. Bei dem Antrieb durch Ketten ist mit hohem Verschleiß und Störanfälligkeit durch Schmutz (insbesondere bei Arbeiten in Verbindung mit Beton und Zementschlempe) zu rechnen, was als nachteilig angeführt werden kann. Dagegen hat der Seilvorschub, der sich immer stärker durchsetzt, folgende Vorteile: • verhältnismäßig unempfindlich gegen Schmutz, • geringe Störanfälligkeit, • als Nutzlänge für Gestänge, Werkzeuge und Rohre steht nahezu die volle Mastlänge zur Verfügung, • kein Umbauaufwand beim Wechsel von Kellystange auf Endlosschneckensystem. Grundsätzlich werden unterschieden: • geschlossene Systeme und • offene Systeme. Kombination von Kolben- und Seilvorschub Dieses System gehört zu den offenen Seilvorschubeinrichtungen (ein Strang für den Vorschub, ein Strang für den Rückhub). Sie werden meist durch Hydraulikzylinder unterschiedlicher Anordnung angetrieben (Abb. P-10). Häufig werden in Richtung der größeren Kraftwirkung zwei Teilstränge verwendet. Durch Aufwickeln der freien Seilenden auf Seiltrommeln kann dabei je nach Seilvorrat die Vorschublänge wesentlich vergrößert werden. Mit derartigen Vorschubeinrichtungen können Vorschublängen über 20 m bei Vorschubkräften bis 400 kN erreicht werden.
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Abb. P-10: Verschiedene offene Seilvorschubsysteme 1 Hydraulikzylinder 2 Kraftdrehkopf 3 oberer Teilstrang 4 unterer Teilstrang 5 freies Seilende a) verschiebbarer Kolben mit einer Kolbenstange b) verschiebbarer Zylinder
2.2.5 Antrieb der Bohrwerkzeuge Kraftdrehköpfe Ein Mangel dieser Schaltgetriebe sind ihre relativ großen Abmessungen und die Tatsache, dass eine Änderung des Drehzahlbereiches während des Bohrvorganges nur möglich ist, wenn sich der unmittelbar mit dem Getriebe verbundene Kraftdrehkopf in seiner untersten Stellung befindet. Da Großdrehbohrgeräte nur mit verhältnismäßig geringen Drehzahlen arbeiten, sind Schaltgetriebe hier wegen ihrer Reparaturanfälligkeit wenig sinnvoll. Deshalb werden meist Kraftdrehköpfe verwendet, die durch mehrere Hydraulikmotoren angetrieben werden und als Getriebe nur ein Zahnradpaar mit einem bestimmten Untersetzungsverhältnis aufweisen. Als optimal hat sich die Verwendung von Hydraulikmotoren unterschiedlicher Charakteristik erwiesen. Dadurch erhält man verschiedene Drehzahl- und Drehmomentbereiche. Kraftspülköpfe KSP Im Gegensatz zu den Kraftdrehköpfen für das reine Trockenbohren erfordern Kraftspülköpfe (abgekürzt KSP) eine aufwendige Kinematik, verbunden mit einem hydraulisch betätigten Spannkopf. Der Spülkopf ersetzt dabei Drehtisch oder Bohrspindel. Das Bohrgestänge wird kopfseitig angetrieben. Je nach Modell steht eine Auswahl von verschiedenen Hydraulikmotoren und schaltbaren Reduktionsgetrieben zur Verfügung, so dass im Einzelfall bis zu acht Drehzahlbereiche möglich sind.
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Abb. P-11: Beispiel für einen Kraftspülkopf KSP System GEOTEC
Zum Freimachen des Bohrlochmundes für Bohrhilfsarbeiten (Ausbau mit der Seilwinde) oder für das Umstellen auf ein anderes Bohrverfahren (Seilschlagbohren) kann der Kraftdrehkopf am Schlitten seitlich aus der Bohrlochsohle herausgeschwenkt werden.
Abb. P-2:
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Durch die Ausschwenkvorrichtung kann das Bohrloch z. B. zum Einfahren von Sondier- und Probeentnahmegeräte freigemacht werden – hier: System der Fa. Nordmeyer
Hydraulisch angetriebene Kraftdrehköpfe lassen sich auch unabhängig von speziellen Bohrgeräten, wie z. B. an Hydraulikbaggern, als Zusatzaggregat zum Niederbringen von Bohrungen geringer Teufe einsetzen. Spülkopfspindeln gibt es mit zugehörigen Spülköpfen für direkte und indirekte Spülung. Kombinationsspindeln Floatingspindeln, Hohlspindeln für das Durchfahren von Gestänge und Spindeln mit Steckverbindung sind ebenfalls lieferbar. Alle Spindeln können schnell und einfach ausgewechselt werden. Je nach Fabrikat und Typ verfügen die Kraftdrehköpfe über ein Drehmoment von 1,0 – 16,0 kNm bei bis zu 3 Schaltstufen und Drehzahlen von 46 – 900 min–1. Die Durchgänge haben Durchmesser von 120, 125, 130 und 150 mm.
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Die in Tabellen angegebenen Drehzahlen und Drehmomente sind die Maximalwerte in der jeweiligen Schaltstufe. Für die einzelnen Gerätegrößen der verschiedenen Hersteller stehen unterschiedliche, den jeweiligen Anforderungen entsprechende KSP zur Verfügung. So werden von einigen Geräteherstellern bis zu zehn KSP-Varianten je Gerätetyp angeboten. Sinnvoll ist die Vorhaltung mehrerer Kraftdrehköpfe für ein Bohrgerät, um in Anpassung an die wechselnden Baugrundverhältnisse und Anforderungen die optimalsten Bohrleistungen zu erzielen. Drehtische Drehtische haben im Bereich Baugrundaufschluss keine Bedeutung . Drehzahlbereiche Der Drehzahlbereich eines Bohrantriebes hängt ab vom Bohrverfahren, dem Bohrdurchmesser, den Gesteins- und Bodeneigenschaften, dem verwendeten Bohrwerkzeug und der zur Verfügung stehenden Antriebsleistung. Tafel 1-P: Drehzahlbereiche in Abhängigkeit vom Bohrwerkzeug u. dem Bohrverfahren Bohrverfahren Diamantbohren Hartmetallbohren Hydroschlagbohren Schneckenbohren (Vollbohrschnecke) Schneckenbohren (Hohlbohrschnecke) Rotarybohren langsam drehendes Trockenbohren
Höchste Drehzahl U/min 1000 bis 2500 500 bis 800 80 bis 150 300 bis 600 50 bis 200 300 bis 400 25 bis 35
Niedrigste Drehzahl U/min 100 bis 150 80 bis 100 20 bis 30 30 bis 40 5 bis 10 50 bis 75 3 bis 6
Eine optimale Anpassung der Drehzahl an die zu durchbohrenden Bodenformationen und damit Erreichen einer maximalen Bohrleistung erfolgt durch • eine stufenlose Drehzahlregelung • eine hohe Anzahl von Schaltstufen des Getriebes • die Schaffung mehrerer Drehzahlbereiche (z. B. durch Vorschaltgetriebe, auswechselbare Zahnradpaare, unterschiedliche Hydraulikmotoren u. a.) Für Baugrundaufschlussbohrarbeiten sind maximal drei Drehzahl stufen im allgemeinen ausreichend. Durch die zum Teil stark wechselnden Boden- bzw. Felsschichten in diesem Aufgabenbereich ist eine ständige Anpassung ohnehin schwierig. Man sollte aus der Drehzahl auch keinesfalls eine Philosophie machen, wenn daraus Leistungssteigerungen in Prozenten hinter dem Komma resultieren. Diese Betrachtungen können allenfalls für Tiefbohrungen interessant sein. Spannkopf und Abfangvorrichtung Bohrgeräte mit Kraftdrehkopf, bei denen der Bohrstrangeinbau und Bohrstrangausbau durch den Kraftdrehkopf erfolgt, realisieren diesen Arbeitsgang mit einer Kombination zwischen feder- hydraulisch betätigten Halte- und Spannfutter (Spannkopf) und der hydraulisch zu betätigenden Abfangvorrichtung. Eine derartige Ausrüstung ist besonders für glattwandiges Gestänge geeignet. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil für die Mechanisierung des Bohrvorganges.
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Abb. P-13: Schnitt durch einen hydraulischen Spannkopf
Bei den vorwiegend für die Lockergesteinserkundung verwendeten Kraftspülköpfen wird das Brechen und Verschrauben der Gestängeverbindungen mit Hilfe einer Arretiervorrichtung zwischen Kraftdrehkopf und Bohrgestänge ermöglicht. Diese Vorrichtung gewährleistet die Übertragung der Drehbewegung von der Spindel des Kraftspülkopfes auf den Gestängestrang ohne Belastung der zwischen beiden Ausrüstungen möglichen Gewindeverbindung. Die Übertragung der Drehmomente erfolgt dabei entweder über die Schlüsselflächen oder auf das Bohrgestänge aufgeschweißte Nocken. Durch die Verwendung eines hydraulisch betätigten Keiltopfes am Kraftspülkopf wurde eine weitere Mechanisierung dieses Arbeitsganges erreicht.
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Abb. P-14: Gestängeabfangvorrichtung – rechts: geöffnet – links: geschlossen
Die heute fast ausschließlich hydraulisch betätigte Gestängehaltevorrichtung dient zum Abfangen und Festklemmen des Bohrstranges vorwiegend bei Ein- und Ausbauarbeiten sowie Schraubarbeiten in Verbindung mit dem Spannkopf.
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Sie ist meist für glattwandiges Gestänge, teilweise aber auch für Gestänge mit Schlüsselflächen vorgesehen. Gestängehaltevorrichtungen lassen sich hydraulisch öffnen und schließen und sind am unteren Teil des Bohrmastes befestigt.
Abb. P-15: 2-fach bis 3-fach Gestänge-Abfangvorrichtungen sind erforderlich beim Doppelkopf-Bohrverfahren mit Futterrohr und Innengestänge. Im Bild eine 3-fach Abfangvorrichtung System Klemm
2.2.6 Verrohrungseinrichtungen Allgemeines Verrohrungseinrichtungen ermöglichen das mechanisierte Niederbringen der Futterrohre (vorwiegend beim Trockenbohren). Merkmal dieser Verrohrungsarbeiten ist, dass die Rohrtour beim Niederbringen der Bohrung unmittelbar dem Bohrwerkzeug folgt und diesem auch vorauseilen kann. Dabei wird das Bohrrohr in horizontaler Richtung und mit einer axialen Vorschubkraft beaufschlagt. Die Reaktionskräfte des Drehmomentes müssen dabei vom Bohrgerät übernommen werden. An Bohrgeräten seltener sind Einrichtungen, die mit reiner axialer Vorschubkraft (Presseinrichtungen) arbeiten. Vorwiegend werden sie zu reiner Futterrohrrückgewinnung verwendet. Ebenso sind Rohrbewegungseinrichtungen anzutreffen, die lediglich das Bohrrohr in horizontaler Richtung durch Drehen oder Oszillieren bewegen. Bei den Verrohrungseinrichtungen können folgende Systeme unterschieden werden: • Vertikalkraft ohne Drehbewegung • durchdrehende Horizontalbewegung ohne Axialkraft (außer Eigengewicht) • oszillierende Horizontalbewegung ohne Axialkraft (außer Eigengewicht) • durchdrehende Bewegung mit Axialkraft • oszillierende Bewegung mit Axialkraft Vertikalkraft ohne Drehbewegung Im Prinzip sind dies ein oder mehrere Hydraulikstempel, die mit einer hydraulisch zu betätigenden Rohrschelle verbunden sind. Als Antrieb dient ein Elektro- oder Dieselaggregat. Für kleinere Durchmesser finden auch sogenannte Hohlkolben Verwendung. Sie sind ausschließlich für reine Rohrzieheinrichtungen gedacht Kompakte Großanlagen erreichen Rohrdurch-
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messer bis zu 1200 mm bei Eigengewichten bis zu 12 t und Hubkräften bis zu 3500 kN (beim Baugrundaufschluss selten im Einsatz). Durchdrehende Horizontalbewegung ohne Axialkraft Hierzu gehören z. B. Drehtische, wie sie bei Spülbohrgeräten und in der Explorationstechnik üblich sind. Die Belastung erfolgt über das Eigengewicht des Bohrgestänges, das im Bedarfsfall durch Schwerstangen ergänzt wird. Für die Baugrunderkundung ist dieses System ohne wesentliche Bedeutung. Oszillierende Horizontalbewegung ohne Axialkraft Hierzu dienen leichte, hydraulisch spannbare Rohrschellen mit zwei Hydraulikzylindern, die radial auf die Rohrschelle wirken. Als Vertikalbelastung dient hierbei ebenfalls lediglich das Eigengewicht der Rohrtour, das gegebenenfalls durch angehängte Belastungsgewichte erhöht wird. Dieses System wurde bei älteren Geräten im Aufschlussbohren- und Brunnenbohrbereich eingesetzt. Das HW-Verfahren arbeitet nach dem gleichen Prinzip. Die hydraulisch oder pneumatisch angetriebene Schwungmasse der Drehschwinge, die unmittelbar auf das obere Ende des Futterrohrstranges aufgesetzt wird, überträgt hierbei ihre Bewegungsenergie über Anschläge auf das Futterrohr und versetzt dieses in eine oszillierende Drehbewegung. Der im Rohr befindliche Boden wird dabei mit Greifern entfernt. Durchdrehende Horizontalbewegung mit Axialkraft Für dieses System hat sich die Bezeichnung Verrohrungsdrehtisch (Abb. P-60) durchgesetzt. Es erlaubt ein gleichmäßiges Drehen des Futterrohrstranges bei gleichzeitigem Vorschub oder Rückhub. Das Drehmoment wird über hydraulisch spannbare Mitnehmerschellen auf den Rohrstrang übertragen. Der Vorschub oder Rückhub erfolgt ebenfalls durch Hydraulikzylinder, die den gesamten Drehtisch in einem bestimmten Hubbereich in axialer Richtung bewegen können. Durch eine Kombination zwischen Dreh- und Vorschubeinrichtung mit hydraulisch spannbaren Mitnehmerelementen kann das Umsetzen des Drehtisches nach Erreichen seiner untersten Endstellung ohne Unterbrechung der Drehbewegung erfolgen. Das Lösen und Anlegen der Klemmelemente wird dabei selbstständig gesteuert, sodass der gesamte Futterrohrvorschub bei laufender Bohrarbeit automatisch ablaufen kann.
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Abb. P-16: Verrohungsdrehtisch bis zu einem Rohr-∅ von 419 mm System Nordmeyer - rechts: Systemdarstellung (Schnitt und Draufsicht) unten: für den Transport abgeklappt Tafel 2-P: Technische Daten von Drehtischen Systeme Wirth und Nordmeyer System max. Rohr-∅ Drehmoment Drehzahl hydraul. Zugkraft hydraul. Andruckkraft Hub Ölbedarfbeil80bar Gewicht
Wirth 324 22 0 – 11 180 120 400 120 950
Wirth 419 45 0 – 14 200 150 400 120 2130
Nordmeyer 324 22 0–9 200 110 400 120 950
Nordmeyer 419 45 0–9 240 140 400 120 2130
mm kNm min1 kN kN mm 1 kg
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Drehtische gehören schon fasst zur Grundausstattung der leichten und mittleren Bohrgeräte und finden Einsatz bei allen üblichen Bohrsystemen, insbesondere bei den Trockenbohrverfahren. Sie werden am Mastfußunterteil angeschraubt und sind zum Transport abklappbar.
2.2.7 Seilschlagwerk Für folgende Werkzeuge bzw. Arbeiten wird ein Schlagwerk benötigt: • Kiespumpe • Schlagbüchse • Meißel • Bohren nach dem Rammkernsystem • Entnahme von ungestörten Bodenproben auf der Bohrlochsohle Zur optimalen Wirkung des Bohrwerkzeuges auf der Bohrlochsohle muss der Schlagmechanismus beim Seilschlagbohren einen freien Fall des Bohrwerkzeuges garantieren. Gleichzeitig ist ein weiches Anheben des Bohrwerkzeuges zu ermöglichen. Bei Nutzung der Schlagschwinge wird der Schlagmechanismus diesen Anforderungen durch eine Versetzung der Bewegungsebene der Schlagrolle zur Ebene der Kurbelwelle gerecht. Diese Versetzung und zusätzliche Federelemente in der Schlagschwinge ergeben eine langsame, weich einsetzende Abwärtsbewegung der Schlagrolle und damit ein entsprechendes Anheben des Bohrwerkzeuges. Nach Überschreiten des unteren Totpunktes bewegt sich die Schlagrolle sehr schnell nach oben und ermöglicht damit den freien Fall des Bohrwerkzeuges. Die Hubhöhe wird durch die Befestigung der Pleuelstange am Kurbelzapfen bestimmt. Meist sind drei bis vier unterschiedliche Hubgrößen möglich. Bei der Nutzung einer Schlagkurbel mit Freilaufeinrichtung wird die Kurbelwelle mit der Schlagrolle durch eine weich einsetzende kraftschlüssige Verbindung des Rollenfreilaufes vom Antriebsrad mitgenommen. Nach Überschreiten des unteren Totpunktes lässt der Freilauf die Schlagkurbel, bei gleichbleibender Drehzahl des Antriebsrades, voreilen. Dadurch wird das Bohrwerkzeug zum freien Fall auf die Bohrlochsohle freigegeben.
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Abb. P-17 Schematische Darstellung der Schlagwerke a) Schlagschwingensystem – b) Schlagkurbelsystem 1 Schlagtrommel, 2 Führungsrolle, 3 Schlagseil, 4 Schlagrolle, 5 Antriebsrad, 6 Kurbelzapfen, 7 Bohrwerkzeug, 8 Schlagschwinge, 9 Pleuel, 10 Rollenfreilauf, e kinetische Versetzung
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Nach Beendigung des Schlagvorganges kommt es wieder zur kraftschlüssigen Verbindung zwischen Kurbelwelle und Antriebsrad und damit zum Anheben des Bohrwerkzeuges. Die Hubhöhe wird durch die Seilführung und die Länge des Kurbelzapfens bestimmt. Eine Veränderung der Schlagzahl ist bei beiden Schlagmechanismen durch eine stufenlose Drehzahländerung des hydraulischen Antriebsmotors möglich. Schlageinrichtungen mit Schlagkurbel und Freilaufeinrichtung werden häufig als Zusatzelemente für Seilwinden angeboten. Damit kann das Einsatzgebiet von Drehbohrgeräten auch für das Seilschlagbohren erweitert werden. Die üblichen leichten und mittelschweren Bohrgeräte verfügen über ein leichtes Schlagwerk für Bohrzeuglast bis maximal 500 kg, das zum Teil am Mast angebracht ist (Abb. P-18). Schlageinrichtungen finden insbesondere beim Rammkernbohrverfahren Anwendung.
Abb. P-18: Schlagwerkanordnung am Bohrgerät
2.2.8 Winden Die Zollern-Freifallwinden werden in vielen Bohrgeräten verwendet.. Die Systemskizze stellt den prinzipiellen Aufbau dar. Am Getriebeeingang ist der Hydromotor befestigt. Die federkraftgeschlossene Haltebremse hält die Last in Parkstellung in ihrer jeweiligen Lage. Das hier dargestellte zweistufige Planetengetriebe erhöht entsprechend der Getriebeübersetzung das Motormoment. Die gekoppelten Innenräder übertragen das Antriebsmoment auf die Seiltrommel. Das Reaktionsmoment wird über die federkraftgeschlossene Freifallbremse in den Stahlbau eingeleitet. Wird die Freifallbremse hydraulisch geöffnet, fällt die Last mit Fallgeschwindigkeit bei stehendem Antriebsmotor. Wird die Freifallbremse nur teilweise geöffnet, kann die Senkgeschwindigkeit entsprechend gesteuert und falls gewünscht, wieder abgebremst werden. Die großzügig bemessene, ölgekühlte Freifallbremse kann die entstehende Wärme aufnehmen und an das Hydrauliksystem über den Kühlkreislauf abgeben. Verschiedene Hebewerke, besonders bei älteren Geräten, sind mit zwei Seiltrommeln ausgerüstet, die auf einer gemeinsamen Hebewerkswelle sitzen, sich aber unabhängig voneinander kuppeln lassen. An Bohrgeräten für das Seilschlagbohren ist die Arbeitstrommel meist durch eine Scheibe in zwei Bereiche unterteilt. Auf dem größeren Seiltrommelabschnitt wird der überwiegende Teil des Arbeitsseiles aufgewickelt, während auf dem kleineren Seiltrommelab-
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schnitt nur einige Windungen verbleiben. Dadurch wird verhindert, dass sich die durch den Schlagmechanismus hervorgerufenen stoßartigen Belastungen auf alle Seillagen auswirken. Der Antrieb des Hebewerkes erfolgt in der Regel vom Hauptgetriebe des Bohrgerätes aus. Zunehmend werden aber auch Hydraulikmotoren verwendet.
Abb. P-19: Hauptwinde mit Freifalleinrichtung und Antrieb durch Hydraulikmotor
Die Seiltrommeln lassen sich mit dem „LeBus“-Seilspulsystem oder mit Andruckrollen ausstatten, wobei die Andruckrolle schon teilweise zum Standard gehört.
2.2.9 Pumpen
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Für die Erzeugung des Spülungsstromes müssen Pumpen eingesetzt werden, die den Druck zur Überwindung der Reibung im Gestänge, im Ringraum sowie am Bohrwerkzeug erzeugen. Die Pumpen sind meist in die Bohranlage integriert. In Sonderfallen sind auch separate Aggregate üblich. Die Regelbarkeit des Spülungsstroms ist notwendig, da das Bohrklein sicher und schnell von der Bohrlochsohle entfernt werden muss, andererseits aber die Kerngewinnung in stark wechselnden, stark einfallenden oder weichen Formationen keine zu hohe Spülungsrate verträgt, die zu Kernverlusten fuhren kann. Außerdem wird eine zu hohe Ringraumgeschwindigkeit unter Umständen zu Auskesselungen fuhren. Andererseits ist eine stärkere Erhöhung der Spülungsrate beim Klarspülen der Bohrlochsohle; wegen Nachfalls oder zum Vollbohren beim abschnittsweisen Kernen notwendig. Eine Anpassung der Pumpendrehzahl und damit der Spülungsrate kann entweder durch Änderung der Motordrehzahl erfolgen, was aber meistens wegen der Koppelung der Pumpen an den Hauptantriebsmotor nicht möglich ist. Die Änderung der Spülungsrate ist aber auch durch Zwischenschalten eines Getriebes oder Antrieb durch einen Hydraulikmotor regelbar, der direkt ansteuerbar ist. Als Getriebe kann ein Schaltgetriebe mit Kupplung verwendet werden, oder bei Anlagen mit hydraulischem Antrieb ein hydrostatisches Getriebe. Mit Ausnahme von Geräten, die lediglich für reine Trockenbohrungen ausgestattet sind, verfügen Baugrundbohrgeräte über unterschiedliche, fest installierte Spülpumpen, die überwiegend durch Hydraulikmotoren angetrieben werden. Im einzelnen können folgende Pumpensystem zum Einsatz kommen:
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Abb. P-20: Duplexpumpe mit Antrieb über Hydraulikmotor System Wirth
• • • • • •
Kreiselpumpen Duplexkolbenpumpen Triplexkolbenpumpen Monopumpen Saugpumpen Kolbendosierpumpen
Die Kreiselpumpen sind besonders für große Leistungen (bis etwa 200 m3/h) bei niedrigen Drücken (bis etwa 8 bar) geeignet (z. B. große Bohrdurchmesser bei geringen Tiefen) und Anmischen der Bohrspülung. Bei Kreiselpumpen ist zu beachten, dass die Pumpe nur dann zum Ansaugen gebracht werden kann, wenn das Laufrad vollständig mit Wasser umgeben ist. Dies wird durch ein Rückschlagventil im Ansaugrohr gewährleistet.
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Abb.P-21: Systemdarstellung der Kreiselpumpe
Bei Frostgefahr muss die Pumpe stets entleert werden, da das Pumpengehäuse sehr leicht Risse bekommen kann.
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Für Förderleistungen von bis zu 800 1/min und Drücken bis etwa 40 bar kommen in der Regel Duplexkolbenpumpen (einfach oder doppelt wirkende Doppelkolbenpumpen) infrage (Abb. P-23). Der Einsatz erfolgt insbesondere beim direkten Spülbohrverfahren Die Triplexkolbenpumpen (Dreifachkolbenpumpen) erreichen eine Förderleistung bis zu 300 1/min bei einem Druck bis etwa 40 bar (Abb. P-22). Für das Saugbohrverfahren eignen sich besonders die Saugpumpen. Sie erreichen Leistungen bis etwa 300 m3/h. dabei können die Korndurchmesser im Förderstrom bis zu 100 mm betragen.
Abb. P-22: einfach wirkende 3-Zylinder-Pumpe (Triplexpumpe)
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Monopumpen sind Schraubenpumpen mit einer sehr geringen Bauhöhe, die sich leicht unterbringen lassen. Dieser Pumpentyp ist insbesondere für Verfüll- und Verpressarbeiten gedacht. Bei Drücken bis maximal 25 bar sind Pumpleistungen bis zu 500 1/min möglich. Bei Bohrungen mit dem Senkhammer werden zur besseren Austragung des Bohrkleins Wasser-/Schaum-Dosiereinrichtungen eingesetzt. Eine solche Einheit besteht aus einer Wasserkolbenpumpe und einer Kolbendosierpumpe. Beide Pumpen sind stufenlos verstellbar angetrieben; außerdem ist die Dosiermenge des Schaummittels drehzahlunabhängig regulierbar, d. h. das Mischungsverhältnis kann während des Bohrvorganges verändert und den Bohrbedingungen angepasst werden; damit entfällt das vorherige Anrühren der Mischung. Dieser Pumpentyp hat allerdings für den Bohrprozess bei Aufschlussbohrarbeiten kaum eine Bedeutung. Der Leistungsbedarf der Pumpen mit großen Förderleistungen ist sehr hoch. So benötigt eine Duplexkolbenpumpe (7'' × 8''/125) mit einer Leistung von maximal 120 m3/h eine Antriebsleistung von 90 kW/121 PS, die vom Bohrantrieb während des Bohrvorganges nicht zusätzlich abgegeben werden kann. Die Pumpen erfordern daher einen eigenen Antriebsmotor. Da diese Pumpen sehr oft als Beistellgeräte zum Einsatz kommen, ist der Antrieb auch mittels E-Motor möglich, falls elektrische Energie herangeführt werden kann.
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1 Zylinderbuchsen 2 Kolbenstangen 3 Stopfbuchsenpackungen 4 Kolbenkörper 5 Kolbendichtungen 6 Ventilkegel 7 Ventilsitze 8 Ventilplatten
Abb. P-23: oben: Schematische Darstellung einer einfach wirkenden Kolbenpumpe unten: Schematische Darstellung einer doppelt wirkenden Kolbenpumpe
2.2.10 Antriebsmotor Bei mobilen Bohrgeräten erfolgt der Antrieb im Allgemeinen durch den Fahrzeugmotor. Eine Kardanwelle treibt dabei die Ölpumpe an. Da der Leistungsbedarf eines leichten bis mittleren Bohrgerätes 70 bis 120 PS beträgt, hat der Fahrzeugmotor gewöhnlich ausreichende Reserven (z. B. Unimog Typ U 2150 mit 214 PS), so dass beim Bohrbetrieb nicht ständig auf Volllast gefahren werden muss. Wichtig ist, dass sich die Motordrehzahl automatisch dem Leistungsbedarf anpasst. Ein Nachteil des Antriebes über den Fahrzeugmotor ist, dass die Lärmentwicklung wesentlich stärker ist als bei den meistens gekapselten Sonderantrieben. Leider hat die Fahrzeugindustrie hier noch erheblichen Nachholbedarf. In Wohngebieten, in Badeorten und in der Nähe von Schulen und Krankenhäusern sind Probleme durch Überschreitung des Lärmpegels nicht selten. Bohrgeräte auf Anhängerfahrgestell oder Raupenfahrwerk erfordern eigene Antriebe. Aus Gewichtsgründen muss hier allerdings mit der Antriebsleistung gegeizt werden. Durch ein ausgefeiltes Hydrauliksystem und geschickte Wahl der Hydraulikpumpen und -motore sind (ohne Sonderantriebe, große Pumpen und große Kompressoren) Motorleistungen von 60 bis
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100 PS im Allgemeinen ausreichend. Die Motoren lassen sich sehr gut kapseln, wobei die lärmintensiven Aggregate wie Kupplung und Hydraulikpumpe mit in die Lärmschutzhaube integriert werden können. Gute Lärmschutzeinrichtungen erreichen Werte, die den üblichen Vorschriften voll entsprechen. Für Leistungen bis 70 PS hat sich der Hatz-Motor besonders bewährt. Er ist voll gekapselt und steht in 1 – bis 4-Zylinder-Versionen zur Verfügung, wobei für den Bohrgeräteantrieb nur das 4-Zylinder-Aggregat verwendet wird. Durch die Art der Kapselung sind die Einbaumaße gegenüber anderen Dieselaggregaten sehr gering. Ferner sind zu erwähnen der geringe Kraftstoffverbrauch und die günstigen Abgaswerte. Lärmintensive Nebenaggregate (Schwungscheibe, Hydrauliknebenaggregate usw.) können in die Verkleidung einbezogen werden.
Abb. P-24: Antriebs-Dieselmotor Hatz Typ 4 L 40 C – rechts: Teilebezeichnung -1 Technische Daten: 4 Zyl. – 54,2 / 73,7 kW / PS – 3000 min -Hubraum: 3,43 Liter Gew.: 396 kg – Maße: L / B / H : 984 * 591 / 748 mm
2.2.12 Hydraulikaggregat
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Das Hydraulikaggregat besteht aus dem Pumpensatz mit Verteilergetriebe, zugehöriger Verrohrung, Hydrauliköltank, Kühler und Filter. Die Hauptpumpen, welche die Antriebsenergie für den Drehantrieb, Verrohrungsdrehtisch, den Vorschub und Rückhub, die Winden, die Spülpumpe und/oder den Kompressor liefern, sind stufenlos regelbare Axialkolbenpumpen. Konstantmengenpumpen wie z. B. Zahnradpumpen, liefern die Energie für den Bohrvorschub, die Abstützung und die übrigen Nebenfunktionen. Der benötigte Hydraulikdruck, je nach Bauart 150 bis 300 bar (selten höher), wird mit 1 bis 4 Hydraulikpumpen, die sich alle im Hydraulikpumpenblock befinden, erzeugt. Die Bestückung beträgt 3 bis 4 Pumpen (Beispiel: Hauptpumpen mit 2 × 120 1/min–1; Nebenpumpen mit 1 × 35 und 1 × 20 1/min–1). Jeder Pumpe sind bestimmte Bewegungen zugeordnet. Die Pumpen sind selbstregelnd, sie passen sich der erforderlichen Leistung der Abnehmer an und liefern bei steigendem Druck geringere Flüssigkeitsmengen bzw. umgekehrt. Um die gegebene Motorleistung annähernd ausschöpfen zu können, fordern die nicht belasteten Pumpen in das System der belasteten Pumpe. Hierdurch werden die jeweiligen Bewegungen beschleunigt bzw. die
P Baugrunderkundungsbohrungen
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angegebenen Leistungen erreicht. Die Konstruktionen der hydraulischen Antriebe sind heute sehr ausgereift und optimal einsetzbar. Da die hydraulische Leistung bei zu hoher Öltemperatur sinkt, muss das Aggregat über eine gute Kühlung verfugen und einen ausreichend bemessenen Ölbehälter aufweisen. Der Öltankinhalt ist ausreichend bemessen, wenn je kW Motorleistung 3 bis 4 Liter Inhalt vorhanden ist. Bei der üblichen Motorleistung der leichten bis mittelschweren Bohrgeräte mit 50 bis 100 kW Motorleistung läge der Tankinhalt bei richtiger Bemessung damit bei 180 bis 350 Liter. Das Hydraulikaggregat gehört zu den lärmintensiven Nebenaggregaten und sollte daher nach Möglichkeit ebenfalls von der Lärmschutzeinrichtung des Antriebsmotors erfasst werden.
2.2.13 Kompressoren Im Bedarfsfall werden die Bohrgeräte auch mit festinstallierten Kompressoren ausgerüstet. Sie werden benötigt für das Rammkernverfahren, Lufthebebohrsystem, Senkhammerbohrungen mit kleinen Durchmessern und zur Bohrlochsäuberung. Für Senkhammerbohrungen mit größeren Durchmessern sind Beistellkompressoren erforderlich.
Abb. P-25: Beispiel für einen speziellen Kompressor für Bohrgeräte
Es werden fasst ausschließlich Schraubenkompressoren eingesetzt. Sie haben einen wesentlich ruhigeren Lauf und sind weniger lärmintensiv als Kolbenkompressoren und nehmen weniger Platz ein.. Die Kompressoren sind heute sehr gut gekapselt, so dass Lärmpegelprobleme kaum auftreten dürften. Je nach Bohrgerät und der Möglichkeit der Unterbringung sind z. B. folgende fest installierte Größen üblich: Volumen: 3,5 bis 5,5 m3/min Druckbereich: 4,0 bis 12 bar Volumen: 5,6 bis 7,5 m3/min Druckbereich: 4,0 bis 12 bar Volumen: 7,6 bis 9,5 m3/min Druckbereich: 4,0 bis 10 bar
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Abb. P-26: Offene Verdichterkammer eines Schraubenkompressors
Der Leistungsbedarf dieser Kompressoren beträgt mindestens 7 kW/m3 Luft. Das bedeutet, dass ein großer Teil der vorhandenen Motorleitung für den Betrieb des Kompressors benötigt wird. Es können daher keine weiteren Funktionen ausgeführt werden, die einen größeren Leistungsbedarf haben. Die Probleme treten im Allgemeinen bei mobilen Geräten nicht auf, da hier in der Regel ausreichende Leistungsreserven über den Fahrzeugmotor vorhanden sind.
2.2.15 Steuerstand
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Der Steuerstand sollte so angeordnet sein, dass der Bohrvorgang vom Geräteführer gut zu überwachen ist, alle Bedienungshebel sich in greifbarer Nähe befinden und die Armaturen im Blickfeld liegen. Folgende Anzeigen sollen mindestens vorhanden sein: • Motordrehzahl • Motortemperatur • Öldruck • Tankinhalt Hydrauliköl • Öltemperatur • Tankinhalt Treibstoff (Diesel) • Drehmoment am Drehkopf und ggf. am Verrohungsdrehtisch • Vorschubkraft + Rückzugskraft • Seilzugkraftmesser • Förderleistungen und Drücke der Spülpumpen • Druckanzeige Kompressor Überwachung und Einstellung der Horizontalstellung und ggf. Tiefenmesser, Bohrdatenerfassungsgerät ü. ä. Außerdem muss der Fahrerstand trittsicher und bei einer Höhe über 1 m auch absturzsicher sein. Eine leichte, aus zusammensteckbaren Elementen zu montierende Kabine, schützt den Geräteführer bei Bedarf vor Kälte, Wind und Regen und gewährleistet ein Arbeiten auch bei schlechter Witterung.
P Baugrunderkundungsbohrungen
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Abb. P-27: Beispiel für einen Steuerstand System Nordmeyer
2.2.16 Sonstige Ausstattungen Schlauchtrommel Bei Aufschlussbohrarbeiten nach dem Rammkernverfahren ist besonders bei tiefen Bohrungen das Nachführen und Zurückziehen der Zuluft- und Abluftschläuche sehr aufwendig. Der Schlauch wird über Rollen am Mast geführt und läuft entsprechend dem Bohrfortschritt nach. Die Trommel wird beim Rückholen des Druckluftrammhammers durch einen Hydraulikmotor angetrieben und ist ohne großen Aufwand zu montieren und zu demontieren.
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Abb. P-28: Schlauchwickeltrommel auf einem NordmeyerBohrgerät Typ DSB 1
Schlauchführung Für die Versorgung und Ansteuerung des Kraftdrehkopfes mit seinen vielen Funktionen sind bis zu 10 und mehr Hydraulikzuführungen erforderlich. Diese müssen in einem Schlauchpaket
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so zusammengehalten und geführt werden, dass die Schläuche nirgendwo hängen bleiben oder schleifen können. Hierzu haben sich inzwischen sogenannte Schlauchgelenkbrücken, die mit einem Führungsschlitten verbunden sind, durchgesetzt.
Abb. P-29: Drehbohrgerät Geotec Typ XL R mit optimaler Schlauchführung, Mastausleger und Beleuchtungseinrichtung
Mastausleger Der Mastausleger ist ein sehr wichtiges Hilfsmittel und sollte an keinem Bohrgerät fehlen. Über einen Hydraulikzylinder kann der Ausleger so verschwenkt werden, dass Gestänge, Futterrohre, Rammhammer usw. im richtigen Abstand zum Bohrlochmund gehalten werden können
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Abb. P-30: Arbeiten mit dem Mastausleger links: Mastausleger abgeklappt
P Baugrunderkundungsbohrungen
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Beleuchtung Bei notwendigen Arbeiten während der Dunkelheit muss eine gute Ausleuchtung des Bohrgerätes und der übrigen Arbeitsbereiche vorhanden sein, die ein sicheres Arbeiten gewährleistet. Dazu werden sinnvollerweise im Mastkopf (siehe Abb. P-29) zwei starke Scheinwerfer angebracht. Eine zusätzliche Beleuchtung des Steuerstandes und des Bohrlochmundes ist ratsam. Das Umfeld des Bohrpunktes kann eventuell noch ergänzend mit Halogenlampen ausgeleuchtet werden, sofern entsprechende elektrische Energie zur Verfügung steht. Eine gute Beleuchtung fördert bei Dunkelheit die Bohrleistung und mindert die Unfallgefahr. Tiefenmesseinrichtung Für die automatische Tiefenmessung gibt es inzwischen zahlreiche zuverlässige Systeme. Während Tiefen- und Mastneigungsmesser bei den Großdrehbohrgeräten des Spezialtiefbaus schon zum Standard gehören, können sich diese Einrichtungen im Baugrundbereich noch nicht durchsetzen.
Abb. P-31: Tiefenmesser – links: elektronischen Tiefen- und Neigungsmesser System HAUSHERR – rechts: Elektrowasserpegellot
Zur Tiefenmessung wird überwiegend noch das mit Grundtaster eingesetzt, das mit einem Vorlaufgewicht ausgestattet ist. Erreicht die eingebaute Elektrode den Wasserspiegel, wird der Stromkreis geschlossen und es ertönt ein akustisches Signal, das verstummt, sobald das Vorlaufgewicht auf der Sohle aufsteht. Die Messgenauigkeit liegt im Zentimeterbereich. Bei der automatischen Tiefenmessung kann nur eine Genauigkeit im Dezimeterbereich gewährleistet werden. Allerdings erfordert die Messung mit dem Tiefenpegellot eine Unterbrechung der Bohrarbeit. Das in Abb. P-31 dargestellte Gerät kann über den Ständer in einer günstigen Position am Bohrgerät befestigt werden. Die Fa. HAUSHERR bietet den in Abb. P-31-links gezeigte elektronischen Tiefen- und Neigungsmesser an, der mit folgenden Funktionen ausgestattet ist: • einfache und genaue Ausrichtung der Maschine über optischen Peiler & Winkelsensoren. • Messung u. Anzeige des Bohrwinkels, • Speicherung der Gesamtbohrmeter, • Messung und Anzeige der Bohrtiefe, • automatischer Vorschubstopp bei Erreichen der vorprogrammierten Bohrtiefe.
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• Für die Datenerfassung und Speicherung ist eine RS-232-Computer-Schnittstelle vorhanden. Spülungstanks bzw. -behälter Soweit Spülbohrungen zum Einsatz kommen, sind zur Speicherung der Spülung und zu ihrer Konditionierung Spülungstanks erforderlich, in denen sich auch der Bohrschlamm absetzen kann. Im offenen Gelände ist es zum Teil möglich, auf Spülungstanks zu verzichten, wenn Spülungsbecken bzw. -gruben angelegt werden können. Überwiegend kommen Stahl- oder Kunststoffbehälter in Formaten zur Anwendung, die für einen Transport auf Fahrzeugen geeignet sind. Zunehmend setzen sich aber zusammenfaltbare Behälter aus PVC-beschichteten Kunstfasergeweben durch, die in einem zerlegbaren Stahlgestell aufgehangen werden. Derartige Behälter haben ein Fassungsvermögen bis etwa 3 m3 und gehören schon seit längerer Zeit zur Ausrüstung der Feuerwehr sowie der Technischen Hilfsdienste. Mit dieser Einrichtung kann viel Laderaum und Transportgewicht eingespart werden.
Abb. P-32: Zusammenfaltbarer Spülungsbehälter aus PVC
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Abb. P-33: Spülteiche der Fa. Geotec
P Baugrunderkundungsbohrungen
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In diesen Bereich gehören auch die Siebe und Desander. Wenn nicht genügend Absetzflächen vorhanden sind, um die Spülung vom Bohrklein befreien zu können, werden Schüttelsiebe eingesetzt. Der Desander verhindert die Anhäufung von abrasiven Teilchen in der Spülung. Es handelt sich hierbei um Geräte, die nach dem Prinzip des Hydrozyklons arbeiten. Durch die Zentrifugalwirkung werden die kleinen Teilchen aus der Spülung herausgeschleudert. Dem Hydrozyklon muss eine Pumpe, meist eine Kreiselpumpe, vorgeschaltet werden, um der Spülung die notwendige Strömungsgeschwindigkeit zu geben. Zur weiteren Ausstattung beim Spülbohrverfahren gehören ferner Einrichtungen zum Ansetzen der Spülung. Das Ansetzen von Dickspülung oder das Konditionieren der Spülung erfolgt über einen Anmischtrichter, unter dem die Spülung durch eine Kreiselpumpe beschleunigt, in einem Rohr entlang fließt. Durch die Formgebung im Rohr entsteht unter dem Trichter durch den Saugstrahlpumpeneffekt ein Unterdruck, der eine Vermischung der Feststoffe mit der Spülung begünstigt. Bei der Verwendung von Dickspülungen müssen außerdem in den Spülungstanks Rührwerke eingesetzt werden, um eine Entmischung zu verhindern. Stromaggregate Für den Betrieb von Tauchpumpen und externen Pumpen mit Elektroantrieb, für Rührwerke, Beleuchtung und Personalunterkünfte ist vor allem bei länger andauernden Bohrprojekten ein Stromaggregat vorzuhalten. Bohrdatenerfassung Nur in wenigen Bohrbetrieben kommt die computergestützte Bohrdatenerfassung auf besondere Anforderung bei Baugrundaufschlussarbeiten zum Einsatz. Es ist auch immer noch schwierig, für die unterschiedlichsten Bohrmethoden ein zuverlässiges System zu entwickeln, das auch bei den rauen Baustellenverhältnissen einwandfrei arbeitet. Außerdem sind die Auftraggeber offenbar auch nicht bereit, für die Vorhaltung und den Einsatz dieser sehr teuren Geräte Zuschläge zum Bohrmeterpreis zu akzeptieren. Allerdings gehören derartige Geräte im Spezialtiefbau bei der Herstellung von Rüttelstopfpfählen, Schnecken- und Verdrängungsbohrpfählen, bei Injektionsarbeiten und bei der Schlitzund Schmalwandherstellung schon nahezu zur Selbstverständlichkeit und haben sich dort auch bewährt. Dabei werden die Daten (Tiefe, Drehmoment oder Rüttelenergie, Materialverbrauch usw.) erfasst und bereits auf der Baustelle zu einem Herstellungsprotokoll verarbeitet. Aus dem Materialverbrauch je Tiefenabschnitt wird z. B. unmittelbar der Pfahldurchmesser oder die Schlitzwandstärke ermittelt und dem Geräteführer auf einem Monitor angezeigt, damit dieser die Vorschub- bzw. Sinkgeschwindigkeit des Kraftdrehkopfes bzw. Tiefenrüttlers anpassen kann. Ferner finden Bohrdatenerfassungen in der Explorationstechnik und beim Spülbohrverfahren bei großen Teufen Anwendung. Aber auch bei Untersuchungen im Bohrloch oder Grundwasser-Messstellen hat die elektronische Messung und Aufzeichnung einen festen Platz, so z. B. bei folgenden Versuchen und Messungen: • Überwachung von Grundwassermessstellen • Porenwasserdruckmessung • Setzungsmessungen • Verschiebungsmessungen • Seitendruckmessungen • Pumpversuche • Bohrlochvermessung und -kontrolle
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Abb. P-34: Schematische Darstellung einer Bohrdatenerfassungsanlage für die Erfassung von Drehzahl, Teufe, Drehmoment, Andruck, Spülungsdruck, Durchflussmenge und Spülteichniveau.
2.3 Verschiedene Bohrgeräte neuer Bauart Für die Baugrunderkundung und den Brunnenbau bieten zahlreiche Hersteller Geräte in unterschiedlichen Größen und Ausstattungsvarianten an. Die meisten dieser Geräte sind auch für Geothermiebohrungen geeignet bzw. dazu speziell ausgestattet.
2.3.1 Geräte der Fa. Nordmeyer GmbH & Co. KG 31226 Peine
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Zu den bekanntesten Geräteherstellern in Deutschland gehört die Fa. Nordmeyer in Peine bei Hannover. Sie stellt seit 1935 Bohrgeräte in den unterschiedlichsten Varianten her. Es beginnt z. B. bei Kleingeräten, die auf einem Pkw-Anhänger transportierbar sind und endet bei Großgeräten mit Hakenlasten von 50 t und Bohrtiefen bis 2000 m (Neuvorstellung auf der BAUMA 2010 in München).. Die Trägergeräte bestehen aus mobilen Einachs-, Zweiachs-, Dreiachs- und Vierachsfahrgestellen, Trägerraupen, besondere geländegängige Fahrzeuge, Kufen und Einrichtungen für den Offshorebereich. Für den Anwender ist es dabei von großem Vorteil, dass man auf Kundenwünsche eingeht. So hat fast jedes Gerät eine spezielle Ausstattung, ausgerichtet auf den Aufgabenbereich des jeweiligen Bohrunternehmens. Mit Ausnahme von Typ RSB 0/1.4 sind alle nachfolgend aufgeführten Geräte u. a. für folgende Bereiche einsetzbar: • Aufschlussbohrarbeiten, • Grundwassermessstellen, • Brunnenbohrungen zur Wasserversorgung bzw. landwirtschaftliche Beregnung, • Geologische und hydrologische Untersuchungen, • Geothermiebohrungen.
P Baugrunderkundungsbohrungen
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Dabei sind u. a. folgende Bohrverfahren anwendbar, soweit das jeweilige Gerät mit den entsprechenden Komponenten ausgerüstet ist: • Trockendrehbohrverfahren, • Rotary Kernbohrverfahren, • Rotary Spülbohren im direkten und indirekten Spülbohrverfahren, • Verrohrte Trockendreh- oder Seilschlagbohrungen, • Ungestörte Bodenprobenentnahme mit Bodenprobenentnahmegerät BPE, Rammkernrohr RKR oder seilgeführtem pneumatischem Rammhammer. Der überwiegende Teil der für die o. g. Bohrverfahren erforderlichen Bohrwerkzeuge und – geräte werden ebenfalls von der Fa. Nordmeyer produziert. Neben Bohrgeräte fertigt bzw. vertreibt die Fa.- Nordmeyer u. a. auch: • Hydraulische Verrohrungsmaschinen für Bohrrohre bis 1200 mm, • Bohrgestänge, • Futterrohre, • Bodenprobenentnahmegeräte wie z. B. Imloch-Bodenpoben-Ennahmegerät BPE, • Rammkernsonde RKS, • Standard-Sonde (Penetrations-Test, SPT-Sonde), • Bohrschnecken, • Hohlbohrschnecken HBS, • Rammkernrohr-System RKR • Bohrwerkzeuge (z. B. Bohrkronen, Rollenmeißel. Zum Lieferservice gehört auch eine bohrtechnische Betreuung und Beratung Nachfolgend werden Geräte-Systeme mit den wichtigsten Kenndaten gezeigt! Nordmeyer Rammsondier-Bohrgerät RSB 0/1.4
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Abb. P-35: Nordmeyer RSB 0/1.4 – links: auf Einachsfahrgestell – rechts: mit Raupenfahrwerk – linksunten: RSB Transport als Pkw-Anhänger
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Tab. 3-P: Technische Daten RSB Trägerfahrzeug Antrieb Mast
Raupenunterwagen mit Gummiplatten oder 1-Achs-Fahrgestell 2-Zyl. Dieselmotor Vorschublänge /Zug/Druck
Seilwinde Hydraulikha. Kraftdrehkopf Hydr. Spülkopf Pumpen-Aggr. Hydr. Zieheinr. Seilschlageinr. Ziehschelle Rammsondierge. Maße
BW 300 K / BW 1.100 K Krupp HM 12 C /HM 60 - Schlagzahl Typ BK 150/190 /210/300 daNm Typ SBK 20 – Drehmom.: 27 daNm Beistell-44 l/min /12 bar 105 mm – Hub: 150 mm Zug-Kraft: 200 daN – Hub: 300 mm 205 mm – Andruck: 1500 daN ȀȀሺሻ Transp.-Lg. : 3,96 m, Breite: 0,76 m
Gewicht 1800 kg Gewicht 1300 kg 23,5 kW 2700 / 2200mm 1400 / daN/700 daN 320 / 1.000 daN 8 / 20 - 1.350/min Drehzahl: 0-90 U/min Drehzahl: 485 U/min – 12 bar 4-Takt Benzinmotor 1,47 kW Zugkraft: 14.000 daN Schlagzahl: 45/min Zug: 3.300 daN Rammbär: 10/30/50 kg Arbeitshöhe: 3,84 m
Nordmeyer Bohrgerät DSB 1/3,5 + 1/5
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Abb. P-36:
links-oben: DSB 1/6 auf Raupenfahrwerk rechts: DSB 1/3.5 Sonderaufbau auf einem Raupenbagger (Kundenwunsch)
P Baugrunderkundungsbohrungen
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Tab. P-4: Technische Daten DSB 1 Trägerfahrzeug
Raupenunterwagen oder Gew. 6000-12.000 kg 1-Achs-Anhänger Gew. 6.500 kg 2-Achs Allrad-Lkw Gew. 7.500-18.000 kg Antrieb Dieselmotor R / 1A / 2A 45,5-70 / 38-45,5 / 45,5-70 kW Mast Länge/Verlängerung/Hublänge 7,7-9,6 / 1,3-3 / 3,4-4,6 m Seilwinden BW 850 / 1.100 / 2.500 / 3.000 / 5000 / 10000 daN Zug-/ Vorschub 5000 / 3500 daN Eilvorschub: 0,4 – 0,6 m/s Kraft- Spülkopf KSP 5.7 / 5.11 / 5.13 / 5.14 400/ 400/ 500/ 500/ 500 daNm Drehzahl 0-175/ 0-350/ 0-125/ 0-350/ 0-100 U/min Hydr. Verrohrung HV 324 mm / HV 419 mm Zug: 20 /24 kN- Hub: 40/40 cm Drehmoment: 2,2 / 4,5 kNm Gest.-Abfangvor. Spann-:127/146 mm max.
Ǧ ǤǣͶͲ Seilschlageinr. Zug-Kraft: 500 daN – Hub: 300 mm Schlagzahl: 45/min Spülpumpen Triplex-Kolb. / 2 Duplex-Kolb. 2 Kreisel-Pump. / Saugpumpe Leistung ͵ͲǦͳͲȀʹͷͲǦͶͷͲǤͷͲǦͷͲȀ 70-900 u. 1200-3200 l/min / 260 m³/h Druck: 40 bar/ 20 bar 7,5 - 4,3 bar B: max. 2,40 m Maße Träger- Raupe u. Lkw: L ca. 8 – 10 m fahrzeug
Nordmeyer Bohrgerät DSB 2/7 + 2/10
P Abb. P-37: rechst: Nordmeyer DSB 2/10 auf 2-Achs-LkW links: DSB 2/10 auf Raupenunterwagen
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2 Bohrgeräte
Tab. P-5: Kenndaten des Nordmeyer Bohrgerätes DSB 2/10. (Alle Angaben sind abhängig von der Ausrüstung und dem Kundenwunsch) Trägerfahrzeug
Antrieb Mast Seilwinden Zug-/ Vorschub Kraft- Spülköpfe Hydraulische Verrohrungseinrichtung Gest.-Abfangvor. Seilschlageinr. Spülpumpen Leistung (alternativ)
Kompressor Maße Trägerfahr.
Raupenunterwagen oder 2Gew. 6000-12.000 kg Achs Allrad-Lkw oder 3Gew. 6.500 kg Gew. Achs-Allrad-Lkw 7.500-18.000 kg Dieselmotor R / 2A / 3A 78-109/ 78-109 /78-109 kW Länge: 6-9 m / Verlängerung: 0,11-1,645 / Hublänge: 4,8-6,8 m Zugkraft: 850 /1.000 / 2.500 / 3.000 / 5.000 / 10.000 daN 3.500 / 3.500 daN Eilvorschub: 0,4 – 0,6 m/s KSP 5.7 / 5.11 / 5.13 / 7.6 / 7.10 0,0 – 3.9 kNm / 0,0-400 U/min HV 324 m m / HV 419 mm Zug: 20-24 kN / Hub: 40 cm Drehmoment: 2,2 / 4,5 kNm Druck: 11-14 kN Drehzahl: 0-9 U/min Spann-: 245 mm Durchgang: max. : 1.120 mm Zug-Kraft: 5 kN – Hub: max. 800 mm - Schlagzahl: 30-60 / min Triplex-Kolb. :30 - 60 l/min / 40 bar 1 Saug-P.: 260 m³/h Wasser Dupl.-Kolb.P.:250 - 450 l/min /40 bar 172 m³/h Luft 1 Duplex-Kolben-Pumpe: 50 - 750 l/min / 20 bar 1 Kreisel-Pumpe.: 70 - 900 l/min / 6,5 - 4,2 bar 1 Kreisel-Pumpe.: 1200-3200 l/min / 7,2 – 4,36 bar 3,6-9,3 m³/min – 4-12 bar Gestängebrecheinrichtung.: max.: 3 kNm Raupe u. Lkw: L: ca. 10-12 m - B: ca. 2,40 m
Nordmeyer Bohrgerät DSB 3/14
P Abb. P-38: links: Nordmeyer DSB 3/14 auf Raupenunterwagen – rechts: DSB 3/14 auf 3Achs-Allrad-Lkw
P Baugrunderkundungsbohrungen
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Tab. P-6: Kenndaten des Nordmeyer Bohrgerätes DSB 3/14. (Alle Angaben sind abhängig von der Ausrüstung und dem Kundenwunsch) Trägerfahrzeug
Gest.-Abfangvor. Seilschlageinr. Spülpumpen Leistung
Raupenunterwagen oder 3-Achs-Anhänger 4-Achs Allrad-Lkw Dieselmotor R / 1A / 2A Länge/Verlängerung/Hublänge BW 1.000/1.900/3.000/5.000/8.000/ 10. 0000 200-350 / 100 kN daN KSP 7.10./3 / 7.8/ 7.14 0-175/ 0-350/ 0-125/ 0-350/ 0-100 HV 324 mm / HV 419 mm Drehmoment: 2,2 / 4,5 kNm Spann-:127/146 mm max. Zug-Kraft: 500 daN – Hub: 300 mm Triplex-Kolb. / 2 Duplex-Kolb. ͵ͲǦͳͲȀʹͷͲǦͶͷͲǤͷͲǦͷͲȀ
Maße Trägerfahr.
Druck: 40 bar/ 20 bar Raupe u. Lkw: L ca. 8 – 10 m
Antrieb Mast Seilwinde Hakenl. / Vorsch. Kraft- Spülkopf Drehzahl Hydr. Verrohrung
Gew. 26.000 kg Gew. 26.000 kg Gew. 41.000 kg 136-200 /126-200/ 136-200 kW 9,5 / max. 2,4 / 4,8-6,8 m 10/ 19/ 30/ 53/ 84/ 103 kN Eilvorschub: 0,9 m/s 0-7,8 kNm U/min Zug: 20 /24 kN- Hub: 40/40 cm Drehzahl: Durchgang- max. : 640 mm Schlagzahl: 45/min 2 Kreisel-Pump. / Saugpumpe 70-900 u.1200-3200 l/min / 260 m³/h 7,5 - 4,3 bar B: max. 2,40 m
Nordmeyer Bohrgerät DSB 5/50 - Messeneuheit BAUMA 2010
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Abb. P-38a: Nordmeyer-Bohrgerät Typ DSB 5/10 – links: Transportstellung –rechts-oben: Arbeitsstellung links-unten: Bedienungs- und Steuerpult
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2 Bohrgeräte
Technische Daten der DSB 8/50 Trägerfahrzeug Antrieb Mast Seilwinden
4-Achs Allrad-Lkw oder Trailer Dieselmotor
bis ca. 400 kW
Mast-Länge / Hublänge
12,50 / 7,20 m
Arbeitswinde. Zug: 100 kN Seil-: 20 mm- Seilaufnahme: 100 m
Kern-Winde.: 19 KN Zug- 8 mm Hilfswinde.: 19 kN Zug – 8 mm
Hakenlast Vorschub /Zug Kraft- Spülkopf Bohr- Ausschwenkarm Gest.-Abfangvor. Spülpumpen Leistung Kompressor
hydraulische Zugkraft: 500 kN hydraulischer Andruck: 140 kN
Vorschubweg: 7,20 m max. Hakenlast: 400 kN
Drehmoment.: 31 kNm – 0-370 U/min
Durchgang: 174 mm
max. 1200 mm vor dem. Mast
Hydr. Gestäng. Brecheinrichtg.
L: 1200 mm, Belastung: 20 kN
Drehmoment:. 60 kNm
Maße
max: 480 mm - 500 kN Triplex-Kolben-Pumpe: 90 l/min – 40 bar
Kreis.P.: 2500 l/min – 9 bar
Duplex-Kolbenpumoe: 740 l/min – 21 bar
andere Pumpen auf Kd.-Wunsch
Atlas Copco 217 l/s – 14 bar
andere Kompr. auf Kd.-Wunsch
Transport.-Lg.: 12,50 m
B: max. 2,40 m
2.3.2 Bohrgeräte der Geotec Bohrtechnik GmbH 59394 Nordkirchen
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Das erste Bohrgerät wurde auf der Hannover Messe 1995 präsentiert und danach die Geotec Bohrtechnik GmbH gegründet. GEOTEC, deren Logo und ROTOMAX sind eingetragene Warenzeichen. Auf der BAUMA 1998 wird erstmals erfolgreich die ROTOMAX ausgestellt und erhält kurze Zeit später den Zusatz „M". Die extrem kompakte und technisch hochwertige Maschine eignet sich für viele Einsatzgebiete. ROTOMAX XL, als Messeneuheit auf der BAUMA 2001 ausgestellt, wird in den Folgejahren zur robusten Serienmaschine entwickelt und entspricht ganz dem Geotec-Prinzip in Kompaktheit, Leistung und optimaler Bedienung. Die nach dem Baukastensystem konfigurierbaren Maschinen erfreuten sich auf der BAUMA 2004 großer Beliebtheit und wurden für den Geothermiemarkt technisch aufgerüstet. 2006 wird die serienreife ROTOMAX XL GT mit Doppel-Drehkopf und nur 7,5 t Gesamtgewicht vorgestellt werden. EasyLift, das Gestänge-Handlingsystem von Geotec, steht zur Verfügung und wird 2007 auf der BAUMA ausgestellt. Schon im Sommer des gleichen Jahres kommt die erste ROTOMAX XL GTC auf den Markt. Im Dezember 2007 zieht Geotec Bohrtechnik GmbH in die neue, 3300 m2 große, Produktionshalle in Nordkirchen um und erhält auch ein neues Design für Firmenname und Logo, passend zur Hausmesse im Oktober 2008. Neben der ständigen Leistungserneuerung und Optimierung der ROTOMAX XL Reihe verlässt im Mai 2009 erstmals eine ROTOMAX L die Produktionshalle. Die Dimensionen im Verhältnis zu den hohen Leistungsdaten und Funktionen dieser Maschine sind einzigartig auf dem Bohrgerätemarkt. BAUMA 2010 – mit unvorstellbar geringen Außenmaßen wird die mit 168 kW starke ROTAMAX XLGT Ci als Messeneuheit präsentiert.
P Baugrunderkundungsbohrungen
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Die Geräte werden grundsätzlich mit einem stahlarmierten Raupenfahrwerk ausgerüstet. Mit den Geotec Rotomax-Bohrgeräten sind folgende Bohrverfahren durchführbar: • Direktes Rotary-Spülbohrverfahren, • Bohren mit Endlos- und Hohlbohrschnecken, • Trockendrehbohrverfahren -in Abhängigkeit von der Bodenart mit und ohne Verrohrung, • Seilschlagbohren mit Verrohrung, • Saugbohren, • Kernbohren. Nachfolgend die wichtigsten Voraussetzungen, die eine Anlage erfüllen sollte: Leicht - möglichst komplett mit Rohren und Gestänge ausgestattet. • Gesamtgewicht max. 15 t - günstige Logistik • Gummifahrwerk - dadurch werden Flurschäden minimiert • gekapselter Antrieb - Reduzierung der Lärmemission • kompakt gebaut - ideal für enge Verhältnisse • Fernbedienbar - sicheres Arbeiten, gute Übersicht • Gestängehandling - personalschonend wirtschaftlich • Preventersystem - gezieltes Ableiten des Bohrgutes, saubere Baustelle • Spülquerschnitte - Getriebe und Bohrrohr mindestens 60 mm • Schutzverrohrung - mindestens (168 mm • Kompressor - Luftmenge 20 m3/min bei 20 bar Druck Drehmoment: • 10.000 Nm für Verrohrungen bis 40 m Tiefe • 34.000 Nm für Verrohrungen bis 120 m Tiefe Gestängelängen: • mindestens 2 m • vorzugsweise 3 m Spülpumpen • 10 bar bis 150 m Tiefe • 20 bar bis 250 m Tiefe
Zugkraft: • 60 kN (6 t) bis 150 m
• 140 kN (14 t) bis 250 m
Imlochhammer: • 178 mm 5" Hammer • 125 mm 4" Hammer Pumpenförderstrom: • 1,8 m3/min bei 178 / 95 mm • ca. 2,5 m/s Spülgeschwindigkeit
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2 Bohrgeräte
Abb. P-38c: Übersicht der erreichbaren Bohrtiefen mit GEOTEC-Bohrgeräten
Geotec ROTANAX M
Abb. P-38d: Geotec Rotamax M – links: Transportstellung – rechts: In Arbeitsstellung
P
P Baugrunderkundungsbohrungen
915
RaupenTrägerfahrzeug:
Gummi, stahlarmiert
Maße:
Antrieb:
4-Zyl. Dieselmotor 44 kW
Hydraulik:
Mastvorschub, hydraulisch: Kraftdrehkopf: Drehkopf-Rollstar: Seilwinde: Ziehschelle: Kreiselpumpe: Kern Membranpumpe:
L: 1.200 / 4.400 mm 3 Gänge: 4 / 2 / 1 kNm 3 Gänge: 8 / 3 / 0,89 kNm Zugkaft: 1.200 daNm Seil-Länge: 70 m ø324 mm Hub: 300 mm 1.080 l/min 8 bar 0 - 165 l/min 20 bar
Druckkraft: Zugkraft: HochdruckKolbenpumpe:
Spurweite teleskopierbar 780 – 1.950 mm 160 l 190 bar 1,2 kN 3,0 kN 50 / 100 / 180 U/m 38 / 107/ 360 U/m 500 daN Hub: 500 mm 45 Schläge /min 2.000 daN 40 daN 0 - 70 l/min 30 bar
Gesamtgewicht:
2,4 t
Druck: Zug: Drehzahl: Drehzahl: Seilschlagwerk:
Abb. P-39: Bohrgerät Geotec Rotamax M Kostengünstiger Transport auf einem Tandemanhänger
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2 Bohrgeräte
Geotec ROTANAX L
Abb. P-40: Geotec Rotamax L – links: Transportstellung – rechts: Arbeitsstellung
Raupen-Trägerfahrzeug:
Gummi, stahlarmiert
Maße Transportstellung:
L: 6.350 mm B: 980 - 1.500 mm H: 2.190 mm
Antrieb:
4-Zyl. TurboDieselmotor 72 kW
Hydraulik:
240 l 250 bar
Mastvorschub Kette:
L: 3.500 / 4.300 mm
Druck: Zug:
25 kN 180 kN
Kraftdrehkopf:
5 Gänge: 10 / 6,8 / 5,1 / 4,5 / 3,4 kNm
Drehzahl:
40 / 60 / 81 / 92 / 121 U/m
Klemm-Brecheinrichtung: Hubkraft: 120 kN Seilwinden: Zugkraft: Kreiselpumpe: Kreiselpumpe, einstufig: Kreiselpumpe, zweistufig:
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16 kN 25 kN 1080 l/min 8 bar 0 – 120 l/min 0 – 8 bar 0 – 120 l/min 0 – 16 bar
Abfangschelle: Hub: HochdruckKolbenpumpe:
75 – 280 mm 22 kNm ø50 – 324 mm 400 mm 0 - 30m3l/h 180 bar
Gestänge - : Schutzrohr - :
76 – 95 mm 145 – 280 mm
Gesamtgewicht:
4,5 t
Spann-: Brechmoment:
P Baugrunderkundungsbohrungen
917
Abb. P-41: Geotec Rotamax L im praktischen Einsatz.
Geotec ROTANAX XL R
Abb. P-42: Bohrgerät Geotec ROTOMAX XL R links: Transportstellung, rechts: Arbeitsposition
Raupen-Trägerfahrzeug :
Gummi, stahlarmiert
Maße Transportstellung:
Antrieb:
4-Zyl. TurboDieselmotor 106 kW
Hydraulik:
Mastvorschub Kette:
L: 4300 mm
Druck: Zug:
Kraftdrehkopf: Klemm-Brecheinrichtung:
Seilwinden:
Kreiselpumpe, einstufig: Kreiselpumpe, zweistufig:
5 Gänge: 14,2 / 11,7 / 9,5 / 7,1 / 4,7 kNm Hubkraft: 120 kN Zugkraft: 16 kN 25 kN 0 – 180 l/min 0 – 8 bar 0 – 108 l/min 0 – 16 bar
L: 7.280 mm B: 1.400 mm H: 2.600 mm 300 l 250 bar 70 kN 140 kN
Drehzahl:
42,1 / 50,1 / 63,1 / 83,1 / 125,1 U/m
Spann-ø: Brechmoment; Abfangschelle: Hub: HochdruckKolbenpumpe: Gestänge-ø: Schutzrohr-ø:
75 – 219 mm 22 kNm ø 50 – 419 mm 500 mm 0 – 4,2 m³/h 30 bar 76 – 95 mm 145 – 280 mm
Gesamtgewicht:
7,8 t
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2 Bohrgeräte
Abb. P-43: Bohrgerät Geotec ROTOMAX XL R Einsatz beim Saugbohren max. Bohrtiefe: 200 m
Geotec ROTANAX XL GT
Abb. P-44:
Bohrgerät Geotec ROTOMAX XL GT links: Transportstellung, rechts: Arbeitsstellung
Raupen-Trägerfahrzeug:
Gummi, stahlarmiert
Maße Transportstellung:
4-Zyl. Turbo-Dieselmotor Hydraulik: 106 kW Mastvorschub, hydrauDruck: L: 4.300 mm lisch: Zug: Bohrgestänge: 1,7 / 5,4kNm Doppeldrehkopf: Drehzahl: (5 Gänge) Schutzrohr: 8,8 - 26 kNm Spannkopf: Seilwinden: Zugkraft: 16 / 25/ 35 kN. Hub: Klemm-Brecheinrichtung: Hubkraft: 360 kN Saugpumpe: Antrieb:
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Kreiselpumpe, zweistufig:
30 - 108 l/min 0-16 bar
Spannzange:
Seilschlag:
Zugkraft: 0 - 5 kN 0 - 451 Schläge/min Hub: 500 mm
Gesamtgewicht:
L: 7.730 mm B: 1.400 mm H: 2.660 mm 300 l 250 bar 70 kN 140 kN Bohrgestänge:: 80 - 220 U/min Schutzrohr: 21 60 U/min 178 mm 500 mm 300 m³/h 75-250 mm Moment: 34 kNm Hub: 520 mm 7,5 t
P Baugrunderkundungsbohrungen
919
Abb. P-45: XL GT im Einsatz max. Bohrtiefe: 250 m
Geotec ROTANAX XL GTC
Abb. P-46: Bohrgerät Geotec ROTOMAX XL GTC links: mit Gestänge-Container in Arbeitsposition rechts: minimaler Transportaufwand
Raupen-Trägerfahrzeug:
Gummi, stahlarmiert
Maße Transportstellung:
Antrieb:
4-Zyl. TurboDieselmotor 106 kW
Hydraulik:
Mastvorschub, hydraulisch:
L: 4.300 mm
Druck / Zug:
Innengestänge: 3,1 – 4,6 kNm Doppeldrehkopf: (5 Gänge) Außengestänge: 8,8 - 26 kNm GestängeContainer: Liftarm:
Bohrgestänge: 95 mm, 150 m Schutzrohre: 152-178 mm, 54 m- Rohrlänge: 3,00 m Masse: 3.000 kg 250 kg Schwenkbereich: 0 - 100°
L: 7.360 mm B: 2.400 mm H:2.690 mm 300 l 250 bar 70 kN / 140 kN
Drehzahl:
Innengestänge: 85 - 130 U/min Außengestänge: 21- 60 U/min
Spannkopf:
178 mm Hub: 500 mm
Saugpumpe:
300 m3/h
HochdruckKolbenpumpe:
0 - 4,2 m3/h 30 bar
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2 Bohrgeräte
Magnetadapter:
3.000 mm max. Last: 240 kg
Gesamtgewicht:
13,5 t (einschl. Bohrrohre)
Bedienung:
manuell und über Kabelfernbedienung
Kreiselpumpe, einstufig: 0 - 180 l/min 0 - 8 bar zweistufig: 30 -108 l/min 0 – 16 bar 75 - 219 mm KlemmHub: 520 mm Brecheinrichtung: Hubmasse: 36 t Abfangschelle, Spann-: 50 - 419 mm
Abb. P-47: Gerät im Betrieb Rohr Ein- und Ausbau mit dem Liftsystem max. Bohrtiefe: 250 m
Geotec ROTANAX XL GTCi
Abb.P-46: Bohrgerät Geotec ROTOMAX XL GTC i links: XL GTC i während der Verladung rechts: Transportstellung
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Raupen-Trägerfahrzeug:
Gummi, stahlarmiert
L: 7.720 mm Maße Transportstellung: B: 2.400 mm H: 2.750 mm
Antrieb:
6-Zyl. TurboDieselmotor 168 kW
Hydraulik:
550 l 250 bar
Druck: Zug:
70 kN 140 kN
Drehzahl:
Innengestänge: 85 - 130 U/m Außengestänge21- 60 U/m
Mastvorschub, hydraulisch: Doppeldrehkopf:
L: 4.300 mm
Innengestänge: 3,1 – 4,6 kNm (5 Gänge) Außengestänge: 8,8 - 34 kNm
P Baugrunderkundungsbohrungen
GestängeContainer: Liftarm:
Bohrgestänge: 95 mm, 150 m Schutzrohre: 152 – 178, 54 m Rohrlänge: 3,00 m Masse: 250 kg Schwenkbereich: 0 100°
Gesamtgewicht:
15 t (mit Bohrrohre)
Bedienung:
manuell und über Kabelfernbedienung
Bohrtiefe:
max. 350 m
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Spannkopf: 178 mm Hub: 500 mm Saugpumpe: 300 m3/h Hochdruck-Kolbenpumpe: 0 - 4,2 m³/h 30 bar Kreiselpumpe, einstufig:
0 - 180 L/min 0 - 8 bar
Kreiselpumpe, 2-stfg.: 30 - 108 l/min 0 – 16 bar Klemm-Brecheinrichtung: 75 - 250 mm Hub: 450 mm 36 t Abfangschelle-Spann-: 50 – 419 mm Rohrdreheinrichtung: 36 kNm Gesamtgewicht: 15 t (mit Bohrrohre)
Details zum Gerät • Der Mast übernimmt die Vorschubarbeit, führt Schlitten und somit präzise den Bohrkopf und versorgt die angebauten Komponenten mittels Energiekette hydraulisch und auch spültechnisch. • Der innen eingebaute Vorschubzylinder entwickelt eine Zugkraft von 140 kN für den Vorschub des allseitig kugelgelagerten und in exakten C-Schienen geführten Schlittens. Die Arbeitshöhe lässt sich flexibel durch die Mast-Teleskopierung um 750 mm anpassen. • Mit der Klemm- und Brecheinrichtung werden Schutzrohre oder Bohrgestänge durch die angepasste Form der Backen verschleißschonend und sicher gehalten Zudem erfolgt der erforderliche Backenwechsel werkzeuglos. • Mit einer dritten drehbaren Zange, in Verbindung mit den beiden seitlichen Ziehzylindern und dem Mastvorschub werden fest sitzende Bohrrohre drehbar mit bis zu 50 t gezogen. • Der Antrieb ist für größere Bohrtiefen und für effizienten Bohrfortschritt ausgelegt. Dafür sorgt ein 6 Zylinder Turbodiesel mit 168 kW einzusetzen, der zwei Kolbenverstellpumpen und weitere Zahnradpumpen antreibt. • Der Einbau der Schutzrohre mit dem Gestänge wird von dem auf dem Mast aufgesetzten Gestängelift in einem Arbeitsgang übernommen. Aus dem aufgestellten Container werden die Bohrrohre von einer zweiten Person senkrecht in den Bohrstrang eingesetzt - mühelos und unabhängig vom Geräteführer. Der Easylift wird ebenerdig per Funkfernbedienung gesteuert und erleichtert so den Arbeitsprozess. • Die Bedienung kann sowohl vom Cockpit der ROTOMAX XL GTCi als auch per Fernbedienung optimal und ermüdungsfrei gesteuert werden. Jedes Bedienelement mit der dazugehörigen Funktion ist aufeinander . • Ein integrierter Preventer entsorgt die Bohrspülung. Der Gestängeausbau erfolgt zügig und sicher mit dem Spannkopf 178 mm. Alle diese Funktionen werden hydraulisch gesteuert.
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922
2 Bohrgeräte
Abb. P-47: drehbare Klemm- und Brecheinrichtung [Geotec]
2.3.3 Bohrgeräte der SATVIA Maschinen- und Bohrgerätebau GmbH 2.3.3.1 Allgemeines
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Die Satvia GmbH gehört zur Unternehmensgruppe MAX STREICHER GmbH & Co. KG oA in 94469 Deggendorf. Zur MAX STREICHER Gruppe gehören wie bereits erwähnt u. a. die: • MAX STREICHER Anlagenbau GmbH • SATVIA Maschinen- und Bohrgerätebau GmbH • DrillTec GUT GmbH – Großbohr- und Umwelttechnik Die SATVIA GmbH stellt neben mobilen Tiefbohrgeräten für Bohrtiefen bis 3450 m, die in Teil II Kap. E behandelt werden, Flachbohrgeräte bis zu Bohrtiefen von 1000 m her. Die SATVIA GmbH gehört zu den wenigen Unternehmen in Deutschland, die mobile Tiefbohranlagen mit hoher Qualität und Zuverlässigkeit herstellen und im eigenen Unternehmensbereich (Drilltec Gut) einsetzen. Mit den mobilen Flachbohranlagen sind Bohrungen von wenigen Metern bis zu einer Teufe von rund 1.000 Metern möglich. Ihre maximale Zugkraft beträgt bis zu 90 Tonnen, als Beispiel dafür steht der Typ VB 600 Sx. Doch auch hier gehen die Entwicklungen weiter, um die Anlagen auch für extreme Einsatzbedingungen zu rüsten. Robust und leistungsfähig werden die mobilen Flachbohranlagen in den unterschiedlichsten Bereichen eingesetzt, sei es für Trocken-, Spül-, Kern-, Lufthebe- oder Hammerbohrungen. Von der kleinen und kompakten VB 152, die sich ideal für Erkundungs- und Brunnenbohrungen im Trocken- und Spülbohrverfahren eignet, bis hin zum Allrounder, der VB 600 Sx, mit der alle gängigen Bohrverfahren realisierbar sind. Zur Zeit folgende Geräte zur Verfügung: Bohrgeräte auf Raupenunterwagen – Kronenlasten von 20 bis 80 kN: VB 152 R, 154 R, VB 200 R, 201 R DK. Mobile Bohrgeräte auf 2 - 5-Achs-Fahrgestellen – Kronenlasten 20 bis 1000 kN VB 200, VB 300, VB 400, VB 500, VB 600 Sx.
P Baugrunderkundungsbohrungen
923
Die nachfolgenden Maße, Leistungsdaten und Ausstattungsmerkmale entsprechen dem derzeitigen Stand der Konstruktion. Änderungen bleiben vorbehalten. Nähere Angaben sind beim Hersteller einzuholen. Grundsätzlich richtet sich die endgültige Ausstattung nach den Kundenwünschen – Bohrgeräte sind keine Seriengeräte ! Vertikal-Flachbohranlagen Satvia Typ VB 152 R und VB 154 R DK
Abb. P-48: SATVIA Vertikal-Bohrgeräte: links: Typ VB 152 R – rechts: Typ VB 154 R
Kenndaten Geräte-Typ Trägerfahrzeug Masthöhe/ Kronenlast Maße B / L / H
VB 152 R Raupenunterwagen - Gummikette 6,10 m /70 kN 1,72/3,10/2,67 m, L mit Mast: 6,35 m
Motor / Leistung Aufbaugewicht Andruck/Rückzug Rohrdrehbewegung Kraftdrehkopf Kolb.- Spülp. 1 / 2 Schraubenpumpe Serienausstattung Sonstiges
Hatz-Diesel / schallgedämmt / 50 kW 4,0 - 5,50 t 15 / 35 kN – Vorschub: 3,30 m ǣ 273 mm Gang1: 5 kNm / Gang2: 2,5 kNm 80 l/min / 30 bar – 900 l/min/ 5 bar 900 l/min / 6 bar Winde 20 kN Gestängeabfangvorrichtung Rohrdrehanlage 273 mm ca. 150 m
Bohrtiefe
VB 154 R DK Raupenunterwagen - Gummikette 7,0 m / 70 kN 2,0 / 3,8 / 2,67 m - L mit Mast: 7,2 m Diesel/ schallgedämmt / 92 kW 8 - 10 t 15 / 35 – Vorschub 3,30 m : 120 / 273 mm Gang1: 5 kNm / Gang2: 2,5 kNm 80 l / 30 bar – 900 l/ 5bar 900 l/min / 6 -12 bar Winde: 20 kN Gestängeabfangvorrichtung Rohrdrehanlage 273 mm ca. 150 m
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2 Bohrgeräte
Vertikal-Flachbohranlagen Satvia Typ VB 200 R und VB 201 R
Abb. P-49: SATVIA Vertikal-Bohrgeräte: links: Typ VB 200 R – rechts: Typ VB 201R
Kenndaten Geräte-Typ Trägerfahrzeug Masthöhe / Kronenl. Motor / Leistung Ausschwenkkran Gewicht Andruck/Rückzug Vorschublänge Kraftdrehkopf Spülpumpen.
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Winden-Zugkraft Serienausstattung Sonstiges Bohrtiefe
VB 200 R Raupenunterwagen - Gummikette 6,6 m / 80 kN Diesel / 50 kW - schallgedämmt 20 kN 8-10 t 22 / 45 35 kN 3,50 m Gang 1: 5,0 kNm - / Gang 2: 2,5 kNm Kolb.-P. 1: 80 l/min / 30 bar Kolb.-P. 2: 900 l/min / 5 bar Schraub.-P: 900 l/ min / 6-12 bar 10 kN. Gestängeabfangvorrichtung Rohrdreheinrichtung ca. 150 m
VB 201 R Raupenunterwagen - Gummikette 7,00 m / 160 kN Diesel / 125 kW - schallgedämmt 20 kN 8,5 t 30 / 55 kN 4,30 m 4,7 / 10 kNm – 0-120 U/min Kolb.-P.: 250 l/min / 12 bar Kreis.-P.: 2000 l l/min / 6 bar Schraub.- P.:360 l/min / 24 bar Winde 1: 30 kN – Winde 2: 10 kN Brecheinrichtung 20 kNm Rohrdreheinrichtung ca. 200 m
P Baugrunderkundungsbohrungen
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Vertikal-Flachbohranlage Satvia Typ VB 200 und VB 300
Abb. P-50: SATVIA Vertikal-Bohrgeräte: links: Typ VB 200 – rechts: Typ VB 300
Kenndaten Geräte-Typ Trägerfahrzeug Masthöhe / Kronenl. Motor / Leistung Bohrtiefe Gewicht (o. Fahrzeug) Andruck/Rückzug Vorschublänge Kraftdrehkopf Spülpumpen
Winden Ausschwenkarm Serienausstattung Sonstiges
VB 200 Unimog oder 2-Achs Lkw 7,00 m / 100 kN Fahrzeug-Nebenantrieb / 100 kW ca. 200 m 5 t 30 / 60 kN 4,30 m Gang 1: 7 kNm – Gang 2: 3,5 kNm Kolb.-P 1: 250 l/min / 12 bar Kolb.-P 2: 2000 l/min / 6 bar Schraub.- P 1: 2000 l/min / 6 bar Schraub.- P 2: 1000 l/min / 12 bar W. 1: 10 kN / W. 2: 20 / 80 kN zul. Belastung: 20 kN Gestängeabfangvorrichtung. Kompressor: 9 m³ / 12 bar Rohrdreheinrichtung 324 mm
VB 300 2-Achs LkW 11,00 / 150 kN Fahrzeug-Nebenantrieb / 100 kW ca. 300 m 8t 40 / 80 kN 6,30 m Gang 1: 10 kNm – Gang 2: 5 kNm Kolb.-P. 1: 480 l/min / 23 bar Kolb.-P. 2: 2000 l/min / 6 bar
1: 10 kN / 2: 50 kN zul. Belastung: 20 kN Gestängeabfangvorrichtung. Kompressor: 9 m³ / 12 bar Rohrdreheinrichtung 480 mm
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2 Bohrgeräte
Vertikal-Flachbohranlage Satvia Typ VB 400 und VB 500
Abb. P-51: SATVIA Vertikal-Bohrgeräte - links: Typ VB 400 – rechts: Typ VB 500
Kenndaten Geräte-Typ Trägerfahrzeug Masthöhe/Kronenl. Motor / Leistung Bohrtiefe Gewicht (o. Fahrzeug) Andruck/Rückzug Vorschublänge Kraftdrehk. 3 Gänge Spülpumpen
VB 400 3-Achs-Lkw 12,50 m / 280 kN Fahrzeugmotor: ca. 140 kW ca. 450 m 12 t 70 / 150 kN 7,20 m G 1: 15 / G 2: 8 / G 3: 2,2 kNm Kolb.-P. 1: 760 l/min / 23 bar Kolb.-P. 2: 4000 l/min / 6 bar
Windenzugkraft Serienausstattung
Winde 1: 30 kN – Winde 2:100 kN Gestängeabfangvorrichtg. 200 mm Rohrdreheinrichtung 521 mm Kompressor: 12 m³ / 14 bar Ausschwenkarm: 25 kN
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Sonstiges
VB 500 4-Achs-Lkw o. Sattelauflieger 14,5 m / 500 kN 300 – 400 KW ca. 800 m 12 - 20 t 120 / 300 9,5 m G 1: 30 / G 2: 18 / G 3: 5 kNm Kolben.-P.: 760 l/min/23 bar Kreisel.-P : 4000 l/min/6 bar Exzent.-P1: 2500 l/min/12 bar Exzent.-P2: 2500 l/min/24 bar W. 1: 10/150 kN – W. 2: 30 kN Gestängeabfangvorrichtg. 200 mm Lufthebeeinrichtung Kompressor: 21 m3 / 22 bar Ausschwenkarm: 25 kN
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Vertikal-Flachbohranlage Satvia Typ VB Sx
Abb. P-52:
SATVIA Vertikal-Bohrgeräte links: Typ VB 600 Sx – Mitte: Kraftspülkopf rechts: Kraftspülkopf ausgeschwenkt
Kenndaten Geräte-Typ Trägerfahrzeug Masthöhe/Kronenlast Motor / Leistung Bohrtiefe Gewicht (o. Fahrzeug) Andruck/Rückzug Vorschublänge Kraftspülkopf Durchgang-: 168 mm Spülpumpen Winden - Zugkraft Sonstige Ausstattung:
VB 600 Sx 4 Achs- oder 5-Achsfahrgestell oder Sattelauflieger 16,5 m / 1000 kN Aufgebauter Dieselmotor: 440 kW – Fahrzeug: 200 kW ca. 1000 m 15 – 30 t 120 kN / 320 kN – Rückzug verstärkt: 800 kN 10,0 m - Geschwindigkeit : 0,6 m/s Gang 1: 30 kNm - 0-25 U/min Gang 2: 18 kNm – 0-45 U/min – Gang 3: 5 kNm – 0-180 U/min Kolben.-P. 1: 760 l/min/23 bar – Kolben.-P. 2: 4000 l/min/6 bar Exzenter.- P. 1: 2500 l/min/12 bar - Exzenter.- P. 2:1500 l/min/24 bar Winde 1: 150 kN – Winde 2: 10 kN Schwerstangenbrecheinrichtung Ausschwenkarm: 25 kN, Mastleiter mit Absturzsicherung Kompressor: 21 m³ / 22 bar, Lufthebeeinrichtung
Die realisierbare Ziehgeschwindigkeit von bis zu 0,8 m/s ermöglicht bei Einsatz entsprechender Bohrstrangkonfigurationen sehr kurze „Round-Trip" Zeiten.
2.3.4 Vertikal- Flachbohranlage der Prakla Bohrtechnik GmbH, Peine Ein weiteres Bohrgerät der Vertikalbohrtechnik für vielseitige Anwendungen ist das Bohrgerät System Prakla Typ B 50. Es wird hergestellt – neben anderen Geräte-Typen) von der Prakla
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2 Bohrgeräte
Bohrtechnik GmbH in Peine (aus der Bauer-Gruppe) und sowohl für den eigenen Bohrbetrieb als auch für den Vertrieb. Das Bohrgerät PRAKLA RB 50 mit einer Hakenlast von 500 kN wurde technisch komplett modernisiert und stärker differenziert. Zu den Neuerungen zählen u.a. Mastverlängerungen, große Deckmotoren, höhere Drehmomente am Kraftdrehkopf, oder auch die Montage auf speziell konzipierte Sattelauflieger. Die RB 50 ermöglicht die Ausführung von Bohrungen in folgenden Bohrverfahren mit Bohrdurchmessern von 4" (108 mm) bis 47" (1200 mm) und Bohrtiefen bis zu 1200 m (je nach Stranggeometrie und Gewicht) • Rotary-Spülbohren • Rotary-Lufthebebohren • Trockendrehbohren (Schneckenbohren) • Rammkernbohren • Seilkernbohren • Im-Loch-Hammer-Bohren • Seilschlagbohren • Abgelenktes Bohren
Abb. P-53a: Bohrgerät Prakla B50 – hier in der 4-Achs Version in Transportstellung
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Geräteträger Standardmäßig sind die RB 50 Bohranlagen auf Drei- oder Vier-Achs-Fahrzeugen mit Allradantrieb bzw. Dreiachs-Auflieger und einem Gesamtgewicht bis zu 41 t aufgebaut. Der LKWMotor treibt über einen entsprechend auf Dauerbetrieb ausgelegten Nebenabtrieb (PTO) die Hydraulikkomponenten der Bohranlage an. Bohrmast Bei der RB 50 Serie stehen drei Bohrturmlängen zur Auswahl: • Turmhöhe ca. 13,5 m (davon 7,5 m Vorschub) • Turmhöhe ca. 17,9 m (davon 7,5 m Vorschub im Hauptmast, Mastverlängerung faltbar) für max. Rohrlänge 14,6 m (R III) • Turmhöhe ca. 16,4 m (davon 10,9 m Vorschub) für max. Rohrlänge 11,5 m (All)
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Hakenlast Die Betriebshakenlast beträgt 450 kN. Um diese Regellast nutzen zu können, ist eine Hauptwinde mit 95 kN Zugkraft installiert. Über einen Hakenblock mit 6-facher Einscherung und einen Zugbügel werden der Drehkopf und der Bohrstrang gezogen. Die Rückzugskraft der RB 50 Bohranlagen im direkten Zug über den Vorschubzylinder wurde auf 160 kN erhöht. Die realisierbare Ziehgeschwindigkeit von bis zu 0,8 m/s ermöglicht bei Einsatz entsprechender Bohrstrangkonfigurationen sehr kurze „Round-Trip" Zeiten,
Abb. P-53b: B-50- Geräte – links: Dreiachs-Version – recht: Dreiachs-Auflieger-Version
Drehkopf Die Kraftdrehköpfe der RB 50 Serie haben standardmäßig einen inneren Durchgang von 150 mm. Sie sind dreigängig manuell oder hydraulisch schaltbar. Je nach Getriebeübersetzung stehen im 1. Gang bis zu 31.580 Nm Drehmoment bei 43 U/min zur Verfügung. Der Drehzahlbereich im 3. Gang wurde bis auf 330 U/min bei einem Drehmoment von 4.150 Nm erhöht. Damit eignen sich die Bohrgeräte sehr gut für Seilkernbohrungen mit größeren Kerndurchmessern (85 mm, 101 mm). Außerdem lassen sich damit abgelenkte Bohrungen durchführen. Durch die Integration von speziellen Spülkopfeinsätzen werden die Drehköpfe zu Hochdruckdrehköpfen. Hiermit lassen sich unter Einsatz von Triplex-Kolbenpumpen (mit 80 bar und mehr) auch gesteuerte Bohrungen abteufen. Bei dieser Variante sind auch die Spülleitungen auf der Bohranlage für entsprechend hohe Spüldrücke (bis - 100 bar) ausgelegt. Alle Drehkopfvarianten können mit Spannköpfen ausgerüstet werden, um auch glattwandige Gewinderohre mit Rohraußendurchmessern von bis zu 178 mm sicher und schnell handhaben zu können. Brecheinrichtungen Die Bohranlagen sind serienmäßig mit hydraulisch betriebenen Brechzylindern ausgestattet. Unter Einsatz von Rohrzangen können hiermit Meißel, Strangzentrierungen, Bohr- und Schwerstangen verschraubt und gebrochen werden.
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930
2 Bohrgeräte
Tabelle der wichtigsten Gerätedaten Fahrgestell Deckmotor Mast Mastverlängerungen Vorschub/Rückzug Kraftdrehkopf Winden Spülungspumpen Kompressor Maße / Gewicht
3-Achs-, 4-Achs-Lkw oder 3-Achs- Auflieger Deutz Länge: 13,5 m, Einbauhöhe: 8,00 m
Antrieb: 323 kW 365 kW Hakenlast: max. 500 kN
4,40 m – bis Max. Länge von 17,90 m
Fahrweg KSP: 10,90 m
80/160 kN 3-Gänge: 43 / 82 / 330 U/min Hauptwinde: 95-500 kN (je nach Lage) Kreiselpume:3200 l/min – 7 bar 2-Stufen Schraubenverdichter Maße gem. Abb. P-53-c
0-0,8 m/s 31,580 / 19,6 / 4,15 kNm Kernseilwinde: 20 kN Kolbenpumpe: 1500 l/min-60 bar 27 m3 bei 30 bar Gewicht: max. 41 t
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Abb. P-53c: Maße der B-50 auf Dreiachs-Fahrgestell in Arbeitsstellung und Transportstellung
3 Bohrtechnik in der Baugrunderkundung 3.1 Allgemeines In der Baugrunderkundung werden folgende Bohrverfahren angewandt: • Bohrungen für gestörte Bodenproben (sogenannte Trockenbohrungen) • Spülbohrverfahren in Verbindung mit Kernbohrungen oder untergeordnete Zwecke • Imlochhammer-Bohrverfahren in Verbindung mit Kernbohrungen oder untergeordnete Zwecke • Rammkern- und Schlauchkernbohrungen Im Weiteren sollen folgende Verfahren beschrieben werden: • Kernbohrungen im Rammkernverfahren (mit und ohne Spülung bzw. Hohlbohrschnecke) • Bohrungen im Schlagbohrverfahren (Greifer, Kiespumpe, Schlagbüchse, Meißel; ohne Spülung) • Bohrungen im Drehbohrverfahren (Vollbohr- und Hohlbohrschnecke, Schappe; ohne Spülung) • Schlagdrehbohren mit Imlochhammer (Luft- oder Wasserspülung) Soweit für die oben genannten Bohrverfahren eine Verrohrung erforderlich ist, sind folgende Verfahren zur Einbringung möglich: • durch Einrammen • durch Einrütteln • durch Eindrücken bzw. Einpressen • mittels oszillierender Verrohrungsmaschinen • mittels rotierender Verrohrungsmaschinen • mittels rotierender Kraftdrehköpfe (Primärverrohrung) • mittels Drehschwinge Außer den Verfahren mittels rotierender Verrohrungsmaschinen und Kraftdrehköpfe sind die übrigen Verfahren für den Baugrundaufschluss nur von untergeordneter Bedeutung.
P Baugrunderkundungsbohrungen
932
3 Bohrtechnik in der Baugrunderkundung
3.2 Unterscheidungsmerkmale der Bohrverfahren Tab. 7-P: Die Bohrverfahren unterscheiden sich im Wesentlichen nach: Art der Lösung des Bodens oder des Gesteins
Art der Bodenproben bei der bohrtechnischen Gewinnung
Art der Förderung des erbohrten Bodens oder des Gesteins
Art des Bohrantriebes bzw. Bohrvorgang
Art des Bohrwerkzeugs
Güteklasse der Bodenproben nach DIN 4021, Tab. 4 1)
schleifend
Trockenvollbohrung (Kernbohrung) bei ungestörter Probeentnahme
kontinuierlich
a) über Flur angeordnet:
schlagende Werkzeuge:
schlagend durch Freifall
Trockenvollbohrung bei gestörter Probeentnahme
hydraulisch
Greifer Kiespumpe Schlagbüchse Schlagmeißel Rammkernrohr
GKL1: Kornzusammensetzung, Wassergehalt, Dichte des feuchten Bodens, Steifmodul, Scherfestigkeit, Wasserdurchlässigkeitsbeiwert
drehendschneidend schabend oder reißend drehendzertrümmernd schlagend grabend
Spülvollbohrung mit schlagend Bohrkleinförzertrümmernd derung im Flüssigkeitsdrehschlagend- oder Luftstrom zertrümmernd Kernbohrung mit gleichzeitiger Bohrkleinförderung im Spülstrom (Wasser oder Luft)
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intermittierend (zeitweise) mechanisch
pneumatisch Spülung indirekt durch das Bohrgestänge Spülung direkt durch den Ringraum zwischen Bohrlochwand und Bohrgestänge durch das offene Bohrloch mit Hilfe des Bohrwerkzeugs
drehend durch Kraftdrehkopf oder Drehtisch mit oder ohne „pulldow “ (Andruck), mit im KDK oder Drehtisch gleitender Mitnehmerstange (Kelly) oder mit KDK verbundenem Bohrgestänge b) unter Flur angeordnet: schlagend bzw. drehschlagend durch Imlochhammer in Verbindung mit KDK
drehende Werkzeuge: Schnecke Schappe (Bohreimer) Kernrohr Rollenmeißel Spülmeißel drehendschlagende Werkzeuge: Imlochhammer
GKL2: Kornzusammensetzung, Wassergehalt, Dichte des feuchten Bodens, Wasserdurchlässigkeitsbeiwert GKL3: Kornzusammensetzung, Wassergehalt GKL4: Kornzusammensetzung GKL5: Schichtenfolge
1)
Ausführliche Beschreibung der Bodenprobenklassen mit Kurzzeichen siehe DIN 4021, Tab. 1.:Unterscheidungsmerkmale der Bohrverfahren
P Baugrunderkundungsbohrungen
933
3.3 Beschreibung der Bohrverfahren 3.3.1 Allgemeines Die für den Baugrundaufschluss gebräuchlichen Verfahren werden in folgender Reihenfolge beschrieben: schlagendes Bohren drehendes Bohren ohne Spülung Rammkernverfahren mit oder ohne Spülhilfe drehendes Bohren mit Spülung Drehschlagbohren mit Spülung
3.3.2 Schlagbohrverfahren 3.3.2.1 Allgemeines Alle Geräte und Werkzeuge, die für die folgenden Bohrverfahren eingesetzt werden, wurden in den vorhergehenden Kapiteln ausführlich beschrieben. Das Schlagbohrverfahren ist wohl das älteste Bohrverfahren überhaupt, das von den Chinesen bereits vor ca. 4000 Jahren angewendet wurde. Bei der Felsbohrung beruht das Lösen auf der Sprödigkeit des Gesteins. Das Lösen rolliger Böden mit Kiespumpen erfolgt durch den Luftpumpeneffekt des Kolbens. Bei Einsatz von Greifern kann man von einer Grabwirkung sprechen (danach auch die Bezeichnung des ersten Seilgreifers „Hammergrab”). Bei den Schlagbohrverfahren unterscheidet man das • Gestängefreifallbohren und das • Seilfreifallbohren Das Gestängefreifallbohren sowie viele weitere Schlagbohrverfahren (pennsylvanisches, kanadisches Verfahren usw.) sind für den Baugrundaufschlussbereich ohne jede Bedeutung und werden daher nicht behandelt. Beim Seilfreifallbohren hängt das Bohrwerkzeug am Seil und wird im freien Fall auf die Bohrlochsohle fallen gelassen. Hierbei unterscheidet man den freien Fall aus großer Höhe (im Greiferbetrieb), das Bohren mit geringen Fallhöhen (Schlagbüchsen und Meißel) sowie das Kiespumpenverfahren. Hierbei steht der Pumpenkörper auf der Sohle und nur der Kolben wird hochgezogen und abgelassen.
3.3.2.2 Seilfreifallbohren mit dem Greifer Das Verfahren kommt nur in Verbindung mit Seilbaggern und für rollige und bindige Böden zum Einsatz. Es wird ebenfalls eingesetzt zum Fördern von durch Meißeln gelöstem Material. Von wenigen Ausnahmen abgesehen (zuverlässig standfester Boden), ist beim Greiferbohren eine Verrohrung erforderlich. Das Bohrwerkzeug darf dabei nicht tiefer als die Rohrunterkante geraten, um seitlichen Bodenentzug zu vermeiden. Ohne Verrohrung neigt eine Greiferbohrung auch stark zur Abweichung. Da rein statische Auflasten für die Mitnahme der Rohrtour kaum noch üblich sind, werden Greiferbohrungen stets in Verbindung mit Verrohrungseinrichtungen ausgeführt. Diese sind in der Lage, den Rohrstrang dem Werkzeug vorauseilen zu lassen.
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3 Bohrtechnik in der Baugrunderkundung
Die Verrohrungsmaschinen sind in der Lage, auch größere Teufen im gewünschten Enddurchmesser (z. B. bei Großbrunnen) ohne Teleskopierung zu erreichen. Die Verrohrungsmaschinen bewegen die Rohre unter axialem Andruck bzw. Zug durch Oszillation (schockierend) oder durchdrehend (rotierend). Der Durchmesserbereich dieser Bohrungen beträgt 600 bis 3500 mm (bei Prototypen bereits bis 4000 mm). Es wurden bereits Tiefen bis 100 m erreicht. Als Greifer stehen mechanische und hydraulische Systeme passend zu den jeweiligen Rohrtouren zur Verfügung. Sie können zum Teil ohne wesentlichen Umbau im Einseil- und Zweiseilverfahren betrieben werden. Einige Greifer ermöglichen das arretieren der Schaufeln, sodass mit dem Greifer auch gemeißelt werden kann. Dabei sollte jedoch eine geringe Fallhöhe < 1 m gewählt werden, da sonst Schäden an den Schaufeln und Scherengestängen auftreten können, die unter Umständen zu hohen Reparaturkosten fuhren. Als Seilbagger kommen Mobil- und Raupenbagger zum Einsatz, die zum Teil speziell auf den Greiferbetrieb mit Verrohrungsmaschinen abgestimmt und eingerichtet sind. Die hydraulischen Verrohrungsmaschinen werden überwiegend von der Bordhydraulik des Baggers versorgt. Der Einsatz dieses Bohrverfahrens findet vielfach bei Aufschlussbohrungen im Deponiebereich statt. Verfahren wurde in den vorausgegangenen Kapiteln schon ausführlich einschließlich der Gerätetechnik beschrieben
3.3.2.3 Seilfreifallbohren mit der Ventilschlagbüchse
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Die Ventil-Schlagbüchse gehört zu den ältesten Bohrwerkzeugen. Sie kann auch an Dreiböcken mit Schlagwinde und leichten Bohrgeräten mit Schlagwerk betrieben werden, allerdings nur unter Wasser. Das Werkzeug wird mit einer Fallhöhe von 30 bis 50 cm auf die Bohrsohle fallen gelassen. Beim Aufschlagen öffnet sich die Ventilklappe und die Schlagbüchse dringt in den Boden ein. Beim Hochziehen schließt sich das Ventil und verhindert so das Ausfließen des Bodens. Der Vorgang wird so lange wiederholt, bis das Gefäß gefüllt bzw. kein Bohrfortschritt mehr festzustellen ist. Da die Schlagbüchse im leeren Zustand durch den Auftrieb mit geringer Schlagenergie auftrifft, wird der Bohrfortschritt erst mit zunehmendem Füllungsgrad zufriedenstellend. Trotz der einfachen Konstruktion bedarf es für den Betrieb einer ausreichenden Erfahrung. In Abhängigkeit vom Boden und Wasserstand ist die Fallhöhe zu regulieren. Zu hoher Wasserstand über der Bohrlochsohle kann dazu fuhren, dass die Schlagbüchse nicht arbeitet. Der Bohrdurchmesser sollte nicht größer als 400 mm sein. Außer dem Einsatz bei Baugrundaufschlussbohrungen eignet sich die Schlagbüchse auch zum Säubern der Bohrlochsohle bei Brunnen- und Pfahlbohrungen. Es bedarf keiner besonderen Erwähnung, dass dieses Bohrsystem nur mit gleichzeitiger Verrohrung, die nach Möglichkeit tiefer als die Bohrlochsohle reichen sollte, betrieben werden kann. Geräte und Verfahren wurden bereits beschrieben.
3.3.2.4 Seilfreifallbohren mit der Kiespumpe Auch die Kiespumpe gehört zu den Werkzeugen, die schon sehr lange, insbesondere im Brunnenbau eingesetzt werden. Sie arbeitet nur einwandfrei in groben Sanden sowie Kiesböden, und wie die Ventilschlagbüchse, nur unter Wasser.
P Baugrunderkundungsbohrungen
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Die Arbeitsweise unterscheidet sich jedoch von der Schlagbüchse dadurch, dass nicht das gesamte Bohrwerkzeug angehoben und fallen gelassen wird, sondern nur der Kolben. Dafür wird die Kiespumpe auf die Bohrlochsohle abgestellt und der Kolben in kurzen Hüben (ca. 30 cm) angehoben und wieder abgelassen. Beim Hochziehen wird die Ventilklappe geöffnet und der Boden im Luftpumpenprinzip in den Pumpenkörper gesaugt. Beim Ausbauen verhindert das Ventil das Auslaufen des Bodens. Auch das Arbeiten mit der Kiespumpe erfordert sehr viel Erfahrung.
3.3.2.5 Seilfreifallbohren mit dem Meißel Der Fallmeißel dient nur der Zertrümmerung von Hindernissen und dem Lösen von Fels oder felsähnlichen Böden. Zur Förderung werden andere Werkzeuge (Greifer, Schlagbüchse usw.) benötigt. Die Fallhöhe darf nicht zu groß gewählt werden, da die hohe Energie, die beim Auftreffen auf die Sohle erzeugt wird, zu Schäden (Risse, Brüche) am Werkzeug fuhren können. Eine Fallhöhe von 2 m sollte nicht überschritten werden. Mit kurzen Fallhöhen bei schneller Folge kann insbesondere im Fels oft eine wesentlich bessere Leistung erzielt werden. Sehr wichtig ist die ständige Entfernung des gelösten Materials (Säubern der Sohle), da das gelöste Material den Meißel sehr stark abbremst und kaum noch Bohrfortschritt festzustellen ist. Es ist nicht ratsam, größere Felsstrecken im Meißelverfahren zu durchteufen, da dieses Verfahren sehr unwirtschaftlich ist (mangelnde Bohrleistung, hohe Reparaturkosten am Meißel, großer Verschleiß an Schlagwerken und Winden). Obwohl das Schlagbohrverfahren schon Ende der 50er Jahre bei tiefen Bohrungen vom Drehbohrverfahren und später durch das Lufthammerbohrverfahren zunehmend verdrängt wurde, da wesentlich höhere Leistungen zu erzielen sind, stellt das Schlagbohrverfahren unter ganz bestimmten Baugrundverhältnissen immer noch eine wirtschaftliche Lösung dar. Dies kann der Fall sein, wenn bei sehr tief liegendem Grundwasserspiegel stark klüftige Schichten mit großen Hohlräumen zu durchteufen sind. Hier können oberhalb des Grundwasserspiegels derartig hohe Spülungsverluste auftreten, dass es problematisch wird, die hohen Wassermengen heranzubringen. Spülwassermengen von 100 m3/h und mehr sind dabei durchaus keine Seltenheit. Bei Einsatz von Imlochhämmern können sich erhebliche Schwierigkeiten einstellen, wenn Felsschichten mit stark bindigen Schichten zu durchörtern sind. Die auf das Zertrümmern ausgerichtete Wirkungsweise geht verloren, der Hammer verklebt und die Leistung nimmt stark ab. Bei der vorgenannten Geologie kommt ein enormer, kaum noch vertretbarer Luftbedarf hinzu, so dass mit dem Lufthammerverfahren unter diesen Voraussetzungen keine befriedigenden Ergebnisse erreicht werden können. Die Wirtschaftlichkeit des Schlagbohrverfahrens mit Meißeleinsatz konnte durch eine wesentliche Verbesserung der Schlagbohrmeißel und der Schlagwerkstechnik erhöht werden. Unerlässlich ist bei diesem Verfahren eine Hilfsverrohrung, die bei größeren Tiefen unter Umständen mehrfach teleskopiert werden muss. Dazu kommen entsprechende Bohrgerüste und Verrohrungseinrichtungen. Zu empfehlen sind je Durchmesser zwei Meißel, damit die Schlagwerkzeuge im ständigen Wechsel neu belegt werden können. Für die Förderung des gelösten Materials werden Schlagbüchsen und Bohrgreifer eingesetzt. Große Anforderungen werden bei dem vorgenannten Verfahren an das Personal gestellt. Die Erfahrungen in der Schlagbohrtechnik sind durch die vorrangig eingesetzte Drehbohrtechnik stark zurückgegangen. Die Bauzeiten sind erheblich länger als bei den drehenden Verfahren. Man rechnet je nach Bohrdurchmesser mit einer Tagesleistung von 5 bis 10 m.
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3 Bohrtechnik in der Baugrunderkundung
3.3.2.6 Zusammenfassung Mit Ausnahme der Bohrgreifer werden Schlagbohrwerkzeuge nur noch in Einzelfallen eingesetzt. Sie wurden durch die hohe Technisierung der Bohrgeräte, starke Kraftdrehköpfe und leistungsfähige Drehbohrwerkzeuge zunehmend verdrängt. Die Entwicklung der Felsbohrschnecken macht den Einsatz von Schlagmeißeln nur noch selten erforderlich.
3.4 Drehbohrverfahren ohne Spülung 3.4.1 Allgemeines Dieses Verfahren gehört zu den üblichen und vielseitig angewendeten Verfahren in der Baugrundaufschlusstechnik. Durch starke Kraftdrehköpfe und zweckmäßige Werkzeuge sind sehr hohe Bohrleistungen zu erzielen. Im Wesentlichen sind folgende Verfahren zu unterscheiden:
Schneckenbohrverfahren Schappenbohrverfahren Trockenkernrohrverfahren 3.4.2 Schneckenbohrverfahren Hierzu gehören:
Normalschneckenverfahren (Kurzschnecken) Hohlbohrschneckenverfahren (Endlosschnecken)
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Die Normal- oder Kurzschnecken werden in Längen von 1 bis 2 m eingesetzt (selten länger) und eignen sich für alle trockenen bis erdfeuchten Böden. Im Grundwasserbereich sind nur bei bindigen Böden zufriedenstellende Ergebnisse zu erzielen. Für den Baugrundaufschluss sind Schneckendurchmesser bis 300 mm üblich, während bei Großbohrgeräten Durchmesser bis 2500 mm möglich sind. Die besten Leistungen werden mit maximalem Vorschub und geringer Drehzahl erreicht, da hierbei die Schneckenwendel lückenlos gefüllt werden und so die besten Probenergebnisse erzielt werden können. Bodenart und Schichtenfolge lassen sich so sehr gut erkennen. Voraussetzung ist, dass die Schnecke ohne Umdrehung bzw. nur geringer Rechtsdrehung ausgebaut wird. Die Bodenansprache sollte auch, wenn möglich, an der Schnecke erfolgen, bevor diese entleert wird. Die Normal- oder Kurzschnecken werden in Längen von 1 bis 2 m eingesetzt (selten länger) und eignen sich für alle trockenen bis erdfeuchten Böden. Im Grundwasserbereich sind nur bei bindigen Böden zufriedenstellende Ergebnisse zu erzielen. Für den Baugrundaufschluss sind Schneckendurchmesser bis 300 mm üblich, während bei Großbohrgeräten Durchmesser bis 3000 mm möglich sind (bei neuesten Geräten bis 4000 mm unverrohrt).
P Baugrunderkundungsbohrungen
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Abb. P-53: Baugrundaufschlussarbeiten mit Normalbohrschnecke im Bereich einer Mülldeponie mit einer Nordmeyer DSB 1
Die besten Leistungen werden mit maximalem Vorschub und geringer Drehzahl erreicht, da hierbei die Schneckenwendel lückenlos gefüllt (Abb. P-54) werden und so die besten Probenergebnisse erzielt werden können. Bodenart und Schichtenfolge lassen sich so sehr gut erkennen. Voraussetzung ist, dass die Schnecke ohne Umdrehung bzw. nur geringer Rechtsdrehung ausgebaut wird. Die Bodenansprache sollte auch, wenn möglich, an der Schnecke erfolgen, bevor diese entleert wird. Bei hoher Drehzahl und geringem Vorschub wird der Boden nur in dünnen Lagen „abgeschabt” und ständig gefördert, sodass eine zuverlässige Bodenansprache nicht möglich ist. Insbesondere ist es so schwierig, die Tiefenlage zu bestimmen. Das Entleeren der Schnecke erfolgt bei Großbohrgeräten durch sog. Schneckenputzer” oder das „Schütteln” (kurze Links- und Rechtsdrehung). Bei stark bindigen Böden fuhren nur der Schneckenputzer, das Entfernen mit dem Spaten bzw. das Eindrehen in einen nichtbindigen Boden zum Erfolg.
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3 Bohrtechnik in der Baugrunderkundung
Abb. P-54: Vorbildlich gefüllte Bohrschnecke ohne jegliche Fehlstellen [Liebherr]
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Die Kraftspülköpfe der Aufschlussbohrgeräte lassen sich nach oben schwenken und dann herunterfahren, sodass ein bequemes Säubern der Schnecke und Probeentnahme möglich ist. In den meisten Fällen wird die Verrohrung mit einer Verrohrungseinrichtung (Verrohrungsdrehtisch) eingesetzt, da durchgehende standfeste, bindige Schichten ohne Zwischenlagen, die zum Nachfall neigen, sehr selten sind. Sie verbessert die Qualität der gewonnenen Proben und garantiert einen geraden Verlauf der Bohrung und ist auch bei der Entnahme von ungestörten Proben sehr von Vorteil. Bei großen Teufen kann je nach Baugrund eine Teleleskopierung nötig werden. Die Durchmesse der Futterrohre sind auf diese Möglichkeit abgestimmt. Zur Handhabung der Gewindefutterrohre sollte folgendes beachtet werden: • Beim Transport die Gewinde mit PVC- oder Stahlschutzkappen versehen, • Transport nach Möglichkeit (stehend oder liegend) in offenen Boxen, • Gewinde stets peinlich sauber halten (schont die Gewinde und erleichtert das Verschrauben), • Futterrohre nie werfen, • beim Aufsetzen nie die Hände unter die Rohrkante halten, Verletzungsgefahr! Neben den bereits erwähnten Verrohrungsdrehtischen können insbesondere bei Großdrehbohrgeräten für die Einbringung der Futterrohre auch die Kraftdrehköpfe verwendet werden. Oszillierende Verrohrungsmaschinen sind unmittelbar am Geräteträger angeflanscht und werden über die Bordhydraulik gespeist und vom Bohrgeräteführer bedient.
P Baugrunderkundungsbohrungen
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Abb. P-55: Transportcontainer für Futterrohr
3.4.3 Bohren mit Verdrängungsbohrschnecken Diese Endlosbohrschnecke entspricht der Hohlbohrschnecke. Sie ist auf Verdrängung des Bodens ausgelegt und hat daher nur sehr schmale Schneckenwendel.
Abb. P-56: links: Verdrängungsbohrschnecke - rechts mit Verschlussdeckel [ABF]
Es werden verlorene oder wiedergewinnbare Bohrspitzen bzw. Schneidschuhe verwendet. Für den Baugrundaufschluss hat diese Schnecke keine Bedeutung. Gelegentlich wird das System bei der GW-Messstellen-Herstellung mit großem Rohrdurchmesser verwendet. Allerdings werden sehr starke Kraftdrehköpfe benötigt, sodass für das Niederbringen dieses Schneckensystems nur Großbohrgeräte in Frage kommen. Für den Einbau von Kiesbelagfiltern wurden Verdrängungsschnecken mit einem Durchmesser von ca. 70 cm eingesetzt.
3.4.4 Bohren mit Hohlbohrschnecke Die Hohlbohrschnecke hat wesentlich breitere Schneckenwendel und lässt sich daher leichter einbringen und benötigt somit nicht so starke Kraftdrehköpfe wie die Verdrängungsbohrschnecke (Abb. P-57). Anwendung findet die Hohlbohrschnecke insbesondere in Verbindung mit dem Rammkernrohr (Abb. P-57).
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3 Bohrtechnik in der Baugrunderkundung
Abb. P-57: Bohranwendung mit Hohlbohrschnecke für die Bodenentnahme mit dem Nordmeyer-Rammkernrohr RKR [Nordmeyer]
3.4.5 Bohren mit Drehbohrschappen
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Drehbohrschappen werden in unterschiedliche Formen eingesetzt. Schappen mit Ventilklappe können auch bei rolligen, wasserführenden Böden verwendet werden. Sie sind bei Baugrundbohrungen am Gestänge geführt einzusetzen. Bei Bohrdurchmesser bis etwa 300 mm reichen die Drehmomente der Kraftspülköpfe im Allgemeinen aus. Zur Entleerung ist bei den heute verwendeten Systemen eine Seitenklappe vorgesehen. Die Handhabung ist problemlos und bedarf keiner besonderen Erfahrung.
3.4.6 Bohren mit Trockenkernrohre Drehbohrtrockenkernrohre werden mit Durchmessern bis etwa 150 mm in Verbindung mit Hohlbohrschnecken oder auch gleichzeitiger Verrohrungen in bindigen Böden zur Probeentnahme eingesetzt.
P Baugrunderkundungsbohrungen
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Da ein Trockenvollbohren im Fels ohne Spülung technisch nicht möglich ist, wird bei Kernbohrrohren nur ein kleiner Ringraum mit sehr hohen Anpressdrücken in den Fels geschnitten. Das Trockenkernverfahren im Festgestein kommt allerdings in der Bohrtechnik selten vor, da ohne die Abführung des Bohrkleins kaum wirtschaftlicher Bohrfortschritt möglich ist. Das Problem der Bohrkleinförderung wird durch Querrippen am Umfang teilweise gelöst. Trotzdem liegen die erreichbaren Kernlängen bei maximal 80 cm, meistens jedoch nur bei 30 bis 50 cm. Benötigt werden hohe Drehmomente und Andruckkräfte. Beim Niederbringen sollte nicht gewartet werden, bis der KDK „abgewürgt” ist, d. h. stehen bleibt. In der Regel ist das Kernrohr dann schon so festgefahren, dass es nur mit Sondermaßnahmen (Hochdruckspülung o.ä.) freizubekommen ist. Daher muss das rotierende Kernrohr ständig angehoben werden und sich so freiarbeiten kann.
Abb. P-58: Das Trockenkernrohr (hier System Bauer) wird bei Baugrundbohrungen nur selten angewendet. Es erfordert starke Kraftdrehköpfe, da das gelöste Bohrgut wegen fehlender Spülung zur Verklemmung zwischen Kernrohr und Bohrlochwandung führt [Bauer]
3.4.7 Rammkernbohrverfahren 3.4.7.1 Nordmeyer-Verfahren Neben weiteren Systemen hat der Bohrgerätehersteller Nordmeyer, Peine, das Hohlbohrschneckenverfahren modifiziert und daraus das Rammkernrohr mit der Typenbezeichnung RKR entwickelt. Der Grund war die verstärkte Nachfrage zur Gewinnung durchgehend gekernter Bodenproben nach DIN 4021. Ergänzend muss dazu gesagt werden, dass schon seit 1931 Bodenproben durch Eintreiben eines Stahlrohres verwendet und dieses System seitdem laufend verbessert wurde. Zur Probenentnahme in fest gelagerten, kiesigen Böden ist wird ein Rammrohr mittels eines luftbetriebenem Rammhammers (Düsterloh-Rammhammer) zur Probengewinnung in den Boden getrieben und dann gezogen. Das Nordmeyer-Rammkernrohr benötigt dagegen weder den üblicherweise erforderlichen Kompressor, noch eine starke Seilwinde zum Ziehen des Kernrohres. Als Schutzverrohrung und gleichzeitig zur Führung des Rammkernrohres (RKR) können Bohrrohre oder HB (Hohlbohr-)Schnecken verwendet werden. Bei vorhandenen größeren Bohrrohren sind Sonderausführungen mit größerem Führungsdurchmesser lieferbar. Achtung: Beim Überbohren mit HB-Schnecken oder Bohrrohren mit Rechtsgewinde müssen die Gewindeverbindungen des Rammkernrohres ebenfalls Rechtsgewinde haben bzw. für Bohrrohre mit Linksgewinde muss auch das Rammkernrohr mit Linksgewinde ausgeführt sein! Das gelieferte Gewinde ist im Rammkernrohr eingraviert. Anhand der folgenden Darstellung des Ablaufschemas wird das Verfahren beschrieben.
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3 Bohrtechnik in der Baugrunderkundung
Phase 1: Die Hohlbohrschnecke (HBS) mit Klinkenschnecke und Schneidkopf wird mit der Pilotspitze verschlossen und einschließlich der Klinkenkopf mittels Kraftdrehkopf bis auf die gewünschte Tiefe gebracht, wobei der Boden teils verdrängt und teils gefordert wird. Phase 2: Nach Erreichen der gewünschten Bohrtiefe wird die Verbindung zum KDK gelöst, der Führungstrichter aufgeschraubt und mit der am Seil geführten HN-Fangvorrichtung die Pilotspitze mit der Klinkenvorrichtung gezogen. Phase 3: Das komplette Rammkernrohr wird nun mit der seilgeführten RKR-Fangvorrichtung in die Schutzverrohrung bzw. HB-Schnecke gehoben, am Klinkenkopf ausgeklinkt und fällt dann im freien Fall auf die zuvor gereinigte Bohrlochsohle. Anschließend wird das Rammgewicht am Seil in die Verrohrung bzw. HB-Schnecke eingelassen und das Kernrohr mittels Seilschlagwerk oder Schlagseilwinde 1 m in den anstehenden Boden eingetrieben. Phase 4: Nach Beendigung des Rammvorganges wird das Rammgewicht ausgebaut, das gefüllte Kernrohr bis etwa 5 cm oberhalb der Kernrohr-UK überbohrt und dann mit der Fangvorrichtung am Seil gezogen und der Kern ausgebaut. Der Ablauf wird mit Phase 1 fortgesetzt. Hinweis: Bei Arbeiten im Grundwasserbereich ist die Hohlbohrschnecke vorher mit Wasser zu füllen.
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P Baugrunderkundungsbohrungen
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P Abb. P-59: Arbeitsablauf beim Rammbohrkernsystem mit Hohlbohrschnecken System Nordmeyer.
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3 Bohrtechnik in der Baugrunderkundung
Tab. 8-P: Systemmaße des Nordmeyer-Rammkernrohres (RKR) Hohlbohrschnecke HBS Schneid- und Wendel-∅ Seelenrohr Innen-∅ Schneidkopf Innen-∅ Rammkernrohr Entnahmerohr-∅ außen/innen Schneidschuh-∅ außen/innen Kernfänger-∅ außen/innen PVC-Innenrohr (Liner) Druckrohr Einbau von Doppelkernrohren Doppelkernrohr-∅ außen/innen Einbau von Seilkernrohren Seilkernrohr-∅ außen/innen Einbau von Filterrohren – mit Kiesbelag DN – ohne Kiesbelag DN
79/185 185 79 75 L = 1m
50 × 1,8
66/52
40 50
111/205 205 111 100 RKR-73 98/82 98/73 81/74 × 15 80 × 1,8 DKR-73
165/280 280 165 147 RKR-115 144/127 144/115 131/117 × 2,5 125 × 2,5 DKR-115
224/350 350 224 208
86/72
131/116,7
131/116,7
mm
96/63,5
146/102
146/102
mm
50 1 80
115 125
150 150
mm mm
mm mm mm mm mm mm mm
3.5 Drehbohrverfahren mit Spülung 3.5.1 Allgemeines
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Beim Spülbohrverfahren wird das gelöste Material mit einem Medium ausgetragen. Dabei werden folgende Verfahren unterschieden: Spülung mit Klarwasser Spülung mit Wasser unter Verwendung von Spülungszusätzen Spülung mit Luft Spülung mit Luft und Wasser Als grundsätzliche Bohrverfahren sind zu nennen: Kernbohrverfahren Vollbohrverfahren Beim Kernbohrverfahren wird lediglich ein Ringraum freigeschnitten und das Bohrklein ausgetragen sowie der Kern periodisch (abschnittsweise) gefordert. Beim Vollbohrverfahren wird das Bohrklein stetig gelöst und von der Spülung ausgetragen.
3.5.2 Bohrverfahren Da für bindige und rollige Böden neben dem Trockenbohrverfahren aus wirtschaftlichen Gründen fast nur noch das Rammkernverfahren eingesetzt wird, ist der Einsatzbereich der Kernrohre in Fels oder in felsähnlichen Formationen (stark verfestigte rollige Böden).
P Baugrunderkundungsbohrungen
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Neben Formen, die nur für Sondereinsätze Verwendung finden, sind die wesentlichen Systeme: • Kernverfahren mit Rammkernrohr • Kernbohrungen mit Einfachkernrohren • Kernbohrungen mit Doppelkernrohren • Kernbohrungen mit Dreifachkernrohren • Kernbohrungen mit Seilkernrohren
Abb. P-60: Schematische Darstellungen der Bohrungen für Kernprobengewinnung
3.5.3 Kernbohrungen mit dem Einfachkernrohr Einfachkernrohre finden insbesondere Anwendung in einem homogenen Gebirge. Die üblichen Durchmesser betragen 76 bis 146 mm. Besonders mit dem dünnwandigen Einfachkernrohr mit einer Lippenbreite von 7 mm sind in sehr kompakten Felsformationen aus gute Leistungen zu erzielen. Bei Einfachkernrohren können schmallippige Bohrkronen eingesetzt werden, wodurch die Kosten für das Bohrwerkzeug niedrig sind. Günstig ist, dass man mit Einfachkernrohren im Vergleich zu Doppelkernrohren unter gleichen Bedingungen höhere Bohrleistungen erzielen kann, weil weniger Gestein zu zerstören ist, und dass bei einem gegebenen Bohrlochdurchmesser der Bohrkerndurchmesser größer ist als beim Einsatz von Doppelkernrohren. Voraussetzung ist freilich, dass die zu kernenden Schichten
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3 Bohrtechnik in der Baugrunderkundung
unempfindlich sind gegen die am Bohrkern mit hoher Geschwindigkeit vorbeiströmende Bohrspülung und gegen die ständige Rotation des Kernrohres. Lockere Einlagerungen können durch die Bohrspülung ausgewaschen werden und damit die Qualität der gewonnenen Bodenproben sehr gemindert. Beim Bohren mit dem Einfachkernrohr ist auf ausreichende und stetige Spülung zu achten, da sich zwischen dem Futterrohr und dem Kernrohr Sedimente aus grobem Bohrklein absetzen und das Kernrohr verklemmen kann. Dies wird dadurch begünstigt, wenn der Durchmesserunterschied zwischen Futterrohr und Kernrohr verhältnismäßig groß ist und damit die Auftriebsgeschwindigkeit stark abnimmt. Der Innendurchmesser des Futterrohres ist daher stets so abzustimmen, dass eine ausreichende Auftriebsgeschwindigkeit für den Bohrkleinaustrag besteht.
Abb. P-63: Schematische Detaildarstellung des Unterteils eines Doppelkernrohres. Die rechte Seite ist aus Darstellungsgründen leicht gedreht. 1: Kernfänger, 2: Bohrkern, 3: Bohrkrone
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Abb. P-61: Schematische Darstellung der Kernfangeinrichtung eines Einfachkernrohres 1 Kernfangring, 2 Kernfanghülse, 3 Bohrkern, 4 Steuerhülse
P Baugrunderkundungsbohrungen
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Ein sehr wichtiges Element des Kernrohres zur verlustfreien Gewinnung des Bohrkerns ist der Kernfangring der sich während des Abbohrens im oberen konisch geformten Teil der Bohrkrone befindet, damit der Bohrkern vorbeigleiten kann. Beim Anheben des Kernrohrs angehoben, rutscht der nach unten. Die Folge ist, dass sich der abgebohrte Kern mit dem Kernfänger verklemmt und so gezogen werden
3.5.4 Kernbohrungen mit dem Doppelkernrohr Einfachkernrohre sind nicht geeignet in Bodenformationen, die zum Ausspülen neigen. Bei stark wechselnden Schichten ist mit dieser Erscheinung besonders zu rechnen. Beim Doppelkernrohr wird der Bohrkern vor der vorbeiströmenden Spülung geschützt. Während bei einem mitdrehenden Kernrohr der Bohrkern noch immer mechanisch beansprucht werden kann, sind heute nur noch Doppelkernrohre in Gebrauch, bei denen das Mitrotieren des Innenrohres nicht mehr möglich ist. Obwohl die Konstruktion wesentlich aufwendiger und damit auch erheblich teurer ist, hat sich dieser Typ durchgesetzt. Doppelkernrohre benötigen breitlippige Bohrkronen; damit ist das Verhältnis zwischen Bohrlochdurchmesser und Kerndurchmesser ungünstiger als bei Einfachkernrohren. Doppelkernrohre mit stillstehendem Innenrohr haben sich überall dort durchgesetzt, wo mit Einfachkernrohren ein befriedigender Kerngewinn nicht erzielt werden kann. Damit das Innenrohr gut durchspült werden kann, erfolgt der Einbau des Doppelkernrohres im offenen Zustand. Das Innenrohr ist dabei nicht gegen das Bohrgestänge abgeschlossen. Um die Bohrspülung zu zwingen, beim Abwärtsfließen nur den Ringraum zwischen Innen- und Außenrohr zu benutzen, wird nach Erreichen der Bohrlochsohle eine Kugel eingeworfen, die das Innenrohr verschließt.
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Abb. P-62: Schnitt Doppelkernrohr
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3 Bohrtechnik in der Baugrunderkundung
Damit beim Eintreten des Bohrkerns in das Innenrohr eine Komprimierung der darin befindlichen Bohrspülung vermieden wird, befindet sich am oberen Ende des Innenrohres ein Kanal, durch den die Bohrspülung austreten kann. Die Bohrspülung fließt über die Spülkanäle unmittelbar zur Kronenlippe, so dass der Förderstrom keinen Kontakt mit dem Bohrkern bekommt. Die notwendige Spülmenge kann dabei in Abhängigkeit vom Durchmesser 200 bis 600 1/min betragen. Der Kernfänger ist als Federring ausgebildet oder korbförmig. Dieser lässt den Kern vorbeigleiten und verklemmt sich mit ihm beim Ziehen des Kernrohrs. Die verwendeten Bohrkronen sind sowohl oberflächenbesetzt als auch imprägniert und haben eine starke Lippe. Auch Hartmetallkronen sind möglich. Über im Kronenkörper gelangt die Bohrspülung unmittelbar zur Bohrkronenlippe, wodurch der Bohrkern vor Erosionserscheinungen geschont wird. Damit die Spülungslöcher nicht durch Feststoffe verstopft werden, ist auf eine gute Spülung zu achten. Eine Sonderform des Doppelkernrohres ist das Schalenkernrohr T6-S System Atlas Copco mit geteiltem Innenrohr, das besonders in Lockerformationen Anwendung findet. Der maximale Kerndurchmesser bei diesem System ist mit 115,7 mm angegeben. Nach dem Bergen des Kernrohres wird die Bohrkrone mit Fangring abgeschraubt und die obere Halbschale entfernt. Jetzt kann eine einwandfreie Ansprache des Bohrkerns erfolgen und anschließend der Bohrkern in die Kernkiste umgestülpt werden. Es ist aber auch möglich, den Kern in einen PVC-Liner zu schieben und die Enden mit eine Kappe zu verschließen, um ihn so vor dem Austrocknen zu schützen.
3.5.5 Kernbohrungen mit dem Seilkernrohr Die Seilkernrohre gehören zu den am meisten eingesetzten Kernrohrtypen. Es sind Doppelkernrohre mit einer Vorrichtung, die es gestattet, das Innenkernrohr aus- und einzubauen, während der Bohrstrang im Bohrloch verbleibt. Auf diese Weise wird Zeit für den sonst erforderlichen Gestängeaus- und -einbau eingespart. Die anzuwendende Bohrtechnik entspricht der des Doppelkernrohres.
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Anwendungshinweise Das Außenkernrohr wird zusammen mit dem Bohrstrang eingebaut und zunächst die Bohrlochsohle freigespült. Danach wird das Innenkernrohr in das Bohrgestänge eingesetzt bis in seinen Sitz im Außenkernrohr. Dies gelingt jedoch nur bis Bohrlochneigungen, die kleiner als 45° sind. Bei größeren Bohrlochneigungen muss das Innenkernrohr mit einer begrenzten Pumpenleistung bis in seine Stellung im Außenkernrohr gepumpt werden. Die Sperrklinken rasten ein, sobald das Innenkernrohr seine Arbeitsstellung erreicht hat. Wenn der Kern abgebohrt und das Innenkernrohr gefüllt ist, wird dieses nach oben gedrückt. Hierdurch wird ein elastisches Ventil, das sogenannte Spülungsschließventil, im oberen Teil des Innenkernrohres zusammengepresst, wodurch der Durchfluss der Bohrspülung unterbrochen wird, was ein erheblicher Anstieg des Pumpendruckes zur Folge hat. Daraufhin wird der Bohrstrang kurz angehoben und dabei der Kern vom anstehenden Gebirge getrennt. Mit dem Fanggerät, das in die entsprechende Vorrichtung am Innenkernrohr einklinkt, kann das Kernrohr mit dem darin befindlichen Bohrkern am Seil nach oben ausgebaut werden. Anschließend ist es möglich, sofort ein anderes Innenrohr einzulassen und weiterzubohren.
P Baugrunderkundungsbohrungen
1) Bohrgestänge 5) Kernbohrkrone
2) Außenkernrohr 6) Innenrohrkopf
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3) Innenkernrohr 7) Fänger
4) Bohrkern 8) Kernseil
Abb. P-63: Arbeitsschritte beim Seilkernbohren [Comdrill/Happel]
Bei stark geneigten Bohrungen sowie bei Horizontalbohrungen muss auch die Fangvorrichtung bis zum Außenkernrohr gepumpt werden. Mit Seilkernrohren können in der Regel Kernlängen von 5 m (maximal bis 9 m) erreicht werden. Die Kerndurchmesser betragen maximal 100 mm. Der Einsatz von Seilkernrohren erfordert eine gut gereinigte, geringviskose Spülung, da in der Bohrspülung verbliebenes Bohrklein das Einrasten des Innenkernrohres verhindern kann. Sämtliche feineren Bauteile müssen gut gewartet und auf Verschleiß kontrolliert werden, da andernfalls die Funktionsfähigkeit nicht gewährleistet ist. Die Verwendung von Nachräumern, die zur Stabilisierung der Kerngarnitur beitragen, ist ebenfalls notwendig, um die Kaliberhaltigkeit des Bohrloches zu sichern. Es können alle Kronenarten verwendet werden. Falls aufgrund der Gesteinshärte Diamantkronen eingesetzt werden müssen, so sollte eine gute Diamantqualität gewählt werden. Das Verhältnis zwischen Bohrlochdurchmesser und Bohrkerndurchmesser ist bei Seilkernrohren noch ungünstiger als bei normalen Doppelkernrohren.
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3 Bohrtechnik in der Baugrunderkundung
1 äußeres Kernrohr 2 inneres Kernrohr 3 Fangvorrichtung 4 Seil 5 Bohrgestänge 6 Winde 7 Zwischenstück Technische Daten des NSK 146 maximale Kernlänge 1500 mm Luftverbrauch bei Luftspülung 17 m3/min Außen-∅ mm äußeres Rohr 140,0 inneres Rohr 117,0 Auskleidung 110,0 bei Spülung mit: Loch-∅ Luft 150,0 Wasser 146,0
Innen-∅ mm 127,0 111,0 105,6 Kern-∅ 102,0 102,0
Abb.: P-64: Schematische Darstellung des Seilkernbohrsytems mit technischen Daten
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Abb. P-65: Bohrkern gleitet aus dem Innenrohr des Seilkernrohres [Comdrill]
P Baugrunderkundungsbohrungen
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Besonders wirtschaftlich ist die Verwendung eines Seilkernrohres ab einer Teufe von etwa 150 m. Das Seilkernbohren ist auch in gestörten geologischen Verhältnissen sehr gut einsetzbar. Hier kann es jedoch vorkommen, dass sich der Kern mit dem Kernrohr verklemmt und der Kernmarsch vorzeitig abgebrochen werden muss. Tab. 9-P: Empfohlene Drehzahlen, Spülungsmengen, Abreißkraft und empfohlener Andruck Bohrkronen Hartmetallstift- oder Plattenkrone Hartmetall-CORBORIT-Krone PKD-DIAPAX-(Stratapax)Krone PKD-TRIPAX-(Geoset)Krone DIAMY-Krone (oberflächenbesetzt) DIABORIT-Krone (imprägniert) GEOTECH-Sägezahnkrone
Drehzahl in U/min 50 – 100 U/min 80 – 150 U/min 50 – 100 U/min 150 – 300 U/min
Bohrandruck 15 – 50 kN je nach Gebirgsund Bodenart Abreißkraft
Spülung (Wasser) 150 – 2501/min je nach Gebirgsund Bodenart Spülung (Luft)
200 – 400 U/min
40 – 60 kN (Labordaten) ungestörte Proben
10 – 17 m3/min je nach Gebirgsund Bodenart
300 – 500 U/min 50 – 150 U/min
3.5.6 Diamantbohrkronen für das Kernspülverfahren 3.5.6.1 Allgemeines Bei den Bohrkronen mit oberflächenbesetzten Diamant-, Synset, Stratacut- und Hartmetallbohrkronen erfolgt das Lösen ebenfalls durch Reißen, Brechen und Abscheren, während man bei imprägnierten Diamantbohrkronen mehr von einem „Schleifen” sprechen kann. Durch die Bewegung des Diamantkornes in Drehrichtung erfolgt bei Überschreitung der Scherfestigkeit ein Abscheren des Materials. Die dadurch entstehenden Risse hinter diesem Diamanten erleichtern das Abscheren des Gesteins durch den folgenden Diamanten. Durch den Vorgang des Gesteinsbrechens in harten und spröden Gesteinen wird klar, dass ein Diamant mit runder, möglichst glatter Oberfläche am geeignetsten ist. Er besitzt den geringsten Reibungsfaktor, erwärmt sich demzufolge relativ gering und widersteht der erforderlichen hohen Druckbelastung am besten. In elastisch-plastischen Gesteinen beschränkt sich die Gesteinszerstörung auf das Abscheren. Die vom Diamanten gezogene Furche entspricht nur etwa dessen Querschnittsfläche. Ein Diamant mit scharfen Kanten führt in diesen Gesteinen bei relativ geringer Bohrwerkzeugbelastung und hoher Drehzahl zu guten Ergebnissen. Diese Art der Gesteinszerstörung erklärt, dass nicht selten in weicheren Gesteinen eine geringere Bohrgeschwindigkeit als in härteren Gesteinen erzielt wird. Es zeigt auch, dass nicht ausschließlich die Härte, sondern die Bohrbarkeit des Gesteins insgesamt für das Erreichen hoher Bohrgeschwindigkeiten ausschlaggebend ist. Diese kurze theoretische Betrachtung zeigt schon die Schwierigkeiten bei der Entscheidung für das optimale Bohrregime. Hinzu kommen die Probleme bei der Wahl der richtigen Bohrkrone, insbesondere bei den Diamantbohrkronen durch eine Vielzahl von unterschiedlichen Diamanthärten, Kronenformen usw. Bei den Diamanthärten ist z. B. zu entscheiden zwischen Bohrkronen der Güteklassen: Natural, Premium, Select, Westafrika WA 1 (Standard), Westafrika W 2 (Economy) u. Carbonados Bei den Profilen sind es die Formen: W, BY, S, P, M, D, E und BN.
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3 Bohrtechnik in der Baugrunderkundung
Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal stellen folgende Matrixhärten dar: 57, GO, CO, OR, RED, GR und BL Ferner wird unterschieden nach: Imprägnierungsstärken, Steingrößen und verschiedenen Formen der Wasserwege Wenn man noch die sehr schwierig einzuschätzenden Gesteinshärten (s. Tab. 3-F und 4-F) berücksichtigt, so wird die Problematik bei der Kronenauswahl ersichtlich. Im Durchmesserbereich von 36 bis 146 mm stehen bis zu 500 Bohrkronensysteme (oberflächenbesetzt, Synset, Stratacut und imprägnierte Kronen zusammengefasst) zur Auswahl. Der Praktiker tut gut daran, sich auf wenige Durchmesser und Kronentypen festzulegen. Auch auf die Gefahr hin, dass nicht immer die optimalsten Bohrleistungen erzielt werden. Im Allgemeinen genügen 4 Durchmesser, z. B. 86, 101, 131 und 146 mm. Soweit möglich, empfiehlt es sich, Hartmetallkronen zu verwenden. Für sehr harte Formationen sollte man eine oberflächenbesetzte Diamantkrone mittlerer Qualität mit einem Diamantgehalt von 30 bis 40 spc (Karat) vorhalten und für alle übrigen Aufgaben imprägnierte Kronen mit einer Standardimprägnierungshöhe von 6 mm oder alternativ Synset- oder Stratacutkronen. Damit werden auch die Vorgaben für das Bohrregime (Drehzahl, Drehmoment, Umfangsgeschwindigkeit, Andruck, Spülung) wesentlich erleichtert. Die Werte der Tabelle 5-F stellen grobe Anhaltswerte dar, die mit den anstehenden Formationen und Parametern der Bohrkronen zu vergleichen und mit den sachverständigen Lieferanten abzustimmen sind.
3.5.6.3 Parameter für das Bohren mit Diamantbohrkronen Die wesentlichen Parameter für die Verwendung von Diamantbohrkronen sind: • Umfangsgeschwindigkeit • Drehzahl • Vorschubkraft • Drehmoment • Spülwassermenge Tab. 10-P: Bohrparameter für das Bohren mit oberflächenbesetzten Diamant- und imprägnierten Bohrkronen
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Außen-∅ der Bohrkrone Innen-∅ der Bohrkrone max. Drehzahl Umfangsgeschwindigkeit1) max. Vorschubkraft2) max. Drehmoment Spülwassermenge3)
Da di n s fa M q
86 67 320 1,2 23 200 70
101 79 310 1,4 35 300 90
131 108 300 1,8 43 400 180
146 123 280 1,9 48 500 300
mm mm min-1 m/s kN Nm 1/min
1
) Im allgemeinen sind Umfangsgeschwindigkeiten von 1,0 bis 5,0 m/s üblich. ) Ermittelt mit 1 kN/cm2 Schneidfläche der Krone (üblich sind 0,8 bis 1,5 kN/cm2. 3 ) Bei einer Strömungsgeschwindigkeit von 0,3 m/s (Empfohlen werden 0,2 bis 0,6 m/s). 2
Bei sehr guter Diamantqualität (z. B. Natural Drilling ND1) beträgt die mögliche Belastung bis zu 1,5 kN/cm2 Schneidfläche. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Kronenmaße (Durchmesser und Lippenbreite) muss im Bedarfsfall der maximal mögliche Andruck ermittelt werden (s. Formel A). Den genauen spezifischen Andruck sollte man sich aber aus Garantiegründen vom Lieferanten bestätigen lassen.
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Ermittlung der erforderlichen Vorschubkraft Die zulässige Vorschubkraft kann nach folgender Formel ermittelt werden: Formel A fa = 0, 65 ⋅ Π ( Da2 − di2 ) p / 4 [kN]
Darin bedeuten: fa = Vorschubkraft in kN (Kraft auf die Bohrlochsohle) Π = 3,14 Da = Außendurchmesser der Bohrkrone in cm di - Innendurchmesser der Bohrkrone in cm p = zulässige spezifische Druckbelastung der Bohrkrone in kN/cm2 Da nur etwa 65 % aller Diamanten an der Gesteinszerstörung beteiligt sind (der Rest wird als Kaliberschutz verwendet), ist mit dem Faktor 0,65 zu multiplizieren. Die von den Herstellern empfohlene Vorschubkraft p beträgt 4 bis 6 kN je Karat. Beispiel: Krone 101 × 76, Da = 101 mm, di = 76 mm, p = 1,0 kN/cm2 fa = 0,65 · 3,14 (10,12 – 7,62) / 4 · 1,0 fa = 22,58 gew. 23 kN Ausgehend vom Diamantgewicht und der Diamantgröße kann die Vorschubkraft auch mit folgender Formel berechnet werden: Formel B
fa = 0, 65 · c · n · p [kN] fa = Vorschubkraft in kN (Kraft auf die Bohrlochsohle) c = Gesamtgewicht der Diamanten in Karat n = Diamantgröße in Steinen je Karat in spi p = Vorschubkraft je Diamant in N 0,65 = Anteil der Diamanten an der Gesteinszerstörung Beispiel: Krone oberflächenbesetzt, n = 30 spi, c = 20 Karat, p = 50 kN fa = 0,65 · 20 · 30 · 50 fa = 19500 N = gew. 19,5 kN Bei imprägnierten Kronen können folgende Formeln angewendet werden: Formel C f a = 0, 007854 · ( Da2 − di2 ) · s [kN]
Formel D f a = [0, 007854 · ( Da2 − di2 ) − a · b · ( Da − di ) / 200] · s [kN]
fa = Vorschubkraft in N (Kraft auf die Bohrlochsohle) Da = Außendurchmesser der Bohrkrone in mm di = Innendurchmesser der Bohrkrone in mm s = Vorschubkraft je cm2 der Schneidfläche in N/mm2 a = Anzahl der Wasserwege b = Breite der Wasserwege in mm
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3 Bohrtechnik in der Baugrunderkundung
Die zulässige Vorschubkraft wird empfohlen mit s = 800 – 1000 N/cm2. Wenn man vernachlässigt, dass die Wasserwege die Schneidfläche reduzieren (bei dünnlippigen Kronen üblich) wird mit Formel C gerechnet, im anderen Fall ist Formel D anzuwenden. Beispiel für Formel C: Krone 101 × 76, Da = 101 mm, di = 76 mm, s = 1000 N/cm2 fa = 0,007854 · (1012 – 762) · 1000 fa = 34754 N gew. 35 kN Beispiel für Formel D: Krone wie Formel C, s = 1000 N/cm2, a = 9, b = 3 mm fa = [0,007854 · (1012 – 762) – 9 · 3 · (101 – 76)/200] · 1000 fa = 31370 N gew. 31 kN Bei Stratacut-Bohrkronen liegt der Andruck bei 2500 – 3000 N je Schneidelement, während er bei Synset-Bohrkronen 400 - 600 N betragen sollte. Ermittlung der Umfangsgeschwindigkeit Die Umfangsgeschwindigkeit kann wie folgt ermittelt werden: Formel E
s = Dm = Π ⋅ n / 60 / 100 [m/ s] Darin bedeuten: vc = Umfangsgeschwindigkeit in m/s Π = 3,14 Dm = mittlerer Kronendurchmesser = (Da + di )/2 in cm n = Drehzahl in U/min Beispiel: Da = 101 mm, di = 76 mm, Dm = (10,1 + 7,6)/2 = 8,85 cm, n = 310 m/min vc = 8,85 ·3,14 · 310 / 60 / 100 vc = 1,44 gew. 1,4 m/s Folgende Umfangsgeschwindigkeiten werden von den Herstellern empfohlen: vc = 1,0 – 3,0 m/s für oberflächenbesetzte Bohrwerkzeuge vc = 2,0 – 5,0 m/s für imprägnierte Bohrwerkzeuge vc = 0,5 – 1,5 m/s für Stratacut-Bohrwerkzeuge vc = 1,0 – 3,0 m/s für Synset-Bohrwerkzeuge
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Ermittlung der Drehzahl Die Ermittlung der erforderlichen Drehzahl erfolgt nach folgender Formel: Formel F n = 38197 ·vc / ( Da + di ) [min −1 ]
vc = Umfangsgeschwindigkeit in m/s Da = Außendurchmesser der Bohrkrone in mm di = Innendurchmesser der Bohrkrone in mm n = Drehzahl in min”1 Beispiel: Krone 101 × 76, vc = 1,4 m/s; Da = 101 mm, di = 76 mm n = 38197 – 1,4 / (101 + 76) n = 302 min-1
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Ermittlung der Spülungsmenge Neben Drehzahl und Andruck ist für die Bohrarbeit eine ausreichende Bespülung der Diamantbohrkronen von ausschlaggebender Bedeutung. Die Spülung hat dabei die Aufgabe, das Bohrklein von der Bohrlochsohle zu entfernen und es durch den Ringraum zwischen Bohrlochwand und Gestänge nach über Tage auszutragen, sowie eine ausreichende Kühlung der Diamanten zu gewährleisten. Die Spülungsmenge oder Pumprate, die für eine Kühlung der Diamanten ausreicht, ist immer kleiner als die, die benötigt wird, um das Bohrklein auszutragen. Als Ringraumgeschwindigkeit bei Spülung auf Wasserbasis wird im allgemeinen vr = 0,3 – 0,6 m/s in Ansatz gebracht. Als Ringraumgeschwindigkeit bei Spülung auf Luftbasis wird vr = 10 – 20 m/s empfohlen. Vr = Ringraumgeschwindigkeit der Spülung in m/s Die erforderliche Pumprate errechnet sich nach folgender Formel: Formel G q = ( Da2 − gd2 ) · rv · 0, 047124 [l/ min]
Es bedeuten: q = Pumprate in 1/min Da = Außendurchmesser der Krone in mm gd = Außendurchmesser des Gestänges in mm vr = Ringraumgeschwindigkeit in m/s Bei der Beispielkrone 101 × 76 mm, Da = 101 mm, gd = 50 mm ergibt sich folgende Spülungsmenge: bei Wasserspülung und vr = 0,5 m/s q = (1012 – 762) · 0,5 · 0,047124 q = 104 1/min bei Luftspülung und vr = 15 m/s q = (1012 – 762) · 15 · 0,047124 q = 3128 1/min (entspricht etwa der Leistung eines Kompressors mit Q = 3,5 m3/min) Als einfache Faustregel bei Wasserspülung kann gelten, dass es ausreicht sicherzustellen, dass ein steter Spülungsfluss aus dem Standrohr tritt, wobei man versuchen sollte, die Pumprate auf ein Minimum zu begrenzen. Hier gilt „Viel hilft nicht viel”. Die Anwendung einer Triplexpumpe oder eines Druckausgleichsgefäßes ist sinnvoll, denn die Druckspitzen einer Duplexpumpe wirken beim Aufschlussbohren, wo üblicherweise keine Schwerstangen zum Einsatz kommen, wie ein Imlochhammer und können die Diamanten zerstören. Der Spülungsfluss ist während des Bohrens unter ständiger Beobachtung zu halten. Auch kürzeste Unterbrechungen können zur Zerstörung des Diamantwerkzeuges führen, wenn z.B. aufgrund undichter Gestängeverbinder oder eines Loches im Gestänge die Spülungszufuhr zum Bohrwerkzeug aussetzt. Ein Zeichen für das Aussetzen der Spülung oder eine unzureichende Kühlung ist die blaue Anlauffarbe, die man immer wieder an beschädigten Bohrwerkzeugen beobachten kann. Allgemeiner Hinweis zur Ermittlung der Bohrparameter Alle Tabellenwerte und die anhand von Rechenbeispielen ermittelten Werte können natürlich nur Richtzahlen sein bzw. ergeben. Der erfahrene Geräteführer wird beim Einsatz von Dia-
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mantwerkzeugen immer versuchen, die besten Bohrleistungen zu erreichen. Hier gilt noch immer „Probieren geht über Studieren”. So sollte man durch Veränderung der Drehzahl, des Andruckes und der Pumprate selbst die optimalen Einsatzwerte herauszufinden versuchen.
3.5.6.4 Vorgehensweise beim Einsatz von Diamantbohrwerkzeugen Maßnahmen vor dem Einsatz Es ist üblich und sinnvoll, das zu verwendende Werkzeug auf sein Verschleißbild und seine Maßhaltigkeit hin zu überprüfen. Ein vorzeitiges Gestängeziehen, zum Wechsel des Werkzeuges wegen Verschleiß, sollte schon im Vorfeld, durch rechtzeitigen Austausch des Werkzeuges vermieden werden. Auch werden die Rückgewinnungsergebnisse durch einen zu langen Einsatz des Werkzeuges überproportional verschlechtert. Der Einsatz einer untermäßigen Krone vergrößert außerordentlich die Gefahr, dass beim Nachsetzen mit einer neuen Krone, diese schon beim Einbau beschädigt wird. Für jede Bohrkrone sollte eine Kennkarte angelegt werden, auf der folgendes zu vermerken ist: • Seriennummer und Hersteller des Werkzeuges • Größe (Außen- und Innendurchmesser) • Karatgewicht • Diamantqualität • Diamantgröße • Lippenform • Matrix (bei imprägnierten Diamantbohrwerkzeugen) • besondere Eigenschaften (z.B. Spülungsbohrungen) • gebohrte Bohrmeter nach jedem Einsatz Einbau der Diamantbohrkrone Beim Einlassen des Gestänges sollten die letzten Meter vor Erreichen der Bohrlochsohle behutsam eingefahren werden. Ein hartes Aufsetzen der Diamantbohrkrone auf der Bohrlochsohle kann zu Schäden an den Diamanten fuhren. Falls die Krone beim Einlassen klemmt, muss vorsichtig aufgefahren werden, um dann drehend mit möglichst geringer Vorschubkraft nachzubohren. Ist nach dem Einlassen die Sohle erreicht, so sollte diese zunächst freigespült werden. Dazu ist das Gestänge wieder etwa 10 cm hochzufahren.
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Während des Bohrens Es ist zu beachten, dass die Krone erst dann mit dem vollen Andruck beaufschlagt wird, wenn sie sich ein Bett gearbeitet hat und alle Diamanten zum Engriff gekommen sind. Dies kann schon nach wenigen Bohrzentimetern der Fall sein. Diese Vorsichtsmaßnahme gilt besonders in solchen Fällen, in denen Diamantwerkzeuge im Anschluss an Hartmetallwerkzeuge benutzt werden. Wenn während des Bohrens die Vorschubgeschwindigkeit beim Eintritt in härteres Gestein wesentlich abnimmt, müssen die Drehzahl reduziert sowie der Andruck erhöht werden, da sonst die Gefahr besteht, dass die Diamanten nicht mehr zerspanen, sondern nur noch polieren. Ziehen des Bohrgestänges Das Ziehen des Bohrgestänges und das Kernbrechen sollten vorsichtig gehandhabt werden. Der Kernfangring darf nicht schlagartig zum Eingriff kommen, da ansonsten die Gefahr besteht, dass die Kernfanghülse und die Bohrkrone beschädigt werden.
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Es bedarf keiner besonderen Erklärungen, dass mit abgefahrenen Diamantbohrkronen keine Leistungen mehr erzielt werden können. Zusätzlich besteht hier noch die Gefahr einer Havarie. Bei der Bohrarbeit können weitere schädliche Einflüsse die Bohrleistung und Standzeit der Dimant- und Hartmetallbohrkronen sowie die Qualität der Ergebnisse (Bohrkerne) erheblich beeinflussen. Hierzu gehören insbesondere starke Vibration. Die Ursachen der Vibration können u.a. sein: Geologische Faktoren: • Wechsellagerungen harter und weicher Gesteine • zum Nachfall neigende Gesteine • Gesteine mit ungleichmäßiger Körnung und Struktur Mechanische und technische Faktoren: • Zentrifugalkräfte durch Unwuchten in den Bohrstangen und den Bohr Stangenverbindungen • Ausbuckeln des Bohrstranges durch zu hohe Druckbelastung • ungenügende Stabilität des Bohrstranges • Unregelmäßigkeiten in der Spülflüssigkeit • schlechter Zustand der Bohrausrüstung • ungleichmäßiger (einseitiger) Verschleiß des Bohrstranges • Größe des Drehmomentes • exzentrisch befestigte oder krumme Bohrstange • zu großer Ringraum zwischen Bohrgestänge und Bohrlochwand • keine Übereinstimmung von Bohrspindel und Bohrlochachse • Verwendung von Bohrkronen, deren Typ nicht dem zu durchbohrenden Gestein entspricht. Tonspülungen sollten nur beim Durchteufen nicht standfester Gesteine oder in Spülungsverlusthorizonten Verwendung finden. Immer rechtzeitig dann, wenn die Gefahr des Spülungsverlustes besteht. Die Zugabe von Spülungsmitteln verringert den Leistungsbedarf für das Bohren, wodurch auch mit höheren Drehzahlen gebohrt werden kann. Ferner werden der Verschleiß der Bohrausrüstung und die Vibration des Bohrstranges vermindert, die mechanische Bohrgeschwindigkeit erhöht und der spezifische Diamantverbrauch verringert. Die Verwendung von Spülungszusätzen muss bei Baugrundaufschluss- und Wasserbohrungen vom Auftraggeber ausdrücklich genehmigt werden Die Parameter des Bohrregimes stehen miteinander in Wechselbeziehungen. Eine Steigerung der Bohrleistung ist sowohl durch eine Erhöhung der Bohrwerkzeugbelastung als auch der Drehzahl in bestimmten zulässigen Grenzen möglich. Maßgebend sind dabei die Gesteinseigenschaften und der Typ der eingesetzten Krone. Neben den rein theoretischen Vorgaben und Ermittlungen bleiben die Erfahrungen des Bohrmeisters, gepaart mit der Aufmerksamkeit und dem Gefühl des Maschinisten, die entscheidenden Faktoren für ein optimales Bohrergebnis.
3.5.7 Bohrkronensystem 3.5.7.1 Allgemeines Die Bohrkrone ist im Prinzip ein dickwandiges Stahlrohrstück, das am oberen Ende ein Gewinde zum Anschluss an das Bohrrohr und am unteren Ende eine Schneide besitzt, die unterschiedlich geformt und besetzt ist. Bohrkronen werden überwiegend für das Kernbohrverfahren eingesetzt. Nach dem Besatz der Schneiden kann man unterscheiden:
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• • • • • •
Diamantbohrkronen, natürliche Diamanten, oberflächenbesetzt Diamantbohrkronen, synthetische Diamanten, oberflächenbesetzt Imprägnierte Diamantbohrkronen Diamantfutterrohrkronen/Futterrohrschuhe Diamanträumer Hartmetallbohrkronen
3.5.7.2 Diamantbohrkronen mit natürlichen Diamanten, oberflächenbesetzt Abb. P-66 zeigt den grundsätzlichen Aufbau einer oberflächenbesetzten Diamantbohrkrone. 1 Diamanten (i.d.R. Schneidlippe 10 – 40 spc) 2 Matrix (Grundkörper) 3 Kronenkörper 4 Gewindeanschluss 5 Bohrungen als Ansatz für Schraubarbeiten 6 Konus für die Aufnahme des Kernfangringes 7 Kronensegmente 8 Diamanten (i.d.R. Kaliber 40 – 60spc) 9 Spülungskanäle
Abb. P-66: Schematische Darstellung einer oberflächenbesetzten Bohrkrone hier: Typ BEinfachkernrohr
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Herstellbeschreibung Bei oberflächenbesetzten Diamantbohrkronen werden einzelne natürliche Diamanten in eine hoch-verschleißfeste Matrix eingebettet. Die Fertigung dieser Kronen ist sehr aufwendig. So wird für den besetzten Bereich einer jeden Krone eine Negativform aus Graphit hergestellt, die alle späteren Merkmale der Kronenlippe aufweist, d. h. Wasserwege, Spülungsbohrungen usw. sind hier bereits angelegt. In diese Form werden Vertiefungen eingefräst, in die einzeln ausgerichtete Diamanten eingesetzt werden. Bei großkalibrigen kleinsteinig besetzten Kronen können dies 800 oder mehr einzelne Steine sein (s. Beispiel Abb. P-67). Der vorgefertigte Kronenkörper wird in die Form eingesetzt und das Matrixpulver wird aufgefüllt. Nun beginnen verschiedene Arbeitsschritte, in denen die Krone gepresst und thermisch behandelt wird, bis sich das Matrixpulver mit dem Kronenkörper und den eingesetzten Diamanten fest verbunden hat.
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Abb. P-67: links: Oberflächengesetzte Diamantbohrkrone S (=Stufenform) mit 12 Spülungswegen u. Jungslots – rechts: Oberflächengesetzte Diamantbohrkrone BN-Form mit 12 Spülungswegen u. Jungslots [Comdrill]
Taf.. P-10: Übliche Formen der Kronenlippen bei Diamantbohrkronen
Qualität der Diamanten Entscheidende Kriterien für die Bohrleistung (Bohrfortschritt und Standzeit) einer Diamantbohrkrone sind die Auswahl der der Formation entsprechenden Diamantqualität und Steingröße (spc), sowie der Kronenform und die Ausbildung der Wasserwege. Die Größe der Diamanten wird in Steinen pro Karat (spc) angegeben. Ein Karat (oder Carat) entspricht einer Masse von 0,2 Gramm. Als Faustregel kann gelten, dass in weicheren Formationen größere Steine (10 -15 spc) und in harten Formationen kleinere Steine (30-40 spc) zu günstigeren Ergebnissen fuhren. Zu beachten ist, dass bei größeren Steinen eine größere Diamantmasse erforderlich ist als bei kleinen Steinen (bei gleicher Kronenabmessung), um die notwendige Überdeckung zu erreichen. Beispiele für Besetzung und Steingrößen (spc = Steine pro Karat): Besetzung in spc Beispiel für Gesteinsart
3–5 Salzgestein
6–9 Gips
Jede andere Besetzung ist im Prinzip möglich.
15 – 25 Kalkstein
25 – 30 Sandstein
50 – 75 Granit
80 – 110 Diabas
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3 Bohrtechnik in der Baugrunderkundung
Hinweis: Der Besatz mit 80 – 110 spc (Beispiel Diabas) wird nur selten angewendet; heute üblich: imprägnierte Bohrkronen, da wesentlich kostengünstiger bei vergleichbarer Leistung. Die Qualität der zum Bohren eingesetzten Diamanten richtet sich nach deren Kristallstruktur, der Form der einzelnen Steine und deren Oberflächenbeschaffenheit. Folgende Qualitäten finden Verwendung: Natural Drilling ND 1 Ausgesuchte Steine höchster Qualität, die für anspruchsvolle Bohraufgaben in sehr hartem und sehr abrasiven Gebirge eingesetzt werden. Premium Premium ist eine Bezeichnung für Diamanten, die nicht ganz der ND1-Qualität entsprechen, aber dennoch gut für hartes, abrasives Gestein geeignet sind. Select Bohrdiamanten, die hinsichtlich Ihrer Form und Struktur gut geeignet sind für das Bohren in mittelharten, weniger abrasiven Gesteinen. Westafrika WA 1 (Standard) Standardqualität für Diamantbohrkronen, die in weniger harten, nicht bis wenig abrasiven Gesteinen eingesetzt werden. Westafrika WA 2 (Economy) Diese Qualität wird meist für den Besatz von Räumern verwendet, wo sie nicht schneiden, sondern das Kaliber halten sollen. Für Kronen sind sie weniger geeignet. Carbonados Carbonados oder Carbondiamanten stellen eine Besonderheit dar, da es sich im Gegensatz zu den vorhergenannten, monokristallinen Diamantmodifikationen um einen polykristallinen Naturdiamanten handelt. Carbonados sind sehr selten und werden daher nur dort eingesetzt, wo hinsichtlich der mechanischen und thermischen Belastung hohe Anforderungen gestellt werden, z. B. beim Trockenbohren (Luftspülung).
3.5.7.3 Imprägnierte Diamantbohrkronen
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Bei imprägnierten Diamantbohrkronen sind in einer Matrix unzählige kleine, natürliche und synthetische Diamantsplitter eingebettet. Während des Bohrvorganges nutzt sich diese Matrix ab und es werden immer neue Diamanten freigelegt, die Krone bleibt dadurch immer "scharf'. Es ist daher wichtig, bei der Auswahl einer imprägnierten Diamantbohrkrone auf die Härte der Matrix zu achten, um eine möglichst gleichmäßige Abnutzung der Matrix und der Diamanten zu erreichen. Eine zu harte Matrix erhöht zwar in der Regel die Standzeit einer Krone, kann aber zu vermindertem Bohrfortschritt führen, da zu wenig Diamanten freigelegt werden. Umgekehrt führt eine zu weiche Matrix zu hoher Bohrgeschwindigkeit, jedoch nutzen sich die Kronen meist zu schnell ab. Der Bohrfortschritt hängt auch von der Ausbildung der Kronenlippe ab. Bei der Normalform (F-Form) ist die Schneidfläche flach ausgebildet, bei der VForm ist die Kronenlippe ringförmig eingekerbt. In harten, kompakten Formationen hat sich der Einsatz von Bohrkronen mit V-Form bewährt, da sich bei dieser Kronenform beim Anbohren ein höherer Andruck auf den einzelnen Diamanten erreichen lässt; in brüchigem Gebirge kann jedoch höherer Verschleiß auftreten. Die Imprägnationshöhe bestimmt die Standzeit einer Krone, da der Diamantbesatz in der Regel vollständig abgebohrt wird. In harten, stark zerbrochenen und abrasiven Formationen, bei denen ein starker Verschleiß am Außen- und Innenkaliber zu erwarten ist, erweist sich eine niedrigere Imprägnationshöhe meist als kostengünstiger.
P Baugrunderkundungsbohrungen
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Imprägnationshöhen: Folgende Besatzhöhen bieten wir an (Sonderfertigungen sind möglich) 4 mm (für harte, gebrochene, sehr abrasive Formationen) 6 mm (Standard) 7,5 mm (für kompakte, nicht abrasive Formationen) Lippenformen: F-Form (flache Form) für zerbrochene Formationen V-Form (ringförmig gekerbte Form) für harte, nicht zerbrochene Formationen
Abb. P-68: Imprägnierte Bohrkronen – links: imprägnierte Diamant-Bohrkrone V-Form – rechts: imprägnierte Diamantbohrkrone mit reduzierte Schneidfläche (Turbo-Ausführung)
3.5.7.4 Synthetische Diamantbohrkronen (Synset- und StratacutBohrkronen) Bei Synsetwerkzeugen handelt es sich im Prinzip ebenfalls um oberflächengesetzte Diamantbohrkronen, nur werden hierbei anstelle von natürlichen Steinen synthetische, polykristalline Diamantschneidkörper verwendet. Bei Synset-Bohrkronen verwendet man würfel- und prismenförmige Schneidkörper, die dachartig aus der Matrix herausragen. Die Standardkantenlänge beträgt 3 mm, größere Schneidkörper stehen zur Verfügung. Diese synthetischen Diamanten nennt man häufig auch TSD (Thermostabile Diamanten). Synset-Kronen lassen sich sehr vielseitig einsetzen, finden aber ihren Haupeinsatz vorwiegend in nicht zu harten Gesteinen wie Kalkstein, Schiefer, Tonstein und Mergel. Insbesondere in Wechsellagerungen von weichen, zum Verschmieren neigenden Schichten mit festen Sedimentgesteinen wie Kalkstein, mürbem Sandstein etc., erzielen die Synset-Diamantbohrkrone hohe Bohrfortschritte bei hoher Standzeit. Aufgrund ihrer thermischen Stabilität können Sie auch zum Bohren mit Luftspülung verwendet werden.
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3 Bohrtechnik in der Baugrunderkundung
Abb. P-69: Synset-Bohrkrone – links-oben: Synset-Diamantbohrkrone mit 16 Spülungswegen – rechts-oben: Synset-Diamantbohrkrone mit tiefen breiten Spülungswegen - links-unten: Synset-Diamantbohrkrone mit großen Schneidkörpern, 8 Spülungswegen und 8 Spülungsbohrungen – rechts-unten: Synset-Diamantbohrkrone mit 16 Spülungsbohrungen
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Bei Strastacut-Diamantbohrkronen bestehen die Schneidkörper (Stratacut-Platten) aus Wolframkarbid-Scheiben, die mit einer Schicht aus polykristallinem Diamant belegt sind und quer zur Kronenlippe eingesetzt werden. Häufig wird auch die Bezeichnung PCD oder PKD (polyc(k)ristalline Diamanten) verwendet Diese Kronen kommen überwiegend in nicht zu harten, wenig abrasiven Formationen zum Einsatz, wo sie aufgrund ihrer relativ großen, hoch verschleißfesten Schneidkörper hohen Bohrfortschritt bei geringem Verschleiß erzielen. Sehr häufig werden Vollbohrkronen (Vollbohrmeißel) und Erweiterungswerkzeuge (Hole-Opener) mit Stratacut-Platten besetzt und anstelle von Flügel- und Rollenmeißel verwendet. Das Innen- und Außenkaliber von Synset- und Stratacut-Kronen ist, wie bei "normalen" oberflächengesetzten Diamantbohrkronen, mit natürlichen Steinen besetzt. Die Preise für Synset- und Stratacut-Kronen errechnen sich ähnlich wie die der oberflächengesetzten Kronen aus den Besetzungskosten zuzüglich der Kosten für die Schneidkörper und eventueller Zuschläge für Sondermerkmale.
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Abb. P-70: Stratacut-Diamantbohrkronen – oben links: Stratacut-Bohrkronen in stufenform mit Spülungsbohrungen und breiten Junkslots – oben rechts: Stratacut-Vollbohrmeißel – unten links: Stratacut-Erweiterungswerkzeug (Hole-Opener) – unten rechts: Stratacut-Vollbohrmeißel
Der Bohrfortschritt ist auch abhängig von der Ausbildung der Kronenlippe. Bei der Normalform (F-Form) ist die Schneidfläche flach ausgebildet, bei der V-Form ist die Kronenlippe ringförmig eingekerbt. In harten kompakten Formationen hat sich der Einsatz von Bohrkronen mit V-Form bewährt. Die Imprägnationshöhe bestimmt die Standzeit einer Krone, da der Diamantbesatz in der Regel vollständig abgebohrt wird. In harten, stark zerbrochenen und abrasiven Formationen, bei denen ein starker Verschleiß am Außen- und Innenkaliber zu erwarten ist, erweist sich eine niedrigere Imprägnation meist als kostengünstiger.
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3 Bohrtechnik in der Baugrunderkundung
Tafel 37-P: Matrixhärten Buchsta- HL-1 Farbreihe Harte der benreihe Reihe (alte BeMatrix zeichnung) SI HL schwarz sehr weich 11-12 (s)
GO
HL8
grün (sh)
weich
CO
HL7
gold (mh) (b)
mittelhart
OR
HL7
mittelhart
RED
HL6
gold (mh) (b) Silber (mh-eh)
GR
HL5
blau (eh)
hart
rot (·eh)
extrahart
BL
P
mittelhart bis hart
geeignet für
Beispiele
sehr harte bis extrem harte, nicht abrasive, kompakte, feinstkörnige Formationen harte bis sehr harte, nicht abrasive Formationen harte, fein- bis mittelkörnige, kompakte, nicht abrasive Formationen mittelharte bis harte, feinkörnige und wenig abrasive Formationen mittelharte, fein- bis grobkörnige, schwach abrasive Formationen mittelharte, leicht abrasive Formationen
Quarzite (glasartig), Eisenstein, Gangquarz, Hornstein
mittel- bis grobkörnige, kompakte oder brüchige, abrasive bis stark abrasive Formationen
Quarzite (glasartig), Gangquarz, Hornstein kompakter Kalkstein und Dolomit, (bewehrter) Beton, mit wenig abrasiven Zuschlägen, Basalt kompakter Gneis, Schiefer, Andesit, Diabas, kristalline Schiefer kompakter Granit und Gabbro, Bruchsteinmauerwerk (verwitterter) Granit, Konglomerate, Sandsteine, Kalksandsteine, Grauwacken, Ziegelmauerwerk, Bruchsteinmauerwerk Sandsteine, Grauwacken, Konglomerate
• Wahl der Diamantbohrkronen Auch bei der Wahl der optimalen Diamantbohrkrone können verbindliche Angaben nicht gemacht werden. Bei den sehr geringen Bohrtiefen im allgemeinen Baugrundaufschluss und den sehr häufig wechselnden Schichten (Auffüllungen, rollige Schichten, verwitterter Fels, Toneinlagen, Fels unterschiedlicher Härte) in einer Bohrung, wird eine Krone Typ S (weiche, mittelharte bis harte Formationen die richtige Wahl sein. Zurzeit werden überwiegend synthetische und imprägnierte Kronen eingesetzt (mehr dazu in Kap. F – Bohrtechnik).
3.5.7.5 Hartmetallbohrkronen Hartmetallbohrwerkzeuge sind gegenüber Diamantbohrwerkzeugen wesentlich billiger, erreichen jedoch nicht die hohe Lebensdauer und ebenso nicht die gleiche Bohrgeschwindigkeit. Auch kennt man hierbei nicht die zahlreichen Bauformen. Der Einsatzbereich liegt im Bereich der oberflächennahen Erkundung von Lockergesteinen, verwitterten und leichtem Fels, bindigen und mittelharten gestörten Gesteinen. Sie können bei den genannten Formationen sowohl in Verbindung mit Einfach- als auch mit Doppelkernrohren eingesetzt werden. Die schematische Darstellung einer Hartmetallbohrkrone zeigt Abb. E-125. Die wesentlichen Bauelemente sind: der Kronenkörper aus Stahl (1), Bohrungen als Ansatz für die Verschraub-
P Baugrunderkundungsbohrungen
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Abb. P-71: Schematische Darstellung einer Hartmetallbohrkrone
werkzeuge (2), Hartmetallstifte, Formstücke oder Hartmetallauftragungen (3). Die Hartmetallformstücke sind eingelötet (Weichlot, Hartlot) oder thermisch eingepresst.
P Abb. P-72: Beispiele für Hartmetall-Bohrkronen: [Comdrill] 1: Pilotbohrkrone 15 mm, 2: HM-Platten Bohrkrone, 3: Corborit-Bohrkrone, 4: Pilotbohrkrone zweiteilig mit 60 mm Pilot. 5: Stufenkrone mit großen Spülungsbohrungen durch die Lippe, 6: Standardkrone, 7: Stufenkrone mit kleinen Spülungsbohrungen durch die Lippe,
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3 Bohrtechnik in der Baugrunderkundung
Für die Hartmetallschneiden werden Gemische von Carbiden, hitzebeständigen Metallen und einem Bindemittel verwendet. Wolframcarbid und Cobalt ist dabei die häufigste Kombination. Wird der Anteil an Cobalt verringert, erhöht sich Härte und Verschleißfestigkeit, andererseits nimmt jedoch die Sprödigkeit zu. Entsprechend den Einsatzbedingungen werden unterschiedliche Hartmetallzusammensetzungen angewendet. Durch Sintern wird das Material zu unterschiedlichen Formstücken verarbeitet. Die Gesteinszerstörung erfolgt durch in den Kronenkörper eingesetztes Hartmetall. Bei Verwendung von Hartmetallstiften hat sich weitgehend ein achteckiger Querschnitt durchgesetzt. Dabei ist es zweckmäßig, die Hartmetallstifte mit 10° Neigung in den Kronenkörper einzulöten oder einzukleben. Hierdurch wird das Selbstschärfen dieser Bohrelemente begünstigt, die Bohrgeschwindigkeit ist weitgehend gleichbleibend und die Lebensdauer des Bohrwerkzeugs kann optimal ausgenutzt werden. Bei einer anderen Variante, die auch mehrstufig ausgebildet sein kann, werden scheibenförmige Hartmetallkörper am Kronenkörper angebracht, die eine weitgehend schneidende Wirkung haben. Ein besonderer Typ von Hartmetallbohrkronen sind die Corboritkronen (Abb. P-72-Bild 3) Hierbei bestehen das Schneidelement aus gestoßenen, splitterförmigen und scharfkantigen Hartmetallstücken mit der Korngröße von 2 bis 5 mm. Diese Werkzeuge haben bedeutend mehr Schneidkanten als konventionelle Hartmetallbohrkronen. Die Schneidlippe besteht aus einer Hartmetallkörnung, die in eine spezielle Metalllegierung eingebettet ist. Für Sondereinsätze können auch Diamantbohrkronen mit 8 bis 15 Steinen je Karat durch diesen Kronentyp ersetzt werden. Sie finden auch Verwendung bei Luftspülung und für das Bohren mit hohen Drehzahlen. In entsprechende Formationen sind bei ihrem Einsatz höhere Bohrleistungen und in gestörten Schichten auch ein besserer Kerngewinn zu erzielen.
3.5.7.6 Diamant- und hartmetallbesetzte Räumer Der Einsatz von Diamanträumern dient in erster Linie der Konstanthaltung des Bohrlochdurchmessers. Gleichzeitig vermindern sie den Verschleiß an Bohrkronen und am Kernrohr. Sie stabilisieren das Bohrwerkzeug und zwingen die Krone zu einem zentrischen Lauf, wodurch die Bohrwerkzeugbelastung gleichmäßig auf alle Schneiddiamanten verteilt wird. Ohne Räumer bewirkt bereits ein geringer Ausknickwinkel (etwa 0,5°) eine einseitige Belastung der Diamanten auf der tiefer gelegenen Werkzeugseite, während auf der höher gelegenen Werk-
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Abb. P-73: Unterschiedliche Räumersegmente
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zeugseite die Spülung wirkungslos ausströmt. Dieser Spülungsstrom fehlt den mit dem Gestein im Eingriff stehenden Diamanten, die unter diesen Bedingungen durch unzureichende Kühlung zerstört werden können. Diamanträumer gewährleisten schließlich auch, dass beim Bohrwerkzeugwechsel das neu eingebaute Bohrwerkzeug ungehindert auf die Bohrlochsohle gelangt. Die Räumer werden als stählerne Rohrhülsen mit Diamant- oder Hartmetallbesatz ausgeführt. Beide Enden sind mit Gewindeanschluss zum Verschrauben mit dem Kernrohr versehen. Räumer werden in verschiedenen Ausführungen gefertigt. Bei Diamanträumern sind die Räumersegmente als Sintermetallkörper mit eingebetteten Diamanten ausgebildet. Die Räumersegmente werden entweder vertikal oder schräg auf dem Räumer angebracht. Je nach dem Durchmesser des Räumers kann die Anzahl der anzubringenden Räumersegmente 4 bis 10 betragen. Zwischen den aufgebrachten Segmenten werden teilweise auch Nuten eingefräst, um einen günstigen Spülungsdurchgang zu gewährleisten. Der Durchmesser des Räumers ist nach Anbringen der Räumersegmente etwa 0,4 mm größer als der Durchmesser des Bohrwerkzeugs. Spezialräumer werden eingesetzt beim Bohren in porösen Sedimentgesteinen mittlerer Härte, um bei Verwendung von Bohrspülungen die hydraulischen Verhältnisse im Bereich der Kernrohrgarnitur zu verbessern. Räumersegmente aus Hartmetall werden in Verbindung mit Hartmetallbohrwerkzeugen eingesetzt, oder wenn dieser Räumertyp sich als wirtschaftlicher erweist, als diamantbesetzte Räumer.
3.5.7.7 Futterrohre, Futterrohrschuhe und Futterrohrkronen Futterrohre sind lieferbar (z. B. Fa. Comdrill) in allen gängigen Größen bis einem Außendurchmesser von 406 mm in den unterschiedlichsten Ausführungen hinsichtlich Material und der Art der Verbinder z. B.: – Materialien St-52, 42CrMo4, N80 – direkt ins Rohr geschnittene Gewinde – mit nitrierten Vorschweißverbindern aus Vergütungsstahl (z. B. 42 CrMo4) – außen und innen glatt – außen oder innen verdickt – zylindrische Gewinde – konische Gewinde – Rechtsgewinde – Linksgewinde – Trapezgewinde – Flachgewinde – Rundgewinde – einläufige oder mehrläufige Gewinde Futterrohre, die ohne Rotation eingebaut werden, benötigen nur einen einfachen Rohrschuh aus Stahl. Müssen Futterrohre beim Einbau gedreht werden, benötigen sie entweder eine Futterrohrkrone oder eine Futterrohrschuhkrone. Beide Typen haben den gleichen Außenrohrdurchmesser; sie unterscheiden sich jedoch im Innendurchmesser.
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3 Bohrtechnik in der Baugrunderkundung
Abb. P-74: links: Futterrohre mit zweiläufigem Linksgewinde 152,4 mm und FR 114,3 mm mit konischem Trapezgewinde – rechts: HM-Futterrohrkronen 222 mm (für Futterrohre 219 mm) und 160 mm mit zweiläufigem Rundgewinde links (für Futterrohre 152,4 mm)
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Abb. P -75: Diamant-Futterrohrkrone[Comdrill]
Die Futterrohrkrone ist für solche Formationen gedacht, in denen die Futterrohre nach Erreichen der vorgesehenen Teufe gezogen und nach dem Austausch der Futterrohrkrone gegen
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eine Futterrohrschuhkrone wieder eingebaut werden können. Die Futterrohrkrone ist vorn, außen und innen mit Schneidelementen besetzt. Ihr Innendurchmesser ist so klein, dass die nächste Kronen- und Kernrohrdimension nicht mehr hindurchpasst. Im Gegensatz hierzu hat die Futterrohrschuhkrone einen so großen Innenrohrdurchmesser, dass man mit der folgenden Kronen- und Kernrohrdimension durchfahren und weiterbohren kann. Futterrohrschuhkronen sind deshalb nur vorn und außen mit Schneidelementen besetzt und innen glatt. Daher sind Futterrohrschuhkronen für solche Formationen vorzusehen, in denen der Futterrohrstrang im Bohrloch verbleiben muss, um Nachfall aus den Bohrlochwänden zu vermeiden. Die Schneidelemente können je nach den Gesteinseigenschaften bei beiden Typen aus hartmetall- oder als oberflächenbesetzte Diamantsegmente bzw. als diamantimprägnierte Segmente gewählt werden. Sie entsprechen damit weitgehend den Lippen normaler Bohrkronen. Für Futterrohre unterschiedet man: – Futterrohrschuhe innen und außen glatt – Futterrohrkronen mit innerem Freischnitt
3.5.8 Bohrgestänge Bei Bohrgestängen unterscheidet man die unterschiedlichsten Ausführungen uns zwar u. a.: – Gestänge mit Doppelnippel, z. B. CR 33, CR 42 – reibgeschweißte Gestänge mit API Gewinden (z .B. 2 3/8 " API reg.) – Gestänge mit eingeschrumpften und verschweißten Gewinden (z. B. RD 40, RD 50, WW 63,5) – mit und ohne Schlüsselflächen am Verbinder – Aluminiumgestänge – Schwerstangen Nachfolgend einige Beispiele:
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3 Bohrtechnik in der Baugrunderkundung
Abb. P-76: Beispiele für Bohrgestänge: 1: Bohrgestänge 89 mm mit reibgeschweißtem Verbinder 2Ǫ " API IF, 2: Bohrgestänge 48,3 mm mit eingeschrumpftem u. CNC-verschweißtem Verbinder RD 40, mit 2 Schlüsselflächen, 3: Bohrgestänge D 70 mm mit eingeschrumpftem u. CNC-verschweißtem Verbinder RD 50 m. 4 Schlüsselflächen, 4: Bohrgestänge CR 42 mit Doppelnippel, 5: Vorschweißverbinder 63,5 ww.
Hinweis: Näheres zu Bohrkronen, Verrohrung, Bohrgestänge und sonstigem Bohrzubehör und Tabellen siehe. Kataloge der Lieferfirmen (z. B. Comdrill Bohrausrüstungen GmbH, Untereisesheim)
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Q Bohrungen im Bergbau und Ölfeld 1 Erkundungsbohrungen 1.1 Exploration in den Steinkohlenlagerstätten
1.1.1 Vorbemerkungen Die Steinkohlenlagerstätten in der EU weisen sowohl in ihrer geografischen Lage und Ausdehnung als auch in der jeweiligen geologischen Ausbildung und ihrem Vorrat wesentliche Unterschiede auf. Die naturgegebenen Bedingungen, wie Mächtigkeit der Kohlenflöze, Einfallen, Teufe, Standfestigkeit des Nebengesteins und der Kohle, Härte der Kohle und der Bergemittel im Flöz und die Härte des Nebengesteins, Bergschadensempfindlichkeit, Intensität der Häufigkeit von geologischen Störungen sowie Gasgehalt der Kohle haben sowohl einzeln wie auch unterschiedlichsten Kombinationen jeweils für die Wahl des Abbauverfahrens, die Wahl des Zuschnitts und die Wahl der Ausrüstung entscheidende Bedeutung für ein Bergwerk. Heute stammt die Steinkohle fast ausschließlich aus der flachen bis schwach geneigten Lagerung, der Anteil beträgt über 90 %. Nur noch einzelne Bergwerke – z. B. in Spanien – fördern aus halbsteil und steil stehenden Flözen. Die mittlere abgebaute Mächtigkeit in Europa betrug zum genannten Zeitpunkt etwa 1,60 m und ist bis heute nur auf etwa 1,80 m gestiegen, da man in der Auswahl der abzubauenden Flöze vorrangig die Kohlenart und deren Qualität beachten muss. Je nach Lagerstätte variieren die bauwürdigen Flözmächtigkeiten zwischen 0,80 m bis über 4 m.
1.1.2 Exploration Für die Planung und Ausführung von Bergbauaktivitäten ist eine möglichst genaue Kenntnis der Lagerstätte von besonderem Interesse. Nur wenn diese gut bekannt ist, kann der Bergbau im Detail geplant und wirtschaftlich beurteilt werden. Auch bei Sicherheitsfragen hat sich gezeigt, dass diese nur bei genauer Kenntnis der Lagerstätten beantwortet werden können. Diese Erkenntnisse gelten grundsätzlich für alle Lagerstätten und für alle Bergbauzweige, besondere Bedeutung haben diese jedoch im Steinkohlentiefbau. Moderne Explorationsmethoden wie die Bohrexploration oder auch zerstörungsfreie Verfahren wie die Seismik sind zwar häufig, wenn wir die geschichtliche Entwicklung dieser Methoden verfolgen, im Steinkohlenbergbau erstmals oder zumindest frühzeitig angewendet worden, zu ihrer heutigen Reife wurden sie jedoch ganz vorwiegend im bohrlochorientierten Bergbau auf Öl und Gas entwickelt. Dies mag in erster Linie darauf zurückzuführen sein, dass in diesen Bergbauzweigen ungleich große finanzielle Mittel für die Forschung und zur Entwicklung zur Verfügung standen. Zu unterscheiden sind „beprobenden“ Verfahren, also der Bohrexploration und „zerstörungsfreien“ Verfahren, im Wesentlichen der Seismik. Diese Verfahren wurden bereits ausführlich behandelt. H. -O. Buja, Handbuch der Tief-, Flach-, Geothermie- und Horizontalbohrtechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-9943-9_17, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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1 Erkundungsbohrungen
1.1.3 Exploration über Tage Bei noch unbekannten, neuen Lagerstätten, aber auch bei Lagerstätten, bei denen noch kein ausreichendes befahrbares Grubengebäude besteht, kann die Exploration nur von der Erdoberfläche aus, also von über Tage erfolgen. Andere Bergbauzweige, wie der Erdöl-/Erdgas Bergbau kennt naturgemäß nur diese Form der Exploration. Auch im Steinkohlenbergbau spielt die Exploration von über Tage die größere Rolle. Sie wird eingesetzt beim Aufschließen neuer Lagerstätten und neuer Lagerstättenteile. Ein Beispiel hierzu ist die „Nordwanderung“ des Bergbaus in Deutschland. Verglichen mit der Exploration unter Tage hat die Exploration von der Erdoberfläche aus den Nachteil, einen größeren Abstand zu den zu untersuchenden Lagerstättenteilen zu haben. Bohrungen haben größere Tiefen, sind somit teurer und nur mit einem weniger dichten Bohrraster zu realisieren. Zerstörungsfreie Methoden sind wegen der großen Abstände ungenauer und haben ein geringeres Auflösungsvermögen.
1.1.4 Bohrexploration Die klassische Exploration ist die Exploration durch Beprobung, wobei oberflächennah neben Bohrungen auch Schürfe eine Rolle spielen. Bei üblichen Teufen insbesondere des Tiefbaus aber meist auch des Tagebaus in der Europäischen Union spielen allerdings aus Kostengründen Schürfe keine Rolle. Sowohl für Tagebaubetriebe als auch für Tiefbaubetriebe wurden in entsprechenden Projekten moderne Methoden der Bohrexploration entwickelt und weiterentwickelt. Sie sind inzwischen zur Routine geworden. Allein im Ruhrgebiet wurden in der Nachkriegszeit mehr als 1000 Explorationsbohrungen abgeteuft. Die Übertrage-Bohrtechnik wird im Kap. „Bohrtechnik“ ausführlich beschrieben.
1.1.5 Exploration unter Tage Der Steinkohlentiefbau eröffnet durch die Nutzung des vorhandenen Grubengebäudes den Einsatz von Explorationstechniken, wie sie der Bohrlochorientierte Bergbau auf Öl und Gas nicht kennt. Dabei bringt die größere Nähe zum untersuchten Objekt zwar eine Verbesserung der Auflösung und der Aussagesicherheit, die geometrischen Beschränkungen aber auch Nachteile in der kompletten Erfassung eines untersuchten Volumens.
1.1.6 Sondervermessungen
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Messungen, die über Tage selbstverständlich sind, bedürfen oft unter Tage besonderer Anstrengungen und besonderer Entwicklungen. Dies gilt häufig schon wegen des Bedarfs speziell zugelassener Ex-geschützter Geräte. Beispiele hierfür sind die Vermessungen der geometrischen Gegebenheiten und der genauen Lokation der Messwerterfassung bei Explorationsmaßnahmen.
1.1.7 Stereo Photogrammetrie Die terrestrische Stereo Photogrammetrie mit schlagwettersicheren Messgeräten ist ein weiteres Beispiel für eine Sonderentwicklung im Bergbau und deren anschließenden Export in andere Anwendungen.
Q Bohrungen im Bergbau und Ölfeld
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1.1.8 Bohrexploration Die Bohraktivitäten haben sich in vielen Bergbaugebieten von über nach unter Tage verlagert, insbesondere, weil sich so mit geringeren Bohrlochlängen die Zielvolumina erreichen lassen. Hierzu waren geeignete Bohrgeräte zu entwickeln, die im beschränkten Raum ein wirtschaftliches Bohren in der angestrebten Qualität zulassen.
1.2 Bohrtechnik 1.2.1 Allgemeines Ähnlich wie beim Bohren über Tage war auch hier die Einführung des Seilkernens der entscheidende Schritt. Diese Technik wurde so weiter entwickelt, dass sie das Bohren in alle Richtungen, insbesondere aber auch ins Hangende gestattet. Fragen der Spülungszusammensetzung aber auch des Spülungsumlaufs waren zu lösende Probleme. Heute werden die meisten Explorationsbohrungen unter Tage durchgeführt. Sie erreichen dieselbe Qualität und denselben Kerngewinn wie Bohrungen über Tage.
1.2.2 Horizontalbohrtechnik im Gestein Genau wie bei Ablenkungen aus übertägigen Bohrungen sind auch unter Tage lange Horizontalbohrungen im Gestein von Interesse. Häufig lässt sich nur mit ihnen das Vorfeld eines Betriebes aufklären. Das Halten von Bohrungen in der Horizontalen über weite Entfernungen ist auch heute noch ein Problem und somit ein Forschungsgegenstand.
1.2.3 Horizontalbohrtechnik in der Kohle Horizontalbohrungen in der Kohle, oder besser flözgängige Bohrungen sind eine Sonderaufgabe und mit Bohrungen im Gestein nicht zu vergleichen. Hier haben sich zwei grundsätzlich unterschiedliche Varianten eingespielt: Das Führen eines Bohrung im Flöz mit geeigneten Sensoren (z. B. Gamma-Messung) oder das Bohren mit einer (weichen) Schnecke und einem geeigneten Meißel, der dafür sorgt, dass die Bohrung nicht ins Nebengestein abweichen kann. Beide Methoden wurden in Forschungsprojekten verfeinert. Ihre Anwendbarkeit richtet sich nach den Gesteinseigenschaften von Kohle und Nebengestein.
1.2.4 Vertikalbohrtechnik Während es bei Explorationsbohrungen oft nicht so ganz genau darauf ankommt, wie die Bohrung verläuft, sind vielfach zu anderen Zwecken Bohrungen mit exakt vertikalem Verlauf nötig. Hierzu wurden spezielle Techniken entwickelt, bei denen der rotierende Bohrkopf in einer Art Käfig geführt wird, der sich hydraulisch an der Bohrlochwand abstützt und über geeignete Sensoren den Bohrkopf in die gewünschte (meist vertikale) Richtung steuert (Zielbohrtechnik).
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1 Erkundungsbohrungen
1.3 Seismik 1.3.1 Allgemeines Auch in der untertägigen Anwendung ist die Seismik das bei weitem wichtigste und erfolgreichste zerstörungsfreie Verfahren. Um es überhaupt anwenden zu können, mussten geeignete Messgeräte entwickelt werden, die den Bestimmungen für unter Tage genügen und die für diesen Einsatz ausreichend robust sind. Diese Messgeräte wurden nicht nur immer an die allgemeinen Fortschritte der Elektronik angepasst, sondern sie waren in Punkten auch Vorreiter für die allgemeine Entwicklung seismischer Messtechnik.
1.3.2 Flözwellenseismik Die Seismik mit im Flöz geführten Wellen ist die Königsdisziplin der untertägigen seismischen Verfahren. Da die Geschwindigkeit mit der sich seismische Wellen ausbreiten in Kohle sehr viel geringer ist als im Nebengestein, werden seismische Wellen, die im Flöz erzeugt wurden, in diesem gefangen und weitergeleitet. Dies ist physikalisch dasselbe, wie die Lichtleitung in einer Glasfaser. Die Ausbreitung dieser Wellen wird durch tektonische Störungen gestört. Die Wellen werden an einer solchen Störung reflektiert. Die Registrierung und Auswertung gestattet die Kartierung der Störungen und anderen z. B. syngenetischen Anomalien. Bei geeigneten Streckengeometrien werden heutzutage sogar tomographische Aufnahmen der Flözsituation erfolgreich durchgeführt. Die Flözwellenseismik wurde nach anfänglich erheblichen Problemen zu einer anerkannten Routinemethode im Vereinigten Königreich und in Deutschland. Der wirtschaftliche Wert der Vorabkenntnis von Störungen kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.
1.4 Zusammenfassung Die Exploration für die Steinkohlenerkundung ist aufwendiger als in den übrigen Bereichen der Gewinnung. Von der Erkundung und Auswertung der Ergebnisse hängt die gesamte Planung eines neuen Steinkohlenbergwerkes bzw. der Erweiterung eines bestehenden ab. Dazu gehören die Planungen für die Standpunkte der Förder- Material- und Wetterschächte, die Aus- und Vorrichtung, Anlage der Richtstrecken und Querschläge sowie der Flözstrecken. Die Ergebnisse geben Auskunft über die Lage der Flöze und deren Flözstärken und Neigungen. Die Aus- und Vorrichtung wird auf die abbauwürdigen Flöze abgestimmt. Nicht zu letzt lassen die Angaben über die Art der Nebengesteine die Möglichkeiten von Bergsenkungen und damit die Gefahr von Bergschäden erkennen.
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Q Bohrungen im Bergbau und Ölfeld
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2 Schachtbohrungen 2.1 Allgemeines Die Entwicklung der Rohstoffpreise, insbesondere bei Erzen, hat zu neuen Überlegungen geführt, den Erzabbau wieder aufleben zu lassen. Im den traditionsreichen Bergbaugebieten Sachsen (Erzgebirge) und Siegerland haben verantwortliche Stellen in der Tiefpreisphase den gesamten Erzbergbau trotz noch großer Vorräte, einstellen lassen. Trotz der Fülle der während der DDR gewonnenen Daten, hat sich herausgestellt, dass unter heutigen Randbedingungen durch die abbauwilligen Unternehmen in vielen Fällen eine wirtschaftliche Neubewertung von Lagerstätten erforderlich ist, bevor der Aufschluss durch ein Bergwerk sinnvoll ist. Während die zahlreich vorliegenden geologischen Primärdaten überwiegend als verlässlich bezeichnet werden können, fallen die Interpretationen nach Meinung der Experten teilweise zu optimistisch aus. Eine Reihe von Lagerstätten muss aber auch nach heutigen Maßstäben nacherkundet werden. Inzwischen wurden vom sächsischen Oberbergamt bereits zahlreiche Bergbauberechtigungen erteilt. Die bisher neu erteilten Zulassungen ergingen auf etwa 10 Felder mit Vorräten von ca. 3,8 bis 4,0 Mio. Tonnen unterschiedlicher Mineralien. Dabei handelt es sich um Vorkommen von: Eisen, Wolfram, Beryllium, Flussspat, Indium, Kadmium, Kupfer, Zink, Zinn, Arsen, Blei, Gold, Kobalt, Molybdän, Nickel, Palladium, Platin, Quecksilber, Rhenium, Schwefel, Selen, Silber, Vanadium, Wismut, Zink, Rubidium, Caesium, Lithium, Schwerspat, Silber, Rubidium, Fluorit, Baryt u. a. Die Bergbauberechtigungen wurden teilweise von konkurrierenden Bewerbern beantragt. Dies machte Vorrangentscheidungen des dafür zuständigen Oberbergamts erforderlich. Nach deutschem Bergrecht werden die Vorrangentscheidungen nicht nach dem Datum des Antrags, sondern nach der Qualität des Arbeitsprogramms getroffen. Dazu gehört insbesondere ein hoher Grad von Ausnutzung der Lagerstätten. Das besondere Interesse der Wirtschaft liegt bei den Vorkommen von Kupfer, Wolfram, Zinn und Flussspat. Es fällt auf, dass ein hoher Anteil der Bergbauberechtigungen von international operierenden ausländischen Unternehmen beantragt wurde. Hintergrund ist, dass die früheren klassischen deutschen Metallerzproduzenten ihre Unternehmensfelder vollständig verändert haben. Auch wenn nicht alle der erteilten Bergbauberechtigungen zwangsläufig zu einem betriebenen Bergwerk führen werden, so kann aus heutiger Sicht doch davon ausgegangen werden, dass es auf den besonders ergiebigen Lagerstätten zur Förderung kommen wird und mehrere hundert Arbeitsplätze geschaffen werden können. Die Vorhaben erfreuen sich in den betreffenden Regionen einer guten Akzeptanz. Ein Deutscher verbraucht in seinem Leben rund 40 Tonnen Stahl, 3 Tonnen Aluminium und 2 Tonnen Kupfer. Das hat die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) ermittelt. Der Verbrauch eines Bürgers an diesen Metallen gilt auch als Indikator für den Zustand einer Volkswirtschaft. Der Bedarf steigt ständig – ebenso wie der von anderen Metallen. Der wirtschaftliche Aufschwung der Schwellenländer hat die Nachfrage zusätzlich angeschoben. China verbraucht inzwischen mehr Kupfer, Zink, Zinn, Stahl und Steinkohle als jedes andere Land.
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2 Schachtbohrungen
Kupfer wird in Peru, Indonesien, Russland, China, den USA und anderen Ländern abgebaut, vor allem aber in Chile. Der Andenstaat fördert mehr als ein Drittel der Weltjahresproduktion, die 2008 insgesamt 15,4 Millionen Tonnen betrug. Hier liegen auch die größten Tagebaugruben, Chuquicamata und Escondida, die sogar vom Weltraum aus zu sehen sind. Aber auch die Bingham-Canyon-Mine im US-Bundesstaat Utah beeindruckt mit ihrer Tiefe von 1,2 Kilometern. Weltweit wird das meiste Kupfer im Tagebau gewonnen. Von 132 Gruben sind nur 34 Untertagebergwerke und 8 gemischte Bergwerke. Doch dieses Verhältnis wird sich – nicht nur bei Kupferminen – bald ändern, denn die leicht zugänglichen Lagerstätten sind in absehbarer Zeit erschöpft. Von den neu erschlossenen Vorkommen liegen derzeit nur noch 20 Prozent oberflächennah. In den 90er Jahren waren es noch 60 Prozent, in den Achtzigern sogar 100 Prozent. Wer heute eine neue Rohstofflagerstätte erschließen will, muss sich meist durch Schächte in die Tiefe arbeiten. Die Bergbauunternehmen investieren derzeit kräftig in neue Bergwerke und den Ausbau bestehender Anlagen. Die Bereitschaft, Geld in die Hand zu nehmen, hängt mit der Entwicklung der Rohstoffpreise zusammen. Die Tonne Kupfer kostet derzeit auf dem Weltmarkt rund 6.700 Dollar, vor acht Jahren waren es nur 1.500 Dollar. Andere Metallpreise haben sich ähnlich entwickelt. Und der Aufwärtstrend wird sich voraussichtlich fortsetzen. Die derzeitigen Kupferfunde im Erzgebirge, für die z. Zt. umfangreiche Erkundungsarbeiten laufen und schon Schürfrechte beantragt sind, lassen auf ein Aufblühen der Bergbautätigkeit im Erzgebirge hoffen.
2.2 Großloch-Bohrtechnik 2.2.1 Großbohrungen für Schächte
Q
Für die Herstellung großer Bohrungen in festen bis harten Formationen kommen besondere Rollenmeißel zu Einsatz. Das System eignet sich besonders dort, wo am Zielpunkt bereits ein Hohlraum (Strecken im Bergbau bzw. ein Tunnel) vorhanden ist. Hier wird zunächst eine Zielbohrung mit kleinem Durchmesser (z. B. im Spülbohrverfahren) hergestellt, die als Rollloch für das Bohrgut der Schachtbohrung dient (vergleiche hierzu Abb. Q-2). Das elektrohydraulische Bohrgerät Typ Wirth HG 330 SP hat eine Vorschubkraft von 8.350 kN sowie ein Drehmoment von 540 kNm bei einem Gewicht von 300 t und gehört damit zu den leistungsstärksten Geräten weltweit. Der Antrieb erfolgt über 6 Elektromoren mit jeweils 110 kW. Der max. Durchmesser beträgt 8,20 m. Über eine Laserzieleinrichtung kann eine Bohrgenauigkeit im Zentimeterbereich erzielt werden. Die bereits im deutschen Steinkohlenbergbau eingesetzte Technik wurde durch innovative Komponenten ergänzt. Das Gerät wird in Einzelkomponenten von jeweils max. 60 t transportiert und am Einsatzort mit Hilfe von Schwerstlastkränen montiert. Das anfallende Bohrklein wird mit Radladern oder Bagger auf Lkw’s verladen oder fällt unmittelbar in Förderwagen und wird dann zum Förderschacht oder Tunnelausgang transportiert. Tagesleistungen von 40 m und mehr sind erreichbar. Die bisher größte erreichte Teufe bei einem Projekt der Thyssen Schachtbau betrug 1.170 m.
Q Bohrungen im Bergbau und Ölfeld
Abb. Q-1:
977
Rollenmeißel mit Schneidrollen für Großlochbohrungen – links: Ansicht – rechts: beim Einfahren in eine Vorschacht. Mit diesen Systemen können Durchmesser bis zu ca. 8,00 m erreicht werden [Wirth].
2.2.2 Großbohranlage der Fa. Herrenknecht Eine innovative Entwicklung von Herrenknecht zur Abteufung von Schächten aller Art ist die VSM (Vertical Shaft Sinking Machine) Schachtabsenkanlage. Sie besteht grundsätzlich aus einer Absenkeinheit und einer Schachtbohrmaschine und kann sowohl in standfesten als auch in nicht standfesten Böden zum Einsatz kommen. Zur Einsparung kostenintensiver Grundwasserabsenkungen wurde ein Maschinenkonzept entwickelt, dass auch unter Wasser einsetzbar ist. Die Schachtbohrmaschine wird mit Hilfe der Absenkeinheit – sie stellt die Verbindung zwischen Schachtoberfläche und Maschine/Startrohr dar – abgeteuft und verspannt sich mit Gripperarmen, ähnlich einer TBM, gegen das standfeste Gebirge oder das bereits vorhandene Startrohr. Die Funktionsweise des Fräsvorganges ähnelt dem einer Teilschnittmaschine. Die rotierende und mit Spezialwerkzeugen bestückte Fräswalze ist am teleskopierbaren Schrämausleger positioniert und löst die Geologie durch Schwenkbewegungen an der Schachtsohle. Der Bohrguttransport erfolgt entweder über ein bereits vorhandenes Vorbohrloch oder hydraulisch über Rohrleitungen zur oberirdisch installierten Separationsanlage. Die Schachtbohrmaschine ist während der gesamten Schachtabteufung über Stahllitzen mit der Absenkeinheit verbunden, die an der Tagesoberfläche positioniert ist. Jederzeit kann so die Schachtbohrmaschine kontrolliert und zielgenau abgesenkt werden. Zwei Typen sind derzeit einsetzbar und zwar die • VSM 7700 für Durchmesser bis 7,70 m • V SM 9600 für Durchmesser bis 9,60 m (geplant max. 12,00 m) Bisher wurden Tiefen bis 120 m erreicht.
Q
978
2 Schachtbohrungen
Abb.Q-2: Großlochbohrsystem (Schachtau) System [Herrenknecht]
2.2.2.1 Der Schachtausbau Bei Abteufungen mit Vertikalschachtabsenkanlagen werden an den Ausbau des Schachtes hohe Ansprüche in punkto Präzision, Effizienz und Sicherheit gestellt. Die Auskleidung des Schachtes kann je nach Projektanforderung mit fertigen Betonsegmenten, Ortbeton, Stahlsegmenten oder im grundwasserfreien Boden auch mit Felsankern, Stahlmatten und Spritzbeton durchgeführt werden.
Q
Abb. Q-3: Ansicht des Schneidarmes [Herrenknecht]
Q Bohrungen im Bergbau und Ölfeld
979
Der Schachtausbau mit Betonsegmenten oder mit Ortbeton erfolgt an der Schachtoberfläche parallel zum Vortrieb der Abbaumaschine. Die Tübbinge werden mittels der an der Absenkeinheit installierten Krananlage zu einem Ringsegment zusammengefügt und auf dem jeweiligen Vorläuferringsegment positioniert und durch Zylinder kontrolliert in den Untergrund abgesenkt. Dadurch kann parallel zur Schachtabsenkung gleichzeitig der druckdichte Schachtendausbau fertig gestellt werden.
Abb. Q-4:
Baustelleneinrichtung einer Schachtabteufanlage System Herrenknecht – hier in St. Petersburg [Herrenknecht].
Die Dichtheit des ausgebauten Schachtes, Qualität der Segmente sowie der zeitliche Aufwand der Fertigteilbauweise bilden die Grundlage für den geforderten Schachtausbau. Für die Reduzierung der beim Abteufen auftretenden Reibungskräfte wird entsprechend dem Rohrvortrieb im Microtunnelling eine Schmierung des Ringraums über ein Bentonitschmiersystem vorgenommen. Beim Stahlsegmentausbau werden Stahlsegmente eingesetzt, die nach einer gebohrten Tiefe von ca. 0,7- 1,0 m in den Schacht herabgelassen und dort im Schutze des Stahlmantels zu einem Ring montiert, hydraulisch angehoben, mit dem letztem Stahlring verschraubt und mit Spezialankern mit dem Fels verdübelt werden. Der Zwischenraum, der durch den Überschnitt zwischen Fels und Stahlsegmenten entsteht, wird mit Mörtel kraftschlüssig verpresst. Beim Ausbau mit Spritzbeton werden je nach Geologie zusätzlich Felsanker oder Stahlmatten eingesetzt, um den umliegenden Boden zu stabilisieren. Der Einsatzbereich dieses Verfahrens reicht von standfesten Böden bis mittelschwerem Fels, da bei Misch- oder Lockerböden die Standsicherheit nicht mehr gewährleistet ist. Die Steuer- und Versorgungsaggregate sind auf einer separaten Ebene oder direkt auf der Oberfläche angeordnet. Neben der elektrischen und hydraulischen Energieversorgung werden alle für den Vortrieb notwendigen Informationen gesammelt und überwacht.
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980
2 Schachtbohrungen
Dem Maschinenfahrer wird so jederzeit die Möglichkeit geboten, technische Parameter der Schachtbohranlage während des Teufvorganges zu überprüfen und bei Bedarf zu verändern, um die Schachtbohrmaschine auf die im Einsatzgebiet bestehenden Verhältnisse anzupassen und optimal einzurichten. Der fertig gestellte Schacht kann beispielsweise als Startschacht für Microtunnelling-Vortriebe oder als Zugangsschacht für existierende Kavernen verwendet werden.
2.2.3
Schachtbohrsystem (SBS) der Herrenknecht AG
2.2.3.1 Vorbemerkungen Ein Deutscher verbraucht in seinem Leben rund 40 Tonnen Stahl, 3 Tonnen Aluminium und 2 Tonnen Kupfer. Das hat die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) ermittelt. Der Verbrauch eines Bürgers an diesen Metallen gilt auch als Indikator für den Zustand einer Volkswirtschaft. Der Bedarf steigt ständig – ebenso wie der von anderen Metallen. Der wirtschaftliche Aufschwung der Schwellenländer hat die Nachfrage zusätzlich angeschoben. China verbraucht inzwischen mehr Kupfer, Zink, Zinn, Stahl und Steinkohle als jedes andere Land. Erzvorkommen, die aus günstigen Lagerungen abgebaut werden können, nehmen immer mehr ab. Bisher arbeiten sich die Bergleute mit der klassischen Methode des „Drill and Blast“, Bohren und Sprengen, in die Tiefe. Dabei ist der Abteuffortschritt verhältnismäßig gering, weil die einzelnen Arbeitsschritte voneinander abhängen: Erst wenn die Sprenglöcher gebohrt sind und die Sprengung erfolgt ist, kann das Haufwerk (bergmännischer Begriff für durch Sprengung gelöstes Gestein) verladen und abgefördert werden. Danach wird die gewonnene Abschnitt mit Felsankern und Spritzbeton gesichert, um ein Nachbrechen des Gesteins zu verhindern. Auf diese Art lassen sich etwa 6 Meter Vortrieb pro Tag (3 Abschläge von 2,00 m je Schicht) erreichen. Zeitraubend ist dabei die Förderung in sog. Schachteimern über den Förderturm.
2.2.3.2 Systembeschreibung
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Die von der Fa. Herrenknecht neu entwickelte Schachtbohrmaschine soll alle notwendigen Arbeiten nahezu gleichzeitig erledigen. Sie ähnelt einer Tunnelbohrmaschine (TBM), wie sie für den Bau von Straßen oder Schienentunneln eingesetzt wird. Allerdings steht sie auf dem Kopf, damit sie senkrecht in die Tiefe bohren kann. Mit 35 Metern ist der Koloss so hoch wie ein zehnstöckiges Gebäude und wiegt rund 2.000 Tonnen. Er ist konzipiert für Schachttiefen zwischen 1.000 und 2.000 Metern, wobei er einen Durchmesser von bis zu 12 Metern erreicht. Die SBS könnte nicht nur die Bauzeit verkürzen, sondern wird auch für mehr Sicherheit sorgen. Der herkömmliche Schachtbau gilt als gefährlich, weil die Arbeiter in einem engen, fast ungeschützten Raum mit explosiven Stoffen und schwerem Equipment hantieren müssen. Mit dem stählernen „Maulwurf“ SBS wäre diese risikoreiche Arbeitsweise nicht mehr nötig. Allerdings sind die technischen Herausforderungen groß. Vor allem muss die Maschine das ausgebrochene Gestein gegen die Schwerkraft heraus und nach oben zur Erdoberfläche schaffen.
Q Bohrungen im Bergbau und Ölfeld
981
Technische Daten: max. Bohrdurchmesser: 11.80 m Antrieb: 0-6 U/min Gesamtgewicht: ca. 2000 t Abraumförderung: Vertikalförderung
Abb. Q-5: Gesamtansicht der SBS – 1: Bohrkopf – 2: Schild – 3: Felssicherung – 4: Verspannung
Mit einem herkömmlichen TBM-Schneidrad, das mit seiner Breitseite an der Ortsbrust anliegt, wäre das kaum zu schaffen. Ein großer Teil des Ausbruchs würde auf der Sohle liegen bleiben. Die Lösung: Das Schneidrad wurde gedreht, sodass es wie eine Kreissäge in den Berg eindringt. Dabei wirkt es zugleich als Schaufelrad, das den Ausbruch nach oben trägt. Sobald es einen 1,5 Meter tiefen Schlitz in den Berg eingefräst hat, dreht es sich um die Schachtlängsachse, um das gesamte Schachtprofil mit einem Durchmesser von bis zu 12 Metern auszuschneiden. Ein Vertikalförderband bringt das gelöste Gestein in den oberen Bereich der Maschine, von wo es anschließend zur Oberfläche gelangt. Für sicheren Halt im Schacht sorgen sogenannte Gripperplatten (Abb. Q-6), die von Hydraulikpressen gegen die Schachtwand gedrückt werden. er Ausbau mit der Schachtbohrmaschine erfolgt maschinell:
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2 Schachtbohrungen
Dicht hinter dem Schneidrad wird Spritzbeton aufgetragen, darüber werden Felsanker gesetzt, und im oberen Maschinenteil bekommt der Schacht mit Ortbeton sein endgültiges Gesicht.
Abb. Q-6: Die SBS beim Einfahren in den Vorschacht – oben: Gripperplatten Herrenknecht]
Q
Maschinelle Vortriebstechnik kann aber nicht nur den Schachtbau beschleunigen, sondern auch den Bau von horizontalen Strecken und Schrägschächten. Auch hier wird heute noch fast überall gebohrt und gesprengt, und auch hier könnte eine TBM den Vortrieb vereinfachen. Wie beim SBS erledigt die TBM alle Arbeiten nahezu parallel, die bisher in mehreren Schritten und Verfahren abliefen: das Ausbrechen des Gesteins, den Abtransport des Aushubs und das Sichern der Röhre. Die maschinelle, weitgehend automatisierte Arbeitsweise beschleunigt den Vortrieb enorm. „Wir rechnen mit bis zu dreimal höheren Vortriebsleistungen als beim herkömmlichen Sprengvortrieb“, sagt Thomas Stratmann, Bereichsleiter Bergbau bei der Herrenknecht AG, die als Marktführer für maschinelle Tunnelvortriebstechnik im Bergbau Fuß fassen will. Ein Bergwerk mit einem Schrägschacht als Einstieg eignet sich besonders gut für den Einsatz einer TBM. Denn dabei kann das große Gerät direkt an der Erdoberfläche anfahren. Auch eine Tagebaugrube bietet einen vergleichsweise einfachen Einstieg. Mit den entsprechenden Schneidwerkzeugen ausgestattet, frisst sich der Bohrkopf durch jeden Untergrund, ob hart oder weich, locker oder fest. Wenn die TBM am tiefsten Punkt angelangt ist, muss nicht Schluss sein. Sie kann in die Waagrechte einschwenken und weitere Strecken herausfräsen. Neben der durchgängig hohen Vortriebsgeschwindigkeit und der größeren Sicherheit bietet der maschinelle Vortrieb weitere Vorteile: Das Gebirge wird nicht durch Sprengungen erschüttert. So wird das Gestein nicht gelockert, was zusätzliche Sicherungsarbeiten reduziert. Außerdem schneidet die Maschine einen exakt kreisrunden Querschnitt aus dem Fels, was selbst dem besten Sprengmeister nicht gelingt. Beim „Drill-and-Blast-Verfahren“ bricht an vielen Stellen mehr Gestein als nötig heraus, sodass zusätzlicher Aushub abtransportiert werden muss. Zudem entsteht dabei ein unregelmäßiges Streckenprofil, das die Frischluftbewetterung erschwert.
Q Bohrungen im Bergbau und Ölfeld
983
Selbst wenn die oberflächennahen Erzvorkommen rar werden, fürchtet kein Experte, dass die weltweiten Vorräte bald vollkommen erschöpft sein könnten. Die bereits vorhandenen Reserven an Kupfer zum Beispiel reichen noch mindestens 30 Jahre, die Ressourcen mehr als 190 Jahre, wie das Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) sowie das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) ermittelt haben. Die Reichweiten wurden in den letzten Jahrzehnten meist nach oben korrigiert, weil neue Rohstoffvorkommen entdeckt wurden. Außerdem finden Ingenieure immer wieder neue Methoden, um auch die schwer zugänglichen Erzkörper effizienter ausbeuten zu können. Der Einsatz maschineller Vortriebstechnik ist ein großer Schritt in dieser Richtung.
2.2.4 Beschreibung einer Schachtbohrung mit der Großbohranlage VSM 2500 von Herrenknecht 2.2.4.1 Vorwort 1 Gemeinsam mit der Universität Karlsruhe (TH) arbeitete die Herrenknecht AG an einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geforderten Verbundprojekt zum Bau einer unterirdischen Wasserförderanlage auf Java. Mit Hilfe der neu entwickelten Herrenknecht Schachtabsenksanlage wurde ein Zugangsschacht zur Karsthöhle in 100 m Tiefe abgeteuft. Bereits in der Planungsphase wurden die Randbedingungen bezüglich Bauteilgröße, Energieverbrauch, Investitionen und Geologie in das Maschinenkonzept integriert. Da der Bauplatz in einem schwer zugänglichen Gebiet liegt, musste die Vertikalbohrmaschine VSM 2500 modular aufgebaut und zudem mit robuster Technik ausgerüstet sein, die auch unter den tropischen Bedingungen zuverlässig funktioniert. Durch die Weiterentwicklung des Prototyps bei der Firma Herrenknecht entstanden in den letzen Jahren ferngesteuerte Vertikalschachtbauanlagen, die in Ihrem Einsatzbereich bezüglich der Geologie im Locker- und Festgestein flexibler eingesetzt werden können. Die „Vertical-Shaft-Boring-Mashine“ VSM 2500 ist von der Herrenknecht AG konstruiert und gebaut worden, um den Zugangsschacht zum unterirdischen Höhlenkraftwerk mit 2,5 m Durchmesser und 100 m Tiefe im Kalkstein zu bohren .Aus logistischen und konstruktionstechnischen Gründen entstand das innovative Maschinensystem, in welchem alle Anforderungen optimal aufeinander abgestimmt wurden. Die VSM 2500 ist mit einer Schräme ausgerüstet (Abb. Q-7), die vom direkt darüber sitzenden Maschinenfahrer bedient wird. Der hydraulisch betriebene Schrämkopf hat eine Leistung von 110 kW und rotiert am Schrämarm um seine eigene Achse.
Q
1
Grundlage dieses Kapitels ist der Beitrag „Schachtbautechnik zur Realisierung eines Zugangsschachtes in eine Karsthöhle“ von Dipl.-Ing. Lutz zur Linde u. Dipl.-Ing. Peter Schmäh von der Herrenknecht AG in der Zeitschrift „WasserWirtschaft 7-8 2009“ mit freundlicher Genehmigung durch Frau Helene Gololobow – Secrtary Utility-Microtunneling-Herrenknecht AG.
984
2 Schachtbohrungen
Abb. Q-8: Die VSM 2500 mit Schrämpinsel
Während des Abbauvorgangs wird der Schrämarm in kreisförmigen Umlaufbahnen geführt, um den Fels abzubauen. Das Abbauwerkzeug, der sogenannte „Roadheader“, führt dem seitlich angebrachten Seilbagger-Greifer (Greifer-Windensystem) das gelöste Material in der Schachtsohle zu (Abb. Q-9). Der Seilbagger fällt mit seinem Eigengewicht in das abgebaute Material und nimmt dieses auf. Von dort fährt der Schalengreifer in einem Förderschacht ca. 6 m nach oben zu einem Zwischenpodest. Unterhalb des oberen Umkehrpunktes öffnet sich eine Klappe, der Greifer öffnet sich und das Gestein fällt über die Rutsche in den Förderkübel. Dieser Zyklus wird ständig wiederholt, während das Gestein mit der Schräme weiter abgebaut wird. Ist der Förderkübel vollständig gefüllt, wird er mit einem Seilgreifer aus der Maschine gezogen und an die Erdoberfläche befördert, dort entleert und Kreislauf wird wiederholt bis das nächste Stahlsegment eingesetzt wird. Im Rahmen des Pilotprojektes wurden zur Sicherung des Schachts Stahlsegmente eingesetzt, die im Schacht miteinander verschraubt wurden (Abb. Q-9). Jeweils acht Stahlsegmente ergaben einen Ring. Sie wurden nach einer gebohrten Tiefe von ca. 0,75 m in den Schacht herabgelassen und dort im Schutze des Stahlmantels zu einem Ring montiert, hydraulisch angehoben, mit dem letzten Stahlring verschraubt und mit Spezialankern im Fels verdübelt. Der durch den Überschnitt zwischen Fels und Stahlsegmenten entstandene Zwischenraum wurde mit Mörtel kraftschlüssig verpresst.
Q
Q Bohrungen im Bergbau und Ölfeld
Abb. Q-9:
985
Schachtabsenkungsanlage System Herrenknecht VSM 2500- links: Schematische Darstellung mit Baugruppen.
An der Schachtoberfläche befand sich ein Stahlrahmen, an dem die Zugstangen befestigt sind und den Rahmen mit der Maschine verbinden (Abb. Q-9). Die vier Zugstangen führen durch Hohlkolbenzylinder, über die die Maschine nach jedem Bohrabschnitt gleichmäßig abgeteuft wird. Die Hub- bzw. Absenkzylinder sind unabhängig zu bedienen und ermöglichen eine exakte vertikale Ausrichtung der Anlage. Ist das Ende der Zugstangen nach 3 m erreicht, werden diese von unten verlängert. Dabei werden zwei Zugstangen entlastet und das andere Paar hält in dieser Bauphase das Gewicht der Maschine. Der Vorteil dieses Absenksystems ist, dass die Maschine frei im gebohrtem Schacht hängt und der Überschnitt von ca. 10 cm auch unterhalb der Schildschneide frei geschnitten wird. Während des Bohrprozesses sind hydraulisch betriebene Grippereinheiten aktiv, die das Schild im Gestein stabilisieren. Durch das Ausfahren dieser Stempel wird die Maschine gehalten und kann zusätzlich gesteuert werden.
Q
986
2 Schachtbohrungen
Nachdem der Schacht seine Endtiefe erreichte, musste die Maschine durch den ausgebauten Schacht geborgen und nach oben transportiert werden. Da der mit den Stahlsegmenten ausgebaute Schachtinnendurchmesser kleiner ist als der Maschinendurchmesser, besteht diese aus einem kleinen Innenteil und einer äußeren Schale (Mantel). Aus diesem Grund muss die Maschine nacheinander in zwei Teilen ausgebaut werden. Ist die Endteufe erreicht, wird zuerst der Mantel im Fels verankert und das Maschineninnenteil vom Mantel demontiert. Mit Hilfe der Hub- bzw. Absenkzylinder und den Zugstangen, die stets die Maschine mit dem Stahlrahmen auf der Oberfläche verbinden, kann die Maschine sich selbst Schritt für Schritt nach oben ziehen. Nach Bergung des ersten Teils wird der größere Schildmantel, der in vier Segmenten teilbar ist, demontiert und in vier Einzelteilen durch den ausgebauten Schacht geborgen. Bei der Bergung wurde aus Sicherheitsgründen ein zusätzlicher 80-t-Kran eingesetzt, um die Maschine mit einem zweiten System zu sichern.
2.2.4.2 Erfahrungen während der Bauphase
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Die Umsetzung der Baumaßnahme erfolgte in enger Zusammenarbeit mit der indonesischen Baufirma WIKA. Vor dem Hintergrund, die Maschine auch für Folgeprojekte den indonesischen Partnern zu übergeben, erfolgte die Maschinenkonstruktion unter Berücksichtigung des vorhandenen Know-hows sowie der vor Ort vorhandenen bautechnischen und infrastrukturellen Randbedingungen („appropriate technology“). Zu Beginn des Pilotprojektes wurde das indonesische Betriebspersonal intensiv in die Funktionsweise des Bohrgerätes eingewiesen, so dass von deutscher Seite lediglich ein Maschinenfahrer der Herrenknecht AG kontinuierlich die Bauausführung begleitet hat. In den beiden ersten Einsatzwochen im Juli 2004 wurden in dem klüftigen Karstgestein (mit Gesteinsfestigkeiten bis zu 80 MPa) schon beachtliche Vortriebsleistungen erzielt. Die Tagesleistungen lagen je nach Härte und Homogenität der Karst-Geologie zwischen 1,5 und 2,8 m. Die unerwartet hohen Gesteinsdruckfestigkeiten im Bereich von 70 bis 85 MPa bewirkten einen hohen Verbrauch der Rundschaftmeißel (Bits), da der Verschleiß dieser Abbauwerkzeuge ab einer Gesteinsfestigkeit von 50 MPa exponentiell ansteigt. Durch den Einsatz spezieller Rundschaftmeißel konnte der Verschleiß auf ein wirtschaftliches Maß reduziert werden. Während des Projektverlaufs stellte sich je nach Härte des Kalksteinsein durchschnittlicher Verschleiß der Bits von ca. ein Bit pro abgeteuften Meter ein. Das bedeutet, dass nach einem abgebauten Felsvolumen von ca. 6 m³ ein Rundschaftmeißel ersetzt wurde. Das Vermessungssystem ist in Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Geodäsie der Universität Karlsruhe entwickelt worden und besteht aus zwei Systemen: Zum einem ist auf der Maschine eine einfache Dosenlibelle installiert, um die Maschine beim Absenkvorgang im Lot zu halten. Das zweite System besteht aus zwei Laserloten, die auf der Schachtoberfläche installiert wurden. Diese beiden Laser treffen im Bereich der Maschine auf jeweils eine Zieltafel. Über die Laserpunkte auf der optischen Zieltafel erkennt der Maschinenfahrer, ob die Maschine verdreht ist und in wie weit diese in vertikaler Richtung von der Sollachse entfernt ist. Im Bereich des Überschnitts konnte die VSM 2500 nach jedem Absenkvorgang mit den Absenkzylindern und der Grippereinheit auf die Sollachse geschoben werden. Die Methodik hat sich in der Bauphase bewährt. Bis Anfang Dezember 2004 war ein 100 m tiefer Schacht entstanden, der die unterirdische Höhle punktgenau tangential anschneidet.
Q Bohrungen im Bergbau und Ölfeld
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Abb. Q-10: Durchstich der VSM in die Karsthöhle
Die praktische Erfahrung auf der Baustelle hat gezeigt, dass die Vorteile des entwickelten Prototyps in der Wiedergewinnung des Bohrgeräts durch die Rückziehbarkeit der Maschine in zwei Teilen, der einfachen Montage und Demontage, dem geringen benötigten Energieaufwand zum Betrieb der Anlage und der Verwendung von Standard-Baugeräten beim Einsatz des Vertikalabteufgeräts liegen. Aufgrund des Designs der Maschine im standardisierten Containermaß ist zudem ein schneller und kostengünstiger Transport möglich. Für den Einsatz unterhalb des Grundwasserspiegels ist die Maschine allerdings nur bedingt einsetzbar. Aus diesem Grund wurde eine weitere Vertikalbohrmaschine entwickelt, die ferngesteuert mit Hilfe einer hydraulischen Förderung unter Wasser eingesetzt werden kann und somit flexibler einsetzbar ist.
2.2.4.3 Weiterentwicklungen und weitere Schachtbauprojekte Aufgrund des hohen Stellenwertes des Projektes in Indonesien konnten neue Kontakte auf politischer und wirtschaftlicher Ebene geknüpft werden. Auch aus anderen Ländern hat die Herrenknecht AG regelmäßig Anfragen für die Anwendung von vergleichbaren Vertikalabteufungen für die Erstellung von Lüftungsschächten im Bereich des Bergbaus bzw. der Rohstoffgewinnung. Oft liegen diese Anwendungen unterhalb des Grundwasserspiegels und wären deshalb mit dem für den indonesischen Karst entwickelten Maschinentyp nicht auszuführen. Seit der Einführung der VSM-Technik im Jahre 2003 hat sich diese jedoch stetig weiterentwickelt und so immer neue Anwendungsgebiete erschlossen (Abb. Q-11a). Start- und Zielschächte für Microtunneling-Vortriebe wurden bisher in einen Durchmesserbereich von 6 bis 10 m abgeteuft. Hierbei können die Einfahr- und Ausfahrbereiche z. B. mit Glasfaseramierung vorbereitet werden.
Q
988
2 Schachtbohrungen
Abb. Q-11a: Einsatz einer VSM-Maschine im Lockergestein und Grundwasser
Die 10-m-Schächte, welche in einem Projekt in Jeddah, Saudi Arabien, aktuell abgeteuft werden, dienen als Startschächte für eine 4,2 m Rohrvortriebsmaschine. Um den Schacht so kompakt wie möglich zu gestalten, wurde hier die Haltestruktur für die Anfahrdichtung und Rohrbremse in den Ortbeton integriert. Diese Möglichkeit unterstreicht auch die Genauigkeit, in der die Schächte abgeteuft werden. Ein weiteres erfolgreiches Anwendungsgebiet ist die Erstellung von Ventilationsschächten für Metrosysteme. Diese innerstädtische Anwendung fordert eine Handhabung auf sehr engen Platzverhältnissen und das Vermeiden von Setzungen, zwei Anforderungen, denen die VSMTechnik gerecht wird. Aktuell werden in Neapel Ventilationsschächte mit einen Durchmesser von 4,5 m bis in Tiefen von 45 m auf sehr beengten innerstädtischen Platzverhältnissen abgeteuft. Zwei weitere Maschinen zur Erstellung von Ventilationsschächten in Barcelona sowie Girona sind noch 2009 zum Einsatz gekommen.
2.2.5 Ausblick
Q
Ein weiteres interessantes Anwendungsgebiet ist gerade in Vorbereitung. Es handelt sich um das Abteufen von Vorschächten für die Erstellung von tiefen Schächten im Bergbau. Ein ca. 1.000 m tiefer Schacht für ein Bergwerk in Russland muss durch eine ca. 80 m starke, mit konventionellen Methoden nur schwer zu durchquerende Deckschicht geführt werden. Hierfür kommt erstmalig eine Herrenknecht VSM zum Einsatz. Nach erfolgreichem Abteufen der ersten 80 m wird der Schachtbau mit konventioneller Technik weitergeführt. Die VSM-Technik ist gegenwärtig eine wirtschaftliche Alternative für einen Durchmesserbereich von 4,5 bis 10 m und Tiefen bzw. Wasserdrücken von bis zu 80 m. Hierbei werden Ab-
Q Bohrungen im Bergbau und Ölfeld
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teufleistungen von ein bis fünf Metern pro Tag erreicht, abhängig von Durchmesser und der Geologie. Durch das mannlose Abteufen und die Erstellung des Ausbaus an der Oberfläche wurden auch neue Sicherheitsmaßstäbe erreicht. Eine modifizierte Maschinentechnik für größere Durchmesser bis ca. 16 m ist in Planung. Diese Größe ist z. B. interessant für: • kombinierte Zugangs- und Ventilationsschächte für Metrosysteme, • als Start- und Zielschächte für große Tunnelvortriebsmaschinen • als Parkschächte für neuartige unterirdische Parksysteme. • Als weiterer Ausblick sei zudem die Anwendung zur Erstellung von Offshore-Fundamenten in nicht rammfähigen Böden (z. B. für die Fundamentierung von Windturbinen und Brückenpfeilern) genannt.
Abb. 11b: Einsatzmöglichkeit für die Bohreinrichtung Herrenknecht VSM im Offshore Bereich (z. B. Gründung von Windrädern in nicht rammbaren Böden)
2.3 Aufsatzbohranlagen Die wesentlichen Baugruppen solcher Anlagen sind: Bohraufsatz – Drehtisch – Bohrbühne – Antrieb sowie Pumpen, Schläuche und Rohrleitungen zur Ableitung des Bohrgutes (entfällt teilweise bei Bohrungen auf dem Wasser)
Q
990
2 Schachtbohrungen
Abb. Q-12: Einsatzbeispiel für eine Wirth-Aufsatzbohranlagen im Offshorebereich Tafel 1-Q: Pfahlbohranlagen für das Lufthebebohrverfahren System Wirth Gerätetyp
PBA-408
Hydraulik-Aggregat Motorleistung 150 Mast Gestängelänge 3000/6000 Bohr-0 1200 Hydraulische Vorschubeinrichtung Hublänge 3500 Hubkraft 600 Andruck 400 Kraftdrehkopf Drehmoment 80 Drehzahl 44
Q
PBA612
PBA818
PBA 821
PBA 1033 PBA 1038
150
224
224
2 x 224
2 x 224
kW
3000 1900
3000 2400
3000 2900
3000 3500
3000 4000
mm mm
3500 650 550
3500 1000 800
3500 1100 800
3600 2400 1200
3600 2400 1200
mm mm kN
120 60
180 64
210 64
330 25
380 22
kNm min-1
Bauer Flydrill System BFD 1500 – 25000 – 3500 Das FLYDRILL System ist ein neues Konzept zur Herstellung von Pfählen im Drehbohrverfahren. Die Bohreinheit, bestehend aus Drehantrieb, Kellystange und Bohrwerkzeug, hängt am Hauptseil des Trägergerätes. Die Hydraulikversorgung der Bohreinheit erfolgt aus dem Trägergerät. Die Bohreinheit wird während des Bohrvorganges hydraulisch am Bohrrohr festgeklemmt. Zum Entleeren des Bohreimers wird die Klemmzange geöffnet und die gesamte Einheit zur Seite geschwenkt. Da kein Festpunkt erforderlich ist, kann eignet sich die Anlage auch zur Herstellung von Bohrungen auf Bohrplattformen.
Q Bohrungen im Bergbau und Ölfeld
991
Hauptmerkmale FLY DRILL System: • Durch die Aufhängung am Kranseil kann von wechselnden Höhenlagen und Arbeitsradien gearbeitet werden. • Die Hauptkomponenten der Bohreinheit (Drehantrieb, Kellystange, Bohrwerkzeug) wurden aus der bewährten BG Reihe übernommen. • Das Gerät kann ohne Fremdhilfe auf- und abgebaut werden. • Die Bohreinheit kann mit einer Zusatzwinde am Mast fixiert werden. In diesem Zustand können Hilfsarbeiten ohne Abbau der Bohreinheit durchgeführt werden. • Das FLY DRILL System kann mit einem Airliftsystem (Schwerstangen, Vollschnittkopf) kombiniert werden. Dadurch wird die Pfahlherstellung in Mischböden (Fels überlagert von Normalboden) mit einer Geräteeinheit möglich.
Abb. Q-13: Bauer Fly Drill Aufsetzbohranlage – Maße entsprechen dem Typ BFD 1500 Tab. – 2-Q: Kenndaten der Fly Drill BFD 2500
BFD 3500
Drehmoment Hub Vorschubzylinder
(kNm) 147 (mm) 1.000
BFD 1500
245 1.250
392 1.500
Vorschubkraft (Druck/Zug)
(kN)
2 x 70
2 x 70
2 x 120
Klemmkraft Bohrrohrdurchmesser
(kN) (mm)
2 x 230 1.000 – 1.500
3 x 230 1.500 – 2.500
3 x 230 1.800 – 3.500
Außendurchmesser Kelly
(mm)
368
394
470
Gewicht (ohne Kelly und Werkzeug)
(to)
ca. 5
ca. 8
ca. 15
Bohrtiefe (abhängig vom Trägergerät)
(m)
20 – 40
20 – 60
20 – 60
Q
992
2 Schachtbohrungen
Tab. 2-Q: Technischen Daten Fly Drill -Trägergerät Motorleistung Hydraulik
(kW)
150 – 200
180 – 250
250 – 300
l/min (bar)
460 (300) 50 – 200 (250) 35 (300)
500 (300) 50 – 200 (250) 35 (300)
500 (300) 50 – 200 (250) 35 (300)
Winden
(kN)
1 x 150 1 x 150
1 x 300 1 x 150
1 x 300 1 x 150
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Abb. Q-14: Arbeitsphasen beim Gfy-Drill-Verfahren [nach Bauer]
Q Bohrungen im Bergbau und Ölfeld
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Bauer Flydrill System BFD 5500
Abb. Q-15: links Fly Drill BFD 5500 Gesamtansicht – Großbohreimer bei der Entleerung
Die Bohreinheit Fly Drill BFD 5500 wurde speziell für Bohrungen im Offshorebereich entwickelt. Der Drehantrieb KDK 480 ist zusammen mit zwei Hydraulikaggregaten HD 460 auf einem Rahmen montiert. Der Rahmen wird mit einem Klemmsystem während des Bohrens am Bohrrohr festgeklemmt und beim Entleeren des Bohreimers zusammen mit der Kellystange, den Aggregaten und dem Bohreimer mit einem Kran von der Bohrstelle geschwenkt. Tab. 3-Q: Technische Daten der BFD 5500 Installierte Leistung Drehantrieb Vorschub Bohrtiefe Gesamtgewicht
zwei Hydraulikaggregate H 460 KDK 480 Drehmoment Kellystange Schub Bohreinheit + Bohreimer + Boden
2 ൈ 260 kW 480 kNm 80 to 65 m 80 to
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2 Schachtbohrungen
Bauer Aufsatzanlagen für das Spülbohrverfahren
Q Abb. Q-15:
Aufsatzbohranlagen System Bauer für die Anwendung bei Gründungsarbeiten im Offshorebereich
Q Bohrungen im Bergbau und Ölfeld
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Abb. Q-16: Einsatzbeispiele für Aufsatzbohranlagen System Bauer bei Bohrarbeiten im Offshore- und Küstenbereich
3 Bohrungen im Salzbergbau 3.1 Allgemeines In NRW im Raum Gronau – Epe – Ahaus – Vreden betreibt die Salzgewinnungsgesellschaft Westfalen (SGW), ein Gemeinschaftsunternehmen der Unternehmen Solvay, Vestolit und Bayer, Salzbergwerke mittels Solegewinnung. Hierzu werden zahlreiche Bohrungen bis zu einer Teufe von z. Zt. 1400 m niedergebracht.
3.2 Bohrverfahren Die Tiefbohrungen werden im Spülbohrverfahren (Rotarybohrverfahren) niedergebracht und erreichen in die 1000 bis 1500 m tief liegende Salzlagerstätte. In das Bohrloch werden zwei ineinander liegende unterschiedlich lange Spülrohre gehängt. In der ersten Phase der Aussolung wird durch das tiefer hängende Rohr Wasser eingeleitet, das das Salz löst. Die Sole wird über das äußere Rohr an die Oberfläche gedrängt. Später wird der Spülkreislauf umgekehrt: Wasser gelangt über den Ringraum der Spülrohre in die Kaverne und wird über das tiefer hängende Rohr zu Tage gefördert. Nach Abschluss der Solung werden die Kavernen — aufgrund ihrer natürlichen Dichtigkeit — als Speicher für Erdgas oder Öl verwendet.
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3 Bohrungen im Salzbergbau
3.3 100ste Bohrung für Solvay hergestellt 2 1.517 Meter tief ist das 100ste Bohrloch, das seit der ersten Kavernenbohrung im Jahr 1972 abgeteuft wurde. Das Bohrloch ist eins von insgesamt neun im Gewinnungsfeld Epe, die von September 2008 bis Dezember 2009 entstanden sind. Mit den Bohrungen werden Salzlagerstätten der niederrheinischen Salzpfanne erschlossen, die im Bereich Gronau-Epe in einer Tiefe von 1.000 bis 1.400 Metern liegen und eine Dicke von rund 300 bis 400 Metern haben. Hieraus gewinnt die SGW durch Aussolung — also der Spülung mit Wasser — Sole, die per Rohrleitung hauptsächlich in die Solvay-Werke nach Rheinberg und Jemeppe sowie in das Vestolit-Werk nach Marl fließt. Sole ist für Solvay ein wichtiger Grundstoff für die Soda- und BiCAR© Produktion sowie für die Elektrolyse und die VC-, PVC- und Epichlorhydrin-Produktion. Die SGW fördert auf diese Art jährlich über zwei Millionen Tonnen Salz oder 6,5 Millionen Kubikmeter Sole. Die Bohrungen der aktuellen Bohrkampagne, die im Salz einen Durchmesser von ca. 40 Zentimetern haben, gehen sternförmig als abgelenkte Bohrung schräg in den Boden und erschließen jeweils eine neue Kaverne. Dieses Verfahren ist besonders umweltschonend, da an der Oberfläche nur ein flächenmäßig geringer Eingriff in Natur und Landschaft stattfindet. Von einem Bohrplatz können bis zu sieben Bohrungen in die Lagerstätte niedergebracht werden, so dass die gesamte Flächeninanspruchnahme nur noch etwa ein Drittel des ursprünglich erforderlichen Flächenbedarfs umfasst. Unter anderem durch die Anwendung dieser Technik war es möglich, die Bohrgenehmigung am Rande des Natur- und Vogelschutzgebiets „Amtsvenn“ zu erhalten." Die Bohrungen haben unterirdisch einen Abstand von mindestens 300 Metern zueinander und können ein Volumen von bis zu 600.000 Kubikmeter erreichen. Ab Frühsommer 2009 werden dann auch durch das 100ste Bohrloch täglich über 1.000 Kubikmeter gesättigte Sole gefördert. Zusammen mit den Vorkommen aus den acht weiteren Soleerschließungsbohrungen ist damit der Solebedarf für weitere drei Jahre gesichert." Die Abbaurechte der SGW für Salz im Gebiet Gronau-Epe reichen bis in das Jahr 2069 und sichern Solvay langfristig den elementaren Grundstoff Sole.
3.4 Neues Verfahren reduziert Flächenverbrauch
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Erstmals sieben Bohrungen von einem einzigen Bohrplatz erschließt die Salzgewinnungsgesellschaft Westfalen (SGW) Am 7.11. 2009 hat die Erschließungsbohrung für die dritte der sieben Kavernen ihre endgültige Tiefe von 1.537 Metern erreicht. In den 70er Jahren bohrte man zunächst senkrecht in die Erde und benötigte so pro Kaverne einen eigenen Platz. Um Fläche zu sparen, perfektioniert die SGW wir schon seit 15 Jahren das Verfahren zur horizontalen Bohrablenkung. Daher wurden zunächst 2er und 3er Bohrplätze möglich. 2008 konnte man erstmals fünf Kavernen von einem Platz erschließen. Inzwischen werden die sternförmig angelegten Bohrungen unterirdisch bis zu 300 Meter horizontal abgelenkt. Die Anzahl konnte auf Zahl auf sieben erhöht werden. 2
) Gekürzte Pressemitteilungen der SGW / Solvay GmbH von 2/2009 u. 2/2010
Q Bohrungen im Bergbau und Ölfeld
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Ermöglicht wird dies durch den Einsatz der so genannten Richtbohrtechnik, die im Gegensatz zum konventionellen Bohrverfahren mit einem Untertagemotor im Bohrstrang und einem Kompass arbeitet. Richtung sowie Neigung der Bohrung sind somit jederzeit abrufbar und können mit dem Untertagemotor bei Bedarf korrigiert werden. Das Verfahren ist zwar teurer, hat aber entscheidende Vorteile für die Natur: Nicht nur für die Bohrplätze wird deutlich weniger Fläche benötigt, auch die Zahl der Rohrleitungen für Frischwasser und Sole lässt sich erheblich verringern. Lage: Außerhalb des Naturschutzgebietes im Alstätter Brook Der innovative Bohrplatz liegt im Alstätter Brook und ist der zweite auf Ahauser Gebiet. Mit vorbereitenden Arbeiten war im Winter 2008/2009 begonnen worden. Während der Brutzeit vom 1. März bis zum 15. Juli wurde die Bautätigkeit unterbrochen, um unnötige Störungen brütender Vögel zu vermeiden. Wie alle zukünftigen Bohrungen liegt der Platz außerhalb des Naturschutzgebietes. Am 07.11.2009 wurde die Erschließung der dritten der insgesamt sieben Kavernen abgeschlossen. Der der Bohrturm ist inzwischen abgebaut und abtransportiert. Die Bohrungen für die übrigen vier Kavernen sollen im Jahre 2011 nach der Brutzeit beginnen. Die vorgefundene Salzschicht hat eine Mächtigkeit von bis zu 400 Metern. In den kommenden 10 Jahren sollen die Kavernen täglich jeweils 1.000 Kubikmeter Sole liefern. Ausgleichsmaßnahmen zum Schutz des Moores Wie bei allen Bohrungen realisiert die SGVV auch bei dieser sogenannte Ausgleichsmaßnahmen zum Naturschutz. In Gesprächen mit den zuständigen Umweltbehörden sowie mit der Biologischen Station hat sich ergeben, dass das Torfmoor im Amtsvenn durch gülle- und düngerhaltiges Grundwasser beeinträchtigt wird. Um das Moor vor dieser schädlichen Überdüngung zu schützen, schafft die SGW gemeinsam mit den Gasversorgern nach und nach einen Schutzgürtel aus extensiv bewirtschafteten Flächen.
4 Rohstoffsituation und Vorräte in Deutschland Die Entwicklung der Rohstoffpreise, insbesondere bei Erzen, hat zu neuen Überlegungen geführt, den Erzabbau wieder aufleben zu lassen. Im den traditionsreichen Bergbaugebieten Sachsen (Erzgebirge), Siegerland und Westerwald haben verantwortliche Stellen in der Tiefpreisphase den gesamten Erzbergbau trotz noch großer Vorräte, einstellen lassen. Trotz der Fülle der während der DDR gewonnenen Daten, hat sich herausgestellt, dass unter heutigen Randbedingungen durch die abbauwilligen Unternehmen in vielen Fällen eine wirtschaftliche Neubewertung von Lagerstätten erforderlich ist, bevor der Aufschluss durch ein Bergwerk sinnvoll ist. Die Einstellung der Bergbautätigkeit hatte aus damaliger Sicht folgende Gründe: 1. Der Erzgehalt war verglichen mit den Werten norwegischer und schwedischer Erze sehr gering. 2. Der geringe Weltmarktpreis.
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4 Rohstoffsituation und Vorräte in Deutschland
3. Die Kosten für die Aus- und Vorrichtung (Abteufung der Förder- und Wetterschächte, Auffahren des Streckensystems). 4. Nicht zeitgemäße Abbausysteme und -maschinen. Die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme der Bergbautätigkeit (z. B. Pkt. 3 und 4) haben sich inzwischen erheblich geändert. Die Schacht- und Streckenvortriebstechnik der Herrenknecht AG könnte dazu wesentlich beitragen. Während die zahlreich vorliegenden geologischen Primärdaten überwiegend als verlässlich bezeichnet werden können, fallen die Interpretationen nach Meinung der Experten teilweise zu optimistisch aus. Eine Reihe von Lagerstätten muss aber auch nach heutigen Maßstäben nacherkundet werden. Inzwischen wurden vom sächsischen Oberbergamt bereits zahlreiche Bergbauberechtigungen erteilt. Die bisher neu erteilten Zulassungen ergingen auf etwa 10 Felder mit Vorräten von ca. 3,8 bis 4,0 Mio. Tonnen unterschiedlicher Mineralien. Dabei handelt es sich um Vorkommen von: Eisen, Wolfram, Beryllium, Flussspat, Indium, Kadmium, Kupfer, Zink, Zinn, Arsen, Blei, Gold, Kobalt, Molybdän, Nickel, Palladium, Platin, Quecksilber, Rhenium, Schwefel, Selen, Silber, Vanadium, Wismut, Zink, Rubidium, Caesium, Lithium, Schwerspat, Silber, Rubidium, Fluorit, Baryt u. a. Die Bergbauberechtigungen wurden teilweise von konkurrierenden Bewerbern beantragt. Dies machte Vorrangentscheidungen des dafür zuständigen Oberbergamts erforderlich. Nach deutschem Bergrecht werden die Vorrangentscheidungen nicht nach dem Datum des Antrags, sondern nach der Qualität des Arbeitsprogramms getroffen. Dazu gehört insbesondere ein hoher Grad von Ausnutzung der Lagerstätten. Das besondere Interesse der Wirtschaft liegt bei den Vorkommen von Kupfer, Wolfram, Zinn und Flussspat. Es fällt auf, dass ein hoher Anteil der Bergbauberechtigungen von international operierenden ausländischen Unternehmen beantragt wurde. Hintergrund ist, dass die früheren klassischen deutschen Metallerzproduzenten ihre Unternehmensfelder vollständig verändert haben. Auch wenn nicht alle der erteilten Bergbauberechtigungen zwangsläufig zu einem betriebenen Bergwerk führen werden, so kann aus heutiger Sicht doch davon ausgegangen werden, dass es auf den besonders ergiebigen Lagerstätten zur Förderung kommen wird und evtl. mehrere tausend Arbeitsplätze geschaffen werden können. Hinzu kommt eine weitere Verstärkung der Bohrtätigkeit.
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Teil IV R Geothermiebohrungen S Horizontalbohrungen
R Geothermiebohrungen 1 Die Geothermie 1.1 Allgemeines Geothermische Energie oder »Erdwärme« ist die in Form von Wärme gespeicherte Energie unterhalb der Oberfläche der festen Erde. Die oberflächennahe Geothermie umfasst die Erschließung von Erdwärme in Tiefen von 1 bis ca. 400 m. Die Erdwärme der oberen Bodenschichten bis etwa 100 m Tiefe ist zum einen gespeicherte Sonnenenergie, zum anderen Energie aus dem Erdinneren. So ist der Temperaturverlauf bis rund 10 m unter Geländeoberkante durch die jahreszeitlichen Temperaturunterschiede geprägt. Ab ca. 15 m Tiefe ist er über das Jahr hinweg nahezu konstant und nimmt aufgrund des aufwärtsgerichteten Wärmestroms aus dem Erdinneren kontinuierlich um rund 3 °C pro 100 m Tiefe zu. Da der Temperaturbereich mit durchschnittlich 8 -12 °C zum direkten Heizen zu gering ist, wird er mittels erdgekoppelter Wärmepumpe auf das benötigte Niveau, in der Regel 35 - 55 °C, angehoben. Hierfür wird das aufgrund des großen Speichervolumens und der ganzjährig gleichmäßigen Untergrundtemperatur immense Erdwärmepotenzial über Erdwärmekollektor, Erdwärmesonde, Grundwasserbrunnen oder erdberührte Betonbauteile erschlossen. Bis zu 80 % der so gewonnenen Heizenergie stammen aus dem Untergrund- emissionsfrei und klimaneutral.
Abb. R-1: Grafik: Schätzung des Temperaturverlaufs im Untergrund nach S. Cattin als Beispiel: Schweizer Mittelland. [Grafik, CREGE]
Erdwärme ist eine nahezu unerschöpfliche Energiequelle. Aufgrund dieser Tatsache hat die Geothermie in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen und ist zu einem Hoffnungsträger für die Energieversorgung avanciert. Der Stellenwert der Geothermie in energiepolitischen Zukunftsszenarien nimmt deutlich zu. Innovative Techniken nutzen jedoch den Untergrund nicht nur zum Heizen, sondern auch als Kältequelle und zum Speichern thermischer Energie (solarthermische Energie, Prozesswärme, saisonale Wärme- oder Kälteenergie). Speziell bei der Raumkühlung kann häufig auf den Einsatz von Kältemaschinen verzichtet werden, weshalb derartige Anlagen hinsichtlich Stromverbrauch, Betriebssicherheit und Ökobilanz konventionellen Klimaanlagen überlegen sind. H. -O. Buja, Handbuch der Tief-, Flach-, Geothermie- und Horizontalbohrtechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-9943-9_18, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
R Geothermiebohrungen
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Die Auswahl der Wärmequelle (Erdreich, Grundwasser) und der technischen Variante zur Erschließung (Erdwärmekollektor, Erdwärmesonde, Grundwasserbrunnen) richtet sich nach den örtlichen Untergrundverhältnissen und der hydrogeologischen Situation sowie dem oberirdischen Platzangebot. Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit ist auf ein möglichst hohes Temperaturniveau, eine ausreichende Regenerationsfähigkeit und eine ganzjährige Verfügbarkeit der Wärmequelle zu achten. Die Erschließung der Wärmequelle sollte kostengünstig möglich sein und im Betrieb einen geringen Wartungsaufwand verursachen.
2 Geothermiequellen 2.1 Allgemeines Zu unterscheiden sind: • die Oberflächennahen Geothermie • die Tiefengeothermie • die Saisonalen Wärmespeicher Weitere Unterscheidungen sind: • die Niedertemperatur-Geothermie • die Mitteltemperatur-Geothermie • die Hochtemperatur-Geothermie
2.2 Niedertemperatur-Geothermiequellen Die Niedertemperatur-Geothermiequellen gehören z. Zt. zu den am meisten genutzten Quellen, die verschieden genutzt werden können: Erdwärmesonden, Erdwärme-Sondenfelder, Energie aus dem Grundwasser, Energiepfähle und Geostrukturen, Tunnelwärme, usw.
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Abb. R-2: Grafik der verschiedenen Geothermiequellen im Niedertemperaturbereich mit Temperatur- und Tiefenangaben – [Quelle: SVG]
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2 Geothermiequellen
2.3 Mitteltemperatur-Geothermiequellen Der heterogene Aufbau von sedimentären Gesteinen begünstigt die Zirkulation von Wasser im Untergrund. In einer Tiefe von 300 bis 2000 m kann deshalb die Nutzung der verfügbaren, geothermischen Wärme durch ein Dubletten-System interessant sein. Auch Thermalwässer aus tief liegenden, Grundwasser führenden Gesteinsschichten sind Energielieferanten. In Thermalbädern – der ältesten Form geothermischer Nutzung – wird der Effekt der Erdwärme besonders offensichtlich. Während früher das warme Wasser einzig zum Baden diente, kommt heute einer effizienten Ausnutzung der vorhandenen Wärmemenge ebenfalls Bedeutung zu. Sogar die Energielieferung in Nahwärmenetze wird thematisiert und realisiert. Zu dieser Entwicklung hat die Erhöhung sowohl der Wasserschüttung wie auch die der Temperatur mit Hilfe von zusätzlichen Tiefbohrungen beigetragen. Die Gewinnung der Erdwärme aus den zahlreichen stillgelegten Bergwerken z. B. im Ruhrgebiet mit Tiefen bis ca. 1500 m wurde bisher kaum genutzt. Die Anlagen wurden z. T. verfüllt ohne Verkehrungen zur Nutzung der großen Reserven an geothermischer Wärme zu treffen. So konnte in der Schweiz die Wärme aus dem Berginnern, wo mehr als 700 Eisenbahn- und Straßentunnel vorhanden sind, nutzbar gemacht werden. Da Tunnel stets eine Entwässerung des durchbohrten Gebirges bewirken, lässt sich das zufließende Kluftwasser sammeln und an den Tunnelportalen zur Wärmegewinnung nutzen. Mit zunehmender Gebirgsüberdeckung eines Tunnels steigt in der Regel auch die zur Verfügung stehende Wassertemperatur.
2.4 Hochtemperatur-Geothermiequellen
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Beträgt die Temperatur der geothermischen Wärmequelle über 110°C, so ist eine Umwandlung der Wärme in Strom rentabel. Das geothermische Fluid steigt im Bohrloch unter hohem Druck und hoher Temperatur auf, weshalb es aus einem Wasser-Dampf-Gemisch besteht. Der Energieinhalt des unter Druck stehenden Dampfes wird mittels Turbine und Generator in Strom umgewandelt, welcher dann in ein existierendes Verteilernetz eingespeist wird. Am Ausgang der Turbine, also nach der Umwandlung der geothermischen Energie in Strom, ist die Temperatur des Fluids immer noch hoch. Dies erlaubt anschließend eine direkte Wärmenutzung, beispielsweise zur Gebäudeheizung. Bis heute konzentrierte sich die geothermische Nutzung in der Schweiz ausschließlich auf Wärme- und Kälteerzeugung. Einen großen Schritt in Richtung Stromerzeugung bietet das «Enhanced Geothermal System (EGS) / Stimulierte Geothermische System (SGS)», also das künstliche Erzeugen eines tief im Kristallingestein liegenden Wärmetauschers. Mit dieser in Entwicklung stehenden Technik soll es möglich werden, Bandenergie, also jederzeit verfügbare Energie, zu erzeugen – ein bei erneuerbaren Energien selten anzutreffender Vorteil. Das in Bohrungen injizierte Wasser wird im künstlich geklüfteten Kristallingestein in rund 5 km Tiefe auf 200 °C erhitzt. Zurück an der Oberfläche dient die geförderte Energie zum Betreiben einer Dampfturbine mit gekoppeltem Generator. Hydrothermale Anlagen nutzen in anderen Ländern Aquifere in Tiefen von 1.500 – 2.000 Metern und erreichen damit Temperaturen von 60 – 350 °C.
R Geothermiebohrungen
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Abb. R-3: Geothermie-Kraftwerk Nesjavellir auf Island [Quelle: SVG]
3 Gewinnungsarten Die Gewinnung erfolgt in der Regel aus dem erdnahen Bereich und wird zur Zt. am meisten genutzt. Auch die Kosten befinden sich in einem vertretbaren Bereich. Die erforderlichen Genehmigungsverfahren sind außerdem nicht so aufwendig. Die verschiedenen Systeme kann man zusammenfassen in: • Erdwärmesonden (EWS) • Erdwärmesondenfelder • Erdwärmegewinnung durch Geostrukturen (Energiepfähle, Energiekörbe) • Erdwärmekollektoren • Erdwärme aus dem Grundwasser • Erdwärmegewinnung aus Tunneln und Bergbauanlagen • Saisonale Wärmespeicher Welches System zum Einsatz kommt hängt von vielen Faktoren ab und zwar u. a. • vom Grundwasserstand • von der Erforderlichen Energiemenge (Wärme bzw. Kälte) • vom Platzbedarf (z. B. bei Erdwärmekollektoren)
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3 Gewinnungsarten
• von den zu erwartenden Kosten – so können bei Pfahlgründungen (Bohrpfähle, Rammpfähle) Geostrukturen kostengünstig sein.
3.1 Erdwärmesonden 3.1.1 Allgemeine Erdwärmesonden (vertikal verlegte Wärmetauscher), werden am häufigsten eingesetzt, um Wärmepumpen mit der nötigen Erdwärme zu versorgen. In den U-Rohren zirkuliert eine Wärmeträgerflüssigkeit. Für kombiniertes Heizen und Kühlen werden maximal 150 Meter tiefe Sonden verwendet, ausschließlich für Heizzwecke bis zu 400 Meter. Schon lange werden Wärmepumpen als eine hervorragende Möglichkeit gesehen Primärenergie einzusparen und so den CO2 Ausstoß und den Treibhauseffekt zu vermindern. Nach den beiden Ölpreiskrisen der 70er und 80er Jahre erlebten Wärmepumpenheizungen eine kurze Blütezeit, die sehr schnell zu Ende war. Die Preise für die fossilen Energieträger entwickelten sich nicht so nach oben, wie dies in der Krisenzeit prognostiziert wurde. Neben dem Rückgang der Öl und Gaspreise zeigte sich aber ebenfalls, das; der Rückgang der Wärmepumpen auch hausgemachte Ursachen hatte. Neben der Vielzahl von Wärmepumpenherstellern, die teilweise mit wenig ausgereifter Technik auf den Mark drängten, war auch die nach deutschen Handwerksrecht geforderte strikte Trennung von Gewerken ein Grund dafür, dass der Wärmepumpen-Euphorie die Ernüchterung de Praxis folgte. Der Kunde musste sich nämlich bei der Errichtung, Wartung und Reparatur solcher Anlagen gleich mit mehreren Handwerkern wie Heizungsbauern, Elektrikern, Kältetechnikern und bei Luft/Wasser-Wärmepumpen zusätzlich mit Lüftungstechnikern auseinander setzen, was für ihn nicht nur lästig, sondern auch kostspielig war. So brauchte man sich nicht zu wundern, dass Wärmepumpen sehr schnell in Misskredit gerieten. Dies hat sich heute grundlegend geändert. Wärmepumpen nutzen Umweltwärme aus Luft, Wasser und Erde und benötigen dafür nur die Antriebsenergie. Außenluft und oberflächennahe Wärmequellen haben aber meist den Nachteil, dass sie genau dann, wenn der höchste Wärmebedarf erforderlich wird, die niedrigsten Temperaturen aufweisen. Die Wärmepumpe muss dann hohe Drücke für die Überwindung der hohen Temperaturdifferenz aufbringen, wodurch sich die Leistungsziffer verschlechtert, obwohl die Jahresarbeitszahl immer noch relativ gute Werte bringt. Eine Wärmequelle, die von den Temperaturen auf der Erdoberfläche unabhängig ist, bietet die Erde. Ab ca. 15 m Tiefe bleibt die Temperatur im Sommer und im Winter immer bei etwa 10 °C konstant und steigt sogar mit 3 °C pro -100 m kontinuierlich an.
3.1.2 Systembeschreibungen
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Die Erdwärmesonde (EWS), ist ein unterirdischer Wärmetauscher. Einzel-Erdwärme-Sondenanlagen. Sie stellen zurzeit die gängigste Nutzungsart untiefer Geothermie dar. Eine Wärmesonde ermöglicht die Nutzung von Erdwärme in geringen Tiefen von etwa 50 bis 400 m. Einmal in eine Bohrung eingebracht, bildet die EWS einen geschlossenen Kreislauf und bildet den Wärmetauscher mit dem Untergrund. Sie ermöglicht die Entnahme erneuerbarer Energie aus dem Boden, der sich zunächst leicht abkühlt und sich nach einigen Jahren auf ein relativ
R Geothermiebohrungen
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konstantes Gleichgewicht einstellt. Die Die Wärmeträgerflüssigkeit, bestehend aus Wasser und Frostschutzmittel, transportiert die Energie, indem die Sie durch U-Rohre zirkuliert. Die Länge einer EWS ist von den Bodeneigenschaften sowie von der erforderlichen Heizleistung abhängig. Einmal in eine Bohrung eingebracht, bildet die EWS einen geschlossenen Kreislauf und bildet den Wärmetauscher mit dem Untergrund. Sie ermöglicht die Entnahme erneuerbarer Energie aus dem Boden, der sich zunächst leicht abkühlt und sich nach einigen Jahren auf ein relativ konstantes Gleichgewicht einstellt.
Abb. R-4: Schematische Darstellung einer Erdwärmesondenanlage [Quelle: SVG]
Für ein neues Einfamilienhaus beträgt die typische Tiefe einer EWS 120 bis 150 m. Die Temperatur in dieser Tiefe ist während des ganzen Jahres konstant und liegt in der Größenordnung von 12 bis 15° C. Die Nutzbarkeit der Energie aus dem Untergrund wird mittels einer Wärmepumpe (WP) erhöht, indem das Temperaturniveau soweit angehoben wird, dass damit der Wohnraum beheizt werden kann und eventuell zusätzlich der Warmwasserbedarf gedeckt werden kann. Diese Technologie ist sehr verbreitet und lässt sich sowohl bei neuen Einfamilienhäusern als auch bei renovierten Gebäuden anwenden.
3.1.3 Funktion einer erdgekoppelten Wärmepumpe Im ersten Kreislauf zirkuliert ein Arbeitsmittel (z. B. Wasser) durch die als Wärmetauscher fungierenden Erdwärmesonden und den Verdampfer der Wärmepumpe. Das Wasser entzieht dem Untergrund thermische Energie und erwärmt sich dadurch auf etwa 8 bis 10°C.
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3 Gewinnungsarten
Abb. R-5: Beispiel einer Wärmepumpe [Quelle: SVG]
Über den Verdampfer gibt das Wasser Energie an ein in der Wärmepumpe zirkulierendes Arbeitsmittel mit einem niedrigen Siedepunkt ab. Dadurch wird das Arbeitsmittel erwärmt und in einen gasförmigen Zustand überführt (verdampft). Das warme Gas wird im zweiten Kreislauf mit einem Kompressor verdichtet und erhitzt sich dadurch. Das heiße Gas (40 bis 70°C) gibt Wärme über einen Wärmetauscher an den dritten Kreislauf (Heizung) ab und kühlt sich dadurch ab. Durch die Abkühlung und Entspannung (Drossel) wird das Arbeitsmittel wieder verflüssigt und kann erneut Wärme aus dem ersten Kreislauf aufnehmen. Eine EWS benötigt nur sehr wenig Platz an der Erdoberfläche - im Gegensatz zu horizontalen Erdregister (z. B. Erdwärmekollektoren) - und bietet höchste Leistung und Effizienz.
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Abb. R-6: Funktionsweise eine erdgekoppelten Wärmepumpe (Quelle: Bundesverband Wärmepumpe, Schema nach Sommer)
R Geothermiebohrungen
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Beispielsweise beträgt die potenzielle thermische Leistung bei einer jährlichen Betriebsdauer von 2400 Stunden in einem durchschnittlich kompakten Gestein oder einem wassergesättigten Sediment etwa 40 bis 60 W pro Meter, für horizontale Erdregister liegt sie hingegen bei nur 16 bis 24 W pro Quadratmeter Oberfläche. Wenn die Bodenbeschaffenheit nur wenig bekannt ist, sollte ein Geologen oder Hydrogeologen mit einbezogen werden. Zusammen mit dem Heizungsinstallateur wird er die nötige Tiefe der Erdwärmesonde in Abhängigkeit des Wärmebedarfs festlegt. Die Dimensionierung einer Erdwärmesonden-Wärmepumpenanlage ist von besonderer Bedeutung bei einem Erdwärmesondenprojekt und sollte vor der Beantragung der Bohrbewilligung durchgeführt werden.
3.1.4
Erdwärmesonden-Felder
Seit etwa einem Jahrzehnt werden Erdwärmesondenfelder für die Wärmeversorgung realisiert, die teilweise auch für die Kühlung während des Sommers eingesetzt werden. Diese Erdwärmesondenfelder bestehen aus einer Serie von Bohrungen, die im Allgemeinen mit zwei U-Rohren aus Polyethylen für den Wärmeaustausch mit dem Boden ausgerüstet sind. Die Bohrungen sind mit einem Gemisch aus Zement und Bentonit hinterfüllt, um einen guten thermischen Kontakt zwischen den U-Rohren und der Bohrlochwand sicherzustellen. Die benötigte Anzahl an Bohrungen (4 bis 80) sowie deren Tiefe (60 bis 300 m) hängt vom Wärmebedarf und den lokalen geologischen Verhältnissen ab.
R Abb. R-7: Schematische Darstellung einer Anlage mittels Erdwärmesonden-Sondenfelder [SVG]
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3 Gewinnungsarten
Die EWS werden so nahe wie möglich beim zu beheizenden Gebäude erstellt. Die Leitungen der einzelnen EWS werden zusammengeschlossen und versorgen so eine oder mehrere Wärmepumpen. Zum Beheizen mit niedriger Temperatur sowie zum Kühlen wird eine Wärmeträgerflüssigkeit in den Böden oder auch Decken des Gebäudes zirkuliert. Die Arbeitsweise beruht auf einem Jahreszyklus: während des Winters wird dem Boden die Wärme entzogen (Abkühlung des Bodens). Im Sommer, falls gekühlt wird, wird dem Boden die gespeicherte Kälte wieder entzogen (Erwärmung des Bodens). Die Gebäudekühlung mit dem sog. „free-cooling“ ist energetisch gesehen besonders vorteilhaft, da diese ausschließlich über die EWS und ohne Kältemaschine läuft. Da EWS-Felder komplexer und kostenintensiver sind als eine Einzel-EWS für ein Einfamilienhaus, ist es wichtig, im Voraus anhand des benötigten Wärme- und Kältebedarfs die Gesamtanlage richtig zu dimensionieren. Ist die Anlage einmal in Betrieb, so erlaubt eine messtechnische Leistungsüberwachung während zwei Jahren die Betriebsparameter optimal einzustellen. Die benötigten Planungsgrundlagen werden durch Computersimulationen erstellt.
3.2 Bohr- und Einbautechnik für Erdwärmesonden 3.2.1 Allgemeines Für die Erdwärmenutzung werden Bohrungen zwischen 30 m und 300 m Teufe ausgeführt. Bei der Dimensionierung und Auslegung der Bohrung muss auf eine dauerhafte Funktionssicherheit der Sonde besonders geachtet werden. Die Wärmeleitfähigkeit im Erdboden ist unterschiedlich: So gibt es stark fließwasserhaltige Untergründe, bei denen es möglich ist, mit einer Wärmeentzugsleistung von 80 Watt/m und mehr zu operieren. In vielen Gegenden zeigt die Geologie andere Bodenformationen, wie zerklüfteten Sandstein, Mergel, Sand oder Hohlräume, die solche günstigen Annahmen nicht zulassen, so dass bei Planungen in der Regel 50 bis 60 Watt/m Teufe angesetzt werden. Eine lange Sonden-Lebensdauer ist nur gewährleistet, wenn die Soletemperatur nicht unter die Vereisungsgrenze abgesenkt wird. Durch eine höhere Soletemperatur mit geringeren Differenzen zwischen Wärmepumpen-Einund Austritt wird die beste Leistungsziffer der Pumpe erreicht. Die Bohrarbeiten sollten nur von Betrieben vorgenommen werden, die das »Gütesiegel für Erdwärmesonden-Bohrunternehmen« (BWP) besitzen oder zumindest eine gültige Zertifizierung nach DVGW Arbeitsblatt W 120 in den Gruppen G1 und/ oder G2 nachweisen können
3.3.2 Bohrverfahren
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Je nach Bohrausstattung sowie geologischen Verhältnissen finden folgende Bohrtechniken ihre Anwendung: • Trockenbohrverfahren mit Bohrschnecken • Hohlbohrschnecken-Verfahren • direktes oder indirektes Spülbohrverfahren • Imlochhammer-Bohrverfahren mit bzw. ohne Doppelbohrkopf • Lufthebeverfahren
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Die Technik der Schneckenbohrung - insbesondere mit einer Hohlbohrschnecke – bei Bohrungen bis ca. 30 m Teufe, ist eine schnelle Methode; die Teufen sind aber sehr begrenzt. Allerdings wird häufig die Hohlbohrschnecke mit 165/280 mm zum Einsatz als Standrohr, d. h., zum Einbinden und Absetzen der Rohrgarnitur auf Felsniveau verwendet. Ebenso werden Standrohre (z. B. Ø ‘68 bzw. 219 mm) mit hydraulischen Verrohrungsmaschinen niedergebracht. Danach kommt überwiegend das so genannte Imlochhammer-Bohrverfahren mit direkter Luftspülung (Festgestein) oder Direktspülverfahren mit Wasser oder Bentonitspülung ( Sedimente ) zur Anwendung. Der Bohrlochdurchmesser beträgt mindestens 152 mm. Die oberen Gesteinsschichten (Lockergestein) werden durch eine Hilfsverrohrung vor dem zusammenbrechen geschützt Die Anzahl der Bohrungen sind vorn Energiebedarf und den geologischen Bedingungen am Standort abhängig. Die Bohrtiefen liegen im Allgemeinen bei ca. 100 m. In einigen Gebieten Deutschlands sind durch Auflagen der Wasserbehörden auch geringere Bohrtiefen vorgegeben (Wasserrecht). Durch das Niederbringen der Bohrungen besteht die Möglichkeit, dass sich verschiedene Grundwasserstockwerke vermischen und ein stockwerksübergreifender Grundwasseraustausch ermöglicht wird. Dies kann zu qualitativen und quantitativen Veränderungen der Grundwasser-Horizonte führen. Das Lufthebeverfahren kommt nur selten zur Anwendung. Durch spezielle Verpressverfahren mit der entsprechenden Technik, wird eine saubere und sorgfältige Trennung der Grundwasser führenden Schichten sowie die Hinterfüllung der Erdwärmesonden garantiert. Das direkte Spülbohrverfahren (Rotarybohren) wird vornehmlich in der Tiefengeothermie angewendetWeitere Beschreibungen zu den Bohrverfahren siehe Kap. II-F - Drehbohrverfahren und Kap. P - Baugrunderkundungsbohrungen.
3.3.3 Einbau der Sondenrohre Am besten wird das Sondenbündel mit Hilfe eines kompletten Verpressrohre aus Stahl Gewinde-Rohren in das Bohrloch geführt. Hierzu haben auch die Zentrierungen ausreichend große Löcher, die später ein Herausziehen der Verpressrohre gestatten. Einige Hersteller lassen die Verpressgestänge in der Bohrung, da ein Ausbau und die Reinigung des Verpressgestänges mehr Arbeit machen, als jedes Mal neue Stahlgewinderohre zu verwenden. Wird es abschließend mit Wasser frei gespült, könnten später sogar Sonden zur Kontrolle des Ringraumes oder der Temperatur eingefahren werden – langfristig vielleicht die sicherste Langzeitkontrolle von Erdwärmesonden. In der Regel werden die Sonden für den Einbau mit Wasser gefüllt. Dies ist notwendig, weil sie sonst im Wasser bzw. der Spülung des Bohrloches aufschwimmen würden.
3.3.4 Verpressung der Sondenbohrung Das Bohrloch bzw. der Bohrlochringraum wird vollständig mit einer Suspension von unten nach oben verpresst, um einen Zutritt von Oberflächenwasser in das Grundwasser sowie ggf. eine Verbindung unterschiedlicher wasserführenden Horizonte zu verhindern. Die Verpressung der Sonden erfolgt mit einer schadstofffreien, nicht wassergefährdenden Suspension (meist Bentonit-Zement-Sand-Wasser-Suspension). Der Hersteller muss die Unbe-
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3 Gewinnungsarten
denklichkeit bescheinigen können. Es dürfen nur Hochofenzemente (CEM III B-Zemente) zum Einsatz kommen Die Suspension wird im so genannten Contractor-Verfahren von unten nach oben über einen zusätzlichen Verpressschlauch eingebracht. Der Verpressvorgang wird dabei so lange durchgeführt bis das die Suspension nach oben hin austritt. Die Suspension muss nach der Erhärtung dich und beständig sein. Die Wiederherstellung der Dichtwirkung von Grundwasserstauern sowie die thermisch optimale Anbindung der Erdwärmesonde an das umgebende Gestein müssen gewährleistet sein. Die Verfüllung muss lückenlos sein. Durch eine dauerhafte und setzungsfreie Bohrlochverfüllung müssen evtl. späterer Setzungen vermieden werden. Ein Schutz des Grundwassers vor auslaufenden Wärmeträgerflüssigkeiten bei defekten muss gesichert sein.
3.3.5 Bohrdurchmesser und Sondenrohre Die Bohrlochdurchmesser richten sich nach der Nennweite der Vierfach-Polyethylenrohre inklusive Erdsondenkopf (Abb. G-8) und liegen in der Endteufe bei Ø 115 bis 142 mm (41/2" bis 55/8"). Es sind derzeit Sonden der Nennweite NW 25, 32 und 40 mm gebräuchlich. Der notwendige Bohrdurchmesser muss so groß sein, dass die PE-Rohre beim Einbau nicht beschädigt werden. Ferner muss ein gerader Verlauf und Vertikalität gewährleistet sein.
Abb. R-8: Sondenarten rechts) und Erdsondenkopf [V]
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Schwerpunktmäßig wird in Deutschland die Erdsonde NW 32 mm mit zwei Kreissystemen eingebaut. Die Sondenrohre bestehen aus einem PE-Material. Der Sondenfuß besteht aus einem Doppel-U-Endstück, das mit PE-Rohren verbunden wird und somit einen aus zwei URohren bestehenden Wärmeüberträger bildet. Im Kreislauf zwischen Wärmepumpe und Erdsonde zirkuliert die Wärmeträgerflüssigkeit, die beim Durchströmen die Erdwärme aus der Tiefe holt.
R Geothermiebohrungen
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3.3.6 Bohrrohre, Innengestänge und Bohrköpfe Die Bohrrohre u. -gestänge sind außen glatt. Der Durchmesser des Innengestänges beträgt 95 mm mit ein oder zwei Schlüsselflächen, der Durchmesser des Außengestänges liegt je nach Sondengröße bei 146 oder 159 mm (zunehmend auch schon Bohrdurchmesser von 178, 198 u. 218 mm).
Abb. R-9: Innengestänge: rechts – Außengestänge: links [V]
R Abb. R-10: Bohrkronen für Imlochhammer: links oben Rollenmeißel: links unten Flügelmeißel: rechts–oben [V]
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3 Gewinnungsarten
3.3.7 Auswahl der Bohranlage für die Oberflächennahe Geothermie Gerade bei Erdsonden-Bohrungen wird die Vortriebsgeschwindigkeit zu einem entscheidenden Maßstab für ein vernünftiges Meterpreis-Verhältnis, wobei die geologischen Verhältnisse eine untergeordnete Rolle spielt. Geräte der Nordmeyer GmbH Seit einigen 3 Jahren erstellt u. a. die Fa. Nordmeyer auf Kundenwunsch spezifische Bohranlagen für Erdwärmesonden-Bohrungen her.
Abb. R-11: Bohrgerät Nordmeyer Type DSB 2/10 auf Mercedes-Lkw [Nordmeyer]
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Nordmeyer Type DSB 2/10 und ähnliche Anlagen bohren überwiegend mit Imlochhammer und einem großem Beistellkompressor. Bei einem Aufbau auf Lkw erfolgt der Antrieb über den Fahrzeugmotor. In den meisten Fällen ist es unerlässlich, eine Schutzverrohrung mitzuführen – gegen Nachfall und auch speziell bei klüftigen Formationen mit starkem Wasserzulauf. Dieses Verfahren können bislang nur so genannte Doppelkopfmaschinen kostengünstig durchführen. Die vorgenannten Bohranlagen sind jedoch für Anker- bzw. Sprenglochbohrungen konzipiert und haben in der Regel keine Winde bzw. Spülpumpe. Jedoch werden zunehmend Ankerbohrgeräte mit allen erforderlichen Zusatzgeräten (Winden, Spülpumpen und Verpresspumpen als sog. GT (Geothermie) – Version ausgerüstet. Einige Merkmale dieser Anlagen sollen hier erwähnt werden: • Kraftdrehköpfe um 700 bis 1000 Nm mit speziell gelagertem hydraulischem Spannkopf • zwei hydraulische Abfangzangen (1 x Innengestänge, 1 x Futterrohre)- Hub bis 4,8 m • Verpress- bzw. Injektionspumpe • Doppelrotorkopf sowie verstellbare Drehmomentbegrenzung und Druckbegrenzung für Spannkopf und Abfangzangen • Antriebsleistung bei Raupengeräten bis ca. 132 kW (bei Aufbau auf Lkw entsprechend der Fahrzeugleistung) • Gewicht bis ca. 10 t (abhängig von den Zusatzgeräten) Der Doppelrotorkopf ermöglicht bei gleichzeitiger Übertragung des verfügbaren maximalen Drehmoments die Mitnahme eines Doppel-Bohrstranges, bestehend aus einem Innengestänge und dem Außengestänge (Futterrohre) als Schutzverrohrung.
R Geothermiebohrungen
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Ein wesentliches Merkmal ist die bestehende Möglichkeit, dass bei starkem Nachfall bzw. Verstopfen die Innengarnitur mit Hammer und Krone schnellstens in die Schutzverrohrung zurückgezogen werden kann. Es ist also kein starres System und gerade dieses »Spielen mit dem Innenstrang« bei geöffneten Backen der hydraulischen Spannvorrichtung ermöglicht dem erfahrenen Bohrmeister die unterschiedlichsten Gebirgsverhältnisse anzugehen. Der Austrag des Bohrgutes erfolgt kontinuierlich, seitlich über einen Gewebeschlauch und ist damit gezielt in Container einzubringen, d. h., für die Bohrmannschaft herrschen staub- bzw. wassergeschützte Arbeitsbedingungen. Geothermie-Bohranlage System Geotec
Abb. R-12:Bohrgerät Geotec Typ Rotamax XL GT mit Gestängemagazin- u. GestängeLiftsystem – unten: Kenndaten [Geotec] Antrieb Dieselmotor wassergekühlt Trägergerät– Raupe – Gewicht Hydraulikanlage Mastlänge / Vorschub Zugkraft / Druckkraft Doppelkopf-Antrieb-InnengestängeVerrohrung Ladung Gestänge –Container Hochdruck–Kolben– /Kreiselpumpe
Deutz-4-Zyl. – 97 kW Gummi-stahlarmiert Spurweite 2400 mm – G: 7–13 t Tank: 300 l, Betriebsdruck: 250 bat 7360 / 4000 mm 14000 / 7000 daN 2 Gänge – max. 4600 Nm – max. 130 min–1 5 Gänge Ȃ max. 24000 Nm Ȃ max. 60 min–1 Gestänge ] 95 mm: 108 m– Rohre ] 168 mm: 60 m max. 70 lmin–1 – 30 bar / 1800 l min–1 – 14 bar
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Weitere Bohranlagen für oberflächennahe Geothermiebohrungen
Abb. R-13a: Bohrgerät VB 10 von Bohrtec-Vertical mit Gestängemagazin
BOHRTEC-VERTICAL VB 10 Das neu entwickelte Vertikalbohrgerät VB10 ist auf maximale Kompaktheit und vielseitige Einsetzbarkeit ausgelegt. Die Ansprüche an Material- und Verarbeitungsqualität liegen dabei immer auf höchstem Niveau. Bei der Entwicklung wurde darauf geachtet, dass die VB10 über ausreichende Kraftreserven für Einsätze bei Großprojekten in größeren Tiefen verfügt. Gleichzeitig wurden die Abmessungen der Anlage so gering wie möglich gehalten. Somit können Projekte realisiert werden, bei denen konventionelle Bohrgeräte aufgrund ihres Platzbedarfes keine Bohrvorgänge mehr erlauben. Antrieb Hydraulikdruck Doppelkopf-Drehantrieb Klemm-/Brecheinheit Mast Seilwinde Injektorpumpe Abmessungen/Gewicht
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Deutz 4 Zyl. Dieselmotor wassergekühlt – 98 kW 2400 U/min 350 bar Gestänge: max. 3700 Nm -120 U/min Außenverrohrung: max. 24000 Nm – 54 U/min ] 80-254 mm- Brechmoment: 46000 Nm – 3fach-Klemmzange L: 7190 mm, - Zug (Kette): 240 kN – Druck: 50 kN Zug: 15 kN – Seillänge: 50 m – Seil-]: 9 mm Keramik-Kolbenpumpe max. 230 l/min – Druck 50 bar Transportlänge: 7,64 m, Breite: 1,90 m – Gew. 12 t
Die Fa. Bohrtec Vertical GmbH, Schwanau, ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der Herrenknecht AG, die, gestützt auf die Erfahrungen des Tunnelbau-Unternehmens Herrenknecht, auch das Tiefbohrgerät TERRA INVAVER 350 entwickelt hat.
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SATVIA 152 R
Abb. R-13b: Bohranlage der Satvia GmbH für Baugrund- und Geothermiebohrungen (unten: Datentabelle)
Antrieb zul. Kronenlast Doppelkopf-Drehantrieb Rohrdrehanlage Mast-Zug /Vorschub Seilwinde Kolbenpumpe/Kreiselpumpe Abmessungen/Gewicht Sonstige Ausrüstung
Deutz 4 Zyl. Dieselmotor wassergekühlt – 50 kW 70 kN Gestänge: max. 2500 Nm - 180 U/min Außenverrohrung: max.5000 Nm – 90 U/min ] 273 mm L: 6100 mm, - Zug: 35 kN – Druck: 15 kN – Vorschub: 3,30 m Zug: 20 kN 80 l/min – 30 bar / 900 l – 5 bar Transportlänge: 6,53 m, Breite: 1,72 m – Gew. 5,5 t hydraul. Spannkopf, Schlagwerk, Vierpunktabstützung, Gestängeabfangzange, Mastausleger, Aufbau auf Trailer oder Tandemachse möglich
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Klemm Geothermie-Bohrgerät Typ KR 707-1W
Abb.- R-13c: Bohrgerät Klemm Typ KR 707-1W bei der Herstellung von Geothermiebohrungen [Klemm]
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Das Bohrgerät Typ KR 707-1W ist für vertikale Tiefbohrungen zum Einbau von Erdwärmesonden maßgeschneidert. Ein nach neuesten Abgasvorschriften (EURO COM 3 / EPA TIER 3) zertifizierter 4-Zylinder Dieselmotor mit einer Leistung von 95 kW treibt eine leistungsfähige Doppelkopfbohranlage an. Diese besteht aus zwei gegenläufig und unabhängig voneinander drehenden Kraftdrehköpfen für die Außenverrohrung und das Innengestänge. Der 2-fach schwenkbare und höhenverstellbare Steuerarm, der mit allen notwendigen Bohrfunktionen ausgestattet ist, lässt sich optimal an den jeweiligen Aufstellort des Gerätes anpassen. Dies ermöglicht eine freie Sicht auf den Bohransatzpunkt und die 3-fach Klemm- und Brechvorrichtung. Die äußerst kompakte Bauweise, bei gleichzeitig hervorragender Schalldämmung und einer modernen Kraftstoff sparenden Loasd-Sensing Hydraulik setzen neue Maßstäbe für den Betrieb in innerstädtischen Einsatzgebieten. Die Kraftdrehköpfe sind zudem um 400 mm gegeneinander axial verschiebbar. Das geförderte Bohrgut wird über eine serienmäßig angebaute Preventeranlage kontrolliert und sauber in einen Bohrgutcontainer abgeführt Das Bohrgerät ist ausgerüstet mit Lafette Typ 202, Rückzugkraft 100 kN 3fach Klemm- und Brechvorrichtung Typ DW-Doppelkopf-Bohranlage Typ KH 18 / KH 5 mit Preventer ferngesteuerten Ventilen für Luft- und Wasserspülung. Nützliche Hilfseinrichtungen sind u.a. das von KLEMM Bohrtechnik entwickelte Handhabungssystem für Doppelgestänge, Typ HBR 180, eine leistungsfähige Exzenterschneckenpumpe für Spülbohrverfahren und für den Verpressvorgang, eine Seilwinde am Mastkopf bzw. ein patentierter Heberahmen für die Sondenhaspel. Zusätzlich ist das Gerät für den Anschluss einer Injektionsanlage vorbereitet.
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Abb. R-13d: Doppelkopf-Bohranlage System Klemm
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Abb. R-13e: Handhabungssystem für Doppelbohrgestänge
Abb. R-13f: links: Klemm- und Brecheinrichtung System Klemm – rechts: Preventersystem
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Kenndaten der KR 707 -1W Dieselmotor Doppelkopfbohranlage Spülsystem Vorschubkraft Rückzugkraft Rückzug – Vorschub – Geschwindigkeit Raupenfahrwerk Gerätearbeitshöhe Einsatzgewicht Sonstiges
Deutz TCD 2012 L042V4 Zyl. 95 kW – 2300 min–1 KH 18 / KH5 bzw. KH 20 G / KH5
Hydrauliksystem
5 Kreisläufe, 320 bar
mit Preventer
Klemm- u. Brech- 3fachanlage Typ DW 50 kN Länge 6500 mm 100 kN Bohrlafette Vorschub schnell: 4,5 / 9,0 – 4,5 /9,0 m/min /Rückzug 18,8 / 37,6 m/min Länge: 2720 mm Transportbreite 2000 mm 7200 mm Transporthöhe 2600 mm 9,5 t Transportlänge 6500 mm Ferngesteuerte Ventile für Luft- und Wasserspülung Vierpunktabstützung – Seilwinde – Mastausleger – Gestänge-Handlingsystem Exzenterschneckenpumpe
3.4 Erdberührte Bauteile 3.4.1 Allgemeines Als erdberührte Bauteile zur Gewinnung von Erdwärmeenergie gehören: • Energiepfähle • Energiekörbe • Erdwärmekörbe • Erdwärmekollektoren
3.4.2 Energiepfähle
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Das Prinzip des Wärmeaustausches mit bodennahen Erdschichten ist auch für Geostrukturen dasselbe. Hier werden Gründungsteile von Gebäuden und Tiefbauprojekten energetisch genutzt, indem Rohrleitungen für eine Flüssigkeitszirkulation in die Betonstrukturen integriert werden. Diese Rohrleitungen gewährleisten den gewünschten Energieaustausch, was sich sowohl zum Heizen wie auch Kühlen eignet. Je nach Baugrundverhältnissen sind zur Gründung oder Erstellung von Großbauwerken teils tief in den Untergrund reichende Betonstrukturen wie Gründungspfähle, Schlitz- oder Pfahlwände usw. notwendig. Da Beton eine gute Wärmeleitfähigkeit besitzt, eignen sich diese Strukturen hervorragend zur Gewinnung und Speicherung von thermischer Energie in Form von Wärme und Kälte. In Analogie zur Erdwärmesonde werden bereits bei der Herstellung der Betonstrukturen üblicherweise HDPE-Rohre als zukünftige Sole durchflossenes Wärmetauschersystem in die Armierungskörbe eingebunden. So werden z. B. aus Ortbetonpfählen ohne nennenswerten Mehraufwand so genannte »Energiepfähle«. Der wirtschaftliche Vorteil ergibt sich neben dem ökologischen aus der Tatsache, dass die statisch ohnehin erforderlichen Bauteile zur geothermischen Nutzung mit einem nur geringen Aufwand aufgerüstet werden müssen.
R Geothermiebohrungen
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Abb. R-14: Gründungspfähle gleichzeitig genützt als Energiepfähle [SVG]
Grundsätzlich lässt sich jede erdberührte Betonfläche entsprechend einrichten: als Energiepfahl, als Energiebodenplatte oder als Energieschlitzwand. Sommerwärme im Winter – Winterkälte im Sommer Die konsequente Weiterentwicklung dieser Technik ermöglicht heute bereits die ganzjährige vollständige Klimatisierung von z. B. Museen, Fabrik- und Verwaltungsgebäuden oder Kurheimen. Die im Sommer beispielsweise aus der Raumklimatisierung im Überschuss vorhandene Abwärme wird in die Betonbauteile bzw. das umgebende Erdreich abgeleitet und dort gespeichert. Im Winter wird sie zum Heizen wieder verwendet. Moderne Wärmepumpenanlagen arbeiten hierzu lediglich im Umkehrbetrieb oder werden im Sommer ganz abgestellt. Diese energetisch besonders günstige Methode, auch als sog. »free cooling« bezeichnet, erfolgt dann über z. B. Kühldecken direkt durch die mittels Pumpen umgewälzte kühle Sole. Die im Sommer durch die Sonneneinstrahlung erzeugte Wärme wird über eingebaute Kollektorsysteme in den Untergrund abgeleitet und dort gespeichert. Im Winter wird die gespeicherte Wärme verwendet, um die Bauwerke eisfrei zu halten. Als Nebeneffekt werden die Deformationen in den hitze- und frostempfindlichen Asphaltdecken gering gehalten. Bei Bohrpfählen erfolgt die Herstellung mit unterschiedlichen Systemen und zwar mit Bohrpfählen im Greifer- und Schneckenbohrverfahren, als Atlaspfahl (z. B. Franki) nach dem Verdrängungsprinzip, mit Ortbeton-Rammpfählen nach dem SimplexVerfahren). Bei allen Systemen werden die PE-Erdwärmerohren zum Schutz vor Beschädigungen mit Schaumstoff Umhüllungen versehen und in die Bewehrungskörbe eingebunden und am Pfahlkopf herausgeführt. Überall dort, wo ein Bauvorhaben aus wirtschaftlichen und geotechnischen Erwägungen auf Fertigbeton-Rammpfählen gegründet wird, besteht die Möglichkeit, die für die Lastabtragung erforderlichen Pfähle gleichzeitig zur Energiegewinnung aus dem Erdreich zu nutzen. Ein entsprechendes System bietet u. a. die Fa. CENTRUM Pfähle an. Diese Energiepfähle wurden als Serienprodukt entwickelt. Es ist im Gegensatz zu Bohrpfählen stets gewährleistet, dass die
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3 Gewinnungsarten
Abb. R-15: (links) Fertiggestellter Pfahl mit schaumstoffumhüllten PE-Rohren [Franki] (rechts) Beispiel für Bohrpfahlbewehrung mit eingezogenem PE-Rohren bei AtlasPfählen [Franki]
im Herstellerwerk eingebauten Wärmeaustauschrohre aus Polyethylen mit hoher Präzision in die Pfähle eingebaut werden, so dass sie auch bei der Rammung in der vorgegebenen Lage. Die Energiepfähle werden als Stahlbeton-Fertigrammpfähle bis zur erforderlichen Tiefe in den Untergrund abgeteuft. Der Rammvorgang entspricht dem bei herkömmlichen Rammpfählen. Am Pfahlkopf werden die Wärmetauschrohre aus Polyethylen nach dem Einrammen herausgeführt (Abb. R-16) und an die horizontalen Leitungen angeschlossen. Die Pfähle müssen mit
R Abb. R-16: links: Rammung von Centrum-Energiepfählen- rechts: Verteiler für die Wärmeaustauschrohre am Pfahlkopf [Centrum-Pfähle]
R Geothermiebohrungen
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schonender Rammung eingebracht werden. Wird der Pfahl beschädigt, so können dabei auch die Wärmeaustauschrohre Schaden nehmen. Kupplungspfähle sind für Energiepfähle nicht verwendbar.
3.4.3 Energie-Spiralkörbe Spiralförmige Energiekörbe sind eine weitere Alternative, Erdwärme zu nutzen. Diese werden in Vertikalbohrung oder in Gräben in etwa 2 bis 4 Meter Tiefe in den Boden eingebracht. Der Abstand zwischen den Körben beträgt ca. 4 Meter.
Abb. R-17: Systemdarstellung der Energiekörbe [SVG]
3.4.4 Erdwärmekörbe Die Erdwärmekörbe funktionieren nach dem gleichen Prinzip wie die Spiralkörbe. Sie werden unterhalb der Frostgrenze in einer Tiefe von ca. 2,5 Meter vergraben. Das Wärmeträgermedium zirkuliert dabei in einem PVC-Rohr, das zu einem Korb gewickelt ist. Die großvolumige, konische Form des Erdwärmekorbes garantiert dabei einen gleichmäßigen Entzug der Wärmeenergie aus dem Erdreich. Als Energielieferant für Ihre Körbe sorgen zum einen die regelmäßige Sonneneinstrahlung sowie die Feuchtigkeitszufuhr durch z. B. (Regen, Schnee oder Dachentwässerung. Der Boden wird dadurch mit kostenloser Umweltenergie aufgeladen, die über die Erdwärmekörbe dem Boden wieder entzogen werden und der Wärmepumpe zugeführt werden. Vorteil: Erdwärmekörbe sind häufig auch an Orten zulässig, an denen eine Bohrung rechtlich nicht möglich ist. Einzige Voraussetzung ist genügend freie Fläche um das Gebäude um die Erdwärmekörbe zu vergraben. Nachteil: Die Erdwärmekörbe benötigen einen größeren Platzbedarf als eine Erdwärmesonde und dürfen nicht überbaut werden.
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Abb. R-18: Systemdarstellung der Erdwärmekörbe [Dietrich]
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Abb. R-19: Einbau der Energiekörbe Dietrich]
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3.4.5 Erdwärmekollektoren Erdwärmekollektoren sind Wärmetauscher üblicherweise aus HDPE-Kunststoff, die als Rohrregister oder Kapillarrohrmatten horizontal in einer Tiefe von rund 0,2 m unter der örtlichen Frostgrenze (ca. 1,0-1,2 m) verlegt werden. Bei Registerausführung verlaufen die Rohre im Abstand von 0,3-0,8 m parallel zueinander, sodass je 1 m2 Entzugsfläche ca. 1,3-3 m Rohr verlegt werden. Im Kollektor zirkuliert als Trägerflüssigkeit ein Wasser-Frostschutzmittelgemisch (»Sole«), das die Wärme aus dem Erdreich aufnimmt und an die Wärmepumpe weiterleitet.
Abb. R-20: rechts: Schematische Darstellung der Erdwärmekollektoren- links: Verlegte Erdwärmerohre [SVG]
Erdwärmekollektoren nutzen gespeicherte Sonnenenergie, die durch direkte Einstrahlung, Wärmeübertragung aus der Luft und durch Niederschlag in das Erdreich übergeht. Systembedingt unterliegt der Erdwärmekollektor den jahreszeitlichen Temperatureinflüssen, weshalb die Wärmepumpe in den Zeiten des größten Wärmebedarfs mit den ungünstigsten Wärmequellentemperaturen auskommen muss. Dem Risiko geringerer Arbeitszahlen und höherer Betriebskosten in ungewöhnlich langen Kälteperioden begegnet der erfahrene Planer durch entsprechende Sicherheitszuschläge in der Auslegung. Die Regeneration der entzogenen Wärme ist aufgrund der Jahreszyklen grundsätzlich immer gegeben. Der Erdwärmekollektor zeichnet sich durch vergleichsweise geringe Investitionskosten aus, benötigt aber eine nicht überbaubare Freifläche von in der Regel 1,5- bis 2-mal der zu beheizenden Fläche. Deshalb kommen zunehmend auch flächensparende Sonderformen wie der Grabenkollektor oder der Erdwärmekorb zum Einsatz. Hier wird die Erdwärme über Rohre gewonnen, die in meist mittels Bagger ausgehobenen Gräben oder Bohrlöchern installiert sind.
3.5 Neuere Entwicklungen Die Gewinnung und Nutzung von Erdwärme erfolgte bislang u. a. durch Erdkollektor-Flächen die oberflächennah verlegt werden. Der Flächenbedarf einer solchen Kollektoranlage ist erheb-
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lich und daher nur für große Grundstücke geeignet. Eine Alternative sind die bereits oben beschriebenen Vertikal-Sondenbohrungen bis in 50 bis 100 Meter Tiefe. Die dafür benötigte Bohrtechnik ist allerdings aufwendig und teuer. Außerdem steigt mit zunehmender Bohrtiefe die Wahrscheinlichkeit, dass natürliche Gegebenheiten die Genehmigung der Erdwärmesondenanlage unmöglich machen, insbesondere wenn es um den Schutz tief liegenden Grundwasseretagen geht.
Abb. R-21: Schematische Darstellung des GRD-Verfahrens [Tracto]
Das GRD-Verfahren (GRD = Geothermal Radial Drilling®) nutzt gezielt den Tiefenbereich von 1,5 bis 50 Meter Tiefe und vereint somit die Vorteile herkömmlicher Verfahren. Mit der patentierten Bohrtechnik werden von einem Schacht aus strahlenförmig Schrägbohrungen in
R Abb. R-22a: Die o. e. Bohranlage für das GRD-Verfahren im Einsatz [Tracto]
R Geothermiebohrungen
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alle Richtungen und Neigungen eingebracht. Lage und Länge der einzubauenden Erdwärmesonden werden dem Zuschnitt des Grundstücks, dem Untergrund und den behördlich erlaubten Tiefen angepasst.
Abb. R-22b: Erreichbare Sondenlänge in Abhängigkeit von der Bohrneigung
Bei einer Teufenbegrenzung von 25 m können im Winkel von: Bohrungsneigung [°]
Erreichbare Sondenlänge [m]
35
48
40
40
45 50 55 60 65
37 33 31 28 26
Die Bohranlage selbst ist kompakt, bedienerfreundlich und lässt sich leicht transporti65eren sowie schnell installieren. Die Bohranlage hat einen Drehkranz, mit dem sie sich in jede gewünschte Position drehen lässt. Auch die Neigung ist von 15 bis 65 Grad einstellbar. Auf diese Weise lassen sich auf dem Grundstück gezielt wasserführende Schichten mit hoher Wärmeentzugsleistung ansteuern.
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Abb. R-22c: Transport zur Bohrstelle (links) – Geringe Transportkosten auf TandemTransporter-Anhänger [Tracto]
Abb. R-22d: Herstellung von Geothermiebohrungen in einem geschlossenen Raum [Tracto]
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Die geringen Gerätemaße erlauben die Ausführung der Arbeiten auf engstem Raum, in geschlossenen Räumen, Hinterhöfen usw. Die Vor- und Aufweitbohrung in dem erforderlichen Durchmesser werden in einem Arbeitsgang durchgeführt. Ein großer Zeitgewinn ist, dass das Gestänge ineinander gesteckt und nicht verschraubt wird. In einem zweiten Arbeitsgang erfolgt der Erdwärmesondeneinbau. Anzuwendende Bohrverfahren mit 3"-Imlochhammer mit 90 mm Bohrkronen, Spülbohrungen - vorh. Pumpen: 4-stufige Schneckenpumpe 2250 l/min – 20 bar Kreiselpumpe: 750 l/min – 20 bar Bohrrohre: L = 1000 mm - Ø 114 mm – Bohrgestänge: L = 1000 mm - Ø 76,1 mm Kraftdrehkopf: 1500 Nm Antriebsleistung: 24 kW Hatz-Diesel Hochwärmeleitfähiges Verpressmaterial fixiert die Sonden dauerhaft im Bohrloch, sodass der thermische „Kurzschluss" unmöglich ist. Die Erdwärmesonden werden dann aus einem zugänglichen Sammelschacht herausgeführt und für den Anschluss an eine Wärmepumpe vorbereitet.
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3.6 Energie aus dem Grundwasser 3.6.1 Voraussetzungen Auch das Grundwasser mit Temperaturen von ca. 8 – 12 °C lässt sich energetisch nutzen. Im Gegensatz zu Oberflächengewässern weist Grundwasser nur geringe jahrzeitliche Temperaturschwankungen auf. Große Vorkommen befinden sich vorwiegend entlang von Flüssen, also in Tälern des Mittellandes und der Voralpen, aber auch an inneralpinen Standorten, wo durchlässige wasserführende Kiesschichten anzutreffen sind. Diese zeichnen sich teils durch Mächtigkeiten von 30 bis 60 Meter aus. Mit entsprechenden Bohrungen können die vorhandenen Grundwasserströme erschlossen werden. In einem ersten Schritt wird festgestellt, ob am Standort genügend Grundwasser vorhanden ist. Ist dies der Fall, kann nach Vorliegen der Bewilligungen eine Bohrung realisiert und gemäß dem benötigten Wärmebedarf und den vorliegenden Grundwasserverhältnissen ausgebaut werden. Mit einem Pumpversuch und einer chemischen Analyse wird festgestellt, wie viel Grundwasser maximal gefördert werden kann und ob das Grundwasser ohne zusätzliche technische Vorkehrungen direkt in die Wärmepumpe eingeleitet werden kann. In einem zweiten Schritt wird abgeklärt, wie das abgekühlte Grundwasser wieder in den Grundwasserkörper zurückgeführt werden kann. Bei einem durchwegs durchlässigen Boden kann das Wasser mittels eines flachgründigen Sickerbrunnens zurückgegeben werden. Falls die Bodenschichten jedoch erst tiefer im Untergrund gut durchlässig sind, muss eine zweite Brunnenbohrung realisiert werden. Erdwärme kann auf unterschiedliche Arten aus dem Untergrund entnommen werden. Den Verfahren, die die oberflächennahe Erdwärme zu Heizzwecken nutzen, ist gemein, dass sie an den Betrieb einer Wärmepumpe gekoppelt sind. Die Erdwärme kann dem Untergrund über geschlossene Systeme (Erdsonden) oder offene Systeme (Grundwasserförderung) entzogen werden. Welches Verfahren an einem konkreten Standort zu favorisieren ist, hängt von zahlreichen Randbedingungen ab. Für Grundwasserwärmepumpen ist ein hinreichendes Grundwasserangebot Voraussetzung. Das Grundwasser sollte möglichst oberflächennah angetroffen werden und die Absenkung im Förderbrunnen sollte möglichst gering sein, da sonst die Förderenergie die Effizienz des Gesamtsystems negativ beeinträchtigt. Der Untergrund muss so beschaffen sein, dass ein problemloses Reinfiltrieren möglich ist. Um nicht Gefahr zu laufen, dass der Schluckbrunnen durch ausfallendes Eisen und Mangan binnen kürzester Zeit verstopft, ist gegebenenfalls eine Wasseranalyse, zumindest aber eine Sauerstoffbestimmung, empfehlenswert. Auf jeden Fall sollte eine Entspannung des Grundwassers vermieden werden, da z .B. durch das Entweichen von überschüssiger Kohlensäure das Kalk-Kohlensäure Gleichgewicht gestört wird, was ebenfalls zu Ausfällungen führen kann.
3.6.2 Lage der Brunnen Bei der Erstellung der Anlage muss darauf geachtet werden, dass der Förderbrunnen im Zustrom- und der Rückgabebrunnen im Abstrombereich des Grundwassers liegt, da sich dieses sonst kontinuierlich abkühlt.
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4 Tiefengeothermie
Abb. R-23: Schematische Darstellung und Lage der Brunnen bim Prinzip der Grundwassernutzung [ SVG]
3.7 Saisonale Wärmespeicher Geothermie steht immer, also unabhängig von der Tages- und Jahreszeit und auch unabhängig vom Wetter zur Verfügung. Optimal wird eine Anlage, in der das oberflächennahe Temperaturniveau genutzt werden soll, dann arbeiten, wenn sie auch zeithomogen genutzt wird. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn im Winter mit Hilfe einer Wärmepumpe das oberflächennahe Temperaturniveau von ca. 10 °C zum Heizen genutzt wird und sich dabei entsprechend absenkt und im Sommer dann dieses Reservoir zur direkten Kühlung benutzt wird. Beim Kühlen im Sommer ergibt sich dabei eine Erwärmung des oberflächennahen Reservoirs und damit dessen teilweise oder vollständige Regeneration. Im Idealfall sind beide Energiemengen gleich. Der Energieverbrauch des Systems besteht dann im Wesentlichen aus der Antriebsleistung für die Wärme- bzw. Umwälzpumpe. Verstärkt wird diese Funktion, wenn Geothermie mit anderen Anlagen z. B. Solarthermie kombiniert wird. Solarthermie stellt Wärme vorwiegend im Sommer zur Verfügung, wenn sie weniger gebraucht wird. Durch Kombination mit Geothermie lässt sich diese Energie im Sommer in den unterirdischen Wärmespeicher einspeisen und im Winter wieder abrufen. Die Verluste sind standortabhängig, aber in der Regel gering. Saisonale Speicher können sowohl oberflächennah, als auch tief ausgeführt werden. So genannte Hochtemperatur-Speicher (> 50 °C) sind allerdings nur in größerer Tiefe denkbar. Beispielsweise verfügt das Reichstagsgebäude über einen derartigen Speicher.
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4 Tiefengeothermie 4.1 Allgemeines Die Geothermie ist neben der Sonnen- und Windenergie und der Wasserkraft eine sehr wichtige Möglichkeit der alternativen Energiegewinnung geworden. Neben der oberflächennahen die Nutzung der Erdwärme, die schon seit einigen Jahren in großem Umfang genutzt wird, beginnt die Tiefengeothermie durch neue Techniken an Bedeutung zu gewinnen. Mit den Erdwärmevorräten der Erde, könnte der derzeitige Energiebedarf (rein rechnerisch) weltweit für über 100.000 Jahre und mehr reichen. Zu den neuen Möglichkeiten die Erdwärme auch industriell (z. B. Wärme- und Stromkraftwerke) zu nutzen, zählt die neue Bohrtechnik.
Abb. R-24a: Die Herrenknecht-Tiefbohranlage TI-350 [Herrenknecht]
Ein der modernsten Tiefbohranlagen, die neben Bohrungen auf Erdöl und Erdgas insbesondere für tiefe Geothermiebohrungen konzipiert ist, stellt die neue Bohranlage „Terra Invader TI350“ der Fa. Herrenknecht (Weltmarkführer für Tunnelbohrmaschinen) dar. Sie wurde Ende 2005 in Dienst gestellt und hat seitdem mehrere Bohrungen bis zu Teufen von 4545 m (Stand 2009) mit Erfolg niedergebracht.
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4 Tiefengeothermie
4.2 Entstehung und Vorrat der Erdwärme Bevor auf die Technik der Erdwärme eingegangen wird, soll kurz auf die Entstehung der Erdwärme eingegangen werden. Unsere Erde ist kurz gesagt vor mehreren Milliarden Jahren durch Ansammlung und Verdichtung von Materie entstanden. Dieser Vorrang wurde von enormer Wärme begleitet. Diese Wärme wegen der geringen Leitfähigkeit hat sich aufgrund der geringen Wärmeleitfähigkeit des Gesteins bis heute erhalten. 30 bis 50 % der geothermischen Wärme entstammt dieser Entstehungswärme. 50-70 Prozent stammen aus dem laufenden radioaktiven Zerfallsprozess im Erdinneren. Nahe der Erdoberfläche kommen noch Anteile aus der Sonneneinstrahlung hinzu. ° ° Man schätzt die Temperatur im Erdkern auf 4.500 C bis 6.500 C. Während ca. 99% des ° Erdvolumens eine 1.000 C besitzt, weist der Rest eine Temperatur 100 °C auf. Der überwiegende Teil des verschwindend kleinen Restes weist eine Temperatur von mehr als 100 ° C auf. Dieser „kleine Teil“ stellt eine enorme Energiereserve dar. Dagegen sind die Reserven an fossiler Energie (Erdöl und Erdgas) mehr als gering. Die relativ geringe Wärmestromdichte erfordert, dass die Ausbeutung der Wärmequellen dimensioniert wird, um eine zu starke Abkühlung zu vermeiden. Das bedeutet, dass die nicht genutzte Wärme (Gesamtwärme abzüglich der entnommenen Wärme) in den Wärmepumpen und Kraftwerken dem Boden wieder zugeführt wird. Bei Wärmekraftwerken ist hierzu eine zweite Bohrung erforderlich (siehe „Energie aus Grundwasser“ – Abb. R-23).
4.3 Tiefe Erdwärmesonde 4.3.1 Allgemeines
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Die tiefe Erdwärmesonde ist ein geschlossenes System zur Erdwärmegewinnung, welches tiefer reicht als eine in der oberflächennahen Geothermie eingesetzte Sonde. Beide funktionieren auf ähnliche Art und Weise, jedoch erreicht die tiefe Erdwärmesonde höhere Temperaturen, sodass meist keine Wärmepumpe notwendig und eine gleichzeitige Nutzung zu Kältespeicherung nicht möglich ist. Die gewonnene Energie wird direkt als Wärme genutzt. Dabei stehen auch hier sämtliche potentiellen Wärmenutzungsmöglichkeiten zur Verfügung, die von der Prozesswärme für Industrie und Gewerbe bei hohen Temperaturen bis zur Agrarnutzung bei niedrigen Temperaturen reicht. Die Wärmeübertragungsfläche mit dem Gebirge entspricht lediglich der Mantelfläche der Bohrung. Die mögliche Entzugsleistung liegt zwischen 150 bis 250 W/m Bohrtiefe, was bei einer Bohrung von 2000 bis 3000 m nur einige hundert kW bedeutet. Eine Stromerzeugung ist selbst bei hohen Temperaturen wegen der geringen Wärmetauscherfläche der Sonde nicht wirtschaftlich. Das System der tiefen Erdwärmesonde besteht aus einer einzelnen Bohrung in Tiefen von über 400 bis zu mehreren 1000 m. Im einfachsten Fall wird ein koaxiales Rohr eingebaut. In diesem Rohr zirkuliert ein Wärmeträgerfluid, das durch den äußeren Ringraum der Bohrung in die Tiefe gepumpt wird, sich dort erwärmt um anschließend über eine dünnere, isolierte Steigleitung im Inneren der Bohrung, wieder an die Oberfläche aufzusteigen. Das umgebende Gestein wird als Wärmetauscher genutzt. Als Wärmeträgermedium in den Sonden wird vorwiegend Wasser (evtl. mit Zusätzen) verwendet.
R Geothermiebohrungen
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Abb. R-24b: Tiefe Erdwärmesonde Systemschnitt
Der Vorteil tiefer Erdwärmesonden gegenüber offenen Systemen liegt darin, dass aufgrund des geschlossenen Kreislaufs kein Kontakt zum Grundwasser besteht und somit kein Stoffaustausch mit dem Untergrund stattfinden kann. Geochemische Prozesse wie Lösung und Mineralisation im Umgebungsgestein werden gänzlich vermieden. Weiterhin sind tiefe Erdwärmesonden an jedem Standort möglich, da sie nicht auf natürliche Thermalwasservorkommen angewiesen und nicht an besondere geologische Strukturen gebunden sind. Es besteht also kein Fündigkeitsrisiko wie bei anderen Systemen der tiefen Geothermie. Die thermische Leistung einer tiefen Erdwärmesonde ist in erster Linie abhängig von geologischen Randbedingungen. Zum einen von der Temperatur beschrieben durch den geothermischen Gradienten, also dem lokal vorhandenen Temperaturanstieg mit zunehmender Tiefe. Zum anderen vom Wärmetransport der konduktiv über das Gestein langsam, oder konvektiv und damit relativ dazu schnell über das Grundwasser erfolgt. Innerhalb der Sonde kann technisch Einfluss auf die maximal mögliche Wärmeleistung einer Anlage genommen werden. Durch den Einsatz von Großwärmepumpen kann die Leistungsausbeute bei geringen Ausgangstemperaturen weiter gesteigert werden.
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4 Tiefengeothermie
Alternativ zu zirkulierendem Wasser als Wärmeträgermedium können auch Sonden mit sog. Direktverdampfern (Wärmerohre; engl.: heatpipes) eingesetzt werden. Als Arbeitsmittel kommt dabei entweder eine Flüssigkeit mit einem entsprechend niedrigen Siedepunkt, oder ein Gemisch beispielsweise aus Ammoniak und Wasser zum Einsatz. Eine derartige Sonde kann auch unter Druck und dann beispielsweise mit Kohlendioxid betrieben werden. Heatpipes können eine erheblich höhere Entzugsleistung erreichen als konventionelle Sonden. Diese Technologie wird bereits in der Geothermie angewendet, befindet sich jedoch noch am Anfang der Entwicklung. Der Großteil der Kosten für eine Tiefe Erdwärmesonde muss für die Bohrung aufgewendet werden. Es können aber auch bereits, aus der Erdöl- und Erdgasexploration vorhanden Bohrungen für Tiefe Erdwärmesonden ausgebaut und nutzbar gemacht werden, was die Gestehungskosten reduziert. So wurde z. B. bereits 1988 in Prenzlau eine bereits vorhandene Bohrung auf ca. 2800 m vertieft und mit einer tiefen Erdwärmesonde ausgebaut. Seit 1994 werden rund 300 kW an thermischer Leistung in das städtische Fernwärmenetz eingespeist. Weitere Pilotprojekte in Deutschland laufen zurzeit an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) in Aachen und in Arnsberg im Sauerland. Das Projekt mit dem Namen SuperC in Aachen sieht die Versorgung eines Universitätsgebäudes über eine 2500 m tiefe Bohrung mit Sondenausbau vor, die ca. 80% des Wärme- und Kühlungsbedarfs des neuen Studentischen Service Centers decken soll. Die Bohrtätigkeiten sind abgeschlossen, gegenwärtig wird das Gebäude erstellt.
4.4 Petrothermale Systeme 4.4.1 Allgemeines
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Gesteine in größerer Tiefe weisen eine hohe Temperatur auf. Sofern die Gesteine nahezu wasserfrei sind, kann die darin gespeicherte Energie zur Strom- und Wärmeerzeugung genutzt werden (Hot-Dry-Rock-Systeme: HDR). Um die Wärme dieser Gesteine nutzen zu können, müssen sie von Wasser als Wärmeträger durchflossen werden, das die Energie anschließend an die Oberfläche bringt. Das in der Tiefe vorhandene heiße Gestein wird über Bohrungen erschlossen. Hierbei gibt es mindestens eine Förder- und eine Verpressbohrung, welche durch einen geschlossenen Wasserkreislauf verbunden sind. Zu Beginn wird Wasser mit einem hohem Druck, der so weit über dem petrostatischen Druck liegen muss, dass die minimale Hauptspannung in der jeweiligen Teufenlage überschritten wird, in das Gestein gepresst (hydraulische Stimulation); hierdurch werden Fließwege aufgebrochen oder vorhandene aufgeweitet und damit die Durchlässigkeit des Gesteins erhöht. Dieses Vorgehen ist notwendig, da sonst die Wärmeübertragungsfläche und die Durchgängigkeit zu gering wären. Das so geschaffene System aus natürlichen und künstlichen Rissen bildet einen unterirdischen, geothermischen Wärmeüberträger. Durch die Injektions-Verpressbohrung wird Wasser in das Kluftsystem eingepresst, wo dieses zirkulier und sich erhitzt. Anschließend wird es durch die zweite Bohrung, die Produktions-Förderbohrung, wieder an die Oberfläche gefördert.
R Geothermiebohrungen
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Abb. R-24c: Beispiel für industriell genutzte Erdwärme – Schematische Darstellungen
Der Vorteil des Hot Dry Rock Verfahrens besteht darin, dass man mit der Wahl der Standorte wesentlich freier ist als bei der Hydrothermie. Nachteilig sind die notwendigen Veränderungen der geologischen Struktur in den tiefen Erdschichten. Diese können unter Umständen zu ernst zu nehmenden Gefährdungen von Anwohnern und Umwelt führen, wie zuletzt im Rahmen einer Bohrung im Raum Basel geschehen, die am 8. Dezember 2006 ein Erdbeben der Stärke 3,4 und weitere Folgebeben auslöste. Glücklicherweise mussten dabei kaum ernsthafte Schäden verzeichnet werden, aber es wurde deutlich, wie sorgfältig man die Installation eines Petronalen Systems vorbereiten und durchführen muss. Grundsätzlich sind sich die Experten aber einig, dass das Verfahren an sich keine Gefahr birgt, Erdbeben einer derartigen Stärke auszulösen. Es müssen dazu weitere ungünstige geologische Bedingungen hinzukommen, die in der Erkundungsphase erkannt und bei der Planung berücksichtigt werden können. Trotz ausgefeilter seismologischer Erkundungsverfahren ist die Beschaffenheit der durch die Bohrung zu passierenden Erdschichten nicht vollständig ermittelbar. Kleinere Lagerstätten mit brennbaren Medien sind ab einer bestimmten Bohrtiefe nicht feststellbar und können eine potentielle Gefahr für die mit der Bohrung beschäftigten Mitarbeiter sowie für die Anwohner darstellen, insbesondere wenn man bedenkt, dass Geothermieanlagen durchaus in der unmittelbaren Nähe bewohnter Gebiete errichtet werden.
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4 Tiefengeothermie
4.4.2 Allgemeines zu Tiefbohranlagen im Bereich der Erdwärmeerschließung 1 Wie oben geschildert, müssen - bevor es zur Nutzung der Energie aus der Tiefe zur Wärmegewinnung oder Stromerzeugung kommen kann – mehrere Bohrungen bis zu Tiefen von 6.000 m angebracht werden. Die grundsätzliche Technologie ist nicht neu: schließlich ermöglicht das Bohren durch die oberflächennahen Erdschichten seit vielen Jahrzehnten die Förderung von Erdöl und Erdgas auf dem Festland und auf dem Meeresboden. Für die Erschließung geothermischer Energieressourcen sind allerdings deutlich veränderte Randbedingungen vorgegeben, die bei der Gestaltung der Bohranlagen beachtet werden müssen. Der wichtigste Unterschied besteht darin, dass die Bohrungen für Geothermieanlagen häufig in unmittelbarer Nähe zu dicht besiedelten Gebieten angebracht werden müssen und dass eine sehr große Anzahl solcher Bohrungen erforderlich sind, um den benötigten Energiebedarf zu decken. Während die technologische Entwicklung bei der Förderung fossiler Brennstoffe auf die Erschließung von Lagerstätten in immer extremeren Lagen, wie der Tiefsee, in einer Tiefe von einigen tausend Metern unter der Meeresoberfläche oder in der sibirischen Permafrostregion abzielt, kommt es bei den Tiefbohrverfahren der Geothermie vor allem auf eine hohe Arbeitssicherheit und auf eine hohe Arbeitsgeschwindigkeit an, um die Belastung für die Umwelt so gering wie möglich zu halten. Insofern lag es nahe, dass das deutsche Unternehmen HERRENKNECHT, das seit vielen Jahren Technologie- und Weltmarktführer bei Tunnelvortriebmaschinen ist, sich auch der Tiefbohrtechnik zuwandte, bei der ähnliche Anforderungen wie beim Tunnelbau gestellt werden. Das im Jahr 2005 gegründete Unternehmen HERRENKNECHT Vertical GmbH konnte in die ersten entwickelten und errichteten Anlagen viele technische Errungenschaften aus der Tunnelbohrtechnik übernehmen, so z. B. ein optimiertes Sicherheitskonzept (Hand-Off-Technologie), ein flexibles Energiemanagement sowie technisch ausgeklügelte Konzepte in Form von Zylinderhebewerken und integrierten Schallschutzmaßnahmen. Abb. R-25 zeigt eine schematische Übersicht der Tiefbohranlage >Hot Rock 1 (. Neben dem Bohrturm erkennt man als weitere Grundbestandteile der Anlage die Stromversorgung mit dem Dieseltank, den Stromgeneratoren und der Schaltanlage. Das beim Bohrvorgang gelöste Erdreich und Gestein muss mit einer Bohrflüssigkeit abtransportiert werden. Die Bohrflüssigkeit wird in den Spültanks gelagert, während des Bohrens in das Bohrloch gefördert und mit dem gelösten Material in der Separationsanlage wieder gereinigt. Zu explosionsgeschützten Dekandern zur Reinigung von Bohrflüssigkeiten.
4.5 Geräte für Geothermie-Tiefbohrungen 4.5.1 Allgemeines
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Zur Nutzung der Energie aus der Tiefe zur Wärmegewinnung oder Stromerzeugung, müssen mehrere Bohrungen bis zu Tiefen von 6.000 m abgeteuft werden. Diese Technologie ist nicht neu, sie wird seit vielen Jahrzehnten zur Gewinnung von Erdöl und Erdgas auf dem Festland und auf dem Meeresboden angewandt. Für die Erschließung geothermischer Energieressourcen sind allerdings nicht unwesentliche Bedingungen zu beachten, die bei der Gestaltung der Bohranlagen beachtet werden müssen. 1
Dieser Abschnitt enthält Textbeiträge aus der Zeitschrift Ex 2007 Beitrag: „Energie aus der Tiefe der Erde“ (T. Arnhold u. A. Steilen) mit freundlicher Genehmigung der Herrenknecht AG.
R Geothermiebohrungen
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Der wichtigste Unterschied besteht darin, dass die Bohrungen für Geothermieanlagen sehr oft in unmittelbarer Nähe von besiedelten Gebieten eingebracht werden müssen. Außerdem Müssen stets mehrere Bohrungen niedergebracht werden, um den benötigten Energiebedarf zu decken. Während Entwicklung bei der Förderung fossiler Brennstoffe immer mehr in einem extremen Umfeld, z. B. der Tiefsee oder sibirischen Permafrostregion erfolgen muss, sind bei den Geothermie-Tiefbohrverfahren folgende Voraussetzungen wichtig: • hohe Arbeitssicherheit • hohe Arbeitsgeschwindigkeit • geringe Umweltbelastung (Lärm) Der Weltmarktführer bei Tunnelvortriebmaschinen, die Herrenknecht AG hat große DetailErfahrungen aus dem Maschinenbau, der Horizontalbohrtechnik, z. B. Bohr-Antriebe, Spülungstechnik, elektronische Steuerungen und elektronische Steuerung, die für die Vertikalbohrtechnik ebenfalls (wenn auch in abgeänderter Form) anwendbar sind. Mit der auch auf dem Bohrsektor tätigen Fa. BOHRTEC GmbH gründete die Herrenknecht AG das Tochterunternehmen HERRENKNECHT VERTICAL GmbH für die Herstellung eines Tiefbohrgerätes. Diese Gerät unterscheidet sich von den üblichen Tiefbohrgeräten mit • einem optimierten Sicherheitskonzept (Hand-Off-Technologie), • einem flexibles Energiemanagement, • einem technisch ausgeklügelten Konzepte in Form von Zylinderhebewerken, • integrierten Schallschutzmaßnahmen. Das neue Bohrgerät bekam die Bezeichnung; TERRA INVADER 350 (Kurzbezeichnung TI 350) Die erste Anlage wurde Ende 2005 für eine Testbohrung auf dem Herrenknecht-Werksgelände aufgebaut.
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4 Tiefengeothermie
4.5.2 Technische Daten, Beschreibungen und Details Tab. 1-5: Technische Daten der TI-350 Bohrgerät Typ Leistung Bohrtiefe Bedienung (fernbedienbar)
Terra Invader 350 (TI-350) 4500 KW bis 6000 m Gestängehandhabung, Verschraubeinheit, Elevator, Iron Roughneck u. a.
Höhe / Hakenlast
51,8 m / 3500 kN
Typ Freie Höhe / Futterrohrlast
Box-on. Box 8,20 m / 3500 kN
Typ Leistung Bremsen / Fahrweg
Doppelzylindersystem 2000 kW Hydraulische Senkwerkventile / 22 m
Typ / Durchgang
HV DT 953-4.450 H – Durchgang: 953 mm (37 ½‘‘
Typ / Nennlast Drehmoment
MH PTD 500 AC 800 /4540 kN 43500 Nm
Dieselmotor / Leistung Generatortyp / Leistung Spannung BOP Ring-/Backenpreventer
MTV 4000 G61E / 3 × 1465 kW Leroy X 1700 K / 3 × 1540 kVA 690 / 400 / V. 50 Hz
Pumpentyp / Leistung Spültankanlage Schüttelsiebe Nenndruck Volumina
HVTSP80120-1200 / 3 × 1000 kW HV STA 250-135R 3 × Derrick FLC 2000 350 bar 135 m³ aktiv – 250 m³ gesamt
Mast
Unterbau
Zylinderhebewerk
Drehtisch
Top Drive Antrieb
Spülsystem
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13ǫ‘‘ × 10 K / 13ǫ‘‘ × 10 K (1 × Single, 1 × Double)
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R Abb. R-25: TI-350-Bohrplatzeinrichtung mit den Hauptkomponenten Platzsparend, umweltverträglich und leise, diese Kriterien wurden bei der Konzeption der Bohranlage besonders berücksichtigt.
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4 Tiefengeothermie
4.5.3 Platzbedarf Mit einer Höhe von 52 m und einem Gewicht von 370 Tonnen benötigt das Bohrgerät nur eine Fläche von 9 ൈ 10 m. Die gesamte Bohranlage kann auf einer Fläche von 30 ൈ 80 m aufgebaut werden. Ein konventionelle Bohranlage benötigt dagegen 80 ൈ 100 m. Die verschiedenen Anlagenteilekönnen sehr flexibel um den Bohrturm angeordnet werden. Auch während der Auf- und Abbauarbeiten reicht die Bohrplatzfläche aus.
4.5.4 Fahrerstand (Driller´s Cabin)
Abb.R-26: Driller´s Cabin
Vom Fahrstand aus können vom Driller alle wesentlichen Steuerungen über Joystick und Touchscreen vorgenommen werden. Für die Bedienung werden lediglich drei qualifizierte Leute benötigt )bei konventionellen Anlagen werden 5 – 6 Mann benötigt)
4.5.5 Pipe Handling Systeme
R
Abb. R-27: PipeHandler-Systeme
R Geothermiebohrungen
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Die halb automatischen PipeHandler können vom Assistenten des Driller´s von der Driller Cabine gesteuert werden und dies bei Trippgeschwindigkeiten von m/h. Im Bohrbetrieb kann der Driller eigenhändig eine Bohrstange nachsetzen. Der DrillerAssistent kann andere Aufgaben übernehmen.
4.5.6 Top Drive Technische Daten Top Drive Max. Hakenlast Max. Druck Max. Drehmoment Installierte Leistung Lower main Connetion
450 mt (500 sht) 160 mt 63,6 kNm - at 93,4 min–1 800 kW Box API 7ǫ" REG
Abb. R-28: Top Drive
4.5.7 Elevator und Verschraubeinheit
R Abb. R-29: Elevator (links) - Verschraubeinheit
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4 Tiefengeothermie
Der hydraulische Elevator und Verschraubeinheit mit Drehtisch werden vom Fahrstand aus bedient. Dadurch befindet sich kein Personal im Gefahrenbereich.
4.5.8 Schallschutz
Abb. R-30: Spülpumpe mit Schallschutz
Am Beispiel der Spülpumpe ist der Schallschutz zu erkennen. Die Aggregate sind mit speziellen Schalldämpfern und optimierter Luftzuführung ausgestattet. Alle Maßnahmen zusammen führen dazu, dass in einer Entfernung von etwa 120 m der Schall, der vom Arbeitsprozess abstrahlt nicht über das Geräusch eine Fernsehers oder Radios hinausgeht, das auf Zimmerlautstärke eingestellt ist.
4.5.9 Vorteile des Zylinderhebewerkes gegen Seilhebewerk • • • • •
Ziehen und Drücken des Bohrstranges / Rohrtour ist möglich, extrem feinfühlig fahrbar, kein Zeitverlust aufgrund von Seilinspektionen, kein Nachsetzen und Kürzen des Seiles, höhere Arbeitssicherheit.
4.5.10 Gestängelager + PipeHandler
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Durch Gestängelager mit Fingerbühne und PipeHandler entfällt der sonst übliche Höhenarbeitsplatz. Keine Kapazitätsbegrenzung der Bohrstranglänge, Durchmesserunabhängigkeit der Rohre, einfacher Einbau der Futterrohre, Flexibilität im Design des Bohrstranges, Unfallsicher und Schallschutz.
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4.5.11 Antriebssysteme Möglich sind: • reiner Generatorbetrieb • Netzbetrieb –Netz muss über eine Leistung von 4 – 6 MW verfügen, • Generator unterstützter Netzbetrieb.
5 Genehmigungsverfahren Erdwärme gilt nach Bundesberggesetz (BBergG) als bergfreier Bodenschatz. In der bayerischen Verwaltungspraxis werden jedoch nur Erdwärmeprojekte mit Bohrungen von mehr als 100 m Teufe oder einer thermischen Leistung von größer 0,2 MW bergrechtlich behandelt. Für Bau und Betrieb von Anlagen zur Nutzung von oberflächennaher Geothermie sind die Bestimmungen des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) in Verbindung mit den jeweiligen Landesgesetzen maßgebend (siehe hierzu auch VDI-Richtlinie 4640 - Blatt 1). So sind z. B. alle Erdwärmebohrungen nach Lagerstättengesetz (LagerstG) dem Bayerischen Landesamt für Umwelt, Bürgermeister-Ulrich-Straße 160 in 86179 Augsburg, anzuzeigen. Nach Abschluss der Arbeiten sind die Ergebnisse der Bohrungen (Lageplan, Schichtenverzeichnis und Ausbauplan) zu übermitteln. Die Anzeigepflicht nach LagerstG bzw. nach § 35 WHG Art. 34 BayWG oder nach § 127 BBergG obliegt der mit dem Bau der Erdwärmeanlage beauftragten Fach- bzw. Bohrfirma. Ein Antrag auf wasserrechtliche Erlaubnis gemäß Art.17 bzw. 17a BayWG hat hingegen durch den Bauherrn zu erfolgen; üblicherweise wird er jedoch in dessen Namen von der mit der Planung der Erdwärmeanlage beauftragten Firma gestellt. BbergG - Bundesberggesetz vom 13.08.1980 (BGBl. I S. 1310), zuletzt geändert durch Artikel 37 des Gesetzes vom 21.06.2005 (BGBl. I S. 1818) LgstG -Gesetz über die Durchforschung des Reichsgebietes nach nutzbaren Lagerstätten (Lagerstättengesetz) vom 04.12.1934 in der im BGBl. III, Gliederungsnummer 750-1 veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 22 des Gesetzes vom 10.11.2001 (BGBl. I S. 2992). WHG - Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz - WHG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.08.2002 (BGBl. I S. 3245).
6 Zusammenfassung In diesem Kapitel sind nur die Grundzüge der Geothermie behandelt werden. Diese Technik ist inzwischen zu einem komplexen Thema geworden. Bei der zu erwartenden Energiekostensteigerung ist mit einer weiteren Zunahme und Entwicklung neuer Techniken zu rechnen.
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S Horizontalbohrungen 1 Horizontalbohrsysteme 1.1 Allgemeines Die Bedeutung des grabenlosen Rohrvortriebes zur Verlegung von Ver- und Entsorgungsleitungen und zur Rohrerneuerung nimmt ständig zu. Dazu führt in erster Linie der immer mehr zunehmende Straßenverkehr. Sperrungen aufgrund von offener Leitungsverlegungen führen nicht selten zu chaotischen Verkehrsstauungen vor allem im innerstädtischen Bereich. Die Vorteile gegenüber der offenen Bauweise liegen auf der Hand: • Nur geringe der Erdbewegungen bei den Einfahr- und Ausfahrgruben, • keine Belästigung der Anwohnern und Schonung der Umwelt, • Grundwasserabsenkungen entfallen, • minimale Beeinträchtigung des Verkehrs, • keine Behinderungen durch Aushubmaterial, • keine besonderen Fußgängerübergänge, • Witterungsunabhängig, • Kostenersparnis. Man unterscheidet folgende Horizontalbohrsysteme: • Das Horizontal-Schneckenbohrverfahren, • das AVN-Verfahren (AVN = Automatischer Vortrieb Nass) , • das HDD-Verfahren (HDD = Horizontal Directional Drilling). Das AVN-System ist ein Nassbohrverfahren und wird sog. Mini-Tunnelbau bei Durchmessern bis 1,00 m (nicht begehbarer Bereich). Hinweis: Obwohl das AVN bzw. AVND-Verfahren bis zu Durchmessern von 3,75 m möglich ist, werden im Folgenden nur Verfahren mit einem Durchmesser bis 1,00 m behandelt. Welches Horizontal-Vortriebssystem zur Anwendung kommt hängt von ab • Von den örtlichen Verhältnissen, • den Baugrundverhältnisse, • dem Grundwasserstand, • dem erforderlichen Durchmesser • der Art der Medien (Wasser, Gas, chemischer Flüssigkeiten usw., • dem Rohrmaterial, • den zu erwartenden Baukosten. Die Entscheidung ist einfach, wenn eine offene Verlegung nicht möglich ist. Das wäre z. B. der Fall bei der Unterquerung von Flüssen und Bebauungen.
H. -O. Buja, Handbuch der Tief-, Flach-, Geothermie- und Horizontalbohrtechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-9943-9_19, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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1 Horizontalbohrsysteme
1.2 Baugrundverhältnisse 1.2.1 Allgemeines Die Horizontalbohrtechnik gehört zu den Verfahren zum grabenlosen Verlegung von Ver- und Endsorgungsleitungen sowie Leerrohre für den Einbau von Telekommunikationskabeln in oberflächennahen Erdschichten. Hier stehen überwiegend sehe abwechslungsreiche Bodenschichten an. Eine genaue Kenntnis der anstehenden Bodenverhältnisse ist Voraussetzung für die Einsatzmöglichkeiten der unterschiedlichen Verfahren. Eine eingehende Baugrunderkundung ist daher unabdingbar. Davon hängen die Anwendbarkeit, die Wirtschaftlichkeit und die Kosten ab. Zur Beurteilung der Bodenverhältnisse sind Baugrunduntersuchungen nach DIN 4020 und DIN 4021 sowie mit geltende Normen erforderlich, auf die aber hier nicht näher eingegangen kann, um Wiederholungen zu vermeiden. Hierzu wird hingewiesen auf die Kap. B-Geologieund O-Baugrunderkundungsbohrungen. Zu den Untersuchungen gehören u. a.: • Bohrungen mit durchgehender Gewinnung gekernter Bodenproben • Ermittlung und Erfassung der Grundwasserstände bei Antreffen und nach Abschluss der Bohrungen (gespanntes Grundwasser?), • Ermittlung der Lagerungsdichte bzw. Konsistenz des Bodens durch Druck- bzw. Rammsondierungen, • Untersuchung der Bodenproben zur Ermittlung der relevanten Bodenkennwerte, • Ermittlung des spezifischen Bodenwiderstands in einem Bereich von 3 m oberhalb bis 3 m unterhalb der geplanten Rohrleitungsachse durch Sondierungen. Des Weiteren ist es möglich, Böden nach ihrer Härte bzw. nach ihrer Abrasivität in Bezug auf die Bohrwerkzeuge einzuteilen (siehe nachfolgende Tabellen). Tab. 1-6: Bodenartenbenennung und Korngrößenfraktionen nach DIN EN ISO 14688-1
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S Horizontalbohrungen
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Tab. 2-6: Klassifizierung der Böden nach DIN 18301 Klasse BN: Nichtbindige Böden, Hauptbestandteile Sand und Kies, Korngröße bis 63 mm Feinkornanteil bis 15% über 15%
Klasse BN 1 BN 2
Klasse BB: Bindige Böden: Hauptbestandteile Schluff, Ton oder Sand, Kies mit starken Einfluss der bindigen Anteile Undränierte Scherfestigkeit cu (kN/m2) bis 20 über 20 bis 200 über 200 bis 600 über 600
Konsistenz
Klasse
flüssig bis breiig weich und steif halbfest fest bis sehr fest
BB 1 BB 2 BB 3 BB 4
Klasse BO: Organische Böden, Hauptbestandteile: Torf, Mudde und Humus Hauptbestandteile Mudde, Humus und zersetzte Torfe unzersetzte Torfe
Klasse BO 1 BO 2
Zusatzklasse BS: Steine und Blöcke Volumenanteil Steine und Blöcke bis 30 % bis 30 % BS 1 BS 2
Korngröße
über 63 mm bis 200 mm (Steine) über 200mm bis 600 mm BS 3 (Blöcke) Blöcke größer 600 mm sind hinsichtlich ihrer Größe gesondert anzugeben
BS 4
Klasse F: Fels Verwitterungsgrad zersetzt entfestigt angewittert unverwittert
Trennflächenabstand über 10cm bis 10 cm über 30 cm bis 30 cm in Klasse BB oder BN einzustufen FV 1 FV 2 FV 3 FV 4 FV 5 FV 6
Zusatzklassen FD: Einaxiale Festigkeit Für die Felsklassen FV 2 bis FV 6 sind die Zusatzklassen FD ergänzend anzugeben Einaxiale Festigkeit (N/mm2) bis 20 über 20 bis 80 über 80 bis 200
Klasse FD 1 FD 2 FD 3
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1 Horizontalbohrsysteme
Einaxiale Festigkeit (N/mm2) über 200 bis 300 über 300
Klasse FD 4 FD 5
Tab. 3-Q: Bodenklassifizierung nach DIN 18319 Klassen L: Lockergesteine Klassen LN: Nichtbindige Lockergesteine, Korngröße 63 mm Lagerung Locker Mitteldicht Dicht
eng gestuft LNE 1 LNE 2 LNE 3
Lockergestein, nichtbindig weit oder intermittierend gestuft LNW 1 LNW 2 LNW 3
Klassen LB: Bindige Lockergesteine, Korngröße 63 mm Konsistenz
Lockergestein, bindig organogen LBO 1 LBO 2 LBO 3
Breiig – weich Steif – halbfest Fest Klasse LO: organische Böden Keine weitere Einteilung Zusatzklassen S Massenanteil der Steine bis 30 % über 30 %
Steingröße bis 600 mm S3 S4
bis 300 mm S1 S2
Klassen F: Festgesteine Einaxiale Druckfestigkeit (MN/m2) bis 5 über 5 bis 50 über 50 bis 100 über 100
Festgestein Trennflächenabstand Dezimeterbereich FD 1 FD 2 FD 3 FD 4
Zentimeterbereich FZ 1 FZ 2 FZ 3 FZ 4
Tab. 4-Q: Schwellendruckwerte bei mechanischer Gesteinszerstörung und Druck- sowie Scherfestigkeitswerte unter atmosphärischen Bedingungen für verschiedene Gesteine nach Maurer
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Gesteinsbezeichnung Tonstein Kalkstein
Schwellendruck (MPa) 223 340
Druckfestigkeit (MPa) 34 42
Scherfestigkeit (MPa) 8 21
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Gesteinsbezeichnung Sandstein Dolomit Granit Basalt
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Schwellendruck (MPa) 660 2450 3430 4260
Druckfestigkeit (MPa) 57 270 260 270
Scherfestigkeit (MPa) 21 62 59 66
Tab. 5-Q: Verbesserte (ergänzte) Mohssche Härteskala
1.2.2 Das Baugrundrisiko Bei Arbeiten im Baugrund (Gründungen, Bohrungen usw.) kommt es bezüglich des Baugrundrisikos sehr oft Unstimmigkeit und nicht selten zu einem Rechtsstreit, daher hierzu einige Anmerkungen. Nach der allgemeinen Rechtsprechung kann das Baugrundrisiko in ein „echtes“ und in ein „unechtes“ Baugrundrisiko unterteilt werden. Das „echte“ Baugrundrisiko ist das nicht vorhersehbare. Es ist das Restrisiko, das bleibt, obwohl alle Beteiligten ordnungsgemäß und fehlerfrei gearbeitet haben, und trotz bestmöglicher Planungen baugrundbedingte Erschwernisse auftreten. Dieses Risiko trägt i.d.R. der Auftraggeber, es sei denn, der Auftragnehmer hat dies durch eine Individualvereinbarung oder durch einen Sondervorschlag übernommen. Bei Bauverträgen für Arbeiten im Baugrund muss daher dringend davon abgeraten werden, das Baugrundrisiko zu übernehmen. Dieses Risiko ist nicht überschaubar und kann zu großen Verlusten führen. Bei dem „unechten“ Baugrundrisiko sind die Erschwernisse auf ein Verschulden oder eine Pflichtverletzung eines Beteiligten zurückzuführen. Das unechte Baugrundrisiko ist ein vermeidbares Risiko, dessen Ursachen z. B. auf eine unzureichende Ausschreibung, eine unzurei-
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2 Horizontal-Schneckenbohrverfahren
chende Erkundung, offensichtliche Mängel in der Leistungsbeschreibung, die vom Auftragnehmer nicht gerügt wurden, das Fehlen notwendiger Bedenken und Hinweise des Auftraggebers oder das Arbeiten gegen die Regeln der Technik zurückzuführen sind. Da diese Ursachen nicht mehr viel mit dem Baugrund gemein haben, spricht man hier auch von einem „allgemeinen Baurisiko“. Wenn im folgenden Abschnitt über Baugrundrisiko gesprochen wird, handelt es sich um das „echte“ Baugrundrisiko. Um das Baugrundrisiko gering zu halten, ist eine möglichst genaue Bodenuntersuchung von einem Ingenieurbüro bzw. einem Geologen durchzuführen, der mit den Bedürfnissen einer Horizontalbohrung vertraut ist. Auch bei genausten Untersuchungen des Bodens und sorgfältiger Arbeit der Vertragsparteien besteht immer die Gefahr, dass der bei den Bauarbeiten vorgefundene Boden von dem vermuteten Boden abweicht. Dies kann zum einen an der Vielfältigkeit der geotechnischen Eigenschaften des Untergrundes oder an der falschen Bewertung der Untersuchungsergebnisse liegen siehe hierzu Pkt. Einige dieser unvorhergesehenen Bodenverhältnisse, die für alle Verfahren gelten, werden im Folgenden beschrieben: Bodenformationen, die stark mit Grobgestein durchsetzt sind, können das Durchörtern des Bodens erschweren. Das auftretende Gestein verursacht dabei zwei Probleme: • Der plötzliche Übergang von harten zu weichen Bodenschichten oder umgekehrt stellt die Horizontalbohrtechnik vor Probleme, da hierbei die Gefahr einer Abweichung auftritt. • Bodenschichten, die in einem flachen Winkel (beinahe parallel) zur Bohrtrasse geneigt sind, können das gesteuerte Bohren erheblich erschweren. Besonders problematische Baugrundverhältnisse (z. B. Fliessande, Schotter, größere Hohlräume und dergleichen) können eine Bodenverbesserung in Form von Verpressungen vor Beginn der Arbeiten erforderlich machen. Von großer Wichtigkeit ist das Vorhandensein von Fels. Genaue Angaben über die Gesteinshärten werden in den Ausschreibungen kaum gemacht. Oft wird der Anteil von Fels in Prozenten angegeben. Auf derartigen Angaben sollte sich der Auftragnehmer nicht einlassen. Selbst ein sehr kleiner Anteil kann zu erheblichen Schwierigkeiten führen. Wenn der Bieter aufgrund eigener Erfahrungen die gegebenen Informationen des Ausschreibenden z. B. auf Fels als Fehlinformation interpretiert, wird er möglicherweise diese Erschwernis bei der Kostenfindung vernachlässigen, um sich gegenüber den Mitbewerbern einen Vorteil zu verschaffen. Der Bieter übernimmt damit aber auch erhebliche Risiken. Denn wenn doch Felsschichten durchörtert werden müssen, ist der Auftraggeber vor Nachforderungen sicher. Die Rechtsprechung zwar dem Bauherrn das Baugrundrisiko, das entbindet aber den Anbietenden nicht von ihrer Verpflichtung, die geplante Ausführung zu überprüfen und rechtzeitig Bedenken anzumelden. Eine gerechte Risikoverteilung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer findet nach DIN 18319 in der Form statt, dass der Auftraggeber Gewähr für die Richtigkeit der geotechnischen Daten des Untergrundes und der Auftragnehmer Gewähr für die Auswahl des richtigen Verfahrens übernimmt.
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S Horizontalbohrungen
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2 Horizontal-Schneckenbohrverfahren 2.1 Allgemeines Die verschiedenen Verfahren der Trockenbohrsystems werden anhand von Vorlagen der Fa. Bohrtec GmbH, Alsdorf, ein Partner der Herrenknecht AG, beschrieben. Mit insgesamt 6 Maschinensystemen deckt Die Bohrtec ein großes Specktrum von unterschiedlichen Anforderungen ab. Bei den Geräten handelt es sich um Kompakt- und Langrahmenmaschinen. Bei den Kompaktmaschinen genügt ein Vortriebsschacht mit einem Durchmesser von mindestens 2,00 m bzw. ein entsprechender Verbaurahmen. Mit der patentierten „Bohrtec Wasserschnecke“ sind auch Bohrungen bis zu 3,00 m unter dem Grundwasserspiegel möglich. Je nach Gerätetyp können Rohre mit einem Außen- bis 1400 mm eingebracht werden. Alle Bohrtec-Maschinen können ungesteuert oder gesteuert betrieben werden. Gesteuerte Pilotrohrvortriebe sind gegenüber konventionellen Mikrotunnelbohrgeräten sehr preiswerte und einfache Verfahren und wurden durch Bohrtec in den letzten 15 Jahren stetig weiter entwickelt. Heute sind die Maschinen in fast allen Böden ohne größere Steine und unter Grundwasser einsetzbar. Bei allen Maschinen wird der an der Ortsbrust gelöste Boden mit Förderschnecken abtransportiert und das Drehmoment vom Antrieb auf den Bohrkopf übertragen. Eine solide und praxisgerechte Konstruktion kennzeichnet grundsätzlich alle Maschinen, die darüber hinaus mit einer großen Anzahl von Zusatzkomponenten bestückt werden können. Verschiedene Bohrköpfe für unterschiedliche Böden und Durchmesser, Imlochhammer für Bohrungen im Fels, Backreamer zur Kombination von Pilotrohrvortrieben und HDD, Ausrüstung für Kernbohrung, Bohrtec-Dichtelement zum wasserdichten Anschluss nach der unterirdischen Anbohrung des Sammlers. Erst die optimale Zusammenstellung der entsprechenden Maschinen mit den für die anstehende Bauaufgabe geeigneten Ausrüstungskomponenten bringt dem Anwender den wirtschaftlichen Erfolg.
2.2 Langrahmenmaschinen System Bohrtec Mit den Pressbohrgeräten BM 400LS, BM 600LS und BM 800L stehen preisgünstige Maschinen mit vielfältigen verfahrenstechnischen Varianten zur Verfügung. Der jeweils modular aufgebaute Grundrahmen gestattet die Adaption von verschiedenen Verlängerungsrahmen für Rohrlängen bis 18 m. Mit den Maschinen können alle wirtschaftlichen Vorteile gesteuerter Pilotbohrungen (Einfachund Doppelwandpilotgestänge) genutzt werden. Durch den Einsatz der patentierten „Bohrtec Wasserschnecke“ sind Bohrungen bis zu 3 m unter Grundwasserspiegel möglich. Somit können die Bohrungen entweder ungesteuert oder gesteuert mit hoher Zielgenauigkeit ausgeführt werden. Aufgrund der bewährt robusten Konstruktion können Bohrungen bis zu einem Außendurchmesser von 1.400 mm in Längen von bis zu 120 m auch unterhalb des Grundwasserspiegels durchgeführt werden. Alle Maschinen können mit einer großen Anzahl von Zusatzkomponenten bestückt werden:
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2 Horizontal-Schneckenbohrverfahren
Verschiedene Bohrköpfe für unterschiedliche Böden und Durchmesser, Felsbohrköpfe oder Imlochhammer für Bohrungen im Fels, Backreamer zur Kombination von Pilotrohrvortrieben und HDD. Erst die optimale Zusammenstellung der entsprechenden Maschinen mit den für die anstehende Bauaufgabe geeigneten Ausrüstungskomponenten bringt dem Anwender den wirtschaftlichen Erfolg.
Abb. S-1: links: Bohrtec-BW 800L Langrahmenmaschine rechts: Einsatzbeispiel
2.5 Kompaktmaschinen System Bohrtec
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Für den innerstädtischen Bereich entwickelte Bohrtec die so genannten Kompaktmaschinen: • BM 150D zur unterirdischen Herstellung von Anschlusskanälen bis DN 200; • BM 400 zur Herstellung kleiner Sammler bis DN 400; BM 500 zur Herstellung kleiner Sammler bis DN 800; BM 150DT zur Herstellung von Bohrungen aus Vortriebsrohren oder Tunneln DN 1200; • BM 400T zur Herstellung von Bohrungen bis zu einem Außendurchmesser von 620 mm aus Tunneln DN 2000. Alle Kompaktmaschinen können ungesteuert oder gesteuert betrieben werden. Gesteuerte Pilotrohrvortriebe sind gegenüber konventionellen Mikrotunnelbohrgeräten sehr preiswerte
S Horizontalbohrungen
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und einfache Verfahren und wurden durch Bohrtec in den letzten 10 Jahren stetig weiter entwickelt. Heute sind die Maschinen in fast allen Böden ohne größere Steine und unter Grundwasser einsetzbar. Bei allen Maschinen wird der an der Ortsbrust gelöste Boden mit Förderschnecken abtransportiert und das Drehmoment vom Antrieb auf den Bohrkopf übertragen. Exakte Bohrungen bis zu 100 m Länge und 1020 mm Außendurchmesser sind möglich.
Abb. S-2: Bohrtec-Kompaktmaschine (links) – im Einsatz von einem Tunnel aus (rechts)
2.6 Ungesteuerter Vortrieb Bei ungesteuerten Bohrungen ist die exakte Einrichtung der Maschine von besonderer Bedeutung. Dabei gilt, je länger die Pressgrube ist, desto genauer verläuft die Bohrung, da mit längeren Rohrschüssen gearbeitet werden kann. Aus dem ordnungsgemäß hergestellten und auf die Vortriebskräfte bemessenen Startschacht werden Stahlschutzrohre in den Boden gepresst. Ein Bohrkopf löst den an der Ortsbrust anstehenden Boden, der mit einer Förderschnecke in die Startgrube transportiert wird. Bei Bohrungen von einem Startschacht zu einem Zielschacht werden die Stahlschutzrohre einschließlich der Förderschnecken nach Erreichen des Zielschachtes mit den Produktenrohren gleichen Außendurchmessers in den Zielschacht gepresst und dort entnommen. Beim Einsatz von Schraubrohren können auch Produktenrohre beim Zurückziehen der Stahlschutzrohre eingezogen werden.
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2 Horizontal-Schneckenbohrverfahren
1. Bohren
2. Einschieben des Produktrohres Abb. S-3: Schematische Darstellung des ungesteuerten Vortriebs
2.7 Gesteuertes Vortriebsverfahren 2.7.1 Pilotvortrieb
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Grundvoraussetzungen für gesteuerte Bohrungen sind verdrängbare Böden mit Schlagzahlen < 50 bei Rammsondierung mit der leichten Rammsonde sowie ein maximales Größtkorn einzelner Steine von 80 mm. Der Grundwasserstand über der Rohrsohle darf 3 m nicht überschreiten. Gesteuerte Bohrungen werden mit Hilfe von Pilotrohren mit optischer Gasse, Steuerkopf, Theodolit mit CCD-Kamera und Monitor in verdrängungsfähigen Böden ausgeführt. Das Pilotrohr wird durch den Boden bis in die Zielgrube gepresst. Richtung und Neigung werden dabei permanent überwacht. Je nach Bodenverhältnissen und Bohrlänge kann es bei bindigen Böden zu Drehmomentproblemen kommen. Hierfür und für den Einsatz im Grundwasser hat Bohrtec ein doppelwandiges Pilotgestänge entwickelt, bei dem über das Innenrohr die Steuerspitze gedreht werden kann.
S Horizontalbohrungen
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2.7.2 Messtechnik Die Messtechnik besteht im Wesentlichen aus drei Elementen: der Diodenzieltafel in der Steuerspitze, dem Theodoliten mit Spezialkamera und dem Monitor. Mit dem Theodoliten ist eine kontinuierliche Beobachtung der Diodenzieltafel möglich. Bei Erkennen einer Abweichung von der auf dem Monitor angezeigten Sollbohrrichtung kann mit Hilfe der Steuerspitze, die eine schräge Ebene besitzt, gegengesteuert werden.
Abb. S-4: Bohrtec-Steuersystem
2.7.3 Dreistufiges Gesteuertes Pilotverfahren mit Aufweitung In den letzten Jahren wurden die ursprünglich für die unterirdische Herstellung von Hausanschlusskanälen erweitert. Die inzwischen robusteren Maschinen können mit größeren Drehmomenten und höheren Pressenkräften Vortriebslängen von i. M. 80 Meter auffahren. Die Systeme arbeiten i. d. Regel in drei Stufen: 1. Stufe Pilotbohrung Die Pilotbohrung erfolgt im Verdrängungsverfahren. Der Kopf des Pilotgestänges ist beim Vortrieb über eine schräge Ebene steuerbar. Mit der Rotation des Gestänges kann die schiefe Ebene beim Vortrieb in jede Richtung gebracht werden. Durch ein Hohlgestänge kann die Lage des Kopfes mit einem Theodoliten mit einer speziellen Videooptik und einer beleuchteten Zieltafel im Kopf jederzeit beobachtet werden.
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2 Horizontal-Schneckenbohrverfahren
Abb. S-5a: Stufe 1 – gesteuerte Pilotbohrung – oben: Schema [Bohrtec] – unten: Details der Pilotsteuerung [V]
2. Stufe Aufweitungsstufe Nachdem die Pilotbohrung die Zielbaugrube erreicht hat, wird im Pressschacht das Aufweitungsrohr an das letzte Pilotgestänge angekoppelt. Im Gegensatz zur 1. Stufe wird der Boden beim Vortrieb des Aufweitungsrohres abgebaut und mit einer Schnecke in den Pressschacht gefördert. Das Pilotgestänge wird in der Zielbaugrube demontiert.
S Abb. S-5b: Aufweitung mit Stahlrohr [Bohrtec]
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3. Stufe Produktrohr Analog der 2. Stufe wird nun mit dem Produktrohr das Aufweitungsrohr in die Zielbaugrube geschoben und dort demontiert. Da das Aufweitungsrohr den gleichen Außendurchmesser wie das Produktrohr hat, braucht bei der dritten Stufe kein Boden mehr abgebaut zu werden. Dieses dreistufige Verfahren findet zur Zeit im Kanalbau, im Bereich DN 150/200/250, Verwendung. Für den Nennbereich DN 300-1000 steht seit kurzem ein Vortriebssystem zur Verfügung, welches auf der beschriebenen Konzeption aufbaut, jedoch als „Zweiphasenvortrieb“ arbeitet. Durch die relativ geringen Investitionskosten, in Verbindung mit kürzeren Rüstzeiten, gegenüber der herkömmlichen Mikrotunneltechnologie, ist die Anwendung dieser Mikrotunnelvariante auch für kürzere Vortriebsstrecken interessant.
Abb. S-5c: Produktenrohr nachschieben [Bohrtec]
Abb. S-5d: Einsatzbeispiele: links: Langrahmenmaschine beim Vortrieb der Pilotbohrung in einer Baugrube – rechts: Kompaktmaschine beim Einbringen des Stahlschutzrohres in einem Schacht [Bohrtec]
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2 Horizontal-Schneckenbohrverfahren
2.5.4 Zweistufiges gesteuertes Pilotverfahren 1. Stufe: Gesteuerte Schneckenbohrung Im ersten Verfahrensschritt wird eine gesteuerte Bohrung mit einer patentierten Steuerschnecke durchgeführt. Das Pressbohrgerät wird auf Sollrichtung in der in Pressrichtung mindestens 3,20 m langen Startgrube eingerichtet. Anschließend wird der Theodolit mit der CCD-Kamera auf Sollneigung und -richtung eingerichtet. Die Bohrung wird als normale Räumbohrung mit Stahlschutzverrohrung und Hohlbohrschnecken durchgeführt. Der Schneckenbohrkopf besitzt, wie bei der Pilotbohrung, eine schräge Ebene (Abb. S-5e) in der eine Diodenzieltafel befestigt ist. Während der Bohrung wurde mit der CCD-Kamera durch die optische Gasse der Hohlbohrschnecken kontinuierlich Position und Stellung des Schneckenbohrkopfes überwacht und dem Maschinenfahrer auf dem Monitor angezeigt.
Abb. S-5e: Steuerkopf des Pilotgstänges
Erkennt der Maschinenfahrer auf dem Monitor eine Abweichung des Diodenzielfeldes von der Sollachse, kann er den Schneckenbohrkopf mit der Steuerebene so drehen, dass bei weiterem Vorpressen ohne Drehung eine Steuerbewegung in die gewünschte Richtung eintritt. Die gesteuerte Bohrung wird in der beschriebenen Weise entlang der Sollachse aufgefahren.
Abb. S-6: Zweistufiges gesteuertes Pilotverfahren – Stufe 1 [Bohrtec]
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2. Stufe: Direkt angetriebene Aufweitungsbohrung Im zweiten Verfahrensschritt wird eine direkt angetriebene Aufweitungsstufe an die Stahlschutzverrohrung gekoppelt. Beim Nachschieben der Produktenrohre wird der Boden an der Aufweitungsstufe von einer mit Abbauwerkzeugen bestückten Spezialschnecke gelöst und durch Linksdrehung der Hohlbohrschnecken durch die Stahlschutzrohre hindurch in die Zielgrube gefördert. Die Stahlschutzrohre mit den Hohlbohrschnecken werden sukzessive in der Zielgrube entnommen.
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Abb. S-7: Zweistufiges gesteuertes Pilotverfahren – Stufe 2 [Bohrtec]
Die Anlage, mit der Produktenrohre bis zu einer Nennweite DN 800 vorgepresst werden können, hat eine Vorschubkraft von 160 Tonnen sowie einen Drehmoment von 24.000 Nm.
2.7.5 Zweistufiges Gesteuertes Pilotverfahren mit Stahlrohreinbau
1. Stufe: gesteuerte Pilotbohrung
2. Stufe: Aufweitungsbohrung mit verschweißten Stahlrohren Abb. S-8: Pilot Aufweitungsbohrung 1. und 2. Stufe [Bohrtec]
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2 Horizontal-Schneckenbohrverfahren
Abb. S-9: Aufweitung-Pilotbohren mit Einbau von Stahlrohren [Bohrtec]
2.7.6 Pilotrohrvortrieb mit aktiver Aufweitung In Böden, in denen zwar eine Pilotbohrung durchgeführt werden kann, die aber aufgrund der Lagerungsdichte den Einsatz der Standardaufweitung nicht zulassen, ist alternativ der Einsatz einer aktiven Aufweitungsstufe möglich. Bis zu Außendurchmessern von 800 mm folgt diese aktive Aufweitungsstufe direkt dem Pilotgestänge. Das gelagerte Schneidrad ist über ein Drehlager mit dem Pilotgestänge verbunden. Es handelt sich hierbei um den Direktvortrieb von Produktenrohren mit einer innenliegenden Förderverrohrung, die mit Abstandhaltern verschiedenen Vortriebsdurchmessern angepasst werden kann
Abb. S-10: Pilotbohrung mit Aufweitung und Einbau von Produktrohren [Bohrtec]
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2.7.7 Gesteuertes Front-Steer-Verfahren Die neue Steuertechnik Front-Steer ermöglicht gesteuerte Stahlrohrvortriebe in nicht verdrängbaren Böden und leichtem Fels.
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Einfache Navigation mit Inklinometer und elektronischer Schlauchwasserwaage ohne optische Gasse. Der Boden / Fels wird von einer Schürfscheibe kontinuierlich abgebaut und mittels konventioneller Förderschnecken zum Startschacht transportiert. Das Steuerrohr nutzt die Bodenreaktionskraft zur Steuerung. Über ein Bedien- und Steuerpult, das die jeweilige Steuerposition des Kopfes anzeigt, kann der Maschinenfahrer wahlweise im Hand- oder Automatikbetrieb Steuerbewegungen vornehmen. Das System arbeitet mit einem Steuerrohr und einem verschweißten Stahlschutzrohr. Das Stahlrohr kann im Boden verbleiben oder nach Einbau des Produktrohres ausgebaut werden.
Abb. S-11: Oben: Front-Steer-Verfahren unten-links: Bedien- u. Steuerpult [Bohrtec]
2.7.8 Aktive Aufweitung mit Innenverrohrung Wegen der hohen Reibung von Stahlbetonrohren ist bei diesem System die Möglichkeit einer Bentonitschmierung vorgesehen.
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2 Horizontal-Schneckenbohrverfahren
Abb. S-12: Aktive Aufweitung mit Innenverrohrung [Bohrtec]
2.7.9 Aufweitung mit Backreamer und Einzug von Kunststoffrohren
Abb. S-13: Aufweitung mit Backreamer [Bohrtec]
Technische Daten oben: Kompaktmaschinen – unten: Langrahmenmaschinen
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Typ BM Vorpresskraft / Zugkraft Drehmoment Drehzahl-Erdbohrung bis Hydraulikdruck max. Zylinderhub Gewicht Länge: Start-/Zielgrube Vortriebslänge bis Rohraußen-Ø max.
50 D 250/150 4000 70 250 300 650 1,4 / 0,8 35 280
150 DT 156/93 4000 70 250 430 600 1,2 / 0,8 25 280
400 1000/500 12000 60 320 630 2600 2,0 / 1,5 80 620
400 T 1000500 12000 60 320 850 2500 2,0 / 0,8 60 620
500 1600/800 24000 60 320 750 5500 3,2 / 2,0 100 1020
kN Nm min-1 Bar mm kg m m mm
S Horizontalbohrungen
Typ BM Vorpresskraft / Zugkraft Drehmoment Drehzahl-Erdbohrung bis Hydraulikdruck max. Zylinderhub Gewicht Masch.- Länge / -breite Rohraußen-Ø max.
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400 LS 1500/500 20000 20/62 320 600 2900 1,62/1,54 900
600 LS 2400/800 30000 21/67 320 1100 5600 2,65/1,94 1200
800 L 3000/1500 50000 26/78 320 1200 9000 2,93/2,15 1400
600 LSC 2500/1000 50000 18/53 320 500 5900 2,30/2,20 1280
kN Nm min-1 Bar mm kg m mm
Für die jeweiligen Geräte stehen die erforderlichen Hydraulikaggregate mit Antriebsleistung von 24-160 kW zur Verfügung (Diesel- bzw. Elektroantrieb).
2.7.10 Produktrohre Es können grundsätzlich folgende Produktrohre verwendet werden: Stahlbeton-Rohre werden aus Beton B 45 oder B 55 mit einem PZ mit hoher Sulfatbeständigkeit hergestellt. Erhältlich sind diese Rohre ab einer Nennweite von DN 250. Polymerbeton-Rohre werden aus Beton unter Zusatz von Polyesterharz und Quarz hergestellt. Sie sind vor allen im Abwassersektor gut geeignet, da sie eine hohe Korrosionsbeständigkeit gegen chemische und mechanische Angriffe haben. Steinzeugrohre werden aus Ton hergestellt und die Rohrverbindung als V4A Edelstahlmanschette (DN 250 bis DN 1000) oder VT-Kupplung (DN 200 bis DN 500) ausgebildet GFK-Rohre werden aus glasfaserverstärktem Kunststoff hergestellt. Die Wanddicken richten sich nach den aufzunehmenden Pressenkräften. Die Rohre besitzen eine geringe Wandrauigkeit und benötigen wegen ihrer Elastizität keinen Druckring. Überwiegend dürften Stahlbeton-Rohre zum Einsatz kommen, die allerdings die größten Vorpresskräfte erfordern. Zum Abbau der Reibungskräfte wird Bentonitschmierung empfohlen. Wegen der hohen Vorpresskräfte bei Betonrohren ist ein entsprechendes Widerlager erforderlich. Bei der Verwendung von Stahlrohren sind die entsprechenden DIN-Normen zu beachten. Zukünftige Kurznamen für Stahlsorten nach sind: Derzeitige Kurznamen nach DIN 1626 St 37.0 St 44.0 St 52.0
Künftige Kurznamen nach prEN 10224 L 235 L 275 L 335
Die neuen Normen sich noch nicht verbindlich eingeführt. Bei Stahlrohren werden auch die Richtlinien der API 5L verwendet (z. B. in der Tiefbohrtechnik). Für Scheißverbindungen gelten die DIN-Normen EN10298:2005-12 und DIN 2880:1999-01. In Bergsenkungsgebieten bestehen besondere Anforderungen zum Rohrmaterial und Muffenverbindungen, die zu beachten sind. Abdruck der wichtigsten DIN-Tabellen siehe Anhang.
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3 Horizontalbohrungen nach dem AVN-Verfahren
3 Horizontalbohrungen nach dem AVN-Verfahren 3.1 Allgemeines Das AVN (AVN = Automatischer Vortrieb Nass) wird bei der Herrenknecht AG für Durchmesser von DN 250 bis DN 3500 mm eingesetzt. Die folgenden Ausführungen behandeln den Durchmesserbereich von 250 bis 1000 mm, dem sog. Microtunnelbau (nicht begehbarer Bereich). Im grundwasserfreien Bereich kann abweichend von der Bezeichnung „Nassabbau“ auch ein Trockenabbau mit Schneckenförderung (s. auch 1.2) erfolgen. Das Verfahren hat aber nur eine Bedeutung bei kürzeren und geraden Streckenlängen. Für die beim AVN-Verfahren aufgeführten Bereiche im Rohrvortrieb – steuerbar, unbemannt und steuerbar, bemannt – haben viele technischen Ausrüstungen und Vortriebstechniken allgemeine Gültigkeit. Hierzu gehören: • Start- und Zielschächte • Dehnerstationen • Rohrmaterial • Schmierung • Steuerung und Navigation
3.2 Start- und Zielschächte
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Von wenigen Ausnahmen abgesehen, ist der Startschacht mit Pressstation eine verbaute Baugrube, deren Abmessungen der geplanten Geräteausstattung und Rohrlängen entsprechen. Die Rückwand muss so ausgebildet sein, dass sie die z. T. sehr hohen Pressenkräfte aufnehmen kann, ohne die Standsicherheit der Baugrube zu gefährden, womit eine Verformung der Verbauelemente vermieden wird. Die Größe richtet sich nach dem Durchmesser und der Länge der Vortriebsrohre sowie der Art des Fördersystems. Liegt der Scheitel des geplanten Rohrvortriebs unterhalb des Höchst-Grundwasser-Spiegels (HGW), müssen im Ein- und Ausfahrschacht Ein- u. Ausfahrtdichtungen an der jeweiligen Innenwand des Schachtes montiert werden. Die eigentliche Abdichtung übernimmt eine sog. Brillenwanddichtung. Sie besteht aus einem zwischen der Braugrubenwand und einem Stahlring eingespannten Elastomerring. Die Abdichtung muss dem Druck des anstehenden Grundwassers und des Schmiermittels standhalten und zusätzlich das Eintreten des Bodens verhindern. Da langhubige Pressen sehr große Schächte erfordern, verwendet man heute fast ausschließlich teleskopierbare Pressen (Abb. S-14). Stehen nur kurze Pressen zur Verfügung oder können aus Platzgründen nur solche verwendet werden, kommen Verlängerungselemente zum Einsatz, bei denen auf exakten Einbau zu achten ist. Als temporäre Baugrubensicherung werden Stahlspundwände oder Bohlträgerverbau eingesetzt. Für eine evtl. Permanentsicherung können Bohrpfahlwände oder Stahlbetonringe bzw. elemente verwendet werden. Der Zielschacht dient zum Bergen der Maschineneinheit. Er kann aber z. T. auch gleichzeitig Startschacht für weitere Pressungen sein (z. B. bei Abwinklungen). Der Verbau dient im Allgemeinen auch der Erstellung des späteren Schachtbauwerks.
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Abb. Q-14: Beispiel für einen Startschacht mit TemporärSpundwandverbau und Langhubpressen.
3.3 Dehnerstationen Mit zunehmender Vortriebslänge erhöhen sich aufgrund der Reibung zwischen Rohraußenfläche und dem Boden die Vortriebskräfte. Ein Vorpressen der gesamten Strecke durch die Hauptpressstation im Startschacht ist nicht mehr möglich, will man die Produktrohre nicht überlasten. Man unterscheidet im Prinzip zwei Versionen von Dehnerstationen (Abb. Q-15). Die wiedergewinnbaren Dehnerstationen, ganz aus Stahl, die relativ kurz hinter der Abbaumaschine eingebaut werden und nach Vortriebsende wieder herausgeschoben werden können, und die verlorenen Dehnerstationen, bei denen das Dehnervorlaufrohr mit Mantel und Dehnernachlaufrohr nach Vortriebsende im Boden verbleiben und nur die Innenteile wie Hydraulikzylinder, Befestigungsmaterial und Schläuche ausgebaut werden. Die Dehnerstation besteht aus zwei Druckringen (Stahlmanschetten) mit mehreren kurzhubigen Pressen, welche zwischen zwei Vortriebsrohren montiert sind. Die Beaufschlagung und Steuerung erfolgt beim bemannten Vortrieb über eine Hydraulikanlage im Startschacht. Beim unbemannten Vortrieb (Microtunnelling) werden die Dehnerstation wie die Hauptpressstation vom Steuerpult im Container bedient. Lediglich eine hydraulische Versorgungsleitung wird je Station benötigt Die Dehnerstation muss so montiert sein, dass sie beim Verrollen des Rohstrangs oder einer evtl. Fehlbedienung nicht aus der Halterung geraten kann. Ferner sind die Hydraulikschläuche sowie alle Ver- und Endsorgungsleitungen so anzuordnen, dass sie die auftretende Veränderung beim Vorschub ohne Beschädigungen aufnehmen können.
3.4 Schmierung Ein wesentlicher Faktor für die Höhe der Vortriebskräfte ist die Mantelreibung. Theoretisch können die Kräfte der Vortriebspressen beliebig weit gesteigert werden. Die Grenze der Presskraft liegt jedoch in der Aufnahmefähigkeit der Vortriebsrohre für die von ihnen übertragenen Längskräfte. Um möglichst lange Vortriebsstrecken zu erzielen, müssen die zu überwindenden Widerstände gesenkt werden. Für den Abbau der Reibungskräfte sind folgende Umstände maßgebend: • saubere Oberfläche • genaue Rohrform u. Abmessungen
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3 Horizontalbohrungen nach dem AVN-Verfahren
• Maschinenschild bzw. Bohrkopf mit größerem Durchmesser als die Rohre • Schmierung mit Bentonitsuspension Bentonit ist ein feines Tonmehl, das zusammen mit Wasser zu einer plastischen Substanz angerührt wird. Sie dringt unter dem Einpressdruck bis zu einer bestimmten Tiefe in den Boden ein und bildet einen Schmierfilm um das Rohr. Außerdem wirkt auf das Rohr durch die Suspension ein Auftrieb, der das Rohr sozusagen „trägt“ und ferner mögliche Setzungen reduziert. Dies ist neben der Schmierwirkung ein weiterer Grund, weshalb die Vortriebskraft mit der Verwendung einer Bentonitsuspension gesenkt werden kann. Die Bentonitdüsen sollten möglichst gleichmäßig über den Rohrumfang verteilt sein und die Einpressung möglichst dicht hinter dem Maschinenrohr erfolgen.
Abb. S-15: Automatische Bentonit-Schmierung – System Herrenknecht
Da sich die Bodenverhältnisse über eine Vortriebsstrecke wesentlich ändern können und der Schmiermittelbedarf nicht bei allen Bodenarten gleich ist, wurde ein automatisches Schmiersystem entwickelt. Bei diesem System können die Injektionszeiten und die Durchflussmengen eingestellt werden. Diese Einstellungen können bei Bedarf immer geändert werden. Nach Abschluss der Vortriebsarbeiten müssen die Bentonitöffnungen in den Rohren beseitigt und plombiert werden.
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Abb. S-16: Langstreckenvortrieb mit einer Flussunterquerung und System der Dehneranordnung
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3.5 Rohrmaterial Die vorgetriebenen Rohre werden entweder als Schutzrohre oder als Produktrohre verwendet. Stahlbeton-Rohre werden aus Beton B 45 oder B 55 mit einem PZ mit hoher Sulfatbeständigkeit hergestellt. Erhältlich sind diese Rohre ab einer Nennweite von DN 250. Polymerbeton-Rohre werden aus Beton unter Zusatz von Polyesterharz und Quarz hergestellt. Sie sind vor allen im Abwassersektor gut geeignet, da sie eine hohe Korrosionsbeständigkeit gegen chemische und mechanische Angriffe haben. Steinzeugrohre werden aus Ton hergestellt und die Rohrverbindung als V4A Edelstahlmanschette (DN 250 bis DN 1000) oder VT-Kupplung (DN 200 bis DN 500) ausgebildet GFK-Rohre werden aus glasfaserverstärktem Kunststoff hergestellt. Die Wanddicken richten sich nach den aufzunehmenden Pressenkräften. Die Rohre besitzen eine geringe Wandrauigkeit und benötigen wegen ihrer Elastizität keinen Druckring. Überwiegend dürften Stahlbeton-Rohre zum Einsatz kommen.
3.6 Mess- und Navigationstechnik Bei den Vortriebssystemen wird überwiegend die Laservermessung verwendet. Dabei befindet sich das den Zielstrahl aussendende Gerät, der Laser, im Startschacht und das empfangende Gerät, die Zieltafel, in der Vortriebsmaschine. Zum Vermessungssystem gehören folgende Komponenten: • Laser • Zieltafel • Auswertecomputer mit Monitor • Drucker ©Der Auftreffpunkt des Laserstrahls auf der Zieltafel wird elektronisch ermittelt und über eine Datenleitung an den Auswertecomputer im Steuerstand weitergegeben. Dort werden die Vermessungsdaten grafisch und numerisch auf dem Monitor dargestellt. Parallel wird vortriebsabhängig automatisch ein Protokoll mit allen Messdaten erstellt und ausgedruckt. Zur Zeit werden im wesentlichen vier Systeme in Abhängigkeit vom Rohrdurchmesser, vom Trassenverlauf und vom Förder- und Abbauverfahren eingesetzt: A. Gerichteter Laser mit elektronischer Zieltafel Er ist für gerade Haltungen und bis zu Vortriebslängen von ca. 200 m bestens geeignet. Die max. Tunnellänge ist abhängig vom verwendeten Laser sowie den Refraktionen im Tunnel. Die Positionsbestimmung erfolgt permanent. B. Gerichteter Laser mit elektronischer Zieltafel und elektronischer Schlauchwasserwaage. Upgrade des unter A) beschriebenen Systems. Das System ist geeignet für lange gerade Vortriebe bis zu 400 m. Die verwendete Schlauchwasserwaage übernimmt die Bestimmung der Maschinenhöhe, mit dem Laser wird die Lage bestimmt. C. Mitfahrendes Lasertheodolit-System mit elektronischer Zieltafel System für Langstrecken- und Kurvenvortriebe. Da der Laser mitfährt, gibt es kaum Störungen durch Refraktion oder Luftverwirbelungen. Durch die Einbauten im Produktrohr ist das System in Maschinen < DN1400 nur bedingt einsetzbar. Die Materialförderung (z. B. Wagen) muss berücksichtigt werden. Kurven mit geringem Radius (< 500 m) erschweren die Installation der Komponenten im Produktrohr und somit die Berechnungsgenauigkeit. Die Maschinendrift wird vom System erfasst.
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3 Horizontalbohrungen nach dem AVN-Verfahren
D. Mitfahrender nordsuchender Kreiselkompass mit elektronischer Schlauchwasserwaage. Geeignet für Kurvenvortriebe unabhängig vom Radius. Das System kann in Maschinen ab DN-600 eingesetzt werden. Es sind keine Komponenten im Rohrstrang installiert, das System erfordert keine Sichtverbindung zwischen den Komponenten. Die Maschinendrift muss in regelmäßigen Abständen (ca. 40 m) durch die Ausführung von geodätischen Kontrollvermessungen neu bestimmt werden.
3.6 Microtunnelbau 3.6.1 Allgemeines Der Microtunnelbau (Microtunnelling) ist ein Rohrvortrieb nach ATV A 125 (Vorentwurf), der unbemannt ferngesteuert betrieben wird. Dazu werden von Startschacht aus Mantel- oder Produktrohre mit Pressen durch den Baugrund bis in einen Zielschacht vorgetrieben. Der Boden wird an der Ortsbrust von den Rohren angeordneten unterschiedlichen Vortriebsmaschinen abgebaut und anschließend mittels Schnecken hydraulischer oder pneumatischer Förderung zum Startschacht und anschließend nach über Tage befördert. Der lichte Durchmesser liegt im Bereich DN 250 bis DIN 3400 (in Ausnahmefällen bis DN 4000) – im Folgenden werden nur Durchmesser bis max. 1400 mm behandelt-. Das Verfahren bietet sich u. a. an für alle Rohrleitungsprojekte in bebauten Gebieten, entlang stark frequentierter Straßen, für Unterquerung von Verkehrsanlagen und insbesondere bei anstehendem Grundwasser im Leitungsbereich.
Abb. S-17: Schematische Darstellung des Microtunnelbaus – hier mit Nassabbau.
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Das Microtunnelsystem ermöglicht Kurvenfahrten sowie das Ab- und Auftauchen der Rohrleitung (s. Abb. S-16) Für die Steuerung, Überwachung und Protokollierung der Gesamtanlage wird ein fertig montierter, schallisolierter Container (Herrenknecht AG) angeliefert. Hierbei ist der Arbeitsraum von der Hydraulik und der Elektrik durch eine Trennwand abgeteilt. Im Bedienungsraum befindet sich das Steuerpult. Im Maschinenraum sind sämtliche Hydraulik- und Elektroeinrichtungen untergebracht, die für den Betrieb des Wasserkreislaufs, der Bentonitschmierung, der Haupt- und Zwischenpressen sowie der Maschine benötigt werden.
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Der Betriebscontainer wird bei kleinen Nennweiten direkt über dem Schacht aufgebaut. Die Produktrohre werden durch die im Container installierte und ins Freie verlängerte Kranbahn (c. Abb. Q-17 + Q-18) aufgenommen und im Pressschacht versetzt. Gleichfalls im Container montiert, befindet sich der Vermessungsauswertecomputer und der Drucker.
Abb.S-18: Herrenknecht-MicrotunnelMaschine Typ AVN 600 mit Baustelleneinrichtung (wie o. e.)
Der 2. Container dient der Aufbereitung und Separierung der Bohrspülung. Der Container ist Zweigeteilt. Der Spülungsrücklauf wird in den hinteren Teil geleitet, wo sich die Feststoffe absetzen. Die gereinigte Spülung gelangt durch einen Überlauf und wird dort mittel Pumpe wieder zum Bohrkopf geleitet. Als Fördersystem für den Materialtransport vom Schneidrad zum Transportsystem im Rohrstang kommen hauptsächlich zum Einsatz: • Schneckenförderung • Spülförderung (Slurry-Maschine) • Spülförderung mit Slurry-Maschinen und Druckluftpolster • Dickstofförderung und Erdstützung (EPB) • Pneumatische Förderung 3.6.2 Microtunnelbau mit Schneckenförderung Bei der Schneckenförderung erfolgt der Transport des gewonnenen Materials mit Bohrschnecken, die entsprechend dem Vortrieb laufend verlängert werden. Die Schnecke kann mit unterschiedlichen Bohrköpfen ausgerüstet werden. Der Austritt der Vortriebsrohre sollte so hoch über der Sohle liegen, dass das Bohrgut unmittelbar in ein Fördergefäß fällt und zu Tage gefördert werden kann. Bedingt durch die weiter unten aufgeführten Probleme bei der Schneckenförderung betragen die Haltungslängen je nach Durchmesser und Bodenverhältnissen max. 80 m (in seltenen Fällen bis 100 m). Bei den Maximallängen liegt der Durchmesser erfahrungsgemäß bei ca. 600 mm (seltener größer). Mit zunehmendem Durchmesser sinken die Haltungslängen bis auf ca. 15 m bei einem Durchmesser von max. 1000 mm.
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3 Horizontalbohrungen nach dem AVN-Verfahren
Die Schneckenförderung hat bei Ton- und Lehmböden gewisse Vorteile, da sonst die Separierung dieser Böden wegen des hohen Anteils an Feinteilen aufwendig und teuer ist. Probleme bei der Schneckenförderung • Der Vortrieb muss oberhalb des Grundwassers liegen (im Grundwasserbereich nur sehr bedingt und mit Zusatzausrüstungen möglich). • Grundsätzlich und besonders bei bindigen Böden kann es sehr schnell zu Drehmomentproblemen kommen. • Bei Durchmessern ab 700 mm wird der Umgang mit den schweren Bohrschnecken sehr schwierig und aufwendig, da i. d. R. nur kurze Bohrschnecken eingesetzt werden können (von der Schachtgröße abhängig). • Bei den meist engen Start- und Zielschächten ist die Bodenabfuhr problematisch. • Die Vorpresseinrichtung und Widerlager müssen der üblichen Einrichtung beim Microtunnelbau entsprechen. • Da ein Schmiersystem i. d. R. nicht eingesetzt werden kann, sind insbesondere bei größeren Haltungslängen hohe Vorschubkräfte nötig. • Hindernisse in Form von Mauer- u. Betonresten, Holzpfählen, mittlerem bis hartem Fels u. s. w. können zum Abbruch der Bohrung führen. • Von besonders günstigen Bodenverhältnissen einmal abgesehen, sind die Bohrleistungen gering. Im Microtunnelbau sind daher Schneckenbohrungen nur in Durchmessern von 250 mm bis 700 mm und dann auch nur bei kurzen Vortriebsstrecken üblich. Die genannten Probleme haben dazu geführt, dass der Microtunnelbau mit Schneckenvortrieb vom Vortrieb mit Spülbohrung oder HDD-Verfahren mehr und mehr verdrängt wurde. Es gibt aber durchaus Problemstellungen, wo das Spülbohren nicht erwünscht oder wegen der kurzen Vortriebslängen zu aufwendig ist. Abb. S-16 zeigt verschiedene Förderschnecken mit Steuerungssystemen.
Abb. S-19: Verschiedene Bohrschneckenund Steuerungs-System
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S Horizontalbohrungen
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Abb. S-20: links: Felsbohrkopf – rechts: Bohrschnecke mit Rollenmeißel , die zur Rohrhinterschneidung ausgefahren werden können.
3.6.3 Microtunnelbau mit Spülförderung Bei Maschinen der Baureihe mit Nennweiten von 250 bis 700 mm wird die Spülflüssigkeit durch die Antriebswelle (Hohlwelle) zum Maschinenzentrum gefördert. Die Ausführung dieses Maschinentyps mit Felsbohrkopf ist erst ab DN 400 möglich. Diese Systeme werden als Slurry-Maschinen bezeichnet. Bei den Maschinen mit Nennweiten von 800 bis 1200 mm ist gleich hinter dem Konusbrecher im unteren Teil dieser Maschinen für den Abtransport der Spülflüssigkeit ein Saugstutzen eingebaut. Ab einem Durchmesser von DN 1200 ist die T-Serie einsetzbar. Sie eignet sich für den Einsatz in Fels mit Festigkeiten bis 300 MPa. Der zentrumsfreie Antrieb erlaubt einen Zugang zum Schneidrad, so dass verschlissene Werkzeuge ausgetauscht und etwaige Hindernisse wie z. B. Spundbohlen, Stahlträger, Findlinge beseitigt werden können. Durch diese Technik können wesentlich größeren Haltungslängen erreicht werden.
Abb. S-21: Schematische Darstellung der Herrenknecht AVN-Maschine mit Slurry-Schild
Das Grundkonzept dieser Maschinen ermöglicht den Einsatz in sämtlichen Geologien. Für den Betrieb in bindigen Böden ist eine Hochdruckbedüsung einsetzbar, mit welcher ein Verkleben der Abbaukammer verhindert wird. Durch schnelle und einfache Montage eines Aufdoppelmantels kann jede Maschine um eine Durchmesser-Stufe aufgedoppelt werden.
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3 Horizontalbohrungen nach dem AVN-Verfahren
Vortriebsablauf Das Grundkonzept dieser Maschinen ermöglicht den Einsatz in heterogenen Böden: von Schluff über nicht bindige Böden bis zu Fels. Der abgetragene Boden wird über die Speiseleitung (7) mit Wasser oder Bentonit vermischt, im Konusbrecher (2) der Maschine wie in einer Kaffeemühle zerkleinert und anschließend durch die Förderleitung (6) zur Oberfläche gepumpt. Dort werden Boden und Flüssigkeit in der Separationsanlage getrennt und das so genannte Spülwasser wieder dem Kreislauf zugeführt. Die Steuerung der Maschine erfolgt über die Steuerzylinder (3). Das Abbauwerkzeug bzw. Schneidkopf (1) wird über das elektrische Aggregat (4) angetrieben. Durch eine Druckluftschleuse (3) ist bei Reparaturen ein Zugang zum Schneidkopf möglich (gilt nur für Durchmesser ab 800 mm).
3.6.4 Microtunnelbau mit Spülförderung und Druckluftpolster Mixschilde (Slurry-Maschinen mit Druckluftpolster), werden auch als Hydroschilde bezeichnet und sind im Vergleich zu den reinen Slurryschilden flexibler in ihrem geologischen Einsatzbereich, da sie in wechselhaften Böden eine höhere Sicherheit bieten. Der Einsatz ist ab einem Durchmesser von DN 1600 möglich. Dieser Maschinentyp ist für inhomogene und wechselnde Geologien mit und oder ohne Grundwasser möglich. Die Maschine kann unter Tage vom Mixschild auf Slurry-Mode (oder umgekehrt) umgestellt werden. Keine Anwendung im Minitunnelbereich.
3.6.5 Microtunnelbau mit Dickstoffförderung und Erddruckstützung (EPB) EPB-Schilde ab einem Durchmesser von DN 1400 werden vorwiegend in Geologien mit breiiger bis weicher Konsistenz eingesetzt. Als Stützmedium dient lediglich der mit dem Schneidrad gelöste Boden. Das abgebaute Material wird, ggf. unter Zugabe von Konditionierungsmitteln, zu einem „Erdbrei“ umgeformt und übernimmt die Stabilisierung der Ortsbrust. Eine Schnecke, die bis in die Abbaukammer reicht, befördert den Boden von der Ortsbrust weg. Am Ende der Förderschnecke wird das abgebaute Material an eine nachgeschaltete Dickstoffpumpe übergeben, wobei die Möglichkeit besteht, einen Materialbrecher zu integrieren. Keine Anwendung im Minitunnelbereich.
3.6.6 Microtunnelbau mit pneumatischer Förderung Diese Maschinen, bei denen der Boden trocken gefördert wird, so dass ein Separationsaufwand entfällt. Dieses System kann ab einem Durchmesser von DN 800
mm eingesetzt werden.
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Durch eine Maschinenlänge von 2422 mm reicht ein Schachtdurchmesser von 3,0 m. Diese Maschine arbeitet nicht mit den herkömmlichen Fördermethoden, sondern nutzt die pneumatische Förderung. Beim ersten Einsatz dieser Vortriebsmaschine wurden bereits Auffahrlängen von ca. 100 m und mehr erreicht. Mittels eines Saugaggregats wird über die Förderleitung ein Unterdruck erzeugt. Die Luft wird über den Rohrquerschnitt des Produktrohres in die Maschine geleitet, im Bohrkopf umgelenkt und strömt anschließend durch die Zellen der Zellenwand.
S Horizontalbohrungen
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Das Erdreich wird durch die Drehbewegung und die spezielle Geometrie des Schneidrads abgebaut und in die Zellen der Zellenwand geleitet. Bei jeder Umdrehung des Schneidrads wird jede Zelle gefüllt und geleert. Durch die Anordnung der Luftumkehr im Bohrkopf des Schneidrads wird ein kontrollierter Abbau und Abtransport des Bodens gewährleistet. Der durch die Zellenwand strömende Luftstrom reißt das Erdreich aus den Zellen und fördert es zu einem Absetzbehälter, der dem Saugaggregat vorgeschaltet ist. Die Maschine ist kompatibel mit den marktüblichen Standardcontainern.
Abb. S-22: Schematische Darstellung der Minitunnels-Systems mit pneumatischer Förderung [Herrenknecht]
Technische Daten (Auswahl) Herrenknecht AVN –System 250 XC – 1000 XC Maschinentyp AVN XC Außen-Ø Innen-Ø Drehmoment Drehzahl Vorschub Steuerzylinder
250
400
600
800
1000
368 250 5,3 0-44 45 3
565 400 13,4 0-19 45 3
780 600 33,5 0-13 45 3
1100 800 90 0-7,1 75 3
1295 1000 150 0-5,4 75 3
mm mm kNm min–1 kN St
3.6.7 Vorteile des Minitunnelverfahrens Denn die grabenlose, geschlossene Bauweise bietet überzeugende Vorteile: • Kosten und Termine lassen sich wesentlich präziser abschätzen und einhalten. • Oberirdisches Leben bleibt weitgehend unberührt. • Lärm und Erschütterungen sind kaum feststellbar (Ausnahme am Einfahrschacht). • Die Belastungen für Verkehr und Straßen sind gering. • Grundwasserabsenkungen sind unnötig.
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4 Horizontal-Spülbohrtechnik (HDD)
• • • • •
Bestehende Leitungen werden einfach umfahren. Sie ist schonend im Umgang mit Natur und Bausubstanz. Die Deponiebelastung ist durch minimalen Aushub gering. Sie ist auch in dichter Bebauung möglich. Die Bauarbeiten sind weitgehend witterungsunabhängig.
4 Horizontal-Spülbohrtechnik (HDD) 4.1 Allgemeines
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Das gesteuerte Horizontalbohrverfahren (oder auch Richtbohrverfahren genannt) wurde in den USA entwickelt und revolutionierte in seiner Anfangszeit insbesondere die Querung von größeren Flüssen mit Versorgungsleitungen aller Art. Als Geburtsstunde des Horizontal-Directional-Drilling (HDD) im heutigen Sinne gilt die etwa 180 m lange Unterquerung des Flusses Pajaro in der Nähe des Ortes Watsonville, Kalifornien, mit einer Gashochdruckleitung DN 100 aus Stahl im Jahre 1972. Geplant und erfolgreich ausgeführt wurde das Projekt von Martin Cherrington und der von ihm 1965 gegründeten Firma Titan Contractors. Wesentliche Merkmale dieser für den Pipelinebau völlig neuartigen Technik wurden aus der Tiefbohrtechnik auf Erdöl & Erdgas übernommen und für die speziellen Erfordernisse des gesteuerten Bohrens im oberflächennahen Bereich weiterentwickelt. Zwischen 1972 und 1979 war der Einsatz dieser Technik auf relativ kurze Kreuzungslängen limitiert, insgesamt wurden in dieser Zeit nur etwa 40 Bohrungen ausgeführt – allesamt in den USAS. Seit 1979 erfolgte eine rasante Weiterentwicklung der gesteuerten Horizontalbohrtechnik, einhergehend mit nahezu weltweitem Einsatz auf Spezialprojekten im Pipelinebau. In Europa wurden Projekte im Horizontal-Directional-Drilling Verfahren erstmals zu Beginn der achtziger Jahre erfolgreich ausgeführt. Am 01.12.1994 erfolgte dann folgerichtig die Gründung des Verbandes Güteschutz Horizontalbohrungen e.V. (DCA), der sich als europäischer Verband die Gütesicherung bei der Durchführung von HDD Bohrungen auf die Fahne geschrieben hat. Mit den heute auf dem Markt befindlichen Großbohranlagen sind bereits Kreuzungslängen von mehr als 2000 m erfolgreich realisiert worden. Die sich ständig weiterentwickelnde Bohrtechnik ermöglicht bereits jetzt das grabenlose Verlegen von Rohren bis zu einem Durchmesser von etwa 70,8" (DN 1800) in nahezu allen Bodenformationen. Der standardmäßige Ablauf einer gesteuerten Horizontalbohrung lässt sich in drei Hauptarbeitsschritte unterteilen: • Vorbereiten der Standfläche • Herstellen einer gesteuerten Pilotbohrung • Räumen des Bohrkanals auf den Enddurchmesser (ggf. in mehreren Aufweitungsstufen) • Einziehen des zu verlegenden Rohres • Standfläche räumen und säubern
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4.2 Vorteile des Verfahrens Als Vorteile des Verfahrens kann man nennen: • keine offenen Gräben • hohe Zielgenauigkeit • keine Zerstörung von Wurzelwerk • Verwendung aller gängigen Rohrmaterialien • keine Setzungen • keine Störung des fließenden Verkehrs • Unterquerung von Verkehrsanlagen, Kanälen und Flüssen • geringer Platzbedarf • kurze Bauzeit • geringe Lärmbelästigung • umweltschonend • Minimierung der Baukosten • Bohrdurchmesser z. Zt. bis 1800 mm • Bohrlängen ohne Zwischenbaugruben z. Zt. bis ca. 2000 m
4.3 Pilotbohrung (Arbeitsschritt 1) Die gesteuerte Pilotbohrung erfolgt entlang einer zwei- oder dreidimensional gekrümmten Soll-Bohrlinie zwischen einem Eintrittspunkt (vor dem Bohrgerät) und einem Austrittspunkt auf der gegenüberliegenden Seite des zu unterquerenden Hindernisses.
Abb. S-23: Arbeitsschritt 1: Pilotbohrung
Das Lösen des anstehenden Bodens erfolgt durch einen am vorderen Ende des Bohrstranges befindlichen Bohrkopf. Je nach Bodenart wird entweder ein Düsenmeißel Jet-Bit) für vornehmlich hydraulische Lösearbeit oder ein Gesteinsmeißel mit Bohrlochsohlenmotor (rock-bit mit mud motor) für kombiniert hydraulisch-mechanische oder vollständig mechanische Lösearbeit eingesetzt.
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4 Horizontal-Spülbohrtechnik (HDD)
Die Steuerung der Pilotbohrung entlang der vorberechneten Soll-Achse erfolgt entweder durch eine asymmetrische Gestaltung des Bohrkopfes oder durch Einsatz eines leicht abgewinkelten Bohrstangenelementes hinter dem Bohrkopf. Bei einem Vorschub ohne Rotation bestimmt die momentane Richtung des Winkelstücks oder der Steuerfläche (Abschrägung) den weiteren Verlauf der Bohrung, bei gleichzeitiger Rotation des Bohrstranges neutralisieren sich die konstruktiven Asymmetrien und die Bohrrichtung verläuft geradlinig. Um mit dem Bohrwerkzeug einer vorgegebenen SOLL-Achse folgen zu können, ist es erforderlich, jederzeit die genaue Position des Bohrkopfes im Untergrund zu kennen. Hierzu sind besondere Messsonden im Bohrstrang hinter dem Bohrkopf installiert. Je nach Anwendungsbereich und eingesetzter Technik erfolgt die Übertragung der Positionsdaten drahtlos zu einem an der Erdoberfläche oberhalb des Bohrkopfes befindlichen Empfänger (Walk-Over-Systeme) oder über ein im Bohrstrang verlaufendes Kabel (Down-Hole oder Wire-Line-Systeme) zu den obertägigen Anzeige- und Datenverarbeitungseinrichtungen.
4.4 Räumen des Bohrkanals (Arbeitsschritt 2) Der zweite Arbeitsschritt bei der Durchführung einer gesteuerten Horizontalbohrung ist das Vergrößern der Pilotbohrung auf den zum Einzug des Rohres erforderlichen Durchmesser. Dazu wird an den noch im Bohrloch befindlichen Bohrstrang an der Austrittsseite der Bohrung ein an die jeweiligen Bodenverhältnisse angepasstes Bohrwerkzeug (Räumer oder Reamer) montiert.
Abb. S-24: Arbeitsschritt 2: Räumen des Bohrkanals
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Der kraftschlüssig mit dem Bohrstrang verbundene Räumer wird drehend durch den Boden zur Bohranlage gezogen und erweitert dabei aufgrund seines größeren Außendurchmessers das Bohrloch auf den neuen Durchmesser. Für jede an der Bohranlage abgebaute Bohrstange wird am Austrittspunkt direkt eine neue Bohrstange nachgesetzt. Dadurch befindet sich zu jeder Zeit ein kompletter Bohrstrang im Bohrloch, unabhängig von der Position des Räumers. Mit dem Zutagetreten des Räumers an der Bohranlage ist der erste Räum- bzw. Aufweitschritt abgeschlossen. Je nach Durchmesser der einzuziehenden Rohrleitung folgen nun weitere Auf-
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weitschritte mit größeren Räumern bis der erforderliche Enddurchmesser des Bohrkanals erreicht ist. Im Normalfall wird der Bohrlochdurchmesser etwa um den Faktor 1,2 bis 1,5 größer als der Durchmesser des einzuziehenden Rohres gewählt. Der während dieses Arbeitsschrittes gelöste Boden wird mit Hilfe der ständig durch den Bohrstrang zum Bohrwerkzeug gepumpten Bohrspülung bei deren Rückfluss im Ringraum zwischen Bohrgestänge und Bohrlochwand nach übertage ausgetragen. Die Stabilität des unverrohrten Bohrkanals wird im Wesentlichen durch den auf die Bohrlochwand wirkenden hydrostatischen Druck der Bohrflüssigkeit gewährleistet.
4.5 Einziehvorgang (Arbeitsschritt 3) Als letzter Arbeitsschritt bei der Durchführung einer steuerbaren Horizontalbohrung wird das auf der Austrittsseite der Horizontalbohrung vorbereitete Produktenrohr in das fertig aufgeweitete Bohrloch eingezogen (Pull-back).
Abb. Q-25: Arbeitsschritt 3: Einziehvorgang
Um einen beschädigungsfreien und möglichst reibungsarmen Einzug der Rohrleitung zu gewährleisten, wird das Rohr in der Regel auf Rollenlager gelegt und über einen Oberbogen in die erforderliche Richtung zum Eintritt in den Bohrkanal gebracht. Die Verbindung des Bohrstranges mit dem einzuziehenden Produktenrohr erfolgt über ein Drehgelenk (Swivel). Zum Einziehen des Rohrstranges in das vorbereitete Bohrloch wird der Bohrstrang drehend zur Bohranlage zurückgezogen und dort Stange für Stange ausgebaut. Durch den zwischengeschalteten Drehwirbel wird verhindert, dass die Drehungen des Bohrstranges auf das Produktenrohr übertragen werden.
4.6 Anwendungsgebiete des HDD Verfahrens
S Die mit Hilfe des HDD-Verfahrens installierten Produktenleitungen dienen u.a. dem Transport von:
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4 Horizontal-Spülbohrtechnik (HDD)
• Rohöl • Erdgas • Produkten der Petrochemie • Raffinerieprodukten • Wasser • Abwasser • Fernwärme Häufig werden auch Schutzrohre für den Einzug von Energiekabeln oder Lichtwellenleitern verlegt. Gesteuerte Horizontalbohrungen sind heutzutage mit wenigen Einschränkungen in allen Bodenarten möglich, auch im Festgestein. Längst nicht mehr alle Horizontalbohrungen folgen heute komplett dem oben beschriebenen 3 Phasen Prinzip und nicht in allen Fällen dient der Einsatz der gesteuerten Horizontalbohrtechnik dem Unterqueren von Hindernissen. Wichtige Anwendungsgebiete sind die Querungen von: • Flüssen und Gewässern • Straßen aller Art • Bahnstrecken • Start- und Landebahnen • Biotopen • unzugänglichem Gelände • schützenswerten Oberflächen Daneben gibt es u. a. folgende Spezialanwendungen: • Horizontalfilterbrunnen zur Trinkwassergewinnung • Drainagen, Bewässerungen • Felsbohrungen • Sanierungen im Deponie- und Kontaminationsbereich • Onshore – Offshore Verbindungen im Küstenbereich • Auslaufleitungen
4.7 Geräte und Werkzeuge 4.7.1 Allgemeines
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Seit Einführung der Horizontalbohrtechnik hat die Geräteentwicklung enorme Ausmaße angenommen. Die schwersten Geräte verfügen über Zugkräfte von bis zu 5000 kN, Drehmomente von 150 kNm und können Bohrungen bis zu einem Durchmesser von 1800 mm herstellen. Entsprechend sind die hierzu erforderlichen Spülungskomponenten mit Pumpenleistungen von 2500 l/min bei 500 kW Motorleistung und 60 bar Druck. Die Misch- und Separiereinrichtungen haben einen Durchsatz von 2500 l/min. Das Gesamtgewicht der z. Zt. größten Anlage beträgt 250 bis 300 t (ohne evtl. Hilfsgeräte wie Bagger, Fahrzeuge u. dgl.). Dementsprechend ist der Platzbedarf für die Baustelleneinrichtung. Allerdings werden die Großanlagen nur in geringen Stückzahlen (entsprechend vorliegender Bestellungen) hergestellt und nur von wenigen Spezialunternehmen betrieben. Zu einer Horizontalbohranlage gehören folgende Komponenten: • Bohrgerät mit Steuerstand, • Recycling-Anlage, • Hochdruckspülpumpe, • Spülungsmischanlage,
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• Separieranlage, • Recyclinganlage, • Spülungsvorratstank, • Werkstattcontainer, • Bürocontainer, • Personal-Tageunterkunft, • Sanitär-Container, • Stromgenerator, • Lagerplatz für Bohrwerkzeuge, • Lagerplatz für Bentonit, • Gestängelager mit Kran, • Spülungsgrube mit Pumpe. Neben der reinen Maschinentechnik sind auch der Bohrstrang und die unterschiedlichsten Bohrwerkzeuge Bestandteil der Bohreinrichtung.
4.7.2 HDD-Bohranlagen Im Laufe der mehr als zwanzig Jahre andauernden Entwicklung der Horizontalbohrtechnik hat sich ein weites Spektrum an unterschiedlichen Bohranlagen gebildet. Dieses Spektrum reicht von kleinen Kompaktanlagen über mittlere bis zu Geräten der Großbohrtechnik. Begriffe wie Mini-, Midi-, Maxi- und Mega-Rig haben sich im HDD-Wortschatz zwar etabliert. Diese Bezeichnungen sagen aber nichts aus über die wirkliche Größe Gewicht Leistungskapazitäten einer Bohranlage.
4.7.2.1 Beispiele für Mini-HDD-Bohranlagen Die Mini-Bohranlagen (Zugkraft bis 150 kN) haben etwa folgende Kenndaten: Bohrlängen Bohr-Ø (aufgeweitet) Schub-/Zugkraft Drehmoment Umdrehungen Motorleistung Gewicht
bis bis bis bis bis bis bis
100 160 150 15 200 50 7
m mm kN kNm U/min kW t
Sie werden vorwiegend im innerstädtischen Bereich zur Verlegung von kleinen PE-Rohren und Kabeln mit kurzen Haltungslängen.
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4 Horizontal-Spülbohrtechnik (HDD)
Abb. S-26: Beispiel für eine HDD-Kleinbohranlage System: Tracto-Technik Typ 4 X [Tracto Technik]
Technische Daten der Tracto-Technik 4 X (Ab. Q-26) Bohrlängen Bohr-Ø (aufgeweitet) Schub-/Zugkraft Drehmoment Umdrehungen Motorleistung Gewicht
100 160 60/40 600 200 13 1845
m mm kN Nm U/min kW kg
Weitere Typen der X-Reihe sind: 7X plus, 10 X TD, 13 X TD und 15 X TD Zur Ausstattung dieser Typenreihe gehören u. a.: halb automatisches Gestängemagazin, 80/160 l/min Bentonitpumpe 80/40 bar und 3600 l Mischtankanlage, halb automatische Gestängeschmierung, Schlagwerk mit 1000 Schlag/min und 280 kN dynamische Rammenergie für schwer verdrängbare Böden. Alle Geräte der Xund N-Reihe sind kompakt und ohne Zerlegung transportierbar.
4.7.2.2 Beispiele für Midi-HDD-Bohranlagen Die Midi-Anlagen (Zugkraft 150 bis 400 kN) können bereits bei kürzeren Unterfahrungen von Gewässern, Bebauungen, Werks- und Verkehrsanlagen usw. eingesetzt werden. Technische Daten:
S
Bohrlängen Bohr-Ø (aufgeweitet) Schub-/Zugkraft Drehmoment Umdrehungen Motorleistung Gewicht
100 – 500 150 – 300 150 – 400 10 – 30 200 – 220 100 – 250 7 – 25
m mm kN kNm U/min kW t
S Horizontalbohrungen
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Technische Daten der Tracto Technik N 25 (Abb. Q-27) Bohrlängen Bohr-Ø (aufgeweitet) Schub-/Zugkraft Drehmoment Umdrehungen Motorleistung Gewicht Maße L × B × H
500 850 245 10 200 190 18 6600 × 2510 × 2600
m mm kN kNm U/min kW t mm
Ausstattung: Komfortable, schwenkbare und klimatisierte Fahrerkabine mit Radio u. CDPlayer – 500 l/min Bentonit-Pumpe – zuschaltbares Schlagwerk mit 1500 Schlag/min – Gestängewechsel-System – Bohrdatenerfassungsgerät, halb automatische Gestängeschmierung Abb. S-27: Beispiel für die mittl. Leistungsklasse, Tracto Technik Typ N 25 im praktischen Einsatz [Tracto Technik]
Abb. S-28: HDD-Rig Tracto-Technik Typ N 25 in Transportstellung [Tracto Technik]
4.7.2.3 Beispiele für Maxi-HDD-Bohranlagen Die Maxi-Bohranlagen (Zugkräfte 400 bis 2500 kN) sind auf mittleren bis großen PipelineTrassen, Flussunterfahrungen mittl. Länge usw. im Einsatz. Sämtliche Geräte dieser Baureihe haben serienmäßig eine komfortable Einrichtung der Bedienerkabine mit Fußbodenheizung, Klimaanlage, CD-Player, ergonomisch gestaltete Sitze, gut überschaubare Instrumententafel, Bohrdatenerfassungsanlage, ferner hydraulischen Hebekran u. v. m.
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4 Horizontal-Spülbohrtechnik (HDD)
Technische Daten: Bohrlängen Bohr-Ø (aufgeweitet) Schub-/Zugkraft Drehmoment Umdrehungen Motorleistung Gewicht
max. max. max. max. max. max. max.
1500 1200 2500 100 220 500 60
m mm kN kNm U/min kW t
Abb. S-29: HDD Bohranlage System Prime Drilling Typ PD 250/90 Z [Prime Drilling]
Technische Daten Bohrlängen Bohr-Ø (aufgeweitet) Schub-/Zugkraft Drehmoment Umdrehungen Motorleistung Gewicht (ohne Zubehör + Gestänge
1500 1200 2500 90 200 480 57
m mm kN kNm U/min kW t
4.7.2.4 Beispiele für Mega-HDD-Bohranlagen Die Mega-Bohranlagen (Zugkräfte von 2500 bis 5000 kN) verfügen über Zugkräfte von bis zu 5000 kN und kommen bei extrem langen Flussunterfahrungen und im Großdükerbau im Einsatz. Technische Daten
S
Bohrlängen Bohr-Ø (aufgeweitet) Schub-/Zugkraft Drehmoment Umdrehungen Motorleistung Gewicht (ohne Zubehör + Gestänge)
2400 1800 5000 150 200 880 85
m mm kN kNm U/min kW t
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Abb. S-30a: Das z. Zt. größte HDD-Gerät der Prime Drilling Typ 500/120 DZ [Prime Drilling]
Technische Daten Bohrlänge Bohr-Ø (aufgeweitet) Schub-/Zugkraft Drehmoment Umdrehungen Motorleistung Gewicht (ohne Zubehör + Gestänge)
2000 1800 5000 120 200 880 65
m mm kN kNm U/min kW t
Abb. S-30b: HDD-Mega-Horizontalbohranlage Typ PD 400/120 RP mit einem Gewicht von 60 t wird ohne Demontage auf einem Schwersttieflader transportiert
4.7.2.5 Hersteller von Mega-HDD-Anlagen Die Fa. Prime Drilling GmbH, Wenden-Gerlingen fertigt u. a. folgende Gerätegrößen: PD 32/18 Z, PD 50/33 Z, PD 80/50 Z, PD 150/70 Z, PD 300/90 RP, PD 400/120 RP, PD 450/120 RP uns PD 500/120 RP sowie Zwischengrößen (insgesamt 19 Typen). Hinweis: Die erste Ziffernfolge entspricht der max. Zugkraft in Tonnen und die zweite Ziffernfolge dem max. Drehmoment in kNm.
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4 Horizontal-Spülbohrtechnik (HDD)
Zu dem jeweiligen Gerät gehört der entsprechen Bedienungs-Container. Außerdem stehen zu den Gerätetypen die passenden Zusatzgeräte (Bentonit-Pumpen, Mix- und Vorratsbehälter, Recycling-Anlage) zur Verfügung (dazu später). Die MAX STREICHER Anlagenbau GmbH & Co. KG oA, Gommern, stellt 2 Anlagen her und zwar die HDD 250 – Zugkraft 250 t, Bohr-] max. 1200 mm, Bohrlängen max. 2000 m HDD 350 Ȃ350 t, Bohr-] max. 1400 mm, Bohrlängen max. 3000 m Nachfolgend einige Angaben zur HDD 350:
Abb. S-30b: MAX STREICHER HDDAnlage im Einsatz
Abb. S-30d: links: MAX STREICHER HDD 350 Transportbeispiel – rechts: Bedienungsstand
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Treibende Kraft bei der Weiterentwicklung des HDD-Verfahrens ist die DrillTec GUT GmbH Großbohr- und Umwelttechnik. Ihre Erfahrung bei der Durchführung von internationalen Großbohrprojekten und das ausgeprägte Spezialwissen der Projektcrews fließen direkt in die Entwicklung neuer, optimierter Horizontalbohranlagen ein. So bestehen die MAX STREICHER HDD-Anlagen aus einzelnen Komponenten, die in Containern mit StandardTransportmaßen schnell und kostengünstig verladen werden können. Somit entfallen zum Beispiel auf See die Sondertransporte. Auch die Bohrlafette ist teilbar. Sie ermöglicht Arbeiten mit Bohrgestängen und Casingrohren von bis zu 12 Metern Länge im Gegensatz zu den üblichen 9,5 Metern.
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Technische Daten HDD 350 Lafettenlänge Vorschub Drehmoment Neigung Dieselmotor 5 Hydraulikpumpen Hydrauliktank Brechvorrichtung Datenerfassung Steuerung Sonstiges Schallschutz
18 m
Arbeitshub- max. Casingrohrlänge
12 m
Ritzel u. Zahnstange
Push-/Pullkraft
max. 350 t
105 kNm
Drehzahl
9 U/min
5 – 20 °
Gew. der Anlage
44 t
CAT 3412E
746 KW/1015 PS
1800 U/min
Gez. Fördermenge
2250 l
200 – 350 bar
1800 l
Dieseltank
1400 l
205 kNm
Durchlassöffnung
450 mm
Computerdatenerfassung u. -speicherung für alle Betriebsdaten Einstellbare Begrenzung der max. Zugkräfte und Drehmomente Bohrprotokollerstellung, Datenfernübertragung Antriebs- u.- Hydraulikaggregate im schallisolierten Seecontainer
Die enge Zusammenarbeit mit dem eigenen Bohrunternehmen DrillTec, unser tief gehendes Fachwissen und der Stand der Technik ermöglichen die Entwicklung und den Bau von Horizontalbohranlagen, die selbst unter schwierigsten technischen und klimatischen Bedingungen einwandfrei funktionieren. Ob für Flussquerungen, Querungen von befestigten Arealen, Anlandungen, Küstenquerungen, Bergquerungen, Festgesteinsbohrungen erreichen die Anlagen Bohrlängen bis 3000 Meter bei einem Durchmesser bis zu 60 Zoll eine präzise Steuerung. Die Fa. Herrenknecht AG, Schwanau, stellt zwei HDD-Geräte-Systeme her und zwar die HK 150 und HK 250 jeweils als Frame Rig, Trailer Rig, Crawler Rig und Modular Rig. Die wesentlichen Kenndaten sind: Typ HK 150 HK 250 HK 400
Leistung [kW] 440 440 880
Zugkraft [t[ 150 250 400
Drehmoment [kNm] 70 90 120
Überall dort, wo hohe Leistungsgewichte gefragt sind, kommen Frame-Rigs zum Einsatz. Sie verfügen über kein eigenes Transportsystem, sind dementsprechend besonders leicht und können mithilfe eines einfachen Krans auf jedem gewöhnlichen Auflieger geladen und per LKW transportiert werden. Zum Abladen und Ausrichten auf der Baustelle wird ebenfalls ein Kran benötigt.
Abb. S-30e: Herrenknecht HDD-Frame-System
S
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4 Horizontal-Spülbohrtechnik (HDD)
Trailer-Rigs spielen ihre Vorteile vor allem dort aus, wo lange Distanzen schnell und einfach überwunden werden müssen. Alle Trailer-Rigs von Herrenknecht basieren auf einem 2- oder 3-achsigen Chassis, das von jedem beliebigen Sattelschlepper mit standardisiertem Königszapfen und der nötigen pneumatischen und elektrischen Ausstattung gezogen werden kann. Damit sind sie an allen Standorten, die über weitestgehend befestigte Straßen erreichbar sind, einsetzbar. Die Trailer-Rigs von Herrenknecht sind so konstruiert, dass sie schnell und einfach in Betrieb genommen werden können. Weder für die genaue Positionierung auf der Baustelle noch für das Ausrichten im optimalen Bohrwinkel wird ein Kran benötigt. Dadurch entfallen hohe Zusatzkosten und auch der Platzbedarf vor Ort sinkt. Durch die innovative Konstruktion konnte zusätzlich das Gewicht der Rigs und damit der Transportaufwand reduziert werden. Trailer-Rigs überzeugen durch ihren kostengünstigen Transport und ihren einfachen und schnellen Auf- und Abbau. Vorteile, die sich nicht nur in Brasilien bezahlt gemacht haben.
Abb. S-30f: Herrenknecht HDD-Rig Typ HT 250 T – Trailer-Version
Herrenknecht-HDD-Rigs mit Crawlersystem kommen in erster Linie auf Baustellen zum Einsatz, die für LKW und Kräne nicht erreichbar sind — sei es aus Platzgründen oder aufgrund der Bodenbeschaffenheit. Die Raupenketten gewähren in solchen Fällen die volle Mobilität des Rigs, so dass es schnell und einfach in die gewünschte Ausgangsposition manövriert werden kann. Crawler-Rigs erreichen aufgrund ihrer außerordentlichen Mobilität nahezu jede Baustelle. Ein Vorteil, der beispielsweise in Frankreich von entscheidender Bedeutung war.
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Abb. S-30g: Herrenknecht HDD-Rig Typ HT 250 C – Crawler-Version
Gerade in extrem abgelegenen Regionen mit schlechter Infrastruktur kann der Transport eines kompletten Rigs unmöglich sein. Für diese Fälle hat Herrenknecht Modular-Rigs entwickelt, die eine weltweit einmalige und bewährte Produktinnovation darstellen.
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Sie können in einzelne Module zerlegt, und in standardisierten 20-Fuß-Containern transportiert und erst auf der Baustelle montiert werden. Dadurch lassen sich Herrenknecht-Maxi- und Mega-Rigs nahezu überall einsetzen. Für den Transport werden Modular-Rigs von Herrenknecht generell in drei bzw. vier Module zerlegt, von denen jedes maximal 28 Tonnen wiegt. Die Module werden vor Ort einfach zusammengesteckt und hydraulisch verspannt. Für die Mobilität auf der Baustelle sorgt ein optionaler fernsteuerbarer Crawler, durch den der Einsatz eines sperrigen und damit kostspielig zu transportierenden Krans entfällt.
Abb. S-30h: Herrenknecht HDD-Rig Typ HT M – Modular-Version
Herrenknecht Pipe Thruster System Die Einsatzmöglichkeiten von HDD sind äußerst vielfältig. Dafür sorgt die breite Produktpalette an Rigs mit ihren verschiedenen Ausführungen und Leistungsstärken. Überall dort, wo das HDD-Verfahren trotzdem an seine Grenzen stößt — beispielsweise bei extrem langen Bohrungen und großen Rohrdurchmessern —, bietet der Herrenknecht Pipe Thruster die zusätzlich benötigten Kraftreserven. An der Zielgrube installiert, schiebt er den Rohrstrang mit bis zu 750 Tonnen Schubkraft in Richtung Eintrittspunkt. Außerdem stellt er sicher, dass die auf die Pipeline wirkenden Kräfte besser verteilt werden, da die Pipeline gleichzeitig gezogen (HDD-Rig) und geschoben (Pipe Thruster) wird. Vielfache Anwendungsmöglichkeiten. Für große Durchmesser, lange Strecken, schwierige Geologien oder in »festgefahrenen Situationen« kann das vorhandene HDD-Equipment mit einem Pipe Thruster ergänzt werden. Das Rohrhandling erfolgt dabei stets mit eigens entwickelten Klemmsegmenten, die sich für fast alle Rohrbeschichtungen und Durchmesser von 20 bis 60 Zoll eignen. Ein weiterer Vorteil des Pipe Thrusters ist seine Mobilität: Er kann sowohl in dicht besiedelten Gebieten als auch in schwer zugänglichem Gelände schnell und einfach installiert werden. Die o. g. Systeme sind auch bei anderen Herstellern üblich bzw. möglich! In der Praxis bewährt. Der Pipe Thruster verleiht der HDD-Technik weitere Sicherheit für lange Haltungen und große Piplinedurchmesser und erweitert das Einsatzspektrum enorm. Außerdem liefert der Pipe Thruster den nötigen Schub für das neuartige Verlegeverfahren Direct Pipe®, das auf der folgenden Seite vorgestellt wird.
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Abb. S-30i: Herrenknecht Pipe Thruster Verfahren – der Pipe-Thruster Anlage entwickelt eine Schubkraft von 750 Tonnen und unterstützt damit die Zugkraft von 88 Tonnen der HDD Anlage HK400 M
Das Herrenknecht DIRECT PIPE© Verfahren Direct Pipe® ist ein neues Verlegeverfahren für Pipelines. Es kombiniert die Vorteile der etablierten Verfahren Microtunnelling und HDD und eröffnet damit neue Anwendungspotenziale. Bei Direct Pipe® wird in einem einzigen, annähernd kontinuierlichen Arbeitsschritt von einer Microtunnelling-Maschine ein Bohrloch vorgetrieben und gleichzeitig ein vorgefertigter Rohrstrang verlegt. Potenzielle Hindernisse werden vom Schneidrad und vom Konusbrecher der Maschine beseitigt. Die für den Vortrieb erforderliche Kraft liefert beim Direct Pipe®-Verfahren der Pipe Thruster. Mit mindestens vier von außen zupackenden Klemmsegmenten schiebt er den Rohrstrang vorwärts. Über den Strang wird die Kraft auf den Bohrkopf der Microtunnelling-Maschine übertragen. Im Vergleich zum HDD-Verfahren kann die Maschine bei Direct Pipe® mit einer deutlich verbesserten Zielgenauigkeit navigiert und für jede Geologie – standfeste und weniger standfeste – mit entsprechenden Abbauwerkzeugen ausgestattet werden. Direct Pipe® ermöglicht die schnelle Installation von Produktrohren und Rohrsträngen von nur einer Zugangsseite. Vorteile, die sich in Emden bezahlt gemacht haben.
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Abb. S-30k: Beispiel für eine Anwendung des Herrenknecht Direct Pipe-Verfahrens – links oben im Bild: Vorschub der Microtunnelling-Verrohrung mit dem HDD HK 750 PT – rechts oben im Bild: Bergung des Microtunnelling-Schneidschuhs
4.7.3 Details der HDD-Anlagen 4.7.3.1 Zug- und Druckkraft Die Zug- und Druckkräfte der (leistungsmäßig) kleinsten Bohranlagen liegen bei 10 kN, die der größten Bohranlagen derzeit bei 5.000 kN. Die Übertragung der variablen Schub- und Zugkräfte einer Bohranlage können durch verschiedene Konstruktionen des Schlittenantriebs erfolgen. Die Schub- bzw. Druckkräfte übersteigen nicht die Zugkräfte. Bei Hydraulikzylindern kann wird die aufgewendete Kraft mittels Potentiometer geregelt. Diese Kraftbegrenzungseinrichtung begrenzt die Zugkraft beim Einziehvorgang, um die Produktenrohre nicht zu beschädigen und ist an den meisten Anlagen vorhanden.
4.7.3.2 Drehmoment Wie aus den vorgenannten Kenndaten-Tabellen ersichtlich liegen die Drehmomente zwischen 0,5 kNm (bei den kleinsten Anlagen bis zu 150 kNm bei der z. Zt. größten Bohranlagen. Die Drehmomente spielen beim Aufweiten der Bohrlöcher eine sehr große Rolle. Analog den Kraftbegrenzungsanlagen für die Zug- und Druckkräften, sind analog bei den größeren Anlagen Drehmomentbegrenzer vorgesehen. Das maximal übertragbare Drehmoment wird durch die Leistung der Bohranlage und das zulässige Drehmoment des Bohrgestänges bestimmt.
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4.7.3.3 Vorschub- und Zugsystem Der Vorschub bzw. der Zug erfolgen über Hydraulikzylinder oder Kettenantrieb. Der Kettenantrieb ist unempfindlich, Reparaturen und Kürzen bei Längung lassen sich einfach durchführen. Trotzdem ist dieses System nur noch bei älteren Anlagen zu finden, da die Kraftübertragung mittels Hydraulikzylinder erhebliche Vorteile hat. Um den Verschleiß der Führungsschienen gering zu halten, sollte er stets sauber gehalten werden.
4.7.3.4 Geräteabmessung und Gewicht Während für kleine Anlagen, die auch von Schächten aus arbeiten und mit wenigen Quadratmetern auskommen, beanspruchen Großanlagen bis zu 80 m² (vergleichbar mit einer Tiefbohranlage). Das Gewicht spielt eine große Rolle hinsichtlich der Zufahrt und Standfläche. Eine große Bedeutung hat das Gewicht aber auch bezüglich des Transportes. So ist für Geräte mit einem Gewicht größer 35 t (Lastzuggewicht über 45 t) und einer Breite über 3,20 m stets eine Sonderzulassung erforderlich. Die Zulassung schreibt u. a. auch die Fahrzeit und die Fahrstrecke vor. Das Gesamtgewicht (ausschließlich Bohrgestänge, Werkzeuge, Spülungseinrichtung und Hilfsgeräte) kann bei den Mega-Geräten bis zu 350 t und mehr betragen.
4.7.3.5 Transportsysteme Man kann grundsätzlich folgende Transportsysteme unterscheiden: • Crawler-System • Frame-System • Trailersystem • Modular aufgebaute Rig’s
Abb. S-31a: HDD-Rig System Prime Drilling Typ PD 250/90 als Trailersystem [Prime Drilling]
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Abb. S-32b: HDD-Horizontalbohrgerät System Herrenknecht Typ HK 250 im praktischen Einsatz [Herrenknecht]
4.7.4 Einsatzbeispiel Der o. e. Gerätetyp (vermutlich als Frameversion) war u. a. eingesetzt bei der Verlegung von zwei 7,5 km langen parallel verlaufenden Rohrleitungen mit einem Durchmesser vom 250 mm von der Förderinsel Mittelplate zur Landstation Dieksand bei Brunsbüttel. Die Wassertiefe beträgt in diesem Bereich bis zu 25 m.
Abb. S-33: Förderleitung Mittelplate – Dieksand [RWE-DEA]
Dazu mussten zunächst künstliche Inseln (Baugruben) für die HDD-Rig’s erstellt werden, so dass sich Bohrlängen von etwa 1000 m in einer Tiefe von i. M. 25 m ergaben. Ein Standort
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war auf der Mittelplate und einer auf der Landseite gegeben. Für die Bohrungen kam an jeder Baugrube eine Horizontalbohranlage zum Einsatz.
Abb. S-34: links: Herrenknecht HDD-Bohranlage bei der Einbringung des Pilotgestänges – rechts: temporäre Arbeitsplattform als Bohrgeräte-Standort [RWE-DA]
Abb. S-35: Rohrleitung zur unterirdischen Verlegung im HDD-Verfahren aufgeständert. [RWE-DEA]
Für die Erdöl-Gewinnungplattfrorm Mittelplate und die oben dargestellte Erdölleitungsanbindung zur Festlands-Station Dieksand zeichnet das Konsortium RWE Dea und die Wintershall-BAS-Gruppe und bedeutet für diese Unternehmen eine enorme Kapitalinvestition. Weitere interessante Beispiele für besondere HDD-Anwendungen siehe am Ende dieses Kapitels.
4.7.5 Komponenten der Bohranlage
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Bisher wurden lediglich die Eigenschaften und Kenndaten der HDD-Rig’s besprochen. Zu dem eigentlichen Bohrgerät gehören jedoch ein Anzahl von Komponenten, ohne die ein noch so technisch konstruiert ist, keinen Meter bohren kann. Zu diesen Komponenten (man sagt auch Baugruppen) gehören u. a.: • Bedienungcontainer (driller‘s cabin) • Spülungsbehälter – und Mischbehälter (mixing unit) • Umwälzpumpe (circulation pump) • Spülungspumpe (bentonite pump)
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• • • • • • • • • •
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Vibrationssieb – Schüttelsieb (vibrating screen) Desander (desander) Desilter (desilter) Zentrifugen (centrifuge) Pilotgestänge (pilot pipe) Bohrwerkzeuge (drilling tools) Werkstatt- und Sanitärcontäner (workshop – + sanitär-container) Mannschaftsraum (crew-room) evtl. Hilfsgeräte wie Kompressor, Hebegeräte u. Fahrzeuge Diese Zusammenstellung gilt vornehmlich für Maxi- und Mega-Geräte.
4.7.5.1 Bedienungscontainer bzw. Fahrerkabine Der Bedienungscontainer ist der Arbeitsplatz des Gerätefahrers (engl. driller‘s cabin). Bei den Mini- und Midigeräten ist die die Gerätekabine, die bei vielen Anlagen ausschwenkbar ist, damit der Fahrer uneingeschränkte Übersicht hat. Je nach Gerätetyp und -ausstattung hat der Fahrer u. a. die Kontrolle über • den Verlauf und die Zielgenauigkeit des Pilotgestänges. • den Bohrfortschritt. • die Schub- und die Zugkraft. • das Drehmoment. • die Spülungsmenge und den Spülungsdruck. • den Inhalt des Spülungsbehälters. • den Inhalt von Wasser- und Treibstofftank. • das Bohrdatenerfassungsgerät Er kann • das Pilotgestänge lenken und korrigieren. • die Druck- und Zugkraft steuern. • die Spülungsmenge, den Spülungsdruck und die Vorschubgeschwindigkeit nach Bedarf bestimmen.
Abb. S-36: Driller Cabine der Drilltec Anlage HDD 350 [Prime Drilling]
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4.7.5.2 Spülungskomponenten1 Spülungspumpen Bei den Spülpumpen unterscheidet man: • Einfach wirkende Kolbenpumpen • Doppelt wirkende Kolbenpumpen Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die Anzahl der Zylinder: • Simplexpumpen haben einen Zylinder • Duplexpumpen haben zwei parallele Zylinder • Triplexpumpen haben drei parallele Zylinder Die Zylinder können liegend oder stehend angeordnet sein. Ein wichtiger Faktor bei den Spülpumpen ist der Schallschutz. Nicht schallisolierte Pumpen können einen Schallpegel von mehr als 100 dBA haben. Während kleine Pumpenaggregate i. d. R. ungenügend oder nicht isoliert sind, befinden sich bei modernen Anlagen die Spülpumpen in sehr gut isolierten Containern untergebracht sind (s. Abb. S-37). Zum Anmischen der Spülung werden überwiegend Flüsssigkeitsstrahl-Feststoffpumpen eingesetzt. Sie werden auch zum Beifügen von Zusatzmitteln verwendet.
Abb. S-37: Spülpumpenanlage in SchallschutzContainern [Prime Drilling]
Die oben gezeigte Spülpumpenanlage Typ PP 2500 H ist die z. Zt. größte Anlage der Prime Drilling GmbH. Sie verfügt über eine Förderleistung von 2500 l/min mit 60 bar. Die installierte Antriebsleistung beträgt 440 kW und das Gewicht 14 t. Sie ist konzipiert für die HD-Anlage PD 500/120 RP. Die wichtigsten Kenndaten der Anlage: Motorleistung: 880 kW – Zug- und Schubkraft: 5000 kN – Drehmoment: 120 kNm – Gewicht: 65 t (ohne Zubehör und Gestänge).
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Hierzu werden nur grundlegende Hinweise gegeben. Ausführliche Erläuterungen zu den Spülungskomponenten und das Spülungssystem finden Sie unter Teil II-E: „Bohrplatzeinrichtung und Geräte“ sowie Teil II-H: „Spülung und Zementation“.
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4.7.5.3 Spülungsmischanlage Zu HDD-Bohranlage gehört ferner ein der Gerätegröße bzw. -leistung angepasste Spülungsmischanlage. Bei Mini-Rig’s ist die Mischanlage teilweise auf dem Gerät montiert oder auf einem normalen LKW stationiert. Für Maxi- und Mega-Rig’s sind große Spülungs-Container erforderlich, die eine Spülungsreserve von min. 2000 l/min anmischen können.
Abb. S-38: Spülungsmischanlage System Prime Drilling Typ M 2500 E [Prime Drilling] Kenndaten: Leistung: 2500 l/min Antrieb: 67 kW Gewicht: 12 t (ohne Inhalt)
Abb. S-39: Vereinfachte schematische Darstellung der Wirkungsweise einer Vakuumstrahlpumpe
4.7.5.4 Recyclinganlage (Separationsanlage) Die In der HDD-Technik eingesetzten Aufbereitungsanlagen (Recyclinganlagen) separieren die in der Spülung befindlichen Feststoffe. Aufbereitungsanlagen und Mischanlagen sind aufeinander abgestimmt. Bei kleinen Bohrgeräten kommen wegen des geringen Verbrauches an Bohrspülung Aufbereitungsanlagen nur selten zum Einsatz. Dagegen gehören Aufbereitungsanlagen i. A. bei Bohranlagen mit einer Zugkraft über 400 kN stets zum Einsatz und gehören zur Standardausrüstung. eingesetzt. Die Aufbereitungsanlagen sind eine Kombination aus mehreren Geräteeinheiten wie Siebe, Desander, Desiltern und nachgeschalteten Hydrozyklonen zur Entfernung von Sand und Schluff. Zentrifugen müssen eingesetzt werden um Kornteilchen in Tongröße zu entfernen. Dabei ist von Nachteil, dass Spülungstone separiert werden.
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Die Aufbereitungsanlage entfernt nicht nur die festen Bestandteile (Bohrklein) aus der Spülflüssigkeit, sondern optimiert auch die gleich bleibende Spülungsdichte und stabilisiert Tonschichten. Außerdem wird die Gefahr von Spülungsverlusten durch Senkung des Spülungsdruckes gemindert.
4.7.5.5 Feststoffkontrolle Die Aufbereitungsanlagen sind die Grundlage für die Feststoffkontrolle. Dabei wird zwischen zwei verschiedenen Feststoffkontrolltechniken unterschieden und zwar:
4.7.5.6 Das Sieben Die Teilchengröße des abzuscheidenden Bohrkleins ist dabei der entscheidende Faktor. Das Abscheiden von Partikeln wird dadurch erreicht, dass die Bohrspülung über ein Sieb geführt wird. Alle Teilchen, deren Durchmesser größer ist als derjenige der Siebmaschen, werden vom Sieb zurückgehalten und abgeschieden.
4.7.5.7 Das Absetzen Unter Absetzen wird der Vorgang verstanden, bei dem sich die Partikel aufgrund ihrer Masse und Schwerkraft (hier von einer Flüssigkeit) trennen. Dieser Trennungsprozess wird künstlich durch den Einsatz von Zentrifugen und Hydrozyklonen gefördert. Er kann aber auch ungewollt im Bohrloch oder in Spülungstanks auftreten.
4.7.5.8 Anordnung der Geräte Bei der Feststoffkontrolle werden folgende Geräte hintereinander angeordnet (s. Abb. S-40).
S Abb. S-40: Umlauf des Spülungsmaterials und Geräteanordnung bei der Separationsanlage [Derrick]
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Zur Aufbereitungsanlage gehören: • Vibrosieb (Schüttelsieb) • Desander • Desilter • Zentrifuge Voraussetzung für eine optimale Abtrennung der Feststoffe ist die Abstimmung und Wirkungsweise der Feststoffkontrollgeräte aufeinander. Das Schüttelsieb (Vibrosieb) ist das erste Glied in der Gerätekette und scheidet die groben Feststoffe ab. Es ist eine Vorreinigungsstufe für die Desander und Desilter.
Abb. S-41: links: Schüttelsieb – rechts: Desander [Derrick]
Abb. S-42: PT Mud Cleaner System Mi SWACO mit Desander und nachgeschaltetem Desilter
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4.7.5.9 Hydrozyklone Einsatzgebiet der Hydrozyklone ist die Aufbereitung von Sanden und mit Schluff belastete Spülungen. Die englische Übersetzung für Sand und Schluff ist „silt“ und „sand“. Daher kommen die Bezeichnungen Desander und Desilter. Es handelt sich dabei um Hydrozyklone, die nacheinander geschaltet sind. Erst kommt der Desander zum Einsatz, dann der Desilter. Diese Geräte unterscheiden sich durch die Durchmesser der Hydrozyklone.
Abb. S-43: Zyklone – links Details – rechts: Ansicht
Desander beseitigen in erster Linie die Feststoffe mit Korngrößen > 60 μm, der Desilter Teilchen mit Korngrößen von > 20 μm. Da der Durchmesser der Unterlauföffnung von Hydrozyklonen veränderbar ist, kann eine Anpassung der Volumenstromraten im Ober- und Unterlauf vorgenommen werden. Ein Zeichen für die korrekte Funktion des Zyklons ist, wenn der Unterlauf sprühend in Form eines Hohlkegels austritt (Sprayflow). Ein weiteres Indiz für eine einwandfreie Funktionsweise des Zyklons ist ein Unterdruck am Unterlaufaustritt. Dieser kann mit vorgehaltener Hand festgestellt werden. Hydrozyklone setzen sich zusammen aus • der zylindrischen Einlaufkammer mit einem tangential integrierten Einlaufstutzen und der Austrittsöffnung des Überlaufs am oberen Ende, • dem Konus, in dem die Feststofftrennung erfolgt und • einem zylindrischen Unterteil mit der Austrittsöffnung des Unterlaufes.
4.7.5.10 Zentrifugen
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Zentrifuge sind in der Spülungsaufbereitung ist beim HDD-Verfahren selten anzutreffen. Sie werden nur eingesetzt, wenn nahezu sämtliche Feinstanteile aus der Spülung zu entfernen
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müssen, da Zentrifugen Feststoffe > 10 μm abscheiden können. Leider erfolgt dabei auch eine Abtrennung von schlecht dispergierten Spülungstonen.
Abb. S-44: Systemdarstellung einer Zentrifuge
4.7.6 Bohrspülungen2 4.7.6.1 Allgemeines Als Bohrspülungen bezeichnet man Flüssigkeiten (gelegentlich auch Gase oder Mischungen beider), die kontrolliert in Bohrloch zirkulieren und neben anderen wichtigen Aufgaben in erster Linie für die Stabilität des Bohrloches sorgen. In der Flachbohrtechnik werden meist nur Flüssigkeiten in Kombination mit Feststoffadditiven eingesetzt. Bohrspülungen sind in ihrer Zusammensetzung und ihren Eigenschaften so beschaffen, dass sie ein sicheres, schnelles, störungsfreies und wirtschaftliches Erreichen der Endteufe bzw. Endlänge einer Bohrung gewährleisten. Für jeweiligen durchteuften Formation müssen Bohrspülungen neu angepasst werden. Im Vergleich zur Vertikalbohrtechnik ist die Horizontalbohrtechnik wesentlich jünger, daher wurden die Erkenntnisse über die Spülungstechnologie aus der Tiefbohrtechnik übernommen und auf die speziellen Anforderungen des HDD-Verfahrens abgestimmt. Besonders hohe Anforderungen werden an die Tragfähigkeit, Gelstruktur und die Fließeigenschaften der Spülung gestellt. Wesentliche Unterschiede zum Vertikalbohren sind die vorwiegend horizontale Orientierung der Bohrachse, große Bohrlängen und Bohrlochdurchmesser von z. T. mehr als 2000 mm. Daraus ergeben sich eine ganze Reihe von Problemen die zu lösen sind: Dazu zählen: • Bohrlöcher in oberflächennahen Formationen sind in der Regel instabiler als bei Vertikalbohrungen. • Durch die geringe Überdeckung und dementsprechend veränderte physikalische Eigenschaften können sich Probleme, z. B. Spülungsverluste, ergeben. • Sehr kurze Sedimentationswege, • hohe Bohrkleinbelastung kann zum Festwerden des Bohrstranges führen, wenn es zur Sedimentation des Bohrkleins kommt. Außerdem können verschiedenste äußere Einflüsse die Spülungseigenschaften negativ beeinflussen. Die Eigenschaften müssen daher beim Anmi-
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Unter 4.7.9 teilweise Übernahme von Text aus „HDD-Praxis Handbuch“ – H.-J. Bayer
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schen und während der Zirkulation ständig überprüft werden, um sie bei Bedarf zu modifizieren. Beim Bohren im HDD-Prozess ist es von besonderer Bedeutung, Spülungseigenschaften auf jede neue Bohrlochsituation anzupassen, bei sich verändernden Bedingungen schnell und richtig zu reagieren, um die Spülungszusammensetzung dem entsprechend zu modifizieren. Dazu sind Kenntnisse über die grundlegende Zusammensetzung der Spülung und der Wirkungsweise von Spülungsadditiven unbedingt notwendig.
4.7.6.2 Aufgaben von Bohrspülungen Bohrspülungen haben für das HDD-Verfahren vielfältige Aufgaben zu erfüllen. Die wichtigsten sind: • Reduzierung der Reibung des Bohrgestänges, • Lösen des Bodens im Schneidkegelbereich der Bohrkopfdüsen bzw. im Bereich der Reamerdüsen, • Austragen von Bohrgut, • Bei Unterbrechung des Bohrvorganges Füllung des Bohrloches und Verzögerung des Absinkens von Schwebteilchen, • Bohrlochstabilisierung durch Aufbau eines Filterkuchens und Abströmungsschutz gegen Grundwasser, • Stabilisierung des Bohrkanals und Vermeidung von Nachfall, • Kühlung der Bohrwerkzeuge und Schutz vor Korrosion, • Sanfte Einbettung des Produktrohres, • Antrieb des Mudmotors beim Bohren in Fels.
4.7.6.3 Herstellung stabiler Bohrlöcher beim HDD-Bohren Durch schnelle und richtige Modifizierung der Bohrspülung mit entsprechenden Additiven lassen sich viele unvorhergesehene Probleme während einer Bohrung beherrschen. Eine der wichtigsten Aufgaben in der verlaufsgesteuerten Horizontalbohrtechnik ist die Herstellung stabiler, runder Bohrlöcher, die in der Lage sind, die vorgesehenen Verlegeprodukte (Rohre, Filter, Kabel, Anker, usw.) aufzunehmen und, wenn nötig dauerhaft einzubetten und zu bewahren. Beim Bohrprozess ebenso wie bei den Aufweitschritten ist das Geschehen im Bohrloch nicht einsehbar, sondern nur indirekt wahrnehmbar (Verlangsamung, Stockung, Kollaps) und manchmal an den Reaktionseffekten des Bohrgestänges erahnbar und ableitbar.
4.7.6.4 Kenntnis des Bodens
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Der ganze Erfolg einer Horizontalbohrung hängt jedoch sehr stark an der Beherrschung der Bodeneigenschaften, der Bohrspülungsmöglichkeiten und von der Maschinensteuerung ab. Wird eine dieser drei wichtigen Kenntnisgrößen vernachlässigt oder fehlerhaft eingeschätzt, so sind Einbrüche ins Bohrloch, Verluste der Bohrspülung, Bohrspülungsaustritte an der Bodenoberfläche, Unförmigkeiten im Bohrloch oder vollständige Kollapseffekte möglich. Der entscheidende Schritt ist daher eine genaue Kenntnis über die Parameter des Bodens. Siehe hierzu die ausführlichen Hinweise in Abschnitt 1.2.
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4.7.6.5 Wichtigster Grundstoff: Bentonit Bentonit, den man nach seinem ersten Fundort „Fort Benton“ in Wyoming benannte, ist nichts anderes als eine natürliche Mischung aus verschiedenen quellfähigen Tonmineralien. Hauptsächlich und hauptanteilig trägt das quellfähige Tonmineral Montmorillonit zu den guten Eigenschaften des Bentonit‘s bei. Bentonite mit über 70 % Montmorillonit-Anteil sind ideal für den Bohrspülungseinsatz, sie können bei Wasserzugabe auf über 450 % ihrer trockenen Ausgangssubstanz aufquellen und dabei die benötigten Bohrspülungseigenschaften wie Reibungsreduktion, Thixotropie, Bohrlochstabilisierung, Bohrleinaustrag, usw. aufbauen.
Abb. S-45: Stabilisierung des Bohrloches [Bild: Süd-Chemie]
Bentonitteilchen machen bei der Bohrlochstabilisierung nichts anderes, als dass sie in der Bohrlochwandung in die feinsten Porenzwischenräume zwischen Sedimentkörnern hineingehen, dort durch weiteres Quellen sich vergrößern, die feinsten Porenräume dadurch kraftschlüssig ausfüllen, die Sedimentkörner aneinander stützen, stabil und rutschsicher lagern, aber auch umhüllen und Rauigkeiten auf deren Kornoberfläche durch Ein- und Umlagerung ausgleichen. Zugleich wird die Bohrlochwand durch Bentonitteilchen komplett überzogen, so dass eine gewisse Mantelwirkung entsteht und sowohl das Bohrgestänge als auch später das Produktrohr von anderen und teils rauen Mineralkörnern, z. B. Sandkörnern, verschont werden. In beispielsweise reinen Sandböden sorgt die Bentonitzufuhr für ein Bentonit-Sand-Gemisch in der Bohrlochwand, es wird künstlicher Lehm erzeugt, der einen stabilen Bohrkanal tragen kann. In sehr scharfkantigen Sandböden bewirkt Bentonit eine künstliche Rundung der Sandkörner, nimmt ihnen die vortriebsbremsende Rauigkeit, sorgt für höhere Bodenfestigkeit und bewirkt einen optimalen, feinst-körnigen und damit sanften Umkleidungsschutz für Produktrohre jeglicher Art. Bei Stromkabeln sorgt die Bentonitbettung für eine bessere Wärmeableitung als Sand. Gegenüber metallischen Leitungen wirkt Bentonit aufgrund seines hohen pH-Wertes korrosionsschützend.
4.7.6.6 Ergänzungsbedarf während der Bohrungen Beim Betrieb einer HDD-Baustelle ergeben sich häufig, besonders wenn keine Bodenkenntnisse vorliegen, immer wieder Ergänzungs- und Änderungsbedürfnisse in der Bohrspü-
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lung. Die Bohrung gerät z. B. ins Stocken, weil die Reibungskräfte im Boden zu hoch werden, oder Bohrspülung geht verloren und das Bohrloch bricht hierdurch zusammen, oder die Körnung des Lockergesteines wird zu groß, so dass durch die Gravitationskraft Ausbrüche aus der Bohrlochfirste und Auffüllungen auf der Bohrlochsohle stattfinden. Die häufigsten Ursachen für Instabilitäten im Bohrloch werden im Folgenden beschrieben. Wichtig ist es, auf der Baustelle ausbrechende bzw. einstürzende Bohrlöcher zu vermeiden, in dem sofort mit den notwendigen Änderungsmitteln bzw. Spülungsadditiven auf die veränderte Bohrlochsituation reagiert wird.
4.7.6.7 Häufige Bohrloch-Gefahrensituationen und Gegensteuerungsmittel Verlust der Bohrspülung Sehr hohe natürliche Porosität oder Klüftigkeit im Untergrund kann die eingesetzte Bohrspülung wie ein Schwamm absorbieren und in größere Tiefen ableiten, so dass im Bohrloch kaum noch die nötige Spülungsmenge vorhanden ist. Hier ist erforderlich, langkettige Hochpolymere zum Aufbau eines starken Filterkuchens im Bohrloch einzusetzen, die den Abstrom ausbremsen. Ergänzend kann Tonsteinmehl eingebracht werden, so dass die natürliche Porosität sehr schnell verschlossen wird. Gegenmittel • Tonsteinmehl gegen strömendes Grundwasser, zur Kiesverfestigung • Langkettiges Hochpolymer zur zusätzlichen Stabilisierung von Bohrlöchern in Sand und Kies
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Anwendung und Anmischung Tonsteinmehl ist als Zuschlagstoff für Bohrarbeiten in kiesigen Böden ohne bindigen Anteil im Grundwasserbereich gedacht. Strömendes Grundwasser sorgt meist für den Verlust der Bohrspülung. Tonsteinmehl reduziert diesen Abströmverlust ganz erheblich. Es sorgt zwischen den Kieskörnern (einsetzbar bis in den Grobkiesbereich) für eine tonsteinhafte Verfestigung der Zwischenräume, ermöglicht jedoch ein einfaches Lösen bei Aufweitvorgängen. Tonsteinmehl verhindert so das Einstürzen von Bohrlöchern in kiesigen Böden. Es sollte nicht über die Mudmischanlage gefahren werden, sondern am besten mit einer Mörtelpumpe (z. B. von Fa. Putzmeister) und einem starken Bypassschlauch in das Bohrloch eingepumpt werden (pumpfähigen Querschnitt beachten). Das Mischungsverhältnis Feststoff zu Wasser beträgt idealerweise 1:1, kann jedoch im Feststoffanteil beliebig erhöht werden. Eine Vermischung mit Bentonitsuspension ist jederzeit möglich. Es sollte jedoch beachtet werden, dass Bentonit für eine deutliche Reduktion der Festigkeit sorgt, was durch erhöhten Einsatz von pulverförmigem Tonsteinmehl ausgeglichen werden muss. Langkettiges Hochpolymer verhält sich ähnlich wie Na-CMC, ist jedoch noch mehr auf grobes Korn spezialisiert. Das langkettige Hochpolymer wirkt zur Stützung der Bohrlochwandung, indem es Sand und Kies stark in der Bohrlochwand bindet, die Austragfähigkeit der Spülung verbessert, und in der Lage ist, einen hohen Anteil des Sandkorns aus dem Bohrloch auszutragen. Sollte selbst das langkettige Hochpolymer zur Bohrlochstützung nicht mehr ausreichend sein, so wird auf die zusätzliche Verwendung von Tonsteinmehl verwiesen. Je nach Bodensituation sind zwischen 1 bis 3 kg Hochpolymer pro 1000 Liter ratsam.
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Abströmen der Bohrspülung Noch schlimmer als im ersten Fall ist hohe natürliche Porosität und starke Grundwasserströmung im Untergrund. Gerade die hohe Strömungsgeschwindigkeit des Grundwassers lässt die eingesetzte Bohrspülung sehr schnell durch die Porenräume wegfließen, so dass fast keine wirksame Bohrspülung mehr im Bohrloch zur Verfügung steht. Gegenmittel Hier hat es sich als äußerst sinnvoll erwiesen, mit einem Bypass-Bohrgestänge Tonsteinmehl mit schwacher hydraulischer Bindekraft in das Bohrloch zu fluten, um einen weitreichenden natürlichen Porenverschluss zu erreichen (Zement ist ungeeignet, da Grundwasser belastend und stark aushärtend, so dass spätere Bohrlochaufweitvorgänge behindert werden). Ergänzend sollte hier ein Hochpolymer mit guter Filterkuchenwirkung verwendet werden (Hochpolymere alleine können gegen starke Grundwasserströmung nichts ausrichten). Ausdringen der Bohrspülung Das Gegenteil von hoher natürlicher Porosität weisen stark bindige Böden auf, die quasi keinerlei Porosität besitzen. Solche Böden sind gegenüber Bentonitspülungen kaum aufnahmefähig und können durchaus nur mit Wasserspülung pilotgebohrt werden. Zu dichte Bentonitspülungen in stark bindigen Böden (d. h. Tonspülung in tonigem Boden) ergeben eine Überdosierung an Ton, so dass die Bohrspülung versucht, nach allen Seiten, besonders aber zur Oberfläche, auszudringen. Solche Spülungsaustritte sollten im Ansatz durch richtige Bodenansprache vermieden werden. Gegenmittel Wenn Spülungsaustritte vorkommen, ist der Einsatz von Toninhibitoren dringend erforderlich. Anwendung und Anmischung Der Toninhibitor, ein Polyacrylamid, kann, allein mit Wasser angemischt, auch für leichte Bohrspülungen verwendet werden, wie sie in bindigen Böden oft sinnvoll sind. Oft genügen schon 0,1 bis 0,2 % Toninhibitor im Mischtankvolumen, um Tone zum Flocken zu bringen. Verengung eines Bohrloches Noch schlimmer ist die Situation, wenn natürliche tonige Böden auch noch quellfähige Tonmineralien aufweisen (Bentonit z. B. ist eine Mischung aus natürlichen quellfähigen Tonmineralien mit den Hauptmineral „Montmorillionit“). Solche Böden sind in Süddeutschland im Stuttgarter-, Ansbacher- und Nürnberger-Raum, aber auch im Braunschweiger Land nicht selten. Die natürliche Tonquellung sorgt hier für ein ständiges Engerwerden des Bohrloches, so dass das Bohrwerkzeug und Bohrgestänge geradezu vom sich schließenden Bohrloch festgequetscht werden. Gegenmittel Toninhibitoren verhindern dies, weil die Wasseraufnahme und damit die Quellung des Tones verhindert wird. Tone werden durch den Tonhibitor regelrecht geflockt und damit in ihren Eigenschaften unwirksam gemacht.
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Abb. S-46: Aktive Tone verursachen hohe Friktionen z. T. bis zu Festfahren des Bohrgestänges [Süd- Chemie ]
Einstürze im Bohrloch in rolligen Lockergesteinen Sollte das in Boden befindliche Lockergestein keinerlei bindige, d. h. tonhaltige Komponenten, aufweisen, also der Boden z. B. aus reinen Sanden, Kies-Sand-Gemischen u. ä. (d. h. rolligen Gesteinen) bestehen, so liegt keine natürliche Kornhaftung aneinander vor und diese Kornhaftung muss dann mit Bentonit erzeugt werden. Wenn die Sedimentkörner des Lockergesteines jedoch relativ gleichgroß sind (gute Kornsortierung aufweisen), so wird die Stützwirkung von Bentonit allein nicht ausreichend sein, um das Bohrloch stabil zu halten. Gleichkörnige Böden neigen zu einem „internen Fließen“ und damit zu einer Auskesselung und zu einem Einsturz des Bohrloches. Gegenmittel Hier ist in jedem Fall der Einsatz von CMC-Produkten (z. B. Natrium-Carboxylmethylcellulose) oder bzw. und langkettigen Hochpolymeren (z. B. Polyacrylamiden) zur Bohrlochstabilisierung erforderlich. Anwendung und Anischung In rolligen Böden mit feinen bis groben Kornelementen (Grobsand – Mittelkies) ist die normale Bentonitspülung alleine nicht in der Lage, für eine ausreichende Stabilität der Bohrlochwandung zu sorgen. Zusätzlich zur normalen Spülung sollte hier Na-CMC (NatriumCarboxymethylcellulose) beigegeben werden, die nicht nur die Bohrlochwände stabilisiert, sondern auch die Austragfähigkeit der Spülung verbessert, die Reibung im Bohrloch reduziert und vor Klumpenbildung in der Spülung schützt. Zwischen 5 und 15 kg Na-CMC pro 1000 I sind je nach Bodenausbildung ratsam.
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Einstürze (Inkasionen) im Bohrloch Ein anderer Fall von Bohrlocheinstürzen in Lockergesteinen ohne bindigen Kornanteil kann sich ergeben, wenn trotz schlechter Kornsortierung (d. h. sehr ungleiche Verteilung von kleinen und groben Sedimentkörnern; eigentlich ein Vorteil in Sachen Bohrlochstabilität) der Anteil großer, schwerer Körner bestimmend wird, die allein aufgrund ihres Gewichtes (Schwerkraftwirkung) ins Bohrloch stürzen.
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Solche großen Lockergesteine gegen die Gravitation zu stützen, ist sehr schwer, und nur in Kombination von Hochpolymeren mit dem schon beschriebenen Einsatz von Tonsteinmehl zu erreichen. Realistischerweise hat die Stützung grober Körner im Grobkiesbereich ihre Grenzen, größere Einzelsteine sind höchstens in die Seiten verlagerbar, nicht jedoch über der Bohrlochfirste zu halten. In groben Kiesen und Geröllen hat die Bohrbarkeit mit Lockergesteinswerkzeugen generell ihre Grenzen. Notfallkoffer Die beschriebenen Gefahrensituationen erfordern ein umgehendes Handeln, um die gesamte Bohrung nicht zu gefährden. Einen Tag bzw. über Nacht abzuwarten, bis neue Spülungsstoffe eintreffen, kann für den Erfolg der Baustelle schon zu spät sein. Für ein schnelles Eingreifen wurde daher ein Notfallkoffer mit den wichtigsten Spülungsadditiven entwickelt. Dieser Spülungshilfskoffer enthält für die genannten gefährlichen Bohrlochsituationen die entsprechenden Gegenmittel, so dass der Bohrbetrieb zumindest noch am gleichen Tag erfolgreich weiterlaufen kann und solange die entscheidende Zeit überbrücken hilft, bis größere Mengen der benötigten zusätzlichen Spülungsstoffe auf der Baustelle eintreffen können. Im Notfallkoffer finden sich jedoch auch Additive für andere Einsatzfälle, wie salzhaltiges Grundwasser oder hohe Kornrauigkeit, Produkte, die dem Bohrbetrieb in schwierigen Fällen helfen können. Im Einzelnen enthält die HDD-Notfall-Box außerdem: Soda zur pH-Werterhöhung: Sollte das Anmischwasser der Bohrspülung aufgrund örtlicher Gegebenheiten nicht neutral (pH 7) sein, sondern sich leicht im sauren Milieu befinden, so ist mit Soda (Natriumkarbonat) die notwendige pH-Werterhöhung in den neutralen Bereich hinein zu erwirken. Soda verbessert die Quellung von Bentonit. Anmischung: Solange Zugabe in den Mischwassertank, bis pH-Wert 7 erreicht ist. Supergleitmittel zur deutlichen Erhöhung der Gleitfähigkeit: Sollte raukörniger Boden vorliegen, der von Natur aus eine hohe Reibung aufbaut, oder der Rohreinzug schwergängig sein, so lässt sich mit dem Supergleitmittel der Reibungskoeffizient deutlich). Die Bohrspülung wird sehr gleitfähig (Verhinderung von Spülungsstopfen) und auch durch äußeres Bestreichen von Rohren lässt sich mit Gleitmittel die Arbeitszeit verkürzen und der Kraftaufwand erheblich reduzieren. Anmischung: Das Supergleitmittel wird als Flüssigkeit geliefert, die kräftig verdünnt werden sollte. In verdünnter Form kann es in den Mischtank hineingegeben oder direkt am Rohr oder Bohrgestänge außen aufgetragen werden. Das Supergleitmittel ist stark verdünnungsfähig und sehr ergiebig. Das Supergleitmittel ist biologisch abbaubar. Salzwasserstabilisat für Bohrungen in salzigem Grundwasser: In Küstenregionen, Gebieten mit salzigem Grundwasser, oder für Bohrungen unter dem Meeresboden würde jede normale tonbasierte Spülung durch das Salz sofort zerstört und damit unwirksam werden. Nur mit speziellen salzwasserstabilen Spülungsprodukten kann in solchen Regionen gebohrt werden. Das Salzwasserstabilisat ist nicht nur salzwasserstabil, sondern hat zudem die Eigenschaften, dass es reibungsreduzierend ist, viskositätserhöhend, antihaftend gegenüber Ton und bohrlochstabilisierend in sandigen Böden wirkt. Anmischung: In Pulverform werden 0,5 bis 3 kg pro 1000 I benötigt, in flüssiger Form sind 0,5 bis 5 I pro 1000 I
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ratsam. Die flüssige Form bietet eine leichtere Vermischbarkeit. Das Salzwasserstabilisat kann allein oder zusammen mit Bentonit in Wasser angemischt werden. Polysaccharid für Brunnenbau, Horizontaldrainagen, Umwelttechnik: Überall in jenen wasserbaulichen, Grundwasser bewirtschaftenden und umwelttechnischen Bohrungen im Untergrund, in denen das Einbringen von Tonen nachteilig wäre, kann an Stelle von konventioneller Bohrspülung Polysaccharid verwendet werden. Polysaccharid ist ein langkettiger Zuckerstoff, der sich nach kurzer Zeit selber im Boden abbaut, so dass danach nur noch das normale Erdreich am (durchlässigen) Rohr anliegt. Anmischung: Je nach Anteil von Feinst- bis Feinkorn im Boden beträgt der Bedarf zwischen 4 und 12 kg pro 1000 Liter (je größer das Sedimentkorn, desto höher der Bedarf)
4.7.6.8 Spülungsuntersuchungen3 Auf die Bohrgeschwindigkeit kann über die Bohrspülung Einfluss ausgeübt werden. Dazu ist eine regelmäßige Untersuchung der Spülung vor und während der Bohrprozesse erforderlich. Dieser Prozess kann dazu führen, dass für eine Bohrung mehrere Spülungen vorbereitet werden. Das geschieht mit dem Ziel, die jeweilige Formation kontrolliert zu durchörtern und auf unvorhergesehene (geologische) Ereignisse flexibel reagieren zu können. Die meisten zur Anwendung kommenden Spülungen sind Kompromisslösungen für die verschiedenen Anforderungen der Bohrparameter. Spülungsanalysen können im Labor oder im Feld durchgeführt werden. Laboruntersuchungen werden zur Vorbereitung für Spülungsprogramme durchgeführt. Auf sie wird im weiteren Verlauf des Kapitels nicht eingegangen. Spülungsuntersuchungen im Feld können u. a. mit nachstehenden Geräten durchgeführt werden: • Hydrometer – Bestimmung der Dichte • Spülungswaage – Bestimmung der Dichte • Rotationsviskosimeter – Bestimmung der Viskositäten • Filterpresse – Messung der Filtrationseigenschaften • pH-Wert-Messgerät – Messung des pH-Wertes • Sandgehaltmessgerät – Messung des Feststoffanteils • Marshtrichter – die Auslaufzeit ist ein Anhaltswert für die Viskosität
4.7.6.9 Aufgaben und Wirkungen von Bohrspülungen4 Allgemeines Bohrloch-Stabilisierung und Förderung des geösten Bodens sind die Hauptaufgaben der Bohrspülung. Dabei erfordern vertikale und horizontale Bohrungen unterschiedliche Spülungskonzepts. Bei Tiefbohrungen sind die Dichte und Viskosität sowie eine ausreichende Pumpleistung bei hohem Druck entscheidend. Unter diesen Voraussetzungen würde man aber bei Horizontalbohrungen bald an Grenzen stoßen. Vor Bohrbeginn ist es unbedingt erforderlich, sich vor Beginn der Bohrarbeiten ein genaues Bild von den Verhältnissen vor Ort im zukünftigen Bohrloch zu machen, um danach die richtige Bohrspülung zu wählen.
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Siehe ausführliche Beschreibung unter Kap. E Text und Abb.: Quelle z. T. „Süd-Chemie“ u. H.-G. Bayer: „Bohrspülungen für HDD-u. Geothermiebohrungen"
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Abb. S-47: Situation im Bohrloch [Süd-Chemie]
Konventionelle Bohrspülungen Klassische Bohrspülungen der Tiefbohrtechnik folgen oft dem Viskositätsprinzip und bestehen aus Wasser, einem Bentonit (häufig API oder OCMA) und meistens aus einigen Zusätzen zur Bildung der gewünschten Viskosität. Für die Förderung des Bohrkleins entgegen der der Schwerkraft reicht es dann aus, die Pumprate passend einzustellen. Derartige Spülungen können auch bei Schrägbohrungen in festem Gestein, verrohrt oder aber bei kurzen Verdrängungsbohrungen ohne Bohrkleinaustrag funktionieren, Bei normalen HDD-Bohrungen sind solche reinen Viskositätsspülungen nicht zu empfehlen, da sie die Sedimentation des Bohrkleins nicht verhindern, sondern nur verzögern. Der Austrag des erfolgt bei HDD-Bohrungen horizontal, wogegen die Sedimentation vertikal verläuft. Da der vertikale Sedimentationsweg sehr klein ist und die horizontale Verfrachtung von großen Menden über z. T. lange Strecken erfolgen muss, wäre eine sehr schwer realisierbare Fließgeschwindigkeit erforderlich. Diese wäre mit den üblichen Pumpenleistungen nicht erreichbar. Lagert sich aber Bohrklein ab, so ist es sehr schwer. Die Spülung wieder in Bewegung zu setzen. Ein unsauberer Bohrkanal mit Nachfall führt zwangsläufig zu einer höheren Reibung.
Abb. S-48: Folgen der Sedimentation [Süd-Chenie]
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Abb. S-49: Konventionelle Spülung im Bohrkanal [Süd-Chemie]
Der Versuch, die Viskosität durch eine dickflüssigen Spülung zu lösen, würde die Ursachen nicht beseitigen, da sich das Fließprofil von hochviskosen und niedrigviskosen Spülungen kaum unterscheidet. Es würde dazu führen, dass lediglich der Pumpendruck und damit der Verschleiß an den Geräten steigt.
Abb. S-50: Flussprofil und Viskositätsspülung [Süd-Chemie]
Bei Viskositätsspülungen wird ein großer Teil der Pumpenergie bereits in der Pumpe, im Bohrgestänge und an den Düsen vernichtet. Diese Energie wird eigentlich vorne am Meißel zum Lösen des Bodens benötigt wird. Ein weiterer Druckabbau erfolgt entlang des Bohrkanals beim Rücklauf. Bei zu hohem Druck kann es hier zu unerwünschten Ausbläsern kommen (Abb. S-51).
S Abb. S-51: Viskositätsspülung verursacht Ausspülungen [Süd-Chemie]
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Auch wenn diese Schwierigkeiten nicht auftreten, ist die Viskositätslösung keineswegs optimal für eine HDD-Bohrung, denn es entstehen Probleme auch bei der Stabilisierung der Bohrlochwand. Im oberflächennahen Bereich fehlt der notwendige hydrostatische Druck zum Aufbau eines Filterkuchens, wie er aus der Tiefbohrtechnik bekannt ist. Die Spülung soll Material zum Aufbau des Kuchens mit sich bringen, in die Bohrlochwand eindringen, um dort das Filtermaterial abzulagern. Dünnflüssige Spülungen bringen aber nicht genügend Material für einen wirksamen Filterkuchenaufbau mit sich und dickflüssige Spülungen dringen nicht genügend in die Wand ein (Abb. S- 52 u. 53). Daher unterbleibt eine wirksame Stabilisierung des horizontalen Bohrlochs.
Abb. S-52: Filterkuchenkonzept 1 [SüdChemie]
Abb. S-53: Filterkuchenkonzept 2 [SüdChemie]
Zusammengefasst haben konventionelle Bohrspülungen im HDD die folgenden Schwachpunkte: • Hoher Pumpdruck erforderlich • Sedimentation verursacht erhöhte Reibung • Ausbläser drohen • Stabilisierung der Bohrlochwand unzureichend • Hohe Kosten für mäßige Leistung
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Moderne HDD-Spülungen Moderne HDD-Spülungslösungen kommen den Anforderungen dieser Bohrtechnik nach sicherem Austrag des Bohrkleins und guter Stabilisierung des Bohrlochs weitaus besser entgegen als die konventionellen Spülungen (Abb. S-54).
Abb. S-54: Moderne HDD-Spülung im Bohrkanal [Süd-Chemie]
Moderne HDD-Spülungen bestehen auch nur aus Wasser, Spezialbentoniten und eventuell dazu passenden Additiven. Sie verfolgen aber ein ganz anderes Wirkungsprinzip, das auf einem reversiblen Sol-Gel-Mechanismus beruht (Abb. S-55). Die grundlegenden Materialeigenschaften für diesen Mechanismus sind auch schon bei den bekannten Aktivbentoniten für den Spezialtiefbau im Ansatz vorhanden. Aber erst die richtige Rohstoffauswahl, die richtige Produktionsweise und auf den Rohstoff abgestimmte Zusätze machen daraus brauchbare HDD-Bentonite. Die Darstellung dieser Eigenschaften durch Zusammenmischen verschiedener Produkte vor Ort auf der Baustelle mag prinzipiell möglich sein, bedarf jedoch der permanenten Überwachung durch einen wirklich versierten Spülungstechniker. Der Bezug des fertigen Spülungsprodukts direkt vom Hersteller ist in jedem Falle vorzuziehen.
Abb. S-55: Moderne HDD-Spülung – der bessere Mechanismus [Süd-Chemie]
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Der Sol-Gel-Mechanismus beruht darauf, dass geeignete Suspensionsysteme dünnflüssig sind, wenn sie bewegt (geschert) werden (Solzustand), aber sofort stabile halbfeste Strukturen ausbilden, wenn diese Bewegung aufhört (Gelzustand). Sie unterliegen also einer starken Scherverdünnung die innerhalb kürzester Zeit nach Einwirkung schon minimaler Kräfte erfolgt (Abb. S-55).
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Abb. S-56: Der Sol-Gel-Mechanismus [Süd-Chemie]
Diese besonderen Suspensionseigenschaften haben für die HDD-Technik ungemeine Vorteile: In der turbulenten Lösungszone direkt am Bohrkopf ist die effiziente Räumung bei niedrigen Pumpendrucken möglich, weil der Druckverlust in den Düsen nur noch minimal ist und die verfügbare Energie voll in die Abtragsarbeit eingebracht werden kann. Die nahe der Bohrkopfumgebung in den Boden eindringende Suspension geliert dort bei Verlangsamung und stabilisiert damit das Gewölbe. Eine Gelierung auch in der langsam zurückfließenden Transportzone verhindert die Sedimentation des Bohrkleins (Abb. S-57).
Abb. S-57: Sol-Gel-Systeme im Bohrloch [Süd-Chemie]
Auch gröberes Bohrklein wird dabei in das dreidimensionale Netzwerk des Gels eingebunden und kann wirkungsvoll ausgetragen werden (Abb. S-57). Die homogene Einbindung des Bohrkleins ermöglicht auch erst die effektive Stützung und Schmierung des Bohrgestänges (Abb. S-58).
Abb. S-58: Sol-Gel-Systeme in der HDD-Technik [Sud-Chemie]
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Abb. S-59: Das Gel im Bohrloch [Süd-Chemie]
Die Bohrkanalstabilisierung, die während des Löseprozesses vorne am Bohrkopf begonnen hat, setzt sich während der gesamten Offenzeit des Bohrkanals fort. Eindringendes flüssiges Sol beginnt bei Verlangsamung in der Kanalwand zu gelieren, fixiert die dortigen Bodenbestandteile und baut auch mitgeführtes Bohrklein mit ein. Es entsteht dabei eine Art sekundärer Filterkuchen durch Materialanreicherung in der Penetrationszone (Abb. S-60).
Abb. S-60: Das Sol-Gel-System in der Kanalwand [SüdChemie]
Das Fließprofil einer modernen HDD-Spülung nach dem Sol-Gel-Prinzip (Abb. S-61) kann wie folgt gesehen werden:
Abb. S-61: Das Sol-Gel-System und der Pumpdruck [Süd-Chemie]
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Die Hauptmenge der Spülung fließt als kompakte Gelstruktur mit eingebettetem Bohrklein zwischen Bohrgestänge und Bohrlochwand zurück, gewissermaßen als „Gelwurst“ (man stelle sich dabei Himbeermarmelade mit all den Kernen vor). An den Rändern zum Gestänge und zur Bohrlochwand erfolgt durch Reibung eine sofortige Verflüssigung des Gels zum Sol und da-
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durch die Ausbildung eines Schmierfilms, auf dem das restliche Gel schwimmt und das Bohrklein unbehelligt austragen kann (Abb. S-62 + 63).
Abb. S-62: Das Sol-Gel-System baut perfekte Schichten für die Stabilisierung der Wand und für den Cuttingtransport auf [Süd-Chemie]
Zusammengefasst haben moderne HDD-Bohrspülungen folgende Vorteile vor konventionellen Spülungen: • Bessere Stützwirkung, bessere Bohrkanäle statt Sedimentation, Reibung und Ausbläser (Abb. S-63) • Bessere Ausnutzung der Maschinenleistung für Lösung und Abtrag (Abb. S-64) • Niedrigere Räum- und Einzugsleistung durch saubere Bohrkanäle (Abb. S-65)
Abb. S-63: Ergebnisse im Vergleich: konventionelle Viskositätsspülung und Sol-GelBohrspülung [Süd-Chemie]
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Abb. S-64: Abtragsleistung im Vergleich [Süd-Chemie]
Abb. S-65: Zugleistung im Vergleich [Süd-Chemie]
4.7.6.10 Spülungszusätze Spülungszusätze gibt es viele, für deren Benutzung aber nur wenige klare Hinweise. Spülungszusätze sollten auf normalen HDD-Baustellen nur zum Einsatz kommen, wenn ein Spülungstechniker zugegen ist oder das Personal entsprechend geschult ist. Moderne HDDSpülungen sind Einkomponentensysteme, die für einen weiten Bodenbereich vom Ton bis zum Kies verwendbar sind. Der Einsatz von Additivzusätzen kann u. U. von Nachteil sein oder mindestens mit dem Spülungshersteller abgestimmt werden. Als eine der wenigen Ausnahmen ist der Einsatz von PHPA als Inhibitor und Gleitmittel in aktiven Tonformationen zu nennen, hier wird dann aber auch nur Wasser oder nur niedrig konzentrierte HDD-Spülung verwendet und der Haupteffekt kommt vom Additiv. Auf alle Fälle sollte der Einsatz von Zusätzen im QS-Plan vorab festgelegt sein und dann auch genau dokumentiert werden. Die Verwendung von mehreren Zusätzen gleichzeitig oder nacheinander in derselben Spülung ist meist problematisch. Man vermeide den Zauberlehrlingseffekt!
4.7.6.11 Selbsterhärtende Bohrspülungen
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Allgemeines Selbsterhärtende Bohrspülungen sind HDD-Bohrspülungen, die aus aufeinander abgestimmten Ton- und Bindemittelanteilen bestehen. Durch den Tonanteil weisen selbsterhärtende Bohrspülungen eine mit konventionellen tonhaltigen HDD-Spülungen vergleichbare Rheologie auf. Nach Ablauf der Verarbeitungsdauer (ca. 48 h) führt der in der Spülung enthaltene zementäre
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Bindemittelanteil zunächst zu einem Erstarren und dann zu einer langsamen Erhärtung des Systems. Das mit der selbsterhärtenden Bohrspülung gefüllte Bohrloch wird so kraftschlüssig stabilisiert und abgedichtet. Durch den Einsatz selbsterhärtender Bohrspülungen bei der Unterquerung setzungsempfindlicher Objekte (z. B. Gebäudekomplexe, Straßen oder Bahngleise) können somit Setzungsschäden vermieden werden. Die Abdichtung des Bohrloches durch selbsterhärtende Bohrspülungen ist wesentlich bei Bohrungen im Bereich von gespanntem Grundwasser und bei der Unterquerung von Kanälen. Eigenschaften selbsterhärtender Bohrspülungen Selbsterhärtende Bohrspülungen sind werksfertige Trockenmischungen, die auf der Baustelle nur noch mit Wasser und dem üblichen Mischequipment zu einer Suspension aufbereitet werden. Der Feststoffgehalt der Spülung liegt bei ca. 160 kg pro m3 Suspension. Durch das werksseitige Qualitätsmanagement ist sichergestellt, dass die Spülung bei sachgemäßer Anwendung die im technischen Merkblatt des Herstellers angegebenen Eigenschaften erreicht. Der Tonanteil von selbsterhärtenden Bohrspülungen besteht aus einem zementstabilen NaBentonit und ist maßgebend für die Suspensionsrheologie. Der Bindemittelanteil selbsterhärtender Bohrspülungen besteht aus einem zementbasierten Spezialbindemittel, das erst nach Ablauf der Verarbeitungszeit von ca. 48 Stunden zu einem Ansteifen und in der Folgezeit zu einer zunehmenden Erhärtung der Spülung führt. Verantwortlich für diese Festigkeitsentwicklung sind kleine nadelförmige Kristalle – sogenannte CSH-Phasen – die sich auf der Oberfläche der Bindemittelpartikel bilden. Die Spülung erstarrt, wenn das Längenwachstum der Kristalle soweit fortgeschritten ist, dass diese den Abstand zwischen den in der Spülung suspendierten Feststoffteilchen überbrücken. Das weitere Kristallwachstum führt dann zur Ausbildung einer immer dichteren Matrix aus CSH-Kristallen und somit zu einer zunehmenden Festigkeitsentwicklung.
4.7.7 Bohrstrang und Bohrwerkzeuge5 4.7.7.1 Bohrgestänge Das Bohrgestänge dient • der Übertragung der Antriebsenergie zum Bohrkopf bzw. Aufweitkopf • der Übertragung der Drehmomente • der Drehung der Werkzeuge • über seinem Innenhohlraum zum Transport der Bohrspülung • der Übertragung von Schlagimpulsen des Schlagwerkes auf die Bohrkopfspitze Ein HDD-Bohrgestänge muss in der Lage sein, den Belastungen durch Vorschub bei den Pilotbohrungen, den Torsionsbelastungen durch den Drehantrieb, dynamischen Druckbelastungen, besonders aber den sehr großen axialen Zugbelastungen bei den Aufweitbohrungen gerecht zu werden. Die Hauptbelastung bei HDD-Bohrungen erfolgt beim Aufweiten (ReamingVorgang). HDD-Bohrgestänge sind daher Zuggestänge, d. h. sie sind von ihrer ganzen materialtechnischen Verarbeitung und durch ihren aufwendigen Vergütungsprozess so gearbeitet, dass sie maximale Zugbelastungen aufnehmen können und müssen.
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Text teilweise entnommen aus: H.-J. Bayer – „HDD-Praxis Handbuch“
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HDD-Bohrgestänge müssen auch enorme Biegebelastungen durch den Bohrungsverlauf (Kurvenradien) aufnehmen und verkraften können, nur spezielle Stahlqualitäten kommen dafür in Frage. Diese Biegebelastungen sind auch im Verbindungsbereich (in den Gewinden) maximal, die Walkbelastungen verlangen hier ein beanspruchungsfähigeres Gewinde als im Vertikalbohren. Je kleiner die HDD-Anlage, desto höher die möglichen Seitenbelastungen im Gewindebereich. Dünne Bohrgestänge (38 und 44 mm Durchmesser) erlauben in dicht gelagerten Lockergesteinen minimale Radien von 12 m, bei Gestängen um 50 mm sind minimal bis zu 20 m Radius möglich, mit zunehmendem Gestängedurchmesser verliert sich diese enorme Flexibilität.
Abb. S-47: Schlagbohrgestänge für das HDDBohrverfahren [HDD-Praxis Handbuch]
Bei größeren Anlagen können die Gewinde nach API oder in Anlehnung an die API-Richtlinie RP 7 G gearbeitet sein, bei den kleineren HDD-Anlagen sind es fast immer Spezialentwicklungen mit Keilhohlräumen im Anschlagsbereich, mit Spiel für die Walkkraftaufnahme, dennoch mit hoher Verbindungssicherheit und Verschleißfestigkeit.
S Abb. S-48: HDD-Gestänge in einem Magazin [TERRA]
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Das bei den Mini- und Midi-Bohranlagen in der Regel 3 m lange Bohrgestänge muss auch extremen dynamischen Beanspruchungen standhalten. Deshalb haben Grundodrill-Anlagen ein spezielles Tein-Drive-Schlagbohrgestänge (Abb. S-47), das extrem hohe Belastbarkeiten dank spezieller Konstruktion und Oberflächenbehandlung aufnehmen kann. Das Drehmoment zum Lösen des Gestänges ist geringer als bei normalem Gestänge, dafür ist die Lebensdauer erheblich länger und die Abnutzung im Verschraubungsbereich recht gering. Bei Schachtbohrgeräten kommen kurze Bohrgestänge zum Einsatz (400 – 1000 mm), bei den Maxi- und Mega-Rigs sind 6 m lange Bohrstangen oder noch längere Gestänge üblich.
4.7.7.2 Bohrstangenmagazin Bohrstangen werden i.d.R. in einem Magazinkasten direkt neben dem Bohrschlitten aufbewahrt, um sie auf kurzem Wege greifen (Kranarm oder Laufschiene) und auf die Schlittenführung heben und dort verschrauben zu können (Abb. Q-47 + 48). Es gibt verschiedene Formen von Bohrstangenmagazinen: • Einfache Ablagekästen • Vertikale Stapelschienenkästen (mit Abnahme der Schienen von oben oder Auslass von unten) • Stapelkästen mit Basisentnahme im keilförmigen Nachrutschsystem • Trommelmagazine • Kugelbahnmagazine • Paternosterkettenmagazine ggf. mit Schlaufenform. Wichtig ist die möglichst gleichmäßige Nutzung aller Bohrstangen, was am besten bei den letztgenannten Magazinformen möglich ist. Vorteilhaft ist auch die Wechselbarkeit der gesamten Magazinkästen sowie eine platzsparende und verrutschungssichere Anordnung der Bohrstangen, was in den Stapelschienenkästen am besten geschieht.
4.7.7.3 Bohrwerkzeuge Das Bohrwerkzeug dient dem Austritt der bodenschneidend wirksamen Bohrflüssigkeit (hydromechanisches Lösen) und der mechanischen Zusatzzerkleinerung des Bodens bzw. des Gesteines. Bohrwerkzeuge dienen der Pilotbohrung, den Aufweitvorgängen, der Bohrlochfindung und -glättung und z. B. beim Innenrohreinzug der Rohrreinigung und Profilfreischneidung. Bohrköpfe für Pilotbohrungen Es gibt grundsätzliche Unterschiede bei den Bohrköpfen für Lockergestein und für Fels. Allein bei den Lockergesteinsbohrköpfen, die dem weitgehend hydromechanischem Gesteinslösen und dem Bohrkleintransport dienen, gibt es eine erhebliche Vielfalt, die man wie folgt darstellen kann: Bohrköpfe • mit Frontdüsen • mit Front- und rückwärts gerichteten Düsen • ohne Verschleißschutz (nur für sehr weiche Böden geeignet) • mit Schweißnähten als Verschleißschutz • mit einzelnen Bits an den Verschleißkanten • mit Bits in Reihen, z. B. an der Frontkante und/oder den Seitenflächen
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• • • • • • •
mit Rundschaftmeißeln an der Frontkante („Krallenform“) mit aufschraubbaren/aufsteckbaren Steuerplatte mit vergrößerter Steuerplatte für setzungsempfindliche Böden mit unterschiedlichen Anschrägungen der Steuerfläche mit rotierenden Düsen mit diversen Bohrkopfsendefenstern Kammern für unterschiedliche Sender oder Navigationssysteme.
Abb. S-49-1: links: Verschiedene Bohrköpfe für Pilotgestänge – rechts-oben: WarzenRollenmeißel – rechts-unten: Stratacut – Vollbohrmeißel (Platten aus Wolframkarbit-Scheiben mit einer Schicht polykristallinen Diamanten belegt – für Fels-Formationen) [V]
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Bohrköpfe für den mechanischen Abbau Eine geringere Vielfalt gibt es bei den Felsbohrköpfen für Mudmotoren, deren Unterschiede sich aus der Gefügeart, Struktur, natürliche Matrix, tektonische und innerkristalline Trennflächen, Mineralkornhärte u. ä. und besonders der Druckfestigkeit des Festgesteines herleiten. So gibt es im Wesentlichen folgende Einteilungsgruppen: • Flügelmeißel (i.d.R. drei Schneidflügel; für weiche Festgesteine) • Zahnrollenmeißel (längliche oder kegelige Zähne für Gesteine mittlerer Festigkeit) • Rollenmeißel mit TCI-Besatz (Wolframkarbid) – Abb. Q-49 • Hartgesteinsmeißel mit Carbonados (Industriediamanten) oder PCD's (polykristalline Diamanten) – Stratacut-Bohrmeißel – Felsbohrköpfe sind nicht nur bei felsigen Formationen einzusetzen, sondern genauso in groben Kiesen, Geröllen, Blockschutt, Findlingen, Moränengebieten, Bergsturzmassen, Bauschuttauffüllungen, anderen Auffüllungen mit harten Komponenten (z. B. Schlacken, Schotter, Brechsplitt, Recyclingmaterial). Näheres zu verschiedenen Rollen- und Flügelmeißeln siehe Kap. E – Gerätetechnik.
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Sonderformen der Spüllanze Die normale Ausführung der Spüllanzen reicht in einzelnen Fällen nicht aus. Daher haben sich Sonderformen in der Horizontalbohrtechnik etabliert. Im Folgenden werden drei dieser Sonderformen vorgestellt. Für Fließsande und torfige Böden wurde eine Verbesserung der Steuerfähigkeit der Spüllanze angestrebt. In diesen Böden lässt sich das Bohrgestänge sehr schlecht steuern. Es wird eine diagonal zur Längsachse ausgerichtete Gegenkraft benötigt, um eine gewünschte Richtungsänderung zu erreichen. Diese ist in locker gelagerten Böden mit geringer Tragfähigkeit kaum zu erzielen. Bei einer an der Spitze abgeschrägten Spüllanze wurde deshalb an der diagonalen Fläche eine seitlich überstehende Platte angebracht. Sie hat den Sinn, eine größere Fläche zu bieten, durch die eine höhere Gegendruckkraft erreicht wird. Diese Spüllanze setzt allerdings ein weitgehend homogenes (= gleichförmiges) Gebirge voraus. Tritt der Meißel in härtere Formationen ein, ist mit einer Beschädigung der Platte zu rechnen. Um Hindernisse zu durchbohren kann ein spezieller Schneidekranz auf die Spitze der Spüllanze montiert werden. Dieser Kranz besteht aus Hartmetallschneiden (z. B.: Widia). Wird ein Hindernis angetroffen, soll es durch das vorsichtige Vorschieben und gleichzeitige Drehen des Bohrgestänges durchbohrt werden können. Diese Konstruktionen haben den Nachteil, dass sie sehr schwer steuerbar sind. Spülungsgetriebene Schlagkopf Eine weitere spezielle Ausbildung von Spüllanzen ist die, um ein hydraulisch betriebenes Schlagwerk erweitert Spüllanze Die Spüllanze wird von der Spülflüssigkeit durchströmt. Trifft sie auf eine härtere Formation, die das herkömmliche Spülbohren nicht zulässt, kann der Spülungsdruck erhöht werden. Ab einem Druck von 100 bar öffnet sich ein Zuschaltventil und der Schlagkolben wird aktiviert. Die Spitzen der Spüllanze werden durch den Schlagkolben, einer Bodenrakete gleich, gegen die anstehende Formation getrieben. Hartmetalleinlagen schützen dabei den Steuerkopf vor übermäßigen Abriebserscheinungen. Gemäß den Angaben des Herstellers lassen sich so Formationen der Bodenklasse 5 (VOB, Teil C, DIN 18300) durchörtern. Eine Positionsbestimmung wird durch eine gedämpft gelagerte Messsonde ermöglicht. Die Vorteile dieser Meißelausbildung liegen in der Kraftübertragung durch hydraulische Energie direkt am Meißel und der Möglichkeit, andere „kleine Bohrgeräte“ mit diesem Bohrverfahren nachzurüsten.
S Abb. S-49-2: Schnitt durch eine Schlagkopf [Tracto-Technik]
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Das Bohrgestänge muss für das schlagkopfbetriebene Bohrverfahren geeignet sein. Werkzeuge für den mechanischen Abbau – Rollenmeißel Beim Bohren mit Rollenmeißeln handelt es sich um ein drehendes-drückendes Bohrverfahren. Rollenmeißel sind in Gesteinen verschiedener Härte einsetzbar. Weiche Formationen Rollenmeißel für weiche Formationen haben lange Zähne. Es wird daher von Zahnmeißeln gesprochen. Die Wirkungsweise entspricht der einer Keilschneide, die, wenn sie in Ton gedrückt wird, seitlich bewegt werden muss, um Tonmaterial herauszulösen. Zahnmeißel arbeiten hierbei grabend, daher eignen sich lange Zähne besser als kurz Die langen Zähne können in weicheres Gestein eindringen und das so aufgelockerte Erdreich anschließend lösen. Dieser Vorgang gleicht dem Abheben von Erdreich beim Graben. Soll ein vergleichbarer Effekt mit den Zähnen des Rollenmeißels erzielt werden, muss der Zahn nicht nur in die Formation eindringen und anschließend wieder herausgehoben werden, sondern es wird durch den bei weichen Gestein eingesetzten großen Offset noch eine seitliche Versetzung der Zähne (Scherbewegung) hervorgerufen.
Abb. S-48-3: Zahnrollenmeißel – (Warzenrollenmeißel s. Abb. Q-49-1) [Comdrill]
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Weiche – mittelharte Formationen In mittelharten Gesteinen muss zum Eindringen der Schneide eine größere Kraft aufgebracht werden als in weichen Gesteinen. Deshalb wird der Zahn (= die Schneide), im Vergleich zu Weichgesteinen weniger tief eindringen. Mittelharte Formationen Aus den höheren Gesteinswiderständen resultiert eine noch stumpfere Ausbildung der Zähne bei gleichzeitiger Vergrößerung der Zahnbasis im Verhältnis zur Zahnlänge. Dies führt zu einer großen Anzahl kleiner Zähne, die sich auf den Rollenumfang verteilen. Harte Formationen In harten und abrasiven Gesteinen (wie Quarzit und Granit) werden kratzend arbeitende Bohrwerkzeuge stärker verschlissen als die abzubauende Formation selbst. Harte Formationen lassen sich i. A. mit drehschlagenden Bohrverfahren günstig und effizient abbauen. Das führt zu einem Herausbrechen der Gesteinspartikel aus dem Verband. Dabei wird ein stumpfes Werkzeug (mit großer Kraft) in den Gesteinsverbund hinein getrieben, wodurch im Gestein Spannungen entstehen. Diese führen zum Herausbrechen von Partikeln. Hinweis: Weitere ausführliche Details zu Rollenmeißeln siehe Kap. E-Gerätetechnik.
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Aufweitwerkzeuge Diese Räumwerkzeuge (Reamer, Backreamer) dienen der Bohrlochvergrößerung, die gegebenenfalls in mehreren Arbeitsschritten, mit jeweils größeren Aufweitdimensionen, in ziehender Weise, erfolgt. Nach Erreichen des geplanten Enddurchmessers kann der Rohreinzug erfolgen, wobei in der Regel ein Reamer bzw. ein Glättungsreamer dem Rohrprodukt beim Einziehvorgang vorausläuft. Glättungsreamer sind häufig ohne Zahnbesatz, sie sollen dem erzeugten Bohrloch verbliebene Rauigkeiten nehmen.
Abb. S-50: Räumer- u. Aufweitungswerkzeuge
[Prime Drilling]
Erläuterungen zu Q-50: Rechts: Tonnen Räumer für Durchmessern von 400 bis 2000 mm (Reaming tools Typ BarrelReamer) – Mitte: Fels-Aufweitungs-Bohrer mit Durchmesser bis ca. 1400 mm (Reaming tools Typ Hole-Opener) – links: Aufweitungs-Bohrer für Durchmessern von 400 – 2000 mm (Reaming tools Typ Flycutter) Zwischenzeitlich ist eine enorme Vielfalt an Aufweitwerkzeugen entstanden, die in Abhängigkeit zu regionalen Bodenbedingungen und -festigkeiten, zu den gewünschten Schneidgeschwindigkeiten und Bodenlösemaßnahmen, sehr viele unterschiedliche Grundformen erzeugt hat, die im Folgenden zusammengefasst sind: • Stufenreamer (Urform des HDD-Reamers, steil bis stufenpyramidenförmig, nur für leichte Böden verwendungsfähig), • Konusreamer (als Voll- oder Hohlkörper bzw. als Teilhohlkörper möglich; glatt, gefurcht, mit Schutzschweißnähten, mit Leisten, mit Besatzleisten, mit Einzelbits, mit Einzeldüsen, mit Düsenleisten und anderen Variationen möglich; häufigste Form des HDD-Reamers, 1986 von Horchemer in Karlsruhe entwickelt), • Flügelreamer (leichter Reamer für locker gelagerte Böden; bogenförmige Flügel tragen diverse Schneidelemente), • Fly Cutter – Abb. Q-50-C (Reamer mit Streben oder Speichen, die einen Außenschneidkranz tragen; für leichte, lockere, auch setzungsempfindliche Böden; für organische Böden; für porige, bindige Böden, wie z. B. Löß), • Reamer mit Schaufelelementen (für sehr leichte, nicht tragfähige Böden), • Barrelreamer – Q-50-A (Fassräumer; tonnenförmige Reamer mit Kegelabschlüssen, auf der Frontkegelfläche mit Meißeln oder Leisten besetzt; häufig mit Schutzschweißnähten gepanzert; zur Erzeugung großer Aufweitdurchmesser; zur Lagerungsverdichtung in den Bohrlochwandungen), • Wechselplattenreamer (Grundkörper mit schräg angeordneten, selbstverkeilenden Wechselplatten mit Schneidkanten; Universalreamer zur Aufnahme unterschiedlicher Schneidelemente, optimiert zur Lösung und zum Abtrag häufiger Bodensorten; große Durchlassweite sorgt für hohe Arbeitsgeschwindigkeit; Durchmesser und Geometrieform variabel; in
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kürzester Zeit umrüstbar; nach Auswahl optimaler Schneidplatten in allen Lockergesteinen einsetzbar), • Reamer mit Rundschaftmeißel (auf nahezu jeder tragfähigen und abschersicheren Grundkonstruktion diverser Geometrien sind selbstschärfende Rundmeißel aufsetzbar; ihr Vorteil liegt in ihrer hohen Schnittleistung bei wechselhaften, schwierigen, festen, dicht gelagerten, raukörnigen Böden). Alle Lockergesteinsreamer benötigen Verschleißschutz, da allein Sandkörner eineinhalb mal so hart sind wie guter Werkzeugstahl. Hartmetallbesatz (z. B. Leisten, Platten, Bits), Schutzschweißnähte, und/oder Oberflächenvergütungen sind daher erforderlich. Noch höher sind die Anforderungen für Hole Opener Abb. S-50-B + S-51 (Bohrlochöffner), d. h. für Aufweitwerkzeuge im Fels.
Abb. S-51: Fels-Aufweitungsbohrer rutschsicher lagern, aber auch umhüllen und Rauigkeiten auf deren Kornoberfläche durch Ein- und Umlagerung ausgleichen. – (Hole Opener) mit Rollenmeißel (links) [INROCK®] – Stratacut-Erweiterungs-Bohrmeißel (rechts) [Comdrill]
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Hole Opener besitzen einen Tragschaft, der mit Wolframkarbid-Elementen (TC's) geschützt ist und an dem Rollenmeißel in achsensymmetrischer Anordnung, z. T. gestaffelt, angeordnet sind. Diese Rollenmeißel können unterschiedliche Geometrie und unterschiedlichen Besatz aufweisen. Häufig haben sie TCI's als Schneidstifte, auch PCD-Besatz ist möglich. Hole Opener müssen im Festgestein nahezu nur mechanische Abtragsarbeit leisten, die Düsen dienen dem Rollenantrieb und Werkzeugkühlung. Eine andere Form der Bohrlochaufweitung im Festgestein geschieht durch Überlagerungsbohrungen (Wash pipe System). Dabei wird nachrückend zur Pilotbohrung mit einem Überbohrgestänge (Wash Pipe) eine Ringkranzbohrkrone zum Vergrößern des Bohrloches eingesetzt. Mit diesem Doppelbohrstrangsystem können auch sehr erfolgreich Gerölle und schwere Schuttmassen durchbohrt werden. Hole Opener und große Barrelreamer benötigen oft Stabilisatoren hinter den Aufweitwerkzeugen. Sie sorgen für einen ruhigeren Lauf, vermeiden Querschwingungen und schonen damit entscheidend das Bohrgestänge. Hole Opener werden meist mit integrierten Stabilisierungselementen gebaut.
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Eine spezielle Form von Räumköpfen wird für den Innenrohreinzug mittels HDD benötigt. Hier ist es oft nötig, bei alten Stahlleitungen nach innen gerichtete Stahlspratzen (Schweißspratzen) zu entfernen, Rosthöcker und Inkrustierungen zu beseitigen und sonstige Ablagerungen innen aus dem Rohr zu entfernen. Hierzu werden meist Reamer in Kegelform mit geraden TOI- oder PCD-Backen verwendet, die in der Lage sind, alle Leitungen innen metallisch blank zu reinigen. Erst danach sollte der Neurohreinzug geschehen, der Zwischenraum sollte aus Gründen des Korrosionsschutzes und der Druckstoßsicherung verdämmt werden.
Abb. S-52a: Der Räumer beim Austritt aus dem Erdreich – hier zwei Stufen: oben ein Barrel Reamer (Fassräumer) und unter ein Fly-Cutter [Prime Drilling]
4.7.7.4 Aufweitvorgang Nach Abschluss der Pilotbohrung wird die Pilotbohrgarnitur i. d. R. am Austrittspunkt der Bohrung demontiert/abgeschraubt, und ein Aufweitwerkzeug wird mit dem Bohrgestänge verbunden. Dieses Aufweitwerkzeug wird in Abhängigkeit der anstehenden Geologie und den Kapazitäten der zur Verfügung stehenden Bohrausrüstung (Drehmoment Rig und Bohrstrang, Volumenkapazität Hochdruckpumpe und Recyclinganlage) ausgewählt. Das Aufweiten des Bohrloches kann in einem oder mehreren Schritten durchgeführt werden. Bei mehreren Aufweitschritten ist darauf zu achten, dass die Werkzeuge mit unterschiedlichen Durchmessern immer zentriert arbeiten, so dass ein möglichst runder Bohrlochquerschnitt entsteht. Dabei können unterstützend (abgestufte) Reamer oder Stabilisatoren eingesetzt werden. Arbeiten die Werkzeuge nicht zentriert, entsteht ein schlüssellochförmiges Bohrloch. Das Aufweitwerkzeug wird drehend und spülend durch das Bohrloch bewegt. Für jede Bohrstange, die an Rigsite ausgebaut wird, muss eine an Pipesite nachgesetzt werden, so dass sichergestellt ist, dass sich jederzeit ein kompletter Bohrstrang im Bohrloch befindet.
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Abb. S-52b: Darstellung der Aufweitung im idealen (links) und ungünstigsten (rechts) Fall [Prime Drilling]
Der Aufweitvorgang zielt auf die Erstellung eines zumindest temporär standfesten Bohrloches. Daher muss die Arbeitsgeschwindigkeit des Räumvorganges auf die anstehende Geologie angepasst werden. Dabei stehen die Volumenkapazität der Hochdruckpumpe und der Recyclinganlage, die Mischkapazität der Spülungsmischeinheit und die Feststoffbeladung der Bohrspülung sowie die Spülungszusammensetzung im Vordergrund. Ziel dieses Arbeitsschrittes ist es, ein Bohrloch herzustellen, das einen reibungslosen Einzug der/des Produktenrohre/s ermöglicht. Nach dem Aufweiten des Bohrloches kann sich ggf. ein Testlauf und/oder ein Cleaning-run anschließen. Der Testlauf mittels eines Probekörpers, der durch das Bohrloch gezogen wird, prüft die Befahrbarkeit und die Einziehbedingungen des Bohrloches. Der Cleaning-run hat zum Ziel, evtl. im Bohrloch vorhandene Sedimente/Hindernisse durch eine Befahrung des Bohrloches mit einem entsprechenden Bohrwerkzeug zu beseitigen. Folgende Punkte sollten während der Aufweitarbeiten am Bohrloch beachtet werden: • Kommunikation mit dem AG bzw. dessen Vertretung aufrechterhalten, Informationsaustausch • Betriebsbereitschaft und -zustand der kompletten Bohrausrüstung • Während der Bohrarbeiten Kontrolle der Bohrspülungsberichte und des Bohrberichtes mit Schwerpunkt auf Einhaltung des Bohrprogramms • HDD-Aktivitäten am Zielpunkt/Austrittspunkt der Bohrung/en vorab mit Rohr- und Tiefbau koordinieren • Bestände an Verbrauchsstoffen kontrollieren und ggf. Ersatzbestellungen rechtzeitig auslösen • Ggf. anfallende Subunternehmer(-arbeiten) koordinieren und/oder vorbereiten, • Einziehen des Produktenrohres vorbereiten • Demobilisierung der Baustelle vorbereiten
4.7.7.5 Einziehvorgang
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Der Einziehvorgang ist der letzte und entscheidende Schritt einer Horizontalbohrmaßnahme. Hierfür muss das einzuziehende Produktenrohr bereit liegen, das im Vorfeld ausgelegt und zum Einzug bereit in Position gebracht worden ist.
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Um das Produktenrohr in das Bohrloch einziehen zu können, wird zwischen Bohrgestänge und Rohrstrang ein Räumer und ein Swivel (Drehwirbel) eingebaut (Abb. S-53). Drehverbinder Produktrohre müssen beim oder nach dem letzten Aufweitgang ins Erdreich eingezogen und mit umschließender, elastisch wirkender Bohrsuspension eingebettet werden. Hierzu sind Einziehvorrichtungen in Form von Drehwirbel (Drehverbinder, Drehgelenk) als Bindeelemente zwischen Reamer und Ziehkopf/Ziehköpfen erforderlich Drehgelenke vermeiden die Übertragung von Drehbewegungen des Bohrstranges auf das möglichst torsionsfrei einzuziehende Produktrohr. Drehwirbel müssen für das Maximum an Zugkraft des jeweiligen HDDAnlagentyps ausgelegt sein.
Abb. S-53: links: Schematischer Aufbau eine Drehwirbels (Drehverbinder) – rechts-oben: Ansicht Drehwirbel – rechts-unten: Kabeleinziehkopf [INROCK®]
Einziehvorrichtung Verlegeprodukte können mit unterschiedlichen Vorrichtungen eingezogen werden, die an den Eigenschaften der Verlegeprodukte orientiert sind. • Ziehstrümpfe sind auf Zug einengbare Drahtgitternetze, die im Wesentlichen für den Kabeleinzug, aber auch für dünne Leerrohre verwendet werden. • Ziehköpfe zum Anschweißen weisen am Ziehkopf ein kurzes Rohrstück auf, an den das Produktrohr für den Einziehvorgang dimensionsgleich angeschweißt wird (jeweils für Stahl, für PE/PP, für Filterrohre, u. a.) • Ziehköpfe mit Schneidgewinde (Schneidnippel) für kleine Rohrdimensionen • Ziehköpfe mit Spreizgewinde (Spreiznippel), mit und ohne Stützhülse; hier gibt es mehrere Varianten dieser am häufigsten genutzten Ziehkopfart: a) mit Spreizbacken, radial aufweitbar, mit Elastomerhalteringen über den Spreizbacken; b) mit schräg versetzbaren, mit Schneidkanten bestückten Haltezylindern, die eine sehr schnelle Montage und sicheren Halt gewähren • Mehrfachziehköpfe zum Einzug von Rohrbündeln mit Aufnahmevorrichtungen für Verlegeprodukte a) gleicher Dimension, b) unterschiedlicher Dimension • Begleitziehvorrichtungen zum Einzug dünner Leitungs- oder Kabelelemente neben der/den Hauptleitung/en. Diese Begleitziehvorrichtungen sind i.d.R. Stahlseile, die am Schäkel des
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Hauptziehkopfes befestigt sind und am anderen Ende Ösen aufweisen, an denen kleinere Ziehvorrichtungen befestigt werden können • Ziehvorrichtung mit integrierter Zugkraftmessvorrichtung: Damit die Messvorrichtung an der Stelle der stärksten Zugbelastung sitzt, gleichzeitig jedoch geschützt ist, wird sie idealerweise hinter bzw. unter der Stützhülse im Vorderabschnitt des Einziehproduktes platziert (siehe Bohrzubehör).
Abb. S-54-1: Links: Eingezogenem Dreierbündel mit unterschiedlichen Durchmessern – rechts: Mehrfachziehkopf [Tracto Technik]
In der Praxis wird der Abschnitt zwischen Aufweitkopf und Einziehvorrichtung häufig mit einem Schutzrohr überdeckt, das die Zwischenräume vor und hinter dem Drehwirbel vor lockerem Bodenabtrag schützt.
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Einziehvorbereitungen Produktenrohre Das Produktrohr wird nach den anerkannten Regeln der Technik durch den Rohrbau erstellt. Auf die anerkannten Regeln der Technik wird im Rahmen dieses Buches nicht eingegangen. Trotzdem soll die Herstellung des Produktenrohrstrangs kurz dargestellt werden. Mit der Horizontalbohrtechnik können Leitungen aus den verschiedenen Materialien eingezogen werden. Im Regelfall werden entweder HDPE- oder Stahlrohre mit dem HDD-Verfahren, in selteneren Fällen aber duktile Gussrohre eingezogen. Die Eigenschaften der Materialien, der Aufbau der Rohre (z. B. Auskleidung von Stahlrohren) und die Liefermöglichkeiten (Einzelrohre oder Ringbunde) haben einen großen Einfluss auf die Wahl des Werkstoffes und auf die Erstellung des Bohrstranges. Herstellung des Rohrstranges Die Herstellung eines Rohrstranges gestaltet sich, je nach Werkstoff und Abmessungen des Produktenrohres, unterschiedlich: Wird z. B. ein PE-HD-Rohr als Ringbund angeliefert, fällt die Schweißarbeit weitestgehend weg. Der Arbeitsaufwand erhöht sich, wenn das Produktenrohr in Form mehrerer Einzelrohre vorliegt und die Einzelrohre zu einem Strang verbunden werden müssen
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Kommt Stahl als Werkstoff zum Einsatz, ist die Verbindung der Einzelrohre zu einem Strang aufwendiger als bei einem Kunststoffrohr. Die Herstellung einer einwandfreien Schweißnaht ist bedingt durch den relativ hohen nicht mechanisierten Anteil dieser Arbeiten auf der Baustelle umfangreicher. Dagegen vereinfacht sich die Herstellung des Rohrstranges bei der Verwendung von Gussrohren im Vergleich zu den vorher genannten Werkstoffen, denn Gussrohre werden nicht zusammengeschweißt. Die Einzelrohre werden mit Muffen zu einem längskraftschlüssigen Strang zusammengesetzt. Dieses Zusammensetzen kann je nach projektspezifischen Gegebenheiten variiert werden. Es kann sowohl der komplette Rohrstrang an einem Stück zusammengesetzt als auch die Einzelrohre in Zyklus des Gestängeausbauens an der Bohranlage aneinander gefügt werden. In diesen Fällen werden die Rohre aus Platzgründen auf einen speziell dafür gefertigten Schlitten gelegt, der die entsprechende Steigung zum Austrittswinkel aufweist. Auslegen und Positionieren des Rohrstranges Nach der Herstellung des Rohrstranges kann dieser an den Gegebenheiten der Baustelle angepasst ausgelegt werden. Bei großen Durchmessern und schweren Rohren werden die Rohre bereits so positioniert, dass der entstehende Rohrstrang in der Verlängerung der Trasse liegt. Erst nach der Pilotbohrung (und vor dem Einziehen) sollte der Oberbogen erstellt werden. Dazu wird der Rohrstrang so auf z. B. Rollenböcke, Container oder Aufschüttungen (beide zusammen mit Rollenböcke) gelegt, dass sich der errechnete Oberbogen und die Ablaufbahn aus der Planungsphase ergibt. Die restliche Ablaufbahn kann mit dem Beginn der Rohrbauarbeiten konstruiert werden. Einziehvorgang Der Einziehvorgang ist der letzte und entscheidende Schritt einer Horizontalbohrmaßnahme. Hierfür muss das einzuziehende Produktenrohr bereit liegen, das im Vorfeld ausgelegt und zum Einzug bereit in Position gebracht worden ist. Um das Produktenrohr in das Bohrloch einziehen zu können, wird zwischen Bohrgestänge und Rohrstrang ein Räumer und ein Swivel (Drehwirbel) eingebaut. Zum Einziehen des Produktenrohres wird der Räumer rotierend und spülend zur Bohranlage gezogen. Durch den Swivel wird verhindert, dass Drehmomente vom Bohrgerät über das Gestänge und den Räumer auf das Produktenrohr übertragen werden. Um einen einwandfreien Einzug des Produktenrohrs sicherzustellen, wird, abhängig von der Biegesteifheit des Produktenrohres, ein Oberbogen am Austrittspunkt in Verlängerung der Bohrlinie der Bohrung und dem elastischen Verlegeradius des Rohres eingeplant und entsprechend eine Ablaufbahn konstruiert. Das Rohr wird, nach Möglichkeit ohne Unterbrechung, bis auf notwendige Stangenwechsel, eingezogen. In der Regel wird das Produktenrohr mit einer auf Bentonit basierenden Bohrspülung, die bereits während der Pilotbohrung und den Aufweitschritten wichtige Aufgaben übernommen hat, eingezogen. Dies ist allerdings nicht immer gewünscht. Um u. a. Setzungen des über der Rohrleitung befindlichen Geländes zu verhindern, wird vereinzelt vom AG die Verdämmung des Ringraumes beim oder nach dem Einzug gefordert. Hier kann mit herkömmlichen, auf Zement basierenden Dämmfüllstoffen gearbeitet werden, die über eine oder mehrere speziell dafür mit eingezogene Leitung verpumpt werden. Heute finden alternativ auch selbsterhärtende Bohrspülungen Anwendung, die unter Beachtung der Herstellerspezifikationen wie eine herkömmliche Bohrspülung funktionieren und verarbeitet werden können. Folgende Punkte sollten unmittelbar vor und während des Einziehens des Produktrohres beachtet werden:
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• Kommunikation mit dem AG bzw. dessen Vertretung aufrechterhalten, Informationsaustausch, • Betriebsbereitschaft und -zustand der kompletten Bohrausrüstung, • Während des Einziehens Kontrolle der Bohrspülungsberichte und des Bohrberichtes mit Schwerpunkt auf Einhaltung des Bohr-/Einziehprogramms, • HDD-Aktivitäten am Zielpunkt/Austrittspunkt der Bohrung/en vorab mit Rohr- und Tiefbau koordinieren, • Ggf. anfallende Subunternehmer(-arbeiten) koordinieren, • HDD-Aktivitäten am Zielpunkt/Austrittspunkt der Bohrung/en vorab mit Rohr- und Tiefbau koordinieren. Beim Einziehvorgang sollte stets Personal auf der Pipesite vorhanden sein, das den Einzug des Produktenrohres in das Bohrloch, den Oberbogen, und die Ablaufbahn beobachtet, damit das Produktenrohr schadenfrei in das Bohrloch gezogen wird. Abnahme Bei der Durchführung einer Horizontalbohrmaßnahme sind die Haupt- und Zwischenabnahmen zu beachten. Es ist ratsam die Abnahmen vor Baubeginn mit dem Auftraggeber abzusprechen und somit eine höchstmögliche Qualität abliefern zu können.
Abb. S-54-2: Für das Einziehen vorbereiteter Produktleitung. Durch die Aufständerung verkürzt sich die Länge der Startgrube [TractoTechnik]
Hinweis: Mit Rücksicht auf das Thema dieses Kapitels „HDD-Horizontalbohrtechnik“ kann auf die weiteren Beschreibungen der Rohrverlegertechnik nicht weiter eingegangen werden. Die betrifft insbesondere die Berechnungsverfahren zu den zulässigen Krümmungs- und Biegungsradien der Produktrohre und Zugkräfte. Hierzu wird auf die umfangreiche Fachliteratur (s. Literaturverzeichnis im Anhang) hingewiesen.
4.7.8 Steuerungs und Ortungstechnik -
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4.7.8.1 Ortung des Bohrkopfes Nur durch genaue Positionserfassung des Bohrkopfes im unterirdischen Raum kann eine dreidimensionale Steuerung über die schräge Lenkungsfläche (bedingt die asymmetrische Form
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des Bohrkopfes) am Bohrkopf erfolgen und deren Drehstellung übertragen und bewegt durch das Bohrgestänge einen orientierten Lenkungsvorschub unternehmen. Die Positionsortung erfolgt durch einen Sender oder ein Navigationssystem im Bohrkopf, dessen Daten durch ein elektromagnetisches Feld durch das Erdreich (Walk-Over-Verfahren) oder über eine Kabelführung (Wire-Line-Verfahren) innen im Hohlraum des Bohrgestänges übertragen werden. Alle Kräfte des Bohrantriebes werden kontrolliert über das Bohrgestänge zur Bohrlanze übertragen. Die Pilotbohrung wird dreidimensional gesteuert. Mit Rotation wird die Bohrlanze linear vorgetrieben. Für gezielte Richtungsänderungen wird die Rotation ausgesetzt und die Steuerfläche der Bohrlanze entsprechend orientiert und ein Vorschub ausgeübt. Eine ständige Kontrolle des Bohrverlaufes ist notwendig, um die gewünschte Richtung und Tiefenlage sicherzustellen. Die Information über Lage, Neigung und Stellung der Bohrlanze wird von der Bohrkopfsonde entweder auf elektromagnetischem Wege oder über Kabelführung zum oberirdischen Empfangsgerät übertragen.
4.7.8.2 Walk-Over-Verfahren Für die meisten HDD-Bohrungen wird das Work-Over-Verfahren eingesetzt, das ein zügiges Orten und unkompliziertes Handhaben ermöglicht. Bohrtiefen über 10 m oder Stahlstrukturen an der Erdoberfläche (z. B. Bahngleise, Armierstahlgitter in Betondecken verursachen Faraday'schen Käfig-Effekt) bilden jedoch Anwendungsgrenzen dieses Verfahrens. Der vor jedem Bohreinsatz zu kalibrierende Sender (eine eingegossene Sendespule, eine längliche Platine, ggf. ein lnklinometer) in Zylinderform wird mit Batterien oder Akkus stromversorgt und ist in einer eigenen Sende- und Batteriekammer im Bohrkopf bzw. Mudmotor untergebracht. Um ihn gegen die im Bohrkopf wirksamen Beschleunigungskräfte und Stöße zu sichern, wird er axial in besondere Dämpfungselemente (shock mounts) stoßsicher gelagert. Da die elektromagnetischen Sendesignale den Bohrkopf verlassen müssen, gleichzeitig der Sender (Transmitter) nach außen bestmöglich geschützt sein soll, weist der Bohrkopf schmale längliche, mit verschleißfestem Kunststoff vergossene Sendefenster auf, die in fester geometrischer Anordnung (jeweils 90°-Stellungen) definierte Signalfenster darstellen, die auch Rückschlüsse auf die Verrollung geben können. Über der (Erd-)Oberfläche wird mit einem Empfangsstärkemessgerät (Receiver) jeweils das Maximum an Sendesignal geortet und auf diese Weise der Ort direkt über dem Sender lokalisier. Die Signalstärke steht in Relation zur Sendertiefe, somit ist eine Tiefenfeststellung möglich. Das DigiTrak F2 von DCI Ortungssystem wird bei Horizontal-Richtbohrarbeiten (HDD) eingesetzt, um einen im Bohrkopf installierten Sender zu orten und zu verfolgen. Das System besteht aus einem Handempfänger, einem Sender und einer Fernanzeige sowie Batterie- oder Kabelstromversorgung, einem Batterieladesystem und aufladbare Lithiumionenbatterien für die Stromversorgung des Empfängers und der Fernanzeige. Die Ortung wird durch die Verwendung der Grafikanzeige und des Menüsystems des F2 Empfängers vereinfacht. Die Echtzeitgrafik führt Sie beim Positionieren eines Ziels in einen Kasten auf dem Anzeigefenster, um die Ortung des Senders zu unterstützen. Für die Bohranlagen von TRACTO-TECHNIK wurden die Sonden mit einer Schlagdämpfung modifiziert. Die Sonden können mit einer Radialdämpfung auch in der axialen Richtung geschützt werden. (Abb. S56).
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Abb. S-55: DoigiTrak F2 Ortungssysstem von DCI links: Anzeige- und Bedienungs-Display – recht-oben: Empfänger – rechts-unten: Sonde
Abb. S-56: Sonden mit Schlag- u. Radialdämpfung System Tracto-Technik – Sonde oben ist eine Sonde Typ FXL für eine Tiefe bis 26 m [Tracto Technik)
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Der F2 Empfänger ist ein Handgerät, das zum Orten und Verfolgen eines F2 Senders eingesetzt wird. Der Empfänger wandelt Signale vom Sender und zeigt die folgenden Daten an: Tiefe, Neigung, Verrollung, Temperatur und Batteriestatus. Der F2 Empfänger kann diese Daten an die Fernanzeige am Bohrgerät schicken. Neben den grundlegenden Ortungsfunktionen der Richtungsverfolgung und Tiefenbestimmung verfügt das F2 System über die fortgeschrittenen Funktionen „Vorausberechnete Tiefe“, „Seitliche Ortung“ und „Target Steering“ (Zielbohrfunktion), um den Bohrkopf einfach und genau zu steuern, selbst wenn Hindernisse die direkte Ortung verhindern. Das NEUE Ortungssystem F2 von DCI besteht aus: • Empfänger F2R mit modernstem Display und patentierter 3D-Antenne für schnellere Ortung • Zielsteuerungsfunktion: Wo die Trassenbegehung nicht möglich ist, kann auf den Empfänger zugebohrt werden
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• • • •
Sprachunabhängiges, bildgesteuertes Menü für eine leicht verständliche Handhabung Anzeige der Senderlokalisierung nach dem bewährten „ball in the box“-Prinzip Präventive Störfelderlokalisierung im Trassenbereich 4 Übertragungskanäle (Datentransfer Empfänger/Monitor). Bei Störungen kann der Kanal gewechselt werden. • Fernübertragungsmonitor FSD (max. Reichweite 550 m) kompatibel zu Eclipse und Mark III • Akku-Ladestation 12/24 V sowie 110/240 V inkl. 3 Akkus. Diese Anleitung enthält Angaben zu allen Komponenten des F2 Systems – Empfänger, Sender, Fernanzeige und Batterieladegerät – in getrennten Abschnitten im Anschluss an diese Einführung. Darauf folgt der Abschnitt Anleitung zum Betrieb des Systems, der wichtige Ortungsbegriffe erklärt und schrittweise Anweisungen enthält. Das F2 System ist zur Einhaltung verschiedener weltweiter Betriebsanforderungen programmiert. Die Regionskennzeichnungsnummer des Empfängers muss daher derjenigen des Senders entsprechen, damit ordnungsgemäße Kommunikation stattfindet In größerer Verlegetiefe wird die Tiefenfeststellung jedoch von zunehmender Abweichungstoleranz beeinträchtigt (laut Hersteller 2 % des Tiefenmaßes, de facto jedoch logarithmisch zunehmend). Mittlerweile bestehen auch Ortungsmöglichkeiten des Senders, die ein direktes Lokalisieren über den Sender ersparen können (seitliches Orten möglich, was bei Überbauungen oder stark frequentierten Verkehrswegen sehr hilfreich sein kann). Auch werden heutzutage häufig die Sendersignale per Funk vom Receiver zum Bedienpult an der HDDAnlage übertragen und können dort z. B. automatisch gespeichert, und mit den gewünschten Solldaten direkt verglichen werden.
Abb.-S-57: Praktische Anwendung des DigiTrak F2 – Ortungsgerätes [DCI]
4.7.8.3 Wire-Line-Verfahren Bei diesem Verfahren werden die Ortungsdaten mit einem Kabel (meist ein Monodraht) innen im Bohrgestänge zum Bedienpult bzw. zur Empfangs- und Messstation übertragen. Für große Tiefen (keine Tiefenbegrenzung), große Genauigkeiten in geringeren Tiefen (z. B. zwischen 4
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und 10 m), oder unter abschirmenden oder völlig unzugänglichen Hindernissen wird dieses Verfahren eingesetzt. Jeder zugefügte Bohrstrang muss beim Pilotbohren mit einem innenliegenden Kabel verbunden werden, das aufwendig mit dem vorhergehenden Kabelstück verklemmt und schutzisoliert werden muss. Dies ist zeit- und kostenintensiv und selbst bei vormontierten Kabelsegmenten noch kontroll- und aufwandsintensiv. Die Datenübertragung durch das Kabel ist jedoch störunanfällig und übertragungssicher. Aufgrund dieses Aufwandes neigt man zum Einsatz sehr präziser Ortungssysteme im Bohrkopf, die den Neigungswinkel (Inklination), den Richtungswinkel (Winkel zwischen geografisch Nord und der Bohrlochachse = Azimuth) und die Verrollung des Bohrkopfes messen. Da die Azimuth-Messung häufig über Magnetometer erfolgt, muss der Bohrkopf oder zumindest der Platz, in dem sich das Ortungssystem befindet (z. B. hinter dem Bohrkopf, im ersten Bohrgestänge) aus antimagnetischem Stahl gefertigt sein, der sehr teuer und belastungsempfindlich ist. Als teure Alternative kann die Azimuthmessung über Kreiselkompass (Gyroskop), Faserkreisel u. ä. erfolgen. Die Inklination kann gravitativ, induktiv oder durch Beschleunigungssensoren (Accelerometer) gemessen werden, gleiches gilt für die Verrollung. Da Magnetometer kostengünstiger als Kreisel sind, jedoch auch das natürliche Magnetfeld oft durch metallische Strukturen im Untergrund (natürlich oder künstliche Elektropotentiale sorgen für Interferenzen) oder an der Erdoberfläche (z. B. durch Stromleitungen) gestört ist, werden für HDD-Bohrungen oft künstliche Magnetfelder an der Erdoberfläche oder im Flussgrund durch eine Kabelschleife ausgelegt, welche die Interferenzen kompensieren oder höheren Energieeintrag selber zur magnetischen Orientierung dienen. Messungen mit dem Wire-LineVerfahren werden oft durch externe Experten vorgenommen, sie sind aufwendig und teuer und nur in unabdingbaren Fällen im Einsatz.
Abb. S-58: Anzeigedisplay am Empfänger des DigiTrak F2 Gerätes [DCI]
4.7.9 Bedienpult
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Nahezu alle Steuer- und Überwachungsfunktionen am Bohrgerät sollten an einem Hauptbedienpult angezeigt und regelbar sein. Hier sollten auch die Ortungsdaten zugeleitet und überwachbar sein. Ein robuster, jedoch ergonomisch bequemer, voll einstellbarer Bedienersitz mit Joysticks im Handlenkungsbereich sollte eine Maschinenlenkung mit den „Fingerspitzen“
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ermöglichen. Die gesamten Bedienkomponenten sollten um den Anwendersitz herum in Bohrrichtung orientiert sein. Sinnvoll sind großdimensionierte Anzeigen, internationale Symbole, bedienerfreundliche Handhabung, stufenlose Einstellungen von Maschinenleistungen und langfristige Zuverlässigkeit. Das Bedienpult sollte mit einem Schnellanschlusskabel abnehmbar und als Fernbedienung nutzbar sein, um z. B. mit Blick in die Startgrube Bedienfunktionen ausführen zu können. Um den Bedienersitz bietet sich in mittel- und nordeuropäischen Breiten eine Standheizung und eine Kabinenumschließung an, die Arbeiten unter allen Wetterbedingungen und Klimaeinflüssen ermöglichen sollte. Bei den Maxi- und Megaanlagen ist das Bedienpult größtenteils in einer Container-Steuerbox untergebracht, die etwa der Driller-Cabine in der Tiefbohrtechnik entspricht (siehe Abb.- Q-36).
Abb. S-59: Bedienungs-Containerbox der HDD-Anlage System Herrenknecht HK 250 T [Herrenknecht]
4.7.10 Transport- und Versorgungsvorrichtung Mini- uns Midi-Bohrgeräte werden meist auf einem Anhänger oder der Ladefläche eines LKWs zur Baustelle transportiert. Mit Rampenblechen (Fahrrampen) fahren sie von der Ladefläche zu ihrem Aufstellungsort. Im Transportfahrzeug werden Bohrspülungsmaterial (z. B. Bentonit, z. B. PAAs), Bohrwerkzeug, Montagewerkzeug, zusätzliches Bohrgestänge, Baustellensicherungsmaterial, Ortungsgeräte, ggf. Dokumentationsmaterial transportiert. Es gibt HDD-Anlagen, die die gesamte Bohrspülungsmischtechnik in einem LKW-Aufbau integriert haben, das Bohrgerät, auf einem Anhänger transportieren und mit Versorgungsschläuchen vom LKW das Bohrgerät spülungstechnisch versorgen. Die unter Abb. Q-60 gezeigte ist bis ins kleinste Detail durchdacht und kann mit einem Tank oder zwei Tanks ausgeliefert werden. Sie eignet sich für alle Bohranlagen mit einer eigenen Bentonit-Hochdruckpumpe an Bord. Besonders praktisch und platzsparend ist die Antriebsstation, die schalldämmend verkleidet wurde und gleichzeitig als Werkbank genutzt wird. Zur Ausstattung gehören: • Bentonittricher • 1 – 2 2000 l Mischtanks –Frischwasserfilter, • Hatz Dieselmotor 10,9 kW • Umwälzpumpe, Bentonitleitung zur Bohranlage,
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• Mischanlage mit Frotsschutzsicherung Auf jeden Standard-Lkw mit entsprechender Ladefläche aufbaubar.
Abb. S-60: Mobile Bentonit-Mischanlage Typ Tracto-Technik A 010-D auf Lkw [TractoTechnik]
4.7.11 HDD-Kompaktanlagen mit Mischanlage Es gibt HDD-Anlagen (z. B. die TERRA 7520 Jet – Abb. S-60), die eine komplette Mischanlage an Bord haben. Diese Anlagen sind natürlich nur für kurze Strecken und kleine Durchmesser geeignet, aber dort sehr wirtschaftlich einsetzbar.
Abb. S-61: HDD-Kompaktanlage System TERRA-Jet 7520 D [Terra]
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Technische Daten: max. Druck-Zugkraft: 200 kN – Drehmoment: 7,75 kNm Spül- und Pressanlage: 185 l/mim bei 85 bar – max. Bohrlänge: 400 m – Max. Bohr-Aufweit-Ø: 800 mm – Gestängemagazin mit Gest.-Lg. 3,00 m
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4.7.12 Recycling-Anlage (optional) Bei größeren Bohranlagen, die allein durch ihre Dimension und ihren entsprechenden Antriebs- und Vortriebsbedarf höhere Spülungsmengen benötigen, wird eine Recycling-Anlage wirtschaftlich und von der Mengenbewirtschaftung sinnvoll. Eine Recycling-Anlage besteht aus Siebsätzen und bis zu sieben Zyklonen, die Bohrkleinkomponenten herausklassieren und die gereinigte und aufbereitete Spülung für die nächsten Durchläufe verwendungsfähig machen. Diese mehrfache Verwendung der Bohrspülung dient der Kostenreduzierung und Logistikeinsparung. Das herausklassierte Bohrklein kann im Normalfall auf einer Erdstoffdeponie entsorgt werden. Bei Einsatz kleinerer Bohranlagen sind weder die Bohrspülungsmengen noch die Raum- und Kostenstrukturen für den Einsatz einer Recycling-Anlage gegeben. (Wirtschaftlichkeitsgrenze derzeit bei 20- bis 25-t-Bohranlagen).
4.7.13 HDD-Zubehör Begleitend zur eigentlichen HDD-Gerätetechnik gibt es Arbeitshilfen, Planungsinstrumente, Software, Protokollierungssysteme, Dokumentationssysteme, die von der ersten Bohrungsplanung, über die Ausschreibung, bis hin zur Dokumentation der fertiggestellten Bohrung alle begleitenden Arbeitsbereiche umfassen. Zum HDD-Zubehör gehören z. B. leistungsfähige Software zur Planung, Dokumentation und Darstellung von HDD-Bohrungen, zur Bodenansprache, zur Kalkulation der Bohrungen, zur Erfassung und Dokumentation von Zugkraftmessungen, zur Erfassung von Maschinenparametern und anderes. Vorhandene Software zur Planung, Darstellung und Dokumentation von Bohrungen sollte genutzt werden. Eine gute Planung ist das Fundament jeder Horizontalbohrung. Genauigkeit und gute Vorbereitung in der Planungsphase zahlen sich durch unkomplizierteren Bauablauf, vermiedene Unterbrechungen und geringe unvorhergesehene Ereignisse während der Projektdurchführung aus und ermöglichen wirtschaftliches Handeln. Eine gute Planungssoftware erfasst zunächst alle wesentlichen Einflussgrößen der Bohrung: Projektdaten, Produktrohrdimension und eigenschaften, Oberflächenangaben, Geländemarken, Anbindungspunkte und querende Hindernisse.
4.8 HDD-Felsbohrtechnik mit spülungsarmen Mud-Motoren6 4.8.1 Allgemeines Die Anwendungswelt im HDD-Bohren, die speziellen Bedürfnisse des oberflächlich nahen horizontalen Bohrens, quasi im tieferen Straßenraum unter Gewässern oder anderen Verkehrswegen oder unter Gebäuden und Anlagen machte Umkonstruktionen von bewährten Tiefbohr-Mud-Motoren erforderlich, damit sie überhaupt wirtschaftlich auf mittleren und kleineren HDD-Anlagen eingesetzt werden können. Hier hat es in den letzten drei Jahren erhebliche Entwicklungserfolge gegeben, durch die die Einsatzmöglichkeiten von Mud-Motoren im HDD-Bereich sprunghaft gestiegen sind. Die Grundzüge von Mud-Motoren werden im Folgenden erläutert, die Unterschiede zu den Tiefbohr-Mud-Motoren herausgestellt, die Schritte 6
Quelle: H.-J. Bayer „HDD-Praxis Handbuch“
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zu den Konstruktionseigenheiten bei HDD-Mud-Motoren werden begründet und Einsatzbeispiele anhand von HDD-Baustellen aufgezeigt.
4.8.2 Grundsätzliche Eigenheiten von Mud-Motoren Mud-Motoren sind Bohrlochmotoren, die vor etwa 35 Jahren in der Erdöl- und ErdgasErkundungsbohrtechnik eingeführt wurden, seit 20 Jahren hier standardmäßig zum Einsatz kommen, heute in dieser Branche sehr bestimmend sind (fast keine Bohrung in der Nordsee ohne Mud-Motortechnik) und seit einigen Jahren für Felsbohrungen im HDD-Bereich Einzug gehalten haben. Vom Grundprinzip sind Mud-Motoren Schraubenmotoren, die durch die Bohrspülung angetrieben werden. Diese hydrostatischen Motoren, deren Mechanismus Ende der 1930er Jahre durch den französischen Ingenieur R.J.L. Moineau beschrieben wurde (daher auch MOINEAU-Motoren genannt), arbeiten nach dem Prinzip einer Schraubenpumpe. Eine schraubenförmige Stange (Rotor genannt) fördert die Spülflüssigkeit durch ein mit Elastomer ausgekleidetes längliches Gehäuse (Stator genannt), das eine gegenförmige Schraubenkontur ausweist, jedoch eine um einen Gang höhere Gangzahl als der Rotor besitzt.
Abb. S-62: Schnitt durch eine PDM-Antriebseinheit (PDM = Positive Displacement Motor = Mud-Motor) [HDD-Praxis] Im Gegensatz zur üblichen Bohrtechnik, in der die Bohrleistung von einer Antriebseinheit über Tage erzeugt und mechanisch durch die Rotation der Gestänge auf den Bohrmeißel übertragen wird (große Leistungsverluste durch Reibung), wird vom Mud-Motor die übertage erzeugte hydraulische Leistung in Form von Spülungsdurchfluss und Spülungsdruck in mechanische Leistung umgewandelt. Dies geschieht bei quasi ruhendem Bohrgestänge, wodurch Leistungsverluste in Form von Bohrlochreibung entfallen und der Gestängeverschleiß minimiert werden kann.
4.8.3 HDD- Einsatzfelder von Mud-Motoren
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Mud-Motoren werden in all jenen geologischen Formationen eingesetzt, die mit der üblichen Horizontalspülbohrtechnik in Lockergesteinen nicht mehr bewältigt werden. Die Einsatzbreite der Mud-Motoren reicht von dicht und steif gelagerten Lockergesteinen durch die ganze Bandbreite der Festgesteine bis hin zu härtesten Gesteinsformationen. In Anpassung an die Gesteinshärte werden verschiedene Festgesteinsbohrköpfe ausgewählt, die entsprechend der gegebenen Gesteinshärte eine effektive Schneidwirkung erlauben. Die Bandbreite reicht hier
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von Rollenmeißeln mit länglicher Zahnung bis hin zu Hartgesteinskronen mit polykristallinem Diamantbesatz.
4.8.4 Arbeitsweise von Mud-Motoren Bohrlochmotoren bestehen aus drei Komponenten: • Eine Antriebssektion (Rotor/Stator) verwandelt hydraulische Leistung in mechanische Leistung. • Eine flexible Antriebswelle zwischen Antriebssektion und Lagerstuhl erlaubt die Nutzung eines geknickten Gehäuses zur Steuerbarkeit. Das geknickte Gehäuse, das fest eingestellt oder verstellbar sein kann, erlaubt eine Neigungsteuerung zwischen 1 bis 5 % pro Meter. • In einem speziellen Lagerstuhl wird der Bohrkopf eingeschraubt. Der Lagerstuhl dient zur Aufnahme und Übertragung der axialen Schub- und Zugkräfte sowie der möglichen Radialkräfte auf den Bohrkopf. Er absorbiert außerdem Seitenbelastungen, Vibrationen und andere Kräfte. Der Lagerstuhl ist entweder abgedichtet und ölgefüllt oder er wird mit Spülung geschmiert. In der Antriebssektion (Rotor und Stator) verwandelt der Mud-Motor die durch Bohrflüssigkeit bzw. Spülung zugeführte hydraulische Leistung in mechanische Leistung um. Er erzeugt die mechanische Leistung direkt am Bohrkopf. Je näher die Kraft am Bohrkopf ist, umso größer ist die Leistungsfähigkeit. Außer der auftretenden Reibung trifft die Bohrflüssigkeit auf ihrem Weg zum Bohrlochmotor auf keinerlei Widerstand. Folglich geht nur ein unbedeutender Anteil an Leistung verloren. Beim Einsatz von Bohrlochmotoren werden die Bohrgestänge nur gedreht, um Richtung und Neigung vorzugeben und um ein Absetzen des Bohrkleins zu verhindern.
Abb. S-63: PDM-Kennlinien [HDD-Praxis]
Beim Einsatz eines Bohrlochmotors wird das Gestänge viel geringerer Belastung und Abnutzung ausgesetzt als beim konventionellen Bohren in Lockergestein. Ebenso wird das Bohrgerät entlastet. Der Großteil der Arbeit wird von der Spülungspumpe vorgenommen.
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Sowohl Durchflussmenge als auch Druck sind für den Betrieb des Motors notwendig. Die Durchflussmenge lässt den Rotor im Bohrlochmotor rotieren (daher der Name) – je mehr Durchfluss, um so schneller die Umdrehungen. Der Druck wird im Bohrlochmotor in Drehmoment umgewandelt und überwindet den Widerstand, welches das zu bohrende Gestein dem Bohrkopf entgegensetzt – je höher der Druck, desto höher das Drehmoment für den Antrieb des Bohrkopfes. Es gilt die Formel: Durchflussmenge × Druck = Drehzahl × Drehmoment. Der Motor wird immer das nötige Drehmoment für den Antrieb des Bohrkopfes liefern -nicht mehr. Wird der Bohrkopf stärker gegen das Gestein gedrückt, erhöht sich der Druckabfall innerhalb des Motors und gibt folglich mehr Drehmoment zum Antrieb des Bohrkopfes ab. Man kann den Motor kontrollieren in dem man die Druckwerte der Pumpe genau beobachtet. Ein Motor, der optimal läuft, zeigt nur geringe Druckschwankungen. Wird das Bohrgestänge und damit der Motor zu stark geschoben, springt der Druckwert um mehrere bar – ein deutliches Signal, den Schub zu verringern. Ein anderer Parameter in Funktion und Leistung von Mud-Motoren ist die Lobe Konfiguration. Damit ist die geometrische Ausgestaltung der positiven Schraubenstruktur des Rotors in der negativen Schraubenstruktur des Stators, welcher funktional immer einen Schraubgang mehr haben muss, gemeint. Der ein- oder mehrgängige Rotor mit schraubenförmiger Oberfläche wirkt wie ein um laufender Verdränger in dem mit Gummi bzw. Elastomer ausgekleidetem Stator. Man spricht entsprechend von ½, oder Ҁ, ... 4/5, 5/6. …gängigen Motoren, wobei das Bewegungsspiel zwischen Rotor und Stator im Gegensatz zu Tiefbohrmotoren (hohe Temperaturen) bei HDDMud-Motoren recht klein sein sollte.
Abb. S-64: Schnitt durch ein PDM [HDD-Praxis]
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Die exzentrische Bewegung des Rotors (Antriebssektion = Rotor/Stator = power section) wird über eine Gelenkwelle (Antriebswelle = universal section bzw. flexible shaft) auf die in der Lagereinheit (bearing section) gelagerte Meißelantriebswelle übertragen, die direkt mit dem Bohrwerkzeug verschraubt ist. Die Umgebung der Gelenkwelle (bent housing) wird vom geknickten Gehäuse eingenommen, welches durch vordefinierte Neigung der Richtungssteuerung des Mud-Motors dient.
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4.8.5 Leistungscharakteristik Die Leistungscharakteristik von Schraubenmotoren hängt auch von der Gangzahl, d. h. der Lobe-Konfiguration ab.
Abb. S-65: Verschiedene Lobe-Konfigurationen mit dem Einfluss auf die Drehzahl und das Drehmoment
Der Wirkungsgrad der Motoren mit hohen Gangzahlen (lobes) nimmt ab, ihre Drehmomente und die Lebensdauer hingegen nehmen zu. Hohe Drehmomente bei kleinen Drehzahlen sind sehr günstig für den Einsatz von Rollenmeißeln. Ebenso nimmt die Schraubenlänge bei größer werdender Gangzahl ab, die Rotor-Stufenlänge im Relativvergleich zur Stator-Stufenlänge nimmt jedoch zu. Mud-Motoren für den HDD-Bereich sind häufig zwischen ¾ െgängig, ½ gängige Schraubenmotoren sind aufgrund ihrer „Festfahrgefahr“ (geringes Drehmoment) nicht im Einsatz. Nahezu ideal bei den Mud-Motoren ist die Tatsache, dass ein entscheidendes bewegtes Teil (Rotor) vorhanden ist und somit die Steuerung des stabil laufenden Motors über den Spülungsvolumenstrom und den Druck erfolgen kann, wobei sich die Drehzahl für Rollen- und Diamantbohrkopfgebrauch in einem guten Leistungsspektrum befindet. Das Drehmoment ist linear zum Druck, doppeltes Drehmoment erzeugt doppelten Spülungsdruck. So ist ein optimaler Arbeitsbereich bei etwa 1000 psi (- 68,95 bar) gegeben, wie das Leistung/Druck-Diagramm darlegt.
4.8.6 Besonderheiten von HDD Mud Motoren -
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Extreme Überlagerungsdrücke und sehr hohe Temperaturen in der Tiefbohrtechnik machen einen weiten Spielraum zwischen Rotor und Stator erforderlich. Für HDD-Anwendungen muss dieser Spielraum so eng wie möglich sein, je kleiner die Spülungsmenge für den Schraubenmotor desto effektiver und wirtschaftlicher die Baumaßnahme. Für HDD-Anwendungen im Straßenraum darf der Raumbedarf für die Spülungsmisch- und -pumptechnik nur äußerst gering sein, gleiches gilt für die Größe von eingesetzten Recyclern. Die Baugröße der Mud-Motoren muss, wenn sie auf 10- bis 20-t-HDD-Anlagen laufen, sollen so gering wie möglich sein, schließlich geht es in der Längsverlegung um 90 bis160 mm Leitungen, selten um größere Durchmesser. Bei einem Überschnitt von 30% werden somit Bohrlöcher ab 120 mm benötigt. Die kleinsten HDD-Mud-Motoren liegen im Durchmesser von 2 Ǭ‘‘.
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Abb. S-66: Patentierter, gekapselter Lagerstuhl [HDD-Praxis]
Leistungsunterschiede zwischen verschiedenen Mud-Motoren sind durch den konstruktiven Innenaufbau gegeben und damit herstellerbedingt. Es macht einen deutlichen Unterschied, ob die Antriebswelle als Biegewelle in einem Segment, wie beim Grundorock-Motor von TractoTechnik, oder als Gelenkwelle wie bei anderen Herstellern ausgebildet ist. Wie die Spannungsanalyse bei der Biegewelle zeigt, vermindert die Flexibilität hier schon Leistungsverluste, die bei der Gelenkwelle noch gegeben sind. Sehr entscheidend ist der Aufbau des Lagerstockes, der beim Grundorock-MudMotor, im Gegensatz zur üblichen Technik nicht offen und damit nicht bohrspülungsgeschmiert ist, sondern in patentgeschützter Weise gekapselt und in diesem geschlossenem System ölgeschmiert ist. Dieses System erhöht entscheidend die Lebensdauer des Mud-Motors und reduziert zugleich die Betriebskosten ganz erheblich. Der patentierte Lagerstock ist selbstschmierend und druckausgleichend, hat eingebaute Schwingungsdämpfer, erlaubt sehr große Lagerbelastungen, zeigt dank verringerter Reibung deutlich verringerten mechanischen Verschleiß und erlaubt die Verwendung von verdichtbarer oder angereicherter Spülung ohne Probleme.
4.8.7 HDD-Motoren für kleine Bohrgeräte
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Ziel langjähriger Entwicklungen war es, bei Bohrlochmotoren ein höheres Drehmoment mit weniger Spülungsdurchflussrate zu liefern. Damit wollte man erreichen, dass Mud-Motoren auch auf kleineren Bohranlagen eingesetzt werden können, Felsbohren ab der 10-tBohrgeräteklasse war das Ziel. Diese technische Möglichkeit schaffen bis heute nur die Grundorock-Mud-Motoren, sie kommen mit weniger als der Hälfte an Spülungsmenge aus als vergleichbare Mud-Motoren der gleichen Leistungsklasse. Solche low flow-Motoren mit geringer Durchflussrate und hoher Belastungskapazität konnten nur durch die Konstruktion einer speziell auf den HDD-Markt abgestimmten Antriebseinheit (Rotor/Stator – power section), der flexiblen Antriebswelle und dem schon beschriebenen, sehr aufwendig und vorteilhaft gebauten Lagerstuhl (bearing section) erreicht werden. Der besondere Vorteil der Grundorock Bohrlochmotors besteht darin, dass der Vorschub durch die Rotation der Rollenmeißel erreicht wird und nicht durch Rotation der Bohrgestänge, die nur der Übertragung der Schub- und Zugkraft sowie dem Transport der Bohrflüssigkeit dienen. Gedreht werden die Bohrgestänge nur, um Richtung und Neigung einzubehalten und ein Absetzen des Bohrkleins zu verhindern, d. h. die Gestänge sind geringeren Belastungen ausgesetzt als bei Bohrungen in Lockergestein, was deutlich weniger Abnutzung bedeutet. Das Bohrgerät wird ebenfalls entlastet, da ein Großteil der Kräfte von der Spülungspumpe erzeugt wird.
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Der Grundorock Mud-Mud-Motor benötigt lediglich 75 – 150 Liter/min gegenüber konventionellen Motoren 150 – 300 Liter/min. Merkmale der GRUNDOROCK-Bohrlochmotoren: • Die Grundorock Bohrlochmotoren ermöglichen Felsbohrungen bis 200 mm 0 auch mit kleineren steuerbaren Bohrgeräten (Midi-Rigs). • Über den patentierten, abgedichteten Lagerstuhl wird bei minimalem Druckverlust maximale Leistung auf den Bohrkopf übertragen. • Die speziell für Horizontalbohrungen entwickelte Antriebssektion ermöglicht optimale Bohrleistungen mit geringen Durchflussmengen. • Die hochfeste, flexible Antriebswelle hat keine beweglichen Komponenten, die hohem Verschleiß unterliegen würden. • Das abgewinkelte Gehäuse (fester oder verstellbarer Winkel) garantiert zuverlässige Funktion und präzise Steuerung • Die vergrößerten Durchflussquerschnitte sowie die Konstruktion des abgedichteten Lagerstuhls erlauben den Einsatz anderer Spülungsmittel wie • Durch den abgedichteten Lagerstuhl steht die gesamte Spülungsmenge der Reinigung der Bohrlochsohle zur Verfügung. • Der patentierte Lagerstuhl verfügt über ein Öl-Schmiersystem (konventionelle Bohrlochmotoren arbeiten mit Spülungsschmierung oder ohne Ölumlaufsystem) und sorgt so für lange Lebensdauer, hohe Zuverlässigkeit sowie geringere Betriebskosten. • Wartungsintervall nur alle 300-400 Stunden, statt regulär alle 80-100 Stunden. • Bestückung der Rollenmeißel mit flachen Schneidbits bis 220 MPa oder mit Kegelbits bis 300 MPa oder mit PCD's (Polykristraline Diamanten) für noch härtere Gesteine (s. Abb. Q67).
Abb. S-67: Meißelbeispiele für HDD-Mud-Motore links u. Mitte: Stratacut besetzte Meißel – rechts: Diamant besetzter Meißel [Comdrill]
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4.9 Beispiele für interessante Baumaßnahmen im HDD-Verfahren 4.9.1 Allgemeines Der Entwicklungsstand des HDD-Verfahrens beschränkt sich nicht mehr nur auf die klassische Arbeitsweise, bei der auf die Pilotbohrung ein oder mehrere Aufweitschritte folgen, um das Produktenrohr im Einziehvorgang in den Bohrkanal zu ziehen. Es haben sich im Laufe der Zeit einige Techniken entwickelt, die auf einer Weiterentwicklung des HDD-Verfahrens oder auf neue Anwendungsmöglichkeiten der Gerätetechnik zurückzuführen sind. Im folgenden Abschnitt werden einige dieser Entwicklungen kurz beschrieben. Es handelt sich um Baustellenberichte von ausführenden Firmen oder Autorenbeiträge. Die Ausführungen stellen auch nützliche Ergänzungen zu den bisherigen Verfahrensbeschreibungen dar.
4.9.2 Unterführung der Elbe zwischen Freiburg und Brunsbüttel Die Sasol Germany GmbH, Brunsbüttel, plante den Bau einer Ethylenleitung von Brunsbüttel nach Stade. Eine Kreuzung der Elbe in diesem Bereich würde erheblich längere Umwegtrassen ersparen, war aber auf Grund der Breite des Stromes noch nie ausgeführt worden. Die Herausforderungen an eine derartige Horizontalbohrung waren groß: Aus Naturschutzgründen mussten die Deiche ebenfalls unterbohrt werden, woraus die Länge von 2626 m resultierte. Außerdem war ein nur kleines Bauzeitenfenster von 11 Wochen gegeben.
Abb. S-68: Lageplan [LMR]
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In der wichtigen Wasserstraße Unterelbe durfte selbstverständlich kein Messkabel quer zum Strom verlegt werden. Kies- und Geröllschichten stellten die Durchführbarkeit als Spülbohrung in Frage. Aufgrund dieser Herausforderungen wurde LMR Drilling GmbH bereits im frühen Planungsstadium durch das Rohrbauunternehmen Friedrich Vorwerk, ebenso wie das Ingenieurbüro
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Dr. Kögler durch den Bauherrn, in das Projekt involviert und entwickelte eine auf diese Herausforderungen abgestimmte technische Lösung: Die Pilotbohrung erfolgte im Doppelstrangverfahren mit 2 18" Gestänge und 6 5/8" Überwaschgestänge. Mit dieser Methode konnte ein sehr stabiles und dichtes Bohrloch aufgefahren werden, in dem die Schubkräfte und Drehmomente gut beherrscht werden konnten. Dennoch war die Verwendung von Hi-Torque-Gestänge erforderlich. Es wurde von beiden Seiten mit zwei Rigs gebohrt. Die Geröllschichten wurden auf beiden Seiten mittels HDD-Gerät mit 20"- Casingrohren bis ca. 250 m verrohrt.
Abb. S-69: Die Abb. zeigt die schwierigen Baugrundverhältnisse [LMR]
Höhepunkt der HDD-Arbeiten war die Zusammenführung beider Pilotbohrungen durch das sogenannte „Meeting-in-the-Middle“ Verfahren (Intercept). Mehr als 2000 m vom Bohrgerät Nord entfernt, über 40 m unter dem Elbwatt, wurden erstmals weltweit 2 Bohrlöcher 3 1/2" im ersten Versuch ineinander geführt und das Pilotgestänge Süd in das Überwaschgestänge Nord eingeführt. Diese vermesserische Spitzenleistung wurde mit Hilfe von magnetischen Steering Tools und Paratrackll® erzielt. Das Paratrack-Kabel konnte nur bis 290 m im Norden und von 1800 m an im Süden verlegt werden. Um eine unzulässige Abweichung der 2000 m langen Nordbohrung zu verhindern, wurden im Randbereich des Elbfahrwassers magnetische Wegmarken (Benchmarks) eingemessen und versenkt. Die endgültige Annäherung der beiden Bohrköpfe wurde durch einen neu entwickelten StaticMagnet-Sub ermöglicht, der den Südbohrkopf für das Messgerät Nord spürbar machte. Nach Fertigstellung der Pilotbohrung wurde das Bohrloch auf 18" aufgeweitet. Von beiden Seiten konnte die Spülung nach Bedarf zum Räumer gepumpt werden. Auf diese Weise konnten Spülungsumtransporte vermieden werden. Eingezogen wurde der auf dem Südufer komplett in einem Stück vorbereitete Schutz- und Produktrohrstrang innerhalb von 20 Stunden. Es wurde ein bespülbarer Drehwirbel benutzt, der ein Verklemmen von Steinen vor dem Ziehkopf unmöglich machte. Die Kräfte lagen in der berechneten Höhe.
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Abb. S-70: Bohranlage bei der Pilotbohrung [LMR]
Abb. S-71: links: ausgelegte Produkt-Leitung – rechts: Einfahren der Produktleitung [LMR]
Die reine Bohrzeit betrug sechs Wochen; um diese Zeit einzuhalten, war es allerdings erforderlich, 7 Tage pro Woche und 24 h am Tag zu arbeiten. Die Herausforderung wurde von den LMR-Crews bei einem derartigen Projekt gerne angenommen. Durch intensive Planung in Zusammenarbeit mit Herrn Dr. Kögler, die Anwendung altbewährter und neuester Technologien sowie hohem Einsatz der Baustellenmannschaft hat LMR Drilling hier einen Meilenstein in der Geschichte der Horizontalspülbohrtechnik gesetzt.
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Technische Details: Verlegtes Rohr: Schutzrohr: Stahl P 355 N, 323,9 × 10 mm Darin: Produktrohr: Stahl L 360 NB mit PE Isolierung und Faserzementschutzisolierung, 168,3 × 6,3 mm Kabelschutzrohr: Stahl S 235 JR, 48,3 × 2,3 mm Bohrlochdurchmesser: 450 mm Im Casingbereich: 700 mm Gesamtlänge: 2626 m Bohranlagen: Rig Nord: Zugkraft 3500 kN, Drehmoment 180 kNm Rig Süd: Zugkraft 2500 kN, Drehmoment 120 kNm
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Ausführendes Unternehmen: LMR Drilling GmbH, Oldenburg, seit 1989 Tochtergesellschaft der Ludwig Freytag GmbH Co. KG, eines der größten Bauunternehmen in Norddeutschland.
4.9.3 Grabenlose Auswechslung von Erdkabelleitungen7 4.9.3.1 Einführung Grabenlose Leitungsaustauschverfahren gibt es seit etlichen Jahren, vorwiegend für Hausanschlüsse und Netzleitungen und hier vorwiegend für den Bereich Wasser, Erdgas und Abwasser. Diese Austauschverfahren beinhalten oft ein Aufspalten, Auftrennen, Bersten, Zerkleinern der Altleitung, wobei segmentartig oder kontinuierlich Altleitungsabschnitte aus dem Erdreich herausgezogen, gezerrt oder herausgepresst werden oder in zerkleinerter oder aufgespaltener Weise im Erdreich verbleiben. Bis auf das Berstverfahren und das Stahlrohraustreiben mit Erdraketen leiden die genannten Verfahren unter einem hohen Zeit- und Kostenaufwand. Energieversorger, zumal Stromversorger, werden heutzutage sehr stark an ihrem Umwelt- und Kostenbewusstsein gemessen, innovative, umweltfreundliche und kostengünstige Verlegeverfahren werden normalerweise bevorzugt.
4.9.3.2 Entwicklungsrückblick Im Bereich Erdkabelverlegung besteht seit langem der Wunsch nach grabenlosen Stromkabelaustauschverfahren, zumal aus den 1960er und 1970er Jahren sehr viele Kabel mit defekten Ummantelungen im Erdreich auf den notwendigen Austausch warten. Kabel mit Isolierschäden neigen zu Kurzschlüssen, ihr Austausch ist unvermeidlich. Entwickelt wurden 6 verschiedene Überbohrverfahren für den grabenlosen Altkabel-, aber auch Altleitungsaustausch. FlowTex hatte zusammen mit ABB in Mannheim in den 1990er Jahren ein Überbohrverfahren entwickelt, ebenso die Fa. Leonhard Weiss in Göppingen. Mit dem FlowTex/ABB-Verfahren wurden sehr vereinzelte Kabelstrecken überbohrt und ausgetauscht, aufgrund von engen technischen Grenzen bei vielen Kabelbettungen, aber auch bei bestimmten Böden und aufgrund von Kabelverletzungen, kam es nie zu Routineeinsätzen. Die Firma Tracto-Technik hat in den letzten Jahren insgesamt 4 Überbohrverfahren entwickelt und diese samt Vorrichtungen patentrechtlich schützen lassen. Mit dem jüngst entwickelten TT-Überbohrverfahren wurden auf Versuchsbaustelle beste Ergebnisse erzielt. Auf weiteren Baustellen kam das TT-Überbohrverfahren dann zu Routineanwendungen. Das Know How sitzt, wie so oft, im Detail der Konstruktion und in einem gekonnten Handling des Überbohrwerkzeuges und des Überbohrvorganges. Die von Tracto-Technik entwickelten Überbohrköpfe unterscheiden sich ganz wesentlich von den Vorläufern der 1990er Jahre und sind weder im Aufbau noch in der Wirkungsweise vergleichbar. Heutige Überbohrköpfe sind extrem schlank gebaut, verfügen über andere Schneid- und Düsenvorrichtungen, haben einen erheblich anderen geometrischen Innen- und Außenaufbau, zeigen offene oder geschlossene Führungsstruktur, sind aus hochflexiblen Speziallegierungen gefertigt und haben innen Abweisevorrichtungen, die eine Kabelmantelberührung am Altkabel grundsätzlich verhindern. Zudem werden in sehr hoher Arbeitsgeschwindigkeit auch Wurzeln vom Altkabel bzw. von Altleitungen anderer Art getrennt. 7
Dr. Hans-Joachim Bayer, TRACTO-TECHNIK GmbH, Außenbüro Kohlberg, Im Grund 24, 72664 Kohlberg, Tel.: 07025 – 843704,
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Je nach Art der Altkabelbettung und der Altkabeldimension stehen mittlerweile verschiedene Arten von Überbohrköpfen zur Verfügung. Derzeit geschieht das Altkabelüberbohren vorwiegend mit leichten Pendelbewegungen des Überbohrkopfes. Deshalb bedarf das Bohrgestänge eines besonders festen Verbundes. Die derzeit realisierten Überbohrlängen liegen bei ca. 180 m, zum Austausch kamen bislang 10 kV-, 20 kV- und 60 kV-Kabel.
4.9.3.3 Jüngster Entwicklungsstand Die Verfahrenstechnik zum grabenlosen Erdkabelaustausch ist praxisreif entwickelt. Durch das Überbohrverfahren können in langen, wirtschaftlichen Bauabschnitten Altkabel freigebohrt, gezogen und im Bohrungshohlraum des ehemaligen Altkabels ein Neukabel eingezogen werden. Die Technik des Überbohrens im Verbund mit dem Freilösen des anhaftenden Erdreiches und dem Abweisen von möglichen Näherungselementen (z. B. Kabelabdecksteine) ist durch die spezielle Geometrie des Bohrkopfes, seine Material- und Bewegungstechnik und die dezidierte Düsenanordnung technisch gelöst, ebenso die Kabelbettung des Neukabels im Überbohrloch. Das Bentonit der Bohrspülung wird als Bettungsmedium des Neukabels in der Alttrasse genutzt. • Bentonit, ein quellfähiger Ton, hat viele Vorteile für die Kabeleinbettung: • gutes Wärmeableitverhalten • sehr weiche und sanfte Einbettung durch feinste und plane Partikelstruktur des Tons • sehr deutliche Reibungsreduktion (Sand ist regelrecht raukörnig und kantig gegenüber Bentonit) • kraftschlüssige Bettung durch Nachquellen des Bentonits und damit Aufbau einer sanften Verbundwirkung zur gesamten Einbettungsumgebung. Wie Messungen gezeigt haben, ist die Zugbeanspruchung beim Einzug des Neukabels im Abrollmoment von der Kabelrolle am höchsten, während beim kontinuierlichen Einzug im Bohrloch dagegen wesentlich geringere Zugkräfte vorliegen und nur einen recht geringen Bruchteil des Grenzwertes einnehmen.
4.9.3.4 Anwendungsfelder Der Einsatz des Überbohrverfahrens dient nicht nur dem Austausch von Erdkabeln. In gleicher Verfahrensweise und Ausführungstechnik können auch überalterte Stahlleitungen (z. B. für Gas und Wasser), weitgehend geradlinige Leitungen aus Blei, alte Telefonleitungen in Strangform, lineare Metallelemente (Seilanker), aber auch festsitzende Bohrgestänge für Bergungszwecke überbohrt und damit vom Erdreichverbund gelöst werden.
4.9.3.5 Kabelaustausch
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Defekte, freigeschaltete Altkabel werden an zwei Stellen in Baugruben getrennt und jeweils ein Stück herausgeschnitten. Auf der HDD-Maschinenseite wird der am Bohrgestänge angeschraubte Überbohrkopf sehr flach und auf Überfahrhöhe zum Altkabel lageparallel über das Altkabel gefahren. Danach wird das ca. 30 cm überfahrene Altkabel mittels Kabelschuh oder Ziehstrumpf und Seilverbindung zugfest mit der Halterung verbunden. Der Überbohrkopf wird danach unter links-rechts schwenkenden Bewegungen über das Altkabel gefahren. Aufgrund dieser Schwenkbewegungen wird das besonders fest verbundene Bohrgestänge in einer Ge-
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schwindigkeit von ein bis zwei Meter pro Minute über das Altkabel gefahren. Der TTÜberbohrkopf ist so konstruiert, dass er einen schlängelnden Lageverlauf des Altkabels nachfahren kann.
Abb. S-72: Ausgespülte Kupferkabel [aus Beitrag H.-J. Bayer]
Das Altkabel bildet die Zwangsführung für den Überbohrkopf, der in gleichmäßigem Abstand um das Altkabel die anhaftende Sandbettung bzw. das anhaftende Erdreich in einem sehr schmalen Ringkranz freischneidet. Nach Überfahrung der abgetrennten Altkabelstrecke wird der Überbohrkopf vom Bohrgestänge abgeschraubt und ein Ziehstrumpf oder Kabelschuh für den Einzug des Neukabels vorbereitet. In der Zwischenzeit kann das freigebohrte Altkabel von der Startseite her mit einer Seilwinde oder einer Baumaschine (z. B. Bagger) gezogen werden. Exakt in den freigewordenen Altkabelverlauf kann mit dem im Bohrloch befindlichen Bohrgestänge nun das neue Kabel lagegleich eingezogen werden. Keinerlei Bestandspläne müssen neu eingemessen werden, lediglich das neue Kabel wird im Kartenwerk vermerkt. Sowohl die hohe Austauschgeschwindigkeit (ca. 120 m Kabelüberbohrung in 1 bis 2 Stunden) als auch die Einsparung von Vermessungskosten machen das Verfahren besonders wirtschaftlich.
4.9.3.6 Stahlleitungsaustausch Ähnlich wie beim Kabelaustausch können verschweißte Stahlleitungen auch über Verbindungswülste hinweg, überbohrt und damit vom Bettungsverbund freigelöst werden. Sollten diese Leitungen durch Korrosion so geschwächt sein, so kann ein dünnes Bohrgestänge innen in die Altleitungen eingefahren werden und über dieses Innengestänge kann die Altleitung abrissfrei und komplett gezogen werden.
4.9.3.7 Freibohren festsitzender Bohrgestänge Abseits vom Kabel- und Rohrleitungsaustausch durch HDD-Überbohren können für grabenlose Neuverlegungen HDD-Bohrmaßnahmen selbst bei Boden- oder Fremdschwierigkeiten Bohrgestänge im Untergrund festklemmen. Diese können durch das TT-Überbohrverfahren in
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einfachster Weise unter Nutzung des Klemmgestänges als Führung freigebohrt werden, so dass die Bohrmaßnahmen wieder fortgesetzt werden können. Sollte sich beim Rohreinzug die Leitung z. B. durch Holzeinlagerungen oder durch Trümmerschutt einklemmen, so ist sie mit der Überbohrtechnik „befreibar“. Ein Herausfahren, Überprüfen und ggf. Austauschen dieser Leitungen gebietet sich danach von selbst.
4.9.3.8 Einführung Nachbettung von Leitungen Viele Leitungen weisen nach Jahren Bettungsschäden auf, die vor allem durch Einsandung und ungleiche Verdichtung verursacht werden. Sandkörner des Leitungsbettes und Bodenfeinteile aus den Flanken des ehemaligen Leitungsgrabens können migrieren, d. h. sich unterirdisch verlagern und auf diese Weise zu Defiziträumen in der unmittelbaren Leitungsbettung führen. Leitungen können sich absenken, andere Spannungen aufnehmen und hierdurch ungleiche Lastpunkte erfahren. Des Weiteren können sich Hohlräume im Außenbereich der Leitung einstellen, die für Druckleitungen Problemzonen schaffen. Da das TT-Überbohrverfahren für vorhandene Leitungen völlig beschädigungsfrei eingesetzt werden kann, können solche Leitungen überbohrt und im Rückwärtsgang durch gezielten Austritt von nachfestigender Bentonit-Bindemittel-Bohrspülung schlüssig und effizient nachgebettet werden.
4.10 Grabenlose Rohrleitungsverlegungen in massivem Fels, Geröll und Blockmaterial8
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Die technischen Möglichkeiten des verlaufsgesteuerten Horizontalbohrverfahrens (HDD) durch Fels und Geröll haben sich in den letzten fünf Jahren erheblich vergrößert, dies gilt insbesondere für die HDD-Bohranlagen ab der vier-Tonnen-Klasse bei Grubenbohrgeräten für Hausanschlüsse und ab der zehn-Tonnen-Klasse für Längsverlegungen, Kreuzungen, Querungen und Dükerungen. Bohrungen mit HDD-Anlagen ab der 35-Tonnen-Klasse (Zug- und Schubkraft) war es bis vor wenigen Jahren vergönnt, horizontale und schräge Felsbohrungen mit Mudmotoren vorzunehmen. Heute sind HDD-Bohrungen in jeder Art Fels mit Bohrgeräten ab der zehn-Tonnen-Klasse möglich. Bohrungen im Fels in Längen, die über den Hausanschlussbereich hinaus gehen, und die für Längsverlegung, den Dükerbau, längere Querungen und Kreuzungen typisch sind, benötigen aus technischen Gründen aber auch Gründen einer optimalen Steuerbarkeit, eine andere Antriebs- und damit Vortriebsform als kurze Strecken im Fels. Auch das klassische Vertikalbohren mit schräg gestelltem Bohrmast und abgelenktem Vortrieb würde für die Belange des Leitungsbaus im Fels nicht sinnvoll umsetzbar sein, weil es weder von der Handhabungs- noch von der Steuerungstechnik sinnvoll funktioniert. Das moderne HDD-Felsbohren für den Netzbau und die Längsverlegung ist einem speziellen Zweig der Erdöl- und Erdgasbohrtechnik ähnlich, und zwar dem Ablenkungsbohren für tiefe horizontale Bohrlöcher. Die Erschließungen von Lagerstätten geschieht auf Basis von sogenannten Bohrlochsohlen Motoren (amerikanisch Mudmotoren, deutsch: Schraubenmotoren und französisch Moineau-Motoren genannt). Da der Einsatz für den HDD-Bereich sehr oberflächennah ist und nicht in mehreren Kilometern Tiefe liegt, wie bei Erdöl- und Erdgasbohrungen, mussten diese Mudmotoren zum wirt-
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Beitrag Dr. Hans-Joachim Bayer (3R International Heft 5/2008)
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schaftlichen Einsatz für den HDD-Bereich erst technisch dem oberflächennahen Einsatz angepasst werden. Mud-Motoren sind Bohrlochmotoren, die vor etwa 35 Jahren in der Erdöl-und ErdgasErkundungsbohrtechnik (fast keine Bohrung in der Nordsee ohne Mud-Motortechnik) eingeführt wurden und seit 20 Jahren in diesem Bereich standardmäßig zum Einsatz kommen. Seit einigen Jahren werden sie auch für Felsbohrungen im HDD-Bereich eingesetzt. Vom Grundprinzip sind Mud-Motoren Schraubenmotoren, die durch die Bohrspülung angetrieben werden. Diese hydrostatischen Motoren, deren Mechanismus Ende der 1930er Jahre durch den französischen Ingenieur R.J.L. Moineau beschrieben wurde (daher auch MOINEAU-Motoren genannt), arbeiten nach dem Prinzip einer Schraubenpumpe. Eine schraubenförmige Stange (Rotor genannt) fördert die Spülflüssigkeit durch ein mit Elastomer ausgekleidetes längliches Gehäuse (Stator genannt) mit einer gegenförmigen Schraubenkontur, die jedoch mit einer höheren Gangzahl als der Rotor betrieben wird. Im Gegensatz zur üblichen Bohrtechnik, in der die Bohrleistung von einer Antriebseinheit über Tage erzeugt und mechanisch durch die Rotation der Gestänge auf den Bohrmeißel übertragen wird (große Leistungsverluste durch Reibung), wird vom Mudmotor die über Tage erzeugte hydraulische Leistung in Form von Spülungsdurchfluss und Spülungsdruck in mechanische Leistung umgewandelt. Dies geschieht bei quasi ruhendem Bohrgestänge, wodurch Leistungsverluste in Form von Bohrlochreibung entfallen und der Gestängeverschleiß minimiert werden kann. Mit Mudmotoren auf HDD-Anlagen lassen sich alle bekannten Felsgesteine, sei es im kompakter Form als massives Hartgestein, oder sei es in Form von Blöcken, Steine oder Geröllen durchbohren. Der Bohrmeißel am Kopf eines Mudmotors muss jedoch auf die maximal vorkommende Gesteinhärte abgestimmt sein (Abb. S-73).
Abb. S-73: Aufweitungsbohrer für Hartgestein und Gerölle (hole opener) – [Beitrag Dr. H.-J. Bayer]
4.10.1 Geröllbohrungen unter den Alpenflüssen Flüsse, die aus dem Gebirge kommen, sind Geröll- und Blockmaterialbringer. Flüsse im Gebirge fließen oft auf nackten Fels, werden die Täler etwas breiter, liegen Felsblöcke und Gerölle unter dem Flussgrund und selbst im Vorland weisen die Flüsse aus den Alpen noch groben Abtragungsschutt auf, den sie selber herbei transportiert haben. Je stärker das Flussgefälle und je näher am Gebirge, desto gröber das Block- und Geröllmaterial unter dem Flussgrund. Rohrleitungsquerungen unter Alpenflüssen, also Dükerungen im Geröll, sind riskante Bauaufgaben. Plötzliche Hochwasserereignisse, wie sie immer im Gebirge auftreten können, haben bei offenen Leitungsverlegungen (Rohrdükern) schon oft die Bauleute und Baugeräte gefährdet. Offene Ufereingriffe führen weiterhin häufig zu Umweltschäden, Ausspülungen und Ufer-
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ausbrüche bedingen hohe nachträgliche Aufwendungen. Aus diesem Grund und aus Biotopschutzgründen werden Flussunterquerungen bei Gebirgsflüssen fast nur noch im HDDVerfahren vergeben. Die Durchfahrung von Geröll-und Blockmaterial ist bohrtechnisch immer eine Herausforderung, die viel Können und Erfahrung abfordert.
4.10.3 Unterbohrung des Orco-Flusses bei Turin Bei Chivasso im Alpenvorland, nordöstlich von Turin gelegen, musste im Jahr 2006 der Orco auf 1.250 Metern Länge unterbohrt werden. Eine 660 mm Durchmesser umfassende Stahlpipeline für Erdgas hatte unter dem Fluss verlegt zu werden. Der Orco ist ein richtig „wilder Alpenfluss“, der direkt aus den Gran Paradiso Bergen der Graie Alpen (maximale Höhe: 4.061 Meter) entstammt, eine sehr hohe Transportenergie aufweist und für seine plötzlichen Hochwasserführungen und seine häufigen Überschwemmungen in der Region Piemont bekannt ist. Der Orco führt unter seinem Flussbett bei Chivasso eine wilde Mischung aus Felsblöcken, groben bis feinen Geröllen, Kiesen und Sanden. Die italienische Pipeline-Spezialbaufirma Ghizzoni SpA setzte für das Dükerprojekt ihre 460Tonnen-Prime Drilling-HDD-Anlage ein und begann die Arbeiten unter hochwinterlichen Bedingungen im Februar 2006. In verschiedenen Aufweitschritten wurde schließlich ein 900 mm-Bohrloch erzeugt, wobei die hohe Kunst in der Erzeugung jeweils stabiler Bohrlochverhältnisse lag. Der Eintritts- und Austrittswinkel der Bohrung lag bei jeweils 9°, der Bohrradius bei 1.063 Meter. Der Fluss wurde tiefgründig unter der Flusssohle unterfahren. Für den Einlass und Austritt der 26"-Stahlpipeline (= 660 mm; Wandstärke: 15,9 mm; Druckstufe: 60 bar) wurden Einlassgräben gezogen, die jedoch mehrfach auf Hochwasserstände reagierten und aufwendig gelenzt werden mussten. Dennoch konnte die Baumaßnahme mit dem Ausgang des Winters und dem beginnenden Frühjahr in Piemont zur besten Zufriedenheit des Auftraggebers abgeschlossen werden.
4.10.3 Verbindungsleitungen in steiler Hanglage Fernleitungen oder Ortverbindungsleitungen im Mittelgebirge oder gar im Hochgebirge müssen oft große Reliefunterschiede überwinden. Offene Leitungsbauarbeiten sind oft heikle Eingriffe in die Landschaft, zumal bei starken Niederschlägen große Ausschwemmungen und Instabilitäten am Hang entstehen können. Rutschungsereignisse mit Massenverlagerungen und nachwirkende Vegetationsschädigungen im Umfeld gehören durchaus manchmal zu den Bauereignissen. Immer häufiger stehen Hanglagen unter Schutz, offene Eingriffe müssen daher umgangen werden. Wie ein Leitungsbau für eine Erdgas-Hochdruckleitung unter einem Steilhang aussieht, der zugleich einen Bannwald in einem FFH-Schutzgebiet trägt, zeigt das nachfolgende Beispiel.
4.10.4 Steilhangunterbohrung am Albtrauf
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Die Baustelle liegt nur wenige Kilometer vom Stammschloss der Hohenzollern entfernt, bei Hechingen (Landkreis Balingen), im Südwesten der Schwäbischen Alb. Dieses sogenannte Zollernalb-Gebiet zeichnet sich durch mehrere Besonderheiten aus: Die sogenannte Traufkante der Schwäbischen Alb (Albtrauf). Die Traufkante ist die steile Abbruchkante der Schwäbischen Alb, die auch oft als Felskante zu erkennen ist und sie liegt
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400 bis 450 Meter höher als das Vorland der Alb. Die Steigung der Traufkante beträgt bis zu 55 Prozent. Der Albtrauf selbst wird meist von Wald eingenommen und dieser Wald hat Bannwaldfunktion, er steht unter besonderem Schutz, weil er die hohe Bergkante vor Rutschungen und Erosion schützen muss (Abb. S-74).
Abb. S-74: Lageplan zum Projekt Albtrauf [Beitrag Dr. H.-J. Bayer]
Die Zollernalbregion ist zudem Erdbebengebiet, das letzte deutlich vernehmbare Erdbeben war 2003, das letzte Erdbeben mit vielfachen Gebäudeschäden fand hier am 3.9.1978 statt. Die Lage der Bohrtrasse liegt direkt unter der Gebirgskante der Schwäbischen Alb also unter dem Steilhang des Albtraufes, unter dem Bannwald, mitten im immer wieder Erdbeben erschütterten Zollerngrabengebiet. Die Bauaufgabe bestand in der Verlegung einer fünf Kilometer langen Erdgasleitung für die Albstadtwerke, wovon 1.000 Meter unter dem Steilhang des Albtraufes zu verlegen waren. Im Sommer 2007 wurde die kunststoffummantelte Stahlpipeline DA 273 auf vier Kilometern Länge im Albvorland und auf der Albhochfläche offen verlegt, während unter dem Steilhang (230 Meter Höhenunterschied bei bis zu 40 Prozent Gefälle) die Verlegung in Form von zwei HDD-Bohrungen zu etwa jeweils 500 Meter Länge erbracht wurde. Eine mittlere Baugrube an einem Waldweg am Steilhang war gestattet worden. Innerhalb der Steilhangstrecke sollte die Erdgaspipeline zudem in ein DA 450-Schutzrohr aus Polyethylen verlegt werden, d. h. es mussten Bohrlöcher von über 600 mm Durchmesser (24 Zoll) erzeugt werden. Für die Bohrtechnik dieser sehr anspruchsvollen Steilhangbohrung waren zwei Bohranlagen von sehr unterschiedlicher Größe im Einsatz. Zum einen eine Grundodrill 20 S-Bohranlage von Tracto-Technik (20 Tonnen Vor-und Rückschubkraft) für die Pilotbohrungen und zum anderen eine Prime Drilling 80-Tonnen-Bohranlage für die Aufweitungen und den Rohreinzug im Fels. Die Pilotbohrungen erfolgten A. mit der Grundodrill 20 S mit Mudmotoren im zum Teil 220 MPa (= Megapascal) harten Gestein des Weißen Juras. Die Aufweitungen wurden mit der Prime Drilling-Anlage in jeweils drei Aufweitstufen (12", 20" und 24") mit speziellen Hole Openern vorgenommen, wobei die 20-Tonnen- und die 80Tonnen-Bohranlage zeitweise Rücken an Rücken standen. Nach dem letzten Aufweitgang erfolgte nochmals ein Räumgang, bevor das 450er PE-Schutzrohr ins Bohrloch eingebracht wurde. Die gesamte Bohrmaßnahme wurde innerhalb weniger Monate im Sommer 2007 von der sehr erfahrenen Bohrfirma Max Wild GmbH aus Berkheim erstellt, und dies zur besten Zufriedenheit des Auftraggebers, des Generalbauunternehmers, des privaten Waldbesitzers und der Naturschutzbehörden (Abb. S-75 – ausgelegtes PE-Schutzrohr.
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Abb. S-75: Ausgelegtes- PE--Schutzrohr [Beitrag Dr. H.-C. Bayer]
4.10.5 Mit HDD durch die BeUge Der Einsatz der grabenlosen Rohr-Verlegung bringt sowohl für den Naturschutz im Gebirge als auch für die Rohr-Verlegung selbst nur Vorteile. Da man die gleichen Gerätschaften nutzen kann wie für die Horizontalbohrtechnik im Fall von Unterdükerungen oder Verkehrswegeunterbohrungen, können Bergrücken oder steile Gebirgskanten mit der Horizontalbohrtechnik einfach durchbohrt werden. Die Kostenstrukturen für solche Bohraufgaben sind nicht grundsätzlich anders als im flachen Gelände. Nur der Einsatz in größeren Tiefen macht eine kabelgeführte Ortungstechnik notwendig, die zusätzliche Kosten verursacht, ansonsten bestimmt die Geologie die Vortriebsleistung und damit die Kostenstruktur in ähnlicher Weise wie in Regionen mit geringeren Reliefunterschieden. Die Abkürzungsstrecken im Gebirge haben zudem den Vorteil, dass kritische Hanglagen, die zum Beispiel rutschungsgefährdend sein können, umgangen oder unterbohrt werden können. Je steiler das Gelände und je größer die Querriegelsituation im Trassenverlauf ist, umso größer sind die Vorteile einer direkten Durchbohrung von Bergen oder Steilkanten.
4.10.6 Bohrung durch einen Bergrücken im Schweizer Jura
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Reigoldswil liegt im Kanton Basel-Land in den Gebirgsfalten des Schweizer Jura, der hier Höhen zwischen 900 bis 1.200 Meter erreicht und letztlich ein Vorgebirge der Alpen darstellt. Eine Erdgas-Pipeline, die seit 1967 hier besteht, musste ersetzt werden gegen eine neue, die auch die Ortslage von Reigoldswil mit Abstand umgeht. Der Erdgasversorger, die Mittelland AG, entschied sich 900 Meter Pipeline komplett neu zu bauen, wovon 460 Meter einen Bergrücken unterirdisch durchschneiden sollten. Diese Abkürzungsbohrung durch den Bergrücken namens „Bergli“ hindurch, aus massiven Jurakalken bestehend, wurde von der erfahrenen Firma Bohlen & Doyen mit einer 100Tonnen-Prime Drilling-Anlage durchgeführt Die Pilotbohrung erfolgte mit einem 250 mm Rollenmeißel auf einem großen Mud-Motor. Die Ortung und Steuerung geschah mit einem kabelgeführten Navigationssystem in einem künstlich ausgelegten Magnetfeld. Die Bohrung
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wurde mit Hole Opener in zwei Schritten bis auf 500 mm Durchmesser aufgeweitet. Danach wurde in einem nächsten Arbeitsschritt das 273 mm-Pipelinerohr ins Bohrloch hineingezogen, welches mit einer angereicherten Bohrspülung gefüllt war. Die Bohraufgabe wurde exakt in der vorgegebenen Zeit abgeschlossen. Die Auftraggeberseite war sehr zufrieden damit und hat in etlichen Veröffentlichungen in der Schweiz die Bauaufgabe und diese Bohrleistung beschrieben.
4.10.7 HDD-Einsätze im Hochgebirge HDD-Anlagen finden auch zunehmend Einsatz in den hohen Lagen in den Alpen und arbeiten hier in Höhen über 1.500 Meter bis weit über 2.000 Meter. Felsbohrungen zur Leitungsverlegung in den Alpen gibt es vielfach, teilweise um die Trasse durch Felsrücken zu verkürzen oder um Flüsse und Verkehrswege zu unterfahren. Felsbohrungen zur Verlegung von Wasserleitungen, die der Versorgung von Schneekanonen dienen, sind jedoch neu. Immer mehr müssen in den Alpen schneearme Phasen in der Winterzeit mit künstlichen Beschneiungsanlagen überbrückt werden. Doch auch der Naturschutz fordert sein Recht und Wasserleitungsverlegungen im hochalpinen Bereich werden nur noch selten in offener Bauweise erlaubt. Einen idealen Ausweg bilden daher HDD-Felsbohrungen mit denen ganze Leitungsnetze für Beschneiungsanlagen installiert werden können. Auf diese Weise wird vielen Bereichen gedient, dem Naturschutz, den Wintersportorten und nicht zuletzt den Bohrfirmen.
4.10.8 Bohrungen unter Verkehrswegen mit felsigem Untergrund Bohrungen im Lockergestein zur Verlegung eines Kabels oder Rohres oder mehrerer Rohre unter bestehenden Verkehrswegen sind in ihrer Verlegetechnik gut bekannt und stellen sowohl von der Planung als auch von der Ausführung kein Problem dar. Befindet sich ein Verkehrsweg in einer felsigen Region, in der das Hartgestein schon wenige Dezimeter unter dem Straßen- oder Wegekoffer beginnt, werden die Planungen kompliziert, die Suche nach möglichen Querungsstellen in „Lockergesteinsinseln“ beginnt, vorhanden Durchlässe werden auf mögliche Zusatznutzung geprüft, oder aufwendige Planungen für offene „Eingriffe“ mit möglichen Verkehrswegesperrungen oder für aufwendige unterirdische Vortriebsarbeiten werden angesetzt. All dies ist jedoch unnötig, da sich in den letzten fünf Jahren erhebliche neue technische Möglichkeiten ergeben haben, die auch das Felsbohren planerisch und durchführungsseitig leicht und unkompliziert angehen lassen.
4.10.9 Autobahnunterbohrung in Tieflage bei Münzenberg/Wetterau Eine sehr anspruchsvolle Bauaufgabe hat die Fa. NWR Bohrtechnik GmbH aus Oelsnitz im Erzgebirge in der nördlichen Wetterau in Mittelhessen vorgenommen. Es galt die Bundesautobahn A45 in Tieflage, d. h. in einem vorhandenen Geländeeinschnitt für einen Düker bohrtechnisch zu unterqueren. Eine neue Trinkwasserleitung (PE-HD da 125 mm) sollte den Hauptort Münzenberg mit seinem durch die Autobahn abgetrennten Stadtteil Trais verbinden. Die Autobahn ist mehrere Meter tief in der sanften Wetteraulandschaft eingeschnitten und die Überlegungen der Stadtverwaltung Münzenberg für die neue Trinkwasserverbindungsleitung galten erst unterirdischen Vortriebsverfahren in bergmännischer Weise. Das baubetreuende Ingenieurbüro Ohlsen aus Grünberg schlug alternativ die verlaufsgesteuerte Horizontalbohrtechnik (HDD-Verfahren) vor, um sowohl kostenseitig als von der Bauzeit günstiger zu fahren.
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Die Stadtverwaltung der historisch bedeutsamen Stadt Münzenberg mit seiner markanten und weithin sichtbaren Burg mit zwei Bergfrieden griff diesen Vorschlag gerne auf. Die geologischen Verhältnisse in Münzenberg sind im Untergrund als äußert hart zu betrachten. Die große Burg Münzenberg (erbaut 1170 bis 1190) liegt auf einer basalt-vulkanischen Erhebung und das ganze Umland ist von Basalt (Druckfestigkeit zum Teil mehr als 400 MPa), bedeckt mit einer fruchtbaren „Lehmhaut“, geprägt. Bohrtechnisch ist dieses sehr harte Gestein eine ganz besondere Herausforderung. Auch unter der Autobahn liegt massiver Basalt vor, der hier aufgrund des Einschnittes, kaum noch eine Lehmdecke aufweist. Die 138 Meter lange Dükerbohrung zur Aufnahme der Trinkwasserleitung in einem Schutzrohr sollte mindestens fünf Meter unter der A45 verlaufen, tatsächlich wurde sie sogar noch tiefer durchgeführt. Daraus ergab sich auch, dass der längste Abschnitt der Bohrung im sehr harten Basaltfels stattfinden musste. Der Übergang vom milden Lehm, in seiner Verteilung schwankend zwischen zwei bis fünf Meter tiefreichend, zum harten Basalt ist relativ abrupt, da Basalt an seiner Oberfläche zwar aufklüftet, aber keine sonst übliche Verwitterungszone aufweist Und dieser Basalt, in Steinbrüchen schon als „Brecher der (Backen-)Brecher“ gefürchtet, verlangt zur Durchbohrung allerbeste Technik und ein sehr erfahrenes Bohrteam. Seit 16 Jahren sind die Teammitglieder der Fa. NWR in der HDDTechnologie zu-hause, mit ihrer neuen GRUNDODRILL 15 N-Anlage von Tracto-Technik und einem 2 7/8"-GRUNDOROCK-Mudmotor von Tracto-Technik haben sie in Münzenberg selbst härtesten Basalt bohrtechnisch gemeistert. Die Bohrlochaufweitungen erfolgten danach zunächst mit einem 8" und hernach mit einem 12"-Hole Opener von Tracto-Technik. Danach erfolgte der Einzug des Schutzrohres (DN 225). Die gesamten Arbeiten wurden innerhalb von neun Arbeitstagen abgeschlossen. Im Rahmen einer Baustellenbegehung haben sich sowohl der Bürgermeister als auch viele Gemeinderäte von Münzenberg von der HDD-Mudmoter-Technologie, dem Know How und der Leistungsfähigkeit der Bohrfirma und von der hervorragenden Qualität der Bohrtechnik überzeugen können.
4.10.10 Unterbohrung eines Schifffahrtsweges und eines Weinberges bei Bernkastel-Kues
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Die grabenlose Herstellung eines Dükers unter der Mosel ist wegen der wechselhaften Felsverhältnisse an für sich schon eine besondere Herausforderung. Doch bei dieser Maßnahme kamen weitere Erschwernisse hinzu (Abb. Q-76-1). So forderte das Verbandsgemeindewerk Bernkastel-Kues in der Ausschreibung die Felsbohrung unter der Mosel bis hoch in einen Steilhang auf ursprünglich 240 Meter Länge, die jedoch infolge von Zerrüttungszonen Im Fels hangseitig um 36 Meter auf insgesamt 276 Meter verlängert werden musste. Der so bis in den Steilhang verlängerte Moseldüker ist erforderlich, weil Grabungsarbeiten im Bereich des Steilhangs mit bis zu 85 Prozent Steigung sowie unter der unmittelbar angrenzenden Bundesstraße nicht durchgeführt werden konnten. Zweck der Bohrung war die Neuverlegung einer Trinkwasser-Transportleitung STC TW PE 180 x 24,9 mm für die Versorgung der hoch über der Mosel liegenden Jugendherberge Burg Landshut (Abb. 13). Anhand der rechts und links am Moselufer niedergebrachten Kernbohrungen bis 17 Meter Tiefe wurde ein geologisches Profil erstellt. Danach war mit recht unterschiedlich hartem Schieferfels, vom stark verwitterten bis zum kompakten Schiefer und mit harten querenden Quarzgängen, zu rechnen.
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Abb. S-76: Mosel-Unterfahrung bei Bernkastel im HDD-Verfahren [Beitrag Dr. H.-J. Bayer]
Abb. S-76-2: Blick auf die Bohrtrasse vom Gegenhang [Beitrag Dr. H.-J. Bayer]
Zum Einsatz kam die Grundodrill-Bohranlage 20 S mit dem 3 3/4" Grundorock Felsbohrlochmotor. Vor Bohrbeginn wurde die Bohranlage mit Hilfe von Fluchtstäben auf das Ziel ausgerichtet. Nach Querung der Mosel in einer Tiefe von 17 Metern unter dem Wasserspiegel bzw. 13 Metern unter der Flusssohle erfolgte nach 185 Metern Bohrstrecke mit einem Bohrradius von 120 Metern der Übergang in die Auffahrung der Steilstrecke am gegenüberliegenden Ufer. Drei Arbeitstage dauerte die Pilotbohrung. Der Verlauf der Bohrtrasse wurde mit einem kabelgeführten Ortungssystem überwacht. Für die Aufweitbohrung mit einem 10" (250 mm) Hole Opener wurden zwei weitere Arbeitstage benötigt. Mit einem gleich großen Backreamer erfolgte anschließend die Nachräumung und Glättung des Bohrlochs. Bohrspülung und anfallendes Bohrklein wurden in der Zielgrube im Steilhang erfasst, in Container abgepumpt und zur Recyclinganlage auf die Bohrseite gefahren. Während der Bohrarbeiten war das Schweißteam damit beschäftigt, die 12 Meter langen Rohre zu einem Rohrstrang zusammenzuschweißen. Die bergseits engen Verhältnisse
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erschwerten die Einzugsvorbereitungen bei der Positionierung des Rohrstrangs. Um die Zugkräfte zu reduzieren, wurde zusätzlich mit einem Bagger das Rohr in eine günstige Einzugsposition gehalten. Die Zugkräfte wurden mit dem Zugkraftmessgerät Grundolog III permanent überwacht. Der Rohreinzug dauerte nur vier Stunden. Die neu verlegte Leitung wurde über eine Anschlussleitung GGG ZM DN 150 an die circa zehn Meter hinter der Einstichgrube verlaufende Transporthauptleitung GGG DN 200 angeschlossen_ Auf der gegenüberliegenden Seite wurde vom Anschlussschacht am Zielpunkt die Trinkwasserleitung als GGG DN 150 in offener Bauweise bis zur Jugendherberge weiter verlegt. Hausanschlüsse im felsigen Untergrund Seit fünf Jahren können Felsbohrungen mit sehr kleinen Horizontalbohranlagen bis etwa 30 Meter Länge wirtschaftlich realistisch durchgeführt werden. Sind nur einzelne dünne Felsbänke bohrtechnisch zu durchfahren, so waren und sind die „schlagenden“ Bohrgeräte (d. h. Bohranlagen mit Schlagwerk) immer eine Möglichkeit, solche Untergrundsituationen zu bewältigen. Da Hausanschlüsse, auch am Hang, manchmal nur kurze Wege haben, hat man bei Tracto-Technik eine Kleinbohranlage entwickelt, die in trockener Bohrtechnik Durchmesser bis 80 mm auf bis zu 20 Meter Länge im reinen Fels mit Druckfestigkeiten bis maximal 240 MPas (= Mega-Pascal) bewältigen kann (Grundo-Pit mit Felsbohrlanze), und dies mit recht hoher Arbeitsgeschwindigkeit. Notwendig ist nur eine Startgrube von 1,2 Metern Länge auf 0,55 Metern Breite, in der das Grundopit- Bohrgerät abgesenkt werden kann. Von dort aus kann geradlinig das zu versorgende Haus angesteuert werden. Mit seiner speziellen Felsbohrlanze, die völlig anders arbeitet als ein Mudmotor, kann dieses Gerät auch durch Fundamentmauern bis in den Hauskeller hineinbohren. In wechselndem Untergrund (Felslagen in Wechselfolge mit weichen Gesteinen, z. B. Mergeln) können Grundopit-Bohrgeräte, ausgerüstet mit einer Felsbohrlanze, auch bis zu 30 Meter lange Hausanschlüsse bewältigen. Aus diesem Grund wurde vor fünf Jahren eine spezielle Felsbohrlanze (= Hammerbohrkopf) entwickelt, mit der Felsgestein bis zu einer Druckfestigkeit von 240 MPa, d. h. auch Granit und Gneistrocken, durchbohrt werden können.
Abb. S- 77: Spitze der Hammerbohrlanze [TractoTechnik]
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Da Granit und Gneis etwa sechsmal so hart sind wie Beton, können Auffüllungen aus Bauschutt regelrecht leicht hiermit durchbohrt werden, ebenso wie Kies, Geröll, Schotter oder Hangschutt. Die Felsbohrlanze für den GRUNIXWIT-Power hat sich in den vergangenen Jahren hervorragend bewährt, so dass bei vielen Baufirmen die GRUNDOPIT-Anlage zusammen mit der Felsbohrlanze bei Hausanschlüssen im Bergland oder bei rauem oder künstlichem Untergrund mit zur Grundausstattung gehört. Die Felsbohrlanze ist ein patentgeschützter Spezialbohrkopf mit einem fingerspornartigen und keilförmigen Schlaghammer (Vorschneider)
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der gleichzeitig teilschneidend rotiert und so den Vorschnitt und den Hauptschnitt vor der Bohrkrone zermahlt. Die schlagende Doppelzertrümmerung des Felsgesteins durch den vorschneidenden Schlaghammer und den Schlag der Hauptfront des Bohrkopfes sowie die drehende Zermahlung des gelösten Festgesteins geschehen in kurzen Zeittakten, so dass hierdurch ein effizienter Vortrieb durch das Gestein möglich ist. Die Bohrungen können mit Felsaufweitbohrköpfen (sogenannten Hole Openern) im Rückwärtsgang zurzeit bis auf circa 210 mm aufgeweitet werden. Darin können Rohre mit einem Leitungsdurchmesser bis da = 180 mm verlegt werden.
4.10.11 Heutige Möglichkeiten mit HDD-Mudmotoren Die Entwicklung spezieller HDD-Mud-Motoren brachte als entscheidenden Vorteil die erstmalige Möglichkeit, mit kleinen HDD-Anlagen ab der 10-Tonnen-Klasse überhaupt Felsbohrungen ausführen zu können. Noch vor fünf Jahren war dies nur mit Anlagen ab der 35-TonnenKlasse denkbar. Weitere entscheidende Vorteile dieser speziellen HDD-Felsbohrmotoren sind die lange Lebensdauer, die hohe Zuverlässigkeit, die geringen Betriebskosten und die Möglichkeit vielfältiger innerstädtischer Einsätze für den Netzbau in schwierigstem Baugrund. Mit Mudmotoren sind alle Gesteinsformationen bohrbar, selbst härteste Gesteine können durchbohrt werden, allerdings müssen die eingesetzten Bohrkronen sehr dezidiert auf die Gesteinseigenheiten abgestimmt werden. Die Bohrkrone muss jeweils zum Gestein passen, wobei mit zunehmender Gesteinshärte und -abrasivität die Bohrkronen entsprechend aufwendiger und teuer werden. Extreme Hart-Weich-Wechsel im Gebirge oder im Blockmaterial sind für das HDD-Bohren sehr anspruchsvoll und erfordern hohe Erfahrungen, gleichmäßige Felsverhältnisse, egal ob weich oder hart, sind technisch deutlich einfacher zu handhaben. In der HDD-Felsbohrtechnik liegen, wie in anderen Baubereichen auch, die interessanten Aufgabenbewältigungen in den komplexen Untergrundverhältnissen. Bohrtechnisch gibt es für erfahrene Anwender der HDD-Felsbohrtechnologie mit Mudmotoren keine gesteinsbedingten Grenzen mehr.
4.10.12 HDD-Einsätze in Mittelgebirgen, im Alpenraum und Voralpenraum Die guten und vielfältigen Erfahrungen mit HDD in Mittelgebirgen und im Alpenraum, sowie die immer stärker werdenden Natur- und Landschaftsschutzauflagen, unterstützen die stetig größer werdende Nachfrage nach HDD-Bohrungen. Nicht nur die Nachfrage nach Dükerungen und Bergdurchbohrungen bestimmen das Aufgabenfeld, sondern zunehmend die Verlegung von Wasserleitungen in hochalpinen Lagen für die Installation von Beschneiungsanlagen. Wasserleitungen für die Versorgung von Schneekanonen dürfen fast nur noch umweltfreundlich verlegt werden und das heißt zumeist grabenlos und mit HDD-Felsbohrungen. Auch für die Bedürfnisse des Tunnelbaus können HDD-Bohrungen sehr hilfreich sein, sei es für die Vorerkundung, den Unterhalt als auch für die Nachrüstung. Weiterhin sind HDD-Bohrungen für Drainagen und Hangentwässerungen zunehmend gefragt.
4.10.13 Fazit Längst ist der Felsbohreinsatz mit hochleistungsfähigen Mudmotoren vom früheren Spezialfall zur allgemeinen Routineanwendung geworden.
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Immer anspruchsvollere Felsbohrungen werden mit immer kleineren, jedoch leistungsstärkeren HDD-Anlagen und hocheffizienten Low-Flow-Mudmotoren durchgeführt. Die HDD-Felsbohrtechnik hat dem grabenlosen Rohrleitungsbau viele neue Möglichkeiten eröffnet.
4.11 Werkzeugtechnik für das HDD-Bohren in schwierigen Formationen Zur positiven Entwicklung der HDD-Bohrtechnik in schwierigen Bodenformationen hat die Weiterentwicklung der Bohrwerkzeuge erheblich beigetragen. Im Folgenden wird an einigen Beispielen die Innovation der Tracto-Technik auf dem Gebiet der Spezialwerkzeuge gezeigt, die besonders für kleine und mittlere HDD-Bohranlagen geeignet sind.
Abb. S-78: links: Backreamer 50 – 225 mm – mit integriertem Drehwirbel, mit Nut ohne Stufen, Besatz mit Noppen glatt oder je nach Bedarf bestückt mit Rundschaftmeißeln oder Sharkbits – Geeignet für alle Bohrgeräte. Rechts: Backreamer 250 – 1045 mm wie links jedoch mit Nut und Stufen. [Tracto-Technik]
Abb. S-79: links: TT- Schubkopf mit oder ohne Steuerfläche 140 oder 190 mm – für leichten Einschub in der Bohrkanal mit einer Zwischenräumung – Recht: TT-Überbohrkopf 45 – 135 mm – für den Austausch von Erdkabeln – altes Kabel raus – neues Kabel rein [Tracto-Technik]
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Abb. S-80: TT-Drill-Heads – hier: M-DH Gravel Type Medium –für mittelschwere bis schwere homogene Böden, Ø 100, 115, 170 mm, speziell auf Schlagwerk abgestimmte Meißelgeometrie, leicht steuerbar, austauschbare Rundschaftmeißel mit Härteschicht.
Abb. S-81: TT Grundoram mit austauschbaren Messern auf dem Grundkörper [Tracto-Technik]
Abb. S-82: TT-Twin Drive Schlagbohrgestänge [Tracto-Technik]
Besondere Merkmale: • Weicher fließender Übergang ins angestauchte und reibgeschweißte Rohrende Vorteile: – Erhöhung der Dauerstandfestigkeit • Großflächige Reibschweißnaht Vorteile: – geringere Spannungen – Erhöhung der Bruchsicherheit • Verwendung des Twin Drive-Gewindes Vorteile: – leichteres Entschrauben mit geringem Gewindeverschleiß – stärker belastbar – weniger bruchempfindlich
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– schnelleres Verschrauben – längere Gewindestandzeit – schmutzunempfindlich • Langer Klemmbereich am Außendurchmesser Vorteile: – einfaches und schnelles Positionieren in der Klemmung – geringerer Verschleiß in der Klemmung – bessere Auflage der Klemmbacken
4.12 Resümee Schon die kleine Auswahl von wenigen Projekten zeigt, dass die HDD-Technik auch in Verbindung mit Mud-Motoren in schwierigsten Bodenformationen mit Erfolg und wirtschaftlich einsetzbar ist. Voraussetzungen sind u. a.: • gute technische Vorbereitung • Kenntnisse der vorhandenen Bodenverhältnisse • moderne gerätetechnische Ausstattung • erfahrene Bohrunternehmen • Unterstützung durch Fachingenieure Über eine Vielzahl von aktuellen Fachbeiträgen in Zeitschriften, Kundeninformationen usw. (z. B. der Fa. Tracto-Technik) und Fachbücher (z. B. H.-J. Bayer: „HDD-Praxis Handbuch“ und „Bohrspülungen für HDD- und Geothermie-Bohrungen“; Ernst Fengler/Sascha Bunger: „Grundlagen der Horizontal-Bohrtechnik“, alle Bücher erschienen im Vulkan-Verlag, Essen) können sich Anwender, Auftraggeber und Studierende über dieses interessante Fachgebiet informieren.
4.13 Beispiel für ein HDD Großprojekt in Russland9 56‘‘ Pipelineverlegung erstmals jenseits der 1000 m 4.13.1 Vorbemerkungen
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Die russische Firma VIS-MDS unterquert mit einer 450 t Prime Drilling Anlage den Fluss Sheksna auf über 1000 m Länge. Im Rahmen des Projektes „Nordeuropäische Gaspipeline“, Abschnitt Grjasowez – Wyborg galt es mit der 56" Gasleitung auch den Fluss Sheksna auf einer Länge von io43m zu kreuzen. Obwohl eine 56" Gasleitung im HDD-Verfahren auf einer solchen Länge bisher nicht verlegt wurde und die Bodenverhältnisse äußerst kompliziert waren, war vorgesehen, die Querung mit der gesteuerten Horizontalbohrtechnik zu realisieren. Der Auftrag für die etwa 400 km nördlich von Moskau gelegene Flussquerung ging an das russische IV VIS-MOS/LLC. Auftraggeber für das Gesamtprojekt ist JSC „Yamal Gazinvest“.
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Fachbeitrag in der bi Umweltbau 1/08 von Oliver Knopf (Phrikolat-Drilling)
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Gesteuerte Horizontalbohrungen von über l000 m Länge sind heutzutage, wo bereits fast 3000 m am Stück erreicht wurden, keine Seltenheit mehr. Außergewöhnlich ist jedoch nach wie vor ein Rohrdurchmesser von 56" (1420 mm); auch auf kürzeren Längen wurden solche Rohre bisher weltweit nur von 2-3 Firmen im HDD-Verfahren installiert. Um ein 56" Stahlrohr (1420 x 25,8mm) in ein mit Hilfe der Horizontalbohrtechnik hergestelltes Bohrloch einziehen zu können, ist ein Bohrlochdurchmesser von mindestens 1,80m (71") erforderlich. Das auszutragende Bodenvolumen beträgt dann etwa 2,5 m3 pro lfdm, bei 1043 m Bohrlänge sind das dann ca. 2650 m3 Erdreich. Auf ebener Fläche gelagert entspricht dies einem Quader von 10 m Höhe auf einer Grundfläche von 12 m ൈ 22 m und einem Gewicht von ca. 5.300 t. Man könnte mit dem auszutragenden Boden auch ein Fußballfeld 40 cm dick abdecken, ein LKW-Kipper, der 10 t Erde zuladen kann, müsste dann allerdings 530 mal hin- und herfahren. Angenommen, er schafft 10 Fahrten am Tag, dann wäre er nach 2 ½ Monaten fertig.
Abb. S-83: Prime Drilling Bohranlage PD 450/150 AM mit einer Zugkraft von 450 t und einem Drehmoment von 150 kNm bei einem HDD-Projekt in Russland [Phrikolat]
Bezogen auf das erzeugte Bohrlochvolumen gehört die Unterquerung des Sheksna mit Sicherheit zu den größten HDD Projekten überhaupt. 1800 mm Bohrlochdurchmesser – eine Größenordnung aus dem begehbaren Rohrvortriebsbereich – über mehr als 1 km unverrohrt offen zu halten und zu stabilisieren, erfordert neben dem richtigen technologischen Herangehen auch eine hinsichtlich Austragvermögen und Bohrlochstützung höchsten Anforderungen entsprechende Bohrspülung. Nur zur Verdeutlichung: Selbst bei einer Pumprate von 2000 l/min bewegt sich die Spülung im Ringraum beim Aufweiten auf 1800 mm Durchmesser nur mit 8o cm pro Minute. Um eine vom Räumer gelöste Bodenprobe aus der Mitte der Bohrung (500 m) übertage in Augenschein nehmen zu können, müsste man bei dieser Menge über 10 Stunden ununterbrochen pumpen. Diese Zeit zuzüglich der technologisch erforderlichen Unterbrechungen muss die Spülung das gelöste Bodenmaterial in Schwebe halten können.
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Abb. S-84: Beim Räumvorgang geförderte Findlinge [Phrikolat]
Strömungsgeschwindigkeit ist hier, anders als bei vielen kleinen HDD-Projekten und bei allen Vertikalbohrungen von vernachlässigbarer Bedeutung für den Austrag des erbohrten Materials. Was hier vor allem zählt sind die Viskosität im untersten Schergefällebereich, die tatsächliche Fließgrenze und das Gelstärkeverhalten unmittelbar nach Unterbrechung der Zirkulation bis zum Wiederanfahren. Etwas, was den Anforderungen entsprechend nur mit qualitativ hochwertigen Bentoniten zu erreichen ist und eine ständige Kontrolle der relevanten Parameter erfordert.
4.13.2 Bauausführung Die Ausführung des Projektes erfolgte im Sommer 2007 und dauerte insgesamt 5 Monate. Das Baugrundgutachten zeigte für dieses im Grenzbereich des Machbaren liegende Horizontalbohrprojekt äußerst schwierige, wechselhafte geologische Verhältnisse. Vorherrschend waren stark plastische weiche bis harte Lehmböden mit Geröll- und Kieseinschlüssen von bis zu 30 %, Geschiebemergel mit Findlingen und wasserführende Sande und Schluffsande mit Steineinlagerungen. Um in dieser Geologie das Risiko einer Beschädigungen der Rohrumhüllung beim Einzug zu minimieren, wurde die Gasleitung komplett mit Polypropylen (PP) umhüllt, die Nahtisolierung erfolgte mit Schrumpfmanschetten vom Typ „Dirax PP“. Die Bohrarbeiten wurden mit zwei Anlagen der Fa. Prime Drilling ausgeführt. Für die Pilotbohrung und die 1. Aufweitstufe auf 500 mm kam dabei eine Anlage PD 100/150 zum Einsatz, welche eine Zugkraft von 450 t und ein Drehmoment von 150 kNm bereitstellen kann. Für die weiteren Aufweitstufen auf 1800 mm, die Kalibrierfahrt und den Rohreinzug wurde dann die Bohranlage PD 450/150 AM eingesetzt, mit einer Zugkraft von max. 450 t und einem Drehmoment von 150 kNm die leistungsstärkste Horizontalbohranlage in Russland.
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Abb. Q-85: Die Abb. macht den gewaltigen Durchmesser von 1800 mm deutlich, der dem Durchmesser im begehbaren Rohrvortrieb übliche ist [Phrikolat]
Die Bohrspülung wurde von der Fa. Phrikolat Drilling Specialties bereitgestellt, zum Einsatz kam das Produkt Bentonit W plus. Dieses als Einsackprodukt speziell für Horizontalbohrungen konzipierte Bentonit konnte ohne weitere Zusätze die eingangs beschriebenen Anforderungen erfüllen und auch der sehr wechselhaften Geologie gerecht werden. Für die Herstellung der Pilotbohrung mussten folgende Erschwernisse berücksichtigt werden: • Das Auftreten von Interferenzen bei der Magnetfeld basierenden Ortung durch ein parallel verlaufendes Fernleitungskabel. • Eine sehr lange Teilstrecke der Bohrung unterhalb des Flusses: Errichtung eines künstlichen Magnetfeldes an der Oberfläche sehr eingeschränkt und erschwert. • Der große Durchmesser und die große Biegesteifigkeit des Rohres: sehr genaue Einhaltung der geplanten Bohrachse erforderlich (Radien!). Für die Pilotbohrung wurde ein 5" × 4 ½ IF Bohrstrang mit Jetting-Assembly gewählt. Die im Vergleich zum sonst häufig eingesetzten Überwaschsystem mit 3½" Bohrgestänge größere Stabilität des 5" Bohrstranges ermöglichte größere Andruckkräfte in den teilweise sehr harten Bodenformationen. Die Vermessung erfolgte mit dem in Russland entwickelten System CHC-100, das nach Aussage von VISMOS eine Reihe von Vorteilen gegenüber vergleichbaren ausländischen Systemen besitzt: höhere Genauigkeit, sehr kurze Reaktionszeit und eine sehr hohe Ansprechempfindlichkeit beim Einsatz oberirdischer, künstlich erzeugter Magnetfelder. Die schwierigen geologischen Bedingungen verursachten eine Reihe von Komplikationen und Havarien. So verschliss z. B. bei der Durchquerung der Uferbereiche, die durch Einschlüsse von Geröll, Kies und Geschiebe (Findlingen) gekennzeichnet waren, das Bohrwerkzeug oft sehr schnell und musste mehrfach gewechselt werden. Um den Bohrkanal im Startbereich zu sichern und zu stabilisieren, wurde dieser Bereich auf ca. 25om Länge mit einem 13" Casing Strang überwaschen. Bei der Aufweitung des Bohrlochs auf 1600 mm förderte der Räumer aus einer Tiefe von 12 m mehrere Findlinge mit Durchmessern zwischen 700 bis 1200 mm zu Tage. Der abschließende Räumvorgang auf 1800 mm führte dann erwartungsgemäß zu den größten Problemen. Neben dem starken Verschleiß des Räumers durch die Steine kam es auch zu Gestängebrüchen vor und hinter dem Räumer. Den starken Drehmomenten (bis 120 kNm) und Wechselbiegebeanspruchungen beim Verkeilen des Räumers in den Findlingen konnte selbst das 6 ǫ" Bohrgestänge nicht standhalten. Um die Effektivität und Sicherheit der Bohrarbeiten zu verbessern, wurde die für die Pilotbohrung eingesetzte 100 t Anlage auf der Zielseite positioniert.
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4 Horizontal-Spülbohrtechnik (HDD)
Ihre Aufgabe bei der Fortsetzung der Aufweitarbeiten bestand darin, den Bohrstrang auf Spannung zu halten und den Räumer im Falle des Verkeilens kontrolliert zurückzuziehen. Diese Vorgehensweise wurde anschließend auch für den Rohreinzug praktiziert. Dazu musste der 5" Bohrstrang zugkraftschlüssig mit dem Rohrende DN 1400 verbunden und einhergehend mit dem Fortschritt beim Einziehen verlängert werden. Beim Verkeilen des Einziehräumers konnte dieser auf diese Weise in Intervallen von der Problemstelle zurückgezogen und neu angesetzt werden. Eine weitere technologische Herausforderung war der für das 1400er Stahlrohr recht steile Austrittswinkel von 6°. Auf Grund des sehr großen minimalen Biegeradius der Gasleitung war hier eine besonders aufwendige Oberbogenkonstruktion erforderlich.
Abb. S-86: Ausgelegte Rohrleitung Durchmesser 1400 mm [Phrikolat]
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Um ein Rohr DN 1400 in solch komplizierter Geologie auf dieser Länge überhaupt einziehen zu können, ist eine möglichst auftriebsneutrale Ballastierung erforderlich. In diesem Fall wurde die Befüllung so modifiziert, dass die Rohrleitung beim Passieren der Uferbereiche Auftrieb hatte und sich so oberhalb des Gerölls und der Findlinge ihren Weg suchte, während sie im Mittelteil der Bohrung auftriebsneutral bewegt werden konnte. Der Rohreinzug dauerte insgesamt 12 Stunden und erforderte teilweise eine Zugkraft von 280 t. Diese wurde in erster Linie durch das Passieren der Uferbereiche mit den im Bohrkanal verbliebenen Findlingen verursacht, führte jedoch auf Grund der zuvor erfolgreich durchgeführten Kaliberfahrt und den zur Verfügung stehenden 450 t Zugkraft zu keinerlei Beunruhigung beim Bohrmeister und den verantwortlichen Ingenieuren. Unbemerkt von der HDD-Öffentlichkeit und relativ unspektakulär haben die Mitarbeiter des JV VISMOS/LLC ORION STROY in 5 Monaten Bauzeit erfolgreich ein Horizontalbohrprojekt realisiert, das in der Kombination von Bohrungslänge und Rohrdurchmesser in neue Dimensionen vorstieß. Ganz nebenbei war es für VISMOS bereits die 12. erfolgreiche Bohrung zur Verlegung eines 56" Rohres.
Anhang
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Verzeichnis der Informationsunterlagen Kontaktadressen von Unternehmen und Behörden, die mit Informationsschriften, Prospekten und Abbildungen zum Gelingen des Buches beigetragen haben Bauer Maschinenbau GmbH, Bauer-Str. 1, 86522 Schrobenhausen, Tel.: 08252-97-0, E-Mail:
[email protected], Internet: www.bauer.de. BauGrund Süd Gesellschaft für Geothermie mbH, Maybachstr. 5, 88410 Bad Wurzach, Tel.: 07554-9313-40, E-Mail:
[email protected], Internet: baugrundsued.de. Bentec GmbH Drilling & Oilfield Systems, Deilmannstraße 1, 48455 Bad Bentheim, Telf.: 05922-2272466, www.bentec.com – eMail:
[email protected] Bohrtec Gesellschaft für Bohrtechnologie mbH, Konrad-Zuse-Straße 24, 52477 Alsdorf, www.bohrtec.de – eMail:
[email protected]. Broschüre „Oberflächennahe Geothermie“ herausgegeben vom Bayerisches StaatsMinisterium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz(StMUGV) Rosenkavalierplatz 2, 81925 München, E-Mail:
[email protected], Internet: www.umweltsministerum.bayern.de und Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie StMWIVT, Prinzregentenstr. 28, 80538 München, E-Mail:
[email protected]. Internet: www.stmwivt.bayern.de. BetaTherm-Erdwärmekörbe – Ausführung: Dietrich Rohrleitungsbau GmbH, Carl-Benz-Straße 16, 73235 Weilheim/Teck, Tel. +49 (0) 70 23 / 95 14-0, E-Mail:
[email protected].
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Broschüre: Geothermie – herausgegeben von der Handelskammer Düsseldorf – Zentrum für Umwelt und Energie, Mülheimer Str., 46049 Oberhausen, Tel.: 0208-82055-55, E-Mail:
[email protected]. Celler Brunnenbau GmbH, Postfach 1171, www.celler-brunnenbau.de.29221 Celle, Tel.: 05141-8844-10, E-Mail:
[email protected], Internet: www.celler-brunnenbau.de. COMDRILL Bohrausrüstungen GmbH, Im Kressgraben 29, 74257 Untereisesheim, Tel.: 07132-99870, www.comdrill.de. - eMail:
[email protected] DCI Europe, Kurmainzer Straße 56, 97836 Bischbrunn, Telf.: 09394-990990 – Web: digitrak.com – eMail:
[email protected]. Drilltec GUT GmbH Großbohr- und Umwelttechnik Josef-Wallner-Straße 10, 94469 Deggendorf, www.drilltec.de. eMail:
[email protected]. Dr. –Ing. Gerd Schaumberg, ehem. Dozent der Bohrmeisterschule Celle und Autor der Fachbücher: „Bohrgeräte Handbuch“ und „Bohrloch Kontroll Buch Bd. 1 + 2“ Hodenbergstraße 1, 29226 Celle, E-Mail:
[email protected]. EMDE Industrie-Technik GmbH, Grundbauzubehör, Postfach 1339 , 56373 Nassau, Gewerbegebiet Koppelheck, Tel.: 02604-97030. ExonMobil Central Europe Holding GmbH, Kapstadtring 2, 22297 Hamburg, Internet: www.exonmobil.com. Franki Grundbau GmbH &Co. KG, Hittfelder Kirchweg 24-28, 21220 Seevetal, Tel.: 04105-869-0, E-Mail:
[email protected], Internet: www.franki.de. Heinz Burkhardt GmbH & Co KG - Erdwärme, Tulpenstr. 15, Tel.: 07055-9297-0, E-Mail:
[email protected], Internet: www.burkhardt-erdwaerme.de. Herrenknecht AG, Postfach 63, Telf.: 07824-302-0 – www.herrenknecht.de,
[email protected]. Keller Grundbau GmbH, Kaiserleistr. 44, 63006 Offenbach, Tel.: 069-80510, E-Mail:
[email protected], Internet: KellerGrundbau.com. KLEMM-Bohrtechnik, Postfach 1265, 57484 Drolshagen, Tel.: 02761-7050, Web: www. klemm-bt.de - E-Mail:
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[email protected], Internet: www.geotec-bohrtechnik.de. Hans Leffer Stahl- und Apparatebau GmbH, Pfählerstr. 1, 66125 Saarbrücken, Tel.: 06897-793-0, E-Mail:
[email protected], Internet: www.leffer.de. ITAG Tiefbohr GmbH, Itagstraße 5-17, 29221 Celle, Telf.: 05141-914-0, www.itag-ce.de - E-Mail:
[email protected]. LMR Drilling GmbH, Ammeländer Heerstraße 368, Telf.: 0441-97191-9 www.lmr-drilling.de – eMail:
[email protected]. Liebherr-Werk Nenzing GmbH, Dr. Hans Liebherr Str. 1, A 6710 Nenzing-Austria, www. liebherr.com, eMail:
[email protected]. Max Streicher GmbH & Co. KG a A, Schwaigerbreite 17, 94469 Deggendorf, Telf.: 0991-230-0 – www.streicher.de – eMail:
[email protected]. Maschinenfabrik Sennebogen, Hebbelstr. 30, 94315 Straubing, Tel.: 09421-540-0,www.sennebogen.de -E-Mail:
[email protected]. Nordmeyer GmbH – Maschinen und Brunnenbohrgeräte, Postfach 1604, Tel.: 05171-542-0, E-Mail:
[email protected], Internet: www.nordmeyer.de.
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Prime Drilling GmbH HDD-Technology, Ludwig-Erhard-Straße 4, Telf.: 03762 – 930 96 0 – www.prime-drilling.de – E-Mail: infoprime-drilling.de. RWE Dea AG, Überseering 40, 22297 Hamburg, www.rwedea.com –
[email protected]. Satvia Maschinen- und Bohrgerätebau GmbH, Industriepark Straße B Nr. 8, 39245 Gommern, 039200-732-0 – www.satvia.de – eMail:
[email protected]. Sennebogen Maschinenfabrik GmbH, Hebbelstraße 30, 94315 Straubing, www.sennebogen.com, eMail: cranedivision@sennebogen de. SPIBO Spielhoff-Bohrwerkzeuge GmbH, Kronprinzenstr. 26, 44135 Dortmund, Tel.: 0231-528246, E-Mail:
[email protected], Internet: www.spibo.de. SVG – Förderstelle Geothermie Nord-Schweiz, Dr. Mark Eberhard, Schachenallee 29, CH 5000 Aarau, Tel.: 062-8232707, E-Mail:
[email protected]. Tracto-Technik GmbH Co. KG – Spezialmaschinen, Postfach 4020, 57356 Lennestadt, Tel.: 02723-8080, www.tracto-technik.de – Email:
[email protected]. Vermeer Deutschland GmbH, Puscherstraße 9, 90411 Nürnberg, Telf.: 0911-54014-0,www.vermeer.de. WEG –Wirtschaftsverband Erdöl-und Erdgasgewinnung e.V., Broschüre: Erdgas-Erdöl- Entstehung-Suche-Förderung, Brühlstraße 9- 30169 Hannover, www.erdoel-erdgas.de – eMail:
[email protected]. Wirth Maschinen- und Bohrgeräte-Fabrik GmbH, Postfach 1660, 41806 Erkelenz, Tel.: 02431-83267, Internet: www.wirth.drilling.com, E-Mail:
[email protected]. Zweckverband BWV–Bodensee-Wasserversorgung, Hauptstraße 163, 70563 Stuttgart, Telf.: 0711-973-0 – Fax: 0711-973-2030 –Web: zvbwv.de – eMail:
[email protected] Fachbegriffe in der Bohrtechnik Auger Hole Abbaurate
Ankerrohrtour
Arbeitsbühne
Aufbaurate
Azimut
Handschürfbohrung, Handdrehbohrung Krümmung einer Bohrung zur Lotrechten hin. Die Abbaurate wird in der Einheit 7100 ft angegeben. Sie gibt somit an, wie stark die Neigung der Bohrung pro 100 Fuß Bohrstrecke abnimmt. Die Ankerrohrtour ist die erste Verrohrung einer Bohrung, die bis in das Festgestein hinab reicht. Sie muss dort fest einzementiert werden, weil sie im weiteren Verlauf der Bohrung große Lasten tragen muss. Alle nachfolgenden Rohrtouren werden in ihr abgesetzt und auch der Blowout Preventer wird auf sie aufgeschraubt. Die Arbeitsbühne ist die Ebene des Bohrturms, auf der sich die Bohrmannschaft und der Schichtführer aufhalten. Hier werden alle manuellen Arbeiten ausgeführt, die zum Bohren und Trippen erforderlich sind. Krümmung einer Bohrung von der Lotrechten weg. Die Aufbaurate wird in der Einheit Grad pro 100 Fuß (°/100 ft) angegeben. Sie gibt somit an, wie stark die Neigung der Bohrung pro 100 Fuß Bohrstrecke (ca. 30 Meter) zunimmt Himmelsrichtung. Üblicherweise wird sie in Grad angegeben, meist in der Form, dass 0° Nord, 90° Ost, 180° Süd entspricht usw. Himmelsrichtung. Üblicherweise wird sie in Grad angegeben, meist in der Form, dass 0° Nord, 90° Ost, 180° Süd entspricht usw. Himmelsrichtung. Üblicherweise wird sie in Grad angegeben, meist in der Form, dass 0° Nord, 90° Ost, 180° Süd entspricht usw.
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Blowout Blowout Preventer Borehole, Drillhole Borehole, Direction Bottumhole Bottumhole Location Boxhole
Bohrgarnitur
Bohrgestänge Bohrinsel
Bohrlochkonstruktion
Bohrmeister Bohrmeißel Bohrmotor Bohrpfad
Bohrspülung
Bohrstrang Casing Case Hole Core hole Crooked Hole Company Man
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Eruption einer Bohrung, ausgelöst dadurch, dass Fluide aus dem Gebirge (Gas, Öl oder Wasser) in das Bohrloch eingetreten sind und nun unkontrolliert aus der Bohrung entweichen. Der Blowout Preventer (BOP) wird auch Bohrlochabschluss genannt. Es handelt sich um ein Sicherheitsventil, das auf die Ankerrohrtour aufgeflanscht wird und mit dem die Bohrung jederzeit sicher verschlossen werden kann. Bohrloch Bohrlochrichtung vom Ansatzpunkt zum Endpunkt, Azimut der horizontalen Gesamtabweichung Bohrlochsohle jeweilige Bohrlochsohlen-Position bezogen auf die Lage des Ansatzpunktes Grosslochbohrung von unten nach oben, ohne Vorbohr- oder Pilotloch Die Bohrgarnitur, auf Englisch Bottomhole Assembly oder kurz BHA genannt, ist der „intelligente" untere Teil des Bohrstranges, mit dem die Richtung der Bohrung kontrolliert wird, in dem sich alle Sensoren zur Positionsbestimmung und Formationsvermessung befinden und der eventuell einen Bohrmotor, eine Schlagschere, Stoßdämpfer, Stabilisatoren und sonstige Spezialgeräte enthält. Natürlich gehört auch der Bohrmeißel zur Bohrgarnitur. Das Bohrgestänge verbindet die Bohrgarnitur mit dem Bohrturm. Es besteht aus aneinander geschraubten Bohrrohren (Bohrstangen) von jeweils ca.10 Metern Länge. Unter einer Bohrinsel versteht man eine Bohranlage im Meer, die fest installiert auf einer Unterkonstruktion aus Stahl oder Beton auf dem Meeresboden steht. Als Bohrlochkonstruktion bezeichnet man die Gesamtheit aller Rohrtouren, die in einer Bohrung abgesetzt werden. Sie beinhaltet die erforderlichen Festigkeitsnachweise für alle Rohre sowie die Festlegung der Rohrabsetzteufen und Zementkopfhöhen. Der Bohrmeister ist der offizielle Vertreter der ausführenden Bohrfirma. Er koordiniert und leitet die Bohrarbeiten und die Einsätze der Schichtarbeiter und Servicefirmen auf der Bohranlage. Auf Englisch heißt der Bohrmeister Tool Pusher. Der Bohrmeißel befindet sich ganz unten am Bohrstrang. Er zerstört das Gestein. Ein Bohrmotor wird meist direkt über dem Bohrmeißel in die Bohrgarnitur eingebaut. Er versorgt den Bohrmeißel auf der Sohle mit Antriebsleistung Räumlicher Verlauf der Bohrung im Untergrund, auch Bohrungsverlauf genannt. Meist zähflüssige Suspension, die im Bohrstrang nach unten zum Bohrmeißel gepumpt wird, um dort das Bohrklein aufzunehmen und es im Ringraum zwischen Bohrgestänge und Bohrloch zur Erdoberfläche zu transportieren und auszutragen. Weitere Aufgaben der Bohrspülung sind zum Beispiel das Kühlen des Bohrmeißels, die Stabilisierung des Bohrloches oder die Übertragung von Daten von der Bohrlochsohle nach über Tage. Der Bohrstrang ist die mechanische Verbindung zwischen dem Bohrturm über Tage und dem Bohrmeißel unten in der Erde. Er besteht zum überwiegenden Teil aus dünnwandigen Rohren, den Bohrstangen. Englische Bezeichnung für eine Rohrtour. Im Gegensatz zu einem Liner, der in einer vorangehenden Rohrtour abgesetzt wird, reicht ein Casing immer bis hinauf an die Erdoberfläche verrohrter Teil eines Bohrlochs Kernbohrung abgewichenes, schiefes Bohrloch Der Company Man vertritt auf einer Bohranlage die Interessen des Investors, wobei es sich im Allgemeinen um eine Ölfirma handelt.
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Anhang
Contractor Directional Driller's Display Drainhole Degasser Dogleg
Dogleg Severity
Differential Sticking Dry Hole Directional Driller Driller Extended-Reach- Bohrung Erweiterungsbohrung
Erkundungsbohrung
Fracen
Flachbohrung Full Gauge Hole, Full Size hole, Full Bore, Field Service Engineer Fish
Der Contractor ist der Auftragnehmer der Ölfirma. Er stellt und liefert die Bohranlage und die Bohrmannschaft und führt die Bohrarbeiten aus. Anzeigegerät auf der Arbeitsbühne, auf dem der Richtbohrer kontinuierlich die aktuellen Messwerte für Azimut, Bohrlochneigung und Tool Face Orientation ablesen kann. mehrere Richtbohrungen aus einer senkrechten Bohrung heraus mit großer Neigung gebohrt, besonders in der offshore-Bohrtechnik Anzeigegerät auf der Arbeitsbühne, auf dem der Richtbohrer kontinuierlich die aktuellen Messwerte für Azimut, Bohrlochneigung und Tool Face Orientation ablesen kann. Apparat im Spülungskreislauf, der die Spülung von eventuell enthaltenem Gas trennt. Abweichung der Bohrung vom geraden Verlauf. DLS, Stärke der räumlichen Krümmung der Bohrung, meist angegeben in der Einheit Grad pro 100 Fuß (°/100 ft). Die Krümmungen der meisten Richtbohrungen bewegen sich in einem Bereich von 3 bis 107100 ft. Über die Beziehung R = 1746,9/DLS kann die Dogleg Severity in den Radius der Kurve umgerechnet werden. Die DLS wird dabei in der Einheit 7100 ft eingegeben, der Radius ergibt sich in Metern. "Festkleben" der Bohrgarnitur an der Bohrlochwand, weil bohr-lochseitig der höhere Druck der Bohrspülung und wandseitig der geringere Formationsporendruck wirkt. Fehlbohrung, ergebnislose, unproduktive oder unwirtschaftliche Bohrung Der Directional Driller wird auch Richtbohrer genannt. Er ist dafür verantwortlich, dass die Bohrung dem geplanten Bohrpfad folgt. Der Directional Driller wird von einer Servicefirma gestellt. Schichtführer der Bohrmannschaft. Der Driller bedient normalerweise den Leitstand des Bohrturmes, während seine Bohrarbeiter die anfallenden Arbeiten auf der Arbeitsbühne und der restlichen Bohranlage ausführen. Bohrung, bei der die tatsächliche Länge des Bohrpfades die vertikale Teufe der Bohrung deutlich (mindestens um den Faktor 2) übersteigt. E)dendedReach-Bohrungen zeichnen sich also durch lange Horizontalstrecken oder sehr komplexe Bohrpfade aus. ein vorgebohrte Loch z. B. Pilotbohrung auf Vollmaß erweitert Eine Erkundungsbohrung ist eine Bohrung, durch die festgestellt werden soll, ob sich in einer potenziellen Lagerstätte tatsächlich die erhofften Bodenschätze (Öl, Gas, Wasser, aber auch mineralische Stoffe wie zum Beispiel Erz, Salz etc.) befinden. Sie ist nicht für eine nachhaltige Förderung konzipiert, sondern soll in erster Linie die Beschaffung möglichst vieler Daten über den Untergrund sicherstellen. Erkundungsbohrungen sind im Allgemeinen senkrechte Bohrungen. Aufbrechen des Gesteins durch Anwendung hohen Druckes im Bohrloch. Frac-Operationen werden gezielt durchgeführt, um die Produktivität in der Lagerstätte zu erhöhen. Beim Bohren ist ein Fracen des Gebirges dagegen unerwünscht. Allgemeiner Ausdruck für alle Bohrungen außerhalb der Tiefbohrtechnik Diamantbohrung bis 1000m Teufe allgemein: Bohrung mit geringen Teufen in Bergbau und Bautechnik Bohrung mit Nominaldurchmesser Bei Ablenkungen ohne Vorbohr-(Pilot-) loch. FSE, Mitarbeiter einer Servicefirma, beispielsweise ein Richtbohrer oder ein MWD-Operator. Unter einem Fish (zu Deutsch auch Fisch) versteht man einen im Bohrloch verlorenen Gegenstand. Dabei kann es sich zum Beispiel um eine winzige Meißeldüse, aber durchaus auch um ein langes, abgerissenes Stück Bohrstrang handeln.
Anhang
Grosslochbohrung Grouthhole Geosteering Halbtaucher Heavy Weight Drill Pipe
Hebewerk
Horizontalbohrung
Inklination
Jackup Rig Junked Hole Hole High Side Hole Low Side Hole Window Horizontalbohrung High-Angle Hole Hole Axis Hole Curavature Junked Hole Keyhole Kellystange
Kick Komplettierung Kraftdrehkopf / Top Drive
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Tiefbohrung mit größerem Durchmesser als handelsüblicher RM-Abmessung, Schachtbohrungen Bohrung nach dem Lufthebeverfahren Bohrung über 50 mm Durchmesser Einbruchbohrung Injektionsbohrung Entscheidung über den weiteren Verlauf des Bohrpfades anhand geologischer Messwerte, die die Bohrgarnitur beim Bohren aus der Lagerstätte überträgt. Schwimmende Großbohranlage für den Einsatz im tiefen Wasser. Bohrstange mit erhöhter Wandstärke. Heavy Weight Drill Pipes werden zwischen die dünnwandigen Bohrstangen und die dickwandigen Schwerstangen in den Bohrstrang eingebaut, damit der Steifigkeitsübergang zwischen diesen Komponenten vermieden werden. nicht allzu schroff ausfällt und Gestängebrüche Einrichtung zum Auf- und Abbewegen des Bohrstranges im Bohrloch. Bohranlagen traditioneller Bauart verwenden dazu große Seilwinden, moderne Anlagen werden zum Teil auch mit Hubzylindern oder ZahnstangenAntrieben ausgerüstet. Bohrung, die im Bereich der Lagerstätte horizontal verläuft. Ölbohrungen werden oft als Horizontalbohrung aus- geführt, weil die Öl führenden Schichten große horizontale Ausdehnungen, aber nur geringe Mächtigkeiten aufweisen. Englischer Ausdruck für die Bohrlochneigung. Sie wird in Grad angegeben, wobei 00 Neigung eine senkrechte und 90° Neigung eine horizontale Bohrung darstellt. Auch Hubplattform genannt. Es handelt sich um eine Bohranlage zum Einsatz in flachem Wasser. Sie steht auf meist drei Stelzen auf dem Meeresboden. Zum Transport werden die drei Stelzen hochgezogen, die Anlage ist dann schwimmfähig. aufgegebene Bohrung nach nicht erfolgreicher Fangarbeit oder Reparatur das Bohrlochhangende bei horizontalen oder geneigten Bohrlöchern das Bohrlochliegende ausgefräste seitliche Öffnung in einem Bohrloch einzementierten Casing horizontale Kernbohrung im Bergbau oder in der Bautechnik Einzel- oder Mehrfachbohrung in der off-shoreBohrtechnik Einbruchbohrung, Wetter- oder Hilfsbohrung unter Tage Bohrloch mit Neigungsaufbau über 50° theoretische Bohrlochachse (Bohrstrangachse im Bohrloch der Wechsel des Bohrloches in Richtung und Neigung aufgegebene Bohrung nach nicht erfolgreicher Fangarbeit oder Reparatur Schlüsselloch, im dog leg sich bildende Rinne mit Gestängeradius Die Kellystange ist die obere Bohrstrange einer Bohranlage mit Drehtischantrieb. Sie weist einen eckigen (meist 6-eckigen) Querschnitt auf und steckt in einer entsprechenden Durchlassöffnung im Drehtisch auf der Arbeitsbühne. Durch diesen Formschluss kann der Bohrstrang über den Drehtisch in Rotation versetzt werden. Unter einem Kick versteht man ein Fluidvolumen (Gas, Öl oder Wasser), das aus der Formation in die Bohrung eingedrungen ist. Wenn ein Kick nicht erkannt wird, kann er sich im schlimmsten Fall zu einem Blowout entwickeln. Endausbau eines Bohrloches mit Rohren und Ventilen mit dem Ziel, eine möglichst kontrollierte, ergiebige und nachhaltige Förderung von Rohstoffen zu gewährleisten. Alternative Strang-Antriebsmethode zum Drehtischantrieb mit einer Kellystange. Beim Top Drive befindet sich der Drehantrieb für das Bohrgestänge im Kranhaken und nicht in der Arbeitsbühne.
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Anhang
Kronenblock
Kellystange
Liner LWD Long Hole Lost Hole Low-Angle Hole MWD Operator MWD
Neutraler Punkt
Overbalance Moderate Angle Hole Naturally Deviated Hole Open Hole Over Gaule Hole Packet Hole
Peak 0il
Produktionsbohrung
Oberer Satz Umlenkrollen des Flaschenzuges des Hebewerkes. Befindet sich ganz oben an der Spitze des Bohrturmes. Die Kellystange ist die obere Bohrstrange einer Bohranlage mit Drehtischantrieb. Sie weist einen eckigen (meist 6-eckigen) Querschnitt auf und steckt in einer entsprechenden Durchlassöffnung im Drehtisch auf der Arbeitsbühne. Durch diesen Formschluss kann der Bohrstrang über den Drehtisch in Rotation versetzt werden. Der deutsche Ausdruck für einen Liner ist eine verlorene Rohrtour. Im Gegensatz zu einem Casing reicht sie nicht bis an die Oberfläche, sondern endet bereits in der vorangehenden Rohrtour. Abkürzung für Logging While Drilling, also Formationsvermessung beim Bohren. LWD-Systeme untersuchen die Eigenschaften des Gesteines. unter Tage- oder Sprenglochbohrung mit mehr als 3 m Länge, oder wenn der Einsatz von zwei oder mehr Gestänge-Einzellängen erforderlich wird, um die gewünschte Tiefe zu erreichen. aus tektonischen oder bohrtechnischen Gründe (Festwerden, Fangarbeit) aufgegebene Bohrung Bohrloch mit Neigungsaufbau unter 300 Spezialist der Richtbohr-Firma, der für die Bedienung und Interpretation der Messwerte des MWD-Systems zuständig ist. Abkürzung für Measuring While Drilling, also Vermessen während des Bohrens. MWD-Systeme sind für die Vermessung des Bohrpfades zuständig und liefern die erforderliche Information für das Steuern der Bohrung. Die dünnen Bohrstangen eines Bohrstranges müssen auf Zug belastet werden, sonst knicken sie aus. Im unteren Teil der Bohrgarnitur muss dagegen Druck zum Anpressen des Bohrmeißels in die Formation bereitgestellt werden. Der neutrale Punkt kennzeichnet den Querschnitt des Bohrstranges, in dem sich Zugund Druckkräfte aufheben, in dem also der Zug- in den Druckbereich übergeht. Um zu verhindern, dass Fluide aus der Formation in die Bohrung eindringen, wird die Dichte der Spülung üblicherweise so eingestellt, dass der Druck im Bohrloch größer ist, als in den Poren des Gesteines. Diese Druckdifferenz wird als Overbalance bezeichnet. Ist der Druck im Bohrloch geringer als in den Poren des Gesteines, spricht man von Underbalance. Bohrungsneigung 30° bis 50° natürlich, ohne Eingriff und Richtbohr-Gerät entstehende Abweichung eines Bohrlochs das verrohrte Bohrloch Bohrung frei von störenden oder sperrenden Gebirgsteilen (– strecken,-abschnitten) Größerer Bohrlochdurchmesser als Nenndurchmesser des eingesetzten Bohrwerkzeuges Bohrloch gebohrt mit steifem Strang (z. B. Schwer- stangen mit enger Stabilisierung) Jeder endliche Rohstoff erfährt eines Tages sein Fördermaximum, das danach selbst mit größtem Aufwand nie wieder erreicht oder übertroffen werden kann. Viele Theorien gehen davon aus, dass das Fördermaximum etwa dann erreicht wird, wenn die Hälfte des Rohstoffes verbraucht ist. In Bezug auf die Ölförderung wird das Fördermaximum Peak Oil genannt. Es besteht starke Uneinigkeit darüber, ob es schon erreicht wurde oder noch nicht. Insofern steht der Begriff im Interesse der laufenden Energiediskussion. Eine Produktionsbohrung ist im Gegensatz zu einer Erkundungsbohrung darauf ausgelegt, über möglichst lange Zeiträume eine möglichst intensive Förderung des Öls, Gases oder Wassers zu gewährleisten. Produktionsbohrungen sind im Allgemeinen gerichtete Bohrungen, das heißt, sie werden so in bzw. durch die Lagerstätte geführt, dass die Rohstoffe einen optimalen Zufluss zur Bohrung finden. Ölbohrungen werden meistens als Horizontalbohrungen ausgeführt, Gasbohrungen als J-förmige Bohrungen, Wasserbrunnen verlaufen meistens vertikal.
Anhang
Produktionsstrang Re-entry-Bohrung
Reservoir Navigation Richtbohrmotor Pilotbohrung Raise Hole, Raise Bohrung
Rathehole
Relief Hole Richtbohrung Rotatationsbohrung Shut Down Hole Shut in Hole Spülbohrung
Standpipe Pressure
Steuerkopf
Survey
Technische Rohrtour
ool Face Orientation
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Der Produktionsstrang ist die Verbindung zwischen der Lagerstätte und der Oberfläche, durch die der Rohstoff fließt. Sein Durchmesser muss auf das Fördervolumen abgestimmt sein. Zur Erstellung einer Re-entry-Bohrung wird aus einer bereits vorhandenen Bohrung heraus ein neuer Seitenarm gebohrt. Der Begriff Re-entry kann mit Wiedereinfahrt übersetzt werden. Wenn eine Lagerstätte (auf Englisch Reservoir) nicht stur an-hand eines geometrischen Planes durchbohrt wird, sondern der Bohrpfad anhand der beim Bohren erhaltenen Information ständig korrigiert und angepasst wird, redet man von Reservoir Navigation oder Geosteering. Ein Richtbohrmotor ist ein Bohrmotor, der in der Lage ist, eine Bohrung in eine gewünschte Richtung abzulenken wie Zielbohrung Vorbohrloch zur Auffindung von Wasser im Bergbau. Vorbohrloch mit kleinerem Bohrwerkzeug bei Richtbohrungen, z. B. am und unter dem Richtkeil. Großlochbohrung unter Tage, aufwärts ziehend mit Vorbohrloch zwei Bohrungen im Unterbau eine Rotary-Bohranlage, Rathole (Kellyloch) wird zum Abstellen von Kelly und Spülkopf für das Nachsetzen von Gestänge (ohne Mousehole) oder während der Bohrpausen benötigt. Das Mousehole nimmt eine Gestängelänge die nachgesetzt werden soll auf. Rathehole, auch Vohrbohrloch, z. B. zum Kernen, für open-hole Tests oder unterhalb eines Richtkeiles. Entlastungsbohrung bei Blowout, meisten bei einer brennenden Öl- oder Gasbohrung. directional hole, deviated hole, deflected hole, planmäßig aus unterschiedlichen Gründen abgelenkte Bohrung. Ein slant-Type directional hole besteht aus einem vertikalen Teile, einem Aufbauteil in Form einer möglichst gleichmäßigen Kurve bzw. Radius und einem geraden, aber geneigten Teil. Spülbohrung, Trockenbohrung vorübergehend stillgelegte Bohrung unter Druck eingeschlossene Bohrung Rotary-Bohrung Die Bohrspülung gelangt von den Pumpen kommend über eine Hochdruckleitung hinauf zur Arbeitsbühne und von dort aus über einen flexiblen Hochdruckschlauch in den Bohrstrang. Am Hochdruckrohr (auf Englisch Standpipe) befindet sich auf Höhe der Arbeitsbühne ein Druckmessgerät, an dem der sogenannte Standpipe Pressure (SPP) angezeigt wird. Er wird in der Praxis üblicherweise als Maß für den Pumpendruck verwendet, auch wenn der tatsächliche Druck direkt an der Pumpe etwas höher als der SPP ist. Bezeichnung für eine Einrichtung in der Nähe des Bohrmeißels, mit der Richtungsänderungen der Bohrung erzeugt werden können. Ein Survey ist ein Messvorgang, in dessen Verlauf ein Paket zusammengehöriger Messwerte ermittelt wird. Durch einen Directional Survey (RichtbohrMessvorgang) werden beispielsweise die Himmelrichtung und Neigung der Bohrung sowie die aktuelle Ausrichtung des Knickes auf dem Richtbohrmotor bestimmt. Hilfsverrohrung einer Bohrung, mit der problematische Gesteinsschichten, zum Beispiel fließende Salze, quellende Tone oder klüftige Gesteine, isoliert werden. Ausrichtung des Knickes (Tool Face) auf einem Richtbohr motor. Üblicherweise wird die Tool-Face-Orientation (TFO) in Grad angezeigt. Zeigt der Knick nach oben, so beträgt die TFO 00. Zeigt der Knick in Bohrrichtung gesehen nach rechts, liegt eine TFO von 900 vor, bei einer Knickrichtung nach unten 270° usw.
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Anhang
Trip Underbalance Rohöl Roundtrip Schlagschere
Schwerstange
Sedimentgestein
Service Company
Stabilisator
Rathehole
Relief Hole Richtbohrung Rotatationsbohrung Shut Down Hole Shut in Hole Spülbohrung Re-entry-Bohrung
Reservoir Navigation
Aus- und Einbauvorgang des Bohrgestänges (vgl. Roundtrip). Um zu verhindern, dass Fluide aus der Formation in die Bohrung eindringen, wird die Dichte der Spülung üblicherweise so eingestellt, dass der Druck im Bohrloch größer ist, als in den Poren des Gesteines. Diese Druckdifferenz wird als Overbalance bezeichnet. Ist der Druck im Bohrloch dagegen geringer Unbehandeltes Öl aus der Lagerstätte. Unter einem Roundtrip versteht man das Aus- und Wiedereinbauen eines Bohrstranges, um ein schadhaftes Bauteil auszuwechseln oder Veränderungen an der Bohrgarnitur vorzunehmen. Gerät in der Bohrgarnitur, mit dem im Bedarfsfall heftige Schläge erzeugt werden können, die einen eventuell festsitzenden Bohrstrang wieder freiziehen können. Sehr dickwandige Bohrstange, die weit unten in die Bohrgarnitur eingebaut wird. Nach unten hin erzeugen die Schwerstangen die Andruckkraft für den Bohrmeißel, nach oben hin halten sie das dünne Bohrgestänge auf Zug, damit es nicht ausknicken kann. Die kompakten, vulkanischen Urgesteine werden im Laufe der Zeit durch Erosion an der Erdoberfläche abgetragen. Das abgetragene Material wird durch Wind, Wasser und Schwerkraft abtransportiert und sammelt sich an geeigneten Stellen, zum Beispiel in Senken oder an Orten geringer Strömungsgeschwindigkeit. Aus diesen Sedimenten können wieder neue Gesteine, die Sedimentgesteine, entstehen. Diese besitzen andere Eigenschaften als die Vulkangesteine und sind beispielsweise oft porös, was sie zu potenziellen Trägern von Kohlenwasserstoffen macht. Eine Service Company ist ein Dienstleister, der bestimmte Teilaufgaben im Rahmen eines Tiefbohrprojektes übernimmt. Hierzu gehören beispielsweise das Bohren von Kurven (Richtbohrservice), das Setzen und Zementieren von Rohrtouren, die Sammlung und Überwachung anfallender Daten (Mud Logging), die Herstellung einer Bohrspülung, die Auswahl eines geeigneten Bohrmeißels, das Bergen verloren gegangener Gegenstände aus dem Bohrloch (Fishing), das Setzen einer Komplettierung des Bohrloches usw. Bohrstrangelement, das unterhalb des Neutralen Punktes in die Bohrgarnitur eingebaut wird, um Ausknickungen des Rohrtour zu vermeiden. Rathehole (Kellyloch) wird zum Abstellen von Kelly und spülkopf für das Nachsetzen von Gestänge (ohne Mousehole) oder während der Bohrpausen benötigt. Das Mousehole nimmt eine Gestängelänge die nachgesetzt werden soll auf. Rathehole, auch Vohrbohrloch, z. B. zum Kernen, für open-hole Tests oder unterhalb eines Richtkeiles. Entlastungsbohrung bei Blowout, meisten bei einer brennenden Öl- oder Gasbohrung. directional hole, deviated hole, deflected hole, planmäßig aus unterschiedlichen Gründen abgelenkte Bohrung. Ein slant-Type directional hole besteht aus einem vertikalen Teile, einem Aufbauteil in Form einer möglichst gleichmäßigen Kurve bzw. Radius und einem geraden, aber geneigten Teil. Spülbohrung, Trockenbohrung vorübergehend stillgelegte Bohrung unter Druck eingeschlossene Bohrung Rotary-Bohrung Zur Erstellung einer Re-entry-Bohrung wird aus einer bereits vorhandenen Bohrung heraus ein neuer Seitenarm gebohrt. Der Begriff Re-entry kann mit Wiedereinfahrt übersetzt werden. Wenn eine Lagerstätte (auf Englisch Reservoir) nicht stur an-hand eines geometrischen Planes durchbohrt wird, sondern der Bohrpfad anhand der beim Bohren erhaltenen Information ständig korrigiert und angepasst wird, redet man von Reservoir Navigation oder Geosteering.
Anhang
Richtbohrmotor
Richtbohrung
Riser
Standpipe Pressure
Steuerkopf
Survey
Technische Rohrtour
Slim Hole
Straight Hole Tiefbohrung Tight Gauge Hole Under Gauge Hole Up Hole Vertikal-Bohrung Washed Out Hole Wash Boring Walkrate Zielbohrung Zentrifuge Zyklon
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Ein Richtbohrmotor ist ein Bohrmotor, der in der Lage ist, eine Bohrung in eine gewünschte Richtung abzulenken. Richtbohren ist die Kunst, einen Bohrungsverlauf räumlich so im Gebirge zu platzieren, dass er sich mit dem zuvor erstellten Plan möglichst genau deckt und das definierte Zielgebiet trifft. Auch eine senkrechte Bohrung kann eine Richtbohrung sein, nämlich dann, wenn aktive Maßnahmen ergriffen werden müssen, um den Bohrungsverlauf vertikal zu halten. Ein Riser ist ein Rohr, das eine Offshore Bohranlage mit dem Blowout Preventer auf dem Meeresgrund verbindet. Beim Bohren steigt die mit Bohrklein beladene Spülung im Ring hoch. Die Bohrspülung gelangt von den Pumpen kommend über eine Hochdruckleitung hinauf zur Arbeitsbühne und von dort aus über einen flexiblen Hochdruckschlauch in den Bohrstrang. Am Hochdruckrohr (auf Englisch Standpipe) befindet sich auf Höhe der Arbeitsbühne ein Druckmessgerät, an dem der sogenannte Standpipe Pressure (SPP) angezeigt wird. Er wird in der Praxis üblicherweise als Maß für den Pumpendruck verwendet, auch wenn der tatsächliche Druck direkt an der Pumpe etwas höher als der SPP ist. Bezeichnung für eine Einrichtung in der Nähe des Bohrmeißels, mit der Richtungsänderungen der Bohrung erzeugt werden können. Ein Survey ist ein Messvorgang, in dessen Verlauf ein Paket zusammengehöriger Messwerte ermittelt wird. Durch einen Directional Survey (RichtbohrMessvorgang) werden beispielsweise die Himmelrichtung und Neigung der Bohrung sowie die aktuelle Ausrichtung des Knickes auf dem Richtbohrmotor bestimmt. Hilfsverrohrung einer Bohrung, mit der problematische Gesteinsschichten, zum Beispiel fließende Salze, quellende Tone oder klüftige Gesteine, isoliert werden. Eine Bohrung mit einem Durchmesser kleiner als in einem bestimmten Bohrgebiet üblich, Ölproduktionsbohrung mit 7 Zoll Anfangs und 43/4 Zoll' Enddurchmesser, in der Tiefbohrtechnik gebräuchliche Bezeichnung für Diamantbohrungen, im Bergbau unter 5 Zoll' Durchmesser ein möglichst gerades Bohrloch ohne Richtungswechsel, wobei die Bohrung oder Teile derselben geneigt sein kann. allgemein für Bohrungen im Bereich Erdöl/Erdgas, sonst in allen Bohrbereichen für bestimmte Teufen (Tiefen) angewendet Engstelle, z. B. durch drückende oder quellende Schichten im Bohrloch. Bohrloch mit gemessenem kleinen Durchmesser als Kenndurchmess des Werkzeuges. Ursachen sind z. b. Werkzeugabnahme oder ein „tight hole". Aufwärtsbohrung unter Tage, lotrecht oder geneigt Vertical hole, wenn sich der Landepunkt einer Bohrung ungefähr unter dem Ansatzpunkt befindet, auch wenn Zwischenabweichungen vorhanden sind. Bohrung mit Auskesselungen Das Bohren mit Spüllanze oder Spüldüse am Schlauch oder einfachem Rohrgestände Krümmung einer Bohrung in der Horizontalebene. Die Walkrate wird in der Einheit Grad pro hundert Fuß (7100 ft) angegeben. Sie gibt an, um wie viel Grad sich die Himmelsrichtung der Bohrung pro 100 Fuß Bohrstrecke ändert. Führungsbohrung z. B. Für Schacht- oder Raise-Bohrungen, richtungs- und neigungsgenaue Vorbohrung Gerät auf der Bohranlage zur Befreiung der Bohrspülung von unerwünschten, sehr feinen Feststoffen. Gerät auf der Bohranlage zur Befreiung der Bohrspülung von unerwünschten, feinen Feststoffen.
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Technische Richtlinien, Merkblätter und Empfehlungen für die Erdöl- und Erdgasindustrie Umweltschutz und Arbeitssicherheit haben bei den Mitgliedsfirmen des WEG einen hohen Stellenwert. Zusammen mit Experten der Erdöl- und Erdgasgewinnungsindustrie erarbeitet der WEG Merkblätter, Richtlinien und Empfehlungen zur Konkretisierung von bestehenden gesetzlichen Vorschriften für die Erdöl- und Erdgasgewinnungsindustrie. Folgende Auswahl der gültigen Merkblätter, Richtlinien und Empfehlungen steht hier als Download zur Verfügung: WEG-Merkblatt für Coiled Tubing-Einsätze WEG-Merkblatt für die Veröffentlichung geowissenschaftlicher Arbeiten WEG-Richtlinie Ermittlung von Fristen für Prüfungen an Feldleitungen/TRFL WEG-Leitfaden Futterrohrberechnung WEG-Leitfaden Erfassung von Unfällen WEG-Leitfaden zur Freigabe von Informationen WEG-Leitfaden Kathodischer Korrosionsschutz WEG-Leitfaden Beispielsammlung zur Anlagenverordnung WEG-Empfehlung Bohrlochkontrolle WEG-Beispielsammlung MSR / Stand 06 03 WEG-Empfehlung Einstufung Druckbehälter WEG-Beispielsammlung nicht elektrischer Ex-Schutz WEG-Handlungsempfehlung DGRL WEG-Leitfaden-Blitzschutz WEG-Leitfaden für Arbeiten mit natürlicher Radioaktivität WEG-Leitfaden Gestaltung des Bohrplatzes WEG-Handlungsempfehlung zur Prüfung nichtelektrischer Betriebsmittel WEG-Leitfaden zum Umgang mit der Gefahrstoffverordnung Zum Download von Merkblättern, Richtlinien und Empfehlungen melden Sie sich bitte als Benutzer bei der WEG an. Dann erscheint in der linken Navigation der Zugang zur DownloadSeite. Sollten Sie noch keine Zugangsberechtigung haben, können Sie, mit dem Formular "Anmeldung zum Download" bei eine entsprechende Zugangesberechtigung b wie der WEG beantragen. WEG – Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung e. V. Brühlstraße 9, 30169 Hannover – Telf.: 0511-121720 – Telefax: 0511-1217210 – Web: erdoel-erdgas.de – E-Mail:
[email protected] Anhang
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Technische Regeln und DIN-Vorschriften DVGW-Regelwerk W 110 06.05 Geophysikalische Untersuchungen in Bohrlöchern und Brunnen zur Erschließung von Grundwasser; Zusammenstellung von Methoden W 111 03.97 Technische Regeln für die Ausführung von Pumpversuchen bei der Wassererschließung W 112 04.83 Entnahme von Wasserproben bei der Wassererschließung W 113 07.01 Ermittlung, Darstellung und Auswertung der Korngrößenverteilung wasserleitender Lockergesteine für geohydrologische Untersuchungen und für den Bau von Brunnen W 114 06.89 Gewinnung und Entnahme von Gesteinsproben bei Bohrarbeiten zur Grundwassererschließung W 115 03.01 Bohrungen bei der Wassererschließung W 116 04.98 Verwendung von Spülungszusätzen in Bohrspülungen bei der Erschließung von Grundwasser W 117 12.75 Entsanden und Entschlammen von Bohrbrunnen (Vertikalbrunnen) im Lockergestein und Verfahren zur Feststellung überhöhten Eintrittswiderstandes W 120 02.05 Verfahren für die Erteilung der DVGW-Bescheinigung für Bohr und Brunnenbauunternehmen W 121 07.03 Bau und Betrieb von Grundwasserbeschaffenheitsmessstellen W 122 08.95 Abschlussbauwerke für Brunnen der Wassergewinnung W 123 09.01 Bau von Vertikalfilterbrunnen für die Wassergewinnung W 124 11.98 Abnähmen und Kontrollen von Vertikalfilterbrunnen Zu beziehen bei der Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH, Josef-WirmerStraße 1 - 3, 53123 Bonn, Tel. 02 28/5 20 80-400
DIN-Normen der Bohrtechnik DIN 4020 DIN 4023
09.03 02.06
DIN 1896
06.06
DIN EN ISO 22475-1
01.07
DIN EN ISO 22475-2
04.05
DIN EN ISO 22476-3
04.05
DIN EN ISO 22476-12
04.05
DIN EN ISO/ TS 22475-2 01.07 DIN 4094-1
06.02
Geotechnische Untersuchungen für Bautechnische Zwecke Geotechnische Erkundung und Untersuchung-Zeichnerische Darstellung der Ergebnisse von Bohrungen und sonstigen direkten Anschlüssen Erd- und Grundbau – Bodenklassifikation für bautechnische Zwecke Geotechnische Erkundung und UntersuchungProbeentnahmeverfahren und Grundwassermessungen, Teil 1: Technische Grundslagen der Ausführung Geotechnische Erkundung und UntersuchungTeil 2: Rammsondierungen Geotechnische Erkundung und UntersuchungFelduntersuchungen Teil : Standard Penetration-Test Geotechnische Erkundung und Untersuchung- Teil 12: Drucksondierungen mit mechanischen Messwertaufnahmen Geotechnische Erkundung und UntersuchungProbeentnahmeverfahren und Grundwassermessungen Teil 2: Qualifikationskriterien für Unternehmen und Personal Baugrund – Felduntersuchungen – Teil 1: Drucksondierungen
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DIN 4094-2
05.03
DIN 4094-4
01.02
DIN 4094-4
01.06
Baugrund – Felduntersuchungen – Teil 2: Bohrlochrammsondierung Baugrund – Felduntersuchungen – Teil 4: Flügelscherversuche Baugrund – Felduntersuchungen – Teil 5:
DIN-Normen im Brunnenbau DIN 1054 11.76 Baugrund; zulässige Belastung des Baugrundes E DIN 1239 04.95 Schachtabdeckungen für Brunnenschächte, Quellfassungen und andere Bauwerke der Wasserversorgung - Allgemeine Baugrundsätze DIN 3620 04.87 Steigleitern für Kleinbauwerke der Wasserversorgung DIN 4034-1 09.90 Schächte aus Beton- und Stahlbetonfertigteilen; Schächte für erdverlegte Abwasserkanäle und -leitungen; Maße, Technische Lieferbedingungen DIN 4034-2 10.90 Schächte aus Beton- und Stahlbetonfertigteilen; Schächte für Brunnen und Sickeranlagen; Maße, Technische Lieferbedingungen DIN 4034-10 10.95 Schächte aus Beton- und Stahlbetonfertigteilen - Teil 10: Schachtunterteile aus Mauerwerk für erdverlegte Abwasserkanäle und leitungen; Anforderungen und Prüfungen DIN 4922-1 02.78 Stahlfilterrohre für Bohrbrunnen mit Schlitzbrückenlochung und Laschenverbindung DIN 4922-2 04.81 Stahlfilterrohre für Bohrbrunnen; Gewindeverbindung DN 100 bis DN 500 DIN 4922-3 12.75 Stahlfilterrohre für Bohrbrunnen; Flanschverbindung NW 500 bis NW 1000 DIN 4922-4 05.97 Stahlfilterrohre für Bohrbrunnen - Teil 4: Mit zugfester Steckmuffenverbindung DN 100 bis DN 500 DIN 4923 07.72 Drahtgewebe im Brunnenbau DIN 4924 02.72 Filtersande und Filterkiese für Brunnenfilter E DIN 4925-1 02.97 Filter und Vollwandrohre aus weichmacherfreiem Polyvinylchlorid (PVC-U) für Bohrbrunnen - Teil 1: DN 35 bis DN 100 mit Withworth - Gewinde E DIN 4925-2 02.97 Filter und Vollwandrohre aus weichmacherfreiem Polyvinylchlorid (PVC-U) für Bohrbrunnen - Teil 2: DN 100 bis DN 200 mit Trapezgewinde E DIN 4925-3 02.97 Filter und Vollwandrohre aus weichmacherfreiem Polyvinylchlorid (PVC-U) für Bohrbrunnen - Teil 3: DN 250 bis DN 400 mit Trapezgewinde DIN 4926 10.95 Brunnenköpfe aus Stahl
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DIN-Normen aus der Sicherheitstechnik DIN EN 344 Anforderungen und Prüfverfahren für Sicherheits-, Schutz- und Berufsschuhe für den gewerblichen Gebrauch DIN EN 354 Persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz; Verbindungsmittel DIN EN 361 Persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz; Auffanggurte DIN EN 791 Bohrgeräte; Sicherheit DIN EN 996 Rammausrüstung; Sicherheitsanforderungen DIN 4840 Arbeitsschutzhelme; sicherheitstechnische Anforderungen, Prüfling
Allgemeine Technische Vorschriften (ATV) VOB Teil C DIN 18 300 06.96 Erdarbeiten DIN 18 301 06.96 Bohrarbeiten DIN 18 302 06.96 Brunnenbauarbeiten DIN 18 303 09,88 Verbauarbeiten DIN 18 304 12,92 Rammarbeiten DIN 18 305 06.96 Wasserhaltungsarbeiten
DIN-Taschenbücher 12 Wasserversorgung 1 Wasseruntersuchung, Wasseraufbereitung 36 Erd- und Grundbau 62 Wasserversorgung 2 Faserzement-, Guss-, Kunststoff-, Stahlbeton- und Stahlrohre für Wasserleitungen 63 Wasserversorgung 3 Rohrnetz und Zubehör 91 Bohrarbeiten, Brunnenbauarbeiten, Wasserhaltungsarbeiten 113 Erkundung und Untersuchung des Baugrundes Alle DIN-Normen und Taschenbücher sind zu beziehen beim Beuth Verlag GmbH, Burggrafenstraße 6, 10787 Berlin, Telefon: 030/26 01 22 60 oder über Buchhandlungen Hinweis: In den kommenden Jahren ist verstärkt mit der weiteren Einführung europäischer DIN-Normen und Regeln zu rechnen. In der Onshore- und Offshoretechnik sind wesentliche Regeln für die Ausführung sowie die verwendeten Werkzeuge und Materialien durch API geregelt.
Hinweis zu API API steht für „American Petroleum Institute“ und ist der größte Interessenverband der Ölund Gasindustrie einschließlich der petrochemischen Industrie in den USA. Dem API gehören ca. 400 Unternehmen an (Stand August 2005).
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Das Institut äußert sich zu Themen wie der Ausbeutung von Lagerstätten, Ölverbrauch, Steuern, Handel, Umwelt- und Arbeitsschutz. Ein wichtiges Arbeitsgebiet ist die Erarbeitung von technischen Richtlinien und Standards. Der Einfluss des API geht weit über die USA hinaus. Die vom API herausgegebenen technischen Richtlinien sind vergleichsweise umfassend und anspruchsvoll. Die Richtlinien werden nicht von unabhängigen Einrichtungen, sondern von Fachleuten aus dem im Verband zusammengeschlossenen Industriefirmen erarbeitet. Vom API liegen Spezifikationen für Motoröle vor (siehe: Schmieröl). Andere Richtlinien beschäftigen sich beispielsweise mit der Ausführung von Maschinen, Öltransport auf Schiffen, Wartung von Apparaten und der Ausführung von Sicherheitseinrichtungen sowie Qualitätsund Maßrichtlinien für Bohrgestänge und Bohrzubehör.
Sachwortverzeichnis A Abbau ................................................... 131 Abfangkeil ............................................ 247 Abfangvorrichtung ............................... 887 Abfuhrkosten ........................................ 347 Ableitungssystem ................................. 108 Abnutzungsfläche – starke ............................................. 870 Abpumpen ............................................ 568 Abschiebung ........................................... 40 Absetzen ............................................. 1094 Absetzsystem ........................................ 108 Absperrschieber .................................... 108 Adapter ................................................. 780 Akkumulator......................................... 627 Anbauteil .............................................. 481 Andruck .................................................. 70 Anfangsdurchmesser ............................ 704 Ankerrohrtour ....................................... 692 Anschlagmittel...................................... 232 – Prüfung .......................................... 239 – Schaden ......................................... 239 – Tragfähigkeit ................................. 238 Antrieb – hydrostatischer .............................. 155 Antriebsmotor....................................... 897 Antriebssystem ................................... 1041 API ....................................................... 404 Arbeitsbühne ........................................ 872 Arbeitskorb ........................................... 872 Atomecho ............................................. 417 Aufbau .................................................. 131 Auffangsystem ..................................... 108 Auflast – statische ......................................... 797 Aufsatzbohranlage ................................ 989 Aufschluss .................................... 975, 997 Aufschlussbohrung ............................... 737 Aufstiegsgeschwindigkeit .................... 380 Aufweitvorgang.................................. 1121 Aufweitwerkzeug ............................... 1119 Auslaufmessgerät ................................. 658 Aussolverfahren ................................... 755
Autobahnunterbohrung ...................... 1151 AutoTrak-Funktions-System ................ 414 AutoTrak-System ................................. 412 AVN-Verfahren.................................. 1062 B Backenpreventer ................................... 605 – Aufbau ........................................... 606 – Funktion ........................................ 606 Backreamer......................................... 1060 Bauausführung ................................... 1160 Bauer Aufsatzanlage ............................ 994 Bauer Flydrill System................... 990, 993 Baugrunderkundung ............................. 876 Baugrunderkundungsbohrung .............. 875 Baugrundrisiko ................................... 1047 Baugrundverhältnis ............................ 1044 Baugruppe .................................... 760, 876 Bauindustrie ........................................... 88 Bauphase .............................................. 986 Bautechnik............................................ 760 Bauteil – erdberührtes ................................. 1018 Beanspruchung – biaxiale .......................................... 480 Bedienpult .......................................... 1130 Bedienungscontainer .......................... 1091 Befahrungskorb .................................... 872 Belastungsart .......................................... 61 Beleuchtung.......................................... 903 Bentec Driller’s Cabin .......................... 138 Bentec Pipe-Handling System .............. 136 Bentec Top Drive ................................. 137 Bentec-Rig............................................ 139 Bentec-Tiefbohrgerät ........................... 133 Bentonit .............................................. 1099 Berechnung – Außendruck ................................... 480 – Innendruck..................................... 480 – Zug ................................................ 480 Bergbau .......................................... 91, 971 Beschwere-Methode ............................. 526 Blattmeißel ............................................. 68
H. -O. Buja, Handbuch der Tief-, Flach-, Geothermie- und Horizontalbohrtechnik, DOI 10.1007/978-3-8348-9943-9, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Sachwortverzeichnis
Blindbacken .......................................... 612 – Abdrücken ..................................... 655 Blind-Scherbacken ............................... 612 Blowout Preventer ................................ 666 – Versagen ........................................ 663 Boden ........................................... 43, 1098 – bindiger ............................................ 56 Bohranlage (Drill Rig) ......... 118, 119, 715, 1012 – Auswahl ......................................... 149 – Instrumentierung............................ 348 – Komponenten .............................. 1090 Bohrantriebssystem .............................. 785 Bohrarbeit ............................................. 746 – bei geringer Arbeitshöhe ............... 812 Bohrbarkeit ....................................... 73, 76 Bohrdatenerfassung .............................. 905 Bohrdurchmesser ................................ 1010 Bohreimer ............................................. 841 Bohren – horizontales ................................... 867 – mit Diamanten ................................. 67 – mit direkter Spülung ...................... 419 – mit indirekter Spülung ................... 439 Bohrexploration ............................ 972, 973 Bohrfortschritt .................... 66, 69, 80, 385 Bohr-Futterrohr .................................... 713 Bohrgehänge ......................................... 823 Bohrgerät .............. 875, 906, 912, 922, 973 Bohrgerätebau ...................................... 922 Bohrgerätemast ..................................... 777 Bohrgerüst ............................................ 119 – historisches .................................... 119 Bohrgeschwindigkeit ............................ 504 Bohrgestänge .... 396, 956, 969, 1113, 1145 Bohrgestängeantrieb ............................. 407 Bohrgreifer-Einseilbetrieb .................... 825 Bohrgreifer-Zweiseilbetrieb ................. 825 Bohrinsel .............................................. 673 Bohrkanal – Räumen ........................................ 1074 Bohrkern – Gewinnung .................................... 699 Bohrkopf................................... 1011, 1116 – Ortung.......................................... 1126 Bohrkronensystem ................................ 957 Bohrloch ............................................. 1098 – Druck ............................................. 543 – Einsturz ........................................ 1102
– Sicherheitstechnik ......................... 748 – Sicherung ....................................... 391 – unzureichend gefülltes ................... 493 – Verengung ................................... 1101 Bohrloch-Absperreinrichtung ....... 595, 603 Bohrlochbeherrschung ......................... 511 – primäre........................................... 511 – sekundäre ....................................... 512 Bohrloch-Gefahrensituation ............... 1100 Bohrlochhydraulik ................................ 466 Bohrlochkonstruktion ........................... 473 Bohrlochkontrolle......... 487, 556, 571, 657 – vorbeugende Maßnahmen ............. 583 Bohrlochkopf ........................................ 652 Bohrlochsicherheit................................ 386 Bohrlochsohlendruck ........................... 545 Bohrlochverflanschung ........................ 597 Bohrmast .............................................. 718 Bohrmeißel ................................... 446, 832 – Inspektion ...................................... 868 – übergroßer ..................................... 865 Bohrmeistermethode............................. 529 Bohrmeter ............................................. 739 Bohrmotor ............................ 410, 705, 707 Bohrparameter ...................... 380, 382, 955 Bohrplattform ....................................... 660 Bohrplatz .............................................. 102 – Aufteilung...................................... 106 – örtliche Festlegung ........................ 109 Bohrplatzeinrichtung ............................ 100 Bohrpraxis ............................................ 382 Bohrrohr ............................................. 1011 – mit Bajonettverschluss................... 814 – mit Gewindeverbindung ................ 814 – mit Schnellverbindung .................. 815 – ohne Verbindungselement ............. 813 Bohrrohrkupplung – automatische .................................. 860 Bohrschiff ............................................. 677 Bohrschnecke – durchgehende ................................ 852 Bohrschneidkörper ................................. 66 Bohrseil – Belastung ....................................... 219 Bohrspülung ........... 466, 1097, 1098, 1104 – Abströmen ................................... 1101 – Ausdringen .................................. 1101 – konventionelle ............................. 1105 – selbsterhärtende ........................... 1112
Sachwortverzeichnis
– Verlust ......................................... 1100 Bohrstangenmagazin .......................... 1115 Bohrstrang .................................. 394, 1113 Bohrtätigkeit ................................. 694, 736 Bohrtechnik ....................... 2, 86, 712, 733, 972, 973, 1024 – Chronik ............................................ 12 – in Bronze- und Eisenzeit ................... 5 – Neuzeit .............................................. 9 Bohrtrichter .......................................... 823 Bohrturbine .................................. 705, 707 Bohrturm ............................................... 119 – hölzener ......................................... 119 Bohrung ......................... 87, 698, 711, 728, 730, 733, 735 ff, 971, 972, 973, 1002, 1007, 1008, 10411099, 1150 – Abschluss ...................................... 711 – für Entsorgung ................................. 94 – im Bergbau ...................................... 90 – im Stollenbau................................... 90 – im Tunnelbau................................... 90 – in der Bauindustrie .......................... 88 – senkrechte ...................................... 704 – unter Verkehrswegen................... 1151 Bohrungsverhältnis – besonderes ..................................... 571 Bohrverfahren ................... 96, 97, 98, 933, 944, 995, 1008, 1009 Bohrvorgang ........................................... 82 Bohrwerkzeug ..................... 62, 64, 65, 83, 419, 1113, 1115 – Antrieb........................................... 885 – Wirtschaftlichkeit ............................ 84 Bremse .................................................. 168 Brunnen .............................................. 1027 Brunnenbau .................................. 93, 1104 Brunnenrohr ......................................... 814 Buttress-Verbinder ............................... 477 C Casing ................................................... 473 Casing String ........................................ 474 Casingdruck.......................................... 357 Casing-Elevator .................................... 188 Choke ................................................... 646 Choke-Line ........................................... 642 – Abdrücken ..................................... 655 Chokemanifold ..................................... 642 – Abdrücken ..................................... 655
1181
cut mud ................................................. 505 Cuttingsform ........................................ 505 Cuttingsgröße ....................................... 505 Cuttingsmenge ...................................... 505 D Data Akquisitionssystem ...................... 366 Datenaufzeichnung ............................... 364 Datenübertragung ......................... 417, 706 Degasser ....................................... 340, 343 – Installation ..................................... 340 Dehnerstation ..................................... 1063 Desander ....................................... 315, 324 – Installation ..................................... 326 Desilter ......................................... 315, 325 – Installation ..................................... 326 Diamant – Qualität .......................................... 959 Diamantbohrkrone................ 951, 958, 964 – Einbau ........................................... 956 – imprägnierte .................................. 960 – Parameter ....................................... 952 – synthetische ................................... 961 Diamantbohrwerkzeug ................ 432, 433, 438, 956 – mit PDC ......................................... 434 Diamantkorn ........................................... 67 Diamantkrone ....................................... 437 Diamantmeißel ....................................... 69 Diamantqualität .................................... 435 Dieselmotor .......................................... 152 Differenzflussmessung ......................... 362 Diskenschneidrolle ................................. 72 Disken-Schneidrolle ............................... 71 Diverter ................................................ 619 Doppelkopf-Bohrgetriebe .................... 784 Downhole Motor .................................. 410 Downhole-System ................................ 411 Drahtseil ............................................... 233 Drehantrieb – feststehender .................................. 773 – geführter ........................................ 775 Drehbohreinrichtung ............................ 772 Drehbohrgerät .............. 772, 773, 775, 876 Drehbohrschappe.................................. 940 Drehbohrverfahren ............... 367, 936, 944 Drehbohrwerkzeug ............... 418, 835, 836 Drehmoment ....................................... 1087 Drehschlagbohrkopf ............................... 64
1182
Sachwortverzeichnis
Drehstrom-Gleichstromsystem ............. 159 Drehtisch .............................. 242, 407, 887 – Aufbau ........................................... 242 Drehtisch-Antrieb ................................. 249 Drehtisch-Drehmoment ........................ 355 Drehtisch-Drehzahl ...................... 355, 505 Drehtischeinsatz ................................... 244 Drehverbinder ..................................... 1123 Drehzahl ............................................... 954 Drehzahlbereich.................................... 887 Driller´s Cabin .................................... 1038 Driller-Kabine ...................................... 720 Drilling Break ....................................... 504 Druck .................................................... 379 Druckhorizont – abnormaler ..................................... 584 Druck-Kontrolle ................................... 569 Druckkontrolleinrichtung ..................... 651 Druckprüfung ....................................... 651 Drucksituation ...................................... 489 Druckspeicher ....................................... 627 Druckspeicherbehälter .......................... 635 Druckverlauf ......................................... 528 Druckzementation................................. 484 Duplexpumpe ....................................... 275 – doppelt wirkende ........................... 270 Durchspüler .......................................... 563 Düse .............................................. 642, 646 – Abdrücken ..................................... 655 Düsen-Fernsteuerstand ......................... 649 E Einbauteil.............................................. 481 Einflussgröße – hydraulische..................................... 82 Einschleusen ......................................... 570 Einschließdruck .................................... 543 Einschließen – Grenzen ......................................... 517 – hartes ............................................. 514 – Roundtrip ....................................... 516 – weiches .......................................... 513 Einschließverfahren .............................. 513 Einziehvorbereitung ........................... 1124 Einziehvorgang ......................... 1075, 1122 Einziehvorrichtung ............................. 1123 Elastomer .............................................. 713 Elektromotor ......................................... 154 Elevator ...................................... 185, 1039
Energie – aus Grundwasser ......................... 1027 Energiepfahl ....................................... 1018 Energie-Spriralkorb ............................ 1021 Energieversorgung ............................... 722 Entenschnabel....................................... 680 Entwässerungsleitung – unterirdische .................................. 108 Erdgas .................... 87, 680, 684, 694, 696, 698, 727, 728, 730, 731, 733, 735, 736, 740, 743, 744, 745, 748, 749, 751, 972 – Einspeicherung .............................. 746 – Entnahme ....................................... 747 Erdgasgewinnung ......................... 681, 727 Erdgasspeicher ..... 744, 745, 749, 751, 752 Erdgasspeicherung ....................... 743, 756 Erdkabelleitung .................................. 1143 Erdkörper ................................................ 22 Erdkruste ................................................ 23 Erdöl ............................................... 87, 684 Erdöl-Aufbereitung .............................. 735 Erdölförderung ..................... 730, 733, 739 Erdölgewinnung ........................... 681, 727 Erdölspeicher ........................................ 748 Erdölspeicherung .......................... 743, 756 Erdwärme ................................. 1000, 1030 Erdwärmeerschließung ....................... 1034 Erdwärmekollektor ............................. 1023 Erdwärmekorb .................................... 1021 Erdwärmesonde ........................ 1004, 1030 – Bohrtechnik ................................. 1008 – Einbautechnik .............................. 1008 Erdwärmesonden-Feld........................ 1007 Ergussgestein .......................................... 27 Erkundung ............................................ 974 Erkundungsbohrung ............................. 971 Erstarrungsgestein .................................. 37 Exploration ................................... 735, 971 – in Steinkohlenlagerstätten ............. 971 – über Tage ....................................... 972 – unter Tage ...................................... 972 Explorationsbohrung ............ 736, 972, 973 Extremline-Verbinder ........................... 478 F Fahrerkabine ....................................... 1091 Fahrerstand ......................................... 1038 Fahrseil ................................................. 200 – Berechnung.................................... 208
Sachwortverzeichnis
– Pflege............................................. 219 – Wartung ......................................... 219 Fahrwerk .............................................. 876 Fallen ...................................................... 42 Falten ...................................................... 39 Fangwerkzeug ...................................... 451 Fast Close-in Procedure ....................... 515 Feldesentwicklungsbohrung ................. 738 Feldspat .................................................. 36 Fels – Klassifizierung ................................ 57 Felsbohreimer ....................................... 842 Fernsteuerstand..................................... 632 Festgestein .............................................. 26 – Lagerung ......................................... 37 Feststoffkontrolle ................ 287, 288, 296, 298, 721, 1094 Feststoffkontrollsystem ........ 336, 337, 338 Feststoffkontrolltechnik ....................... 297 Fischschwanz ......................................... 68 Flächenverbrauch ................................. 996 Flanschbohrgestänge ............................ 441 Flaschenzugsystem ............................... 219 Fließverhalten ....................................... 466 Flowcheck ............................................ 510 Flözwellenseismik ................................ 974 Flügelmeißel ........................................... 68 Fluid ..................................................... 107 Förderhöhe ........................................... 376 Förderkennlinie ............................ 383, 384 Förderstrom .......................................... 382 Förderung ............................................. 728 – pneumatische ............................... 1070 Formation – harte ....................................... 72, 1118 – mittelharte .................................... 1118 – weiche.................................... 72, 1118 – weiche – mittelharte .................... 1118 Formationsdruck................................... 589 Front-Steer-Verfahren ........................ 1058 Fundamentbereich ................................ 111 Funktionsprüfung ................................. 651 Furchenbildung ...................................... 68 Futterrohr...................................... 473, 967 – Berechnung.................................... 479 – dehnbares....................................... 712 Futterrohrkrone .................................... 967 Futterrohrschuh .................................... 967 Futterrohrstrang .................................... 652
1183
Futterrohrverbinder .............................. 476 Futterrohrverbindung ........................... 653 G Ganggestein ............................................ 27 Gasförderung ........................................ 739 Gasgewinnung ...................................... 740 Gasreserve ............................................ 728 Gebirgsdruckfestigkeit ........................... 83 Gegenmittel ........................................ 1100 Gegensteuerungsmittel ....................... 1100 Gegenstromzentrifuge .......................... 333 Genehmigungsverfahren .................... 1041 Geologie ................................................. 18 Geothermie .................... 1000, 1001, 1004, 1012, 1028, 1041 Geothermie-Bohranlage ..................... 1013 Geothermiebohrung............................ 1000 Geothermiequelle ..................... 1001, 1002 Geothermie-Tiefbohrung .................... 1034 Gerät ........................................... 760, 1076 Geräteabmessung ............................... 1088 Gerätebaugruppe .................................. 775 Gerätekomponente ............................... 881 Gerätetechnik ............................... 100, 118 Geröllbohrung .................................... 1147 Gestänge ....................................... 393, 439 Gestänge-Ausbruch .............................. 561 Gestängebacken – Abdrücken ..................................... 655 Gestängedurchmesser ........................... 379 Gestängelager ..................................... 1040 Gestängepreventer ........................ 622, 656 Gestängezementation ........................... 484 Gestein............................ 22, 417, 697, 730 – Eigenschaften .................................. 56 – Härte ................................................ 85 – Klassifizierung ................................ 56 – Kreislauf .......................................... 55 Gesteinsablösung.................................... 63 Gesteinsfestigkeit ................................... 76 Gesteinszerstörung ......................... 64, 428 – mechanische .................................... 59 Gewicht .............................................. 1088 Gewinnung ............... 736, 974, 1002, 1003 Gigant ................................................... 683 Gleichrichter ......................................... 159 Gleichstromanlage ................................ 158 Gleichstromsystem ............................... 157
1184
Sachwortverzeichnis
Gleichstromzentrifuge .......................... 334 Gleichzeitige Methode.......................... 532 Gleitfähigkeit ...................................... 1103 Glimmer .................................................. 36 Graben .................................................... 42 Grauwacke .............................................. 32 Greifer .................................................. 933 Greifersystem ....................................... 826 Großbohranlage ............................ 977, 983 Großbohrung ........................................ 976 Großdrehbohrgerät ............................... 788 Großloch-Bohrtechnik .......................... 976 GRUNDOROCK-Bohrlochmotor ...... 1139 Gründung .............................................. 111 Grundwasser ........................................... 48 Gürtel-Vibrationsrüttler ........................ 811 H Haken ........................................... 189, 190 Hakenlast ...................................... 211, 352 Halbtaucherbohrinsel............................ 675 Härte ..................................................... 971 Härteskala – relative ............................................. 75 Hartmetallbohrkrone............................. 964 Hartmetallstift ....................................... 424 HDD-Verfahren .................................. 1075 HDD-Anlage ...................................... 1087 – Druckkraft ................................... 1087 – Zugkraft ....................................... 1087 HDD-Bohranlage................................ 1077 HDD-Bohren ...................................... 1098 – Werkzeugtechnik ......................... 1156 HDD-Einsatz ...................................... 1155 – im Hochgebirge ........................... 1151 HDD-Felsbohrtechnik ........................ 1133 HDD-Kompaktanlage ......................... 1132 HDD-Motor ........................................ 1138 HDD-Mudmotor ................................. 1155 HDD-Spülung..................................... 1108 HDD-Verfahren – Baumaßnahmen ........................... 1140 HDD-Zubehör .................................... 1133 Heavy-Weight-Drill-Pipe ..................... 402 Hebeeinrichtung ................................... 163 Hebewerk.............................................. 165 Hebewerkskonstruktion ........................ 178 Herrenknecht-Tiefbohranlage............... 142
Hochdruckformation – Anbohren ....................................... 580 Hochtemperatur-Geothermiequelle .... 1002 Hohlbohrschnecke ................................ 939 Horizontalbewegung – durchdrehende ............................... 890 – oszillierende................................... 890 Horizontalbohrsystem ........................ 1043 Horizontalbohrtechnik .......... 709, 729, 973 Horizontalbohrung ........... 571, 1043, 1062 Horizontaldrainage ............................. 1104 Horizontal-Schneckenbohrverfahren.. 1049 Horizontal-Spülbohrtechnik (HDD) ... 1072 Horst ....................................................... 42 Hubbohrinsel ........................................ 674 Hubzahl ................................................ 506 HW-Verfahren ...................................... 809 Hydraulikaggregat ................................ 898 Hydraulikbagger ................................... 769 Hydraulikleitung ................................... 635 Hydraulikzange .................................... 197 Hydrologie .............................................. 48 Hydrozyklon ....................................... 1096 I IADC-Code .......................................... 428 Imloch-Bohrhammer ............................ 865 Imrohrbohrgerät ................................... 844 Inkasion .............................................. 1102 Innengestänge ..................................... 1011 Innenverrohrung ................................. 1059 Iron Roughneck .................................... 198 K Kabelaustausch ................................... 1144 Kavernenspeicher ................................. 758 Kelly Hahn ........................................... 656 Kelly Spinner........................................ 251 Kellystange ................................... 780, 781 Kernbohrung......................................... 701 – Doppelkernrohr ............................. 947 – Einfachkernrohr ............................. 945 – Seilkernrohr ................................... 948 Kernrohr ............................................... 845 Kernspülverfahren ................................ 951 Kette ............................................. 175, 236 Kettenvorschubeinrichtung .................. 883 Kick ...................................................... 560 – Identität.......................................... 519
Sachwortverzeichnis
Kickanzeichen ...................................... 503 Kick-Anzeichen – positives ......................................... 507 Kickentstehung ..................................... 489 Kickerkennung ..................................... 502 Kick-Früherkennungssytem ................. 659 Kiespumpe .................................... 830, 934 Kill-Line ....................................... 642, 648 – Abdrücken ..................................... 655 Klappen-Elevator ................................. 186 Klappmast............................................. 123 Kläranlage ............................................ 114 Kolbenbewegung.................................. 269 Kolbenpumpe – Arbeitsweise .................................. 267 Kolbenvorschub ................................... 884 Kolbenvorschubeinrichtung ................. 883 Kompaktmaschine .............................. 1050 Komplettieren ....................................... 746 Kompressor .......................................... 899 Kontrollsystem ..................................... 108 Kopfloch ............................................... 865 Korngrößenverteilung .................. 288, 289 Kornverteilungskurve ........................... 292 Kostensituation ..................................... 116 Kraft – endogene (innere) ............................ 24 – exogene (äußere) ............................. 23 Kraftdrehkopf ............... 409, 779, 806, 885 mit Betonierkopf............................... 784 mit Durchgang .................................. 783 ohne Durchgang ............................... 782 Kraftmaschine ...................................... 150 Kraftspülkopf ....................................... 885 Kraftübertragung .................................. 150 Kraftübertragungssystem – diesel-elektrisches ......................... 157 – diesel-hydraulisches ...................... 162 – mechanisches ................................. 156 – vollelektrisches .............................. 161 Kraterbildung ....................... 61, 63, 70, 72 Kreisblattschreiber ............................... 366 Kronenlager .......................................... 189 Kunststoffrohr .................................... 1060 Kupplung .............................................. 172 Kürzungsprogramm .............................. 225
1185
L Langrahmenmaschine......................... 1049 Leistungscharakteristik....................... 1137 Leitung – Nachbettung ................................ 1146 Liner ..................................................... 475 Litze...................................................... 201 Lockergestein ......................................... 43 – Klassifizierung ................................ 56 Low Choke Methode ............................ 537 Lufthebebohrtechnik ............................ 378 Lufthebebohrverfahren ......................... 373 Lufthebepumpe .................................... 373 Lufthebesystem .................................... 375 Lufthebeverfahren ........................ 377, 440 Luftvolumenstrom ................................ 379 M MAASP ................................................ 551 Magtrak-System ................................... 416 Manifold ............................................... 630 Maßnahme – druckseitige ................................... 282 – saugseitige ..................................... 276 Mast ...................................................... 119 Mastausleger ........................................ 902 Mastkonstruktion.................................. 126 MAX STREICHER GmbH – Bohrgerät ....................................... 143 Maxi-HDD-Bohranlage ...................... 1079 Mega-HDD-Anlage ............................ 1081 Mega-HDD-Bohranlage ..................... 1080 Mehrkanalschreiber .............................. 365 Meißel .......................................... 836, 935 Meißelabnutzung .................................. 868 Meißelbelastung ................................... 352 Meißelbestückung ................................ 839 Meißelkonstruktion .............................. 419 Meißelkostenberechnung ..................... 437 Messergebnis – Auswertung ................................... 698 Messgerät ............................................. 657 Messtechnik.............................. 1053, 1065 Messung – erdmagnetische .............................. 697 Methode – volumetrische ............................... 535 Microtunnelbau ........................ 1066, 1067 – Dickstoffförderung ...................... 1070
1186
Sachwortverzeichnis
– Druckluftpolster........................... 1070 – Erddruckstützung......................... 1070 – pneumatische Förderung ............. 1070 – Schneckenförderung .................... 1067 – Spülförderung .................... 1069, 1070 Midi-HDD-Bohranlage....................... 1078 Mineral ................................................. 749 – gesteinsbildendes ............................. 36 Mini-HDD-Bohranlage....................... 1077 Minitunnelverfahren ........................... 1071 Mischanlage........................................ 1132 Mitnehmerstange .................................. 396 Mittelalter ................................................. 7 Mitteltemperatur-Geothermiequelle ... 1002 Mobil-Hydraulikbagger ........................ 770 Mobilseilbagger .................................... 762 Mud Cleaner ......................................... 327 Mud-Motor ............................... 1133, 1134 – Arbeitsweise ................................ 1135 – HDD-Einsatzfeld ......................... 1134 Multi-Frac-Technik .............................. 729 MWD-Antrieb ...................................... 705 N Nachlasseinrichtung ............................. 883 Nachlassvorrichtung – automatische .................................. 184 Navigationstechnik ............................. 1065 Nebenanlage ......................................... 115 Neuzeit...................................................... 7 Niedertemperatur-Geothermiequelle .. 1001 Nietbohrrohr ......................................... 814 Nippelbohrrohr ..................................... 815 Nordmeyer-Verfahren .......................... 941 Normalbohrschnecke ............................ 840 Notfallkoffer ....................................... 1103 O Oberflächeneinkerbung ........................ 869 Offshore-Förderung .............................. 733 Offshore-Bohranlage ............................ 673 Offshore-(Meeres-)Bohrtechnik ........... 669 Offshore-Bohrtechnik ................... 669, 670 Offshore-Bohrung ................................ 679 Offshore-Tiefbohranlage ...................... 685 Ölfeld .................................................... 971 Ölgewinnung ........................................ 740 Ölkatastrophe........................................ 664 Ölreserve .............................................. 728
Ölunfall................................................. 659 Omega Verbinder ................................. 477 Onshore-Bohrtechnik ........................... 689 Onshorebereich..................................... 117 Ortungstechnik ................................... 1126 P Passstück .............................................. 403 Pfahlfuß-Erweiterungsbohrer ............... 851 Pfahlfußverbreiterung........................... 851 pH-Wert .............................................. 1103 Pilot ...................................................... 839 Pilotbohrer ............................................ 836 Pilotbohrung ............................. 1073, 1115 Pilotrohrvortrieb ................................. 1058 Pilotverfahren – dreistufig gesteuertes ................... 1053 – zweistufig gesteuertes.................. 1056 Pilotvortrieb ........................................ 1052 Pipe Handling System ................ 190, 1038 Pipe Handler ............................... 718, 1040 Pipelineverlegung ............................... 1158 Plattform – feste ............................................... 673 – nachgiebige ................................... 675 – schwimmende ................................ 676 Platzbedarf .......................................... 1038 Polysaccharid...................................... 1104 Porendruck ........................................... 589 Power-Pack – hydraulisches ................................. 720 Preventer....................................... 569, 595 – Workoverarbeit.............................. 621 Preventeranordnung ............................. 638 Preventerbacken ................................... 610 – Arretieren ...................................... 614 Preventer-Schließanlage ....................... 625 Primärverrohrung ................................. 806 Primärzementation ................................ 481 Probelauf .............................................. 692 Produktionsrohrtour ............................. 475 Produktionsstrang ................................. 711 Produktionstour .................................... 711 Produktrohr......................................... 1061 Prozessdatenerfassung (PDE)............... 793 Pumpe ........................................... 626, 894 Pumpendruck ................................ 357, 506 Pumpenhubzähler ................................. 358
Sachwortverzeichnis
Q Quarz ...................................................... 36 Quelle ..................................................... 49 R Rammkernbohrverfahren...................... 941 Räumer – diamantbesetzt ............................... 966 – hartmetallbesetzt ............................ 966 Raupen-Hydraulikbagger ..................... 771 Raupenseilbagger ................................. 764 Recyclinganlage ....................... 1093, 1133 Rigfloor ................................................ 718 Rillenbildung .......................................... 68 Ringpreventer ....................................... 615 – Abdrücken ..................................... 655 – Aufbau ........................................... 616 – Funktion ........................................ 616 Ringraum .............................................. 546 Ringraumzementation .......................... 482 Rohrabsetzteufe .................................... 589 Rohrleitungsverlegung – grabenlose.................................... 1146 Rohrmaterial ....................................... 1065 Rohrschuh ............................................ 653 Rohrstrang – Auslegen ...................................... 1125 – Herstellung .................................. 1124 – Positionieren ................................ 1125 Rohrtour ............................................... 474 – technische ...................................... 703 Rohrtour-Liner ..................................... 114 Rohstoffsituation .................................. 997 Rohstoffvorrat ...................................... 997 Rollenbohrwerkzeug ...... 70, 419, 429, 430 Rollenkopf .................................... 777, 779 Rollenmeißel ................ 65, 419, 428, 1118 Rollenmeißel-Flachbohrkopf................ 871 Rollenmeißelkernrohr ........................... 847 Rollenmeißel-Lager .............................. 422 Rotary swivel........................................ 453 Rotarybohren ........................................ 368 Rotary-Bohrverfahren .......... 367, 394, 419 – Bohrstrang ..................................... 394 Rotaryzange .......................................... 195 Rotationseinrichtung ............................ 241 Rotationspreventer ............................... 619 Roundtrip.............................................. 509 Rückflussmessung ................................ 361
1187
S Salzbergbau .......................................... 995 Salzbergwerk ........................................ 753 Salzgehalt ............................................. 504 Salzwasserstabilisat ............................ 1103 Sandfalle ............................................... 314 Sandschiefer ........................................... 34 Sandstein ................................................ 32 Sauergas ............................................... 561 – Kicks ............................................. 561 Saugbohrverfahren ....................... 388, 389 Saugstrahlverfahren.............................. 390 Schachtausbau ...................................... 978 Schachtbauprojekt ................................ 987 Schachtbohrsystem (SBS) .................... 980 Schachtbohrung ............................ 975, 983 Schadensbegrenzung ............................ 664 Schallschutz........................................ 1040 Schaum ................................................. 867 Schichtenbiegung ................................... 39 Schichtenzerreißung ............................... 40 Schichtgestein .................................. 30, 38 – chemisches ...................................... 34 – mechanisches ................................... 31 – organisches ...................................... 34 Schieber – Abdrücken ..................................... 655 Schieferton ............................................. 33 Schlagbohrverfahren ............................ 933 Schlagbohrwerkzeug ............................ 825 Schlagbüchse ........................................ 831 Schlagkopf.......................................... 1117 Schlagschere ......................................... 407 Schlamm ....................................... 417, 706 Schlammbüchse .................................... 831 Schlauchtrommel .................................. 901 Schleifmethode ..................................... 870 Schließanlage ....................................... 625 Schmierung ........................................ 1063 Schneckenabstreifer ............................. 861 Schneckenbohrverfahren ...................... 936 Schneckenförderung ........................... 1067 Schneckenform ..................................... 840 Schneide – feste ................................................. 65 Schneidelement ...................................... 62 Schneidenausbildung – bindiger Boden .............................. 838 – rolliger Boden................................ 837
1188
Sachwortverzeichnis
Schneidkörper – fester ................................................ 65 Schneidschuh ........................................ 819 Schneidschuhbestückung...................... 820 Schraubbohrgestänge............................ 397 Schraubgestänge ................................... 440 Schüttelsieb .................................. 299, 313 Schwerstange ................................ 401, 445 Seil ........................................................ 204 – Ablegereife .................................... 230 Seilarbeit ............................................... 221 Seilaufbau ............................................. 201 Seilbagger ............................................. 760 Seilbohrgreifer ...................................... 826 – mechanischer ................................. 825 Seilendform .......................................... 233 Seilfreifallbohren .................. 933, 934, 935 Seilhebewerk ...................................... 1040 Seilkernrohr .................................. 699, 701 Seilkernrohr-Verfahren ........................ 699 Seilkonstruktion.................................... 200 Seilkürzungsprogramm......................... 218 Seilschlagbohren ...................................... 6 Seilschlagwerk...................................... 892 Seilspulsystem ...................................... 181 Seilverschleiß ....................................... 230 Seilvorschub ......................................... 884 Seilvorschubeinrichtung ....................... 883 Seilzug .................................................. 211 Seismik ................................................. 974 Sekundärverfahren................................ 732 Sekundärzementation ........................... 482 Senkrechtbohren ................................... 707 Separationsanlage ............................... 1093 Shallow Kick ........................................ 565 Sicherheitseinrichtung .......................... 748 Sicherheitstechnik................................. 748 Siebauswahl .......................................... 311 Siebbelag .............................................. 302 Siebbewegung ...................................... 310 Sieben ................................................. 1094 Siebkonstruktion ................................... 299 Siebtyp .................................................. 299 Sinkgeschwindigkeit ............................ 380 Slimhole Bohrung................................. 577 Slip-Type Elevator................................ 187 Snubbing....................................... 567, 570 Soda .................................................... 1103 Solegewinnung ..................................... 751
Sondenbohrung – Verpressung ................................. 1009 Sondenrohr ............................... 1009, 1010 Sondergerät........................................... 812 Sondervermessung................................ 972 Spanen .................................................... 63 Spannkopf............................................. 887 Speichereinrichtung .............................. 748 Sprödbruch ............................................. 71 Spülbohranlage ..................................... 795 Spülbohrgerät ....................................... 795 Spülbohrverfahren .................. 96, 871, 994 – indirektes ....................................... 446 Spülkopf ....................................... 453, 656 Spüllanze ............................................ 1117 Spülpumpe ............................................ 267 – Arbeitsweise .................................. 267 – Aufbau ........................................... 267 Spülschlauch......................................... 656 Spülung......................................... 455, 468 – Beschweren ................................... 533 – beschwerte ..................................... 338 – unbeschwerte ................................. 337 – vergaste.......................................... 500 – verschnittene .................................. 505 Spülungsaufbereitung ........................... 333 Spülungsauslaufrate.............................. 507 Spülungsbestandteil .............................. 462 Spülungsdichte – unzureichende................................ 490 Spülungsentgasung ............................... 342 Spülungskomponente ......................... 1092 Spülungskreislauf ................................. 455 Spülungsmenge .................................... 955 Spülungsmischanlage ......................... 1093 Spülungspumpe .................................... 721 Spülungstank ........................................ 904 Spülungstechnik ................................... 266 Spülungstemperatur .............................. 503 Spülungsumlauf – linksläufiger ................................... 540 Spülungsverlust ............................ 495, 566 Spülungsweg ........................................ 425 Spülungszirkulation .............................. 387 Spülungszusatz ................................... 1112 Stabilisator .................................... 404, 444 Stahlbohrgerüst..................................... 120 Stahlleitungsaustausch........................ 1145 Standrohr .............................................. 111
Sachwortverzeichnis
1189
Startschacht ........................................ 1062 Steigleitung........................................... 656 Steigleitungsdruck ................................ 357 Steilhangunterbohrung ....................... 1148 Steinbruchbetrieb ................................... 91 Steingröße ............................................ 435 Steinkohle ............................................. 971 Steinkohlenlagerstätte – Exploration .................................... 971 Stereo-Photogrammetrie ....................... 972 Steuerstand ........................................... 900 Steuerungstechnik .............................. 1126 Steuerventil........................................... 630 Stopfenzementation .............................. 482 Stoßdämpfer ......................................... 406 Strang – verstopfter...................................... 564 Stranggewicht ....................................... 506 Stratacut-Bohrkrone ............................. 961 Stratacut-Diamantbohrkrone ................ 962 Streichen ................................................. 42 STREICHER Tiefbohranlage ............... 725 Stripper ................................................. 619 Stripping ....................................... 567, 568 Stromaggregat ...................................... 905 Strömungsgeschwindigkeit .................. 380 Supergleitmittel .................................. 1103 Surge-Druck ......................................... 592 Swabdruck ............................................ 592 Synset-Bohrkrone ................................. 961 System – petrothermales ............................. 1032 – pneumatisches ............................... 809
Tiefbohrzement .................................... 485 Tiefe ..................................................... 413 Tiefengeothermie ............................... 1029 Tiefengestein .......................................... 27 Tiefenmesseinrichtung ......................... 903 Tiefloch-Bohrhammer .......................... 862 Tieflochhammerbohrung ...................... 863 Tiefseebohrung – Probleme ....................................... 666 Tonschiefer ............................................. 33 Tonsteindichte ...................................... 507 Top-Drive ........... 250, 260, 409, 719, 1039 – Antrieb........................................... 258 – Anwendungsbereich ...................... 251 – Aufbau ........................................... 253 – Layout ........................................... 263 – portables ........................................ 264 – Vorteile .......................................... 251 Totpumpmethode ................................. 540 – dynamische .................................... 538 Totpumpverfahren – konventionelles ............................. 520 – unkonventionelles ......................... 534 Trägergerät ........................................... 876 Transportsystem ................................. 1088 Transportvorrichtung.......................... 1131 Traveling Block .................................... 189 Triplexpumpe ....................................... 275 – einfach wirkende ........................... 273 Trockenbohrverfahren ............................ 96 Trockenkernrohr ................................... 940 Trümmergestein ..................................... 32 – verfestigtes ...................................... 31
T Tankanlage ........................................... 722 Tank-Füllstand ..................................... 508 Tankstandsanzeige ............................... 658 Tankstandsmessung .............................. 359 Teilfeldsuchbohrung............................. 737 Teilverdrängungsbohrschnecke ............ 852 Tertiärverfahren .................................... 732 Teufe .................................................... 379 Tiefbohranlage ........................... 714, 1034 – Antriebskonzept ............................ 155 – Fa. SATIVA .................................. 147 – Typ VDD 370 ................................ 143 Tiefbohrgeräteindustrie ........................ 132 Tiefbohrtechnik .................................... 416
U Übergang ...................................... 403, 444 Über-Kopf-Totpumpmethode............... 539 Überlagerung .......................................... 42 Überschiebung........................................ 41 Umfangsgeschwindigkeit ..................... 954 Umwandlungsgestein ............................. 35 Umwelttechnik ................................... 1104 Underbalanced Drilling ........................ 581 Unterbau ............................................... 718 Unterbohrung ........................... 1148, 1152 Untersuchung – seismische...................................... 694 Untertage-Blowout ....................... 556, 557 Untertage-Gasspeicherung .................. 745
1190
Sachwortverzeichnis
Untertage-Kavernen-Speicheranlage .... 752 Untertage-Speichertechnik ................... 743 V Ventilschlagbüchse ............................... 934 Verbinder – gasdichter....................................... 477 Verbindungsleitung ............................ 1148 Verbrennungsmotor .............................. 151 Verdrängerpfahlsystem......................... 859 Verdrängungsbohrschnecke ................. 939 Verfahren – gravimetrisches .............................. 697 Verhältnis – ungünstiges geologisches .............. 727 Verkehrsbereich.................................... 111 Verrohrung ................... 455, 473, 806, 813 Verrohrungseinrichtung................ 797, 889 Verrohrungsmaschine – hydraulische........................... 798, 804 Verschiebung .......................................... 41 Verschleißerscheinung – kritische ......................................... 231 Verschraubeinheit ............................... 1039 Verschraubeinrichtung ................. 163, 195 Verschraubmoment............................... 355 Versorgungsvorrichtung ..................... 1131 Vertikal-Flachbohranlage ..................... 927 Vertikalbohrsystem............................... 415 Vertikalbohrtechnik .............................. 973 Vertikalkraft – ohne Drehbewegung ...................... 889 Verwerfung............................................. 40 Vibrationsverfahren .............................. 810 Vollverdrängungsbohrschnecke ........... 855 Vollzementation ................................... 485 Volumenstrom ...................................... 380 Vorschubeinrichtung ............................ 883 Vorschubkraft – erforderliche .................................. 953 Vorschubsystem ................................. 1088 Vortrieb – gesteuerter ................................... 1052 – ungesteuerter ............................... 1051 Vulkangestein ......................................... 28 Vulkanit .................................................. 27
W Walk-Over-Verfahren ........................ 1127 Wärmepumpe – erdgekoppelte .............................. 1005 Wärmespeicher – saisonaler ..................................... 1028 Warnzeichen ......................................... 503 Warte-Methode..................................... 526 Warze ................................................... 424 Wasserdruck ......................................... 866 Wassergefährdungsklassenbereich ....... 106 Wasserkreislauf ...................................... 46 Wasserversorgung .................................. 93 Wattenmeer .......................................... 733 Werkzeug ........................... 393, 439, 1076 – Jungsteinzeit ...................................... 4 WGK-Bereich....................................... 106 Winde ........................................... 781, 893 Wired-Drill-Pipe................................... 418 Wire-Line-Verfahren .......................... 1129 Wirkungsgrad ....................................... 211 – mechanischer ................................. 286 – volumetrischer ............................... 284 Workoverarbeit..................................... 621 Z Zahn ...................................................... 423 Zementation .......................... 455, 481, 560 Zementationskontrolle .......................... 486 Zementationsverfahren ......................... 481 Zentrifuge ................................... 329, 1096 – Spülungsaufbereitung .................... 333 Zentrifugenantrieb ................................ 335 Zentrifugentechnik ............................... 330 Zielschacht.......................................... 1062 Zirkulation – Behinderung .................................. 562 Zugsystem .......................................... 1088 Zusatzausleger ...................................... 779 Zwischenrohrtour ................................. 475 Zylinderhebewerk ............................... 1040