Funktionentheorie 2, Dritte Auflage (Springer-Lehrbuch)

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Springer-Lehrbuch

Grundwissen Mathematik Ebbinghaus et al.: Zahlen Elstrodt: Maß- und Integrationstheorie Hämmerlin† /Hoffmann: Numerische Mathematik Koecher† : Lineare Algebra und analytische Geometrie Lamotke: Riemannsche Flächen Leutbecher: Zahlentheorie Remmert/Schumacher: Funktionentheorie 1 Remmert/Schumacher: Funktionentheorie 2 Walter: Analysis 1 Walter: Analysis 2 Herausgeber der Grundwissen-Bände im Springer-Lehrbuch-Programm sind: F. Hirzebruch, H. Kraft, K. Lamotke, R. Remmert, W. Walter

R. Remmert

G. Schumacher

Funktionentheorie 2 Dritte, neu bearbeitete Auflage Mit 19 Abbildungen

123

Prof. Dr. Reinhold Remmert Mathematisches Institut Universität Münster Einsteinstraße 62 48149 Münster

Prof. Dr. Georg Schumacher Fachbereich Mathematik und Informatik Philipps-Universität Marburg Hans-Meerwein-Straße, Lahnberge 35032 Marburg E-mail: [email protected]

Dieser Band erschien bis zur 2. Auflage als Band 6 der Reihe Grundwissen Mathematik

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Mathematics Subject Classification (2000): 30-01

ISBN 978-3-540-40432-3 Springer Berlin Heidelberg New York ISBN 978-3-540-57052-3 2. Aufl. Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1992, 1995, 2007 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Text und Abbildungen wurden mit größter Sorgfalt erarbeitet. Verlag und Autor können jedoch für eventuell verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen weder eine juristische Verantwortung noch irgendeine Haftung übernehmen. Satz: Datenerstellung durch die Autoren unter Verwendung eines Springer TEX-Makropakets Herstellung: LE-TEX Jelonek, Schmidt & Vöckler GbR, Leipzig Umschlaggestaltung: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier

175/3100/YL - 5 4 3 2 1 0

Vorwort zur dritten Auflage Diese dritte Auflage wurde zusammen mit dem zweitgenannten Autor kritisch durchgesehen, erg¨ anzt und verbessert. Der Band wurde durch ein Kapitel Schlichte Funktionen – Bieberbachsche Vermutung“ erweitert. Ge” genw¨ artig gilt der kurze“ hier aufgenommene Beweis von Weinstein als be” sonders elegant. Herr M. Hikmat, Frau F. Muth, Frau B. Sch¨afer und Frau M. Teubner haben die m¨ uhevolle und komplizierte Erfassung des Textes u ¨bernommen. Allen geb¨ uhrt unser besonderer Dank.

M¨ unster und Marburg, 28. Dezember 2006

Reinhold Remmert Georg Schumacher

Vorwort zur zweiten Auflage Neben Korrekturen von Druckfehlern wurde der Text an drei Stellen wesentlich ge¨ andert. Die Herleitung der Stirlingschen Formel im Kap. 2, §4, folgt konsequenter dem Vorgehen von Stieltjes. Der Beweis des kleinen Picardschen Satzes im Kap. 10, §2, wird im Anschluss an eine Idee von H. K¨ onig gef¨ uhrt. Schließlich wird im Kap. 11, §4, eine Inkorrektheit im Beweis des Szeg¨ oschen Satzes behoben.

Oberwolfach, 3. Oktober 1994

Reinhold Remmert

VI

Vorwort

Vorwort zur ersten Auflage Wer sich mit einer Wissenschaft bekannt machen will, darf nicht nur nach den reifen Fr¨ uchten greifen – er muss sich darum bek¨ ummern, wie und wo sie gewachsen sind (J.C. Poggendorf).

Darstellung der Funktionentheorie mit lebhaften Beziehungen zur geschichtlichen Entwicklung und zu Nachbardisziplinen: Das ist auch das Leitmotiv dieses zweiten Bandes. Der Leser soll Funktionentheorie pers¨onlich erleben und teilhaben am Wirken des schaffenden Mathematikers. Nat¨ urlich lassen sich nicht immer im nachhinein die Ger¨ uste aufstellen, die man zum Bau von Domen braucht, doch sollte ein Lehrbuch nicht Gauss folgen, der sagte, man d¨ urfe einem guten Bauwerke nach seiner Vollendung nicht mehr das Ger¨ uste uge des u berall glatt verputzten Hauses ansehen1 . Bisweilen ist auch das Gef¨ ¨ bloßzulegen. Das Geb¨ aude der Funktionentheorie wurde von Abel, Cauchy, Jacobi, Riemann, Weierstrass errichtet. Daneben haben viele andere wichtige und sch¨ one Beitr¨ age geliefert; es ist nicht nur das Wirken der K¨onige zu schildern, sondern auch das Leben der Edelleute und B¨ urger in den K¨onigreichen. Dadurch wurden die Literaturhinweise sehr umfangreich. Doch scheint das ein geringer Preis. Man kann der studierenden Jugend keinen gr¨oßeren Dienst ” erweisen als wenn man sie zweckm¨ aßig anleitet, sich durch das Studium der Quellen mit den Fortschritten der Wissenschaft bekannt zu machen“ (Brief von Weierstrass an Casorati vom 21. Dez. 1868). Anders als im ersten Band finden sich h¨ aufig Ausblicke auf die Funktionentheorie mehrerer komplexer Ver¨ anderlichen: Damit soll unterstrichen werden, wie eigengesetzlich diese Disziplin geworden ist gegen¨ uber der klassischen Funktionentheorie, aus der sie einst entsprang. Beim Zitieren war ich – wie im ersten Band – bestrebt, vornehmlich Originalarbeiten anzugeben. Ich bitte wiederum um Nachsicht, wenn dieses nicht immer gelungen ist. Die Suche nach dem ersten Auftreten einer neuen Idee, die schnell zu mathematischer Folklore wird, ist h¨aufig m¨ uhsam. Man kennt das Xenion: Allegire der Erste nur falsch, da schreiben ihm zwanzig ” Immer den Irrthum nach, ohne den Text zu besehn.“ Die Stoffauswahl ist konservativ, Schwerpunkte bilden der Produktsatz von Weierstrass, der Satz von Mittag-Leffler, der Riemannsche Abbildungssatz und die Approximationstheorie von Runge. Neben diesen obligatorischen Dingen findet man 1

Vgl. W. Sartorius von Waltershausen: Gauß zum Ged¨ achnis, Hirzel, Leipzig 1856; Nachdruck Martin S¨ andig oHG, Wiesbaden 1965, S. 82

Vorwort

VII

– – – – – –

Eisensteins Beweis der Eulerschen Sinusproduktformel, Wielandts Eindeutigkeitssatz f¨ ur die Gammafunktion, eine intensive Diskussion der Stirlingschen Formel, den Satz von Iss’sa, Besses Beweis, dass alle Gebiete in C Holomorphiegebiete sind, das Lemma von Wedderburn und die Idealtheorie der Ringe holomorpher Funktionen, ¨ – Estermanns Beweis, des Uberkonvergenzsatzes und des Blochschen Satzes, – eine holomorphe Einbettung der Einheitskreisscheibe in den C3 , – Gauss’ Gutachten vom November 1851 u ¨ber Riemanns Dissertation. Es wurde versucht, die Darstellung knapp zu halten. Indessen fragt man sich: Weiß uns der Leser auch f¨ ur unsre K¨ urze Dank? ” Wohl kaum? Denn K¨ urze ward durch Vielheit leider! lang.“

Oberwolfach, 3. Mai 1990

Reinhold Remmert

Gratias ago Es ist nicht m¨ oglich, hier allen, die mir wertvolle Hinweise gaben, namentlich zu danken. Nenne m¨ ochte ich die Herren R.B. Burckel, J. Elstrodt, D. Gaier, W. Kaup, M. Koecher, K. Lamotke, K.-J. Ramspott und P. Ullrich, die kritisch Stellung nahmen. Nennen muß ich auch die Volkswagenstiftung, die durch ein Akademie-Stipendium im Wintersemester 1982/83 die ersten Arbeiten an diesem Buch f¨ orderte. ¨ Dank geb¨ uhrt ferner dem Universit¨ atsarchiv G¨ottingen f¨ ur die Uberlassung der Akten der Philosophischen Fakult¨ at Nr. 135 aus dem Jahre 1851. Mein ganz besonderer Dank geb¨ uhrt Frau S. Terveer und Herrn K. Schl¨ oter. Sie haben bei den Vorarbeiten wertvolle Hilfe geleistet und manche M¨ angel im Text behoben. Beide haben mit gr¨oßter Sorgfalt die letzte Fassung kritisch durchgesehen, Korrekturen gelesen und Verzeichnisse erstellt.

Lesehinweise Die drei Teile dieses Bandes sind weitgehend von einander unabh¨angig. R¨ uckverweise auf den Band Funktionentheorie I“ beziehen sich auf die f¨ unfte Auf” lage 2002, den Zitaten wird eine r¨ omische Eins vorangestellt, z.B. I.4.3.2.

VIII

Vorwort

Auf Abschnitte im Kleindruck wird sp¨ ater kein Bezug genommen; mit * gekennzeichnete Paragraphen bzw. Abschnitte k¨onnen bei erster Lekt¨ ure u ¨bergangen werden. Historisches findet man in der Regel immer im Anschluss ¨ an die eigentlichen mathematischen Uberlegungen. Seitenangaben zu Literaturhinweisen beziehen sich gegebenenfalls auf die Werkeausgaben. Leser, die ¨ altere Literatur suchen, m¨ ogen A. Gutzmers deutschsprachige Umarbeitung von G. Vivantis Theorie der eindeutigen analytischen Funktionen, Teubner 1906, konsultieren. Dort sind 672 Titel (bis 1904) zusammengetragen.

Inhaltsverzeichnis

Teil I Unendliche Produkte und Partialbruchreihen 1

Unendliche Produkte holomorpher Funktionen . . . . . . . . . . . . 3 1.1 Unendliche Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1.1.1 Unendliche Produkte von Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1.1.2 Unendliche Produkte von Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1.2 Normale Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1.2.1 Normale Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1.2.2 Normal konvergente Produkte holomorpher Funktionen 9 1.2.3 Logarithmische Differentiation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 ∞  (1 − z 2 /ν 2 ) . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1.3 Das Sinusprodukt sin πz = πz ν=1

1.3.1 Standardbeweis (mittels logarithmischer Differentiation und der Partialbruchreihe des Cotangens) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.2 Charakterisierung des Sinus durch die Verdopplungsformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.3 Beweis der Eulerschen Formel mit Hilfe von Lemma 1.6 1.3.4 Beweis der Verdopplungsformel f¨ ur das EulerProdukt nach Eisenstein∗ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.5 Historisches zum Sinusprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Eulersche Partitionsprodukte∗ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.1 Partitionen nat¨ urlicher Zahlen und Eulersche Produkte 1.4.2 Pentagonal-Zahlen-Satz. Rekursionsformeln f¨ ur p(n) und σ(n) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ∞  (1 + q ν z) nach z . . . . . . 1.4.3 Potenzreihenentwicklung von

12 14 15 16 18 19 19 21 23

ν=1

1.4.4 Historisches zu Partitionen und zum Pentagonal-Zahlen-Satz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 ∞  2 q ν z ν . 25 1.5 Jacobis Produktdarstellung∗ der Reihe J(z, q) := ν=−∞

1.5.1 Theorem von Jacobi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1.5.2 Diskussion des Jacobischen Theorems . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1.5.3 Historisches zur Jacobischen Identit¨at . . . . . . . . . . . . . . . . 28

X

2

Inhaltsverzeichnis

Die Gammafunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Q 2.1 Die Weierstrasssche Funktion Δ(z)=zeγz (1+z/ν)e−z/ν . . . . . 33 2.1.1 Die Hilfsfunktion H(z) := z

∞ 

ν≥1

(1 + z/ν)e−z/ν . . . . . . . . 33

ν=1

2.1.2 Die Funktion Δ(z) := eγz H(z) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Gammafunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Eigenschaften der Γ -Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Historische Notizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Die logarithmische Ableitung ψ := Γ  /Γ . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Das Eindeutigkeitsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.5 Multiplikationsformeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.6 Satz von H¨ older∗ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.7 Der Logarithmus der Γ -Funktion∗ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eulersche und Hankelsche Integraldarstellung von Γ (z) . . . . . . . 2.3.1 Konvergenz des Eulerschen Integrals . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Der Satz von Euler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Variante des Eulerschen Integrals∗ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4 Das Hankelsche Schleifenintegral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stirlingsche Formel und Gudermannsche Reihe . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Stieltjessche Definition der Funktion μ(z) . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Die Stirlingsche Formel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.3 Wachstum von |Γ (x + iy)| f¨ ur |y| → ∞ . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.4 Gudermannsche Reihe∗ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.5 Stirlingsche Reihe∗ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.6 Feinabsch¨ atzungen des Restgliedes∗ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.7 Binetsches Integral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.8 Lindel¨ ofsche Absch¨ atzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Betafunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.1 Beweis der Eulerschen Identit¨ at . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.2 Klassische Beweise der Eulerschen Identit¨at . . . . . . . . . . .

35 36 37 39 40 41 43 45 45 47 48 49 51 53 55 56 57 60 60 62 64 65 67 68 69 70

Ganze Funktionen zu vorgegebenen Nullstellen . . . . . . . . . . . . 3.1 Weierstraßscher Produktsatz f¨ ur C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Divisoren und Hauptdivisisoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Weierstrass-Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Weierstrass-Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.4 Produktsatz von Weierstrass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.5 Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.6 Historisches zum Produktsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Diskussion des Produktsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Kanonische Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Drei klassische kanonische Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Die σ-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4 Die ℘-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75 76 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 87

2.2

2.3

2.4

2.5

3

Inhaltsverzeichnis

XI

3.2.5 Eine Bemerkung von Hurwitz∗ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 4

Holomorphe Funktionen zu vorgegebenen Nullstellen∗ . . . . . 91 4.1 Produktsatz f¨ ur beliebige Bereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 4.1.1 Konvergenzlemma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 4.1.2 Produktsatz f¨ ur spezielle Divisoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 4.1.3 Allgemeiner Produktsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 4.1.4 Zweiter Beweis des allgemeinen Produktsatzes∗ . . . . . . . 94 4.1.5 Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 4.2 Anwendungen und Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 4.2.1 Teilbarkeit in O(G). Gr¨ oßter gemeinsamer Teiler . . . . . . 96 4.2.2 Beispiele von Weierstrass-Produkten . . . . . . . . . . . . . . 98 4.2.3 Historisches zum allgemeinen Produktsatz . . . . . . . . . . . . 99 4.2.4 Ausblicke auf mehrere Ver¨ anderliche . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 4.3 Beschr¨ ankte Funktionen in E und ihre Divisoren . . . . . . . . . . . . 101 4.3.1 Verallgemeinerung des Schwarzschen Lemmas . . . . . . . . . 101 4.3.2 Notwendigkeit der Blaschke-Bedingung . . . . . . . . . . . . . 102 4.3.3 Blaschke-Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 4.3.4 Beschr¨ ankte Funktionen in der rechten Halbebene . . . . . 104 4.3.5 Anhang zu Paragraph 4.3: Die Jensensche Formel . . . . . 105

5

Satz von Iss’sa. Holomorphiegebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 5.1 Der Satz von Iss’sa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 5.1.1 Satz von Bers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 5.1.2 Satz von Iss’sa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 5.1.3 Beweis von Lemma 5.3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 5.1.4 Historisches zu den S¨ atzen von Bers und Iss’sa . . . . . . 112 5.1.5 Bestimmungen aller Bewertungen∗ von M(G) . . . . . . . . . 113 5.2 Holomorphiegebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 5.2.1 Eine Konstruktion von Goursat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 5.2.2 Gut verteilte Randmengen. Erster Beweis des Existenzsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 5.2.3 Diskussion des Begriffes Holomorphiegebiet . . . . . . . . . . . 118 5.2.4 Randnahe Mengen. Zweiter Beweis des Existenzsatzes . . 120 5.2.5 Historisches zum Begriff des Holomorphiegebietes . . . . . . 121 5.2.6 Ausblick auf mehrere Ver¨ anderliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 5.3 Einfache Beispiele von Holomorphiegebieten . . . . . . . . . . . . . . . . 123 5.3.1 Beispiele f¨ ur E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 5.3.2 Liftungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 5.3.3 Cassini-Bereiche und Holomorphiegebiete . . . . . . . . . . . . 124

6

Funktionen zu vorgegebenen Hauptteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 6.1 Satz von Mittag-Leffler f¨ ur C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 6.1.1 Hauptteil-Verteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 6.1.2 Mittag-Leffler Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

XII

Inhaltsverzeichnis

6.1.3 Satz von Mittag-Leffler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 6.1.4 Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 6.1.5 Kanonische Mittag-Leffler-Reihen. Beispiele . . . . . . . 131 6.1.6 Historisches zum Satz von Mittag-Leffler f¨ ur C . . . . 132 6.2 Satz von Mittag-Leffler f¨ ur beliebige Bereiche . . . . . . . . . . . 133 6.2.1 Spezielle Hauptteil-Verteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 6.2.2 Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 6.2.3 Historisches zum allgemeinen Satz von Mittag-Leffler136 6.2.4 Ausblicke auf mehrere Ver¨ anderliche . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 6.3 Idealtheorie in Ringen holomorpher Funktionen . . . . . . . . . . . . . 138 6.3.1 Nicht endliche erzeugbare Ideale in O(G) . . . . . . . . . . . . . 138 6.3.2 Lemma von Wedderburn (Darstellung der Eins) . . . . . 139 6.3.3 Lineare Darstellung des ggT. Hauptidealsatz . . . . . . . . . . 140 6.3.4 Nullstellenfreie Ideale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 6.3.5 Hauptsatz der Idealtheorie f¨ ur O(G) . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 6.3.6 Historisches zur Idealtheorie holomorpher Funktionen . . 143 6.3.7 Ausblicke auf mehrere Ver¨ anderliche . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Teil II Abbildungstheorie 7

Die S¨ atze von Montel und Vitali . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 7.1 Der Satz von Montel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 7.1.1 Der Satz von Montel f¨ ur Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 7.1.2 Beweis des Satzes von Montel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 7.1.3 Montelsches Konvergenzkriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 7.1.4 Satz von Vitali . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 7.1.5 Punktweise konvergente Folgen holomorpher Funktionen151 7.2 Normale Familien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 7.2.1 Satz von Montel f¨ ur normale Familien . . . . . . . . . . . . . . 152 7.2.2 Diskussion des Montelschen Satzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 7.2.3 Historisches zum Satz von Montel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 7.2.4 Quadrat-integrable Funktionen und normale Familien∗ . 154 7.3 Der Satz von Vitali . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 7.3.1 Konvergenzlemma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 7.3.2 Satz von Vitali (endg¨ ultige Fassung) . . . . . . . . . . . . . . . . 157 7.3.3 Historisches zum Satz von Vitali . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 7.4 Anwendungen des Satzes von Vitali . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 7.4.1 Vertauschung von Integration und Differentiation . . . . . . 159 7.4.2 Kompakte Konvergenz des Γ -Integrals . . . . . . . . . . . . . . . 160 7.4.3 Satz von M¨ untz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 7.5 Folgerungen aus einem Satz von Hurwitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

Inhaltsverzeichnis

8

XIII

Der Riemannsche Abbildungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 8.1 Integrals¨ atze f¨ ur homotope Wege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 8.1.1 Homotope Wege bei festen Endpunkten . . . . . . . . . . . . . . 166 8.1.2 Frei homotope geschlossene Wege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 8.1.3 Nullhomotopie und Nullhomologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 8.1.4 Einfach zusammenh¨ angende Gebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 8.1.5 Reduktion des Integralsatzes 8.1 auf ein Lemma∗ . . . . . . 171 8.1.6 Beweis von Lemma 8.9∗ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 8.2 Der Riemannsche Abbildungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 8.2.1 Reduktion auf Q-Gebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 8.2.2 Existenz holomorpher Injektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 8.2.3 Existenz von Dehnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 8.2.4 Existenzbeweis mittels eines Extremalprinzips . . . . . . . . . 177 8.2.5 Zur Eindeutigkeit der Abbildungsfunktion . . . . . . . . . . . . 178 ¨ 8.2.6 Aquivalenztheorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 8.3 Zur Geschichte des Riemannschen Abbildungssatzes . . . . . . . . . 180 8.3.1 Riemanns Dissertation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 8.3.2 Fr¨ uhgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 ´ordory-Koebe zu Feje ´r-Riesz . . . . . . . 183 8.3.3 Von Carathe ´odory . . . . . . . . . . . . . . . 184 8.3.4 Der finale Beweis von Carathe 8.3.5 Historisches zur Eindeutigkeit und zum Randverhalten . 185 8.3.6 Ausblick auf mehrere Ver¨ anderliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 8.4 Isotropiegruppen einfach zusammenh¨angender Gebiete . . . . . . . 187 8.4.1 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 ur einfach zusammenh¨angende 8.4.2 Die Gruppe Auta G f¨ Gebiete G = C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 8.4.3 Abbildungsradius, Monotoniesatz∗ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 8.5 Einfache Eigenschaften von Dehnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 8.5.1 Dehnungslemma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 8.5.2 Zul¨ assige Dehnungen. Quadratwurzelverfahren . . . . . . . . 191 8.5.3 Die Mondsichel-Dehnung∗ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 ´odory-Koebe-Algorithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 8.6 Der Carathe 8.6.1 Eigenschaften von Dehnungsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 8.6.2 Konvergenzsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 8.6.3 Koebe-Familien und Koebe-Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 8.6.4 Res¨ umee, Konvergenzg¨ ute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 ´odory 8.6.5 Historisches: Der Wettstreit zwischen Carathe und Koebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 8.7 Die Koebe-Familien Km und K∞ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 8.7.1 Ein Lemma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 8.7.2 Die Familien Km und K∞ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

XIV

9

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Automorphismen und endliche innere Abbildungen . . . . . . . . 201 9.1 Innere Abbildungen und Automorphismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 9.1.1 Konvergente Folgen in Hol G und Aut G . . . . . . . . . . . . 202 9.1.2 Konvergenzsatz f¨ ur Folgen von Automorphismen . . . . . . 203 9.1.3 Beschr¨ ankte homogene Gebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 9.1.4 Innere Abbildungen von H und Homothetien∗ . . . . . . . . . 204 9.2 Iteration innerer Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 9.2.1 Elementare Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 9.2.2 Satz von H. Cartan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 ur beschr¨ankte Gebiete . . . . . . . . . . 207 9.2.3 Die Gruppe Auta G f¨ 9.2.4 Die abgeschlossenen Untergruppen der Kreisgruppe . . . . 208 9.2.5 Automorphismen von Gebieten mit L¨ochern. Ringsatz∗ . 208 9.3 Endliche holomorphe Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 9.3.1 Drei allgemeine Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 9.3.2 Endliche innere Abbildungen von E . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 9.3.3 Randlemma f¨ ur Kreisringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 9.3.4 Endliche innere Abbildungen von Kreisringen . . . . . . . . . 213 9.3.5 Bestimmung aller endlichen Abbildungen zwischen Kreisringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 ´ . Abbildungssgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 9.4 Satz von Rado ¨ 9.4.1 Abgeschlossene Abbildungen. Aquivalenzsatz . . . . . . . . . . 216 9.4.2 Windungsabbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 ´ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 9.4.3 Satz von Rado 9.4.4 Abbildungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 9.4.5 Ausblicke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

Teil III Selecta 10 S¨ atze von Bloch, Picard und Schottky . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 10.1 Satz von Bloch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 10.1.1 Beweisvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 10.1.2 Beweis des Satzes von Bloch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 10.1.3 Verbesserung der Schranke durch L¨osen eines Extremalproblems∗ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 10.1.4 Satz von Ahlfors∗ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 10.1.5 Landaus Weltkonstanten∗ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 10.2 Kleiner Satz von Picard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 10.2.1 Darstellung von Funktionen, die zwei Werte auslassen . . 231 10.2.2 Beweis des kleinen Picardschen Satzes . . . . . . . . . . . . . . . 233 10.2.3 Zwei Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 10.3 Satz von Schottky und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 10.3.1 Beweis des Schottkyschen Satzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 10.3.2 Landaus Versch¨ arfung des kleinen Picardschen Satzes . . 237 10.3.3 Versch¨ arfung der S¨ atze von Montel und Vitali . . . . . . . . . 237

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XV

10.4 Großer Satz von Picard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 10.4.1 Beweis des großen Picardschen Satzes . . . . . . . . . . . . . . . . 239 10.4.2 Historisches zu den S¨ atzen dieses Kapitels . . . . . . . . . . . . 239 11 Randverhalten von Potenzreihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 11.1 Konvergenz auf dem Rand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 11.1.1 S¨ atze von Fatou, M. Riesz und Ostrowski . . . . . . . . . . . . . 242 11.1.2 Ein Lemma von M. Riesz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 11.1.3 Beweis der S¨ atze aus 11.1.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 11.1.4 Ein Kriterium f¨ ur Nichtfortsetzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . 246 ¨ 11.2 Theorie der Uberkonvergenz. L¨ uckensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 ¨ 11.2.1 Uberkonvergente Potenzreihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 ¨ 11.2.2 Uberkonvergenzsatz von Ostrowski . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 11.2.3 L¨ uckensatz von Hadamard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 11.2.4 Porters Konstruktion u ¨berkonvergenter Reihen . . . . . . . . 250 11.2.5 Historisches zum L¨ uckensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 ¨ 11.2.6 Historisches zur Uberkonvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 11.2.7 Ausblicke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 11.3 Ein Satz von Fatou-Hurwitz-P´ olya . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 11.3.1 Der Hurwitzsche Beweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 11.3.2 Ausblicke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 11.4 Ein Fortsetzungssatz von Szeg¨ o . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 11.4.1 Vorbereitungen zum Beweis von (Sz) . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 11.4.2 Beweis von (Sz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 11.4.3 Eine Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 11.4.4 Ausblicke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 12 Runge-Theorie f¨ ur Kompakta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 12.1 Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 12.1.1 Cauchysche Integralformel f¨ ur Kompakta . . . . . . . . . . . . . 264 12.1.2 Approximation durch rationale Funktionen . . . . . . . . . . . 266 12.1.3 Polstellenverschiebungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 12.2 Runge-Theorie f¨ ur Kompakta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 12.2.1 Approximationss¨ atze von Runge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 12.2.2 Folgerungen aus dem kleinen Satz von Runge . . . . . . . . . 271 12.2.3 Hauptsatz der Runge-Theorie f¨ ur Kompakta . . . . . . . . . . 272 12.3 Anwendungen des kleinen Satzes von Runge . . . . . . . . . . . . . . . . 274 12.3.1 Punktweise konvergente Polynomfolgen, die nicht u ¨berall kompakt konvergieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 12.3.2 Holomorphe Einbettung des Einheitskreises in den C3 . . 277 12.4 Diskussion der Cauchyschen Integralformel f¨ ur Kompakta . . . . 279 12.4.1 Finale Form von Satz 12.4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 12.4.2 Umlaufungssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281

XVI

Inhaltsverzeichnis

13 Runge-Theorie f¨ ur Bereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 13.1 Die Rungeschen S¨ atze f¨ ur Bereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 13.1.1 Auff¨ ullung von Kompakta. Runges Beweis des Satzes von Mittag-Leffler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 13.1.2 Approximationss¨ atze von Runge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 13.1.3 Hauptsatz der Cauchyschen Funktionentheorie . . . . . . . . 288 13.1.4 Zur Theorie der L¨ ocher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 13.1.5 Historisches zur Runge-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 13.2 Rungesche Paare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 13.2.1 Topologische Charakterisierung Rungescher Paare . . . . . 291 13.2.2 Rungesche H¨ ullen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 13.2.3 Homologische Charakterisierung Rungescher H¨ ullen. Satz von Behnke-Stein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 13.2.4 Rungesche Bereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 13.2.5 Approximation und holomorphe Fortsetzbarkeit . . . . . . . 295 13.3 Holomorph-konvexe H¨ ullen und Rungesche Paare . . . . . . . . . . . . 296 13.3.1 Eigenschaften des H¨ ullenoperators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 13.3.2 Charakterisierung Rungescher Paare mittels holomorph-konvexer H¨ ullen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 13.4 Anhang: Komponenten lokal kompakter R¨aume. Satz von ˇ Sura-Bura . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 13.4.1 Komponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 13.4.2 Existenz offener Kompakta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 13.4.3 Auff¨ ullungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 ˇ 13.4.4 Beweis des Satzes von Sura-Bura . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 14 Invarianz der L¨ ocherzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 14.1 Homologietheorie. Trennungslemma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 14.1.1 Homologiegruppen. Betti-Zahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 14.1.2 Induzierte Homomorphismen. Nat¨ urliche Eigenschaften 305 14.1.3 Trennung von L¨ ochern durch geschlossene Wege . . . . . . . 306 14.2 Invarianz der L¨ ocherzahl. Produktsatz f¨ ur Einheiten . . . . . . . . . 307 14.2.1 Zur Struktur der Homologiegruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 14.2.2 L¨ ocherzahl und Betti-Zahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 14.2.3 Normalformen mehrfach zusammenh¨angender Gebiete . . 310 14.2.4 Zur Struktur der multiplikativen Gruppe O(G)× . . . . . . 310 14.2.5 Produktsatz f¨ ur Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 14.2.6 Ausblicke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 15 Schlichte Funktionen. Bieberbachsche Vermutung . . . . . . . . . . 313 15.1 Schlichte Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 15.1.1 Die Koebe-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 15.1.2 Elementare Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 15.1.3 Die Klassen Σ und Σ  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317

Inhaltsverzeichnis

XVII

15.1.4 Der Satz von Bieberbach und die Bieberbachsche Vermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 15.1.5 Die Milin-Vermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 15.1.6 Weitere Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 15.2 L¨ owner-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 15.2.1 Normalit¨ at und Abgeschlossenheit der Familie S . . . . . . 327 15.2.2 Der Carath´eodorysche Konvergenzsatz . . . . . . . . . . . . . . . 328 15.2.3 Dichte Teilfamilien von S . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 15.2.4 L¨ owner-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 15.3 Beweis der Bieberbachschen Vermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 15.3.1 Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 15.3.2 Konstruktion der erzeugenden Funktionen gn (t) . . . . . . . 339 15.3.3 Beweis von Λnk (t) ≥ 0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 15.4 Historisches zur Bieberbach-Vermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 16 Kurzbiographien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 Symbolverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 Namensverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375

Teil I

Unendliche Produkte und Partialbruchreihen

1. Unendliche Produkte holomorpher Funktionen

Allgemeine S¨ atze u ¨ber die Convergenz der unendlichen Producte sind zum großen Theile bekannt. (Weierstraß 1854).

Unendliche Produkte traten erstmals 1579 bei F. Vieta auf, Opera, S. 400, Leyden 1646; er gab f¨ ur die Kreiszahl π die Formel         1 1 1 1 1 1 1 1 1 2 = · + · + + · ... π 2 2 2 2 2 2 2 2 2 an, (vgl. [280], S. 104 u. S. 118). J. Wallis fand 1655, Arithmetica infinitorum, Opera I, S. 468, das ber¨ uhmte Produkt 2·2 4·4 6·6 2n · 2n π = · · · ... · · ..., 2 1·3 3·5 5·7 (2n − 1) · (2n + 1) (vgl.[280], S. 104 u. S. 119). Aber erst L. Euler hat systematisch mit unendlichen Produkten gearbeitet und wichtige Produktentwicklungen aufgestellt; vgl. Kapitel 9 seiner Introductio. Die ersten Konvergenzkriterien r¨ uhren von Cauchy her, Cours d’Analyse, S. 562 ff. Ihren festen Platz in der Analysis fanden unendliche Produkte sp¨ atestens 1854 durch Weierstrass, [275, S. 172 ff.]1 Ein Ziel dieses Kapitels ist die Herleitung und Diskussion des Eulerschen Produktes ∞ z2 (1 − 2 ) sin πz = πz ν ν=1 f¨ ur die Sinusfunktion, wir geben im Paragraphen 3 1.3 zwei Beweise. 1

Bereits 1847 hat Eisenstein in seiner lange vergessenen Arbeit [58] konsequent unendliche Produkte benutzt. Er operiert auch mit bedingt konvergenten Produkten (und Reihen) und diskutiert sorgf¨ altig die damals nur wenig bekannte Problematik der bedingten und absoluten Konvergenz; er sagt aber nichts zu Fragen der kompakten Konvergenz. So werden unendliche Produkte bedenkenlos logarithmiert und unendliche Reihen ohne weiteres gliedweise differenziert; diese Sorglosigkeit mag vielleicht erkl¨ aren, warum Weierstrass die Eisensteinsche Arbeit nirgends zitiert.

4

1 Unendliche Produkte holomorpher Funktionen

Da unendliche Produkte in der Lehrbuchliteratur zur Infinitesimalrechnung in geringerem Umfange behandelt werden, stellen wir im Paragraphen 1.1 zun¨ achst grundlegende Fakten u ¨ber unendliche Produkte von Zahlen und holomorphen Funktionen zusammen. Im Paragraphen 1.2 werden normal kon vergente unendliche Produkte fν von Funktionen untersucht, insbesondere wird der wichtige Satz u ¨ber die logarithmische Differentiation von Produkten hergeleitet.

1.1 Unendliche Produkte Wir betrachten vorab unendliche Produkte von Folgen komplexer Zahlen. Im zweiten Abschnitt wird das N¨ otigste zur Theorie der kompakt konvergenten Produkte von Funktionen gesagt. Eine detaillierte Diskussion unendlicher Produkte findet man bei [140]. 1.1.1 Unendliche Produkte

von Zahlen. Ist (aν )ν≥k eine Folge komple n  xer Zahlen, so heißt die Folge aν der Partialprodukte ein (unendν=k

n≥k

∞   liches) Produkt mit den Faktoren aν . Man schreibt aν oder aν oder ν=k ν≥k  einfach aν ; im allgemeinen ist k = 0 oder k = 1.  W¨ urde man nun – analog wie bei Reihen – ein Produkt aν konvergent nennen, wenn die Folge der Partialprodukte einen Limes a hat, so erg¨aben sich unerw¨ unschte Pathologien: zum einen w¨ are ein Produkt bereits konvergent mitWert 0, wenn nur ein einziges Folgenglied aν Null w¨are; zum anderen k¨ onnte aν Null werden auch dann, wenn kein einziger Faktor Null ist (z.B. wenn stets |aν | ≤ q < 1). Man wird also Vorsichtsmaßnahmen gegen Nullfaktoren und Nullkonvergenz treffen. Man f¨ uhrt die Partialprodukte

pm,n := am am+1 · . . . · an =

n

aν , k ≤ m ≤ n,

ν=m

 ein und nennt das Produkt aν konvergent, wenn es einen Index m gibt, am = 0 hat. Man nennt dann a := so daß die Folge (pm,n )n≥m einen Limes am den Wert des Produktes und schreibt suggestiv: ak ak+1 · . . . · am−1 aν := ak ak+1 · . . . · am−1 am = a. Die Zahl a ist unabh¨ angig vom Index m: wegen am = 0 gilt an = 0 f¨ ur alle n ≥ m, daher hat auch f¨ ur jedes feste l > m die Folge al = 0, und es gilt a = ak ak+1 · . . . · al−1 al . (pl,n )n≥l einen Limes – Nicht konvergente Produkte heißen divergent. Man zeigt sofort:

1.1 Unendliche Produkte

5



Ein Produkt aν ist genau dann konvergent, wenn nur endlich viele Faktoren Null sind, und wenn die mit allen von Null verschiedenen Gliedern gebildete Partialproduktfolge einen Limes = 0 hat. Durch die getroffenen Einschr¨ ankungen wird die Sonderrolle der Null optimal ber¨ ucksichtigt. Wie f¨ ur endliche Produkte gilt (per definitionem): Ein konvergentes Produkt Faktor aν Null ist.



aν ist Null genau dann, wenn wenigstens ein

Wir notieren weiter: ∞ 

Falls

aν konvergiert, so existiert an :=

∞ 

aν f¨ ur alle n ∈ N. Es gilt

ν=n

ν=0

lim an = 1 und lim an = 1.

 an = a/p0,n−1 . Beweis. Wir d¨ urfen a := aν = 0 annehmen. Dann gilt an = 1. Die Gleichung lim an = 1 gilt, da stets Wegen lim p0,n−1 = a folgt lim an / an+1 .  an = 0 und an = Beispiele. a) Sei a0 := 0, aν := 1 f¨ ur ν ≥ 1. Es gilt



aν = 0.

b) Sei aν := 1 − 1/ν 2 , ν ≥ 2. Es gilt p2,n = 12 (1 + n1 ), also

 ν≥2

aν = 12 .

c) Sei  aν := 1−1/ν, ν ≥ 2. Es gilt p2,n = 1/n, also lim p2,n = 0. Das Produkt aν ist divergent (da kein Faktor verschwindet), wenngleich lim an = 1. ν≥2

In 4.3.2 ben¨ otigen wir folgende Verallgemeinerung von c):  d) Es sei a0 , a1 , a2 , . . . eine Folge reeller Zahlen mit an ≥ 0 und (1 − aν ) n  = +∞. Dann gilt lim aν = 0. ν=0 n n   Beweis. Es gilt 0 ≤ p0,n = aν ≤ exp[− (1 − aν )], n ∈ N da t ≤ et−1 f¨ ur 0 0   alle t ∈ R. Wegen (1 − aν ) = +∞ folgt lim p0,n = 0.

Es ist nicht sinnvoll, in Analogie zu Reihen den  Begriff der absoluten Konvergenz einzuf¨ u hren. W¨ u rde man ein Produkt aν absolut konvergent nennen,  so w¨ urde Konvergenz stets absolute Konvergenz imwenn |aν | konvergiert,  plizieren, hingegen w¨ are (−1)ν absolut konvergent, aber nicht konvergent! – Die erste umfassende Darstellung der Konvergenztheorie unendlicher Produkte gab 1889 A. Pringsheim, vgl. [218].

6

1 Unendliche Produkte holomorpher Funktionen

Aufgabe. ∞  ν 3 −1 2 a) ν 3 +1 = 3 , b)

ν=2 ∞  ν=2

cos 2πν =

∞  ν=2

2 π

ν+(−1)ν+1 ν

= 1,

(Vieta-Produkt).

1.1.2 Unendliche Produkte von Funktionen. Es bezeichnet X einen lokal-kompakten metrischen Raum. Bekanntlich stimmen f¨ ur solche R¨aume die Begriffe der kompakten Konvergenz und der lokal gleichm¨aßigen Konvergenz u ur eine Folge fν ∈ C(X) von ¨berein, vgl. I.3.1.3. F¨  in X stetigen Funktionen mit Werten in C heißt das (unendliche) Produkt fν kompakt konvergent in X, wenn es zu jedem Kompaktum K in X einen Index m = m(K) gibt, so aßig gegen eine in dass die Folge pm,n := fm fm+1 · . . .· fn , n ≥ m, in K gleichm¨ K nullstellenfreie Funktion fm konvergiert. F¨ ur jeden Punkt x ∈ X existiert dann f (x) := fν (x) ∈ C im Sinne von Abschnitt 1; wir nennen die Funktion f : X → C den Limes des Produktes und schreiben f= fν ; auf K gilt dann f |K = (f0 |K) · . . . · (fm−1 |K) · f m . Es folgt unmittelbar (mit dem Stetigkeitssatz I.3.1.2):  a) Konvergiert fν in X kompakt gegen f , so ist f stetig in X, und die Folge fν konvergiert in X kompakt gegen 1.    gν konvergiert auch fν gν kompakt in X: b) Mit fν und

  fν gν = gν . fν Vorrangig interessiert uns der Fall, dass X ein Gebiet in C ist, und dass alle Funktionen fν holomorph sind. Dann ist klar auf Grund des Weierstraßschen Konvergenzsatzes (vgl. I.8.4.1):  c) Jedes in einem Gebiet G in C kompakt konvergente Produkt fν von in G holomorphen Funktionen fν hat einen in G holomorphen Limes f . Beispiele.



2z 2z 1+ , ν ≥ 1 , sind holo2ν − 1 2ν + 1 morph im Einheitskreis E. Es gilt 

−1

2z 2 2 1+ p2,n = 1 + z ∈ O(E), also lim p2,n = 1 + z, 3 2n + 1 3

a) Die Funktionen fν := 1 +

das Produkt

∞  ν=1

fν konvergiert daher in E kompakt gegen 1 + 2z.

1.2 Normale Konvergenz

7

b) Sei fν (z) ≡ z f¨ ur alle ν ≥ 0. Im Einheitskreis E konvergiert das Produkt ∞  fν nicht (nicht einmal punktweise), denn pm,n = z n−m+1 ist f¨ ur jedes ν=0

m eine Nullfolge. Wir notieren ein wichtiges hinreichendes Konvergenzkriterium 1.1. Es sei fν ∈ C (X), ν ≥ 0. Es gebe ein m ∈ N, so dass jede Funktion  fν , ν ≥ m, einen Logarithmus log fν ∈ C (X) hat. Konvergiert dann ν≥m log fν in X kompakt gegen s ∈ C(X), so konvergiert  fν in X kompakt gegen f0 f1 · . . . · fm−1 exp s. n Beweis. Da die Folge sn := ν=m n log fν in X kompakt gegen s konvergiert, so konvergiert die Folge pm,n = ν=m fν = exp sn in X kompakt gegen exp s.  Da exp s nullstellenfrei ist, folgt die Behauptung.2

1.2 Normale Konvergenz F¨ ur Anwendungen ist das Konvergenzkriterium 1.1 kaum geeignet, weil aus ¨ Logarithmen gebildete Reihen i.a. schwierig zu handhaben sind. Uberdies ben¨ otigt man – in Analogie zu unendlichen Reihen – ein Kriterium, das die kompakte Konvergenz aller Teilprodukte und aller umgeordneten Produkte garantiert. Hier erweist sich wiederum wie bei Reihen die normale Konvergenz“ ” der kompakten Konvergenz“ u ¨berlegen. Wir erinnern an diesen Konvergenz” begriff f¨ ur Reihen,  wobei wir den Raum X wieder als lokal-kompakt annehmen: dann ist fν , fν ∈ C , normal konvergent in X genau dann, wenn  ur jedes Kompaktum K ⊂ X (vgl. Abschnitt I.3.3.2). Normal |fν |K < ∞ f¨ konvergente Reihen sind kompakt konvergent; normale Konvergenz bleibt er¨ halten bei Ubergang zu Teilreihen und bei beliebiger Gliederumordnung (vgl. Satz I.3.3.1).  Wir schreiben die Faktoren eines Produktes fν oft in der Form fν = ; nach 1.2.1 a) ist dann g eine kompakt konvergente Nullfolge, falls 1 + g ν ν  fν kompakt konvergiert.  1.2.1 Normale Konvergenz. Ein Produkt  fν mit fν = 1 + gν ∈ C(X) heißt normal konvergent in X, wenn die Reihe gν in X normal konvergiert. Manu ¨berlegt sich sofort: fν normal konvergent in X, so konvergiert Ist ν≥0

– f¨ ur jede Bijektion τ : N → N das Produkt  fνj normal in X, – jedes Teilprodukt



fτ (ν) normal in X,

ν≥0

j≥0

2

Den einfachen Beweis daf¨ ur, daß kompakte Konvergenz von sn gegen s kompakte Konvergenz von exp sn gegen exp s impliziert, findet man in I.5.4.3 (F).

8



1 Unendliche Produkte holomorpher Funktionen

das Produkt



fν kompakt in X.

Wir werden sehen, dass der Begriff der normalen Konvergenz ein guter Konvergenzbegriff ist. Zun¨ achst ist nicht einmal klar, dass normal konvergente Produkte u uber hinaus: ¨berhaupt einen Limes haben. Wir zeigen sofort dar¨  Umordnungssatz 1.2. Es sei ν≥0 fν normal konvergent in X. Dann gibt es eine Funktion f :  X → C, so dass f¨ ur jede Bijektion τ : N → N das fτ (ν) in X kompakt gegen f konvergiert. umgeordnete Produkt ν≥0



Beweis. F¨ ur w ∈ E gilt: log(1 + w) =

ν≥1

(−1)ν−1 ν w . ν

Es folgt:

| log(1+w)| ≤ |w|(1+|w|+|w|2 +. . . ), also | log(1+w)| ≤ 2|w|, falls |w| ≤

1 . 2

Sei nun K ⊂ X irgendein Kompaktum und gn = fn − 1. Es gibt ein m ∈ N, ur alle diese n folgt: so dass f¨ ur n ≥ m gilt: |gn |K ≤ 12 . F¨ log fn =

 (−1)ν−1 gnν ∈ C (K), | log fn |K ≤ 2|gn |K . ν

ν≥1

Wir sehen



| log fν |K ≤ 2

ν≥m



|gν |K < ∞. Nach dem Umordnungssatz f¨ ur

ν≥m

Reihen (vgl. I.0.4.3) konvergiert daher f¨ ur jede Bijektion σ von  Nm := {n ∈  log fσ(ν) in K gleichm¨aßig gegen log fν , daher N : n ≥ m} die Reihe ν≥m ν≥m   fσ(ν) und fν in konvergieren nach (1.1.2) f¨ ur solche σ die Produkte ν≥m

ν≥m

K gleichm¨ aßig gegen dieselbe Grenzfunktion. Da sich eine beliebige Bijektion τ von N (= Permutation von N) nur um endlich viele Transpositionen (welche nichts an der Konvergenz ¨ andern) von einer Permutation σ  : N → N mit folgt die Existenz einer Funktion f : X → C, so σ  (Nm ) = Nm unterscheidet,  fσ(ν) in X kompakt gegen f konvergiert.  dass jedes Produkt ν≥0

Korollar 1.3. Sei f =



fν normal konvergent in X. Dann folgt:

ν≥0

 1) Jedes Produkt f n := fν konvergiert normal in X, es gilt: ν≥0

f = f0 f1 · . . . · fn−1 f n ∞

2) Ist N = ∪ Nκ eine (endliche oder unendliche) Zerlegung von N paarweise 1  disjunkte Teilmengen N1 , . . . , Nκ , . . . so konvergiert jedes Produkt fν ν∈Nκ

normal in X, es gilt: f=

∞ κ=1





ν∈Nκ

 fν

.

1.2 Normale Konvergenz

9

Produkte onnen kompakt konvergieren, ohne normal konvergent zu sein,  k¨ (1+gν ), gν := (−1)ν−1 /ν, zeigt: Es gilt stets (1+g2ν−1 )(1+g2ν ) = wie z.B. ν≥1

ur gerades und p1,n = 1 + 1/n f¨ ur ungerades n. Das Produkt 1, also p1,n = 1 f¨ (1 + gν ) konvergiert daher kompakt in C gegen 1. In diesem Beispiel ist ν≥1  (1 + g2 ν−1 ) nicht mehr konvergent! das Teilprodukt ν≥1

In allen sp¨ ateren Anwendungen (Sinusprodukt, Jacobisches Tripel-Produkt, Weierstraßsche Faktorielle, allgemeine Weierstrass-Produkte) werden wir stets normal konvergente Produkte vorfinden. Aufgaben.

Q Q 1) Man beweise: Sind die Produkte fν und gν in X normal konvergent, so Q konvergiert auch das Produkt (fν gν ) normal in X. 2) Zeigen Sie, dass die folgenden Produkte im Einheitskreis E normal konvergieren, und beweisen Sie die Identit¨ aten ” Y“ Y 1 ν−1 2ν (1 + z ν )(1 − z 2 (1 + z ) = ) = 1. , 1−z ν≥0

ν≥1

1.2.2 Normal konvergente Produkte holomorpher Funktionen. Die Nullstellenmenge N (f ) jeder in G holomorphen Funktion f = 0 ist lokal endlich in G und somit eine h¨ ochstens abz¨ ahlbare unendliche Menge (vgl. I.8.1.3). F¨ ur endlich viele Funktionen f0 , f1 · . . . · fn ∈ O(G), fν = 0, gilt N (f0 · f1 · . . . · fn ) =

n 

N (fν ) und oc (f0 · f1 · . . . · fn ) =

0

n 

oc (fν ), c ∈ G,

0

ur unwobei oc (f ) die Nullstellenordnung von f in c bezeichnet (I.8.1.4). F¨ endliche Produkte folgt  Satz 1.4. Es sei f = fν , fν = 0, ein in G normal konvergentes Produkt von in G holomorphen Funktionen. Dann gilt   f = 0, N (f ) = N (fν ), oc (f ) = oc (fν ) f¨ ur alle c ∈ G.  Beweis. Sei c ∈ G fixiert. Da f (c) = fν (c) konvergiert, gibt es einen Index ur alle ν ≥ n. Nach Korollar 1.3 gilt f = f0 · f1 · n, so dass fν (c) = 0 f¨  . . . · fn−1 · f n , wobei f n := fν ∈ O(G) nach dem Weierstrassschen ν≥n

Konvergenzsatz. Es folgt oc (f ) =

n−1 

oc (fν ) + oc (f n ) mit oc (f n ) = 0 (da (f n )(c) = 0).

0

Damit ist die Summenregel f¨ ur unendliche Produkte bewiesen. Speziell gilt N (f ) = N (fν ). Wegen fν = 0 ist jede Menge N (fν ) und daher auch ihre abz¨ ahlbare Vereinigung N (f ) abz¨ ahlbar, womit auch f = 0 folgt. 

10

1 Unendliche Produkte holomorpher Funktionen

Bemerkung. Der Satz gilt bereits, falls die Konvergenz des Produktes in G nur kompakt ist. Der Beweis bleibt ortlich richtig, denn es ist leicht einzusehen, dass Q w¨ fν in G kompakt konvergiert. jedes Restprodukt“ fbn = ” ν≥n

Im n¨ achsten  Abschnitt ben¨ otigen wir: Ist f = fν , fν ∈ O(G), normal konvergent in G, so konvergiert die  Folge f n = fν ∈ O(G) in G kompakt gegen 1. ν≥n

Beweis. Es sei f m = 0. Dann ist A := N (f m ) lokal endlich in G. Alle Partialprodukte Pm,n−1 ∈ O(G), n > m, sind nullstellenfrei in G\A, es gilt f n (z) = f m (z) · (1/pm,n−1 (z)) f¨ ur alle z ∈ G\A. Nun konvergiert die Folge 1/pm,n−1 in G\A kompakt gegen 1/f m . Daher konvergiert die Folge f n ∈ G\A kompakt gegen 1. Nach dem versch¨arften Konvergenzsatz von Weierstrass (vgl. I.8.5.4) konvergiert diese Folge dann auch in G kompakt gegen 1.  Aufgabe.

Zeigen Sie, dass =

∞ Q ν=1

cos

z 2ν

in C normal konvergiert. Bestimmen Sie

N (f ). Zeigen Sie, dass es zu jedem k ∈ N\{0} eine Nullstelle k-ter Ordnung von f gibt, und unter Benutzung des Sinusproduktes aus (1.2) dass gilt: ∞ Y ν=1

cos

« ∞ „ Y 2ν − 1 z z . = sin 2ν z 2ν − 1 ν=1

1.2.3 Logarithmische Differentiation. Die logarithmische Ableitung einer meromorphen Funktion h ∈ M(G), h = 0, ist per definitionem die Funktion h /h ∈ M(G) (vgl. hierzu I.9.3.1), wo der Fall von nullstellenfreien holomorphen Funktionen diskutiert wird). F¨ ur endliche Produkte h = h1 h2 · . . . · hm , hμ ∈ M(G) gilt: Summenformel: h /h = h1 /h1 + h2 /h2 + · · · + hm /hm . Diese Formel u agt sich auf unendliche Produkte holomorpher Funktio¨bertr¨ nen.  Differentiationssatz 1.5. Es sei f = fνein in G normal konvergentes Produkt holomorpher Funktionen. Dann ist fν /fν eine in G normal konvergente Reihe meromorpher Funktionen, und es gilt:  fν /fν ∈ M(G). f  /f =

1.2 Normale Konvergenz

11

Beweis. 1) F¨ ur alle n ∈ N gilt (Korollar 1.3 ): f = f0 f1 . . . fn−1 f n

mit f n :=



fν , also f  /f =

ν≥n

n−1 

fν /fν + f  n /f n .

ν=1

Da die Folge f n in G kompakt gegen 1 konvergiert vgl. 1.2, so konvergieren die Ableitungen f n nach Weierstrass in G kompakt gegen 0. Zu jeder Scheibe B mit B ⊂ G gibt es daher ein m ∈ N, sodass alle fn , n ≥ m, nullstellen frei in B sind und die Folge f n /f n ∈ O(B),   n ≥ m, in B kompakt gegen Null konvergiert. Damit ist gezeigt, dass fν /fν in G kompakt gegen f  /f konvergiert.  2) Wir zeigen nun, dass fν /fν in G normal konvergiert. Sei gν := fν −1. Wir m¨ ussen zu jedem Kompaktum K in G einen Index m angeben, so dass jede Polstellenmenge P (fν /fν ), ν ≥ m, punktfremd zu K ist und dass gilt:   |fν /fν |K = |gν /fν |K < ∞ vgl. I.11.1.1 (1.1) ν≥m

ν≥m

Wir w¨ ahlen m so groß, dass alle Mengen N (fν ) ∩ K, ν ≥ m, leer sind und ur alle ν ≥ m (dies ist m¨oglich, da die Folge fν kompakt dass min |fν (z)| ≥ 12 f¨ z∈K

gegen 1 konvergiert). Nun gibt es nach den Cauchyschen Absch¨atzungen f¨ ur Ableitungen ein Kompaktum L ⊃ K in G und eine Konstante M > 0, so dass f¨ ur alle ν gilt |gν |K ≤ M |gν |L vgl. Korollar I.8.3.3. Damit gilt  |gν /fν |K · (min |fν (z)|)−1 ≤ 2M |gν |L f¨ ur ν ≥ m. Da |gν |L < ∞ nach z∈K



Voraussetzung, so folgt (1.1).

Der Differentiationssatz ist f¨ ur konkrete Rechnungen ein wichtiges Hilfsmittel, wir werden ihn z.B. im n¨ achsten Kapitel zur Herleitung des Euler-Produkts f¨ ur den Sinus heranziehen, eine weitere Anwendung findet sich in 2.2.3. Der Satz gilt w¨ ortlich, wenn man das Wort normal“ durch ” kompakt“ ersetzt (Beweis). ” Unter Benutzung des Differentiationssatzes kann man zeigen: Ist f holomorph im Nullpunkt, so l¨ asst sich f in einer Kreisscheibe B um 0 in eindeutiger Weise als ein Produkt f (z) = bz k



(1 + bν z ν ), b, bν ∈ C, k ∈ N,

ν=1

darstellen, das in B normal gegen f konvergiert. Dieser Satz wurde 1929 von J.F. Ritt bewiesen [228]. Es wird nicht behauptet, dass das Produkt in der gr¨oßten Kreisscheibe um 0, wo f holomorph

12

1 Unendliche Produkte holomorpher Funktionen

¨ ist, konvergiert. Uberzeugende Anwendungen dieser Produktentwicklung, die ein multiplikatives Analogon zur Taylorentwicklung ist, scheint es nicht zu geben. ∞ 

1.3 Das Sinusprodukt sin πz = πz

(1 − z 2 /ν 2 )

ν=1

Das Produkt

∞ 

∞ 

(1 − z 2 /ν 2 ) ist in C normal konvergent, da

ν=1

z 2 /ν 2 in C

ν=1

normal konvergiert. Euler hat 1734 erkannt sin πz = πz



z2 1 − 2 , z ∈ C. ν ν=1

(1.2)

Wir geben f¨ ur diese Formel zwei Beweise. 1.3.1 Standardbeweis (mittels logarithmischer Differentiation und der Partialbruchreihe des Cotangens). Mit fν := 1−z 2 /ν 2 und f (z) := ∞  fν gilt πz ν=1

fν /fν =



2z 1  2z , also f  (z)/f (z) = + . 2 2 z −ν z ν=1 z 2 − ν 2

Hier steht rechts die Funktion π cot πz (vgl. Satz I.11.2.1). Da diese auch die logarithmische Ableitung von sin πz ist, so gilt 3 f (z) z→0 πz

f (z) = c sin πz mit c ∈ C× . Wegen lim

= 1 = lim

z→0

sin πz πz

folgt c = 1.

Durch Einsetzen spezieller Werte f¨ ur z in (1.2) entstehen interessante (und uninteressante) Formeln. F¨ ur z := 12 folgt die Produktformel ∞ 2 2 4 4 6 6 2ν π 2ν = · · · · · · ... = · (Wallis 1655). 2 1 3 3 5 5 7 2ν − 1 2ν +1 ν=1

F¨ ur z := 1 erh¨ alt man die triviale Gleichung

1 2

=

1.1,b); hingegen entsteht f¨ ur z := i wegen sin πi Formel 3

∞  

1−

ν=2 = 2i (eπ

1 ν2



, (vgl. Beispiel

− e−π ) die bizarre

Sind f = 0, g = 0 zwei in einem Gebiet G meromorphe Funktionen mit gleicher logarithmischer Ableitung, so gilt f = cg mit c ∈ C∗ . – Zum Beweis bemerkt man, dass f¨ ur f /g ∈ M (G) gilt: (f /g) ≡ 0.

∞ Q

1.3 Das Sinusprodukt sin πz = πz ∞



1+

ν=1

Mit Hilfe von sin z cos z = cos πz sin πz = πz

∞ 

1−

1 2

1 ν2



13

=

eπ − e−π . 2π

sin 2z und Korollar 1.3 erh¨alt man

 2z 2  ν

ν=1

(1 − z 2 /ν 2 )

ν=1

= πz

∞ 

1−

ν=1

∞  2z 2   2ν

1−



ν=1

2 2z 2ν−1

 ,

also die Eulersche Produktdarstellung das Cosinus:

cos πz =



ν=1

4z 2 1− (2ν − 1)2

, z ∈ C.

(1.3)

Mittels seines Sinusproduktes konnte Euler 1734/35 grunds¨atzlich alle Zah∞  len ζ(2n) := ν −2n berechnen, n = 1, 2, . . . (vgl. hierzu auch I.11.3.2). So ν=1

n n   −2 2 z + (1 − z 2 /ν 2 ) = 1 − ν folgt z.B. sofort ζ(2) = 16 π 2 : Da fn (z) := ν=1

ν=1

. . . kompakt gegen f (z) := (sin πz)/(πz) = 1 − 16 π 2 z 2 + . . . strebt, so konvern  ν −2 gegen 12 f  (0) = − 16 π 2 .  giert 12 fn (0) = − ν=1

Mit Hilfe der Wallisschen Formel l¨ asst sich das Gausssche Fehlerintegral ∞ ∞  −x2  2 e dx elementar bestimmen. F¨ ur In := xn e−x dx gilt: 0

0

2In = (n − 1)In−2 , n ≥ 2 (partielle Integration). Hieraus entsteht durch Induktion, da I1 = 12 : 2k I2k = 1 · 3 · 5 · . . . · (2k − 1)I0 , 2I2k+1 = k! , k ∈ N. Da In+1 + 2tIn + t2 In−1 =

∞  0

2

xn−1 (x + t)2 e−x dx f¨ ur alle t ∈ R , so folgt

2 In2 < In−1 In+1 , also 2In2 < nIn−1 .

Mit (1.4) erh¨ alt man nun 2 (k!)2 (k!)2 2 2 = I2k+1 . < I2k < I2k−1 I2k+1 = 4k + 2 2k + 1 4k Dies l¨ asst sich auch so schreiben: 2 I2k =

(1.4)

(k!)2 1 (1 + εk ) mit 0 < εk < . 4k + 2 2k

14

1 Unendliche Produkte holomorpher Funktionen

Tr¨ agt man hier I0 gem¨ aß (1.4) ein, so entsteht 2I02 =

[2 · 4 · 6 · . . . · (2k)]2 (1 + εk ). [1 · 3 · 5 · . . . · (2k − 1)]2 (2k + 1) 1 2 π,

Wegen lim εk = 0 und der Wallisschen Formel folgt 2I02 = √ 2 e−x dx = 12 π.

∞  0

Diese Herleitung gab 1890 T.-J. Stieltjes: Note sur l’integral

also 

∞ 

2

e−u du,

0

Nouv. Ann. Math. 9, 3. Ser., 479 – 480 (1890); Œuvres Compl`etes 2, 263-264. Aufgaben. Beweisen Sie: 2 · 4 · 6 · . . . · 2n √ 1√ 1. lim n= π, 3 · 5 · 7 · . . . · (2n + 1) 2

∞ 1 1 1− , 2. π = 4 (2ν + 1)2 ν=1 ∞ 1 3. eaz − ebz = (a − b)ze 2 (a+b)z (1 + (a − b)2 z 2 /4ν 2 π 2 ), ∞

1 (−1)n z 1 . 1+ 4. cos( πz) − sin( πz) = 4 4 2n − 1 n=1 ν=1

1.3.2 Charakterisierung des Sinus durch die Verdopplungsformel. Wir ur das Produkt  kennzeichnen die Sinusfunktion durch Eigenschaften, die f¨ z (1 − z 2 /ν 2 ) einfach zu verifizieren sind. Die Gleichung sin 2z = 2 sin z cos z ist eine Verdopplungsformel : sin 2πz = 2 sin πz sin π(z + 12 ), z ∈ C. Um mit ihrer Hilfe den Sinus zu charakterisieren, zeigen wir zun¨achst Lemma von Herglotz 1.6 (multiplikative Form). 4 Es sei G ⊂ C ein Gebiet, das ein Intervall [0, r), r > 1, umfasst. Es sei g ∈ O(G) nullstellenfrei in [0, r), und es gelte eine multiplikative Verdopplungsformel 1 1 g(2z) = cg(z)g(z + ), falls z, z + , 2z ∈ [0, r) 2 2

(mit c ∈ C∗ ).

(1.5)

1

Dann folgt g(z) = aebz mit 1 = ace 2 b . 4

Wir erinnern an das in (I.11.2.2) besprochene Lemma von Herglotz (additive Form). Es sei [0, r) ⊂ G mit r > 1. Es sei h ∈ O(G), und es gelte die additive Verdopplungsformel 2h(2z) = h(z) + h(z + 12 ), falls z, z + 12 , 2z ∈ [0, r). Dann ist h konstant. Beweis. Sei t ∈ (1, r) und M := max{|h (z)| : z ∈ [0, t]}. Da 4h (2z) = h (z) + h (z + 12 ) und da mit z auch immer 12 z und 12 (z + 1) in [0, t] liegen, so folgt 4M ≤ 2M , also M = 0. Der Identit¨ atssatz gibt h = 0, also h = const.

1.3 Das Sinusprodukt sin πz = πz

∞ Q

(1 − z 2 /ν 2 )

15

ν=1

Beweis. Die Funktion h := g  /g ∈ M(G) ist u ¨berall in [0, r) holomorph, es gilt 2h(2z) = 2g  (2z)/g(2z) = h(z) + h(z + 12 ), falls z, z + 12 , 2z ∈ [0, r). Nach dem Lemma von Herglotz (additive Form) ist h konstant (1.5). Es folgt 1 g  = bg mit b ∈ C, also g(z) = aebz . Mit (1.5) folgt noch ace 2 b = 1.  Es ergibt sich nun schnell: Satz 1.7. Es sei f eine ungerade ganze Funktion, die in [0, 1] nur in 0 und 1 verschwinde, und zwar von erster Ordnung. Es gelte eine 1 Verdopplungsformel: f (2z) = cf (z)f (z + ), z ∈ C, 2

wobei c ∈ C∗ . (1.6)

Dann folgt f (z) = 2c−1 sin πz. Beweis. Die Funktion g(z) := f (z)/ sin πz ist holomorph und nullstellenfrei in einem Gebiet G ⊃ [0, r), r > 1; es gilt g(2z) = 12 cg(z)g(z + 12 ). Nach 1 Herglotz folgt f (z) = aebz sin πz mit ace 2 b = 2. Da f (−z) = f (z), so folgt weiter b = 0.  Wir benutzen die Verdopplungsformel des Sinus noch zur Herleitung eines Integrals, das im Anhang zu 4.3.5 zum Beweis der Jensenschen Formel ben¨ otigt wird. 1 log sin πt dt = − log 2 (1.7) 0

Beweis. Man hat, wenn man zun¨ achst die Existenz des Integrals unterstellt: 1

2 0

1

1 log sin 2πt dt = log 2 + 2

1

2

2 log sin πt dt +

0

0

1 log sin π(t + ) dt. 2

(1.8)

Mit τ := 2t links und τ := t + 12 ganz rechts folgt (1.7) direkt. – Das zweite Integral rechts in (1.8) existiert, wenn das erste existiert (setze t + 12 = 1 − τ ). Das erste Integral existiert, da g(t) := t−1 sin πt stetig und nullstellenfrei in  [0, 12 ] ist.5 1.3.3 Beweis der Eulerschen Formel mit Hilfe von Lemma 1.6. Funktion ∞ (1 − z 2 /ν 2 ) s(z) := z

Die

ν=1 5

−n

g(t), n ∈ N, wobei g stetig und nullstellenfrei in [0, r] ist, r > 0. Rr Rr Dann existiert log f (t) dt. Das ist klar, da log t dt existiert (denn x log x − x

Sei f (t) = t

0

0

ist Stammfunktion, und es gilt lim δ log δ = 0). δ0

16

1 Unendliche Produkte holomorpher Funktionen

ist ganz und ungerade und hat Nullstellen genau in den Punkten von Z, und zwar von erster Ordnung. Da s (0) = lim s(z)/z = 1, so folgt sin πz = z→0

πs(z) aus Satz 1.7, falls s einer Verdopplungsformel gen¨ ugt. Dies wird direkt verifiziert. Da s normal konvergiert, so gilt nach Korollar 1.3: ∞





(2z)2 4z 2 1− · 1− s(2z) = 2z · (2ν)2 (2ν − 1)2 ν=1 ν=1

∞ 4z 2 = 2s(z) 1− . (2ν − 1)2 ν=1

(1.9)

Man rechnet aus (!)





(2z + 1)2 4z 2 1 + 2z/(2ν − 1) 1 1− , ν ≥ 1. 1− = 1− 2 4ν (2ν − 1)2 1 + 2z/(2ν + 1) (4ν 2 ) Damit folgt, wenn man Beispiel a) aus (1.1.2) beachtet: ∞



1−

ν=1

1 (4ν 2 )



1− ν=1

4z 2 (2ν − 1)2

= (1 + 2z)





1−

ν=1

(2z + 1)2 (4ν 2 )



1 = 2s(z + ). 2 −1 Daher  (1.9)  eine Verdopplungsformel: s(2z) = 4a s(z)s(z +  ist 1 1 − 4ν 2 = 0. a :=

1 2)

mit

Dieser multiplikative Beweis geht auf den amerikanischen Mathematiker E.H. Moore zur¨ uck; in seiner 1894 erschienenen Arbeit [177] wird viel gerechnet. Der Leser bemerke die enge Verwandtschaft mit dem Schottkyschen  ∞  1 1 aus Satz I.11.2.1; die − Beweis der Gleichung π cot πz = 12 + z+ν ν ν=−∞

1892 erschienene Arbeit von Schottky d¨ urfte Moore nicht gekannt haben. 1.3.4 Beweis der Verdopplungsformel f¨ ur das Euler-Produkt nach Eisenstein∗ . Lange vor Moore hat bereits Eisenstein die Verdopplungsformel f¨ ur s(z) nebenbei bewiesen. Er betrachtet 1847 in ([58, S. 461 ff.]) das auf den ersten Blick kompliziert aussehende Produkt    n ∞     z z 1 + ν+w = 1 + wz lim 1 + ν+w E(w, z) := e ν=−∞

n→∞ ν=−n



n  = lim die Ein→∞ −n  sensteinmultiplikation (in Analogie zur Eisensteinsummation e , die wir in  Abschnitt I.11.2 einf¨ uhrten), weiter signalisiert , dass der Faktor zum Index 0 fortgelassen wird. Das Eisensteinsche Produkt E(w, z) ist im (w, z)-Raum

von zwei Variablen (w, z) ∈ (C\Z) × C; hier bezeichnet

e

1.3 Das Sinusprodukt sin πz = πz

(C\Z)×C normal konvergent, da ∞  ν=1

n  

1+

ν=−n 1 w2 −ν 2

z (ν+w)

∞ Q

(1 − z 2 /ν 2 )

ν=1

 =

n 

1−

ν=1

z 2 +2wz (ν 2 −w2 )

17

 und

in C\Z normal konvergieren (vgl. I.11.1.3 Beispiele). Die Funktion

E(w, z) ist also stetig in (C\Z) × C und f¨ ur festes w jeweils holomorph in z ∈ C. Mit E(w, z) l¨ asst sich elegant rechnen, so folgt direkt die

Verdopplungsformel

E(2w, 2z) = E(w, z)E(w + 12 , z).

Beweis. E(2w, 2z) =

∞ e ν=−∞



2z 1+ 2ν + 2w

·

∞ e ν=−∞



2z 1+ 2ν + 1 + 2w

(1.10)

1 = E(w, z)E(w + , z) 2  Eisenstein benutzt die Umformung

w + z  w z = 1+ 1+ , 1+ ν+w ν ν

(1.11)

um sein Doppelprodukt“ auf das Euler-Produkt zur¨ uckzuf¨ uhren: ” s(w + z) E(w, z) = , wobei s(z) = z (1 − z 2 /ν 2 ). s(w) ν≥1

 n  n        w+z w+z 1 + lim 1+ w lim w n→∞ ν ν n→∞ ν=−n ν=−n     ∞ ∞  (w+z)2 w2 w = s(w+z) 1 − ν2 1 − ν2 (w+z) s(w) ν=1 ν=1

Beweis. E(w, z) = =

.



Die Verdopplungsformel f¨ ur s(z) ist nun in der Gleichung s(2w + 2z) = E(2w, 2z) = E(w, z)E(w + 12 , z) = s(2w) s(2w) w→0 s(w)

enthalten: Da s stetig ist und da lim

s(w+z) s(w)

·

s(w+ 12 +z) s(w+ 12 )

= 2, so folgt

s(w + 12 + z) 1 s(2w) 1 s(w + z) = 2s( )−1 s(z)s(z + ). w→0 s(w) 2 2 s(w + 12 )

s(2z) = lim



Die Eleganz in diesen Eisensteinschen Schl¨ ussen wird durch die zweite Variable w m¨ oglich. Eisenstein bemerkt auch (loc. cit.), dass E in w periodisch ist: ¨ E(w+1, z) = E(w, z) (Beweis durch Anderung von ν in ν +1); er verwendet E

18

1 Unendliche Produkte holomorpher Funktionen

und s zu einem Beweis des quadratischen Reziprozit¨atsgesetzes, die Verdopplungsformel findet sich auf S. 462 unten. Die Identit¨at E(w, z) = s(w+z)/s(w) heißt bei Eisenstein Fundamentalformel , er schreibt sie wie folgt (S. 402, der Leser interpretiere):

sin π(β − z)/α z = , α, β ∈ C, β/α ∈ / Z. 1− αm + β sin πβ/α m∈Z

1.3.5 Historisches zum Sinusprodukt. Euler hat das Cosinus- und Sinusprodukt 1734/35 gefunden und 1740 in der ber¨ uhmten Arbeit De Summis Serierum Reciprocarum, [62, I-14,73-86], publiziert: auf S. 84 findet man (mit p := π) s4 s6 s2 + − + 1 · 2 · 3 1 · 2 · 3 · 4 · 5 1 · 2 · 3 ·

4·5·6·7 s2 s2 s2 s2 = 1− 2 1− 2 1− 2 1− p 4p 9p 16p2

1−

etc. etc.

Zur Begr¨ undung sagt Euler, dass die Nullstellen in der Reihe die Zahlen p, −p, 2p, −2p, 3p, −3p etc. seien und diese folglich (analog wie ein Polynom) s s , 1 + 2p etc. teilbar sei! durch 1 − ps , 1 + ps , 1 − 2p Joh. Bernoulli betont in einem Brief an Euler vom 2. April 1737, dass dieses Vorgehen nur dann legitim sei, wenn man wisse, dass die Funktion sin z keine anderen Nullstellen in C habe als nπ, n ∈ Z: demonstrandum ” esset nullam contineri radicem impossibilem“, [76, 2, S. 16]; weitere Kritik u ¨bten D. und J. Bernoulli, vgl. [277, 264-265]. Die von Euler z.T. anerkannten Einw¨ ande gaben mit den Anstoß zur Entdeckung der Formel eiz = cos z + i sin z; im Jahre 1743 leitet Euler hieraus seine Produktformeln her, die ihm dann nebenbei alle Nullstellen von cos z und sin z liefern ([62, I-14, 144-146] f¨ ur cos z). 1 (eiz − Euler schließt wie folgt: wegen lim(1 + z/n)n = ez und sin z = 2i ) gilt:

iz 1 lim pn , wobei pn (w) := (1 + w)n − (1 − w)n . sin z = 2i n

−iz

e

F¨ ur jeden geraden Index n = 2m folgt pn (w) = 2nw(1 + w + · · · + wn−2 ).

(1.12)

Die Wurzeln ω von pn werden durch (1 + ω) = ζ(1 − ω) gegeben, wo ζ = exp(2νπi/n) irgendeine n-te Einheitswurzel ist; daher hat p2m als ungerades Polynom vom Grad n − 1 die n − 1 verschiedenen Nullstellen 0, ±ω1 , . . . , ±ωm−1 , wobei

1.4 Eulersche Partitionsprodukte∗

ων =

19

νπ exp(2νπi/n) − 1 = i tan , ν = 1, . . . , m − 1. exp(2νπi/n) + 1 n

Damit ergibt sich auf Grund von (1.12) die Faktorisierung p2m (w) = 2nw

m−1

1−

ν=1

w ων



1+

w ων

= 2nw

m−1

1 + w2 cot2

ν=1

νπ  . n

Hiermit ergibt sich 1 2 n−1

sin z = z lim



n→∞

Wegen lim

n→∞

1 n

 = cot νπ n

1 πν

 1−z

2



ν=1

νπ 1 cot n n

2  .

folgt nach Limesvertauschung die Produktfor-

mel. Nat¨ urlich l¨ asst sich dieser letzte Schritt streng begr¨ unden (vgl. z.B. [263, S. 42 und 56]). – Eine noch einfachere Herleitung des Sinusproduktes, die auf der gleichen Grundidee beruht, findet man in [280, 5.4.3].

1.4 Eulersche Partitionsprodukte∗ Neben dem Sinusprodukt hat Euler das Produkt Q(z, q) := (1 + q ν z) = (1 + qz)(1 + q 2 z)(1 + q 3 z) · . . . ν=1

 ν intensiv studiert. Es ist f¨ ur jedes q ∈ E wegen |q| < ∞ normal konvergent in C und also eine ganze Funktion in z, die im Fall q = 0 genau in den Punkten −q −1 , −q −2 , . . . Nullstellen, und zwar von erster Ordnung, hat. Aus Q(z, q) entstehen f¨ ur z = 1 bzw. z = −1 die im Einheitskreis holomorphen Produkte (1 + q)(1 + q 2 )(1 + q 3 ) · . . . bzw. (1 − q)(1 − q 2 )(1 − q 3 ) · . . . , q ∈ E. Ihre Potenzreihen um 0 spielen, wie wir im Abschnitt (1.4.1) sehen werden, in der Theorie der urlicher Zahlen eine wichtige Rolle. Die  Partitionen nat¨ alt nur solche Monome q n , bei denen n eine Entwicklung von (1 − q ν ) enth¨ uhmten Pentagonal-ZahlenPentagonalzahl 12 (3ν 2 ± ν) ist: dieses ist im ber¨ Satz enthalten, den wir im Abschnitt (1.4.2) besprechen. Im Abschnitt (1.4.3) entwickeln wir Q(z, q) nach Potenzen von z. 1.4.1 Partitionen nat¨ urlicher Zahlen und Eulersche Produkte. Jede Darstellung einer nat¨ urlichen Zahl n ≥ 1 als Summe von Zahlen aus N\{0} heißt eine Partition von n. Mit p(n) wird die Anzahl der Partitionen von n bezeichnet (dabei gelten zwei Partitionen als gleich, wenn sie sich h¨ochstens in der Reihenfolge der Summanden unterscheiden), z.B. gilt p(4) = 5, denn 4

20

1 Unendliche Produkte holomorpher Funktionen

hat die Darstellungen 4 = 4, 4 = 3+1, 4 = 2+2, 4 = 2+1+1, 4 = 1+1+1+1. Man setzt noch p(0) := 1. Die Werte von p(n) wachsen astronomisch:

50 100 200 n 7 10 30 p(n) 15 42 5604 204226 190569292 3972999029388 Partitionsfunktion p zu untersuchen, bildet Euler die Potenzreihe  Um die p(ν)q ν , er findet den u ¨berraschenden Satz [63, S. 267]: F¨ ur alle q ∈ E gilt ∞

(1 − q ν )−1 =

ν=1

∞ 

p(ν)q ν .

(1.13)

ν=0

Beweisskizze. Man betrachtet die geometrischen Reihen (1 − q ν )−1 = ∞ n ∞    q νk , q ∈ E, und macht sich klar, dass (1 − q ν )−1 = pn (k)q k , q ∈ ν=1

k=0

k=0

ur k ≥ 1 die Anzahl der Partitionen E, n ≥ 1, wobei pn (0) := 1 und pn (k) f¨ ur n ≥ k, von k bezeichnet, deren Summanden alle ≤ n sind. Da pn (k) = p(k) f¨ so folgt die Behauptung durch Grenz¨ ubergang. – Einen detaillierten Beweis findet man in [104, S. 275].  Es gibt viele zu (1.13) analoge Formeln. So findet man bei Euler [63, S. 268/69]: Es bezeichne u(n) bzw. v(n) die Anzahl der Partitionen von n ≥ 1 in ungerade bzw. in verschiedene Summanden. Dann folgt f¨ ur jedes q ∈ E:   (1 − q 2ν−1 )−1 = 1 + u(v)q ν , (1 + q ν ) = 1 + v(ν)q ν . ν≥1

ν≥1

ν≥1

ν≥1

Hieraus erh¨ alt man wegen 1 − q2 1 − q4 1 − q6 · · · ... 1 − q 1 − q2 1 − q3 1 1 1 · · · ... = 3 1 − q 1 − q 1 − q5

(1 + q)(1 + q 2 )(1 + q 3 ) · · · =

die u ¨berraschende und keineswegs auf der Hand liegende Folgerung u(n) = v(n), n ≥ 1.



Seit Euler  ordnet man jeder Funktion f : N → C die formale Potenzreihe F (z) = f (ν)z ν zu; diese Reihe konvergiert, wenn f (ν) nicht zu stark w¨ achst.Man nennt F  die erzeugende Funktion von f ; die Produkte  (1 − q ν )−1 , (1 − q 2ν−1 )−1 , (1 + q ν ) sind also die erzeugenden Funktionen der Partitionsfunktionen p(n), u(n), v(n). Erzeugende Funktionen spielen eine große Rolle in der Zahlentheorie, vgl. etwa [104, S. 274ff.].

1.4 Eulersche Partitionsprodukte∗

21

1.4.2 Pentagonal-Zahlen-Satz. Rekursionsformeln f¨ ur p(n) und  σ(n). Die Suche nach der Taylor-Reihe von (1 − q ν ) um 0 hat Euler jahrelang besch¨ aftigt. Die Antwort gibt sein ber¨ uhmter Pentagonal-ZahlenSatz. Pentagonal-Zahlen-Satz 1.8. F¨ ur alle q ∈ E gilt  2 2 1 1 (1 − q ν ) = 1 + (−1)ν [q 2 (3ν −ν) + q 2 (3ν +ν) ] ν≥1

(1.14)

ν≥1

=

∞ 

1

(−1)ν q 2 (3ν

2

−ν)

ν=−∞

= 1 − q − q 2 + q 5 + q 7 − q 12 − q 15 + q 22 + q 26 −q 35 − q 40 + q 51 + . . . Wir werden diesen Satz in Abschnitt 5.2 aus der Jacobischen Tripel-ProduktIdentit¨ at herleiten.

Die Folge ω(ν) := 12 (3ν 2 − ν), die mit 1, 5, 12, 22, 35, 51 beginnt, war bereits bei den Griechen bekannt, vgl. [51, S. 1]. Angeblich bestimmte Pythagoras ω(n), indem er regelm¨ aßige F¨ unfecke, deren Kantenl¨ ange jeweils um 1 zunimmt, ineinanderlegte und die Zahl aller Eckpunkte z¨ ahlte:

1

1+4=5

1+4+7=12

1+4+7+10=22

Wegen dieses Konstruktionsprinzips nennt man alle Zahlen ω(ν), ν ∈ Z, Pentagonal-Zahlen, diese Bezeichnung gab der Identit¨ at (1.14) den Namen. Aus der wegen (1.13) und (1.14) klaren Identit¨ at 1 10 0 X X ν ν ω(ν) ω(−ν) p(ν)q A @1 + (−1) [q +q ]A 1=@ n≥0

ν≥1

lassen sich durch Koeffizientenvergleich Aussagen u ¨ber die Partitionsfunktion p gewinnen. Tats¨ achlich erhielt Euler so (vgl. hierzu auch [104, S. 286/86]): Rekursionsformel f¨ ur p(n).

22

1 Unendliche Produkte holomorpher Funktionen Setzt man p(n) := 0 f¨ ur n < 0, so gilt p(n) = p(n − 1) + p(n − 2) − p(n − 5) − p(n − 7) + . . . X = (−1)k−1 [p(n − ω(k)) + p(n − ω(−k))] k≥1

¨ Es war eine große Uberraschung f¨ ur Euler, als er erkannte und mittels des Pentagonal-Zahlen-Satzes bewies, dass fast dieselbe Formel f¨ ur Teilersummen beP d die Summe aller positiven Teiler der nat¨ urlichen steht. Bezeichnet σ(n) := d|n

Zahl n ≥ 1, so gilt die Rekursionsformel f¨ ur σ(n). Setzt man

σ(ν) := 0

f¨ ur

ν ≤ 0,

so gilt

σ(n) = σ(n − 1) + σ(n − 2) − σ(n − 5) − σ(n − 7) + . . . X (−1)k−1 [σ(n − ω(k)) + σ(n − ω(−k))] = k≥1

f¨ ur jede nat¨ urliche Zahl n ≥ 1, die keine Pentagonzahl ist. F¨ ur jede Zahl n = 2 1 (3ν ± ν), ν ≥ 1, gilt hingegen 2 σ(n) = (−1)ν−1 n + σ(n − 1) + σ(n − 2) − σ(n − 5) − σ(n − 7) + . . . X = (−1)ν−1 n + (−1)k−1 [σ(n − ω(k)) + σ(n − ω(−k))]. k≥1

In der Literatur findet man h¨ aufig nur die erste Formel f¨ ur alle n ≥ 1 mit der Maßgabe, dass der Summand σ(n − n), falls er vorkommt, den Wert n hat. So hat auch Euler die Formel angegeben. – F¨ ur 12 = 12 (3 · 32 − 3) hat man σ(12) = (−1)2 12 + σ(11) + σ(10) − σ(7) − σ(5) + σ(0) = 12 + 12 + 18 − 8 − 6 = 28. Beweis der Rekursionsformel f¨ ur σ(n) nach Euler. Man bildet die logarithmische Ableitung von (1.14). Eine einfache Umformung gibt ∞ ∞ ∞ X X X νq ν ν ω(ν) · (−1) q = (−1)n−1 ω(n)q ω(n) . ν 1 − q ν=1 ν=−∞ n=−∞

Die Potenzreihe der ersten Reihe links6 um 0 ist

∞ P

(1.15)

σ(κ)q κ . Multipliziert man

κ=1

die Reihen aus, so entsteht eine Doppelsumme mit dem allgemeinen Glied 6

∞ P

Reihen des Typs ∞ P

ν=1

ν

q ν ν −1 aν 1−q = ν heißen Lambertsche Reihen. Da q · (1 − q )

q μν , so folgt sofort (vgl. hierzu auch [139, S. 466]):

μ=1

Ist die Lambertsche Reihe

∞ P ν=1

∞ X ν=1

ν

q aν 1−q ν normal konvergent in E, so gilt

X X qν = Aν q ν , q ∈ E, wobei Aν := ad . 1 − qν ν=1 ∞



d|ν

1.4 Eulersche Partitionsprodukte∗

23

(−1)ν σ(κ)q κ+ω(ν) . Fasst man alle Terme mit gleichen Exponenten zusammen, so entsteht ! ∞ X X k (−1) σ(n − ω(k)) q n . n=1

k∈Z

Koeffizientenvergleich in (1.15) liefert die Behauptungen.  Elementare Beweise der Rekursionsformel f¨ ur σ(n) scheinen nicht bekannt zu sein. – Die Funktion σ(n) l¨ asst sich rekursiv durch die Funktion p(n) ausdr¨ ucken. Es gilt f¨ ur alle ν ≥ 1: σ(n)

= =

p(n−1)+2p(n−2)−5p(n−5)−7p(n−7)+12p(n−12)+15p(n−15)−... P

(−1)k−1 [ω(k)p(n−ω(k))+ω(−k)p(n−ω(−k))].

k≥1

Dies wurde 1884 von Chr. Zeller bemerkt, vgl. [281]. Wir notieren noch eine Formel, die sich ebenfalls mittels des Pentagonal-Zahlen-Satzes herleiten l¨ asst: p(n) =

n 1X σ(ν)p(n − ν). n ν=1

∞ 

1.4.3 Potenzreihenentwicklung von

(1 + q ν z) nach z.

W¨ ahrend

ν=1

die Potenzreihenentwicklung dieser Funktion nach q nur f¨ ur spezielle Werte von z bekannt ist (vgl. Abschnitte 1.4.1 und 1.4.2), l¨ a sst sich ihre Entwicklung nach z Q (1+q ν z), so folgt direkt: leicht finden. Setzt man Q(z, q) := ν≥1

(1 + qz)Q(qz, q) = Q(z, q);

(1.16)

aus dieser Funktionalgleichung erh¨ alt man sofort: ∞ Y n=1

(1 + q ν z) = 1 +

∞ X ν≥1

1

q 2 ν(ν+1) z ν , (q, z) ∈ E × C. (1 − q)(1 − q 2 ) · . . . · (1 − q ν )

Beweis. F¨ ur festes q ∈ E sei

P

(1.17)

aν z ν die Taylorreihe von Q(z, q). Es gilt a0 = 1,

ν≥0

und (1.16) liefert die Rekursionsformel qν aν−1 f¨ ur ν ≥ 1. 1 − qν

aν q ν + aν−1 q ν = aν , d.h. aν = 1

Es folgt (z.B. durch Induktion), dass aν = q 2 ν(ν+1) [(1 − q) · . . . · (1 − q ν )]−1 . F¨ ur z = 1 sehen wir (1 + q)(1 + q 2 )(1 + q 3 ) · . . . = 1 + +

q q3 + 1−q (1 − q)(1 − q 2 )

q6 + ... . (1 − q)(1 − q 2 )(1 − q 3 )

Schreibt man q 2 statt q in (1.17) und setzt man z = q −1 , so folgt



24

1 Unendliche Produkte holomorpher Funktionen ∞ Y

(1 + q 2ν−1 ) = 1 +

ν=1

∞ X ν=1

2

qν , (1 − q 2 )(1 − q 4 ) · . . . · (1 − q 2ν )

oder ausgeschrieben (1 + q)(1 + q 3 )(1 + q 5 ) · . . . = 1 + +

q q4 + 2 2 1−q (1 − q )(1 − q 4 )

(1 −

q 2 )(1

q9 + ··· . − q 4 )(1 − q 6 )

Diese Herleitung und mehr findet man in [63, S. 251 ff]. Das Produkt Q(z, q) ist einfacher als das Sinusprodukt. Nicht nur, dass sich die normale Konvergenz bereits mittels der geometrischen Reihe ergibt, auch die Funktionalgleichung (1.16), die an die Stelle der Verdopplungsformel f¨ ur s(z) tritt, folgt m¨ uhelos und ist u ¨berdies ergiebiger.

Aufgabe. a) b)

∞ Y ν=1 ∞ Y

Man zeige, dass f¨ ur alle (q, z) ∈ E × C gilt:

∞ X 1 qν = 1 + zν , 2 ) · . . . · (1 − q ν ) 1 − qν z (1 − q) · (1 − q ν=1

1 = 1 − qν z ν=1 2 ∞ X qν zν . 1+ (1 − q) · (1 − q 2 ) · . . . · (1 − q ν ) · (1 − qz) · (1 − q 2 z) · . . . · (1 − q ν z) ν=1

Man vergleiche die Ergebnisse f¨ ur z = 1. Hinweis. Im Falle a) betrachte man zun¨ achst

n Q ν=1

1 , 1−q ν z

1 ≤ n < ∞. Man verschaffe

sich jeweils Funktionalgleichungen und simuliere den Beweis von (1.17); im Falle a) f¨ uhre man abschließend den Grenz¨ ubergang n → ∞ aus. – Die Gleichung b) findet sich z.B. in den Fundamenta, [130, 232–233].

1.4.4 Historisches zu Partitionen und zum Pentagonal-Zahlen-Satz. Schon G.W. Leibniz fragte Joh. Bernoulli 1699 in einem Brief, ob er die Funktion p(n) studiert habe; er bemerkte, dass dieses Problem nicht leicht, aber wichtig sei (Math. Schriften, ed. Gerhardt, Bd. III/2, S. 601). Euler wurde 1740 von Ph. ´ (Berliner Mathematiker franz. Herkunft) gefragt, auf wie viele Weisen sich Naude eine gegebene nat¨ urliche Zahl n als Summe von s verschiedenen nat¨ urlichen Zahlen darstellen lasse. Euler hat diese und verwandte Fragen mehrfach behandelt, er wurde so zum Vater eines neuen Gebietes der Analysis, das er Partitio Numerorum“ ” nannte. Bereits im April 1741, kurz vor seiner Abreise nach Berlin, legte er erste Resultate der Petersburger Akademie vor, [62, I-2, 163–193]. Am Ende dieser Arbeit spricht er den Pentagonal-Zahlen-Satz aus, nachdem er durch Ausmultiplizieren der Q ersten 51 Faktoren von (1−q ν ) die Anfangsglieder der Pentagonal-Zahlen-Reihe bis zum Summanden q 51 bestimmt hatte, loc. cit. S. 191/192. Es dauerte dann allerdings fast noch 10 Jahre, bis er den Satz beweisen konnte (Brief an Goldbach vom

1.5 Jacobis Produktdarstellung∗ der Reihe J(z, q) :=

∞ P

2

qν zν

25

ν=−∞

9. Juni 1750, [54, 1, 522-524]). In der Introductio handelt das Kapital 16 ausf¨ uhrlich von der Zerlegung der Zahlen in Teile“, der Pentagonal-Zahlen-Satz wird erw¨ ahnt ” und angewendet, S. 269. Die Rekursionsformel f¨ ur die Funktion p(n) findet sich erstmals 1750 in der Abhandlung De Partitione Numerorum, [62, I-2, S. 281]; sie wurde 1918 von P.A. Macmahon bem¨ uht, um p(n) bis zu n = 200 zu berechnen, er fand p(200) = 3 972 999 029 388 (Proc. London Math. Soc. (2) 17, (1918), insb. 114–115). Die Rekursionsformel f¨ ur σ(n) hatte Euler schon 1741 numerisch f¨ ur alle n < 300 verifiziert (Brief an Goldbach vom 1. April 1741, [76, 1, 407–410]). Er nennt dort seine Entdeckung eine sehr wunderbare Ordnung in den Zahlen“ und ” schreibt, dass er keine demonstrationen rigorosam h¨ atte. Wenn ich aber auch gar ” keine h¨ atte, so w¨ urde man an der Wahrheit doch nicht zweifeln k¨ onnen, weil bis u ¨ber 300 diese Regel immer eingetroffen.“ Er teilt Goldbach dann die Herleitung der Rekursionsformel aus dem (damals noch unbewiesenen) Pentagonal-Zahlen-Satz mit. Eine ausf¨ uhrliche Darstellung mit Beweis gibt er 1751 in D´ecouverte d’une loi tout extraordinaire des nombres par rapport a ` la somme de leurs diviseurs, [62, I-2, 241–253]. - Weitere historische Angaben und Erl¨ auterungen findet der Leser in [277, 276–281]. Es mussten noch nahezu weitere 80 Jahre vergehen, bis Jacobi 1829 die volle Erkl¨ arung f¨ ur die Eulerschen Identit¨ aten mit seiner Theorie der Thetafunktionen geben konnte. Wir gehen hierauf im n¨ achsten Paragraphen etwas n¨ aher ein.

1.5 Jacobis Produktdarstellung∗ der Reihe ∞  2 qν zν J (z, q) := ν=−∞

Die Laurent-Reihe

∞ P

2

qν zν = 1 +

ν=−∞

∞ P

2

q ν (z ν + z −ν ) ist f¨ ur jedes q ∈ E in C∗

ν=1

konvergent, daher gilt J(z, q) ∈ O(C∗ ) f¨ ur alle q ∈ E. Wer die Thetafunktion kennt, bemerkt sofort ϑ(z, τ ) = J(e2πiz , e−πτ ) (vgl. hierzu Paragraph I.12.4) , diese Beziehung spielt indessen im folgenden keine Rolle. Man zeigt direkt J(i, q) = J(−1, q 4 ), q ∈ E.

(1.18)

Jacobi sah 1829, dass seine Reihe J(z, q) mit dem von Abel studierten Produkt A(z, q) :=

∞ Y

[(1 − q 2ν )(1 + q 2ν−1 z)(1 + q 2ν−1 z −1 )]

ν=1

ur jedes q ∈ E, da das Produkt jeweils in u ¨bereinstimmt. Es gilt A(z, q) ∈ O(C× ) f¨ C× normal konvergiert. Zwischen dem Eulerprodukt Q(z, q) aus 1.4.3 und A(z, q) besteht folgender Zusammenhang A(z, q) =

∞ Y ν=1

(1 − q 2ν ) · Q(q −1 z, q 2 ) · Q(q −1 z −1 , q 2 ).

26

1 Unendliche Produkte holomorpher Funktionen

Die Identit¨ at J(z, q) = A(z, q) ist eine der vielen tiefen Formeln, die sich in Jacobis Fundamenta Nova finden. Wir gewinnen diese Jacobische Tripel-Produkt-Identit¨ at im Abschnitt 1.5.2 mit Hilfe der Funktionalgleichungen A(q 2 z, q) = (qz)−1 A(z, q), A(z −1 , q) = A(z, q), (z, q) ∈ C× × E× ,

(1.19)

4

(1.20) A(i, q) = A(−1, q ), q ∈ E, die man alle leicht der Definition von A entnimmt, wobei man beim Beweis von (1.20) beachte, dass ∞ Y

2

(1 − q ν ) =

ν=1

∞ Y

[(1 − q 4ν )(1 − q 4ν−2 )], (1 + q 2ν−1 i)(1 − q 2ν−1 i) = 1 + q 4ν−2 .

ν=1

Aus der Gleichung J(z, q) = A(z, q) entstehen durch Spezialisierung faszinierende Identit¨ aten, die z.T. auf Euler zur¨ uckgehen; wir geben Kostproben im Abschnitt 1.5.2.

1.5.1 Theorem von Jacobi. Satz 1.9 (Jacobi). F¨ ur alle (q, z) ∈ E × C× gilt ∞ X

2

qν zν =

ν=−∞

∞ Y

[(1 − q 2ν )(1 + q 2ν−1 z)(1 + q 2ν−1 z −1 )].

(1.21)

ν=1

Beweis. (vgl. [104, S. 282/83]). Das Produkt A(z, q) hat f¨ ur jedes q ∈ E eine Lau∞ P rent-Entwicklung aν z ν in C× um 0 mit Koeffizienten aν , die von q abh¨ angen. ν=−∞

Die Gleichungen (1.19) der Einleitung implizieren a−ν = aν und aν = q 2ν−1 aν−1 f¨ ur alle ν ∈ Z. Damit ist bereits klar, wenn wir a(q) f¨ ur a0 schreiben, dass A(z, q) = a(q)J(z, q) mit a(0) = 1. Da A(1, q) und J(1, q) als Funktionen in q holomorph in E sind und da J(1, 0) = 1, so ist a(q) holomorph in einer Umgebung des Nullpunktes. Aus den Gleichungen (1.18) und (1.20) der Einleitung folgt, da J(i, q) ≡ 0, a(q) = a(q 4 ) und mithin a(q) = a(q 4n ), n ≥ 1

f¨ ur alle q ∈ E.

ur alle q ∈ E. Die Stetigkeit von a(q) in 0 erzwingt a(q) = lim a(q 4n ) = a(0) = 1 f¨ n→∞  Die Idee zu diesem eleganten Beweis soll auf Jacobi zur¨ uckgehen (vgl. [104, S. 296]). Es sei empfohlen, den Beweis bei Kronecker anzuschauen, [151, 182–186]. Mit z := e2iw schreibt sich (1.21) in der Form ∞ X

2

q ν e2iνw =

ν=−∞

∞ Y

[(1 − q 2ν )(1 + 2q 2ν−1 cos 2w + q 4ν−2 )].

ν=1

Die Identit¨ at (1.21) wird gelegentlich auch wie folgt geschrieben ∞ X ν=−∞

1

(−1)ν q 2 ν(ν+1) z ν = (1 − z −1 )

∞ Y

[(1 − q ν )(1 − q ν z)(1 − q ν z −1 )].

(1.22)

ν=1

Es entsteht (1.22) aus (1.21), wenn man dort −qz f¨ ur z eintr¨ agt, das entstehende Produkt umordnet und schließlich q statt q 2 schreibt.

∞ P

1.5 Jacobis Produktdarstellung∗ der Reihe J(z, q) :=

2

qν zν

27

ν=−∞

1.5.2 Diskussion des Jacobischen Theorems. F¨ur z = 1 entsteht aus (1.22) die Produktdarstellung der klassischen, in E konvergenten Thetareihe ∞ X

2

qν = 1 + 2

ν=−∞

∞ X

2

qν =

ν=1

∞ Y

[(1 + q 2ν−1 )2 (1 − q 2ν )].

(1.23)

ν=1

Wir notieren weiter: Es seien k, l ∈ N\{0} beide gerade oder ungerade. Dann gilt f¨ ur alle (z, q) ∈ C× × E, ∞ X

1

q 2 ν(kν+l) z ν =

ν=−∞

∞ Y

1

1

[(1 − q kν )(1 + q kν− 2 (k−l) z)(1 + q kν− 2 (k+l) z −1 )].

(1.24)

ν=1 1

1

Beweis. Sei zun¨ achst 0 < q < 1. Dann sind q 2 k , q 2 l ∈ (0, 1) eindeutig bestimmt, 1 1 und (1.21) geht, wenn man q 2 k statt q und q 2 z statt z schreibt, u ¨ber in (1.24). Diese Gleichung gilt also gewiss f¨ ur alle (z, q) ∈ C× ×(0, 1). Da nach Voraussetzungen u ¨ber k, l alle Exponenten in (1.24) ganzzahlig sind (!), so stehen in (1.24) bei festem z links und rechts holomorphe Funktionen in q ∈ E. Nach dem Identit¨ atssatz folgt die Behauptung.  F¨ ur k = l = 1 und z = 1 geht (1.24) u ¨ber in ∞ X

1

q 2 ν(ν+1) = 2 + 2

ν=−∞

∞ X

1

q 2 ν(ν+1) =

ν=1

∞ Y

[(1 − q 2ν )(1 + q ν−1 )];

(1.25)

ν=1

diese von Euler stammende Identit¨ at schreibt Gauss 1808 so ([82, S. 20]): 1 + q + q 3 + q 6 + q 10 + etc. =

1 − qq 1 − q 4 1 − q 6 1 − q 8 · · · 1 − q 1 − q3 1 − q5 1 − q7

(1.26)

(zum Beweis benutze man Aufgabe 2) aus 1.2.1. F¨ ur k = 3, l = 1 und z = −1 besagt (1.24): ∞ Y

[(1 − q 3ν )(1 − q 3ν−1 )(1 − q 3ν−2 )] =

ν=1

∞ X

1

(−1)ν q 2 ν(3ν+1) ;

ν=−∞

da hier links jeder Faktor 1 − q ν , ν ≥ 1, genau einmal vorkommt, folgt – wie in 1.4.2 angek¨ undigt - der Pentagonal-Zahlen-Satz ∞ Y

(1 − q ν ) = 1 +

ν=1

∞ X

1

1

(−1)ν [q 2 ν(3ν−1) + q 2 ν(3ν+1) ], q ∈ E;

(1.27)

ν=1

oder ausgeschrieben (1 − q)(1 − q 2 )(1 − q 3 ) · . . . = 1 − q − q 2 + q 5 + q 7 − q 12 − q 15 + . . . . (1.28) Q ν Jetzt l¨ aQ sst sich auchQgrunds¨ atzlich Q die Potenzreihe von (1 + q ) um 0 berechnen. alt man auch mit (1.28): Wegen (1 − q ν ) · (1 + q ν ) = (1 − q 2ν ) erh¨

28

1 Unendliche Produkte holomorpher Funktionen ∞ Y

(1 + q ν ) =

ν=1

1 − q 2 − q 4 + q 10 + q 14 − . . . 1 − q − q2 + q5 + q7 − . . .

= 1 + q + q 2 + 2q 3 + 2q 4 + 3q 5 + 4q 6 + 5q 7 + . . . . Die ersten Koeffizienten rechts hat bereits Euler angegeben ([63, S. 269]), eine einfache explizite Darstellung aller Koeffizienten ist nicht bekannt. – Zahlentheoretische Interpretationen der obigen Formeln sowie weitere Identit¨ aten findet man bei [104]. Wir notieren abschließend noch Jacobis ber¨ uhmte Formel f¨ ur den Kubus des Euler-Produktes (vgl. [130, S. 237]) und [133, S. 0] ∞ Y ν=1

(1 − q ν )3 =

∞ X

1

(−1)ν (2ν + 1) q 2 ν(ν+1) ;

(1.29)

ν=0

zum Beweis differenziert Jacobi die Identit¨ at (1.22) des Abschnittes 1.9 nach z und setzt dann z = 1 (der Leser f¨ uhre die Einzelheiten aus, in der Reihe fasse man die Summanden mit Index ν und −ν − 1 zusammen). Jacobi schrieb 1848 zur Identit¨ at 1.29, vgl. [133, S. 60]: Dies mag wohl in der Analysis das einzige Beispiel sein, ” daß eine Potenz einer Reihe, deren Exponenten eine arithmetische Reihe zweiter Ordnung [ = quadratische Form an2 + bn + c] bilden, wieder eine solche Reihe giebt.“

1.5.3 Historisches zur Jacobischen Identit¨ at. Jacobi hat 1829 die Tripel-Produkt-Identit¨ at in seiner großen Arbeit Fundamenta nova theoriae functionum ellipticarum bewiesen; er schreibt damals, [130, S. 232]: Aequationem identicam, quam antecedentibus comprobatum ivimus: ” (1 − 2q cos 2x + q 2 )(1 − 2q 3 cos 2x + q 6 )(1 − 2q 5 cos 2x + q 10 ) . . .  1 − 2q cos 2x + 2q 4 cos 4x − 2q 9 cos 6x + 2q 16 cos 8x − . . . = (1 − q 2 )(1 − q 4 )(1 − q 6 )(1 − q 8 ) · . . . In einer 1848 ver¨ offentlichten Arbeit hat Jacobi seine Gleichung systematisch ausgewertet, er sagt dort, [132, S. 221]: Die s¨ ammtlichen diesen Untersuchungen zum Grunde gelegten Entwick” lungen sind particul¨ are F¨ alle einer Fundamentalformel der Theorie der elliptischen Functionen, welche in der Gleichung (1 − q 2 )(1 − q 4 )(1 − q 6 )(1 − q 8 ) . . . ×(1 − qz)(1 − q 3 z)(1 − q 5 z)(1 − q 7 z) . . . ×(1 − qz −1 )(1 − q 3 z −1 )(1 − q 5 z −1 )(1 − q 7 z −1 ) . . . = 1 − q(z + z −1 ) + q 4 (z 2 + z −2 ) − q 9 (z 3 + z −3 ) + . . . enthalten ist.“

1.5 Jacobis Produktdarstellung∗ der Reihe J(z, q) :=

∞ P

2

qν zν

29

ν=−∞

Die Vorarbeiten zur Jacobischen Formel leistete Euler durch seinen Pentagonal!-Zahlen-Satz. 1848 schreibt Jacobi an den Sekret¨ar der Petersburger Akademie P.H. von Fuss (1797–1855), vgl. [133, S. 60]: Ich ” m¨ ochte mir bei dieser Gelegenheit noch erlauben, Ihnen zu sagen, warum ich mich so f¨ ur diese Eulersche Entdeckung interessiere. Sie ist n¨amlich der erste Fall gewesen, in welchem Reihen aufgetreten sind, deren Exponenten eine arithmetische Reihe zweiter Ordnung bilden, und auf diese Reihen ist durch mich die Theorie der elliptischen Transcendenten gegr¨ undet worden. Die Eulersche Formel ist ein specieller Fall einer Formel, welche wohl das wichtigste und fruchtbarste ist, was ich in reiner Mathematik erfunden habe.“ Jacobi wusste nicht, dass lange vor Euler schon Jacob Bernoulli und Leibniz auf Reihen gestoßen waren, deren Exponenten eine Reihe zweiter Ordnung bilden. Im Jahre 1685 stellte Jacob Bernoulli im Journal des Scavans ein Problem aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung, dessen L¨ osung er 1690 in den Acta Eruditorum gibt: dabei treten Reihen auf, von denen er ausdr¨ ucklich sagt, dass deren Exponenten arithmetische Reihen zweiter Ordnung sind. Kurze Zeit nach Bernoulli l¨ ost auch Leibniz in den Acta Eruditorum das Problem, er h¨ alt die Frage f¨ ur besonders interessant, weil sie auf noch nicht n¨ aher untersuchte Reihen f¨ uhre (ad series tamen non satis adhuc examinatas ducit). Wegen weiterer Einzelheiten vgl. den Artikel [59] von G.E. Enestr¨ om. In seiner Ars Conjectandi ist Bernoulli noch einmal auf das Problem zur¨ uckgekommen; in [12] findet man auf S. 142 die Reihe 1 − m + m3 − m6 + m10 − m15 + m21 − m28 + m36 − m45 + . . . . Bernoulli sagt, dass er die Reihe nicht summieren kann, dass sich aber leicht N¨ aherungswerthe in beliebig weit vorgetriebener Genauigkeit berechnen“ lassen ” ¨ (Zitat nach der von R. Haussner besorgten Ubersetzung von [12, S. 59]). F¨ ur m = 56 gibt Bernoulli z.B. den N¨ aherungswert 0, 52392 an, der bis auf eine Einheit in der letzten Ziffer genau ist.

Gauss hat Jacobi wissen lassen, dass er bereits um 1808 dessen Formeln kannte (vgl. den ersten Brief von Jacobi an Legendre, [129, S. 394]). Legendre, ob des Reziprozit¨ atsgesetzes und der Methode der kleinsten Quadrate u ¨ber Gauss verbittert, schreibt dazu an Jacobi [129, S. 398]: Com” ment se fait-il que M. Gauss ait os´e vous faire dire que la plupart des vos th´eor`emes lui ´etait connus et qu’il en avait fait la d´ecouverte d`es 1808? Cet exc`es d’impudence n’est pas croyable de la part d’un homme qui a assez de m´erite personnel pour n’avoir besoin des s’approprier les d´ecouvertes des autres . . .“ . Doch Gauss hatte recht: in seinem Nachlass fand sich Jacobis Fundamentalformel und mehr. Gauss’ Manuskripte wurden 1876 im dritten Band seiner Werke abgedruckt, auf Seite 440 steht (ohne Konvergenzangaben) die Formel

30

1 Unendliche Produkte holomorpher Funktionen







x3 x5 x 1+ 1+ ... (1 + xy)(1 + x y)(1 + x y) . . . 1 + y y y 





 1 1 1 1 4 9 3 1+x y+ + x yy + + x y + 3 + ... , = [xx] y yy y 3

5

wobei [xx] f¨ ur (1 − x2 )(1 − x4 )(1 − x6 ) . . . steht. Damit hat man in der Tat das Resultat von (1.21) von Jacobi. Der Herausgeber des Bandes, Schering, versichert auf Seite 494, dass diese Gaussschen Untersuchungen wohl dem Jahre 1808 angeh¨ oren. Der im Lob karge Kronecker hat die Tripel-Produkt-Identit¨at wie folgt gew¨ urdigt, [151, S. 186]: Hierin besteht die ungeheure Entdeckung J acobi’s; ” die Umwandlung der Reihe in das Produkt war sehr schwierig. Abel hat auch das Product, aber nicht die Reihe. Deshalb wollte Dirichlet sie auch als Jacobische Reihe bezeichnen.“ Die Jacobischen Formeln sind nur die Spitze eines Eisberges von faszinierenden Identit¨ aten. Im Jahre 1929 fand G.N. Watson (vgl. [266, S. 44–45]), die Quintupel-Produkt-Identit¨ at 1.10. F¨ ur alle (q, z) ∈ E × C× gilt: ∞  3ν 2 −2ν 3ν q (z + z −3ν − z 3ν−2 − z −3ν+2 ) ν=−∞ ∞ 

=

(1 − q 2ν )(1 − q 2ν−1 z)(1 − q 2ν−1 z −1 )(1 − q 4ν−4 z 2 )(1 − q 4ν−4 z −2 ),

ν=1

aus der durch Spezialisierung viele weitere Formeln entstehen, vgl. hierzu auch [90] und [64]. – Seit einigen Jahren gibt es eine Renaissance der Jacobischen Formeln in der Theorie der affinen Wurzelsysteme. Dabei wurden Identit¨aten entdeckt, die in der klassischen Theorie unbekannt waren. Eine Einf¨ uhrung mit vielen Literaturhinweisen gibt E. Neher in [182].

2. Die Gammafunktion

Q Also das Product 1 · 2 · 3 · . . . · x = x ist die Function, die meiner Meinung nach in der Analyse eingef¨ uhrt werden muss (C.F. Gauss an F.W. Bessel, 21. Nov. 1811).

1. Das Problem, die Funktion n!, n ∈ N, auf reelle Argumente auszudehnen und eine m¨ oglichst einfache Fakult¨ atenfunktion“ zu finden, die an der Stelle ” n ∈ N den Wert n! hat, f¨ uhrte Euler 1729 zur Γ -Funktion. Er gibt das unendliche Produkt z ∞

z −1 1 1 · 2z 21−z 3z 31−z 4z · · · ... = 1+ 1+ Γ (z + 1) := 1+z 2+z 3+z ν ν ν=1 als L¨ osung an1 . Euler betrachtet nur reelle Argumente; Gauss l¨asst 1811 auch komplexe Zahlen zu. Am 21. November 1811 schreibt er an Bessel, der sich ebenfalls mit dem Problem der allgemeinen Fakult¨aten besch¨aftigte: Will ” man sich aber nicht . . . zahllosen Paralogismen und Paradoxen und Widerspr¨  uchen blossstellen, so muss 1 · 2 · 3 . . . x = nicht als D e f i n i t i o n von x gebraucht werden, da eine solche nur, wenn x eine ganze Zahl ist, einen bestimmten Sinn hat, sondern man muss von einer h¨oheren a l l g e m e i n, selbst auf imagin¨are Werthe von x anwendbaren, Definition ausgehen, wovon . . . jene als specieller Fall erscheint. Ich habe folgende gew¨ahlt

x=

1 · 2 · 3 · . . . · k · kx , x + 1 · x + 2 · x + 3 · ... · x + k

wenn k unendlich wird“, vgl. [83, S. 362–63]. Wir werden in 2.2 verstehen, warum Gauss gar keine andere Wahl blieb. Eulersche und Gausssche Funktion sind durch die Gleichungen 1

Genaue Euler-Zitate findet man in den entsprechenden Abschnitten dieses Ka¨ pitels; wir st¨ utzen uns weitgehend auf den Artikel Ubersicht u ande 17, ¨ber die B¨ 18, 19 der ersten Serie von A. Krazer und G. Faber in [62, I–19, insb. XLVII– LXV]

32

2 Die Gammafunktion

Γ (z + 1) =



(z), Γ (n + 1) =



(n) = n!

f¨ ur n = 1, 2, 3, . . .

miteinander verkn¨ upft. Die Γ -Funktion ist meromorph in C; alle Pole sind von erster Ordnung, sie liegen in den Punkten -n, n ∈ N. Es hat ausschließlich historische Gr¨ unde, dass diese Funktion an der Stelle n + 1 (und nicht an der Stelle n) den Wert n! hat. Die Gausssche Notation z hat sich nicht durchgesetzt; Legendre f¨ uhrte die heute u ¨bliche Bezeichnung Γ (z) anstelle von  (z − 1) ein, vgl. [161, 2, S. 5]; seither spricht man von der Gammafunktion. 2. Im Jahre 1854 machte Weierstrass z ∞

ν 1+ F c(z) := 1/Γ (z) := z ν+1 1

den Kehrwert ∞ z z  −z log( ν+1 ν ) =z e 1+ (2.1) ν ν 1

des Eulerschen Produktes zum Ausgangspunkt der Theorie. Im Gegensatz zu Γ (z) ist F c(z) u ¨berall in C holomorph; Weierstrass sagt u ¨ber sein Produkt [275, S. 161]: Ich m¨ ochte f¨ ur dasselbe die Benennung Factorielle von u“ und ” ” die Bezeichnung F c(u) vorschlagen, indem die Anwendung dieser Function in der Theorie der Facult¨ aten dem Gebrauch der Γ -Funktion deshalb vorzuziehen sein d¨ urfte, weil sie f¨ ur keinen Werth von u eine Unterbrechung der Stetigkeit erleidet und u ¨berhaupt . . . im Wesentlichen den Charakter einer rationalen ganzen Function besitzt.“ ¨ Ubrigens entschuldigt Weierstrass sich fast f¨ ur sein Interesse an der Funktion F c(u); er schreibt (S. 158) daß die Theorie der analytischen Fa” cult¨ aten in meinen Augen durchaus nicht die Wichtigkeit hat, die ihr in fr¨ uherer Zeit viele Mathematiker beimassen.“ Heute schreibt man Weierstrass’ Factorielle“ F c vorwiegend in der ” Form   n ∞  1 z e−z/ν , γ := lim − log n = Eulersche Konstante. 1+ zeγz n→∞ ν ν 1 1 Wir setzen Δ := F c und stellen die wichtigen Eigenschaften von Δ im Paragraphen 2.1 zusammen. Im Paragraphen 2.2 wird die Γ -Funktion studiert. Zentral ist der Wielandtsche Eindeutigkeitssatz, der z.B. direkt die Gaussschen Multiplikationsformeln gibt. 3. Eine Theorie der Gammafunktion ist unvollst¨andig ohne klassische Integralformel und die Stirlingsche Formel. Integraldarstellungen waren Euler von Anbeginn an vertraut: in seiner ersten Arbeit zur Γ -Funktion aus dem Jahre 1729 findet man schon die Gleichung 1 (− log x)n dx, n ∈ N.

n! = 0

2.1 Die Weierstrasssche Funktion

Δ(z)=zeγz

Q

(1+z/ν)e−z/ν

33

ν≥1

Die zentrale Rolle spielt seit langem die Eulersche Identit¨at ∞ Γ (z) =

tz−1 e−t dt f¨ ur z ∈ C,

Re z > 0,

0

sie und die Hankelschen Formeln werden im Paragraphen 2.3 mit dem Satz von Wielandt gewonnen. Die Stirlingsche Formel mit einer universellen Absch¨ atzung der Fehlerfunktion wird im Paragraphen 2.4 ebenfalls mit dem Satz von Wielandt hergeleitet; die Fehlerfunktion wird dabei nach Stieltjesschem Vorbild (1889) durch ein uneigentliches Integral definiert. Im Paragraphen 2.5 zeigen wir, wiederum mittels des Eindeutigkeitssatzes: 1 tw−1 (1 − t)z−1 dt =

B(w, z) = 0

2.1 Die Weierstrasssche Funktion

Γ (w)Γ (z) . Γ (w + z)

Δ(z)=zeγ z

Q

(1+z/ν)e−z/ν

ν ≥1

Wir stellen grundlegende Eigenschaften der Funktion Δ zusammen, u.a. Δ ∈ O(C), Δ(z) = zΔ(z + 1), πΔ(z)Δ(1 − z) = sin πz. 2.1.1 Die Hilfsfunktion H(z) := z

∞ 

(1 + z/ν)e−z/ν .

Grundlegend

ν=1

ist: Das Produkt



(1 + z/ν)e−z/ν konvergiert normal in C.

ν≥1

ugt zu zeigen: Beweis. Sei Bn := {z ∈ C : |z| < n}, n ∈ N\{0}. Es gen¨   

 z −z/ν  e ur alle n ≥ 1. 1 − 1 +  < ∞ f¨ ν Bn ν≥1

Aus der Identit¨ at

1 1 1 + − w + ... 1− 1 − (1 − w)e = w 2! 2! 3! 

1 1 ν−1 − w + ... + ν! (ν + 1)! 

1 1 positiv sind: − ν+1 erh¨ alt man, da rechts alle Klammerausdr¨ ucke ν! w

2



(2.2)

34

2 Die Gammafunktion 2

|1 − (1 − w)e | ≤ |w| w



 1 1

1 − ν! (ν + 1)!



= |w|2 , falls |w| ≤ 1.

F¨ ur w = −z/ν folgt |1 − (1 + z/ν)e−z/ν | ≤ |z|2 /ν 2 , falls |z| ≤ ν, also:   1   1 − (1 + z/ν)e−z/ν B ≤ n2 ν 2 < ∞. n

ν≥1



ν≥n

Durch Anf¨ ugung der Exponentialfaktoren exp(−z/ν) wird im Vorangehenden  (1 + z/ν) Konvergenz erzeugt. Die Bedeutung beim divergenten Produkt ν≥1

dieses Tricks hat zuerst Weierstrass erkannt; er hat daraus eine allgemeine Theorie entwickelt, vgl. Kapitel 3. Wegen (2.2) ist H(z) := z (1 + z/ν)e−z/ν eine ganze Funktion. Nach Abschnitt 1.2.2 hat H genau in den Punkten −n, n ∈ N, Nullstellen, und zwar jeweils von 1. Ordnung. Die Identit¨ at (1 − z 2 /ν 2 ) = π −1 z sin πz (2.3) −H(z)H(−z) = z 2 ν≥1

folgt direkt; sie besagt, dass H(z) im wesentlichen aus der H¨alfte der Faktoren ” des Sinusproduktes“ besteht. – Es gilt weiter:

1 1 1 −γ (2.4) mit γ := lim 1 + + + . . . + − log n ∈ R. H(1) = e n→∞ 2 3 n Beweis. Wegen

n  

1+

ν=1

H(1) = lim

n→∞

n



1+

ν≥1

1 ν

1 ν



= n + 1 gilt:



exp −

1 ν



⎞ n  1⎠ = lim exp ⎝log(n + 1) − . n→∞ ν ⎛

ν≥1



Da H(1) > 0, so folgt: γ := − log H(1) = lim − log(n + 1) ∈ R. n→∞ ν=1    1 Wegen log(n + 1) − log n = log 1 + n und lim log 1 + n1 = 0 ergibt sich n→∞ die Behauptung.  n 

1 ν

Die reelle Zahl γ heißt die Eulersche Konstante. Es gilt γ = 0, 5772156 . . . Euler hat diese Zahl 1734 eingef¨ uhrt und bis auf 6 Dezimalstellen berechnet, [62, I14, S. 94]; im Jahre 1781 gibt er 16 Dezimalstellen an [62, I-15, S. 115], von denen die ersten 15 richtig sind. Es ist nicht bekannt, ob γ rational oder irrational ist; auch ist es bisher nicht gelungen, eine Darstellung f¨ ur γ mit einfachen arithmetischen Bildungsgesetzen, wie man sie z.B. f¨ ur e und π kennt, zu finden.

2.1 Die Weierstrasssche Funktion

Q

Δ(z)=zeγz

(1+z/ν)e−z/ν

35

ν≥1

Mit nz := ez log n gilt: z

n

(1 + z/ν)e−z/ν

ν=1

% $  n  z(z + 1) · . . . · (z + n) 1 , = exp z log n − n!nz ν ν=1

daher l¨ asst sich H auch wie folgt schreiben: H(z) = e−γz lim

n→∞

z(z + 1) · . . . · (z + n) . n!nz

(2.5)

achsten Abschnitt eingewoben. Der hier st¨ orende Faktor e−γz wird im n¨ Aufgabe: Seien p, q ∈ N\{0}. Man zeige:

lim

n→∞

% 

 qn q sin πz z z · = exp z log · , z ∈ C× . 1− 1+ ν ν p πz ν=1

$ pn ν=1

(Pringsheim 1915.) Hinweis. Man zeige u.a., dass f¨ ur q > p gilt: lim

qn 

n→∞ pn+1

1 ν

= log pq .

2.1.2 Die Funktion Δ(z) := eγz H(z). Die ganze Funktion Δ(z) := eγz H(z) hat genau in den Punkten −n, n ∈ N, Nullstellen, und zwar jeweils von 1. Ordnung. Es gilt Δ(z) = Δ(z), Δ(x) > 0 f¨ ur alle x ∈ R, x > 0. Aus (2.4) und(2.5) folgt Δ(1) = 1, Δ(z) = lim

n→∞

z(z + 1) · . . . · (z + n) . n!nz

(2.6)

Hieraus erh¨ alt man wegen lim(z + n + 1)/n = 1 sofort die Funktionalgleichung Δ(z) = zΔ(z + 1). Zwischen der Sinusfunktion und der Funktion Δ besteht die Gleichung πΔ(z)Δ(1 − z) = sin πz.

(2.7)

Beweis. Klar mit (2.3), da Δ(z)Δ(1 − z) = −z −1 Δ(z)Δ(−z) = −z −1 H(z)H(−z).



In 2.2.5 ben¨ otigen wir die Multiplikationsformel



√ 1 2 k−1 1 (k−1) Δ · ... · Δ = k f¨ (2π) 2 Δ ur k = 2, 3, . . . . (2.8) k k k

36

2 Die Gammafunktion

Beweis. Wir benutzen die bekannte Gleichung 2k−1

k−1

κ sin π = k. k κ=1

(2.9)

[ Diese folgt am schnellsten, wenn man unter Beachtung von sin z = k−1  iπκ/k (2i)−1 eiz (1 − e−2iz ) und e = eiπ(h−1)/2 = ik−1 das Sinusprodukt κ=1

in (2.9) in der Form (2i)1−k j k−1

k−1

(1 − e−2iπκ/k )

κ=1

schreibt und 1 + w + . . . + wk−1 =

wk −1 w−1

k−1 

=

(w − e−2iπκ/k) f¨ ur w = 1

κ=1

benutzt. ] Da

k−1 

Δ

κ k

κ=1

=

k−1  κ=1

  Δ 1 − κk offensichtlich gilt, so ergibt sich mit (2.3)

und (2.9): k−1

Δ

κ=1

κ 2 k

=

k−1

Δ

κ=1

κ

k−1

κ 1 κ Δ 1− = sin π = k/(2π)k−1 . k k π k κ=1

Da Δ(x) > 0 f¨ ur x > 0, folgt die Behauptung durch Wurzelziehen. Aufgabe.



Zeigen Sie Δ(z) = z

Y„ ν≥1

ν ν+1

«z “ 1+

z” ν

(Weierstass 1876).

2.2 Die Gammafunktion Wir definieren Γ (z) := 1/Δ(z) und u ¨bersetzen die Resultate des vorangehenden Paragraphen in Aussagen u ¨ber die Gammafunktion; damit ist deren Theorie rein multiplikativ begr¨ undet.

2.2 Die Gammafunktion

37

2.2.1 Eigenschaften der Γ -Funktion. Zun¨achst ist unmittelbar klar: Die Funktion Γ (z) ist holomorph und nullstellenfrei in C\{0, −1, −2, . . . }, der Punkt −n, n ∈ N, ist ein Pol erster Ordnung von Γ (z). Es gilt Γ (z + 1) = zΓ (z) mit Γ (1) = 1 (Funktionalgleichung).

(2.10)

Die Funktionalgleichung (2.10) steht im Zentrum der ganzen weiteren Theorie. Kennt man etwa Γ (z) im Streifen 0 < Re z ≤ 1, so findet man mit (2.10) sofort die Werte im Nachbarstreifen 1 < Re z ≤ 2 usf. Allgemein gewinnt man aus (2.10) induktiv f¨ ur n ∈ N\{0}: Γ (z + n) = z(z + 1) · . . . · (z + n − 1)Γ (z), Γ (n) = (n − 1)! .

(2.11)

Wir bestimmen sofort die Residuen der Gammafunktion: res−n Γ =

(−1)n , n ∈ N. n!

(2.12)

Beweis. Da −n ein Pol erster Ordnung von Γ ist, so gilt (vgl. z.B. Satz I.13.1.2): res−n Γ = lim (z + n)Γ (z). Wegen (2.11) folgt: z→−n

Γ (z + n + 1) z(z + 1) · . . . · (z + n − 1) (−1)n Γ (1) = . = (−n)(−n + 1) · . . . · (−1) n!

resn Γ = lim

z→−n

 Bemerkung. Jede Funktion h(z) ∈ M(C), die der Gleichung h(z + 1) = zh(z) mit h(1) ∈ C× gen¨ ugt, hat in −n, n ∈ N, einen Pol 1. Ordnung mit dem Residuum (−1)n h(1)/(n!). Die Formel (2.6) f¨ ur Δ(z) wird zur Gaussschen Produktdarstellung n!nz n→∞ z(z + 1) . . . (z + n)

Γ (z) = lim

(2.13)

Plausibilit¨ atsbetrachtung, warum (2.13) die einzige“ Gleichung f¨ ur Funktio” nen f ist, die (2.10) erf¨ ullen: F¨ ur alle z, n ∈ N gilt wegen (2.10): f (z + n) = (n − 1)! n(n + 1) · . . . · (n + z − 1)





2 z−1 1 z 1+ · ... · 1 + . = (n − 1)! n 1 + n n n ur große n, genauer: Man sieht f (z + n) ∼ (n − 1)!nz f¨ lim f (z + n)/((n − 1)!nz ) = 1.

n→∞

38

2 Die Gammafunktion

Postuliert man diese Asymptotik f¨ ur beliebige z, so f¨ uhrt (2.11) zwingend zu f (z + n) (n − 1)!nz = lim , n→∞ z(z + 1) · . . . · (z + n − 1) n→∞ z(z + 1) · . . . · (z + n − 1)

f (z) = lim

was wegen lim n/(z + n) = 1 gerade die Gausssche Gleichung (2.13) ist. Vgl. hierzu auch Abschnitt 2.3.4. Mit (2.11) und (2.13) folgt direkt: lim

n→∞

Γ (z + n) = 1. Γ (n)nz

(2.14)

Die Formel (2.7) u anzungssatz ¨bersetzt sich in den Eulerschen Erg¨ Γ (z)Γ (1 − z) =

π sin πz

.

(2.15)

Aus der Definition von Γ (z) folgt direkt: Γ (z) = Γ (z) und Γ (x) > 0 f¨ ur x > 0. Da |nz | = nx und |z + ν| ≥ x + ν f¨ ur alle z mit x = Re z > 0, so folgt mit (2.13) |Γ (z)| ≤ Γ (x) f¨ ur alle z ∈ C mit x = Re z > 0. (2.16) Insbesondere ist Γ (z) in jedem Streifen {z ∈ C : r ≤ x ≤ s} mit 0 < r < s < ∞ beschr¨ ankt; dies wird im Beweis des Eindeutigkeitssatzes (Satz 2.4) ben¨ otigt. Wir notieren einige Folgerungen aus (2.15). √ √ 1 Γ ( 12 ) = π, allgemeiner: Γ (n + 12 ) = (2n)! 4n n! π, n ∈ N, 2 Γ ( 12 + z)Γ ( 12 − z) = 3 |Γ (iγ)|2 = 4

1 0

π γ sinh πγ ,

log Γ (t) dt = log

π cos πz ,

Γ (z)Γ (−z) = − z sinπ πz , (2.2.1)

|Γ ( 12 + iγ)|2 =

π cosh πγ ,

√ 2π (Raabe 1843, Crelle 25 und 28).

Beweis. 1) und 2) folgen aus (2.15). 3) folgt aus 2), wenn man Γ (z) = Γ (z), sinh t = −i sin it und cosh t = cos it beachtet. 4). Der Erg¨ anzungssatz (2.15) liefert: 1

1 log Γ (1 − t)dt = log π −

log Γ (t) dt + 0

1

0

log sin πt dt. 0

Hieraus folgt 4) sofort mit (1.7) und der dortigen Fußnote.



2.2 Die Gammafunktion

39

Aufgaben. 1. F¨ ur alle z ∈ C\{1, −2, 3, −4, . . . } gilt: √ “ z”“ z” π z”“ 1− 1+ · ... = . (1 − z) 1 + 1 2 3 4 Γ (1 + 2 z)Γ ( 12 − 12 z) 2. F¨ ur alle z ∈ C gilt: sin πz = πz(1 − z)

∞ “ Q

1+

n=1

z(1−z) n(n+1)

” .

Hinweis. Man benutze die Faktorisierung n2 + n + z(1 − z) = (n + z)(n + 1 − z) und (2.15). 2.2.2 Historische Notizen. Die Eulersche Relation (2.15) war Euler sp¨ atestens 1749 gel¨ aufig, vgl. [62, I-15,S. 82]. Gauss machte 1812 das Produkt (2.13) zum Ausgangspunkt der Theorie, [81, S. 145]. Es scheint Gauss nicht bekannt gewesen zu sein, dass Euler 1776 die Formel (2.13) bereits vorweggenommen hatte, [62, I-16, S. 144]; auch Weierstrass gibt noch 1876 Gauss als Entdecker an, [274, S. 91].  Es hat sich eingeb¨ urgert, – vgl. z.B. [279, S. 236], – das Produkt zΓ (z) = e−γz

ν≥1

ez/ν 1 + z/ν

(2.17)

nach Weierstrass zu benennen. Es kommt aber bei ihm in dieser Form nicht vor; in [274, S. 91], findet sich allerdings das Produkt ∞ & x  −x log[(n+1)/n] ' e 1+ n n=1

f¨ ur die Faktorielle“ 1/Γ (x). ” Die Formel (2.17) wurde im letzten Jahrhundert sehr bewundert. So schreibt Hermite am 31. Dezember 1878 an Lipschitz . . . son [Weierstrass’] ” th´eor`eme concernant 1/Γ (z) aurait du occuper une place d’honneur qu’il est bien singulier qu’on ne luit ait pas donn´e“, vgl. [244, S. 140].2 – Die Gleichung (2.17) findet sich schon 1843 bei O. Schl¨ omilch und 1848 bei F.W. Newman, vgl. [247, S. 171] und [185, S. 57]. z  ( ) Wegen ez/ν = 1 + ν1 exp z ν1 log ν − log(ν + 1) und ⎞ ⎛ n  1 − log(n + 1)⎠ = γ lim ⎝ n→∞ ν ν≥1

2

Lobesbriefe waren damals keine Seltenheit; es gab die Soci´et´e d’admiration mu” `n die Gruppe Hermite, Kowalewskaja, tuelle“, wie der Astronom H. Glyde Mittag-Leffler, Picard, Weierstrass nannte.

40

2 Die Gammafunktion

erh¨ alt man aus (2.17) sofort z

ν z−1 · (ν + 1)z z −1 1 = 1+ 1+ (Euler 1729). zΓ (z) = ν+z ν ν ν≥1

ν≥1

Dieses Produkt war f¨ ur Euler die L¨ osung des Problems, die Fakult¨atenfolge 1, 2, 6, 24, 120, . . . zu interpolieren, vgl. [62, I-14, S. 1-24]. Auf das Eulersche Produkt wird bei Weierstrass nirgends verwiesen. Schreibt man u/ν statt z in (2.11)   u Γ . v v Das endliche Produkt links wurde unter dem Namen analytische Fakult¨ at in der ersten H¨ alfte des 19. Jahrhunderts intensiv studiert. Man hatte f¨ ur diese Funktion dreier Ver¨ anderlichen sogar das eigene Zeichen un|v erfunden. Gauss wendet sich 1812 gegen diesen Unsinn mit den Worten [81, S. 147]: Sed consultius videtur, functionem unius variabilis in analysin introducere, ” quam functionem trium variabilium, praesertim quum hanc ad illam reducere liceat“ (Es scheint aber ratsamer, eine Funktion einer Ver¨anderlichen in die Analysis einzuf¨ uhren als eine Funktion dreier Ver¨anderlichen, um so mehr, als diese sich auf jene zur¨ uckf¨ uhren l¨ asst). Ungeachtet solcher Kritik bl¨ uhte zun¨ achst noch die Theorie der analytischen Fakult¨aten, z.B. durch Arbeiten von Bessel, Crelle und Raabe. Erst Weierstrass setzte 1856 mit seiner Arbeit [274] diesen Aktivit¨ aten ein Ende. u(u + v)(u + 2v) · . . . · (u + (n − 1)v) = v n Γ

u

+n

2.2.3 Die logarithmische Ableitung ψ := Γ  /Γ . Γ  /Γ ∈ M(C) den Gleichungen

Es gen¨ ugt ψ :=

ψ(z + 1) = ψ(z) + z −1 , ψ(1 − z) − ψ(z) = π cot πz.

(2.18)

Diese Formeln liest man auch aus folgender Reihenentwicklung ab. Satz 2.1. [Partialbruchdarstellung von ψ(z).] ∞

1 1 1  − ; ψ(z) = −γ − − z ν=1 z + ν ν dabei konvergiert die Reihe normal in C. Beweis. Wegen Γ = 1/Δ gilt ψ = −Δ /Δ. Daher folgt die Behauptung  aus Satz 1.5 durch logarithmische Differentiation von Δ(z) = zeγz (1 +  z/ν)e−z/ν . Korollar 2.2. Es gilt Γ  (1) = ψ(1) = −γ; ψ(k) = 1 +

1 1 + ··· + − γ f¨ ur k = 2, 3 . . . 2 k−1

2.2 Die Gammafunktion

Beweis. Es ist Γ  (1) = ψ(1) = −γ − 1 −

 ν≥1

1 ν+1



1 ν



41

= −γ − 1 + 1 = −γ.

Die Behauptung f¨ ur ψ(k) folgt dann induktiv mittels (2.18).



Korollar 2.3 (Partialbruchdarstellung von ψ  (z)). Es gilt ψ  (z) =

∞ 

1 , (z + ν)2 ν=0

dabei konvergiert die Reihe normal in C. Beweis. Klar, da man (z.B. nach Satz I.11.1.2) normal konvergente Reihen meromorpher Funktionen gliedweise differenzieren darf.  Man bemerkt, dass die Reihen f¨ ur ψ bzw. ψ  im wesentlichen die halben“ ” Partialbruchreihen von π cot πz bzw. π 2 / sin2 πz sind (vgl. Satz I.11.2.1 und Satz 2.2.3). Die erste Gleichung in (2.18) erm¨ oglicht einen additiven Zugang zur Gammafunktion. Diesen Weg w¨ ahlte N. Nielsen 1906 in seinem Handbuch [186]. Man kann auch die Funktionalgleichung g(z + 1) = g(z) − z −2 , ost wird, an die Spitze stellen: f¨ ur jede L¨osung g ∈ M(C) dieser die von ψ  gel¨ Gleichung gilt (Beweis durch Induktion) g(z) =

n 

1 + g(z + n + 1); (z + ν)2 ν=0

¨ die Partialbruchreihe f¨ ur ψ  ist also keine Uberraschung. Aufgabe.

Zeigen Sie: ψ(1) − ψ( 21 ) = 2 log 2.

2.2.4 Das Eindeutigkeitsproblem. Die Exponentialfunktion ist die einzige in 0 holomorphe Funktion F : C → C mit F  (0) = 1, die der Funktionalgleichung F (w +z) = F (w)F (z) gen¨ ugt. L¨ asst sich auch die Γ -Funktion durch ihre Funktionalgleichung F (z + 1) = zF (z) charakterisieren? Zun¨achst wird diese Gleichung von allen Funktionen F := gΓ , wo g ∈ M(C) die Periode 1 hat, gel¨ ost. Von H. Wielandt wurde 1939 gezeigt: Eindeutigkeitssatz 2.4. Es sei F holomorph in der rechten Halbebene T := {z ∈ C : Re z > 0}. Es gelte F (z + 1) = zF (z), weiter sei F im Streifen S := {z ∈ C : 1 ≤ Re z < 2} beschr¨ ankt. Dann folgt F = aΓ in T mit a := F (1).

42

2 Die Gammafunktion

Beweis. (Demonstratio fere pulchrior theoremate). F¨ ur v := F − aΓ ∈ O(T) gilt ebenfalls v(z +1) = zv(z). Daher hat v eine meromorphe Fortsetzung nach C. Pole liegen h¨ ochstens bei 0, −1, −2, . . . . Da v(1) = 0, so folgt lim zv(z) = 0, z→0

also ist v holomorph nach 0 fortsetzbar. Wegen v(z + 1) = zv(z) ist v auch in jeden Punkt −n, n ∈ N, holomorph fortsetzbar. Da Γ |S beschr¨ ankt ist, vgl. (2.16), so ist auch v|S beschr¨ankt. Dann ist v ur z ∈ S 0 aber auch im Streifen S0 := {z ∈ C : 0 ≤ Re z ≤ 1} beschr¨ankt (f¨ mit | Im z| ≤ 1 folgt das aus der Stetigkeit, f¨ ur | Im z| > 1 folgt das wegen v(z) = v(z + 1)/z aus der Beschr¨ anktheit von v|S). Da v(1 − z) und v(z) in S0 dieselben Werte annehmen, ist q(z) := v(z)v(1 − z) ∈ O(C) in S0 beschr¨ankt. Da q(z + 1) = −q(z) (!), so ist q in ganz C beschr¨ankt. Nach Liouville folgt q(z) ≡ q(1) = v(1)v(0) = 0. Also gilt v ≡ 0, d.h. F = aΓ .  Wir werden f¨ unf u ¨berzeugende Anwendungen des Eindeutigkeitssatzes kennenlernen: Im n¨ achsten Abschnitt gibt er in wenigen Zeilen die Gaussschen Multiplikationsformeln; im Paragraphen 2.3 erm¨oglicht er kurze Beweise f¨ ur die Eulersche und Hankelsche Integraldarstellung von Γ (z); im Paragraphen (2.4.2) f¨ uhrt er zur Stirlingschen Formel und im Paragraphen (2.4.6) liefert er sofort die Eulersche Identit¨at f¨ ur das Beta-Integral. Eine elementare Charakterisierung der reellen Γ -Funktion mit Hilfe des Begriffes der logarithmischen Konvexit¨ at – ohne Differenzierbarkeitsbedingungen – findet man 1931 bei E. Artin in seinem B¨ uchlein [4], n¨ amlich: Eindeutigkeitssatz 2.5 (H. Bohr und J. Mollerup, 1922). (Vgl. [26, S. 149 ff.]) Es sei F : (0, ∞) → (0, ∞) eine Funktion mit folgenden Eigenschaften: a) F (x + 1) = xF (x) f¨ ur alle x > 0 und F (1) = 1. b) F ist logarithmisch konvex (d.h. log F ist konvex) in (0, ∞). Dann folgt F = Γ |(0, ∞). Die Eigenschaft b) ist f¨ ur Γ (x) erf¨ ullt, da nach (2.2.3) gilt (log Γ (x)) = ψ  (x) =

X

1 > 0 f¨ ur x > 0. (x + ν)2

Historische Bemerkung. Weierstrass hat 1854 bemerkt, [275, 193–194], dass die Γ -Funktion die einzige L¨ osung der Funktionalgleichung F (z + 1) = zF (z) mit der Normierung F (1) = 1 ist, welche u ¨berdies der Limesbedingung lim

n→∞

F (z + n) nz F (n)

gen¨ ugt (das ist offensichtlich: die ersten beiden Forderungen implizieren F (z) =

F (z + n) (n − 1)! · ; z(z + 1) · . . . · (z + n − 1) F (n)

mit der dritten Bedingung wird dies zum Gauss-Produkt).

2.2 Die Gammafunktion

43

Hermann Hankel (1839–1873, Sch¨ uler von Riemann) hat 1863 in seiner Habilitationsdissertation (Leipzig, bei L. Voss) nach handlichen Bedingungen u ur unendliche Werthe des x[= z]“ gesucht. ¨ber das Verhalten der Function f¨ ” ¨ Er ist mit seinem Ergebnis unzufrieden: Uberhaupt scheint es, als ob die Defi” nition von Γ (x) durch ein System von Bedingungen, ohne Voraussetzung einer explicirten Darstellung derselben, nur in der Weise gegeben werden kann, dass man das Verhalten von Γ (x) f¨ ur x = ∞ in dieselbe aufnimmt. Die Brauchbarkeit einer solchen Definition ist aber sehr gering, insofern es nur in den seltensten F¨ allen m¨ oglich ist, ohne grosse Weitl¨aufigkeiten und selbst Schwierigkeiten den asymptotischen Werth einer Function zu bestimmen“ ([103, S. 5]) . Erst 1922 gelang Bohr und Mollerup die Charakterisierung der reellen Γ -Funktion mittels logarithmischer Konvexit¨ at. Dies ist aber – ungeachtet der sofort u ¨berzeugenden Anwendungen, vgl. [4] – keine Charakterisierung, wie sie Hankel vorschwebte. Eine solche gab erst 1939 H. Wielandt. Man findet seinen Satz kaum in der Literatur, wenngleich K. Knopp ihn 1941 sogleich in seine Funktionentheorie II, Sammlung G¨ oschen 703, 47–49, aufnahm. Bereits 1914 leitete G.D. Birkhoff in seiner Arbeit Note on the gamma function, Bull. AMS 20, 1–10 (1914), den Satz von Euler (S. 45) und die Eulersche Identit¨at (S. 58) mit Hilfe des Liouvilleschen Satzes her: Er untersucht die Quotienten der Funktionen zun¨ achst im abgeschlossenen Streifen {z ∈ C : 1 ≤ Re z ≤ 2} und zeigt dann, dass sie beschr¨ankte ganze Funktionen und daher konstant sind, loc. cit. S. 8 und 10. Schwebte ihm vielleicht schon ein Eindeutigkeitssatz `a la Wielandt vor? 2.2.5 Multiplikationsformeln. Die Gammafunktion gen¨ ugt den Gleichungen





2 k−1 1 Γ z+ · ... · Γ z + (2.19) Γ (z)Γ z + k k k 1

1

= (2π) 2 (k−1) k 2 −kz Γ (kz), k = 2, 3, . . . .       1 1 ·. . .·Γ z+k−1 /(2π) 2 (k−1) k 2 −z ∈ O(C− ) Beweis. F¨ ur F (z) := Γ kz Γ z+1 k k gilt

z −1 z+k = zF (z); F (z) · Γ F (z + 1) = kΓ k k weiter folgt F (1) = 1 sofort mit (2.14) Da |k z | = k x und |Γ (z)| ≤ Γ (x), falls x = Re z > 0, vgl. (2.16), so ist F in {z ∈ C : 1 ≤ Re z < 2} beschr¨ankt. Mit dem Eindeutigkeitssatz 2.4 folgt F = Γ , also F (kz) = Γ (kz), d.h. (2.19).  Historische Notiz. Bereits um 1776 kannte Euler die Formeln



√ 1 2 k−1 1 Γ · ... · Γ = (2π) 2 (k−1) , [62, I-19, S. 483]; (2.20) kΓ k k k

44

2 Die Gammafunktion

√ sie verallgemeinern die Gleichung Γ ( 12 ) = π. Die Gleichungen (2.19) wurden 1812 von Gauss bewiesen, [81, S. 150]; auch E. E. Kummer gab noch 1847 einen Beweis, [152].  Logarithmische Differentiation macht aus (2.19) die handlichen Summenformeln: ψ(kz) = log k +

k−1 1 κ , k = 2, 3, . . . . ψ k+ k κ=0 k

F¨ ur k = 2 wird (2.19) zur

Verdoppelungsformel:

√ 1 π Γ (2z) = 22z−1 Γ (z)Γ (z + ), 2

(2.21)

die bereits 1811 von Legendre angegeben wurde, [161, 1, S. 284]. Die Identit¨ aten (2.19) enthalten Multiplikationsformeln f¨ ur sinπz. F¨ ur alle k ∈ N, k ≥ 2, gilt:





2 k−1 1 k−1 sin π z + · . . . · sin π z + . sin πz sin π z + sin kπz = 2 k k k Beweis. Die Eulersche Formel (2.15) und (2.11) liefern wegen 1 − kz = k(−z + 1/k): π(sin kπz)−1 = Γ (kz)Γ (k(−z + 1/k)) = (2π)1−k

κ=0

Da offensichtlich

k−2  κ=0

 Γ −z +

1+κ k





1+κ κ Γ −z + . Γ z+ k k

k−1 

=

k−1  κ=1

  Γ 1 − z − κk , so folgt

κ + κ Γ 1− z+ Γ z+ k k κ=1   k−1

 κ −1 = (2π)1−k π(sin πz)−1 π sin π z + . k κ=1

π(sin kπz)−1 = (2π)1−k Γ (z)Γ (1 − z)

k−1 *

Die Verdopplungsformel f¨ uhrt zu einem weiteren Eindeutigkeitssatz.



2.2 Die Gammafunktion

45

Eindeutigkeitssatz 2.6. Es sei F ∈ M(C) positiv in (0, ∞), und es gelte: F (z + 1) = zF (z) und

√ 1 πF (2z) = 22z−1 F (z)F (z + ). 2

Dann folgt F = Γ . Beweis. F¨ ur g := F/Γ ∈ M(C) gilt g(2z) = g(z)g(z + 12 ) und g(z + 1) = g(z). Es folgt g(x) > 0 f¨ ur alle x ∈ R. Wegen Lemma 1.6 gilt dann g(z) = aebz , wobei jetzt b ∈ R. Da g die Periode 1 hat, folgt b = 0, d.h. g(z) ≡ 1, d.h. F = Γ.  Aufgaben. 1. Man zeige: 2.

R1

R1

log Γ (t) dt = log

0

log Γ (ζ + z) dζ = log

0

3. 1 +

1 2

+

1 3

+ ... +

1 k−1

√ 2π direkt mit der Verdopplungsformel (2.21)

√ 2π + z log z − z f¨ ur z ∈ C\(−∞, 0) (Raabe-Funktion).

−γ =

1 k

k−1 P κ=0

´ ` ψ 1 + κk , k = 2, 3, . . . .

2.2.6 Satz von H¨ older∗ . Man kann fragen, ob die Γ -Funktion – analog wie die Funktionen exp z und cos z, sin z – einer einfachen Differentialgleichung gen¨ ugt. Dies ist nicht der Fall; von O. H¨ older wurde 1886 bewiesen, vgl. [121]: Satz von H¨ older 2.7. Die Γ -Funktion gen¨ ugt keiner algebraischen Differentialgleichung, d.h. es gibt kein Polynom F (X, X0 , X1 , . . . , Xn ) = 0 in endlich vielen Unbestimmten u ¨ber C, so dass gilt: F (z, Γ (z), Γ  (z), . . . , Γ (n) (z)) ≡ 0. Von Weierstrass war als Aufgabe gestellt, diesen Satz zu verifizieren. Es gibt eine Reihe von Beweisen, so z.B. von E. H. Moore (1897), F. Hausdorff (1925) und von A. Ostrowski (1919/1925), vgl. [178, 109, 196]. Der Ostrowskische Beweis von 1925 gilt als besonders einfach, man findet ihn u.a. bei [20, 356–359]. Alle Beweise konstruieren einen Widerspruch zwischen der Funktionalgleichung Γ (z + 1) = zΓ (z) und der unterstellten Differentialgleichung. 2.2.7 Der Logarithmus der Γ -Funktion∗ . Da Γ (z) im Sterngebiet C− = C\(−∞, 0] nullstellenfrei ist, so ist ψ(z) = Γ  (z)/Γ (z) dort holomorph und  ψ(ζ)dζ, z ∈ C− , mit l(1) = 0 (2.22) l(z) := [1,z]

46

2 Die Gammafunktion

als Stammfunktion der logarithmischen Ableitung von Γ (z) ein Logarithmus ur diese zu Γ (z) d.h. es gilt el(z) = Γ (z), vgl. I.9.3. Man schreibt log Γ (z) f¨ Funktion l(z); diese Schreibweise bedeutet aber nicht, dass l(z) in C− durch Einsetzen von Γ (z) in die Funktion log z erhalten wird. Mit Satz 2.1 folgt aus (2.22) leicht: log Γ (z) = −γz − log z +

z + − log 1 + , z ∈ C− . ν ν

∞ *  z ν=1

Beweis. Da die Partialbruchreihe −γ − ζ1 −

∞  ν=1

1 ζ+ν



1 ν



(2.23)

in C− normal kon-

vergiert, ur z ∈ C− und  man −gliedweise integrieren, vgl. I.8.4.4. Da f¨  ν ≥ 1  darf z stets 1 + ν ∈ C und log(z + ν) − log(1 + ν) = log 1 + νz − log 1 + ν1 gilt (!), so entsteht:  ∞   1 z log Γ (z) = −γz + γ − log z − log(z + ν) − log(1 + ν) − + ν ν ν=1

  ∞

  z z 1 1 − log 1 + + log 1 + − . = −γz + γ + ν ν ν ν ν=1 Da

n (  1 ν=1

ν

n )   − log 1 + ν1 =

ν=1

1 ν

− log(n + 1) gegen γ strebt, folgt (2.23).



Wir betrachten nun in E die Funktion log Γ (z + 1). Ihre Taylor-Reihe um 0 hat den Konvergenzradius 1; wir behaupten: log Γ (z + 1) = −γz + Beweis. Da

1 z+ν



1 ν

=

1 ν

∞ ∞   (−1)n 1 ζ(n)z n , wobei ζ(n) := . n νn n=2 ν=1

1 1+z/ν

 ∞  −1 = n=1

(−1)n ν

 z n ν

(2.24)

, falls |z| < ν, so gilt

∞  ∞ ∞   (−1)n  n = −γ + z (−1)n ζ(n)z n−1 , z ∈ E, ψ(z + 1) = −γ − n+1 ν ν=1 n=1 n=2 auf Grund von (2.19) und Satz 2.2.1. Wegen (log Γ (z + 1)) = ψ(z + 1) und log Γ (1) = 0 folgt (2.24).  Aus der Reihe (2.24) entsteht f¨ ur z = 1 die Formel γ=

∞  (−1)n ν=2

n

ζ(n) (Euler 1769).

(2.25)

Beweis. Wegen ζ(n + 1) < ζ(n) fallen die Glieder der alternierenden Reihe rechts monoton gegen 0, daher ist die Reihe konvergent. Man kann somit auf (2.24) den Abelschen Grenzwertsatz anwenden:

2.3 Eulersche und Hankelsche Integraldarstellung von Γ (z)

47

∞ ∞   (−1)n (−1)n ζ(n) = lim ζ(n)xn = γ + log Γ (2) = γ. x1 n n n=2 n=2

 Historische Notiz. Aus der Reihe (2.24) lassen sich rascher konvergente Reihen f¨ ur log Γ (z + 1) gewinnen, vgl. z.B. [186, S. 38]. Damit kann man bei guter Kenntnis der ersten Werte ζ(n) die Logarithmen der Gammafunktion tabellieren. Die erste solche Tafel stellte Legendre auf: sie enth¨alt die Werte von log Γ (x + 1) von x = 0 bis x = 0, 5 mit den Abst¨anden 0,005 bis auf 7 Dezimalstellen. Sp¨ ater hat Legendre Tafeln von x = 0 bis x = 1 mit dem Abstand 0.001 ver¨ offentlicht, die bis auf 7 Stellen nach dem Komma korrekt sind, [161, 1, 302–306]; 1817 hat er diese Tabellen bis auf 12 Stellen nach dem Komma verbessert, [161, 2,85–95]. Gauss hat 1812 die Funktionswerte von ψ(1 + x) und log Γ (1 + x) von x = 0 bis x = 1 mit dem Abstand 0.01 bis auf 20 Dezimalstellen angegeben, [81, 161–162]. - Die Gleichung (2.25) hat Euler 1769 mitgeteilt [62, I-15, S. 119].

2.3 Eulersche und Hankelsche Integraldarstellung von Γ (z) Bereits 1729 – in seiner ersten Arbeit [62, I-14, S. 1–24] zur Gammafunktion – bemerkt Euler, dass die Fakult¨ atenfolge 1, 2, 6, 24, . . . durch die Integrale 1 (− log τ )n dτ, n ∈ N,

n! = 0

gegeben wird, loc. cit. S. 12. Allgemein gilt 1 (− log τ )z dτ, falls Re z > −1;

Γ (z + 1) = 0

hieraus entsteht mit z statt z + 1 und t:= − log τ die Gleichung ∞ Γ (z) =

tz−1 e−t dt, z ∈ T := {z ∈ C : Re z > 0}.

(2.26)

0

Das uneigentliche Integral rechts in (2.26) wurde 1811 von Legendre das Eulersche Integral 2. Art genannt, [161, 1, S. 221]. Die Existenz liegt nicht auf der Hand; wir beweisen Konvergenz und Holomorphie im folgenden Abschnitt 2.3.1. Die Identit¨ at (2.26) ist ein Kernst¨ uck der Theorie der Gammafunktion; wir beweisen sie im Abschnitt 2.3.2 mit Hilfe des Eindeutigkeitssatzes 2.4.

48

2 Die Gammafunktion

Mittels dieses Satzes gewinnen wir im Abschnitt 2.3.4 auch die Hankelschen Formeln f¨ ur Γ (z). Integraldarstellungen der Γ -Funktion haben seit Euler immer wieder das Interesse der Mathematiker gefunden. So promovierte R. Dedekind 1852 in ¨ G¨ottingen mit einer Arbeit Uber die Elemente der Theorie der Eulerschen Integrale, vgl. Ges. Math. Werke 1, 1–31, und H. Hankel habilitierte sich 1863 in Leipzig mit einer Schrift Die Eulersche Integrale bei unbeschr¨ ankter Variabilit¨at des Argumentes, vgl. [103]. Wir erinnern an folgendes

2.3.1 Konvergenz des Eulerschen Integrals. Majorantenkriterium.

Satz 2.8. Es sei g : D × [a, ∞) → C stetig, wobei D ⊂ C ein Bereich und a ∈ R ist. Es gebe eine Funktion M (t) in [a, ∞), so dass gilt: ∞ M (t)dt ∈ R existiert.

|g(z, t)| ≤ M (t) f¨ ur alle z ∈ D, t ≥ a, und a

Dann konvergiert

∞ 

g(z, t)dt gleichm¨aßig und absolut in D. Falls g(z, t) ∈

a

O(D) f¨ ur jedes t ≥ a, so ist

∞ 

g(z, t)dt holomorph in D.

a

Beweis. Sei ε > 0. W¨ ahle b ≥ a, so dass

∞ 

M (t)dt ≤ ε. Dann folgt

b

c    c c    g(z, t)dt ≤ |g(z, t)|dt ≤ M (t)dt ≤ ε f¨ ur alle z ∈ D und c ≥ b.     b

b

b

Nach dem Cauchyschen Konvergenzkriterium folgt die gleichm¨aßige und absolute Konvergenz des Integrals in D. Ist g f¨ ur festes t immer holomorph in D, s so gilt im Falle a < r < s < ∞ stets g(z, t)dt ∈ O(D), vgl. Abschnitt I.8.2.2. Dann gilt auch

∞ 

r

g(z, t)dt ∈ O(D). (Diese Holomorphie l¨asst sich u ¨brigens mit

a

Hilfe des Satzes von Vitali bequemer zeigen, vgl. Abschnitt 7.4.2). F¨ ur r ∈ R bezeichne nun Sr+ bzw. Sr− die rechte bzw. linke Halbebene Re z ≥ r bzw. Re z ≤ r. Wir setzen abk¨ urzend: 1 u(z) := 0

tz−1 e−t dt, v(z) :=

∞ 1

tz−1 e−t dt.

2.3 Eulersche und Hankelsche Integraldarstellung von Γ (z)

49

Konvergenzsatz 2.9. Das Integral v(z) konvergiert gleichm¨ aßig und absolut ur jedes r ∈ R. Es gilt v(z) ∈ O(C). in Sr− f¨ ur jedes Das Integral u(z) konvergiert gleichm¨ aßig und absolut in Sr+ f¨ r > 0. Es gilt u(z) ∈ O(T) und u(z) =

∞  (−1)ν

ν!

ν=0

1 f¨ ur jedes z ∈ T. z+ν

(2.27) 1

Beweis. a) F¨ ur alle z ∈ Sr− gilt |tz−1 | ≤ tr−1 . Da lim tr−1 e− 2 t = 0, so t→∞

1

ur alle z ∈ Sr− , t ≥ 1. Da gibt es ein M > 0, so dass |tz−1 e−t | ≤ M e− 2 t f¨ ∞  −1t √ e 2 dt = 2/ e und tz−1 e−t ∈ O(C) f¨ ur alle t ≥ 1, so folgen die u ¨ber v 1

gemachten Behauptungen mit dem Majorantenkriterium. ∞  b) Setzt man s := 1/t, so gilt u(z) = e−1/s s−z−1 ds. Falls r > 0, so gilt 1

|e

−1/s

−z−1

·s

−r−1

| ≤ s

f¨ ur alle z ∈

Sr+

und weiter

∞ 

s−r−1 ds = r−1 . Das

1

Majorantenkriterium gibt nun die Behauptungen u ¨ber u bis auf Gleichung (2.27), die sich aus der f¨ ur alle δ ∈ (0, 1) geltenden Identit¨at 1 t

z−1 −t

e dt =

1 ∞  (−1)ν ν=0

δ

ν!

tz+ν−1 dt =

∞  (−1)ν ν=0

δ

ν!

∞  (−1)ν δ ν 1 −δ z z+ν ν! z + ν ν=0

ergibt (Vertauschungssatz f¨ ur Integration und Summation, vgl. Abschnitt I.6.2.3), da der letzte Summand wegen Re z > 0 im Fall δ → 0 gegen 0 strebt.  Die Integrale u(r), r < 0, divergieren. Wegen t ∈ (0, 1) gilt Z1 t δ

r−1 −t

e

dt ≥ e

−1

Z1 t

r−1

dt = e

−1 −1

r

Z1 (1 − δ ), also lim r

δ→0

δ

tr−1 e−t dt = ∞.

δ

2.3.2 Der Satz von Euler. ∞  aßig und absolut in Satz 2.10. Das Integral tz−1 e−t dt konvergiert gleichm¨ 0

jedem Streifen {z ∈ C : a ≤ Re z ≤ b}, 0 < a < b < ∞, gegen Γ (z): ∞ Γ (z) = 0

tz−1 e−t dt

f¨ ur z ∈ T

50

2 Die Gammafunktion

Beweis. Die Konvergenz folgt aus dem Konvergenzsatz 2.9, da das Integral in T mit F := u + v u ur F ∈ O(T) verifiziert man direkt: ¨bereinstimmt. F¨ F (z + 1) = zF (z), F (1) = 1, |F (z) ≤ F (Re z)| f¨ ur alle z ∈ T. Insbesondere ist F beschr¨ ankt, wenn 1 ≤ Re z < 2. Mit Satz 2.4 folgt F = Γ .  Nat¨ urlich gibt es auch direkte Beweise der Gleichung F = Γ . Der Leser konsultiere etwa [4], wo die logarithmische Konvexit¨at von F (x), x > 0, gezeigt wird, oder [279], wo sich der Gausssche Beweis findet: Man verifiziert durch Induktion die Gleichungen n!nz = z(z + 1) · . . . · (z + n)

n tz−1 (1 − t/n)n dt,

z ∈ T, n = 1, 2, . . .

0



und beweist, dass die rechte Folge gegen F (z) konvergiert.

Mit dem Γ -Integral lassen sich viele Integrale bestimmen. So ist das im Band I ausgiebig diskutierte Gausssche Fehlerintegral ein spezieller Γ -Wert: ∞

−xα

e

dx = α

−1

Γ (α

−1

∞ ) f¨ ur α > 0, insbesondere

0

2

e−x dx =

0 α

Beweis. Mit t := x gilt t Γ (α

−1

∞ )=

t

α−1 −1

1−α

=x

∞

α−1 −1 −t

e dt =

0

α−1

und dt = αx

1−α −xa α−1

x

e

x

1√ π. 2

dx, also ∞

dx = α

0

√ Die letzte Gleichung ist klar, da Γ ( 12 ) = π nach (2.2.1)

e−x dx. α

0



Durch partielle Integration ergibt sich induktiv (vgl. auch Band I. (12.21)) ∞ 0

2

x2n e−x dx =

1 1 Γ (n + ), n ∈ N. 2 2

Auch die bereits in Abschnitt I.7.1.6* bestimmten Fresnelschen Integrale ordnen sich dem Γ -Integral unter, vgl. hierzu Abschnitt 2.3.3. Wir erw¨ ahnen noch die 1876 von F.E. Prym, [222], angegebene Partialbruchdarstellung der Γ -Funktion

Partialbruchdarstellung der Γ -Funktion 2.11. F¨ ur alle z ∈ C\{0, −1, −2, . . . } gilt Z ∞ X (−1)ν 1 + tz−1 e−t dt. Γ (z) = ν! z + ν ν=0 ∞

1

2.3 Eulersche und Hankelsche Integraldarstellung von Γ (z)

51

Beweis. F¨ ur z ∈ T trifft die Behauptung zu. Da die auftretenden Funktionen holomorph in C\{0, −1, −2, . . . } sind, folgt der Allgemeinfall mit dem Identit¨ atssatz. 

2.3.3 Variante des Eulerschen Integrals∗ . Satz 2.12. F¨ ur alle z mit 0 < Re z < 1 gilt R∞ Γ (z) = eπiz/2 tz−1 e−it dt 0

Beweis. Es sei

g(ζ) := ζ z−1 e−ζ ,

(2.28)

x−1

also |g(ζ)| ≤ eπ|y|r e−r cos ϕ , wo z = x + iy ∈ C, ζ = reiϕ ∈ C− . Da g ∈ O(C−1 ), so gilt nach Cauchy (Figur:)

g

R

g gr

g

d

r

d Z



Z gdζ =

gdζ.

(2.29)

gdζ = 0, 0 < Re z < 1,

(2.30)

γ  +γR

Zeigen wir

Z

R

γδ +γ

Z

lim

gdζ =

δ→0 γδ

γR

so folgt die Behauptung durch Limesbildung in (2.29), da γ der Weg ζ(t) := it, δ ≤ t ≤ R ist. Wegen (2.28) gilt f¨ ur alle r ∈ (0, ∞) Z

π/2 Z

g(reiϕ )ireiϕ dϕ,

gdζ = γr

also

0

˛ ˛ π/2 ˛ ˛Z Z ˛ ˛ ˛ gdζ ˛ ≤ eπ|y| rx e−r cos ϕ dϕ. ˛ ˛ ˛ ˛ γr

0

ur ϕ ∈ [0, 12 π], so folgt unmittelbar: Da e−r cos ϕ ≤ 1 f¨

(2.31)

52

2 Die Gammafunktion ˛ ˛ ˛ ˛Z Z ˛ ˛ ˛ gdζ ˛ ≤ 1 πeπ|y| δ x , also lim gdζ = 0, wenn x > 0. ˛ ˛ δ→0 2 ˛ ˛ γδ

γδ

Um die zweite Gleichung in (2.30) zu verifizieren, beachten wir, dass cos ϕ ≥ 1 − π2 ϕ at von cos ϕ gilt. Damit folgt f¨ ur alle ϕ ∈ [0, 12 π] wegen der Konkavit¨ π/2 Z

−R cos ϕ

e

π/2 Z

dϕ ≤

0

exp(2Rπ −1 ϕ − R)dϕ = e−R

0

Mit (2.31) ˛ entsteht ˛ ˛ ˛R ˛ ˛ ˛ gdζ ˛ ≤ 12 πeπ|y| Rx−1 , also ˛ ˛γR

lim

R

R→∞ γ

?1π 2 π 2Rπ−1 ϕ ? ? < π . e ? 2R 2R 0

gdζ = 0, wenn x < 1.



R

F¨ ur z := x ∈ (0, 1) ergibt die Zerlegung in Real- und Imagin¨ arteil: Z∞ t

x−1

0

F¨ ur x :=

1 2

Z∞

1 cos t dt = cos( πx)Γ (x), 2

0

1 tx−1 sin t dt = sin( πx)Γ (x). 2

(2.32)

und τ 2 := t sind dies die Fresnelschen Formeln vgl. I.7.1.6*: Z∞

Z∞

2

cos τ dτ = 0

0

1 sin τ dτ = 2 2

r

1 π. 2

Die Gleichungen (2.32) lassen sich u.a. benutzen, um mit Hilfe der Eulerschen Summenformel einen recht einfachen Beweis f¨ ur die Funktionalgleichung der Riemannschen ζ-Funktion zu geben, vgl. [260, S. 15].

Aufgaben. ¨ 1. Benutzen Sie die vorangegangenen Uberlegungen, um zu zeigen: Z∞

tz−1 e−wt dt = w−z Γ (z), falls w, z ∈ T.

0

(Oben war w = i. Man braucht jetzt nicht die Konkavit¨ at von cos ϕ). ∞ P −z 2. Man zeige, dass f¨ ur die ζ-Funktion ζ(z) := n gilt: n=1

Z∞ ζ(z)Γ (z) = 0

tz−1 dt f¨ ur alle z ∈ T. et − 1

(Mit dieser Formel l¨ asst sich die Funktionalgleichung 1 ζ(1 − z) = 2(2π)−z cos πzΓ (z)ζ(z)). 2 gewinnen.

2.3 Eulersche und Hankelsche Integraldarstellung von Γ (z)

53

Historische Notiz. Euler kannte 1781 die Formeln (2.32). In [62, I-19, S. 225], ∞  ¨ gewinnt er aus wx tx−1 e−wt dt = Γ (x) mit w = p + iq durch Ubergang zu 0

Real- und Imagin¨ arteil die Gleichungen ∞

tx−1 e−pt cos qt dt = Γ (x) · f −x cos xθ,

0

∞

tx−1 e−pt sin qt dt = Γ (x) · f −x sin xθ,

0

, wobei θ := arctan(q/p) und f := |w| = p2 + q 2 . Euler k¨ ummert sich nicht um den Geltungsbereich seiner Identit¨ aten; f¨ ur p = 0, q = 1 entsteht (2.32) (vgl. hierzu auch Abschnitt I.7.1.6*). 2.3.4 Das Hankelsche Schleifenintegral. Das Eulersche Integral stellt Γ (z) nur in der rechten Halbebene dar. Wir f¨ uhren nun ein Integral mit dem Integranden w−z ew ein, das Γ (z) in ganz C\(−N) darstellt; die st¨orende Singularit¨ at von w−z ew in 0 wird umlaufen“. Ersichtlich gilt: ” ur z = x + iy ∈ C, w ∈ C− . (2.33) |w−z ew | ≤ eπ|y| |w|−x eRe w f¨ Es seien nun s ∈ (0, ∞) und c ∈ ∂Bs (0), c = ±s, fest gew¨ahlt. Wir bezeichnen mit γ den uneigentlichen Schleifenweg“ γ1 + δ + γ2 (Figur) und mit S einen ” 1 ur jedes Streifen [a, b] × iR, a < b. Mit (2.33) folgt, da lim |t − c|q e− 2 t = 0 f¨ t→∞ q ∈ R: 1

ur w = γ2 (t) = c−t, t ≥ t0 . Es gibt ein t0 , so dass max |w−z ew | ≤ eπ|y| e− 2 t f¨ z∈S

(2.34)

d s

g2 -r

g

1

Wir behaupten nun:

c _ c

s

 −z w 1 Lemma 2.13. Das Schleifenintegral“ 2πi w e dw konvergiert in C kom” γ pakt und absolut gegen eine ganze Funktion h. Es gilt h(1) = 1 und h(−n) = ankt. 0, n ∈ N, weiter ist h(z)e−π|y| in jedem Streifen S beschr¨

54

2 Die Gammafunktion

Beweis. Da eπ|y| auf jedem Kompaktum K ⊂ C beschr¨ankt ist, konvergiert wegen (2.34) das Integral l¨ angs γ2 auf K gleichm¨aßig und absolut (Majorantenkriterium). Da Gleiches f¨ ur das Integral l¨ angs γ1 gilt, so folgt die Konvergenzbehauptung. F¨ ur jedes m ∈ Z gilt lim



r→∞ σ

w−m ew dw = 0 (Figur). Daher gilt h(m) =

ur m ∈ Z. Es folgt h(1) = 1 und h(−N) = 0. Mit (2.34) ergibt res0 (w−m ew ) f¨ ankt ist.  sich weiter, dass h(z)e−π|y| in S beschr¨ Es folgen nun schnell die Hankelschen Formeln

1 1 = Γ (z) 2πi



w−z ew dw, z ∈ C ;

γ

1 Γ (z) = 2i sin πz

 wz−1 ew dw, z ∈ C\(−N). γ

Beweis. Wir bezeichnen die rechts stehenden Funktionen mit h bzw. F . Dann gilt h(1 − z) , z ∈ C\Z. (2.35) F (z) = π sin πz Wegen h(−N) = 0 (Lemma 2.13) folgt F ∈ O(T). Partielle Integration des Integrals f¨ ur h gibt h(z) = zh(z + 1), woraus F (z + 1) = zF (z) folgt. Da |2 sin z| ≥ e|y| − e−|y| , so folgt nach Lemma 2.13 |F (z)| = π

A |h(1 − z)| ≤ f¨ ur 1 ≤ Re z < 2, y = 0, | sin πz| 1 − e−2π|y|

mit einer Konstanten A > 0. Somit ist F beschr¨ ankt f¨ ur 1 ≤ Re z < 2. Nach dem Eindeutigkeitssatz 2.4 folgt F = aΓ , a ∈ C. Der Erg¨anzungssatz Γ (z)Γ (1 − z) sin πz = π und (2.35) geben dann h = a/Γ . Da a = h(1) = 1 nach Lemma 2.13, sind die Hankelschen Formeln bewiesen.  Historische Notiz. Hankel hat seine Formeln 1863 gefunden, vgl. [103, S. 7]. Der hier mitgeteilte Beweis folgt einer Idee von H. Wielandt. Hankel erh¨ alt aus seinem allgemein g¨ ultigen Integrale durch Aenderun” gen des Integrationsweges mit Leichtigkeit die bisher bekannten mannigfachen Formen des Integrals Γ (x) oder des Quotienten 1 : Γ (x)“, so z.B. die Gleichungen (2.28) vgl. [103, S. 10, oben] Man konsultiere auch [279, S. 246]. Hankels Formeln bleiben f¨ ur c = −s richtig, wenn man in den Integralen l¨ angs γ1 (von −∞ nach −s) bzw. γ2 (von −s nach −∞) als Integranden die Grenzwerte von w−z ew bzw. wz−1 ew auf (−∞, s) bei Ann¨aherung aus der unteren bzw. oberen Halbebene nimmt, also e∓iπ(z−1) et |t|z−1 , −∞ < t < −s,

2.4 Stirlingsche Formel und Gudermannsche Reihe

55

in der 2. Formel. Setzt man hier noch z ∈ T voraus, so darf man auch s gegen 0 gehen lasen. So entsteht, wenn man u ¨ber den entarteten Schleifenweg (von −∞ nach 0 und zur¨ uck) integriert, f¨ ur alle z ∈ T: 2iΓ (z) sin πz = e

−iπ(z−1)

0

−∞ 

|t|

z−1 t

|t|z−1 et dt

iπ(z−1)

e dt + e

−∞

0

0 |t|z−1 et dt.

= 2i sin πz −∞

Hier steht ganz rechts das Integral

∞ 

tz−1 e−t dt. Damit ist gezeigt:

0

Aus der 2. Hankelschen Formel folgt die Eulersche Formel f¨ ur Γ (z), z ∈ T. Die Eulersche Formel ist also ein Entartungsfall der Hankelschen. Man kann umgekehrt aus diesem Entartungsfall Hankels Formeln zur¨ uckgewinnen, vgl. z.B. [103, 6–8] oder [279, 244–245] .

2.4 Stirlingsche Formel und Gudermannsche Reihe Invenire summam quotcunque Logarithmorum, quorum numeri sint in progressione Arithmetica (J. Stirling, 1730, Methodus Differentialis).

F¨ ur Anwendungen - nicht nur numerischer Art – muss man das Wachstum der Funktion Γ (z) kennen: Man m¨ ochte Γ (z) in der geschlitzten Ebene C− := C\(−∞, 0] f¨ ur große z durch einfachere“ Funktionen approximieren (man ” l¨ asst die Halbgerade (−∞, 0] weg, da Γ (z) in −N Pole hat ). Bei der Suche lassen wir uns vom Wachstum der Folge n! leiten, das durch die klassische Stirlingsche Formel beschrieben wird, vgl. [265, 351–353]: √ 1 (2.36) n! = 2πnn+ 2 e−n ean mit lim an = 0. Diese Formel legt es nahe, zur Γ -Funktion eine Fehlerfunktion“ μ ∈ O(C− ) ” zu suchen, so dass in ganz (C− ) eine Gleichung √ 1 Γ (z) = 2πz z− 2 e−z eμ(z) mit lim μ(z) = 0 z→∞

1

gilt, wobei z z− 2 = exp[(z − 12 ) log(z)]; hierin w¨are (2.36) wegen nΓ (n) = n! enthalten. Wir werden sehen, dass

56

2 Die Gammafunktion

1 1 μ(z) = log Γ (z) − (z − ) log z + z − log 2π 2 2 eine ideale Fehlerfunktion ist, sie strebt sogar wie 1/z gegen null, wenn die Entfernung von z zur negativen reellen Achse gegen unendlich strebt. Mithin √ 1 ist 2πz z− 2 e−z eine einfachere“ Funktion, die Γ (z) in C− approximiert. ” Die angegebene Gleichung f¨ ur μ(z) eignet sich nicht gut zur Definition. Wir definieren μ(z) im Abschnitt 2.4.1 durch ein uneigentliches Integral, welches die wesentlichen Eigenschaften dieser Funktion evident macht und im Abschnitt 2.4.2 sofort zur Stirlingschen Formel mit soliden Absch¨atzungen f¨ ur μ(z) f¨ uhrt. Diese Absch¨ atzungen werden im Abschnitt 2.4.4 noch verbessert. In den Abschnitten 2.4.5 und 2.4.6 wird die Stirlingsche Formel zur Stirlingschen Reihe mit Restabsch¨ atzungen verallgemeinert. Zur Absch¨ atzung von Integranden mit Potenzen von z + t im Nenner benutzen wir stets folgende Ungleichung: 1 ur z = |z|eiϕ und t ≥ 0. |z + t| ≥ (|z| + t) cos ϕ f¨ 2

(2.37)

Beweis. Sei r := |z|. Wegen cos ϕ = 1 − 2 sin2 12 ϕ und (r + t)2 ≥ 4rt folgt |z + t|2 = r2 + 2rt cos ϕ + t2 = (r + t)2 − 4rt sin2 12 ϕ ≥ (r + t)2 cos2 12 ϕ.  Eine Konsequenz ist eine gleichm¨ aßige“ Absch¨atzung in Winkelr¨aumen: ” Sei 0 < δ ≤ π und t ≥ 0. Dann gilt (wegen cos 12 ϕ ≥ sin 12 δ): 1 ur alle z = |z|eiϕ mit |ϕ| ≤ π − δ. |z + t| ≥ (|z| + t) sin δ f¨ 2 2.4.1 Stieltjessche Definition der Funktion μ(z). nen P1 (t) := t − [t] −

(2.38)

Die reellen Funktio-

1 1 und Q(t) := (t − [t] − (t − [t])2 ), 2 2

(2.39)

wobei [t] die gr¨ oßte ganze Zahl ≤ t bezeichnet, sind stetig in R\Z und haben agezahn-Funktion“. Die Funktion Q(t) ist in die Periode 1; P1 (t) ist die S¨ ” R\Z eine Stammfunktion von −P1 (t), es gilt 0 ≤ Q(t) ≤ 18 ; ferner ist Q stetig auf ganz R.

P1

Q

1 2

1

1

2.4 Stirlingsche Formel und Gudermannsche Reihe

57

¨ Ausgangspunkt f¨ ur alle weiteren Uberlegungen ist nun folgende Definition: ∞ μ(z) := − 0

P1 (t) dt = z+t

∞ 0

Q(t) dt ∈ O(C− ) (z + t)2

(2.40)

Diese Definition ist gewiss dann legitim, wenn wir zeigen, dass die Integrale in (2.40) lokal gleichm¨ aßig in C− gegen dieselbe Funktion konvergieren. Sei δ ∈ (0, π] und ε > 0. F¨ ur alle t ≥ 0 gilt dann (vgl. (2.38) der Einleitung)    Q(t)  1 1 1 iϕ    (z + t)2  ≤ 8 sin2 1 δ · (ε + t)2 , falls z = |z|e mit |z| ≥ ε und |ϕ| ≤ π−δ. 2 Das zweite Integral konvergiert also lokal gleichm¨aßig in C− nach dem Majorantenkriterium Satz 2.8. Das erste Integral konvergiert nun ebenfalls in C− lokal gleichm¨ aßig gegen dieselbe Grenzfunktion, da gilt s −

Q(t) s P1 (t) dt = | + z+t (z + t) r

r

s

Q(t) dt f¨ ur 0 < r < s < ∞. (z + t)2

r

(die partielle Integration ist wegen der Stetigkeit von Q erlaubt).



Wir erhalten sofort eine Funktionalgleichung f¨ ur die μ-Funktion: 1 μ(z) − μ(z + 1) = − 0

1 2

−t 1 1 dt = (z + ) log(1 + ) − 1, z ∈ C− . z+t 2 z

(2.41)

Beweis. Man beachtet P1 (t + 1) = P1 (t) und schreibt ∞ μ(z + 1) = 0

P1 (t + 1) dt = − z+t+1

∞ 1

P1 (t) dt = μ(z) − z+t

1 0

1 2

−t dt. z+t

Der Integrand rechts hat (z + 12 ) log(z + t) − t als Stammfunktion; damit folgt  (2.41), da in ganz C− gilt: log(z + 1) − log z = log(1 + z1 ). 2.4.2 Die Stirlingsche Formel. Wir bezeichnen f¨ ur jedes δ ∈ (0, π] mit Wδ den die negative reelle Achse aussparenden Winkelraum {z = |z|eiϕ ∈ C× : |ϕ| ≤ π − δ}. Den Zusammenhang zwischen den Funktionen Γ (z) und μ(z) sowie das Wachstum von μ(z) beschreibt folgender Satz

58

2 Die Gammafunktion

Stirlingsche Formeln 2.14. Es gilt √

1

2πz z− 2 e−z eμ(z) , z ∈ C− , 1 1 1 , z = |z|eiϕ ∈ C− , |μ(z)| ≤ 8 cos2 12 ϕ |z| 1 1 1 , z ∈ Wδ , 0 < δ ≤ π. |μ(z)| ≤ 8 sin2 12 δ |z| Γ (z) =

(2.42)

Beweis. Da Q(t) ≤ 18 und |z + t| ≥ |z| cos 12 ϕ ≥ |z| sin 12 δ (vgl. Einleitung), so folgen die Ungleichungen aus (2.40). Wir zeigen weiter, dass 1 F (z) := z z− 2 e−z eμ(z) ∈ O(C− ) die Voraussetzungen des Eindeutigkeitssatzes 2.4 erf¨ ullt. Die Funktionalgleichung (2.41) f¨ ur μ(z) gibt direkt 1 1 1 1 1 F (z + 1) = (z + )z+ 2 e−z−1 eμ(z)−(z+ 2 ) log(1+ z )+1 = z z+ 2 e−z eμ(z) = zF (z). 2

Weiter ist F im Streifen S = {z ∈ C : 1 ≤ Re z < 2} beschr¨ankt: Gewiss ist 1 ankt. F¨ ur alle z = x + iy = |z|eiϕ ∈ C− gilt |z z− 2 e−z | = eμ(z) dort beschr¨ 1 x− 12 −yϕ |z| e . Falls z ∈ S und |y| ≥ 2, so gilt x − 2 ≤ 2, |z| ≤ 2γ und −γϕ ≤ 1 1 1 1 − 2 π|y|; f¨ ur solche z folgt |z z− 2 e−z | ≤ 4y 2 e− 2 π|y| . Da lim y 2 e− 2 π|y| = 0, so |y|→∞

ist F beschr¨ ankt in S. √ 1 Mit Satz 2.4 ergibt sich nun Γ (z) = az z− 2 e−z eμ(z) . Um a = 2π zu zeigen, tragen wir die rechte Seite in die Legendresche Verdopplungsformel (2.21) ein. Es entsteht (nach K¨ urzen) z

√ 1 μ(2z)−μ(z)−μ(z+ 12 ) 2πe · e =a· 1+ . 2z √ √ 1 x ) = e, so folgt a = 2π.  Da lim μ(x) = 0, und da lim (1 + 2x x→∞

x→∞

Die Gleichung (2.42) zeigt, daß – wie in der Einleitung behauptet – gilt: log Γ (z) =

1 1 log 2π + (z − ) log z − z + μ(z). 2 2

Im Reellen l¨ asst sich (2.42) wie folgt schreiben:

(2.43)

2.4 Stirlingsche Formel und Gudermannsche Reihe

Γ (x + 1) =



2πx · xx · e−x+θ(x)/(8x) , x > 0, 0 < θ(x) < 1;

59

(2.44)

f¨ ur x = n pr¨ azisiert dies die Gleichung (2.42) der Einleitung. Die große Kraft des Theorems liegt in den Absch¨atzungen f¨ ur μ(z). Sie werden allerdings selten in dieser Sch¨ arfe benutzt. Meistens reicht es aus zu aßig wie 1/z gegen null wissen, dass μ(z) in jedem Winkelraum Wδ gleichm¨ geht, wenn z gegen ∞ strebt. Die Aussagen von (2.42) werden gern zur asymptotischen Gleichung“ ” Γ (z) ∼



1

2πz z− 2 e−z oder Γ (z + 1) ∼



2πz

z z e

zusammengefasst, wobei das Zeichen ∼ bedeutet, dass der Quotient aus linker und rechter Seite in jedem um 0 gelochten Winkelraum Wδ mit z → ∞ gleichm¨ aßig gegen 1 konvergiert. Eine Folgerung ist (Beweis!) Γ (z + a) ∼ z a Γ (z), a ∈ C\{−1, −2, −3, . . . } fest. Die Ungleichungen in (2.42) lassen sich durch bessere Absch¨ atzungen des μ(z) definierenden Integrals sofort versch¨ arfen. Man bemerkt zun¨ achst 1 |μ(z)| ≤ 8

Z∞

dt 1 = |z + t|2 8|z|

0

Z∞ 0

ds . (s + cos ϕ)2 + sin2 ϕ

Beachtet man nun, dass arctan x = 12 π −arccot x eine Stammfunktion von (x2 +1)−1 ist, so folgt sofort (mit ϕ/ sin ϕ := 1 f¨ ur ϕ = 0): |μ(z)| ≤

1 ϕ 1 8 sin ϕ |z|

f¨ ur z = |z|eiϕ ∈ C− .

(2.45)

Da ϕ/ sin ϕ in [0, π) monoton w¨ achst, so ist hierin enthalten: |μ(z)| ≤

1π−δ 1 , 8 sin δ |z|

z ∈ Wδ ,

0 < δ ≤ π.

(2.46)

Die Schranken in (2.45) und (2.46) sind besser als die alten aus (2.42), falls ϕ = 0 bzw. δ = π. [(Dann gilt |ϕ| < tan 12 |ϕ| bzw. π −δ < 2 cot 12 δ, woraus sofort ϕ/ sin ϕ < (cos 12 ϕ)−2 bzw. (π − δ)/ sin δ(sin 12 δ)−2 folgt).

Historische Notiz. F¨ ur die geschlitzte Ebene C− wurde die Stirlingsche Formel erstmals in 1889 von T.-J. Stieltjes bewiesen, vgl. [255]. Vorher hatte man die Formel nur in der rechten Halbebene. Stieltjes benutzte konsequent

60

2 Die Gammafunktion

die im Abschnitt 2.4.1 gegebene Definition der μ-Funktion mittels P1 (t), [255, S. 428 ff.]. Sie hat gegen¨ uber ¨ alteren Formeln von Binet und Gauss (vgl. [279, S. 246 ff.]) und Abschnitt 2.5.2 den Vorteil, in ganz C − und nicht nur in der rechten Halbebene T zu gelten. Diese Formel f¨ ur μ(z) wurde 1875 von Ph. Gilbert publiziert in Recherches sur le d´eveloppement de la fonction Γ et sur certaines int´egrales d´efinies qui en d´ependent, M´em. de Acad. de Belgique 41, ¨ 1-60, insbes. S. 12. Uberzeugende Anwendungen f¨ ur große Winkelr¨aume sind uns allerdings nicht bekannt.

2.4.3 Wachstum von |Γ (x + iy)| f¨ ur |y| → ∞. Eine elementare Folgerung aus den Stirlingschen Formeln ist, dass Γ (x + iy) mit wachsendem y exponentiell gegen Null geht. Bereits 1889 bemerkte S. Pincherle, [204, S. 234]: F¨ ur |y| → ∞ gilt kompakt gleichm¨aßig in x ∈ R : (2.47) √ 1 1 |Γ (x + iy)| ∼ 2π|y|x− 2 e− 2 π|y| . √ 1 1 1 Beweis. Nach (2.42) gilt |Γ (z)| ∼ 2π|z z− 2 ||e−z |. Da |z z− 2 | = |z|x− 2 e−yϕ f¨ ur z = x + iy = |z|eiϕ . ϕ ∈ (−π, π), so folgt √ 1 |Γ (x + iy)| ∼ 2π|z|x− 2 e−x−yϕ f¨ ur |y| → ∞ (2.48) kompakt gleichm¨ aßig in x. Da |z| ∼ |y| f¨ ur |y| → ∞, so gilt 1

1

ur |y| → ∞ kompakt gleichm¨aßig in x. |z|x− 2 ∼ |y|x− 2 f¨

(2.49)

Um exp(−x − yϕ) asymptotisch zu behandeln, darf man sich wegen Γ (z) = Γ (z) auf den Fall y → +∞ beschr¨ anken. Wegen tan( 12 π − ϕ) = xy −1 gilt ϕ=

1 π − arctan xy −1 , 2

1 1 wobei arctan w = w − w3 + w5 ± . . . , |w| < 1. 3 5

aßig in x, so sieht man e−x−ϕy ∼ Da lim y arctan xy −1 = x kompakt gleichm¨ y→∞

1

ur y → ∞. Mit (2.48) und (2.49) folgt (2.47). e− 2 πγ f¨ 2.4.4 Gudermannsche Reihe∗ . n 

 ν=0

1 z+ν+ 2





Die Gleichung (2.41) liefert



1 log 1 + z+ν





n

−1 =− 0

P1 (t) dt. z+t

Hieraus folgt mit (2.41) sofort Gudermanns Reihendarstellung: μ(z) =

∞ 



z+ν+

ν=0

1 2



log 1 +

1 z+ν



 −1

in C− .

(2.50)

2.4 Stirlingsche Formel und Gudermannsche Reihe

61

1 Mit (2.50) l¨ asst sich in (2.42) der Faktor 18 zu 12 verbessern. Wir schreiben 1 1 abk¨ urzend λ(z) f¨ ur (z + 2 ) log(1 + z ) − 1 und zeigen vorab:

1 λ(z) = 2

1 0

1

t(1 − t) dt = 2 (z + t)2

2 0

( 12 − t)2 dt, (z + t)(z + 1 − t)

1 1 |λ(z)| ≤ 2 12 cos 12 ϕ



1 1 − |z| |z + 1|

z ∈ C−

(2.51)

.

(2.52)

Beweis. Wir zeigen (2.51): Partielle Integration in (2.41) gibt f¨ ur λ(z) das erste Integral. Integriert man in (2.41) von 0 bis 12 und 12 bis 1 und substituiert man dann im zweiten Summanden 1 − t f¨ ur t, so entsteht das zweite Integral. Wir begr¨ unden (2.52) folgendermaßen: Da t(1 − t) ≥ 0 in [0, 1], so ergeben (2.41) der Einleitung und (2.51): 1 |λ(z)| ≤ 2

1 0

t(1 − t) dt ≤ |z + t|2

−2

1 cos ϕ λ(|z|). 2

Da (r + t)(r + 1 − t) ≥ r(r + 1) f¨ ur t ∈ [0, 1], so gibt das 2. Integral in (2.51): 1

2 λ(r) ≤ r(r + 1)

2

0

1 −t 2

2

1 dt = 12



1 1 − r r+1

f¨ ur alle r > 0.



1+r Man kann λ(r) auch u ur log 1−r absch¨atzen, vgl. [4, ¨ber die Potenzreihe f¨ S. 20] . Es folgt nun ohne weiteres:

Satz 2.15. Die Gudermannsche Reihe konvergiert normal in C− . Es gilt: |μ(z)| ≤

1 1 f¨ ur z = |z|eiϕ ∈ C− . 12|z| cos2 ( 12 ϕ) |z|

Beweis. Mit (2.50) und (2.52) folgt unmittelbar: ∞ 

1 |μ(z)| ≤ |λ(z + ν)| ≤ 12 ν=0 Es gilt nun (2.44) mit |μ(z)| ≤

1 12

−2  ∞

1 1 1 cos ϕ − . 2 |z + ν| |z + ν + 1| ν=0 statt

1 8



im Exponenten. Weiter folgt direkt:

1 1 im Falle Re z > 0, |μ(iy)| ≤ 12 Re z 6|y|

f¨ ur y ∈ R.

Die Schranken f¨ ur μ(z) sind besser als die Schranken in (2.45) und (2.46) ur ϕ < 110, 8◦ und solange tan 12 ϕ < 34 ϕ und cot 12 δ > 34 (π − δ), d.h. f¨

62

2 Die Gammafunktion

δ > 69, 2◦ : In Abschnitt 2.4.8 werden wir sehen, dass im Winkelraum |ϕ| ≤ 14 π 1 |z|−1 gilt. stets |μ(z)| ≤ 12 Historische Notiz. Chr. Gudermann hat 1845 die seither nach ihm benannte Reihe f¨ ur μ(z) gefunden, vgl. [101]. Die Ungleichung mit dem klassischen 1 anstelle von 18 steht 1889 bei Stieltjes, [255, S. 443]. Vorfaktor 12 2.4.5 Stirlingsche Reihe∗ . Man sucht eine asymptotische Entwicklung der Funktion μ(z) nach Potenzen von z −1 . Man arbeitet mit den Bernoullischen Polynomen Bk (w) =

k  k κ=0

κ

1 Bκ wk−κ = wk − kwk−1 + . . . + Bk , k ≥ 1, (2.53) 2

wo Bκ := Bκ (0) die κ-te Bernoulli- Zahl ist. Es gilt (vgl. I.7.5.4)  (w) = (k + 1)Bk (w), k ∈ N, und Bk (0) = Bk (1) f¨ ur k ≥ 2. (2.54) Bk+1

Wir ordnen jedem Polynom Bn (t) eine periodische Funktion Pn : R → R zu: ur 0 ≤ t < 1, Pn (t) hat die Periode 1. Pn (t) := Bn (t) f¨

(2.55)

agezahn-Funktion. Wir setzen nun Dann ist P1 (t) die S¨ 1 μk (z) := k

∞ 0

Pk (t) dt, (z + t)k

k ≥ 1.

(2.56)

Alle Funktionen μk sind holomorph in C− ; ferner gilt: Bk+1 1 + μk+1 (z), μ2n (z) = μ2n+1 (z) k(k + 1) z k (2.57) n  B2ν 1 μ(z) = + μ (z). 2n+1 (2ν − 1)2ν z 2ν−1 ν=1

μ1 (z) = μ(z), μk (z) =

Beweis von (2.57). Die Rekursionsformel folgen durch partielle Integration  von (2.56), die Gleichungen μ2n = μ2n+1 gelten, da B3 = B5 = · · · = 0. Die Reihe in (2.57) heißt Stirlingsche Reihe mit dem Restglied μ2n+1 . F¨ ur n = 1 steht hier:

1 1 − μ(z) = 12 z 3

∞ 0

P3 (t) dt (z + t)3

3 1 P3 (t) = t3 − t2 + t 2 2

f¨ ur

mit (2.58) t ∈ [0, 1].

2.4 Stirlingsche Formel und Gudermannsche Reihe

Da |P3 (t)|
0. Das folgt, da |B2ν | > 2(2ν)!/(2π), vgl. I.11.3.1, und lim n!/rn = ∞ f¨ Die Stirlingsche Reihe erh¨ alt erst durch brauchbare Absch¨atzungen des verwickelten Restgliedes ihren vollen Sinn. Wegen (2.57) gilt (mit k = 2n − 1): 1 μ2n−1 (z) = 2n

∞ 0

B2n − P2n (t) dt (z + t)2n

1 (beachte: = k zk

∞ 0

dt ). (2.60) (z + t)k+1

Damit folgt sofort, wenn man Mn := sup |B2n − P2n (t)| ∈ R setzt: t≥0

|μ2n−1 (z)| ≤

Mn 1 1 , z = |z|eiϕ ∈ C− , n ≥ 1. (2.61) (2n − 1)2n cos2n 21 ϕ |z|2n−1

 Eine direkte Absch¨ atzung von μ2n−1 (z) ohne den Umweg u ¨ber (2.60) h¨atte statt (2.61) nur eine Nennerpotenz |z|2n−2 gegeben. – Mit (2.56) und (2.61) ergibt sich sofort: lim

z∈Wδ ,z→∞

z 2n−1 μ2n−1 (z) =

B2n . (2n − 1)2n

Aus (2.57) und (2.61) folgt f¨ ur jeden Winkelraum Wδ die Limesgleichung   n   B2ν 1  2n  lim (2.62) μ(z) −  |z| = 0, n ≥ 1. z∈Wδ ,z→∞  (2ν − 1)2ν z 2ν−1  ν=1

Die Stirlingsche Reihe ist also eine asymptotische Entwicklung von μ(z) um ∞, (vgl. auch Abschnitt I.9.6.1). Ist z groß im Vergleich zu n, so hat man eine sehr gute Approximation von μ(z); es bringt aber nichts, bei festem z den Index n groß zu machen. F¨ ur n = 3 hat man z.B. √ 1 1 1 1 1 1 1 − + − Fehlerglied. log Γ (z) = (z − ) log z −z +log 2π+ 2 12 z 360 z 3 1260 z 5

64

2 Die Gammafunktion

2.4.6 Feinabsch¨ atzungen des Restgliedes∗ . Wer ehrgeizig ist, sucht gute numerische Werte f¨ ur die Schranken Mn in (2.61). Schon Stieltjes zeigte, [255, S. 434–436]:

|μ2n−1 (z)| ≤

|B2n | 1 1 , z = |z|eiϕ ∈ C− , n ≥ 1. (2.63) (2n − 1)2n cos2n 12 ϕ |z|2n−1

F¨ ur n = 1 ist dies die Ungleichung aus Satz 2.15. Der Beweis von (2.63) benutzt folgende nicht evidente Vorzeicheneigenschaft der Funktion P2n (t), t ≥ 0: ur alle t das Vorzeichen (−1)n−1 , n ≥ 1. B2n − P2n (t) hat f¨

(2.64)

Mit (2.64) folgt (2.63) schnell: Da B2n − P2n (t) nie das Vorzeichen wechselt, so ergibt sich aus (2.60) mit z = reiϕ direkt cos

2n

∞ 1 ϕ |B2n − P2n (t)| · |μ2n−1 (z)| ≤ dt = 2 2n (r + t)2n 0  ∞    1  |B2n − P2n (t)|  dt = |μ2n−1 (r)|. 2n  (r + t)2n  0

atzen, benutzt man (2.57). Es gilt Um μ2n−1 (r) abzusch¨ μ2n−1 (r) − μ2n+1 (r) =

B2n 1 . 2n−1 (2n − 1)2n r

ur alle r > 0 dasselbe Da μ2n−1 (r) und μ2n+1 (r) wegen (2.60) und (2.64) f¨ Vorzeichen haben, so folgt |μ2n−1 (r)| ≤ |μ2n−1 (r) − μ2n−1 (r)| =

|B2n | 1 . 2n−1 (2n − 1)2n r

Damit ist (2.63) unter Verwendung von (2.64) bewiesen. Zum Nachweis von (2.64) zieht man die Fourier-Reihe von P2n (t) heran, (vgl. I.14.3.4): n−1

P2n (t) = (−1)

∞ 2(2n)!  cos 2πνt , (2π)2n ν=1 ν 2n

t ≥ 0, n ≥ 1.

Da P2n (0) = B2n (Eulersche Formel), so folgt B2n − P2n (t) = (−1)n−1

∞ 2(2n)!  1 − cos 2πνt (2π)2n ν=1 ν 2n

womit (2.64) evident wird, da kein Summand rechts negativ ist.



2.4 Stirlingsche Formel und Gudermannsche Reihe

65

2.4.7 Binetsches Integral.

Neben der Stieltjesschen Integralformel und der Gudermannschen Reihe gibt es andere interessante Darstellungen der μ–Funktion, die allerdings nur in der rechten Halbebene gelten. So zeigte J.M. Binet bereits 1839, [21, S. 243]: Z∞ μ(z) = 2 0

arctan(t/z) dt, falls Re z > 0. e2πt − 1

(2.65)

Zum Beweis benutzt man zweckm¨ aßig die Planasche Summenformel. Planasche Summenformel 2.16. Es sei holomorph in einer Umgebung der abgeschlossenen Halbebene {z ∈ C : Re z ≥ 0} mit folgenden Eigenschaften: 1)

∞ P

f (ν) und

∞ R

0

f (x)dx existieren.

0

aßig f¨ ur x ∈ [0, s], s > 0 beliebig, 2) lim f (x + it)e−2π|t| = 0 gleichm¨ |t|→∞

3) lim

∞ R

s→∞ −∞

|f (s + iy)|e−2π|y| dy = 0

Dann gilt:

∞ X

f (ν) =

ν=0

1 f (0) + 2

Z∞

Z∞ f (x)dx + i

0

0

f (iy) − f (−iy) dy. e2πy − 1

(2.66)

Einen Beweis dieser Formel findet man in [241, S. 438–440]. Plana hat seine Formel 1820 in [205] angegeben. Drei Jahre sp¨ ater gelangte Abel zu dieser Formel tr`es remarquable“. Cauchy ” gab 1826 einen ersten korrekten Beweis; 1889 hat Kronecker den Fragenkreis behandelt. F¨ ur weitere Details siehe [164, S.68-69].  ur jede (feste) Zahl z ∈ T die Ersichtlich erf¨ ullt die Funktion h(w) := (z + w)−2 f¨ Voraussetzung der Planaschen Summenformel. Es gilt (vgl. (2.47)) ∞ X

h(ν) = (log Γ ) (z), h(0) =

ν=0

Z∞ h(x)dx = 0

1 , z2

1 −4izt . , h(it) − h(−it) = 2 z (z + t2 )2

Daher folgt: 1 1 (log Γ ) (z) = 2 + + 2z z 

Z∞ 0

4zt dt , (z 2 + t2 )2 e2πt − 1

Re z > 0.

(2.67)

66

2 Die Gammafunktion Aus dieser Gleichung entsteht durch Integration unter dem Integral: Z∞



2t dt , z 2 + t2 e2πt − 1

μ (z) = − 0

Re z > 0, (2.68)

Z∞ μ(z) = 0

2 arctan t/z dt, e2πt − 1

Re z > 0.

Beweis. Eine erste Integration von (2.67) liefert: 1 (log Γ ) (z) = c1 − + log z − 2z 

Z∞ 0

2t dt ; z 2 + t2 e2πt − 1

Erneute Integration gibt, da [(z − 12 ) log z − z] d = log z − „

1 log Γ (z) = c0 + c1 z + z − 2

«

Z∞ log z − z + 0

(2.69)

1 : 2z

2 arctan t/z dt e2πt − 1

(2.70)

uhrt zur Gleimit gewissen Konstanten c und c1 . Vergleich von (2.70) mit (2.43) f¨ chung Z∞ 2 arctan t/z 1 dt. μ(z) = c0 − log 2π + c1 z + 2 e2πt − 1 0

F¨ ur das Integral I(z) rechts gilt, da 0 ≤ arctan t/x ≤ t/x f¨ ur x > 0: 0 ≤ I(x) ≤

2 x

Z∞ 0

t dt, also e2πt − 1

Da auch lim μ(x) = 0, so folgt c0 = x→∞

1 2

lim I(x) = 0.

x→∞

log 2π und c1 = 0.



Die Gleichungen (2.68) heißen die Binetschen Integrale f¨ ur μ und μ. Es gibt weitere Integraldarstellungen von μ(z), z.B. z μ(z) = − π

Z∞ 0

log(1 − e−2πt ) dt, z 2 + t2

Re z > 0.

(Partielle Integration f¨ uhrt zu (2.68) ). Alle diese Formeln gelten – anders als die Stieltjessche Formel – nur in der rechten Halbebene.

2.4 Stirlingsche Formel und Gudermannsche Reihe

67

Durch Entwicklung von 2t/(z 2 + t2 ) in eine Reihe erh¨ alt man aus dem Binetschen Integral Formeln f¨ ur die Bernoullischen Zahlen B2n und die Funktionen μ2n−1 (z):

2.4.8 Lindel¨ ofsche Absch¨ atzung.

Z∞ 0

μ2n−1 (z)

(−1)n−1 t2n−1 dt = · B2n , −1 4n

n≥1

e2πt

(−1)n−1 = 2 2n−2 z

Beweis. Wegen 1/(1 + q) =

Z∞

t2n−1 dt , z 2 + t2 e2πt − 1

0

n−1 P

n ≥ 1,

Re z > 0.

(2.71)

(−1)ν−1 q ν−1 + (−q)n−1 /(1 + q) gilt (mit q = t2 /z 2 )

ν=1 n−1 X t2ν−1 t2n−1 1 2t = 2 (−1)ν−1 2ν + 2(−1)n−1 2 · 2n−2 . 2 2 2 z +t z z + t z ν=1

Damit liefert (2.68) f¨ ur Re z > 0 die Reihe 

μ (z) = −

n−1 X ν=1

ν−1

2(−1)

1 z 2ν

Z∞ 0

2(−1)n−1 t2ν−1 dt + e2πt − 1 z 2n−2

Z∞ 0

t2n−1 dt . (2.72) z 2 + t2 e2πt − 1

Andererseits entsteht aus (2.52) die Reihe μ (z) = −

n−1 X ν=1

B2ν 1 + μ2n−1 (z). 2ν z 2ν

(2.73)

Nun gehen in (2.72) und (2.73) die letzten Terme bei festem n f¨ ur große z > 0 atzt man die wie z −2n gegen null: Im Fall (2.72) folgt das direkt; im Fall (2.73) sch¨ aus (2.60) durch Differentiation unter dem Integral entstehende Gleichung μ2n−1 (z) = −

Z∞ 0

B2n − P2n (t) dt, (z + 1)2n+1

Re z > 0,

ab. Somit sind (2.72) und (2.73) asymptotische Laurent-Entwicklungen“ von ” μ (z). Wie bei Potenzreihen folgt (vgl. Abschnitt I.9.6.1, S. 263) die Eindeutigkeit solcher Entwicklungen. Koeffizientenvergleich gibt (2.71).  ur die im Intervall (− 12 π, 12 π) durch Wir sch¨ atzen nun μ2n−1 (z) ab. F¨ c(ϕ) := 1 f¨ ur |ϕ| ≤

1 1 1 ur π < |ϕ| < π π und c(ϕ) := | sin 2ϕ|−1 f¨ 4 4 2

definierte Funktion gilt |z 2 + t2 | ≥ |z|2 | sin 2ϕ| ≥ |z|2 /c(ϕ), falls z = |z|eiϕ und |ϕ| < 12 π. Mit (2.71) folgt |B2n | c(ϕ) , falls Re z > 0. (2.74) |μ2n−1 (z)| ≤ 2n |z|2n

68

2 Die Gammafunktion

Da lim μ (zt) = 0 f¨ ur z ∈ C− , so ergibt Integration l¨ angs ζ(t) = zt, t ≥ 1: t→∞

Z∞ μ2n−1 (z) = −

zμ2n−1 (zt)dt.

0

F¨ ur alle z mit Re z > 0 gilt also: Z∞ |μ2n−1 (z)| ≤ |z|

|μ2n−1 (zt)|dt ≤

1

|B2n | c(ϕ) 2n |z|2n−1

Z∞ 1

dt . t2n

Hieraus ergeben sich direkt die Lindel¨ ofschen Absch¨ atzungen, [164, S. 99] f¨ ur z = |z| eiϕ mit ϕ| < 12 π: |μ2n−1 (z)| ≤

c(ϕ) |B2n | , n ≥ 1. (2n − 1)(2n) |z|2n−1

(2.75)

Im Winkelraum |ϕ| ≤ 14 π sind diese Ungleichungen besser als (2.63); z.B. folgt |μ(z)| ≤

1 1 f¨ ur alle z = |z|eiϕ mit |ϕ| ≤ π. 12|z| 4

Lindel¨ ofs Schranke c(ϕ) = 1 l¨ asst sich f¨ ur |ϕ| ≤ 14 π wegen (2.62) nicht verbessern. 1 F¨ ur |ϕ| > 4 π ist (2.75) besser als (2.63), so lange wie | sin 2 ϕ| > cos2n+2 21 ϕ ist. Das Interesse an Feinabsch¨ atzungen wie (2.75) ist bis heute lebendig. K¨ urzlich zeigten W. Sch¨ afke und A. Finsterer in einer Arbeit im Crelleschen Journal, angige Schrandass | sin 2 ϕ|−1 im Winkelraum 14 π < |ϕ| < 12 π die beste von n unabh¨ ke ist, f¨ ur welche (2.75) gilt, vgl. [242]. F¨ ur jedes n gibt es jedoch eine individuelle bessere Schranke cn (ϕ) < c(ϕ), vgl. [243].

2.5 Die Betafunktion Das uneigentliche Integral 1 tw−1 (1 − t)z−1 dt

B(w, z) :=

(2.76)

0

konvergiert kompakt und absolut im Viertelraum T × T = {(w, z) ∈ C2 : Re z > 0, Re w > 0} und ist daher bei festem w ∈ T (bzw. z ∈ T) holomorph in z ∈ T (bzw. w ∈ T). Das zeigt man analog wie beim Γ -Integral mittels eines Majorantentests (vgl. auch Abschnitt 7.4.2). Die Funktion B(w, z) heißt die (Eulersche) Betafunktion; Legendre spricht 1811 vom Eulerschen Integral 1. Art, [161, 1, S. 221]. Das Hauptresultat der Theorie der Betafunktion ist die

2.5 Die Betafunktion

Eulersche Identit¨at: B(w, z) =

69

Γ (w)Γ (z) f¨ ur alle w, z ∈ T. Γ (w + z)

Sie wird im folgenden Abschnitt mittels des Eindeutigkeitssatzes 2.4 hergeleitet. 2.5.1 Beweis der Eulerschen Identit¨ at.

Man ben¨otigt:

B(w, 1) = w−1 ,

(2.77)

z B(w, z), w+z

(2.78)

|B(w, z)| ≤ B(Re w, Re z).

(2.79)

B(w, z + 1) =

Beweis. Es ist (2.77) offensichtlich; (2.78) folgt so: (w + z)B(w, z + 1) − zB(w, z) 1 t

= (w + z) 0

1 =

1 w−1

(1 − t) dt − z

tw−1 (1 − t)z−1 dt

z

0

{wtw−1 (1 − t)z − tw z(1 − t)z−1 }dt = [tw (1 − t)z ]10 = 0.

0

Die Absch¨ atzung (2.79) gilt wegen |(1−t)w−1 tz−1 | ≤ (1−t)Re w−1 tRe z−1 .  Zum Beweis der Euler-Identit¨ at w¨ ahlen wir nun w ∈ T fest und setzen F (z) := B(w, z)Γ (w + z) ∈ O(T). Wegen (2.77) und (2.78) gilt F (1) = Γ (w) und F (z + 1) = zF (z). Da |Γ (w + z)| ≤ Γ (Re(w + z)), so ist F wegen (2.79) im Streifen {1 ≤ Re z < 2} beschr¨ ankt. Nach dem Eindeutigkeitssatz 2.4 folgt F (z) = Γ (w)Γ (z).  Einen Beweis der Eulerschen Identit¨ at f¨ ur reelle Argumente unter Benutzung der logarithmischen Konvexit¨ at des Produktes B(x, y)Γ (x+y) findet man bei Artin [4, 16-18].

Durch die Formel B(w, z) = Γ (w)Γ (z)/Γ (w + z) verliert die Betafunktion ihr Eigeninteresse. Dessen ungeachtet lebte sie neben der Gammafunktion lange als selbst¨ andige Funktion: man leitete, vornehmlich mittels der Identit¨ aten (2.77) und (2.78) eine F¨ ulle von Relationen zwischen Betafunktionen

70

2 Die Gammafunktion

her, die sich h¨ aufig bei Anwendung der Eulerschen Identit¨at sofort in Trivialit¨ aten aufl¨ osen; man vergleiche z.B. die klassischen Arbeiten von Legendre [161, 162], passim, und Binet [21], oder sogar von Euler selbst (siehe hierzu auch [186, S. 15]) . N¨ utzlich sind folgende, f¨ ur alle w, z ∈ T geltenden Integralformeln: π/2 

2w−1

(sin ϕ)

B(w, z) = 2

2z−1

(cos ϕ)

∞ dϕ =

0

0

sw−1 ds. (1 + s)w+z

(2.80)

Beweis. In (2.76) der Einleitung substituiere man t = sin2 ϕ bzw. s = tan2 ϕ,  also (1 + s)−1 = cos2 ϕ und ds = 2 tan ϕ(cos ϕ)−2 dϕ. Historische Notiz. Euler hat 1766 das Integral 1 p−1

x

(1 − x ) n

q n −1

1 , n

dx =

0

0

xp−1 dx (1 − xn )n−q

(2.81)

ur sein Integral. systematisch studiert, [62, I–17, S. 268-287]; er schreibt ( pq ) f¨ Durch die Substitution y := xn entsteht

1 p q p 1 1 p q = , . y n −1 (1 − y) n −1 dy = B q n n n n 0

Integrale vom Typ (2.81) kommen bei Euler bereits in der am 12. Januar 1739 der Petersburger Akademie vorgelegten Arbeit De productis ex infinitis factoribus ortis vor, die erst 1750 ver¨ offentlicht wurde, [62, I-14, S. 260–290]. Die Reduktion der Beta- auf die Gammafunktion kennt Euler sp¨atestens 1771, [62, I-17, S. 355] 2.5.2 Klassische Beweise der Eulerschen Identit¨ at. Wegen der Holomorphie von B in T braucht man die Formel nur f¨ ur reelle Zahlen w > 0, z > 0 zu verifizieren (Identit¨ atssatz). Beweis von Dirichlet (1839, [54, S. 398]). Man hat zun¨achst wegen des Satzes von Euler (vgl. Abschnitt 2.3.2) (1 + s)

−z

∞ Γ (z) =

tz−1 e−(1+s)t dt,

Re s > −1, z > 0 (sogar z ∈ T).

0

Mit w + z statt z entsteht durch Einsetzen in (2.80) ⎡∞ ⎤ ∞  Γ (w + z)B(w, z) = sw−1 ⎣ tw+z−1 e−(1+s)t dt⎦ ds, w > 0, z > 0. 0

0

2.5 Die Betafunktion

71

Hier ist nach S¨ atzen der reellen Analysis die Vertauschung der Integrationsreihenfolge f¨ ur alle reellen w > 0, z > 0 legitim(!), also: ⎡ ⎤ ∞ ∞ Γ (w + z)B(w, z) = ⎣ sw−1 e−ts ds⎦ tw+z−1 e−t dt. 0

0

Das innere Integral hat den Wert Γ (w)t−w . Damit folgt ∞ Γ (w + z)B(w, z) = Γ (w)

tz−1 e−t dt = Γ (w)Γ (z).



0

Dirichlet geht sorgf¨ altig auf den benutzten Vertauschungssatz ein. Jacobi argumentierte 1833 lapidar wie folgt, [131]:

72

2 Die Gammafunktion

Demonstratio formulae 

1

w

a−1

0

b−1

(1 − w)

∞ ∂w =

∞ e−x xa−1 ∂ x · 0 e−x xb−1 ∂x Γa Γb ∞ . = −x xa+b−1 ∂x Γ(a + b) e 0

(Auct. Dr. C. G. J. Jacobi, prof. math. Regiom.) —————————————–

Quoties variabilibus x, y valores omnes positivi tribuuntur inde a 0 usque ad +∞, posito x + y = r,

x = r w,

variabili novae z valores conveniunt omnes positivi a 0 usque ad +∞, variabili w valores omnes positivi a 0 usque ad +1. Fit simul ∂ x ∂ y = r ∂ r∂ w. Sit iam c notatione nota: 



Γ(a) =

e−x xa−1 ∂ x,

0

habetur  Γ(a) Γ(b) =

e−x−y xa−1 yb−1 ∂ x ∂ y,

variabilibus x, y tributis valoribus omnibus positivis a 0 usque ad +∞. Posito autem: x + y = r,

x = r w,

integrale duplex propositum ex antecedentibus altero quoque modo in duos factores discerpitur: 



Γ(a) Γ(b) = 0

unde



1 0

e−r ra+b−1 ∂ r



1 0

wa−1 (1 − w)b−1 ∂ w,

wa−1 (1 − w)b−1 ∂ w =

Γ(a) Γ(b) . Γ(a + b)

Quod est theorema fundamentale, quo integralium Eulerianorum, quae ill. L e g e n d r e vocavit, altera species per alteram exhibetur. 23. Aug. 1833.

2.5 Die Betafunktion

73

Aufgaben. 1. Man beweise: π/2 Z

(cos ϕ)2m−1 (sin2n−1 )dϕ =

0

1 (m − 1)!(n − 1)! f¨ ur m, n ∈ N\{0}. 2 (m + n − 1)!

2. π = sin πz

Z∞ 0

tz−1 dt = 2 (t − 1)z

Z∞ 0

(tan ϕ)2z−1 dϕ =

Z∞ 0

sz−1 ds f¨ ur 0 < Re z < 1. 1+s

3. Ganze Funktionen zu vorgegebenen Nullstellen

Es ist also stets m¨ oglich, eine ganze eindeutige Function G(x) mit vorgeschriebenen Null-Stellen a1 , a2 , a3 . . . zu bilden, wofern nur die nothwendige Bedingung ullt ist. Weierstrass, Math. Werke 2, lim |an | = ∞ erf¨ n=∞

S. 97

Ist f = 0 eine holomorphe Funktion in einem Gebiet G, so ist ihre Nullstellenmenge N (f ) auf Grund des Identit¨ atssatzes (vgl. Satz I.8.1.3) lokal endlich in G. Es ist naheliegend, folgendes Problem zu stellen: Es sei T irgendeine in G lokal endliche Menge, jedem Punkt d ∈ T sei irgendwie eine nat¨ urliche Zahl d(d) ≥ 1 zugeordnet. Man konstruiere in G holomorphe Funktionen, die T als genaue Nullstellenmenge besitzen, und die u ¨berdies in jedem Punkt d ∈ T die Nullstellenordnung d(d) haben. Es ist keineswegs klar, dass es solche Funktionen gibt. Wenn T endlich ist, so leisten nat¨ urlich die Polynome d∈T

(z − d)d(d) bzw. z d(0)



1−

d∈T \0

z d(d) d

das Gew¨ unschte (wobei der Vorfaktor z d(0) nur im Fall 0 ∈ T auftritt). Weierstrass hat 1876 diese Produktkonstruktion auf ganze transzendente Funktionen ausgedehnt: er bildet zu vorgegebener Folge dν ∈ C× mit lim dν = ∞ Produkte der Form  $

2

kν % ∞ z z z 1 1 z exp 1− + + ... + zm d d 2 d k d ν ν ν ν ν ν=1 und erzwingt ihre normale Konvergenz in C durch geeignete Wahl nat¨ urlicher Zahlen kν . Das Neue an dieser Konstruktion ist die Verwendung nullstellenfreier konvergenzerzeugender Faktoren (wegen historischer Einzelheiten siehe Abschnitt 3.1.6. Im folgenden behandeln wir ausgiebig diese Weierstrasssche Konstruktion; in 2.3.2 diskutieren wir Anwendungen.

76

3 Ganze Funktionen zu vorgegebenen Nullstellen

3.1 Weierstraßscher Produktsatz fu ¨r C Ziel dieses Abschnittes ist der Beweis des Weierstrassschen Produktsatzes f¨ ur die Ebene. Um bequem formulieren zu k¨ onnen, bedienen wir uns des Divisiorbegriffs, den wir im Abschnitt 3.1.1 mit Blick auf sp¨atere Verallgemeinerungen f¨ ur beliebige Bereiche in D in C diskutieren. Das einfache Prinzip, wie man mit Weierstrass-Produkten holomorphe Funktionen zu vorgegebenem Divisor gewinnt, wird durch Satz 3.1.2 beschrieben. Um diesen Satz anwenden zu k¨ onnen, f¨ uhren wir im Abschnitt 3.1.3 die Weierstrass-Faktoren En (z) ein. Mit ihnen werden im Abschnitt 3.1.4 f¨ ur den Fall D = C die klassischen Weierstrass-Produkte konstruiert. Der Abschnitt 3.1.5 enth¨alt elementare, aber wichtige Folgerungen aus dem Produktsatz. 3.1.1 Divisoren und Hauptdivisisoren. Eine Abbildung d : D → Z, deren Tr¨ ager T := {z ∈ D : d(z) = 0} lokal endlich in D ist, heißt ein Divisor in D. Jede in D meromorphe Funktion h mit in D diskreter Nullstellenmenge N (h) und Polstellenmenge P (h) bestimmt verm¨oge z → oz (h) einen Divisor (h) in D mit der Menge N (h)∪P (h) als Tr¨ ager; solche Divisoren heißen Hauptdivisoren in D. Das in der Einleitung zu diesem Kapitel gestellte Problem ist nun in folgender Aufgabe enthalten: Man zeige, dass jeder Divisor in D ein Hauptdivisor ist. Wir machen zun¨ achst einige allgemeine Bemerkungen. Divisoren d, d lassen sich (als Abbildungen in Z) in nat¨ urlicher Weise addieren, die Summe d + d ist wieder ein Divisor. Es folgt leicht: Die Menge Div(D) aller Divisoren in D ist mit der Addition als Verkn¨ upfung eine Abelsche Gruppe. Ein Divisor d heißt positiv, in Zeichen d ≥ 0, wenn d(z) ≥ 0 f¨ ur alle z ∈ D gilt; positive Divisoren nennt man aus evidenten Gr¨ unden auch Nullstellenverteilungen. Holomorphe Funktionen f haben positive Divisoren (f ). Die Menge M(D)× aller in D meromorphen Funktionen mit diskreter Nullstellenmenge ist eine multiplikative Abelsche Gruppe, genauer: M(D)× ist die Einheitengruppe des Ringes M(D). Ist D = G ein Gebiet, so ist M(G) ein K¨orper, also M(G)× = M(G)\0 (vgl. (I.10.3.3)). Man verifiziert sofort: Die Abbildung M(D)× → Div(D), h → (h) ist ein Gruppenhomomorphismus. Es gilt 1) f ∈ M(D)× ist holomorph in D ⇔ (f ) ≥ 0 2) f ∈ M(D)× ist Einheit in O(D) ⇔ (f ) = 0.

3.1 Weierstraßscher Produktsatz f¨ ur C

77

Jeder Divisor d ist die Differenz zweier positiver Divisoren: d = d+ − d− , wobei d+ (z) := max(0, d(z)) d− (z) := max(0, −d(z)), z ∈ D. Hieraus folgt sofort: Es ist d Hauptdivisor in D, wenn d+ und d− Hauptdivisoren in D sind . ur h := f /g ∈ M(D)× gilt Beweis. Sei d+ = (f ), d− = (g) mit f, g ∈ O(D). F¨ + −  dann (h) = (f /g) = (f ) − (g) = d − d = d. Damit ist die gestellte Aufgabe auf folgende reduziert: Man konstruiere zu jedem positiven Divisor d in D eine Funktion f ∈ O(D) mit (f ) = d. Die Konstruktion solcher Funktionen gelingt mit Hilfe spezieller Produkte, die wir nun einf¨ uhren. 3.1.2 Weierstrass-Produkte. Es sei d = 0 ein positiver Divisor in D. Der Tr¨ ager T = 0 von d ist eine h¨ochstens abz¨ahlbare Menge (da T lokal endlich in D ist). Wir bilden irgendwie aus den Punkten von T \{0} eine endliche oder unendliche Folge d1 , d2 , . . . derart, dass jeder Punkt d ∈ T \{0} in dieser Folge orende Folge. genau d(d)-mal vorkommt. Wir nennen d1 , d2 , . . . eine zu d geh¨ Ein Produkt fν , fν ∈ O(D), (3.1) f = z d(0) ν≥1

heißt ein Weierstrass-Produkt zum Divisor d ≥ 0 in D, wenn gilt: 1) fν ist nullstellenfrei in D\{dν }, es gilt odν (fν ) = 1, ν ≥ 1.  fν konvergiert normal in D. 2) Das Produkt ν≥1

Diese Redeweise wird sich als besonders bequem erweisen, wir zeigen sofort: Satz 3.1. Ist f ein Weierstrass-Produkt zu d ≥ 0, so gilt (f ) = d, d.h. die Nullstellenmenge von f ∈ O(D) ist der Tr¨ ager T von d, und jeder Punkt d ∈ T ist eine Nullstelle von f der Ordnung d(d). Beweis. Wegen 2) gilt f ∈ O(D). Da jeder Punkt d ∈ T , d = 0, genau d(d)ur alle z ∈ D aus 1) mal in der Folge dν vorkommt, so folgt oz (f ) = d(z) f¨ und aus Satz 1.4 (angewendet auf die Zusammenhangskomponenten von D). Mithin gilt (f ) = d.  Aus der Definition folgt unmittelbar   d≥ Ist z d(0) fν bzw. zed(0) f1ν ein Weierstrass-Produkt zu d ≥ 0 bzw. 1

78

3 Ganze Funktionen zu vorgegebenen Nullstellen

0, so ist z d(0)+ed(0) gν , wobei g2ν−1 := fν und g2ν := f1ν ein WeierstrassProdukt zu d + 1 d. Wir werden zu jedem positiven Divisor d Weierstrass-Produkte konstruieren. (Das ist mehr, als Funktionen f ∈ O(D) mit (f ) = d finden). Es kommt dazu nur noch“ darauf an, die Faktoren f ∈ O(D) so zu w¨ahlen, dass ” 1) und 2) gelten. Im Fall D = C lassen sich solche Faktoren explizit angeben. Die ganzen Funktionen

z3 zn z2 + + ··· + , n ≥ 1, E0 (z) := 1 − z, En (z) := (1 − z) exp z + 2 3 n

3.1.3 Weierstrass-Faktoren.

heißen Weierstrass-Faktoren. Wir bemerken sofort

zn z2 En (z) = −z n exp z + + ··· + f¨ ur n ≥ 1, 2 n   En (z) = 1 + aν z ν mit |aν | = 1, f¨ ur n ≥ 0. ν>n

(3.2) (3.3)

ν>n

Beweis. F¨ ur tn (z) := z + z 2 /2 + · · · + z n /n gilt (1 − z)tn (z) = 1 − z n . Um (3.2) zu zeigen, schreibt man En (z) = − exp tn (z) −  + (1 aν z ν ist z)tn (z) exp tn (z) = −z n exp tn (z). Gleichung (3.3) folgt so: ur n ≥ 1 gilt die von En um 0. Der Fall n = 0 ist trivial. F¨  Taylor-Reihe νaν z ν−1 = −z n exp tn (z) auf Grund von (3.2). Da die Funktion rechts eine Nullstelle n-ter Ordnung in 0 hat, und da alle Taylor-Koeffizienten von exp tn (z) um 0 positiv sind, sehen wir a1 = · · · = an = 0 und aν ≤ 0, also |aν | = −aν , f¨ ur ν > n.  Wegen a0 = En (0) = 1 und 0 = En (1) = 1 + aν folgt (3.3).



ν>n

Aus (3.3) ergibt sich direkt: F¨ ur alle z ∈ C mit |z| ≤ 1 gilt: |En (z) − 1| ≤ |z|n+1 , n = 0, 1, 2, . . . . (3.4) Zweiter Beweis von (3.4) nur mit (3.2). Wegen |ew | ≤ e|w| , w ∈ C, folgt direkt ur alle (t, z) ∈ [0, ∞) × E. |En (tz)| ≤ −|z|n |En (t)| f¨ Da f (z) − f (0) = z

1 0

f  (tz) dt f¨ ur alle f ∈ O(C) und alle z ∈ C, so folgt 1

|En (z) − 1| ≤ |z| 0

|En (2)|dt

1 ≤ −|z|

n+1 0

|En (t)|dt, z ∈ E.

3.1 Weierstraßscher Produktsatz f¨ ur C

Das Integral rechts hat den Wert −1.

79



Aus Weierstrass-Faktoren werden im n¨achsten Abschnitt Weierstrass-Produkte gebildet; zum Konvergenzbeweis ben¨otigt man entscheidend die Absch¨ atzung (3.4). Historische Notiz. Die Folge En findet sich in [275, S. 94]. Aus der Gleichung ⎞ ⎛  zν ⎠ , z ∈ E, 1 − z = exp(log(1 − z)) = exp ⎝− ν ν≥1

gewinnt er die Formel En (z) = exp −



¨ z /ν , z ∈ E, die in seinen Uberν

ν>1

legungen an die Stelle der Absch¨ atzung (3.4) tritt. – Der oben wiedergegebene ´r zugeschrieben, vgl. hierzu [120, 1, S. erste Beweis von (3.4) wird L. Feje 227] sowie [70, 2, 849/50]. Das Argument findet sich jedoch schon 1903 bei L. Orlando, vgl. [190]. 3.1.4 Produktsatz von Weierstrass. In diesem Abschnitt bezeichnet d = 0 einen positiven Divisor in C und (dν )ν≥1 eine Folge zu d. urlicher Zahlen, so dass Lemma 3.2. Ist (kν )ν≥1 irgendeine Folge nat¨ ∞ 

|r/dν |kν +1 < ∞ f¨ ur jedes reelle r > 0,

(3.5)

ν=1

so ist z d(0)

 ν≥1

Ekν (z/dν ) ein Weierstrass-Produkt zu d.

Beweis. Wir d¨ urfen annehmen, dass d unendlich ist. Nach (3.4) gilt |Ekν (z/dν ) − 1| ≤ |r/dν |kν +1 f¨ ur alle z ∈ Br (0) und alle ν mit |dν | ≥ r. ur Da lim |dν | = ∞, so gibt es zu jedem r > 0 ein n(r), so dass |dν | ≥ r f¨ ν > n(r). Daher folgt   |Ekν (z/dν ) − 1|Br(0) ≤ |r/dν |kν +1 < ∞ f¨ ur jedes r > 0, ν>n(r)

ν>n(r)

womit die normale Konvergenz des Produktes gezeigt ist. Da der Faktor Ek (z/dν ) ∈ O(C) in C\{dν } nullstellenfrei ist und in dν von erster Ordnung verschwindet, so haben wir ein Weierstrass-Produkt zu d. 

80

3 Ganze Funktionen zu vorgegebenen Nullstellen

Produktsatz 3.3. Zu jedem Divisor d ≥ 0 in C existieren WeierstrassProdukte, z.B. Eν−1 (z/dν ) = z d(0) ν≥1

z

d(0)



ν≥1

z 1− dν



· exp

1 z + dν 2



z dν

2

1 · ... · ν−1



z dν

ν−1 % .

Beweis. Zu r > 0 w¨ ahle man m ∈ N, so dass |dν | > 2r f¨ ur ν > m. Dann folgt  |r/dν |ν < 2−ν < ∞. Mithin gilt (3.5) f¨ ur kν := ν − 1.  ν>m

ν>m

Die Wahl kν := ν − 1 ist nicht optimal. Es reicht etwa, nur kν > α log ν mit amlich |r/dν |kν +1 < ν −α , α > 1 zu fordern: da fast immer |dν | > e · r, so gilt dann n¨ so dass (3.5) zutrifft.

3.1.5 Folgerungen.

Der Produktsatz 3.3 hat wichtige Konsequenzen.

Existenzsatz 3.4. Jeder Divisor in C ist ein Hauptdivisor. Faktorisierungssatz 3.5. Jede ganze Funktion f = 0 l¨ asst sich in der Form  $

2

kν % z z z 1 1 z exp 1− + · ... · f (z) = eg(z) z m dν dν 2 dν kν dν ν≥1

schreiben, wobei g ∈ O(C) und z m



. . . ein (evtl. leeres) Weierstrass-

ν≥1

Produkt zum Divisor (f ) ist.

Nur der Faktorisierungssatz bedarf einer Begr¨ undung. Nach dem Produktsatz gibt es ein Weierstrass-Produkt f zum Divisor (f ). Dann ist f /f eine Funktion ohne Nullstellen und mithin von der Form exp g mit g ∈ O(C), (vgl. Abschnitt I.9.3.2).  Eine einfache Folgerung aus dem Exisenzsatz ist die Quotientendarstellung meromorpher Funktionen 3.6. Zu jeder in C meromorphen Funktion h gibt es zwei ganze Funktionen f, g ohne gemeinsame Nullstellen in C, so dass gilt: h = f /g. Beweis. Sei h = 0. Durch d+ (z) := max{0, oz (h)} und d− (z) := max{0, −oz (h)}, z ∈ C, werden positive Divisoren in C mit disjunkten Tr¨agern ahle ein g ∈ O(C) mit (g) = d− . Es definiert; es gilt (h) = d+ − d− . Man w¨ gilt g = 0. F¨ ur f := gh folgt (f ) = (g) + (h) = d+ ≥ 0, daher ist f holomorph in C. Nach Konstruktion ist N (f ) ∩ N (g) leer. 

3.1 Weierstraßscher Produktsatz f¨ ur C

81

Wir haben insbesondere gezeigt: Der K¨orper M(C) der in C meromorphen Funktionen ist der Quotientenk¨ orper des Integrit¨ atsringes O(C) der in C holomorphen Funktionen. Der Satz enth¨ alt mehr als diese letzte Aussage: bei einem beliebigen Quotienten f /g ganzer Funktionen k¨ onnen Z¨ ahler und Nenner evtl. unendlich viele gemeinsame Nullstellen haben, dann ist es ohne den Existenzsatz nicht klar, dass sich diese Nullstellen alle wegk¨ urzen lassen.  Wir notieren abschließend noch ein Wurzelkriterium 3.7. Folgende Aussagen u ¨ber eine ganze Funktion f = 0 und eine nat¨ urliche Zahl n ≥ 1 sind ¨ aquivalent: i ) Es existiert eine holomorphe n-te Wurzel aus f , d.h. es gibt ein g ∈ O(C) mit g n = f . ii ) Jede nat¨ urliche Zahl oz (f ), z ∈ C, ist durch n teilbar. Beweis. Es ist nur die Implikation ii) ⇒ i) zu zeigen. Nach Voraussetzung gibt es einen positiven Divisor d in C mit nd = (f ). Sei g ∈ O(C) so gew¨ahlt, dass ( g ) = (d). Dann ist u := f / g n holomorph und nullstellenfrei in C , daher n ur holomorphe Wurzeln, vgl. gibt es ein u ∈ O(C) mit u = u (Existenzsatz f¨ Abschnitt I.9.3.3). Die Funktion g := u g ist nun eine n-te Wurzel aus f .  Auf Grund des Existenzsatzes kann man die Pole meromorpher Funktionen ihrer Lage und Ordnung nach vorschreiben. Das dabei sogar auch alle Hauptteile noch beliebig vorgegeben werden d¨ urfen, werden wir im Kapitel 6 sehen. Durch logarithmische Differentiation von Weierstrass-Produkten erh¨ alt man aber aus dem Produktsatz 3.3 sofort Satz 3.8. Es sei 0, d1 , d2 , . . . eine Folge paarweiser verschiedener Punkte in C, die in C keinen H¨ aufungspunkt hat. Dann ist

1 1 z z ν−2 1  + + + 2 + . . . + ν−1 z z − dν dν dν dν ν≥1

eine in C meromorphe Funktion, die in C\{0, d1 , d2 , . . . } holomorph ist und in dν , ν ≥ 1 den Hauptteil (z − dν )−1 hat. 3.1.6 Historisches zum Produktsatz. Weierstrass hat seine Theorie 1876 entwickelt, [275, 77–124]. Sein Hauptanliegen war, den allgemeinen Aus” druck“ f¨ ur alle Funktionen aufzustellen, die in C bis auf endlich viele Punkte meromorph sind. [Dazu] hatte ich jedoch. . . zuvor eine in der Theorie der ”

82

3 Ganze Funktionen zu vorgegebenen Nullstellen

transcendenten ganzen Functionen bestehende . . . L¨ ucke auszuf¨ ullen, was mir erst nach manchen vergeblichen Versuchen vor nicht langer Zeit in befriedigender Weise gelungen ist“, [275, S. 85]. Die erw¨ahnte L¨ ucke wurde durch den Produktsatz geschlossen, [275, S. 92–97]. Das Neue und f¨ ur die Zeitgenossen Sensationelle an der Weierstraßschen Konstruktion ist die Verwendung konvergenzerzeugender Faktoren die keinen Einfluss auf das Nullstellenverhalten haben. Auf die Idee, durch Anf¨ ugung von Exponentialfaktoren Konvergenz zu erzwingen, ist Weierstrass u ¨brigens, wie er sagt [275, S. 91], durch die Produktformel 2

−z 3 ' & z  −z log( ν+1 z ν +1 ν ) e 1+ 1+ =z , 1/Γ (z) = z ν ν ν ν≥1

ν≥1

gekommen, die er Gauss und nicht Euler zuschreibt, (vgl. Abschnitt 2.2.2). ´ wertete 1898 in seinem Nachruf auf Weierstrass die Entdeckung H. Poincare der Faktoren En (z) wie folgt, [211, S. 8]: La principale contribution de Wei” erstraß aux prog`es de la th´eorie des fonctions est la d´ecouverte des facteurs primaires“. Spezialf¨ alle des Produktsatzes kommen bereits vor 1876 in der Literatur vor, so z.B. 1859/60 bei E. Betti, vgl. hierzu Abschnitt 2.2.1. Die Erkenntnis, dass es ganze Funktionen mit willk¨ urlich“ vorgegebe” nen Nullstellen gibt, revolutionierte das Denken der Funktionentheoretiker. Auf einmal konnte man holomorphe Funktionen konstruieren“, die im klassi” schen Arsenal nicht einmal andeutungsweise vorkommen. Diese Freiheit steht nat¨ urlich nicht im Widerspruch zu der durch den Identit¨atssatz bedingten Solidarit¨ at des Werteverhaltens holomorpher Funktionen: der analytische Kitt“ ” erweist sich als knetbar genug, um lokal vorgegebene Daten auf analytische Weise global zu verheften. Weierstrass hat aus seinem Produktsatz sofort den Satz von der Quotientendarstellung meromorpher Funktionen gefolgert, [275, S. 102]. Allein da´ griff 1883 diese Bemit erregte er Aufsehen. Kein Geringerer als H. Poincare merkung des c´el`ebre g´eom`etre de Berlin“ auf und u ¨bertrug sie auf meromor” phe Funktionen von zwei Ver¨ anderlichen, [209]. Mit seinem Satz u ¨ber die Darstellbarkeit jeder im C2 meromorphen Funktion als Quotient f (w, z)/g(w, z) von zwei (lokal u ¨berall teilerfremden) ganzen Funktionen im C2 initiierte Poincar´e eine Theorie, die durch Arbeiten von P. Cousin, H. Cartan, K. Oka, J.-P. Serre und H. Grauert bis in die Gegenwart hinein lebendig geblieben ist, vgl. hierzu die Ausblicke in den Abschnitten 4.2.4, 5.2.6 und 6.2.4.

3.2 Diskussion des Produktsatzes Bei Anwendungen des Produktlemmas 3.2 wird man die Zahlen kν so klein wie m¨ oglich w¨ ahlen gem¨ aß der Vorstellung, je kleiner kν , umso einfacher der Faktor Ekν (z/dν ). Situationen, in denen alle kν gleich gew¨ahlt werden k¨onnen, sind besonders angenehm; sie f¨ uhren zum Begriff des kanonischen Produkts

3.2 Diskussion des Produktsatzes

83

(3.2.1). Im Abschnitt 3.2.2 zeigen wir, dass sowohl die Euler-Produkte aus Kapitel 3.1.4 als auch das Sinusprodukt als auch das f¨ ur die Theorie der Gammafunktion so wichtige Produkt H(z) kanonische Weierstrass-Produkte sind. In den Abschnitten 3.2.3 und 3.2.4 diskutieren wir das σ-Produkt und die ℘-Funktion. Wir zeigen die Holomorphie bzw. Meromorphie von σ(z; ω1 , ω2 ) bzw. ℘(z; ω1 , ω2 ) in allen drei Variablen. Diese Funktionen spielen seit Eisenstein und Weierstrass die zentrale Rolle in der Theorie der elliptischen Funktionen. Im Abschnitt 3.2.5 findet sich noch eine Bemerkung von Hurwitz. 3.2.1 Kanonische Produkte. Es bezeichnet wieder d einen positiven Diorige Folge. Wir notieren vorab: visor in C und d1 , d2 , . . . eine zugeh¨  in C und ist jede Satz 3.9. Konvergiert f (z) = (1 − z/dν )epν (z) normal |1/dν |k+1 . Funktion pν ein Polynom vom Grade ≤ k, so konvergiert   1  Beweis. Differenziert man f  (z)/f (z) = + p (z) noch k-mal, so ν z−dν  k entsteht die in 0 ∈ C absolut konvergente Reihe (−1) k!/(z − dν )k+1 .  Wir fragen nun,  wann es zu d Weierstrass-Produkte der besonders einfachen Form z d(0) Ek (z/dν ) mit festem k ∈ N gibt. ν≥1

 Satz 3.10. Genau dann ist z d(0) Ek (z/dν ) ein Weierstrass-Produkt zu d, ν≥1  wenn |1/dν |k+1 < ∞. Beweis.  Ist das in Rede stehende Produkt ein Weierstrass-Produkt zu d, so folgt |1/dν |k+1 < ∞ mit Satz 3.9, da = (1−z/d)ep(z) mit einem Ek (z/d) k+1 < ∞, so ist das Produkt Polynom p vom Grad k. Gilt umgekehrt |1/dν | nach Lemma 3.2 ein Weierstrass-Produkt zu d.  Existieren zu d Weierstrass-Produkte  gem¨aß Satz 3.10, so kann Ek (z/dν ) das kanonische man k minimal w¨ ahlen; alsdann heißt z d(0) ν≥1

Weierstrass-Produkt zu d. Also: Satz 3.11. Genau dann ist z d(0) wenn





Ek (z/dν ) das kanonische Produkt zu d,

ν≥1

|1/dν |k = ∞ und



|1/dν |k+1 < ∞.

84

3 Ganze Funktionen zu vorgegebenen Nullstellen

Beispiele f¨ ur kanonische Produkte finden sich in den n¨achsten beiden Abschnitten. Solche Produkte h¨ angen nur vom Divisor d ab, die zuf¨allige Wahl der Folge dν spielt – im Gegensatz zur allgemeinen Situation – keine Rolle. achst, gibt es kein kanonisches Produkt: z.B. Wenn die Folge dν zu langsam w¨ dann nicht, wenn log(1 + ν) eine Teilfolge der Folge dν ist (Beweis!). Hiermit sieht man leicht, dass die Funktion 1 − exp(exp z) kein kanonisches Produkt hat. – Wir notieren noch ohne Beweis: ur alle μ = ν, so gilt Satz 3.12. Ist m > 0 so beschaffen, dass |dμ − dν | ≥ m f¨  ur α > 2. Alsdann gibt es ein kanonisches Produkt zu d mit |1/dν |α < ∞ f¨ k ≤ 2. Historische Notiz. Satz 3.12 wurde 1859/60 von E. Betti bewiesen, um elliptische Funktionen als Quotienten von Theta-Reihen schreiben zu k¨onnen; vgl. hierzu den Artikel [262] von P. Ullrich, S. 166. 3.2.2 Drei klassische kanonische Produkte. 1) Das in Abschnitt 1.4.3 diskutierte Produkt (1 + q ν z) = E0 (−q ν z), wobei 0 < |q| < 1, ν≥1

ν≥1

ist das kanonische Produkt zum Divisor in C, der durch d(−q −ν ) := 1 f¨ ur ν = 1, 2, . . . ; d(z) := 0 sonst, gegeben wird. (Satz 3.12 gilt mit k = 0); 2) Die in Abschnitt 2.1.1 betrachtete Funktion H(z) = e−γz /Γ (z) = z (1 + z/ν)e−z/ν = z E1 (−z/ν) ν≥1

ν≥1

ist das kanonische Produkt zum Divisor C, der durch d(−ν) := 1 f¨ ur ν ∈ N, d(z) := 0 sonst, definiert wird. (Satz 3.11 gilt mit k = 1, aber nicht mit k = 0); 3) Das Sinusprodukt (1−z 2 /ν 2 ) = z [(1−z/ν)ez/ν (1+z/ν)e−z/ν ] = z E1 (z/ν)E1 (−z/ν) z ν≥1

ν≥1

ν≥1

ist das kanonische Produkt zum Divisor in C, der durch d(v) := 1 f¨ ur v ∈ Z, d(z) := 0 sonst,

3.2 Diskussion des Produktsatzes

85

erkl¨ art ist. (Satz 3.11 gilt mit k = 1 aber nicht mit k = 0; eine zugeh¨orige Folge dν ist 1, −1, 2, −2, . . . ). In Vorlesungen bzw. Lehrb¨ uchern werden bisweilen diese Beispiele als Anwendungen des Weierstrassschen Produktsatzes angegeben. Diese Produkte waren allerdings lange vor Weierstrass bekannt. Sein Satz zeigt allerdings, dass ihnen allen dasselbe Konstruktionsprinzip zugrunde liegt. Bestimmen Sie das kanonische Produkt zu d ≥ 0 in C mit der Folge: √ 1. dν := (−1)ν 3 ν, ν ≥ 1. ur ν ≥ 1. 2. dν := μ iν wobei μ ∈ N mit 4μ − 3 ≤ ν ≤ 4μ f¨

Aufgabe.

3.2.3 Die σ-Funktion. die Menge

Sind ω1 , ω2 ∈ C reell linear unabh¨ angig, so heißt

Ω := Zω1 + Zω2 = {ω = mω1 + nω2 : m, n ∈ Z} ein Gitter in C. Dann ist Ω lokal endlich in C, und δ : C → N, z → δ(z) := 1 oder 0, je nachdem ob z ∈ Ω oder z ∈ Ω, ist ein positiver Divisor in C mit Ω als Tr¨ ager. Satz 3.13. Die ganze Funktion

z z  ωz + 12 ( ωz )2 e 1− =z E2 σ(z) := σ(z, Ω) := z ω ω 0 =ω∈Ω

(3.6)

0 =ω∈Ω

ist das kanonische Weierstrass-Produkt zum Gitterdivisor δ. Der Satz ist enthalten in der Bettischen Aussage Satz 3.12. Wir geben einen direkten Beweis, der sogar die normale Konvergenz des σ-Produktes (3.6) in allen drei Variablen z, ω1 , ω2 zeigt. Die Menge U := {(u, v) ∈ C2 : u/v ∈ H} ist ur jeden Punkt (ω1 , ω2 ) ∈ U ist Ω(ω1 , ω2 ) := Zω1 +Zω2 ein ein Gebiet im C2 . F¨ Gitter in C, umgekehrt hat jedes Gitter Ω ⊂ C eine Basis in U . Entscheidend ist nun: Lemma 3.14 (Konvergenzlemma). Sei K ⊂ U kompakt und α > 2. Dann gibt es eine Schranke M > 0, so dass gilt:   |ω|−α ≤ M f¨ ur alle (ω1 , ω2 ) ∈ K, |ω|−2 = ∞. 0 =ω∈Ω(ω1 ,ω2 )

0 =ω∈Ω(ω1 ,ω2 )

Beweis. Die Funktion q : (R2 \(0, 0)) × U → R, (x, y, ω1 , ω2 ) → |xω1 + yω2 |/

,

x2 + y 2

86

3 Ganze Funktionen zu vorgegebenen Nullstellen

ist homogen in x, y, daher gilt q(R2 \(0, 0) × U ) = q(S 1 × U ). Da q stetig ist, so hat q auf dem Kompaktum S 1 × K ein Maximum T und ein Minimum t. Da q wegen der R-linearen Unabh¨ angigkeit von ω1 , ω2 stets positiv ist, so folgt t > 0. Da , , t m2 + n2 ≤ |mω1 + nω2 |  T m2 + n2  −α f¨ ur alle (ω1 , ω2 ) ∈ K und alle (m, n) ∈ Z2 , so ist die Konvergenz von |ω| gleichbedeutend mit der Konvergenz von 

(m2 + n2 )−β = 4

0 =(m,n)∈Z2

∞ ∞   1 1 1 + 4 , wo β = α. α 2 2 β m (m + n ) 2 m=1 m,n=1

Da m2 + n2 ≥ 2mn > mn > 0 f¨ ur alle m, n ≥ 1, so gilt  ∞  ∞ ∞ ∞    1  1 1 1 < ∞ f¨ ur α > 2.1  < = 2 + n2 )β β nβ β β (m m n m m,n=1 m,n=1 n=1 m=1 Die Divergenz f¨ ur β = 1 folgt, da wegen m2 + n2 ≤ 2n2 f¨ ur 1 ≤ m ≤ n gilt: ∞ 

n n ∞  ∞ ∞  1 1 11 1 1 = ∞. > ≥ = m2 + n2 m2 + n2 2 n=1 m=1 n2 2 n=1 n m,n=1 n=1 m=1



Da |E2 (z/ω)−1| < |z/ω|3 f¨ ur |z| < |ω|, so folgt jetzt nicht nur der Satz direkt, sondern dar¨ uber hinaus: Satz 3.15. Das σ-Produkt σ(z; ω1 , ω2 ) := σ(z, Ω(z1 , z2 )) konvergiert in C×U normal gegen eine dort holomorphe Funktion in z, ω1 , ω2 . Historische Bemerkung. Der Trick, den Beweis mittels m2 + n2 > mn zu trivialisieren, stammt von Weierstrass; er hat ihn im Jahre 1863 Herrn F. ” Mertens dictirt“, [272, Vorwort und S. 117]. – Die arithmetisch-geometrische β β β/d gibt sogar: Ungleichung n1 + . . . + nd ≥ (n1 · . . . · nd ) 

1

(nβ1 (n1 ,...,nd ) =0

+

nβ2

+ . . . + nβd )α

< ∞,

falls d ∈ N\{0}, α > 0, β > 0 und αβ > d. Solche Reihen (mit β = 2) wurden 1847 von Eisenstein betrachtet, Werke 361-363. 1

γ n−1

F¨ ur γ > 0 gilt, wenn man ∞ X 2

γ n1+γ


0, so die Funktion |xω1 + yω2 |/ max(|x|, |y|). Wie oben gibt es ZahlenP |ω|−α ist nun dass s ≤ |mω1 + nω2 |/ max(|m|, |n|) ≤ S. Die Konvergenz von gleichbedeutend mit der von X

[max(|m|, |n|)]−α = 4

0 =(m,n)∈Z2

∞ ∞ X X 1 +4 [max(m, n)]−α . α m m=1 m,n=1

Die Reihe rechts l¨ asst sich aber wie folgt schreiben(!) ! ∞ ∞ ∞ ∞ ∞ X X X X X −α −α nn + = m n1−α + (k − 1)k−α = (2n1−α − n−α ), n=1

m=n+1

n=1

k=1

n=1

sie konvergiert f¨ ur α > 2 und divergiert f¨ ur α = 2.

3.2.4 Die ℘-Funktion. Da das Produkt σ(z; ω1 , ω2 ) ∈ O(C × U ) nach (3.15) normal konvergiert, darf man es logarithmisch nach z differenzieren, Satz 1.2.3:

 1 1 z 1 σ  (z; ω1 , ω2 ) = + + + (3.7) ζ(z; ω1 , ω2 ) := σ(z; ω1 , ω2 ) z z − ω ω ω2 0 =ω∈Ω(ω1 ,ω2 )

∈ M(C × U ). Diese in C×U normal konvergente Reihe (von meromorphen Funktionen) heißt die Eisenstein-Weierstrasssche ζ-Funktion. Gew¨ohnliche Differentiation von (3.7) gibt

 1 1 1  − 2 (3.8) ℘(z; ω1 , ω2 ) := −ζ (z; ω1 , ω2 ) = 2 + z (z − ω)2 ω 0 =ω∈Ω(ω1 ,ω2 )

∈ M(C × U ). Diese Reihe konvergiert ebenfalls normal in C × U . Die ζ- bzw. ℘-Funktion ist bei festen ω1 , ω2 holomorph in C\Ω(ω1 , ω2 ) und hat in jedem Gitterpunkt einen Pol erster bzw. zweiter Ordnung. Die ℘-Funktion ist doppelt-periodisch (= elliptisch) mit Ω(ω1 , ω2 ) als Periodengitter. In der Theorie der elliptischen Funktionen ist es fundamental, dass die ℘-Funktion meromorph in allen drei ugend betont. Variablen z, ω1 , ω2 ist, dies wird in der Literatur h¨aufig nicht gen¨ Die Funktionen σ, ζ, ℘ werden im Fall ω2 = ∞ trigonometrische Funktionen: Man hat, wenn man ω f¨ ur ω1 ∈ C× schreibt: π 2 z 2 π z z ω π2 z 2 + cot π σ(z; ω, ∞) := e 6 ( ω ) sin π , ζ(z; ω, ∞) := π ω 3 ω ω ω 1 π 2 π 2 z −2 sin π ℘(z; ω, ∞) := − + , 3 ω ω ω 1 1 σ(z; ∞, ∞) := z, ζ(z; ∞, ∞) := , ℘(z; ∞, ∞) := 2 . z z

88

3 Ganze Funktionen zu vorgegebenen Nullstellen

Dabei gilt weiterhin ζ = σ  /σ und ℘ = −ζ  . Mit etwas Aufwand sieht man, ur ζ dass lim σ(z; ω1 , ω2 ) = σ(z; ω1 , ∞) kompakt konvergiert, dasselbe gilt f¨ ω2 →∞

und ℘. Die Theorie der elliptischen Funktionen enth¨alt also die Theorie der trigonometrischen Funktionen als Entartungsfall. 3.2.5 Eine Bemerkung von Hurwitz∗ . Satz 3.16. Jeder positive Divisor d in C ist der Divisor einer ganzen Funktion P amtlich im K¨ orper Q(i) der komplex-rationalen aν z ν , deren Koeffizienten aν s¨ ur alle z ∈ C, so kann man alle Zahlen Zahlen liegen. Gilt insbesondere d(z) = d(z) f¨ ahlen. aν in Q w¨ Zum Beweis ben¨ otigen wir folgenden Hilfssatz 3.17. Es sei f holomorph um 0 ∈ C. Dann gibt es eine ganze Funktion g, oren. so dass alle Koeffizienten aν der Taylor-Reihe von f exp g um 0 zu Q(i) geh¨ Sind insbesondere alle Koeffizienten der Taylor-Reihe von f um 0 reell, so kann man g so w¨ ahlen, dass alle aν in Q liegen. Beweis. Sei f = 0. Es gilt f (z) = z s eh(z) , s ∈ N, wobei h(z) = b0 +b1 z ·. . .·bn z n +. . . um 0 holomorph ist (man schreibe f (z) = z s fe(z), wobei fe um 0 holomorph und nullstellenfrei ist; dann kann man fe in die Form eh bringen). Da derPK¨ orper Q(i) (qν − bν )z ν dicht in C liegt, gibt es Zahlen q1 , q2 , . . . ∈ Q(i), so dass g(z) := −b0 + ν≥1

eine ganze Funktion ist. Es gilt 2

f (z)eg(z) = z s eq1 z+q2 z

2

+...

3 X 1 = z s 41 + (q1 z + q2 z 2 + . . . )ν 5 . ν! ν≥1

Die Entwicklung der rechten Seite nach Potenzen von z liefert Taylor-Koeffizienten aν ∈ Q(i), da jedes aν ein Polynom mit rationalen Koeffizienten in endlich vielen der q1 , q2 , . . . ∈ Q(i) ist. Hat die Potenzreihe von f um 0 reelle Koeffizienten, so sind ahlen.  alle bν mit ν ≥ 1 reell und man kann stets qν ∈ Q und also aν ∈ Q w¨

Nunmehr ist der Beweis der Hurwitzschen Bemerkung schnell erbracht. Wir w¨ ahlen f ∈ O(C) mit (f ) = d. Dann ist d auch der Divisor jeder Funktion q := f exp g, g ∈ O(C). Auf Grund von Hilfssatz 3.17 kann man g so w¨ ahlen, dass alle oren. Taylor-Koeffizienten aν von q zu Q(i) geh¨ Gilt stets d(z) = d(z), so ist d auch der Divisor der ganzen Funktion qe, deren q ; nach dem Taylor-Koeffizienten die Zahlen aν sind. Dann ist 2d der Divisor von qe q . Es gilt (b q ) = d. Da alle TaylorWurzelkriterium gibt es ein qb ∈ O(C) mit qb2 = qe Koeffizienten von qe q reell-rational und der erste nicht verschwindende Koeffizient positiv ist, so sind alle Taylor-Koeffizienten von qb reell-rational. Die eben hergeleitete Aussage hat Hurwitz 1889 bewiesen, [124]. Als u ¨berraschendes Korollar notiert Hurwitz noch:

3.2 Diskussion des Produktsatzes

89

Korollar 3.18. Jede (reelle oder komplexe) Zahl a (z.B. also e oder π) ist Wurzel einer Gleichung 0 = r0 + r1 z + r2 z 2 + . . . , deren rechte Seite eine ganze Funktion mit rationalen (reellen bzw. komplexen) Koeffizienten ist, welche außer a keine weiteren Nullstellen hat.

4. Holomorphe Funktionen zu vorgegebenen Nullstellen∗

Wir u ur ganze Funktionen gewonnenen Resultate ¨bertragen die im Kapitel 3 f¨ auf holomorphe Funktionen in beliebigen Bereichen D in C. Das Ziel ist zu zeigen, dass jeder Divisor in D ein Hauptdivisor ist (Existenzsatz 3.4). Dazu konstruieren wir im Paragraphen 4.1 zun¨ achst zu jedem positiven Divisor Weierstrass-Produkte. Sie werden wie fr¨ uher aus Weierstrass-Faktoren En aufgebaut und konvergieren normal in Bereichen, die C\∂D umfassen, Satz 4.1.3. Im Paragraphen 4.2 entwickeln wir u.a. die Theorie des gr¨oßten gemeinsamen Teilers f¨ ur alle Integrit¨ atsringe O(G). Spezielle Weierstrass-Produkte in E sind die Blaschke-Produkte; sie werden im Paragraphen 4.3 studiert und dienen der Konstruktion beschr¨ ankter Funktionen aus O(E) zu vorgegebenen positiven Divisoren. In einem Anhang zum Paragraphen 4.3 beweisen wir die Jensensche Formel.

4.1 Produktsatz fu ¨r beliebige Bereiche Im Abschnitt 4.1.1 wird ein Konvergenzlemma bewiesen. Im Abschnitt 4.1.2 werden f¨ ur spezielle Divisoren Weierstrass-Produkte konstruiert; an die Stelle der Faktoren En (z/d) treten (mit c = d) jetzt Faktoren der Form $



2

n %

z−d d−c 1 d−c d−c 1 d−c En = · exp + , + ... + z−c z−c z−c 2 z−c n z−c die ebenfalls im Punkt d von erster Ordnung verschwinden. Im Abschnitt 4.1.3 wird der allgemeine Produktsatz hergeleitet. 4.1.1 Konvergenzlemma. Es sei d ein positiver Divisor in D mit Tr¨ager T . Wir bilden aus den Punkten der abz¨ ahlbaren Menge T irgendwie eine Folge (dν )ν≥1 derart, dass jeder der Punkte d ∈ T genau d(d)-mal in dieser Folge vorkommt (im Gegensatz zu fr¨ uher - in 3.1.2 - wird der eventuell in T liegende Nullpunkt nicht ausgeschlossen). An die Stelle von Lemma 3.14 tritt folgendes Lemma 4.1. Es gebe eine Folge (cν )ν≥1 in C\D und eine Folge (kν )ν≥1 nat¨ urlicher Zahlen, so dass

4 Holomorphe Funktionen zu vorgegebenen Nullstellen∗

92

∞ 

|r(dν − cν )|kν +1 < ∞ f¨ ur alle r > 0.

(4.1)

ν=1

Dann konvergiert in C\{c1 , c2 , . . . } ⊃ D das Produkt $





2 dν − cν z − dν dν − cν 1 dν − cν = · exp + Ek ν z − cν z − cν z − cν 2 z − cν ν≥1 ν≥1

k % 1 dν − cν ν (4.2) +... + kν z − cν normal; es ist in D ein Weierstrass-Produkt zum Divisor d. Beweis. Wir setzen S := {c1 , c2 , . . . }. F¨ ur fν (z) := [Ekν (dν − cν )/(z − cν )] gilt  dν , odν (fν ) = 1. (4.3) fν ∈ O(C\S), fν (z) = 0, falls z = Sei K ein Kompaktum im Bereich C\S. Da |z − cν | ≥ d(K, cν ) ≥ d(K, S) > 0 f¨ ur alle z ∈ K, so gilt |(dν − cν )/(z − cν )|K ≤ r|dν − cν | mit r := d(K, S)−1 . Da lim |dν − cν | = 0 wegen (4.1), so gibt es zu r ein n(K) ∈ N, so dass ur ν > n(K). Da |En (w) − 1| ≤ |w|n+1 f¨ ur w ∈ E nach (3.4), r|dν − cν | < 1 f¨ so folgt:   |fν − 1|K ≤ |r(dν − cν )|kν +1 < ∞. ν>n(K)

ν>n(K)

 Damit ist die normale Konvergenz von fν in C\S gezeigt. Wegen (4.3) ist dieses Produkt in D ein Weierstrass-Produkt zu d.   Korollar 4.2. Falls |dν − cν |k+1 < ∞ mit k ∈ N, so ist das Produkt  Ek [(dν − cν )/(z − cν )] ein Weierstrass-Produkt zu d in D. ν≥1

Beweis. Es gilt (4.1) mit kν = k.



4.1.2 Produktsatz f¨ ur spezielle Divisoren. Der Konvergenzbereich des im Lemma 4.1 konstruierten Produktes ist i.a. gr¨oßer als D. Da T die Nullstellenmenge des Produktes ist, so ist T abgeschlossen in diesem gr¨oßeren Bereich. Wir bemerken allgemein (der Leser f¨ uhre den Beweis): Satz 4.3. Ist T eine diskrete Menge in C, so ist die Menge T  := T \T aller H¨ aufungspunkte1 von T in C abgeschlossen in C. Der Bereich C\T  ist der gr¨ oßte Teilbereich von C, in dem T abgeschlossen ist. Wegen Satz 4.3 l¨ asst sich jeder positive Divisor d in D mit Tr¨ager T als ein positiver Divisor in C\T  ⊃ D mit gleichem Tr¨ager auffassen (man setzt d(z) := 0 f¨ ur z ∈ (C\T  )\D). Ersichtlich gilt T  ⊂ ∂D. Mit Lemma 4.1 folgt nun schnell: 1

Nach G. Cantor heißt T  die Ableitung von T in C.

4.1 Produktsatz f¨ ur beliebige Bereiche

93

Produktsatz 4.4. Es sei d ein positiver Divisor in D mit zugeh¨ origer Folge  eine Folge (c ) in T , so dass lim |d − c | = 0. Dann ist (dν )ν≥1 . Es gebe ν ν≥1 ν ν  das Produkt Eν−1 [(dν − cν )/(z − cν )] ein Weierstrass-Produkt zu d in C\T  .  Beweis. Wegen lim |dν − cν | = 0 folgt |r(dν − cν )|ν < ∞ f¨ ur jedes r > 0. Daher ist (4.1) erf¨ ullt mit kν = ν −1. Nun gilt {c1 , c2 , . . . } ⊂ T  (beide Mengen sind sogar gleich!). Daher folgt die Behauptung aus Lemma 4.1.  Bemerkung. In C× hat jeder Divisor d mit lim dν = 0 die Satelliten” ur solche Divisoren in C× gilt der Produktsatz mit folge“ cν := 0. F¨  Dies ist, wenn man w := z −1 setzt, das Weierstrass-Produkt  Eν−1 (dν /z). −1 Eν−1 (w/dν ) zum Divisor d in C mit der Folge (d−1 ν )ν≥1 . Der Produktsatz 3.3 ordnet sich somit dem obigen Produktsatz unter.  Satellitenfolgen“ (cν )ν≥1 mit cν ∈ T  oder nur cν ∈ C\D existieren i.a. ” nicht, z.B. nicht f¨ ur Divisoren in D = H mit Tr¨ager T = {i, 2i, 3i, . . . }. Es gilt aber: Satz 4.5. Ist T  nicht leer und ist jede Menge T (ε) := {z ∈ T : d(T  , z) ≥ ε}, ε > 0, endlich, so existiert eine Folge (cν )ν≥1 in T  mit lim |dν − cν | = 0. Beweis. Da T  abgeschlossen in C ist, gibt es zu jedem dν ein cν ∈ T  , so dass are dν − cν keine Nullfolge, so g¨abe es ein ε0 > 0, |dν − cν | = d(T  , dν ). W¨ ur unendlich viele ν. Dann w¨are die Menge T (ε0 ) so dass |dν − cν | ≥ ε0 f¨ unendlich.  Ist T beschr¨ ankt und nicht endlich, so ist T  nicht leer und jede Menge T (ε), ε > 0, endlich (denn sonst h¨ atte die Menge T (ε0 ), ε0 > 0 einen H¨aufungspunkt oglich ist, da f¨ ur alle w ∈ T (ε0 ) gilt: |d∗ −w| ≥ d(T  , w) ≥ ε0 ). d∗ ∈ T  , was unm¨ Damit folgt: Satz 4.6. Zu jedem positiven Divisor d in D mit beschr¨anktem, nicht endlichem Tr¨ ager existiert eine Folge (cν )ν≥1 in T  mit lim |dν − cν | = 0. Insbesondere ist damit klar, dass in beschr¨ ankten Bereichen jeder Divisor ein Hauptdivisor ist. (Spezialfall des Existenzsatzes 4.9). 4.1.3 Allgemeiner Produktsatz. Satz 4.7. Es sei D irgendein Bereich in C. Dann existieren zu jedem positiven Divisor in d in D mit Tr¨ ager T Weierstrass-Produkte in C\T  . Die Beweisidee ist, den Divisor d als Summe zweier Divisoren zu schreiben, zu denen es Weierstrass-Produkte in C\T  gibt. Dazu ben¨otigen wir einen Hilfssatz aus der mengentheoretischen Topologie, der auch in Abschnitt 6.2.2 6.8 bei dem analogen Problem f¨ ur Hauptteil-Verteilungen benutzt wird.

94

4 Holomorphe Funktionen zu vorgegebenen Nullstellen∗

Hilfssatz 4.8. Es sei A eine diskrete Menge in C , so dass A = A\A = ∅. Es sei A1 := {z ∈ A : |z|d(A , z) ≥ 1}, A2 := {z ∈ A : |z|d(A , z) < 1}. Dann ist A1 abgeschlossen in C . Jede Menge A2 (ε) := {z ∈ A2 : d(A , z) ≥ ε}, ε > 0, ist endlich. Beweis. 1) H¨ atte A1 einen H¨ aufungspunkt a ∈ C, so w¨are a ∈ A , und es g¨ abe eine Folge an ∈ A1 mit lim an = a. Wegen d(A , an ) ≤ |a − an | w¨are |an |d(A , an ) eine Nullfolge im Widerspruch zur Definition von A1 . Also gilt A = A1 . abe es ein ε0 , so dass A2 (ε0 ) nicht 2) F¨ ur alle z ∈ A2 (ε) gilt |z| < ε−1 . G¨ aufungspunkt a ∈ A , was nicht geht, endlich w¨ are, so h¨ atte A2 (ε0 ) einen H¨ ur alle z ∈ A2 (ε0 ).  da |a − z| ≥ d(A , z) ≥ ε0 f¨ Beweis des allgemeinen Produktsatzes. Wir fassen d als positiven Divisor in C\T  auf. Wir d¨ urfen T  = ∅ annehmen. Die Mengen T1 , T2 seien wie im Hilfssatz (mit A := T ) definiert. Es gilt T1 = ∅ und T2 = T  . Da T1 bzw. T2 lokal endlich in C bzw. C\T  ist, wird durch ur z ∈ Tj , dj (z) := 0 sonst, j = 1, 2, dj (z) := d(z) f¨ ein positiver Divisor d1 bzw. d2 in C bzw. C\T  mit Tr¨ager T1 bzw. T2 gegeben. Da T1 ∩ T2 = ∅, so gilt d = d1 + d2 in C\T  . Nach dem Produktsatz 3.1.4 gibt es ein Weierstrass-Produkt zu d1 in C . Da alle Mengen T2 (ε) endlich sind, gibt es nach Satz 4.5 und dem Produktsatz 2 4.4 ein Weierstrass-Produkt zu d2 in C\T  . Nach Abschnitt 3.1.2 gibt es dann auch ein WeierstrassProdukt zu d = d1 + d2 in C\T  . 4.1.4 Zweiter Beweis des allgemeinen Produktsatzes∗ . Die Idee ist, mittels einer biholomorphen Abbildung v den Divisor d in einen Divisor d◦v −1 in einen anderen Bereich so zu u uhren, dass dort zu d ◦ v −1 ein Weier¨berf¨ strass-Produkt f existiert, und dann mittels v dieses Produkt in ein Weierstrass-Produkt f ◦ v zu d zur¨ uck zu transportieren. Wir nehmen T als nicht endlich an, fassen d als Divisor in C\T  auf, fixieren ein a ∈ C\T und bilden C\a verm¨ oge v(z) := (z − a)−1 biholomorph auf C× ab. Dann gilt 0 ∈ v(T )  und v(T ) = v(T  ). Durch d(0) := 0 d(w) := d(v −1 (w)), w ∈ C\v(T  ), ager v(T ) definiert; ist (dν )ν≥1 wird ein positiver Divisor d in C\v(T ) mit Tr¨ eine Folge zu d, so ist (d ν )ν≥1 mit d ν := v(dν ) eine Folge zu d (Divisorankt Transport bez¨ uglich v). Da v(T ) nicht endlich und wegen a = T beschr¨ ist, gibt es auf Grund von Satz 4.6 und des Produktsatzes 4.4 zu d in C\v(T ) ein Weierstrass-Produkt

4.1 Produktsatz f¨ ur beliebige Bereiche



95

f ν mit f ν (w) := Eν−1 [(d ν − cν )/(w − cν )], wobei cν ∈ v(T  ).

Wir setzen nun fν (z) := f ν (v(z)) f¨ ur z ∈ C\(T  ∪ a) und fν (a) := 1. Wegen lim fν (z) = lim f ν (w) = Eν−1 (0) = 1 ist fν holomorph in C\T  . Die z→a w→∞  normale Konvergenz von f ν in C\v(T  ) impliziert die normale Konvergenz  von fν in C\(T  ∪ a). Da a isoliert in C\T  liegt, herrscht in ganz C\T  normale Konvergenz (Konvergenzfortsetzung nach innen, vgl. I.8.5.4). Da fν  nur in dν = v −1 (d ν ) verschwindet, und zwar von 1. Ordnung, so ist fν ein Weierstrass-Produkt zu d in C\T  . 4.1.5 Folgerungen. Der Produktsatz aus Abschnitt 4.1.3 hat - wie fr¨ uher in Abschnitt 3.1.5 f¨ ur C – wichtige Konsequenzen f¨ ur beliebige Bereiche; die Beweise verlaufen analog wie in 3.1.5. Existenzsatz 4.9. In jedem Bereich D ⊂ C ist jeder Divisor ein Hauptdivisor. Faktorisierungssatz 4.10. Jede in einem beliebigen Gebiet G holomorphe Funktion f = 0 l¨ asst sich in der Form fν f =u ν≥1

schreiben, wobei u eine Einheit im Ring O(G) und



fν ein (eventuell leeres)

ν≥1

Weierstrass-Produkt zum Divisor (f ) in G ist.

Die Einheit u ist i.a. nicht mehr eine Exponentialfunktion (f¨ ur (homologisch) einfach zusammenh¨ angende Gebiete ist das richtig, vgl. I.9.3.2).

Quotientendarstellung meromorpher Funktionen 4.11. Zu jeder in G meromorphen Funktion h gibt es zwei in G holomorphe Funktionen f, g ohne gemeinsame Nullstellen in G, so dass gilt: h = f /g. Insbesondere ist der K¨ orper M(G) der Quotientenk¨ orper des Integrit¨ atsringes O(G). Das Wurzelkriterium lautet: Wurzelkriterium 4.12. Folgende Aussagen u ¨ber eine Funktion f O(G)\{0} und eine nat¨ urliche Zahl n ≥ 1 sind ¨ aquivalent: i) Es gibt eine Einheit u ∈ O(G) und ein g ∈ O(G), so dass f = ug n . ii) Jede Zahl oz (f ), z ∈ G, ist durch n teilbar.



96

4 Holomorphe Funktionen zu vorgegebenen Nullstellen∗

Die Einheit u ist i.a. in O(G) keine n-te Potenz mehr; f¨ ur (homologisch) einfach zusammenh¨ angende Gebiete kann man stets u = 1 w¨ahlen, vgl. I.9.3.3. Der Existenzsatz wird in der ¨ alteren Literatur h¨ aufig wie folgt ausgesprochen: Satz. Es sei T irgendeine diskrete Menge in C, jedem Punkt d ∈ T sei eine ganze Zahl nd = 0 zugeordnet. Dann gibt es im Bereich C\T  , wo T  := T \T , eine ur meromorphe Funktion h, die in (C\T  )\T holomorph und nullstellenfrei ist und f¨ die gilt ur alle d ∈ T. od (h) = nd f¨ oßte Bereich von C, in dem es solche Funktionen gibt. C\T  ist der gr¨ Beweis. Nach Satz 4.3 ist C\T  der gr¨ oßte Bereich in C, in dem T abgeschlossen ager T , so dass d(d) = nd , d ∈ T . Der ist. Es gibt einen Divisor d in C\T  mit Tr¨  Existenzsatz liefert ein h ∈ M(C\T  ) mit (h) = d.

4.2 Anwendungen und Beispiele Wir beweisen zun¨ achst mit Hilfe des Produktsatzes 4.1.3, dass in jedem Integrit¨ atsring O(G) zu jeder nichtleeren Menge ein gr¨ oßter gemeinsamer Teiler existiert. Weiter behandeln wir explizit einige Weierstrass-Produkte in E bzw. C\∂E, u.a., ein mit Hilfe der Gruppe SL(2, Z) gebildetes Produkt von E. Picard. 4.2.1 Teilbarkeit in O(G). Gr¨ oßter gemeinsamer Teiler. Die Grundbegriffe der Arithmetik werden wie u ¨blich erkl¨art: f ∈ O(G) heißt ein Teiler von g ∈ O(G), wenn g = f · h mit h ∈ O(G). Teiler der Eins heißen Einheiten. Eine Nichteinheit v = 0 heißt Primelement in O(G), wenn v nur dann ein (endliches) Produkt teilt, wenn es einen der Faktoren teilt. Die Funktionen z − c, c ∈ G sind – bis auf Faktoren, die Einheiten sind - genau die Primelemente in O(G). Funktionen = 0 aus O(G) mit unendlich vielen Nullstellen in G lassen sich nicht als Produkt endlich vieler Primelemente schreiben. Da nach Satz 4.1.3 in jedem Gebiet G solche Funktionen existieren, so sehen wir: Kein Ring O(G) ist faktoriell. Dessen ungeachtet haben alle Ringe O(G) eine u ¨bersichtliche Teilbarkeitstheorie. Der Grund daf¨ ur ist, dass Teilbarkeitsaussagen u ¨ber Elemente f, g zu Anordnungsaussagen u ¨ber ihre Divisoren (f ), (g) ¨aquivalent sind. Schreibt man d ≤ d, wenn d − d positiv ist, so hat man das folgende einfache Teilbarkeitskriterium. Teilbarkeitskriterium 4.13. Seien f, g ∈ O(G)\{0}. Dann gilt f teilt g ⇔ (f ) ≤ (g).

4.2 Anwendungen und Beispiele

97

Beweis. f teilt g genau dann, wenn h := g/f ∈ O(G), d.h. wenn oz (h) = ur alle z ∈ G gilt, d.h. wenn (f ) ≤ (g).  oz (g) − oz (f ) ≥ 0 f¨ Ist S eine nichtleere Menge in O(G), so heißt f ∈ O(G) ein gemeinsamer Teiler von S, wenn f jedes Element g von S teilt; ein gemeinsamer Teiler f von S heißt ein gr¨ oßter gemeinsamer Teiler von S, wenn jeder gemeinsame Teiler von S ein Teiler von f ist. Gr¨ oßte gemeinsame Teiler sind – falls sie existieren – nur bis auf Einheiten als Faktoren eindeutig bestimmt, man spricht dessen ungeachtet kurz von dem gr¨ oßten gemeinsamen Teiler f von S und schreibt f = ggT (S). Eine Menge S = ∅ heißt teilerfremd, wenn 1 = ggT (S). Genau dann ist S = 0 teilerfremd, wenn 4 die Funktionen aus S keine geN (g) = ∅. meinsame Nullstelle in G haben, d.h. wenn g∈S

Eine direkte Verifikation zeigt: Falls f = ggT (S) und g = ggT (T ) so gilt ggT (S ∪ T ) = ggT {f, g}. Ist D = ∅ eine Menge von Divisoren d ≥ 0 in G, so ist G → Z, z → min{d(z) : d ∈ D} ein Divisor min{d : d ∈ D} ≥ 0. Das Teilbarkeitskriterium impliziert: Jede Funktion f ∈ O(G) mit (f ) = min{(g) : g ∈ S, g = 0} ist ein ggT von S = {0}. Aus Abschnitt 4.1.3 f¨ ur den gr¨ oßten gemeinsamen Teiler folgt nun direkt: Existenz des ggT 4.14. Im Ring O(G) besitzt jede Menge S = ∅ einen ggT . Beweis. F¨ ur S = {0} w¨ ahle man ein f ∈ O(G) mit (f ) = min{(g) : g ∈ S, g =  0}.  Es mag u ¨berraschen, dass zum Beweis der Existenz des ggT (selbst wenn S nur zwei Elemente hat!) der Produktsatz 4.1.3 ben¨ otigt wird. Doch darf man nicht vergessen, dass es kommutative Integrit¨ atsringe mit Eins gibt, in denen nicht stets ein√ggT √ existiert: so haben z.B im Ring Z[ −5] die beiden Elemente 6 und 2(1 + −5) keinen ggT. In Hauptidealringen wie Z, Z[i], C[z] hat jede Menge S einen ggT, er ist sogar stets eine endliche Linearkombination von Elementen aus S. Diese Aussage gilt auch f¨ ur die Ringe O(G), falls S endlich ist, wie wir in Abschnitt 6.3.3 mittels des Satzes von Mittag-Leffler sehen werden.

98

4 Holomorphe Funktionen zu vorgegebenen Nullstellen∗

Aufgabe. Man definiere – wie in der Zahlentheorie – den Begriff des kleinsten gemeinsamen Vielfachen und schreibe kgV im Falle der Existenz. Man zeige: 1) Jede Menge S = ∅ besitzt ein kgV. Ist (f ) = kgV(S) = 0, so gilt (f ) = max{(g) : g ∈ S}. 2) Ist f bzw. g ein ggT bzw. kgV von zwei Funktionen u, v ∈ O(G)\{0}, so unterscheiden sich die Produkte f · g und u · v nur um eine Einheit als Faktor.

4.2.2 Beispiele von Weierstrass-Produkten. 1)  Es sei d ≥ 0 ein Divi(1 − |dν |) < ∞. Dann sor in E mit d(0) = 0 und Folge (dν )ν≥1 , es gelte ν≥1

ist ν≥1

 E0

−1

d ν − dν z−

−1 dν

 =





ν≥1

z − dν −1 −1 ∈ O(C\{d1 , d2 , . . . }) dν z − 1

(4.4)

ein Weierstrass-Produkt zu d.  |cν − dν | < ∞, da Beweis. F¨ ur cν := 1/dν gilt |dν − cν | = |dν | −1 (1 − |dν |2 ) ≤ 2m−1 (1 − |dν |) mit m := min{|dν | := ν ≥ 1}. (4.5)  Damit folgt die Behauptung aus Lemma 4.1 mit kν := 0. Die Produkte (4.4) sind in E beschr¨ankt; es sind – bis auf eine Normierung – Blaschke-Produkte, vgl. hierzu Abschnitt 4.3.3. Wegen der Bedeutung dieser Produkte geben wir noch einen direkten Konvergenzbeweis: Mit (4.5) folgt     z−d  d  dz − 1 − 1 =

1 − |d|2 |d||z − d

−1

|



1 − |d| 2 −1 · , z = d , d ∈ {d1 , d2 . . . }. −1 m |z − d | −1

−1

−1

−1

Nun existiert zu jedem Kompaktum K in O(C\{d1 , d2 , . . . }) ein t > 0, so −1 dass |z − dν | ≥ t f¨ ur alle z ∈ K und alle ν ≥ 1. Damit hat man   −1    z − dν   ≤ 2t dν |1 − dν | < ∞, − 1   d z−1 m ν K ν≥1 ν≥1 also die normale Konvergenz von (4.4) in O(C\{d1 , d2 , . . . }). 2) Es sei rν > 0, rν = 1, eine Folge paarweise verschiedener reeller Zahlen mit lim rν = 0. Die Menge

4.2 Anwendungen und Beispiele

99

T := {dνp = (1 − rν )cνp , : 0 ≤ p < ν, ν = 1, 2, . . . } mit cνp := exp(2pπi/ν) ∈ ∂E ist lokal endlich in C\∂E. Da dνp − cνp =

 ∞ ν−1   rν cνp nach dem Produktsatz −rν cνp gegen 0 strebt, so ist Eν−1 cνp −z ν=1 p=0

aus Abschnitt 4.1.2 ein Weierstrass-Produkt in C\∂E, das genau in den Punkten von T in erster Ordnung verschwindet. ∞ ν−1 ∞    |dνp − cνp |k+1 = νrνk+1 im Falle rν = 1/ν bzw. rν = 1/ν 3 Da ν=1 p=0

ν=1

f¨ ur k = 2 bzw. k = 0 konvergiert, so haben wir nach dem Korollar 4.2 die Weierstrass-Produkte $ %

c2νp 1 cνp cνp + 1+ exp ν z − cνp ν(cνp − z) 2ν 2 (cνp − z)2 ν,p bzw.



ν,p

1 cνp 1+ 3 ν z − cνp

.

4.2.3 Historisches zum allgemeinen Produktsatz. Weierstrass hat es anderen u ¨berlassen, seinen Produktsatz auf Bereiche in C auszudehnen. Bereits 1881 behandelt E. Picard in [203, 69–71], den Bereich C\∂E; er diskutiert u.a. das Produkt

A−B A−B z−A = exp E1 z−B z−B z−B β + γ − (α − δ)i β + δi mit A := , B := , α + δ − (β − γ)i δ + βi wo α, β, γ, δ alle Zahlen aus Z mit αδ − βγ = 1 durchlaufen. Dieses Picard-Produkt ist wohl das erste Beispiel eines Weierstrass-Produktes in einem Bereich = C, wo bewusst konvergenzerzeugende Faktoren nach Weierstrassschem Vorbild verwendet werden. Zur Konvergenz seines Produktes sagt Picard nichts, 1893 macht er folgende Andeutung (vgl. Trait´e d’analyse, Bd. 2, S. 149): . . . ,c’est ce que l’on reconnaˆıt en consid´erant `a ” la place de la s´erie une int´egrale triple convenable dont la valeur reste finie quand les limites deviennent infinies.“ – Ein Jahr sp¨ater untersucht Picard Schlitzbereiche, [203, 91–93], – Picard f¨ uhrt in seinen Noten die Pro dukte Eν ((dν − cν )/(z − cν )) ein. Sie werden auch 1884 von MittagLeffler benutzt, um f¨ ur allgemeine Bereiche den Existenzsatz zu beweisen, [173],insbes. S. 32–38. Die Picardschen Noten werden von MittagLeffler nicht erw¨ ahnt; Landau spricht 1918 [157, S. 157], von der bekann” ten Picard-Mittag-Lefflerschen Produktkonstruktion.“ H. Behnke und K. Stein haben 1948 in ihrer erst 1950 ver¨offentlichten Arbeit [10] den Existenzsatz 4.9 auf beliebige nicht kompakte Riemannsche Fl¨ achen u ¨bertragen, loc. cit. Satz 2, S. 158.

100

4 Holomorphe Funktionen zu vorgegebenen Nullstellen∗

4.2.4 Ausblicke auf mehrere Ver¨ anderliche. Weierstrass hat mit seinem Produktsatz das Tor f¨ ur eine Entwicklung ge¨ offnet, die auch in der mehrdimensionalen Funktionentheorie zu neuen Einsichten f¨ uhrte. Bereit 1895 wurde der ´s, auf den Fall von mehreren Produktsatz von P. Cousin, einem Sch¨ uler Poincare komplexen Variablen u ¨bertragen, [49]. Dabei machte bereits die Fassung des Divisorbegriffes Schwierigkeiten, da Nullstellen von holomorphen Funktionen im Cn , n ≥ 2, nicht mehr isoliert liegen, sondern reell (2n − 2)-dimensionale Fl¨ achen bilden. Cousin und seine Nachfolger konnten den analogen Satz nur f¨ ur Cn selbst und Zylindergebiete im Cn – das sind Produktgebiete G1 × G2 × · · · × Gn , wobei Gν jeweils ein Gebiet in C ist – herleiten. Cousin hatte noch geglaubt, seinen Satz f¨ ur alle Zylindergebiete bewiesen zu haben. Der amerikanische Mathematiker T.H. Gronwall hat aber 1917 entdeckt, dass Cousins Schl¨ usse nur f¨ ur spezielle Zylinderbereiche gelten: es m¨ ussen wenigstens (n − 1) der n Gebiete G1 , . . . , Gn einfach zusammenh¨ angen, vgl. [98, S. 53]. Es gibt also - und das war eine Sensation - topologische Hindernisse! Man vermutete bald, dass der Cousinsche Satz f¨ ur viele topologisch angenehme Holomorphiegebiete richtig ist2 , z.B. zeigten H. Behnke und K. Stein 1937, dass der Satz f¨ ur alle sternartigen Holomorphiegebiete gilt, [9, S. 188]. Ein Durchbruch gelang 1939 dem japanischen Mathematiker K. Oka; er konnte zeigen, dass in beliebigen Holomorphiegebieten G ⊂ Cn ein positiver Divisor genau dann der Divisor einer in G holomorphen Funktion ist, wenn er der Divisor einer in G stetigen Funktion ist, [187, S. 33/34]. Diese Aussage ist das ber¨ uhmte Oka-Prinzip, das 1951 von K. Stein auf seine Mannigfaltigkeiten u ¨bertragen und homologisch interpretiert und pr¨ azisiert wurde, [255]. Es war J.P. Serre, der 1953 dem Cousinschen Problem die finale L¨ osung gab [251, 263–264]: In einer Steinschen Mannigfaltigkeit X ist ein Divisor d genau dann der Divisor einer in X meromorphen Funktion, wenn seine Chernsche Cohomologieklasse c(d) ∈ H 2 (X, Z) verschwindet. Insbesondere ist in einer Steinschen Mannigfaltigkeit X mit H 2 (X, Z) = 0 jeder Divisor ein Hauptdivisor. Hier wird die große Bedeutung der zweiten Cohomologiegruppe mit ganzzahligen Koeffizienten f¨ ur die L¨ osbarkeit des Problems von Weierstrass-Cousin sichtbar. In der 30-er Jahren dachte man noch, dass der Fundamentalgruppe π1 (X) in diesem Zusammenhang eine große Bedeutung zuk¨ ame; Serre gibt in [251, S. 265], ein einfach zusammenh¨ angendes Holomorphiegebiet im C3 an, wo nicht alle Divisoren Hauptdivisoren sind. Die von Serre gemeinsam mit Cartan entwickelten Methoden zum Beweis eines Satzes revolutionierten die Mathematik: die Theorie der koh¨ arenten analytischen Garben und ihre Cohomologietheorie begannen ihren Siegeszug. Serre gab auch dem alten Satz von Poincar´e (vgl. Abschnitt 3.1.6) den letzten Schliff, [251, S.265]: In einer Steinschen Mannigfaltigkeit ist jede meromorphe Funktion der Quotient von zwei (nicht mehr notwendig lokal teilerfremden) holomorphen Funktionen. 2

Zum Begriff des Holomorphiegebietes und der Steinschen Mannigfaltigkeit vgl. auch Abschnitt 5.2.6

4.3 Beschr¨ ankte Funktionen in E und ihre Divisoren

101

Mit diesen Andeutungen m¨ ussen wir uns hier begn¨ ugen, eine ausf¨ uhrliche Darstellung findet man in [95]. Das Okasche Prinzip wurde 1957 von H. Grauert ganz wesentlich erweitert, er zeigte u.a., dass holomorphe Faserb¨ undel u ¨ber Steinschen Mannigfaltigkeiten genau dann holomorph trivial sind, wenn sie topologisch trivial sind, [93], insb. S. 268. ´ und Cousin w¨ Weierstrass, Poincare aren gewiss recht beeindruckt zu sehen, wie ihre Theorien im 20-sten Jahrhundert im Prinzip von Oka-Grauert kulminierten: Lokal vorgegebene analytische Daten mit global stetigen L¨ osungen haben durchweg auch global holomorphe L¨ osungen.

4.3 Beschr¨ ankte Funktionen in E und ihre Divisoren Die Nullstellen von in D holomorphen Funktionen k¨onnen auf Grund des Produktsatzes aus Abschnitt 4.1.3 beliebig in D verteilt sein, solange sie sich nur nirgends in D h¨ aufen. Die Situation wird anders, wenn man Wachstumsbedingungen an die Funktionen stellt. So gibt es zu Divisoren d = 0 in C niemals beschr¨ankte Funktionen f mit (f ) = d.  Ein Weierstrass-Produkt fν ist sicher dann beschr¨ankt in D, wenn stets |fν |D ≤ 1. Produkte mit solch angenehmen Faktoren sind selten. Wir studieren im folgenden den Fall D = E. F¨ ur die Funktionen gd (z) =

z−d , d ∈ E, dz − 1

die uns als Automorphismen von E vertraut sind, gilt |gd |E = 1. Wir werden sehen, dass ein Divisor d ≥ 0 in E mit d(0) = 0 genau dann der Divisor einer in E beschr¨ ankten Funktion ist, wenn es zu d ein Weierstrass-Produkt der  Form (|dν |/dν )gdν (z) gibt, und dass solche Produkte genau dann existieren, wenn gilt:  (1 − |dν |) < ∞ (Blaschke-Bedingung). Die Notwendigkeit dieser Bedingung, die einen Identit¨atssatz impliziert, folgt schnell im Abschnitt 4.3.2 mit der Jensenschen Ungleichung (Abschnitt 4.3.1). Dass die Blaschke-Bedingung auch hinreichend ist, wird in Abschnitt 4.3.3 bewiesen. 4.3.1 Verallgemeinerung des Schwarzschen Lemmas. Lemma 4.15. Es sei f ∈ O(E), und es seien d1 , . . . , dn ∈ E paarweise verschiedene Nullstellen von f . Dann gilt      z − dn   z − d1     · |f |E f¨  ur alle z ∈ E. (4.6) · ... ·  |f (z)| ≤  d1 z − 1  dn z − 1 

102

4 Holomorphe Funktionen zu vorgegebenen Nullstellen∗

Beweis. Sei z ∈ E fixiert und m := max{|z|, |d1 |, . . . , |dn |}. Mit h :=

n  1

gdν

folgt g := f /h ∈ O(E) und |g(z)| ≤ |f |E / min {|h(w)|} f¨ ur alle r ∈ (m, 1) nach |w|=r

dem Maximumprinzip. Nun gilt |h(w)| = 1 f¨ ur alle w ∈ ∂E (da wgd (w) = ur w ∈ ∂E). Damit folgt (1 − dw/(dw − 1) f¨ lim min {|h(w)|} = 1 und also |g(z)| ≤ |f |E .

r→1 |w|=r



Bemerkung. Falls |f |E ≤ 1 und n = 1, d1 = 0, so ist (4.6) das Schwarzsche Lemma, vgl. I.9.2.1. Wie in jenem Fall hat man auch jetzt eine Versch¨ arfung: Besteht in (4.6) Gleichheit f¨ ur einen Punkt d ∈ E\{d1 , . . . , dn }, so gilt f (z) = η|f |E

n Y

gdν (z) mit η ∈ S 1 .

1

F¨ ur z = 0 geht (4.6) u ¨ber in die Jensensche Ungleichung“ ” |f (0)| ≤ |d1 d2 · . . . · dn | · |f |E .

(4.7)

Diese Ungleichung (4.7) ist ein Spezialfall der Jensenschen Formel, die wir im Anhang zu diesem Paragraphen herleiten. ´odory und L. Historische Notiz. Der obige Beweis geht auf C. Carathe ´r zur¨ Feje uck, vgl. [38]. Die Ungleichung (4.7) findet sich 1898/99 bei J.L.W.V. Jensen und 1899 bei J. Petersen vgl. [134] und [202]. 4.3.2 Notwendigkeit der Blaschke-Bedingung. Es sei f = 0 holomorph und beschr¨ ankt in E , es sei d1 , d2 , . . . eine Folge zum Divisor (f ). Dann gilt:  (1 − |dν |) < ∞. Beweis. Wir d¨ urfen f (0) = 0 annehmen. W¨are

 (1 − |dν |) = ∞ so w¨are ν

lim |d1 d2 · . . . · dn | = 0 nach dem Beispiel d) aus Abschnitt 1.1.1, also f (0) = 0 wegen (4.7).  Als Korollar notieren wir den u ur in E be¨berraschenden Identit¨atssatz f¨ schr¨ ankte Funktionen. ahlbare Menge in E , so Korollar4.16. Es sei A = {a1 , a2 , . . . } eine abz¨ ankt, und es gelte dass gilt (1 − |aν |) = ∞. Es seien f, g ∈ O(E) in E beschr¨ f |A = g|A. Dann gilt bereits f = g.

4.3 Beschr¨ ankte Funktionen in E und ihre Divisoren

103

Beweis.  Die Funktion h := f − g ∈ O(E) ist beschr¨ankt in E . W¨are h = 0, eine Teilreihe der durch die Folge (dν ) zum Divisor von so w¨ are (1 − |aν |)  h bestimmten Reihe (1 − |dν |) und mithin nach obiger Aussage konvergent.  In E beschr¨ankte holomorphe Funktionen verschwinden also identisch, sobald  Nullstellen sich zu langsam an die Peripherie von E bewegen (was azisiert wird). So ist f ∈ O(E) schon dann die durch (1 − |aν |) = ∞ pr¨ Nullfunktion, wenn f beschr¨ ankt ist und in allen Punkten 1 − 1/n, n ≥ 1, verschwindet. F¨ ur jeden Punkt d ∈ E setzen wir   −1 d |d| z − d d − f¨ ur d = 0; b(z, 0) := z . (4.8) = |d| −1 E0 b(z, d) := −1 d dz − 1 z−d

4.3.3 Blaschke-Produkte.

Die Funktion b(z, d) ist holomorph um E und nullstellenfrei in E\d; der Punkt d ist eine Nullstelle erster Ordnung. Es gilt |b(z, d)|E = 1. Sei nun d ≥ 0 ein Divisor in E und (dν )ν≥1 eine zugeh¨orige Folge. Das Produkt b(z, dν ) b(z) := ν≥1

heißt das Blaschke-Produkt zu d, wenn es in E (und dann sogar in C\∂E) normal konvergiert. Blaschke-Produkte sind also spezielle WeierstrassProdukte. Es gilt b ∈ O(E), (b) = d und |b|E ≤ 1. Falls b(0) = 0, so gilt: ∞ ∞ (4.9) −1 −1 b(z) = b(0)−1 E0 [(dν − dν )/(z − dν )] mit b(0) := |dν |. ν=1

ν=1

Das Beispiel 1) aus Abschnitt 4.2.2 enth¨ alt den Existenzsatz f¨ ur BlaschkeProdukte: Falls

∞ 

(1 − |dν |) < ∞, so existiert das Blaschke-Produkt zu d (4.10)

ν=1

Der direkte Beweis – ohne R¨ uckgriff auf Lemma 4.1 – geht wie folgt: F¨ ur d ∈ E\{0} hat man b(z, d) − 1 = (1 − |d|)(d + |d|z)/[d(dz − 1)]. Da |dz − 1| ≥ 1 − |z| f¨ ur d ∈ E und da (1 + |z|)/(1 − |z|) ≤ 2(1 − r)−1 , falls |z| ≤ r < 1, so folgt |b(z, d) − 1|Br (0) ≤ Damit ist

∞  1

2 (1 − |d|) f¨ ur alle r ∈ (0, 1) und alle d ∈ E. 1−r

|b(z, dν ) − 1|Br (0) < ∞ klar; das Blaschke-Produkt konvergiert

also normal in E .

4 Holomorphe Funktionen zu vorgegebenen Nullstellen∗

104

Mit (4.10) und Abschnitt 4.3.2 ergibt sich nun direkt: Satz 4.17. Folgende Aussagen u aquivalent: ¨ber eine Divisor d ≥ 0 in E sind ¨ i) dist der Divisor einer in E beschr¨ ankten Funktion aus O(E). ii) d(z)(1 − |z|) < ∞ ( Blaschke-Bedingung). z∈E

iii) Zu d existiert das Blaschke-Produkt

∞ 

b(z, dν ).

ν=1

Wegen ii) gibt es z.B. keine beschr¨ ankte Funktion f ∈ O(E), die in den Punkten 1 − 1/n2 jeweils von n-ter Ordnung verschwindet, n ∈ N\{0}. Ferner folgt sofort: Zu jeder beschr¨ ankten Funktion f ∈ O(E) gibt es ein Blaschke-Produkt b und ein g ∈ O(E), so dass gilt: f = eg · b. Historische Notiz. W. Blaschke hat seine Produkte 1915 eingef¨ uhrt und den Existenzsatz bewiesen, [22, S. 199]. Das Hauptanliegen Blaschkes galt damals allerdings – wie bereits der Titel seiner Arbeit andeutet – dem Konvergenzsatz von Vitali; wir gehen darauf in 7.1.4 ein. Edmund Landau hat die Blaschkesche Arbeit 1918 kritisiert und die Beweise unter Verwendung der Jensenschen Ungleichung vereinfacht, vgl. [157]. 4.3.4 Beschr¨ ankte Funktionen in der rechten Halbebene. Durch t(z) := (z − 1)/(z + 1) wird T := {z ∈ C : Re z < 0} biholomorph auf E abgebildet; es gilt 1 − |t(z)|2 =

4 Re z 4 = Re(1/z) f¨ ur alle z ∈ C\{0, −1}. |z + 1|2 |1 + z −1 |2

(4.11)

Die f¨ ur E gewonnenen Resultate lassen sich nun leicht nach T u ¨bertragen: a) Ein positiver Divisor d in T mit zugeh¨ origer Folge d1 , d2 , . . . ist genau dann der Divisor einer in T beschr¨ ankten holomorphen Funktion, wenn ∞ X ν=1

Re dν < ∞ ( Blaschke-Bedingung f¨ ur T ). |1 + dν |2

b) Die Funktion f ∈ O(T) sei beschr¨ ankt in T und verschwinde in P den paarweise Re(1/dν ) verschiedenen Punkten d1 , d2 , . . . , wobei δ := inf{|dn |} > 0 und = ∞. Dann verschwindet f u ¨berall in T .

ν≥1

Beweis. a) Die Abbildung d ◦ t−1 : E → N ist ein positiver Divisor in E mit zugeh¨ origer Folge dbn := t(dn ). F¨ ur eine in T beschr¨ ankte Funktion f ∈ O(T) ur die in E beschr¨ ankte gilt (f ) = d genau dann, wenn (f ◦ t−1 ) = d ◦ t−1 f¨ Funktion f ◦ t−1 ∈ O(E) gilt. Nach Satz 4.17 trifft dies genau dann zu, wenn P (1 − |dbν |) < ∞. Die Behauptung folgt nun aus (4.11), da

4.3 Beschr¨ ankte Funktionen in E und ihre Divisoren

105

1 ur alle w ∈ E. (1 − |w|2 ) ≤ 1 − |w| ≤ 1 − |w|2 f¨ 2 ur alle w mit |w| ≥ δ, so folgt mit (4.11) b) Da |1 + w−1 |−2 ≥ (1 + δ −1 )−2 f¨ X ν≥1

X Re dν 1 ≥ Re(1/dν ) = ∞. 2 −1 2 |1 + dν | (1 + δ ) ν≥1



Wegen a) muss f dann identisch verschwinden.

Die Aussage b) wird im Abschnitt 7.4.3 beim Beweis des Satzes von M¨ untz benutzt. Analoga der Aussagen a) und b) gelten f¨ ur die obere Halbebene H. Da H  T, z → −iz, biholomorph ist und da Re(−iz) = Im z, so erh¨ alt man in dieser P 2 Situation in a) die Konvergenzbedingung (Im d ν /|i + dν | ) < ∞ und in b) die P Divergenzbedingung Im (1/dν ) = −∞.

Aufgabe. Man definiere Blaschke-Produkte“ f¨ur T und H und beweise f¨ur ” diese Halbebenen das Analogon zu (4.9). 4.3.5 Anhang zu Paragraph 4.3: Die Jensensche Formel. Die Jensensche Ungleichung (4.7) l¨ asst sich zu einer Gleichung verbessern: Jensensche Formel 4.18. Es sei f ∈ O(E), f (0) = 0. Es sei 0 < r < 1, und es seien d1 , d2 , . . . , dn alle Nullstellen von f in Br (0), wobei jede Nullstelle so oft vorkommt wie ihre Ordnung angibt. Dann gilt: 1 rn = log |f (0)| + log |d1 · d2 · . . . ·, dn | 2π

2π 

log |f (reiθ )|dθ.

(4.12)

0

Hier steht rechts ein uneigentliches Integral, wenn f Nullstellen auf dem Rand von Br (0) besitzt. Der zweite Summand links ist null, wenn f keine ur x > 0 monoton ist, so f¨ uhrt (4.12) Nullstellen in Br (0) hat. – Da log x f¨ sofort zur Ungleichung rn |f (0)| ≤ |d1 · d2 · . . . ·, dn | · |f |∂Br (0) . Durch Grenz¨ ubergang lim r = 1 entsteht die Jensensche Ungleichung (4.9) Wir reproduzieren den Beweis, den J.L.W.V. Jensen 1898/99 mitgeteilt hat, [134, S.362ff]; Jensen l¨ asst u ¨brigens auch Polstellen der Funktion f zu. Die Formel findet sich auch 1899 bei J. Petersen, [202, S. 87]. Wir schreiben B f¨ ur Br (0). Ausgangspunkt ist folgender Spezialfall von (4.12).

106

4 Holomorphe Funktionen zu vorgegebenen Nullstellen∗

Satz 4.19. Ist g ∈ O(E) nullstellenfrei in B so gilt 1 log |g(0)| = 2π

2π 

log |g(reiθ )|dθ.

(4.13)

0

Beweis. Es gibt eine Scheibe U mit B ⊂ U ⊂ E und ein h ∈ O(U ), so dass g|U = g(0) exp h mit h(0) = 0. 3 Wegen h(z)/z ∈ O(U ) gilt 

h(ζ) dζ = i ζ

0= ∂B

2π 

h(reiθ )dθ. 0

Da Re h(z) = log |g(z)/g(0)|) f¨ ur z ∈ U , so folgt 2π 

2π 

log |g(reiθ )|dθ − 2π log |g(0)|.



h(re )dθ =

0 = Re 0

0

 Die Aussage (4.13) ist die Poissonsche Mittelwertgleichung f¨ ur die um B harmonische Funktion log |g(z)|, vgl. auch I.7.2.5*.

Um (4.12) auf (4.13) zur¨ uckzuf¨ uhren, ben¨ otigt man 2π 

log |1 − eiθ |dθ = 0.

(4.14)

0

Beweis. Da |1 − e2iϕ | = 2 sin ϕ f¨ ur ϕ ∈ [0, π], so gilt (mit θ = 2ϕ) 1 2

2π 

π log |1 − eiθ |dθ =

0

π log(2 sin ϕ)dϕ = π log 2 +

0

log sin ϕdϕ 0

Das Integral rechts existiert und hat nach (1.7) den Wert −π log 2.



Die Formel (4.14) wird u ¨blicherweise mit funktionentheoretischen Methoden hergeleitet. Obige direkte Berechnung st¨ utzt Kroneckers sp¨ ottelnde Sentenz vom bisweilen gute Fr¨ uchte bringenden Glauben an die Unwirksamkeit des Imagin¨ aren“, ” vgl. auch I.14.2.3. 3

Man w¨ ahle U so, dass g|U nullstellenfrei ist. Da U ein Sterngebiet ist, gilt g = exp b h mit b h ∈ O(U ). Man setzt dann h := b h−b h(0).

4.3 Beschr¨ ankte Funktionen in E und ihre Divisoren

107

Beweis. Der Beweis von (4.12) ist nun schnell gef¨ uhrt. Sind c1 , . . . , cm alle Nullstellen von f auf ∂B so ist die Funktion g(z) := f (z)

n m dν z − r2 cμ ∈ O(E) r(z − dν ) μ=1 cμ − z ν=1 2

dν z−r nullstellenfrei in B. Da g(0) = f (0)rn /d1 · d2 · . . . ·, dn und | r(z−d | = 1 f¨ ur ν) iθμ setzt: z ∈ ∂B, so folgt mit (4.13), wenn man cμ = re

1 rn = log |f (0)| + log |d1 d2 · . . . · dn | 2π

2π 

m   log f (reiθ ) (1 − ei(θ−θμ ) )−1 dθ.

0

μ=1

(4.15)

Da der Integrand rechts die Differenz log |f (reiθ )| −

m 

log /1 − ei(θ−θμ ) )

μ=1

ist, so folgt (4.12) aus (4.15) wegen (4.14).



Bei Anwendungen kann man r oft so w¨ ahlen, dass f keine Nullstellen auf ∂Br (0) hat (z.B. in der Herleitung von (4.7). Dann entfallen die Faktoren cμ /(cμ − z) und (4.12) folgt direkt – ohne (4.14) zu benutzen – aus (4.19).

Die Jensensche Formel findet wichtige Anwendungen in der Theorie der ganzen Funktionen und der Theorie der Hardy-R¨aume; aus Platzgr¨ unden k¨onnen wir hierauf nicht n¨ aher eingehen.

5. Satz von Iss’sa. Holomorphiegebiete

Wir geben zun¨ achst zwei interessante Anwendungen des Weierstrassschen Produktsatzes, die kaum Eingang in die deutsche Lehrbuchliteratur gefunden haben. Im Paragraphen 5.1 diskutieren wir den erst 1965 entdeckten Satz von Iss’sa; im Paragraphen 5.2 zeigen wir – einmal direkt und einmal mit Hilfe des Produktsatzes –, dass jedes Gebiet in C ein Holomorphiegebiet ist. Im Paragraphen 5.3 schließlich diskutieren wir einfache Beispiele von Funktionen, die Gebiete der Form {z ∈ C : |q(z)| < R}, q ∈ C[z], zum Holomorphiegebiet haben, hierunter fallen insbesondere Cassini-Gebiete.

5.1 Der Satz von Iss’sa → G zwischen Gebieten in Jede nichtkonstante holomorphe Abbildung h : G meromorphen Funktion C liftet“ jede in G meromorphe Funktion f zur in G ” f ◦ h. Somit induziert h den C-Algebra-Homomorphismus f → f ◦ h, ϕ : M(G) → M(G), abbildet (vgl. hierzu auch I.10.3.3). Der Satz von Iss’sa beder O(G) in O(G) von einer hosagt, dass jeder C -Algebra-Homomorphismus M(G) → M(G) lomorphen Abbildung G → G induziert wird. Wir beweisen vorbereitend, von holomorphen Abdass alle C -Algebra-Homomorphismen O(G) → OG → G induziert werden. Der Beweis dieses Satzes von Bers ist bildungen G elementar, er beruht auf der Tatsache, dass jeder Charakter χ : O(G) → C eine Evaluierung“ ist. Der Beweis des allgemeinen Iss’saschen Satzes hinge” gen ben¨ otigt neben dem Weierstrassschen Produktsatz Hilfsmittel aus der Bewertungstheorie; im Hintergrund steht der Satz, dass jede Bewertung von M(G) zur Ordnungsfunktion oc eines Punktes c ∈ G ¨aquivalent ist (Satz 5.7). werden stets Gebiete in C bezeichnet. - Mit G, G 5.1.1 Satz von Bers. Jeder C-Algebra-Homomorphismus O(G) → C heißt ein Charakter von O(G). Jede Evaluierung χc : O(G) → C, f → f (c), c ∈ G), ist ein Charakter. Wir zeigen, dass dies alle Charaktere von O(G) sind. Satz 5.1. F¨ ur jeden Charakter χ von O(G) gilt χ = χc mit c := χ(idG ) ∈ G.

110

5 Satz von Iss’sa. Holomorphiegebiete

Beweis. F¨ ur e(z) := z−c gilt χ(e) = χ(idG )−c = 0. Es folgt c ∈ G, denn sonst w¨ are e eine Einheit in O(G), und man h¨ atte 1 = χ(e · e−1 ) = χ(e)χ(e−1 ) = 0. Sei nun f ∈ O(G) beliebig. Es gilt f (z) = f (c) + e(z)f1 (z) mit f1 ∈ O(G). Es folgt χ(f ) = χ(f (c)) + χ(e)χ(f1 ) = f (c) = χc (f ), also χ = χc .  Mit Hilfe von (5.1) ergibt sich schnell der Satz von Bers. Satz von Bers 5.2. Zu jedem C-Algebra-Homomorphismus ϕ : O(G) → gibt es genau eine Abbildung h : G → G, so dass ϕ(f ) = f ◦ h f¨ O(G) ur - Es ist ϕ genau dann bijektiv, alle f ∈ O(G). Es gilt h = ϕ(idG ) ∈ O(G). wenn h biholomorph ist. Beweis. Da stets ϕ(f ) = f ◦ h sein soll, so muss ϕ(idG ) = idG ◦ h = h gelten. Wir zeigen, dass der Satz in der Tat f¨ ur h := ϕ(idG ) gilt. Da χa ◦ ϕ, a ∈ G, stets ein Charakter von O(G) ist, so ergibt sich mit Satz 5.1 χa ◦ ϕ = χc mit c = (χa ◦ ϕ)(idG ) = χa (h) = h(a), a ∈ G. Damit folgt ϕ(f ) = f ◦ h f¨ ur alle f ∈ O(G), denn man hat nun f¨ ur alle a ∈ G ϕ(f )(a) = χa (ϕ(f )) = (χa ◦ ϕ)(f ) = χh(a) (f ) = f (h(a)) = (f ◦ h)(a). Die letzte Aussage des Satzes erh¨ alt man unmittelbar.



¨ Der Satz von Bers enth¨ alt echte Uberraschungen: aus der algebraischen Isomorphie der Funktionenalgebren O(G) und O(G) folgt die biholomorphe Isomorphie der Gebiete G und G. ist von selbst stetig, – jeder C-Algebra-Homomorphismus ϕ : O(G) → O(G) (konvergiert eine Folge aus O(G) in G kompakt gegen f , so konvergiert kompakt gegen ϕ(f )). die Bildfolge in G



irgendein C-Algebra5.1.2 Satz von Iss’sa. Es sei ϕ : M(G) → M(G) → G, Homomorphismus. Dann gibt es genau eine holomorphe Abbildung h : G ur alle f ∈ M(G). so dass ϕ(f ) = f ◦ h f¨ Auf Grund des Satzes von Bers und der Tatsache, dass M(G) der Quotientenk¨ orper von O(G) ist (Satz 4.10) gen¨ ugt es, folgendes zu zeigen: gilt: Lemma 5.3. F¨ ur jeden K¨ orperhomomorphismus ϕ : M(G) → (G) ϕ(O(G)) ⊂ O(G).

5.1 Der Satz von Iss’sa

111

Der Beweis wird im n¨ achsten Abschnitt gef¨ uhrt. Wir benutzen (Algebraikern wohlvertraute, klassischen Funktionentheoretikern weniger gel¨aufige) ur die multiplikatiMethoden der Bewertungstheorie. Wir schreiben M(G)× f¨ ve Gruppe M(G)\{0}. Eine Abbildung v : M(G)× → Z heißt eine Bewertung von M(G), wenn f¨ ur alle f, g ∈ M(G)× gilt: B1) B2)

v(f g) = (f ) + v(g) (Produktregel), v(f + g) ≥ min{v(f ), v(g)}, falls f = −g.

Der Buchstabe v steht f¨ ur valuation“. Wir notieren sogleich: ” Ist v eine Bewertung von M(G), so gilt v(c) = 0 f¨ ur alle c ∈ C× . Beweis. Zu jedem n ≥ 1 gibt es ein cn ∈ C× , so dass (cn )n = c. Nach B1) ur alle n ≥ 1, was nur f¨ ur v(c) = 0 m¨oglich ist.  folgt v(a) = nv(cn ) ∈ nZ f¨ Die Bedingung B2) l¨ asst sich versch¨ arfen: B2’) v(f + g) = min{v(f ), v(g)},

falls f = −g und v(f ) = v(g).

Beweis. Sei v(f ) ≤ v(g). Wegen v(−g) = v(g) folgt mittels B2): v(f ) ≥ min{v(f + g), v(g)} ≥ min{v(f ), v(g)} = v(f ), also min{v(f +g), v(g)} = v(f ). Falls v(f ) < v(g), so folgt v(f +g) = v(f ).



Die funktionentheoretisch wichtigen Bewertungen von M(G) sind die Ordnungsfunktionen oc , c ∈ G, die jeder Funktion f ∈ M(G)× ihre Ordnung im Punkte c zuweisen; vgl. I.10.3.4. Es ist unmittelbar klar: Holomorphiekriterium 5.4. Eine meromorphe Funktion f ∈ M(G)× ist genau dann holomorph in G, wenn f¨ ur alle c ∈ G gilt oc (f ) ≥ 0. 5.1.3 Beweis von Lemma 5.3. Hilfssatz 5.5. Ist v eine Bewertung auf M(C), so gilt v(z) ≥ 0. Beweis. (vgl. [128, 39–40]). Angenommen, es w¨are v(z) = −m mit m ≥ 1. Da v(c) = 0 f¨ ur alle c ∈ C× , so folgt nach B2’): v(z − c) = −m f¨ ur alle c ∈ C× .

(5.1)

Sei nun d ∈ N, d ≥ 2. Nach dem Existenzsatz 3.4 gibt es eine in C\N nullstellenfreie Funktion q ∈ O(C), die in k ∈ N von der Ordnung dk verschwindet. n−1  ν F¨ ur qn (z) := q(z)/ (z − ν)d ∈ O(C), n ≥ 1, gilt dann wegen B1) und (5.1) 0

112

5 Satz von Iss’sa. Holomorphiegebiete

v(qn ) = v(q) + m

n−1  0

dν = v(q) +

m (dn − 1). d−1

(5.2)

Nach der Konstruktion von qn teilt dn jede Zahl oz (qn ), z ∈ C; nach dem n Wurzelkriterium 3.7 gibt es also ein gn ∈ O(C) mit gnd = qn . Es gilt mithin dn v(gn ) = v(qn ), daher impliziert (5.2): v(q) +

m (dn − 1) ∈ dn Z f¨ ur alle n ≥ 1, d−1

(5.3)

m Hieraus folgt (d − 1)v(q) − m ∈ dn Z f¨ ur alle n ≥ 1 was nur f¨ ur v(q) = d−1 m¨ oglich ist. Da d ≥ 2 beliebig gew¨ ahlt wurde, folgt der Widerspruch m = 0. 

Aus dem Hilfssatz folgt sofort: F¨ ur jede Bewertung v von M(G) gilt: v(f ) ≥ 0 f¨ ur alle f ∈ O(G)\{0}.

(5.4)

Beweis von (5.4). Eine Verifikation zeigt, dass f¨ ur jedes f = 0 aus O(G) die Abbildung vf : M(C)× → Z, g → v(g ◦ f ), eine Bewertung von M(C) ist. Da vf (z) = v(f ), so folgt (5.4) aus Hilfssatz 5.5. Nach diesen Vorbereitungen ist nun der Beweis des Lemmas schnell gef¨ uhrt: Da ϕ als K¨ orperhomomorphismus injektiv ist, gilt ϕ(f ) = 0 f¨ ur alle durch ur jedes c ∈ G f ∈ M(G)× . Daher wird f¨ vc (f ) := oc (ϕ(f )), f ∈ M(G)× , eine Bewertung von M(G) definiert. Wegen (5.4) folgt oc (ϕ(f )) ≥ 0 f¨ ur alle falls f ∈ O(G)× . Aus Satz 5.4 ergibt sich dann ϕ(f ) ∈ O(G), also die c ∈ G, Behauptung.  5.1.4 Historisches zu den S¨ atzen von Bers und Iss’sa. Der amerikanische Mathematiker Lipman Bers hat seinen Satz 1946 gefunden und 1948 publiziert, [13]. Bers betrachtet nur Isomorphismen, er arbeitet mit den maxi Bers beweist u malen Hauptidealen der Ringe O(G) und O(G). ¨brigens mehr: aus und zeigt trickreich, er geht von Ring-Isomorphismen ϕ : O(G) → O(G) dass ϕ auf C die Identit¨ at oder die Konjugierung induziert, entsprechend ist → G biholomorph oder anti-biholomorph. h:G Vor Bers haben bereits C. Chevalley und S. Kakutani den schwierigeren Fall der Algebra der beschr¨ ankten holomorphen Funktionen studiert ¨ (unver¨ offentlicht). Einen historischen Uberblick findet man bei [32, S.84]. F¨ ur holomorphe Funktionen von mehreren Ver¨ anderlichen gilt der Satz von Bers ebenfalls, wenn man als Definitionsbereiche normale Steinsche R¨ aume zu Grunde

5.1 Der Satz von Iss’sa

113

legt. Der Beweis wird indessen recht anspruchsvoll; man muss cohomologische Methoden verwenden und die Theorie der koh¨ arenten analytischen Garben heranziehen, vgl. hierzu [95], Kapitel V, § 7.

Hej Iss’sa (Pseudonym f¨ ur einen bekannten japanischen Mathematiker) hat 1965 den Bersschen Satz auf Funktionenk¨orper ausgedehnt. Er behandelt sofort den Fall komplexer R¨ aume (vgl. hierzu Abschnitt 5.2.6) sein Resultat ist ([63, Theorem II S. 34]): ein reduzierter Satz 5.6. Es seien G ein normaler komplexer Raum und G Steinscher Raum, und es sei ϕ : M(G) → M(G) irgendein C -Algebra → G, Homomorphismus. Dann gibt es genau eine holomorphe Abbildung h : G so dass ϕ(f ) = f ◦ h f¨ ur alle f ∈ M(G). Die Hauptlast des Beweises besteht wiederum im Nachweis, dass ϕ den abbildet. Zum Iss’saschen Satz vergleiche man auch die Ring O(G) in O(G) 1968 erschienene Arbeit [138] von J.J. Kelleher. 5.1.5 Bestimmungen aller Bewertungen∗ von M(G).

Algebraisch interessierte Leser werden fragen, ob es u ¨berhaupt Bewertungen von M(G) gibt, die nicht Ordnungsfunktionen sind. Gewiss ist f¨ ur jeden Punkt c ∈ G und jedes m ∈ N die Funktion moc eine Bewertung von M(G). Wir zeigen, dass es keine weiteren Bewertungen gibt.

Satz 5.7. Zu jeder Bewertung v = 0 von M(G) gibt es genau einen Punkt c ∈ G, ur alle h ∈ M(G)× . so dass v(z − c) ≥ 1. Mit m := v(z − c) gilt v(h) = moc (h) f¨ Beweis. (vgl. [63, 40–41]). Zun¨ achst gilt v(e) = 0 f¨ ur jede Einheit e ∈ O(G), da 0 = v(1) = v(e · 1/e) = v(e) + v(1/e) und v(e) ≥ 0 sowie v(1/e) ≥ 0 nach (5.4). Wir setzen nun A := {a ∈ G : v(z − a) > 0} und behaupten: F¨ ur jedes f ∈ O(G), f = 0, mit N (f ) ∩ A = ∅ gilt : v(f ) = 0. Ist N (f ) endlich, so gilt f (z) = e(z)

n Q

(5.5)

(z − cν ) mit einer Einheit e ∈ O(G). Da

ν=1

v(z − cν ) ≥ 0 nach (5.4) und da cν ∈ A, so folgt v(f ) = v(e) = 0 nach B1). Ist ahlen wir nach dem Existenzsatz 4.9 hingegen N (f ) = {c1 , c2 , . . . } unendlich, so w¨ ein h ∈ O(G) mit N (h) = N (f ) und ocν (h) = ocν (f ) · (ν! − 1), ν = 1, 2, . . . . F¨ ur hn = h · f /

n−1 Q

(z − cν )ocν (f )·ν! ∈ O(G) gilt dann

ν=1

N (hn ) = {cn , cn+1 , . . . }, v(hn ) = v(h) + v(f ) und ocν (hn ) = ocν (f ) · ν! f¨ ur ν ≥ n. Mithin teilt n! jede Zahl oz (hn ), z ∈ G; nach dem Wurzelkriterium 4.12 gibt es also ein gn ∈ O(G), so dass hn /gnn! eine Einheit in O(G) ist. Es folgt v(hn ) =

114

5 Satz von Iss’sa. Holomorphiegebiete

n!v(gn ), also v(h) + v(f ) = v(hn ) ∈ n! Z, n = 1, 2, . . . Dieses hat v(h) + v(f ) = 0 zur Folge. Da v(h) ≥ 0 und v(f ) ≥ 0 nach (5.4), so ergibt sich v(f ) = 0, womit (5.5) verfiziert ist. Aus (5.5) folgt unmittelbar, dass A nicht leer ist, denn sonst w¨ urde v(f ) = 0 f¨ ur alle f ∈ O(G)\{0} gelten und dieses w¨ urde – da M(G) nach Satz 4.11 der Quotientenk¨ orper von O(G) ist – bedeuten, dass v die Nullbewertung w¨ are. Es gibt also ein c ∈ A. Weitere Punkte c ∈ A, c = c, gibt es nicht, denn dann w¨ urde aus r(z − c ) − r(z − c) = 1, wobei r := (c − c )−1 ∈ C× , der Widerspruch folgen: 0 = ν(1) ≥ min{v(z − c ), v(z − c)} > 0. Es gilt mithin A = {c}, womit die erste Behauptung des Satzes bewiesen ist. Sei nun m := v(z−c). Ist dann f = 0 aus O(G) und n := oc (f ), so hat g := f /(z−c)n ∈ O(G) keine Nullstelle in A, nach (5.5) folgt daher v(g) = 0, d.h. v(f ) = v((z − c)n ) = moc (f ). ur alle h ∈ M(G)× . Durch die Quotientenbildung erh¨ alt man hieraus v(h) = moc (h) f¨ 

5.2 Holomorphiegebiete Es giebt analytische Functionen, die nur f¨ ur einen Theil der Ebene existieren und f¨ ur den u ¨brigen Theil der Ebene gar keine Bedeutung haben (Weierstraß 1884).

1. Ein Gebiet G in C heißt das Holomorphiegebiet einer in G holomorphen Funktion f , wenn f¨ ur jeden Punkt c ∈ G die Konvergenzkreisscheibe der Taylorreihe von f um c in G liegt. Dann folgt sofort: Ist G das Holomorphiegebiet von f , so ist G das maximale Existenzge” ⊃ G, in dem es eine Funktion mit biet“ von f , d.h. jedes Gebiet G f ∈ O(G) f |G = f gibt, stimmt mit G u ¨berein. Ist eine Kreisscheibe das maximale Existenzgebiet von f , so ist sie auch das Holomorphiegebiet von f (Beweis!); die in I.5.3.4 f¨ ur Kreisscheiben gegebene Definition ist also mit der obigen konsistent. Im allgemeinen besagt Holomorphiegebiet aber mehr als maximales Existenzgebiet. Die√geschlitzte Ebene C− ist z.B. das maximale Existenzgebiet der Funktionen z, log z √ ∈ O(C− ), jedoch nicht deren Holomorphiegebiet: die Taylor-Reihen von z und log z − um c ∈ C− haben B|c| (c) als √ Konvergenzkreis, und es gilt B|c| (c) ⊂ C , falls Re c < 0. (Die Funktionen z und log z sind von oben und unten“ in jedem ” Punkt auf der negativen reellen Achse √ holomorph fortsetzbar, alle Randpunk− ar“ f¨ ur z und log z in dem Sinne, dass keiner te in C sind aber singul¨ √ eine ” Umgebung U mit einer Funktion h ∈ O(U ) hat, die in U ∩ C− mit z bzw.

5.2 Holomorphiegebiete

115

log z u ¨bereinstimmt, vgl. hierzu I.5.3.4 und Abschnitt 5.2.3 dieses Paragraphen). 2. Das  Gebiet C bzw. C× bzw. E ist das Holomorphiegebiet von z bzw. ν bzw. z 2 (zum letzten Beispiel vgl. I.5.3.4). Im Mittelpunkt dieses z Paragraphen steht folgender allgemeiner Existenzsatz. −1

Existenzsatz 5.8. Zu jedem Gebiet G in C gibt es eine in G holomorphe Funktion f , so dass G das Holomorphiegebiet von f ist. Zum Beweis bieten sich zwei Wege an. Man konstruiert eine Funktion f ∈ O(G), die bei Ann¨ aherung an den Rand von G gegen ∞ strebt bzw. deren Nullstellenmenge N (f ) = G sich gegen jeden Randpunkt h¨auft. Schwierigkeiten entstehen, wenn der Rand ∂G t¨ uckisch ist (z.B. Stachelh¨aufungen, vgl. Figur auf Seite 174). Man muss sicherstellen, dass eine Randann¨aherung aus ” allen Richtungen innerhalb von G“ erfolgt. Zur Pr¨azisierung dieser Art von Randapproximation f¨ uhren wir in den Abschnitten 5.2.2 bzw. 5.2.4 den Begriff der gut verteilten Randmenge bzw. der randnahen Menge ein. Der erste Beweis gelingt dann mit Goursatschen Reihen“; der zweite Beweis zieht ” den Existenzsatz (4.9) heran. Im folgenden verwenden wir Begriffe und Schlussweisen der mengentheoretischen Topologie. Wir benutzen, dass jeder Punkt einer in C offenen Menge D in einer eindeutig bestimmten Zusammenhangskomponente von D liegt (vgl. hierzu z.B. I.0.6.4). Wir sprechen kurz von den Komponenten von D, jede solche Komponente ist ein nichtleeres maximales Teilgebiet von D. Bemerkung. Folgende schwache Form des Existenzsatzes ist leicht zu gewinnen: Jedes Gebiet G ist das maximale Existenzgebiet einer Funktion f ∈ O(G). Beweis. Man w¨ ahle eine lokal endliche Menge A in G, die sich gegen jeden Randpunkt von G h¨ auft. Nach dem allgemeinen Produktsatz existiert ein f ∈ O(G) mit N (f ) = A. Wegen des Identit¨ atssatzes gibt es keine holomorphe Fortsetzung von b ⊃ G. f in ein Gebiet G 

5.2.1 EineKonstruktion von Goursat. Wir fixieren eine Folge a1 , a2 , . . . |aν | < ∞ und eine Folge b1 , b2 , . . . von paarweise verschiedenen in C× mit Punkten in C. Wir bezeichnen mit A den Abschluss der Menge {b1 , b2 , . . . } in C. Die Reihe f (z) =

∞ 

aν konvergiert normal in C\A. z − bν ν=1

(5.6)

Beweis. Ist K ⊂ C\A kompakt, so ist  der Abstand d zwischen  K und A ur z ∈ K, so folgt |aν /(z−bν )|K ≤ d−1 |aν | < ∞. positiv. Da |z−bν | ≥ d f¨ 

116

5 Satz von Iss’sa. Holomorphiegebiete

Die durch (5.6) definierte Funktion f ∈ O(C\A) wird bei radialer Ann¨aherung an die Punkte von A beliebig groß; genauer gilt: Hilfssatz (Goursat) 5.9. Es sei B eine Kreisscheibe in C\A, so dass ein angs des Folgenglied bn auf ∂B liegt. Dann gilt lim f (w) = ∞, wenn w l¨ w→bn

Radius von B nach bn gegen bn strebt.

Beweis. Liegt w auf dem Radius von B nach bn , so gilt (!) ur alle ν = n. |w − bn | < |w − bν | f¨ Sei p > n so gew¨ ahlt, dass

∞  ν=p+1

(5.7)

|aν | ≤ 12 |an |. Schreibt man (5.6) in der Form

∞  an aν f (z) := + g(z) + mit g(z) := z − bn z − bν ν=p+1



p  1

aν z − bν

 −

an , z − bn

so folgt wegen (5.7) f¨ ur alle w auf dem Radius von B nach bn : |f (w)| ≥

∞  1 an |an | aν − |g(w)| − ≥ − |g(w)|. |w − bn | w − b 2 w − bn ν ν=p+1

Da |g(w)| bei Ann¨ aherung an bn endlich bleibt, folgt die Behauptung.



Bemerkung. Die Aussage des Hilfssatzes ist nicht selbstverst¨ andlich, sobald der aufungspunkt von anderen Punkten bk ist. Dann k¨ onnte das WachsPunkt bn H¨ tum des Polgliedes“ an /(z − bn ) um bn durch die unendlich vielen weiteren Glieder ” aufenden bk geh¨ oren, kompensiert werden. ak /(z − bk ), welche zu sich gegen bn h¨ Dieses Ph¨ anomen tritt in der Tat bei anderen Reihen auf. So hat jeder Summand der in E normal konvergenten Reihe g(z) =

∞ X

2ν z 2

ν

−1

ν

/(1 + z 2 )

ν=0

Pole auf ∂E, verschiedene Summanden haben nie gleiche Pole (so dass sich hier nichts neutralisiert), die Pole aller Summanden liegen dicht auf ∂E, und dennoch erfolgt im Limes eine vollst¨ andige Kompensation dieser Pole: Die Grenzfunktion hat keineswegs unendlich viele Singularit¨ aten auf ∂E, vielmehr gilt g(z) = 1/(1 − z), wie ∞ Q ν (1 + z 2 ) erkennt man sofort durch logarithmische Differentiation des Produktes ν=0

(vgl. hierzu Aufgabe 2 in Abschnitt 1.2.1.



P Historische Notiz. Reihen des Typs aν /(z − bν ) wurden 1887 von E. Goursat zur Konstruktion von Funktionen mit nat¨ urlichen Grenzen benutzt, vgl. [91]. A. Pringsheim hat solche Reihen intensiv studiert, vgl. [222, 982–990].

5.2 Holomorphiegebiete

117

5.2.2 Gut verteilte Randmengen. Erster Beweis des Existenzsatzes. Ist b ein Randpunkt von G, so heißt eine Scheibe V ⊂ G ein Sichtkreis zu b, wenn b ∈ ∂V , alsdann heißt b ein (aus G) sichtbarer Randpunkt von G. Gebiete haben i.a. nicht sichtbare Randpunkte. So sind in Quadraten die Eckpunkte nicht sichtbar, in gestachelten Gebieten (Figur auf Seite 174) gibt es Randkurven, deren Punkte alle nicht sichtbar sind. Definition 5.10. Eine Menge M von sichtbaren Randpunkten von G heißt gut verteilt, wenn folgendes gilt Ist B eine Scheibe um einen Punkt c ∈ G, die ∂G trifft, so liegt in der Komponente von B ∩ G durch c ein Sichtkreis V zu einem Punkt b ∈ M ∩ B. Mit Hilfe dieses Begriffs gewinnen wir ein erstes Kriterium f¨ ur Holomorphiegebiete. Erstes Kriterium f¨ ur Holomorphiegebiete. Ist {b1 , b2 , . . . } ⊂ ∂G eine abz¨ ahlbare gut verteilte Randmenge, so ist G das Holomorphiegebiet jeder Funktion f (z) =

∞  1

aν /(z − bν ), z ∈ G, wobei aν ∈ C× ,

∞ 

|aν | < ∞.

1

Beweis. Wegen {b1 , b2 , . . . } ⊂ ∂G gilt f ∈ O(G) nach (5.6). Sei c ∈ G und B die Konvergenzkreisscheibe der Taylor-Reihe h von f um c. Angenommen B ∩ ∂G = 0, so liegt in der Komponente W von B ∩ G durch c ein Sichtkreis V zu einem Punkt bn ∈ B. Da h|W = f |W , so strebt h nach dem Hilfssatz 5.9, da M gut in G verteilt ist, gegen ∞, wenn man sich bn l¨angs des nach uhrenden Radius von V n¨ ahert. Dann l¨ age bn aber nicht in B. Es folgt bn f¨ B ⊂ G. 

118

5 Satz von Iss’sa. Holomorphiegebiete

Die folgende Aussage liegt nicht auf der Hand: Satz 5.11. Ist G = C, so gibt es gut verteilte abz¨ ahlbare Randmengen M zu G. Beweis. Sei R abz¨ ahlbar und dicht in G, z.B. R = (Q + iQ) ∩ G. Zu jedem ζ ∈ R w¨ ahle man b ∈ ∂G auf dem Rand des gr¨ oßten Kreises V ⊂ G um ζ. Die Menge M aller dieser sichtbaren Randpunkte b ist abz¨ahlbar. Sei nun B eine Scheibe um c ∈ G, die ∂G trifft. W¨ahlt man ζ ∈ R nahe genug bei c, so liegt die gr¨ oßte Scheibe V ⊂ G um ζ einschließlich ∂V in B und es gilt c ∈ V . Nach Konstruktion von M ist V der Sichtkreis zu einem Punkt b ∈ M . Da b ∈ ∂V ⊂ B und da V ⊂ B ∩ G wegen c ∈ V in der Komponente von B ∩ G durch c liegt, so ist Satz 5.11 bewiesen.  Die Konstruktion der Menge M mittels (Q + iQ) ∩ G ist motiviert durch den ´-Volterra, der u.a. besagt, dass alle m¨ Satz von Poincare oglichen holomorphen Fortsetzungen von f bereits erhalten werden durch die Taylor-Reihe von f um alle komplex-rationalen Punkte (diese Funktionselemente“ liegen dicht im analytischen ” ” Gebilde“ zu f ).

Mit Satz 5.11 und dem Kriterium folgt der Existenzsatz unmittelbar. Historische Notiz. Den hier mitgeteilten Beweis des Existenzsatzes findet man 1932 bei Pringsheim, [222, 986–988], der ihn einer m¨ undlichen Mitteilung von F. Hartogs verdankt. Pringsheim arbeitet nur mit dichten Mengen sichtbarer Randpunkte. 1938 hat J. Besse auf M¨angel bei solcher Wahl der Randpunktmenge aufmerksam gemacht (vgl. anschließende Aufgabe) und sie behoben, [14, 303–305]. – H. Kneser diskutiert in seiner Funktionentheorie, 2. Aufl. S. 158/159, nur die schwache Form des Existenzsatzes (vgl. Einleitung), er geht wie Pringsheim vor. Aufgabe.

Man zeige

a) Gut verteilte Randmengen zu G liegen dicht in ∂G. b) Es gibt Gebiete, bei denen nicht jede dichte Menge von sichtbaren Randpunkten gut verteilt ist. c) Ist G konvex, so ist jede dichte Menge sichtbarer Randpunkte gut verteilt.

5.2.3 Diskussion des Begriffes Holomorphiegebiet. Eine Funktion f ∈ O(G) heißt holomorph fortsetzbar in einen Randpunkt p von G, wenn es eine Umgebung U von p und eine holomorphe Funktion g ∈ O(U ) gibt, so dass f und g auf einer Komponente W von U ∩G mit p ∈ ∂W u ¨bereinstimmen; anderenfalls heißt p ein singul¨ arer Punkt von f . Die Umgebung U ist i.a. groß“: ” ∞  (−∞, n]×{i/n} u So existiert zum Randpunkt 0 des Gebietes G := H\ ¨bern=1

haupt keine Scheibe B = C, so dass 0 im Rand einer Komponente von B ∩ G

5.2 Holomorphiegebiete

119

liegt; jede Funktion f := g|G mit g ∈ O(C) ist nat¨ urlich holomorph nach 0 fortsetzbar (mit U := C). Gibt es Scheiben B ⊂ U um p , so dass B ∩ G zusammenh¨angt, so kann man f¨ ur U solche Scheiben w¨ ahlen. Da bei konvexen Gebieten G f¨ ur jede Scheibe B der Bereich B ∩ G wieder konvex und also ein Gebiet ist, so folgt Satz 5.12. Ist G konvex und f ∈ O(G) holomorph nach p ∈ ∂G fortsetzbar, so gibt es eine Scheibe B um p und ein g ∈ O(U ), so dass g|B ∩ G = f |B ∩ G. Auf Grund von Satz 5.12 stimmt f¨ ur Kreisscheiben die jetzt eingef¨ uhrte Redeweise singul¨ arer Punkt von f“ mit der in I.5.3.3 eingef¨ uhrten u ¨berein. ” – Wir pr¨ azisieren nun die Vorstellung, dass Holomorphiegebiete maximale Gebiete der Holomorphie sind. Satz 5.13. Folgende Aussagen u aquivalent: ¨ber eine Funktion f ∈ O(G) sind ¨ i ) Das Gebiet G ist das Holomorphiegebiet von f . ⊂ G mit einer Funktion f ∈ O(G), so dass die ii ) Es gibt kein Gebiet G Menge {z ∈ G ∩ G : f (z) = f (z)} innere Punkte hat. iii ) Jeder Randpunkt von G ist ein singul¨ arer Punkte von f . Die Bedingung ii) versch¨ arft die in der Einleitung diskutierte Maximaleigen schaft, dort wurde G ⊃ G verlangt. – Zum Beweis des Satzes ben¨otigen wir folgenden Hilfssatz. Gebiete in C, und es sei W eine Komponenten Hilfssatz 5.14. Es seien G, G Dann gilt G ∩ ∂W ⊂ ∂G. Falls G ⊂ G, so ist G ∩ ∂W nicht leer von G ∩ G. (Figur).

^ G ^ G Ç ¶W G

W

Beweis. 1) Sei q ∈ G∩∂W . Wegen ∂W ⊂ W ⊂ G folgt q ∈ G. Da q ∈ G wegen zu q ∈ W f¨ q∈G uhrt, was q ∈ ∂W widerspricht, so folgt q ∈ G\G = ∂G. ⊂ G. Dann ist G\W 2) Sei G nicht leer, denn sonst m¨ usste wegen W ⊂ G gelten W = G, was wegen W ⊂ G den Widerspruch G ⊂ G g¨abe. Da G = zusammenh¨angend ist, so ist G\W W ∪ (G\W ) und da W offen und G nicht offen in C. Sei p ∈ G\W kein innerer Punkt von G\W . Dann ist U ∩ W = ∅ ∩ ∂W . f¨ ur jede Umgebung U von p, d.h p ∈ ∂W . Es folgt p ∈ G 

120

5 Satz von Iss’sa. Holomorphiegebiete

¨ Wir beweisen nun die Aquivalenz des Satzes in der Form non i) ⇒ non ” ii) ⇒ non iii) non ⇒ i).“ non i) ⇒ non ii). Es gibt ein c ∈ G, so dass die Konvergenzkreisscheibe G der Taylorreihe f von f um c nicht in G liegt. Da f ∈ O(G) und f |W = f |W durch c, so folgt non ii). auf der Komponenten W von G ∩ G ⊂ G, f ∈ O(G) und W1 eine Komponente non ii) ⇒ non iii). Es sei G von G ∩ G, so dass f |W1 = f |W1 . Nach dem Hilfssatz gibt es einen Punkt ∩ ∂W1 ⊂ ∂G. Wir d¨ p∈G urfen annehmen, dass p ein sichtbarer Randpunkt um von W1 ist (Dichtheit, vgl. Aufg. 2.a)). Wir w¨ahlen eine Scheibe U ⊂ G p und einen Sichtkreis V ⊂ W1 zu p ∈ ∂W1 . Dann liegt U ∩ V in einer Komponente W von G ∩ U . Wegen p ∈ ∂V ∩ ∂G gilt p ∈ ∂W . F¨ ur g := f |U folgt g|W = f |W (da V ∩ U ⊂ W1 ), d.h. p ist kein singul¨arer Randpunkt von f. non iii) ⇒ non i). Es sei p ∈ ∂G nicht singul¨ar f¨ ur f , es seien U , g, W entsprechend gew¨ ahlt. Sei r der Konvergenzradius der Taylor-Reihe von g um p. Wir w¨ ahlen ein c ∈ W mit |c − p| < 12 r. Die Konvergenzkreisscheibe der Taylor-Reihe von g um c enth¨ alt dann den Punkt p ∈ ∂G. Da f und g um c ∈ W diesselbe Taylor-Reihe haben, so ist G nicht das Holomorphiegebiet von f .  Aufgabe. Ist G konvex, so ist G bereits dann das Holomorphiegebiet f ∈ O(G), wenn G im Sinne der Einleitung das maximale Existenzgebiet von f ist. 5.2.4 Randnahe Mengen. Zweiter Beweis des Existenzsatzes. f¨ uhren die folgende Redeweise ein.

Wir

Definition 5.15. Eine lokal endliche Menge A in einem Gebiet G heißt randnah in G, wenn gilt: ⊂ C irgendein Gebiet und ist W eine Komponente von G ∩ G, so ist Ist G jeder Punkt von G ∩ ∂W H¨ aufungspunkt von A ∩ W . Mit Hilfe dieses Begriffes gewinnen wir ein zweites Kriterium f¨ ur Holomorphiegebiete. Zweites Kriterium f¨ ur Holomorphiegebiete. Ist die Nullstellenmenge N (f ) von f ∈ O(G) randnah in G, so ist G das Holomorphiegebiet von f . Beweis. Wir zeigen, dass Aussage iii) von Satz 5.13 zutrifft. Angenommen, es g¨ abe einen Punkt p ∈ ∂G, eine Kreisscheibe U um p und eine Funktion g ∈ O(U ), so dass f |W = g|W auf einer Komponente W von G ∩ U mit p ∈ ∂W . Da N (f ) randnah in G ist, so ist p ein H¨aufungspunkt von N (f )∩W . Da N (f ) ∩ W = N (g) ∩ W , so folgt g ≡ 0 nach dem Identit¨atssatz. Hieraus folgt f ≡ 0, was nicht geht, da N (f ) als randnahe Menge diskret in G ist. 

5.2 Holomorphiegebiete

121

Es ist nicht selbstverst¨ andlich, dass immer randnahe Mengen existieren. Ist G = C, so gibt es randnahe Mengen

A in G.

(5.8)

Beweis. Die Menge (Q + iQ) ∩ G wird zu einer Folge ζ1 , ζ2 , . . . angeordnet. In ahle man einen Punkt aν mit d(aν , ∂G) < der gr¨ oßten Scheibe B ν ⊂ G um ζν w¨ 1/ν. Sei A := {a1 , a2 , . . . }. Da jedes Kompaktum K ⊂ G einen positiven Randabstand d(K, ∂G) hat, so ist A ∩ K stets endlich; d.h. A ist lokal endlich in G. W wie in Definition 5.15 und sei p ∈ G ∩ ∂W . Dann gibt es Seien nun G, einen rationalen Punkt ζk ∈ Bε (p) ∩ W mit zu jedem ε > 0 mit Bε (p) ⊂ G oßte in G enthaltenen Kreisscheibe B k um ζk liegt nun, |p − ζk | < 12 ε. Die gr¨ da p ∈ ∂G nach Hilfssatz 5.14, in Bε (p). Da B k ∩ W = ∅, so folgt B k ⊂ W , F¨ denn W ist ein maximales Teilgebiet von G ∩ G. ur den zu ζk geh¨orenden k Punkt ak ∈ B folgt nun ak ∈ Bε (p) ∩ A ∩ W . Da ε > 0 beliebig ist, so ist die Bedingung der Definition 5.2.4 verifiziert.  Aus (5.8) und dem Kriterium folgt nun erneut der Existenzsatz, da es nach dem Existenzsatz 4.9 ein f ∈ O(G) mit N (f ) = A gibt.  Neben Holomorphiegebieten betrachtet man auch Meromorphiegebiete. Man nennt G das Meromorphiegebiet einer in G meromorphen Funktion h, ⊂ G, mit einer Funktion gibt, so dass wenn es kein Gebiet G h ∈ M(G) h × und h auf einer Komponente von G ∩ G u ¨bereinstimmen. Ersichtlich ist C das Meromorphiegebiet von exp(1/z) (aber nicht von 1/z). Der Leser mache sich klar, dass wir oben sogar gezeigt haben: Jedes Gebiet G in C ist das Meromorphiegebiet einer in G holomorphen Funktion.

Aufgabe.

Man beweise: Ist G konvex, so ist jede in G abgeschlossene und diskrete Menge, die sich gegen jeden Randpunkt von G h¨ auft, randnah.

5.2.5 Historisches zum Begriff des Holomorphiegebietes. Bereits 1842 war Weierstrass damit vertraut, dass holomorphe Funktionen nat¨ urliche Grenzen“ haben k¨ onnen, [268, S. 84]. In seinen Vorlesungen hat ” er ab 1863 darauf hingewiesen; zur selben Zeit Kronecker, dass E  wusste 2 das Holomorphiegebiet der Thetareihe 1 + 2 q ν ist, vgl. hierzu I.12.4. Die erste gedruckte Mitteilung u urlicher Grenzen findet sich ¨ber das Auftreten nat¨ 1866 in einer Abhandlung von Weierstrass (Monatsber. Akad. Wiss. Berlin, S. 617; in Weierstrass’ Werken, welche keine getreue Wiedergabe der Originalarbeiten sind, ist diese Stelle gestrichen).

122

5 Satz von Iss’sa. Holomorphiegebiete

Weierstrass hat 1880 behauptet, dass alle Gebiete in C Holomorphiegebiete sind, er sagt [273, S. 223]: Es ist leicht,. . . selbst f¨ ur einen beliebig be” grenzten Bereich . . . die Existenz von [holomorphen] Functionen [anzugeben], die u ¨ber diesen Bereich hinaus nicht [holomorph] fortgesetzt werden k¨onnen.“ Eine Pr¨ azisierung dieser Aussage oder gar einen Beweis hat er nicht gegeben. Einige Jahre sp¨ ater, 1885, gab Runge einen Beweis mittels des von ihm eigens zu diesem Zwecke aufgestellten Approximationssatzes (vgl. hierzu Kapitel 12 und 13);bei Runge liest man ([228, S. 229]), dass der G¨ ultigkeitsbereich einer ” eindeutigen analytischen Function . . . keiner andern Beschr¨ankung unterliegt als derjenigen, zusammenh¨ angend zu sein.“ Mittag-Leffler stellte in einer Fußnote zu Runges Arbeit heraus (loc. cit. S. 229), dass dessen Resultat bereits 1884 in seiner Arbeit [173] stehe; explizit findet sich der Existenzsatz dort aber nicht. Der Beweis mittels des Produktsatzes kommt in vielen Lehrb¨ uchern vor, z.B. 1912 bei Osgood, 1932 bei Pringsheim, 1934 bei Bieberbach und 1956 bei Behnke-Sommer (vgl.[193, 481–82], [221, 713–716], [18, S. 295], [7, 253–255]). In den ersten drei ´ lya – B¨ uchern werden dabei, wie 1938 J. Besse – ein Sch¨ uler von G. Po bemerkte, die Probleme der Randapproximationen u ¨bersehen; in [14] hat er eine elegante L¨ osung des Problems gegeben. 5.2.6 Ausblick auf mehrere Ver¨ anderliche. Der Begriff des Holomorphiegebietes kann – fast w¨ ortlich wie in der Einleitung – auch f¨ ur holomorphe Funktionen von mehreren Ver¨ anderlichen eingef¨ uhrt werden. Dann stellt sich u ¨berraschend heraus, dass nicht mehr alle Gebiete im Cn , n ≥ 2, Holomorphiegebiete sind: z. B. sind punktierte Gebiete G/p, wo p ∈ G, niemals Holomorphiegebiete, da holomorphe Funktionen von n ≥ 2 Ver¨ anderlichen keine isolierten Singularit¨ aten haben k¨ onnen; hierauf hat Hurwitz schon 1897 aufmerksam gemacht, [124] insbes. S. 474. Bald darauf, 1903, entdeckte F. Hartogs in seiner Dissertation den ber¨ uhmten Kugelsatz“: Ist G ein beschr¨ anktes Gebiet im Cn , 2 ≤ n < ∞, mit ” zusammenh¨ angendem Rand ∂G, so ist jede in einer Umgebung von ∂G holomorphe Funktion in ganz G hinein holomorph fortsetzbar, [105], insb. S. 231. Die bekanntesten Beispiele von Nichtholomorphiegebieten sind gekerbte“ Dizy” linder Z im C2 , die aus dem Einheitszylinder D := {(w, z) ∈ C2 |w| < 1, |z| < 1} durch Herausnahme von Mengen der Form {(w, z) ∈ D : |w| ≥ r, |z| ≤ s}, 0 < r, s < 1, entstehen: jede Funktion f ∈ O(Z) ist holomorph in ganz D fortsetzbar. Im Jahre 1932 erkannten H. Cartan und P. Thullen die Holomorphiekonvexit¨ at als eine charakteristische Eigenschaft von Holomorphiegebieten, vgl. [46]. In der Folgezeit entwickelte sich eine Theorie, die tiefe Einsichten in die Natur der Singularit¨ aten holomorpher Funktionen mehrerer Ver¨ anderlichen brachte und die bis heute lebendig ist. N¨ aheres findet der Leser im Ergebnisbericht [11] von H. Behnke und P. Thullen sowie im Hochschultext [94]. Im Jahre 1951 hat K. Stein in seiner denkw¨ urdigen Arbeit [253] komplexe R¨ aume entdeckt, die ¨ ahnliche Eigenschaften wie Holomorphiegebiete haben. Ein komplexer Raum X heißt ein Steinscher Raum, wenn auf ihm viele holomorphe Funktionen leben; genauer fordert man:

5.3 Einfache Beispiele von Holomorphiegebieten

123

a) Zu je zwei Punkten p, q ∈ X, p = q, gibt es ein f ∈ O(X) mit f (p) = f (q) (Trennungsaxiom). b) Zu jeder in X unendlichen, lokal endlichen Menge A gibt es ein f ∈ O(X) mit sup{|f (x)| : x ∈ A} = ∞ (Konvexit¨ atsaxiom). Ein Gebiet G in Cn ist genau dann ein Holomorphiegebiet, wenn es ein Steinscher Raum ist. Es hat sich gezeigt, dass viele S¨ atze der komplexen Analysis sogleich f¨ ur Steinsche R¨ aume beweisbar sind (vgl. hierzu auch 4.2.4 und 6.3.5). Leser, die tiefer in diese Dinge eindringen m¨ ochten, seien auf [95] verwiesen.

5.3 Einfache Beispiele von Holomorphiegebieten F¨ ur Gebiete G mit kompliziertem Rand ist es selten m¨oglich, explizit holomorphe Funktionen anzugeben, die G zum Holomorphiegebiet haben. F¨ ur Kreisscheiben, Cassini-Gebiete und allgemeiner Gebiete der Form {z ∈ C : |q(z)| < R}, wo q eine nichtkonstante ganze Funktion ist, gibt es indessen einfache Konstruktionen, wie wir nun sehen werden.  ν 5.3.1 Beispiele f¨ ur E. Die Scheibe E ist das Holomorphiegebiet von z 2 , vgl. Abschnitt I.5.3.4; allgemeiner haben Hadamardsche L¨ uckenreihen ihren Konvergenzkreis zur nat¨ urlichen Grenze, vgl. 11.2.3 und auch 11.1.4. Wir geben Beispiele anderer Art. 1) Sei a ∈ C, |a| > 1; sei ω ∈ R\Qπ. Dann hat die Goursat-Reihe“ ” ∞ −ν  a ∈ O(E) f (z) := z − eiνω ν=1 die Scheibe E zum Holomorphiegebiet. Es gilt aeiω f (eiω z) = (z − 1)−1 + f (z). Beweis. Wegen ω ∈ / Qπ ist {eiνω , ν ≥ 1} eine gut verteilte Randmenge. Daher folgt die Behauptung dem ersten Kriterium aus Abschnitt 5.2.2.  2) Die Potenzreihe

∞  λ=0

λ

z e1+iλ −1

hat E zum Holomorphiegebiet.

∞  aν /(z − bν ) Beweis. Im Fall G = E hat die Goursat-Reihe“ f (z) = ” 1 folgende Taylorreihe in E um 0:

∞ ∞ ∞ ∞ λ ∞     aν aν aν  1 z zλ, · = − = − f (z) = − bν 1−z/bν bν bν bν λ+1 ν=1

ν=1

λ=0

λ=0

ν=1

z ∈ E. Mit bν := eiν und aν := −e−ν bν ergibt sich 2) direkt.



124

5 Satz von Iss’sa. Holomorphiegebiete

3) Das Produkt f (z) =

∞ 

(1 − z 2 ) ∈ O(E) hat E zum Holomorphiegebiet. ν

ν=0

Beweis(skizze). In der N¨ ahe jeder 2n -ten Einheitswurzel ζ nimmt f beliebig kleine Werte an. Das ist richtig f¨ ur ζ = 1 (da f¨ ur alle t, 0 < t < 1, gilt f (t) = (1 − t)(1 − t2 )(1 − t4 ) · · · < 1 − t) und folgt allgemein wegen 2n

f (z) = f (z )

n−1

(1 − z 2 ), also |f (z)| < 2n |f (z 2 )|. ν

n

ν=0

 Nunmehr folgt 3) da die 2n -ten Wurzeln ζ dicht in ∂E liegen. 4) Die Produkte aus Beispiel 2 in 4.2.2 haben E zum Holomorphiegebiet, ahlt. wenn man dort stets rn < 1 w¨ 5.3.2 Liftungssatz. 1 ein Gebiet, q ∈ O(C) nicht konstant und G eine Hilfssatz 5.16. Es sei G −1 1 1 das Holomorphiegebiet von f1, so ist G das Komponente von q (G). Ist G 1 Holomorphiegebiet von f := f ◦ q|G. Beweis. Angenommen f w¨ are holomorph fortsetzbar in einen Punkt p ∈ ∂G. Es gibt dann eine Scheibe U um p und ein g ∈ O(U ), so dass g|W = f |W auf einer Komponente W von U ∩ G mit p ∈ ∂W . Sei zun¨ achst q  (p) = 0. Dann ist q lokal-biholomorph um p. Wir w¨ahlen abgebildet wird. U so klein, dass U durch q biholomorph auf ein Gebiet G folgt {z ∈ G 1∩G 1: 1 gilt G 1 ⊂ G. 1 F¨ Wegen q(p) ∈ ∂ G ur f := g ◦ (q|U )−1 ∈ O(G) 1 nicht das Holomorphiegebiet f1(z) = f (z)} ⊃ q(W ). Nach Satz 5.14 w¨ are G von f1. Sei nun q  (p) = 0. Da U ∩∂W ⊂ ∂G nach Hilfssatz 5.14, so wird f verm¨oge g auch in alle Randpunkte p von G, die zu U ∩ ∂W geh¨oren, fortgesetzt. Da p eine isolierte Nullstelle von q  ist, gibt es nach dem schon Bewiesenen solche Punkte p nicht beliebig nahe bei p. Daher ist p ein isolierter Randpunkt von W . Dann ist p auch ein isolierter Randpunkt von G und p1 := q(p) folglich ein 1 Es w¨ isolierter Randpunkt von G. are nun f um p und also f1 um p1 beschr¨ankt, 1 was nicht geht, da G das Holomorphiegebiet von f1 ist.  Anwendungen des Liftungssatzes liegen auf der Hand. Im n¨achsten Abschnitt ¨ diskutieren wir eine Situation, die in der Theorie der Uberkonvergenz eine wichtige Rolle spielt, vgl. auch Abschnitte 11.2.1-4. 5.3.3 Cassini-Bereiche und Holomorphiegebiete. Jeder Bereich D := {z ∈ C : |z − z1 ||z − z2 | < const}, z1 , z2 fest, heißt ein Cassini-Bereich (nach dem italienisch-franz¨ osischen Astronomen G.D. Cassini, 1625–1712 der – im Gegensatz zu Kepler – als Bahn der Sonne um die Erde nicht Ellipsen, sondern Cassini-Kurven (Lemniskaten) |z − z1 ||z − z2 | = const. w¨ahlte).

5.3 Einfache Beispiele von Holomorphiegebieten

125

Als Normalform bietet sich an |z − a||z + a| = R2 mit a, R ∈ R, a > 0, R > 0.

(5.9)

Diese Cassini-Kurven haben nur glatte Punkte außer im Fall a = R, wo 0 ein Doppelpunkt ist (Figur links). Der zu (5.9) geh¨orende Cassini-Bereich D hat zwei Komponenten bzw. h¨ angt zusammen, falls a ≥ R bzw. a < R. Wir zeigen genauer: i •

• 1 _ + _i — 2 2 Ö7

R>a R=a R a4 genau eine positive und eine negative Nullstelle hat, so ur alle ρ ∈ [0, r], falls g(r2 ) < 0. Mit reiϕ geh¨oren also auch gilt g(ρ2 ) < 0 f¨ iϕ  alle Punkte tre , 0 ≤ t ≤ 1, zu D. Mit dem Liftungssatz aus 5.3.2 folgt direkt: F¨ ur jedes p ∈ N\{0} konvergiert die Reihe

∞  0

( 12 z(z − 1))2

ν

p

kompakt im

Cassini-Gebiet W := {z ∈ C : |z(z − 1)| < 2}. Die Grenzfunktion hat W zum Holomorphiegebiet. Es gilt W ⊃ (E\{−1}) ∪ (B1 (1)\{2}). Die Figur rechts zeigt das Gebiet W (schreibt man z + 12 statt z, so erh¨alt √ man f¨ ur W die Normalform (5.9) mit a = 12 , R = 2). – Das Cassini-Gebiet ¨ W wird uns in der Theorie der Uberkonvergenz in Abschnitt 11.2.1 wieder begegnen.

6. Funktionen zu vorgegebenen Hauptteilen

Ist h meromorph im Bereich D, so ist die Polstellenmenge P (h) lokal endlich in D. Auf Grund des Existenzsatzes 4.9 kommt jede in D diskrete und abgeschlossene Menge als Polstellenmenge einer Funktion h ∈ M(D) vor, vgl. auch Satz 3.8. Wir stellen nun folgende Aufgabe: Es sei T = {d1 , d2 , . . . } eine in D lokal endliche Menge, jedem Punkt m ν aνμ (z − dν )−μ = dν ∈ T sei irgendwie ein endlicher Hauptteil“ qν (z) = ” μ=1 0 zugeordnet. Man konstruiere eine in D meromorphe Funktion, die T als genaue Polstellenmenge besitzt, und u ¨berdies in jedem Punkt dν den Hauptteil qν hat. Es ist keineswegs klar, dass solche Funktionen existieren. Wenn T endlich ist, so leistet nat¨ urlich die endliche Partialbruchreihe“ ”   aνμ (z − dν )−μ qν (z) = ν,μ

das Gew¨ unschte. Ist dagegen T unendlich, so wird diese Reihe i.a. divergieren. Mittag-Leffler hat im letzten Jahrhundert die Konvergenz erzwungen, indem er von jedem Hauptteil einen konvergenzerzeugenden Summan (qν (z) − gν (z)) den gν ∈ O(D) subtrahierte: die Mittag-Leffler-Reihe ist dann eine in D meromorphe Funktion mit den gew¨ unschten Polen und Hauptteilen. In diesem Kapitel behandeln wir zun¨ achst den Mittag-Lefflerschen Satz f¨ ur die Zahlenebene in 6.1. Im Paragraphen 6.2 diskutieren wir den Fall beliebiger Bereiche. Im Paragraphen 6.3 entwickeln wir als Anwendung die Grundlagen der Idealtheorie in Ringen holomorpher Funktionen.

6.1 Satz von Mittag-Leffler fu ¨r C Ziel dieses Paragraphen ist der Beweis des Satzes von Mittag-Leffler f¨ ur die Ebene. Um bequem formulieren zu k¨ onnen, bedienen wir uns des Begriffs der Hauptteil-Verteilung, den wir im Abschnitt 6.1.1 mit Blick auf sp¨atere

128

6 Funktionen zu vorgegebenen Hauptteilen

Verallgemeinerungen f¨ ur beliebige Bereiche D in C diskutieren. Das einfache Prinzip, wie man mit Mittag-Leffler-Reihen meromorphe Funktionen zu vorgegebener Hauptteil-Verteilung findet, wird durch 6.1.2 beschrieben. Im Abschnitt 6.1.3 werden f¨ ur D = C die klassischen Mittag-Leffler-Reihen konstruiert. 6.1.1 Hauptteil-Verteilungen.

Jede Laurent-Reihe

∞  1

bμ (z − d)−μ ∈

O(C\d) heißt ein Hauptteil in d ∈ C; ein Hauptteil heißt endlich, wenn fast alle bμ verschwinden. Hilfssatz 6.1. Genau dann ist q ∈ O(C\d) ein Hauptteil in d, wenn lim q(z) = 0.

z→∞

Beweis. Jedes q ∈ O(C\d) hat eine Laurent-Darstellung (vgl. I.12.1.2-3): q = q + + q − mit q + ∈ O(C), q − (z) =

∞ 

bμ (z − d)−μ ∈ O(C\d)

μ=1

und lim q − (z) = 0. Wegen des Satzes von Liouville gilt lim q(z) = 0 z→∞

genau dann, wenn q + ≡ 0.

z→∞



Eine Abbildung ϕ, die jedem Punkt d ∈ D einen (endlichen) Hauptteil qd in d zuordnet, heißt eine Verteilung von (endlichen) Hauptteilen in D, wenn ihr Tr¨ ager T := {z ∈ D : ϕ(z) = 0} lokal endlich in D ist. Wir nennen ϕ auch kurz eine Hauptteil-Verteilung in D. Jede Funktion h, die in D bis auf isolierte Singularit¨aten holomorph ist, besitzt in jeder solchen Singularit¨ at d einen wohlbestimmten Hauptteil h− ∈ O(C\d), vgl. etwa I.12.1.3. Daher bestimmt jede solche Funktion eine Hauptteil-Verteilung HV (h) in D, deren Tr¨ ager die Menge der nicht hebbaren Singularit¨ aten von h in D ist. Genau dann ist HV (h) eine Verteilung von endlichen Hauptteilen in D, wenn h meromorph in D ist; alsdann ist die Polstellenmenge P (h) von h der Tr¨ ager von HV (h). Hauptteil-Verteilungen in D lassen sich in nat¨ urlicher Weise addieren und subtrahieren, sie bilden (wie Divisoren) eine additive abelsche Gruppe. Es besteht ein einfacher Zusammenhang zwischen Divisoren und Hauptteil-Verteilungen: Hilfssatz 6.2. Ist d der Divisor von f ∈ O(D), so ist ϕ(d) := d(d)/(z − d), d ∈ D, die Hauptteil-Verteilung der logarithmischen Ableitung f  /f ∈ M(D). Das ist klar, da aus f (z) = (z − d)n g(z) mit g(d) = 0 sofort f  (z)/f (z) = n/(z − d) + v(z) folgt, wobei v in d holomorph ist. 

6.1 Satz von Mittag-Leffler f¨ ur C

129

Das in der Einleitung zu diesem Kapitel gestellte Problem ist nun in folgender Aufgabe enthalten: Man konstruiere zu jeder Hauptteil-Verteilung ϕ in D mit Tr¨ ager T eine Funktion h ∈ O(D\T ) mit HV (h) = ϕ. Den Schl¨ ussel zur Konstruktion solcher Funktionen h bilden spezielle Reihen, die wir nun einf¨ uhren. 6.1.2 Mittag-Leffler Reihen. Wie bei Divisoren ist der Tr¨ager T jeder Hauptteil-Verteilung ϕ h¨ ochstens abz¨ ahlbar. Wir ordnen die Punkte von T irgendwie zu einer Folge d1 , d2 , . . . an, wobei jetzt aber - anders als bei Divisoren - jeder Punkt von T genau einmal in dieser Folge vorkommt. Wir verabreden ein f¨ ur allemal, dass d1 = 0 sein soll, wenn der Nullpunkt zu T geh¨ ort. Die Hauptteil-Verteilung ϕ wird nun durch die Folge (dν , qν ) mit qν := ϕ(dν ) eindeutig beschrieben. Ein Reihe h =

∞  (qν − gν ) heißt eine Mittag-Leffler-Reihe zur 1

Hauptteil-Verteilung (dν , qν ) in D, wenn gilt: 1) gν ist holomorph in D. 2) Die Reihe h konvergiert normal in D\{d1 , d2 , . . . } Diese Redeweise wird sich als besonders bequem erweisen; wir zeigen sofort: Hilfssatz 6.3. Ist h eine Mittag-Leffler-Reihe zu (dν , qν ), so gilt h ∈ O(D\{d1 , d2 , . . . }) und HV (h) = (dν , qν ). Beweis. Wegen 2) ist h in D\{d1 , d2 , . . . } holomorph. Da alle Summanden qν − gν , ν= n, in einer Umgebung U ⊂ D von dn holomorph sind, so kon(qν − gν ) in U einschließlich des Punktes dn kompakt gegen eine vergiert ν =n

Funktion hn ∈ O(U ) (Konvergenzfortsetzung nach innen, vgl. I.8.5.4). Da h − qn = hn − gn in U \{dn } gilt, und da hn und gn in dn holomorph sind, so  ist qn der Hauptteil von h in dn , n ≥ 1. Dies beweist HV (h) = (dν , qν ). Wir bemerken noch:  Ist (qν − gν ) eine Mittag-Leffler-Reihe zu einer Verteilung von endlichen Hauptteilen, so ist jeder Summand qν − gν meromorph in D, und die Reihe ist eine in D normal konvergente Reihe meromorpher Funktionen (im Sinne von I.11.1.1).  Die Terme gν in (qν − gν ) erzwingen die Konvergenz der Reihe, ohne are Verhalten der Reihe um dν zu dabei das durch qν vorgeschriebene singul¨

130

6 Funktionen zu vorgegebenen Hauptteilen

st¨ oren. Man nennt die Funktionen g1 , g2 , . . . konvergenzerzeugende Summanden der Mittag-Leffler-Reihe. Wir werden zu jeder Hauptteil-Verteilung ϕ Mittag-Leffler-Reihen konstruieren. (Das ist mehr als Funktionen h mit HV (h) = ϕ zu finden, vgl. den Satz u ¨ber die Partialbruchzerlegung 6.6 und Satz 6.15). Dazu ben¨otigen wir eine Methode, konvergenzerzeugende Summanden zu bestimmen. Das ist im Fall D = C relativ einfach. 6.1.3 Satz von Mittag-Leffler. In diesem Abschnitt bezeichnet (dν , qν )ν≥1 eine Hauptteil-Verteilung in C. Jede Funktion qν ∈ O(C\dν ) hat um 0 eine Taylor-Entwicklung, die im Kreis vom Radius |dν | konvergiert, ν ≥ 2 oglich ist). Wir bezeichnen mit pνk das k-te Taylor(beachte, dass d1 = 0 m¨ polynom von qν um 0 (es gilt grad pνk ≤ k) und zeigen, dass diese Polynome als konvergenzerzeugende Summanden dienen k¨onnen. Satz von Mittag-Leffler 6.4. Zu jeder Hauptteil-Verteilung (dν , qν )ν≥1 in C existieren Mittag-Leffler-Reihen in C der Form ∞  (qν − pνkν ), wobei pνkν := kν -tes Taylorpolynom von qν um 0. q1 + ν=2

Beweis. Da die Folge (pνk )k≥1 in B|dν | (0) kompakt gegen qν konvergiert, gibt ur alle z mit es zu jedem ν ≥ 2 ein kν ∈ N, so dass |qν (z) − pνkν (z)| ≤ 2−ν f¨ |z| ≤ 12 |dν |. Wegen lim dν = ∞ liegt jedes Kompaktum K von C in fast allen Scheiben B 12 |dν |(0) . Daher folgt   |qν − pνkν |K ≤ 2−ν < ∞ f¨ ur geeignetes n = n(K). ν≥n

ν≥n

Dies beweist die normale Konvergenz der Reihe C\{d1 , d2 , . . . }. Da stets pνkν ∈ O(C), so handelt es sich um eine Mittag-Leffler-Reihe in C zu  (dν , qν )ν≥1 .

Die in 3.8 angeschriebene Reihe

1 z

+

∞  ν=2

1 z−dν

+

1 dν

+

z d2ν

+ ··· +

z ν−2 dν−1 ν

 ist

eine Mittag-Leffler-Reihe (mit qν (z) = (z − dν )−1 und pν,ν−2 (z)). 6.1.4 Folgerungen. quenzen.

Der Satz von Mittag-Leffler hat wichtige Konse-

Existenzsatz 6.5. Jede Hauptteil-Verteilung in C mit Tr¨ ager T ist die Hauptteil-Verteilung einer in C\T holomorphen Funktion. Partialbruchzerlegung meromorpher Funktionen 6.6. Jede in C meromorphe Funktion h ist darstellbar durch eine in C normal konvergente Reihe  ochstens hν mit rationalen Summanden hν , wobei jede Funktion hν in C h¨ einen Pol hat.

6.1 Satz von Mittag-Leffler f¨ ur C

131

Der Existenzsatz ist klar; der zweite Satz ergibt sich wie folgt: Nach Satz 6.4 gibt es zur Hauptteil-Verteilung HV (h) in C eine Mittag-Leffler-Reihe h in C, deren konvergenzerzeugende Summanden Polynome sind. Da alle Hauptteile von h endlich sind, so sind alle Summanden dieser Reihe rationale Funktionen, die genau einen Pol in C haben. Die Differenz h − h ist eine ganze Funktion und also eine in C normal konvergente Reihe von Polynomen (Taylor-Reihe).  Aus dem Mittag-Lefflerschen Satz l¨ asst sich der Weierstrasssche Produktsatz gewinnen. Wir skizzieren den Beweis f¨ ur den Fall, dass d ein positiver Divisor in C mit d(0) = 0 ist, der nur Nullstellen erster Ordnung orende Folge, so betrachten wir in vorschreibt. Ist d1 , d2 , . . . eine zu d geh¨ C die Hauptteil-Verteilung (dν , 1/(z − dν ))ν≥1 . Das k-te Taylor-Polynom ist k  −(dν )−1 (z/dν )κ ; Mittag-Leffler-Reihen zu dieser Verteilung sehen so κ=0 aus: κ kν

∞  z 1 1  hν (z) mit hν (z) := + . h(z) := z − dν dν κ=0 dν ν=1 Jedes f ∈ O(C) mit f  /f = h hat nun d als Divisor. Da

κ+1 % $

kν  z z 1  exp , ν ∈ N, ur fν (z) := 1 − fν /fν = hν f¨ dν κ + 1 dν κ=0  so gelangt man von selbst zum Weierstrassschen Ansatz f = Ekν (z/dν ). Es bleibt nat¨ urlich noch zu zeigen, dass dieses Produkt konvergiert. Das kann z.B. durch Integration der fν /fν geschehen, wegen Einzelheiten vergleiche [71, 176–177]. 6.1.5 Kanonische Mittag-Leffler-Reihen. Beispiele. Bei Anwendungen des Satzes 6.4 wird man – wie bei Weierstrass-Produkten – die Zahlen oglich w¨ ahlen. Lassen sich alle kν gleich w¨ahlen, so nennen kν so klein wie m¨ ∞  wir die Mittag-Leffler-Reihe q1 + (qν − pνk ) mit dem kleinsten k ≥ 0 2

die kanonische Reihe zur Hauptteilverteilung (dν , qν )ν≥1 in C. Wir geben vier Beispiele 1) Die Eisenstein-Reihe εm (z) :=

∞ 

(z + ν)−m , m ≥ 2

−∞

ist die kanonische Reihe zur Hauptteil-Verteilung (−ν, 1/(z+ν)m )ν∈Z , hier ben¨ otigt man keine konvergenzerzeugenden Summanden. Wir erinnern an die expliziten Formeln (I.11.2.3)

132

6 Funktionen zu vorgegebenen Hauptteilen ∞



  π2 1 cot πz 1 , π3 2 . = = 2 2 (z − ν) (z + ν)3 sin πz sin πz −∞ −∞ 2) Die Cotangensreihe ∞

1  π cot πz = ε1 (z) = + 2 −∞



1 1 − z+ν ν



ist die kanonische Reihe zur Hauptteil-Verteilung (−ν, 1/(z + ν))ν∈Z , hier gilt k = 0. 3) Die Reihe ∞

1  Γ  (z) = −γ − − Γ (z) z ν=1



1 1 − z+ν ν

, vgl. Satz 2.1

ist, wenn man vom Term −γ absieht, die kanonische Reihe zur HauptteilVerteilung (−ν, −1/(z + ν))ν≥0 . Wieder gilt k = 0. 4) Die Eisenstein-Weierstrass-Reihe 

1 1 1 − ℘(z) := 2 + z (z + ω)2 ω2 ω =0

ist die kanonische Reihe zur Hauptteil-Verteilung (−ω, 1/(z + ω)2 )ω∈Ω , wo ein Ω ein Gitter in C bezeichnet, vgl. Abschnitt 3.2.4. Auch hier gilt k = 0.  Diese Beispiele waren wohlbekannt, bevor Mittag-Leffler seinen Satz bewies. Der Satz zeigt, dass allen vier Beispielen dasselbe Konstruktionsprinzip zugrundeliegt. 6.1.6 Historisches zum Satz von Mittag-Leffler f¨ ur C. Im Anschluss an die 1876 von Weierstrass ver¨ offentlichten Untersuchungen [269, 77–124] hat Mittag-Leffler 1876/77 seinen Satz f¨ ur den Fall, dass alle Hauptteile endlich sind, in schwedischer Sprache in den Berichten der K¨oniglichen Akademie der Wissenschaften zu Stockholm ver¨offentlicht, vgl. [173, S. 20 u. 21]. Weierstrass vereinfachte 1880 in seiner Note [269, 189-199], den Beweis wesentlich durch Einf¨ uhrung der Taylorpolynome als konvergenzerzeugende Summanden; in dieser Arbeit stellt Weierstrass auch den von Mittag-Leffler 1877 bewiesenen Satz u ¨ber die Partialbruchzerlegung besonders heraus (vgl. S. 194/5). Es l¨ asst sich also jede eindeutige analytische Function f (x), f¨ ur die im ” Endlichen keine wesentliche singul¨ are Stelle existirt, als eine Summe von rationalen Functionen der Ver¨ anderlichen x dergestalt ausdr¨ ucken, dass jede dieser Functionen im Endlichen h¨ ochstens eine Unendlichkeits-Stelle hat.“

6.2 Satz von Mittag-Leffler f¨ ur beliebige Bereiche

133

Die Herleitung des Weierstrassschen Produktsatzes f¨ ur C aus dem Mittag-Lefflerschen Satz f¨ ur C mittels Integration logarithmischer Ableitungen teilte Hermite 1880 Mittag-Leffler brieflich mit, [115, insbes. 48–52]. Diese Beweisf¨ uhrung fand zu Anfang dieses Jahrhunderts Eingang in ¨ die Lehrb¨ ucher. Uber solches Vorgehen entr¨ ustet sich 1915 A. Pringsheim [219, S. 388]: Wenn nun aber einige Lehrb¨ ucher sich so weit von der Weier” strassschen Methode entfernen, dass sie den fraglichen Satz als Folgerung (!) aus dem Mittag-Leffler-Satze durch logarithmische Integration herleiten (und zwar dieses Verfahren nicht etwa nur in Form einer gelegentlichen, ja sehr nahe liegenden Bemerkung, sondern als einzigen und maßgebenden Beweis mitteilen), so d¨ urfte diese Art, die Dinge auf den Kopf zu stellen, wohl von niemanden gebilligt werden, der in der Mathematik etwas anderes sieht, als eine regellose Anh¨ aufung mathematischer Resultate.“ Interessante Einzelheiten zur Ideengeschichte des Mittag-Lefflerschen Satzes findet man in Y. Domars Artikel [55].

6.2 Satz von Mittag-Leffler fu ¨ r beliebige Bereiche Mit D wird wie immer ein Bereich in C bezeichnet. Das Ziel ist, zu jeder Hauptteil-Verteilung in D Mittag-Leffler-Reihen in D zu konstruieren. Es werden nur Hauptteil-Verteilungen (dν , qν ) mit unendlichem Tr¨ager betrachtet. Im Abschnitt 6.2.1 werden zun¨ achst Mittag-Leffler-Reihen f¨ ur spezielle Hauptteil-Verteilungen angegeben. Im Satz 6.8 wird der allgemeine Fall behandelt. 6.2.1 Spezielle Hauptteil-Verteilungen. Wir zeigen vorab: Es sei q(z) ∈ O(C\{d}) ein Hauptteil in d ∈ C, und es sei c ∈ C\{d}. Dann hat q im Kreisring {z ∈ C : |z − c| > |d − c|} um c eine Lau∞  aμ (z − c)μ . rententwicklung der Form μ=−1

Beweis. Die Koeffizienten aμ der Laurent-Reihe von q im angegebenen Kreisring gen¨ ugen f¨ ur alle ρ > |d − c| den Cauchyschen Ungleichungen ρμ |aμ | ≤ M (ρ) := max{|q(z)| : z ∈ ∂Bρ (c)}, μ ∈ Z. Da lim M (ρ) = 0 wegen lim q(z) = 0 (vgl. Abschnitt 6.1.1), so folgt aμ = 0 ρ→∞

f¨ ur alle μ ≥ 0. Wir nennen gk (z) :=

z→∞ −k 

 aμ (z − c)μ ∈ O(C\{c}) den k-ten Laurent-

μ=−1

Term von q um c. Wir werden sehen, dass in speziellen Situationen solche Laurent-Terme als konvergenzerzeugende Summanden f¨ ur MittagLeffler-Reihen dienen k¨ onnen.

134

6 Funktionen zu vorgegebenen Hauptteilen

Es sei (dν , qν )ν≥1 eine Hauptteil-Verteilung in D mit Tr¨ager T . Wie in Abschnitt 4.1.2 bezeichne T  := T \T die in C abgeschlossene Menge aller urlicher Weise H¨ aufungspunkte von T in C. Dann l¨ asst sich (dν , qν )ν≥1 in nat¨ als Hauptteil-Verteilung im Bereich C\T  ⊃ D auffassen. Satz 6.7. Es gebe eine Folge (cν )ν≥1 in T  mit lim |dν − cν | = 0. Es bezeichne gνk den k-ten Laurentterm von qν um cν . Dann existieren (viele) Folgen ∞  urlicher Zahlen, so dass (qν − gνkν ) eine Mittag-Leffler(kν )ν≥1 nat¨ Reihe zu (qν , dν )ν≥1 in C\T  ist.

ν=1

Beweis. Da die Folge (gνk )k≥0 in {z ∈ C : |z − cν | ≥ 2|dν − cν |} gleichm¨aßig gegen qν konvergiert, so gibt es zu jedem ν ≥ 1 ein kν ∈ N, so dass ur alle z ∈ C mit |z − cν | ≥ 2|dν − cν |. |qν (z) − gνkν (z)| ≤ 2−ν f¨ Sei nun K ein Kompaktum in C\T . Wegen d(K, T ) > 0 und lim |dν − cν | = 0 gibt es ein n(K), so dass f¨ ur alle ν ≥ n(K) gilt:   |qν − gνkν |K ≤ 2−ν < ∞. K ⊂ {z ∈ C : |z − cν | ≥ 2|dν − cν |}, also ν≥n(K)

Dies beweist die normale Konvergenz der Reihe in C\T . Da gνkν in C\{cν } ⊃  (qν − gνkν ) eine Mittag-Leffler-Reihe zu C\T  holomorph ist, so ist  (dν , qν )ν≥1 in C\T  . Allgemeiner Satz von Mittag-Leffler 6.8. Es sei D irgendein Bereich in C. Dann existieren zu jeder Hauptteil-Verteilung ϕ in D mit Tr¨ ager T Mittag-Leffler-Reihen in C\T  . Beweis. (Analog wie der Beweis des allgemeinen Produktsatzes 4.4.) Wir fassen ϕ als Hauptteilverteilung in C\T  auf und nehmen T  = ∅ an. Die Mengen T1 und T2 seien wie im Hilfssatz 4.8 (mit A := T ) definiert. Da T1 = ∅, T2 = T und da T1 bzw. T2 lokal endlich in C bzw. C\T  ist, so wird durch ur z ∈ Tj , ϕj (z) := 0 sonst j = 1, 2 ϕj (z) := ϕ(z) f¨ eine Hauptteil-Verteilung ϕ1 bzw. ϕ2 in C bzw. C\T  mit Tr¨ager T1 bzw. T2 gegeben. Da T1 ∩ T2 = ∅, so gilt ϕ = ϕ1 + ϕ2 in C\T  . Nach Satz 6.4 gibt es eine Mittag-Leffler-Reihe (q1ν − g1ν ) zu ϕ1 in C. Da alle Mengen sind, gibt es nach Satz 4.5 T2 (ε) = {z ∈ T2 : d(T2 , z) ≥ ε}, ε > 0, endlich   und Satz 6.7 eine Mittag-Leffler-Reihe (q2ν − g2ν ) zu ϕ2 in C\T . Aus der in C\T normal konvergenten Summe (q1ν − g1ν ) + (q2ν − g2ν ) l¨asst sich nun durch Umordnung der Reihenglieder (auf mannigfache Weise) eine  Mittag-Leffler-Reihe zu ϕ in C\T  bilden.

6.2 Satz von Mittag-Leffler f¨ ur beliebige Bereiche

135

Bemerkung. Auch der zweite Beweis aus Abschnitt 4.1.4 l¨ asst sich als Vorbild f¨ ur einen Beweis nehmen. Man arbeitet wieder mit der Abbildung v(z) = (z − a)−1 und zeigt zun¨ achst: Ist q ein Hauptteil in d = a, so ist qb := q ◦v −1 −q(a) ein Hauptteil in v(d). (6.1) b qb)ν≥1 mit dbν := v(dν ), qbν := qν ◦ v −1 − qν (a) die verm¨ Daher ist (d, oge v nach  C\v(T ) gebrachte Hauptteil-Verteilung. Wegen Satz 4.6 und Satz 6.7 gibt es in orige Mittag-Leffler-Reihe C\v(T  ) eine zugeh¨ X (b qν − gbν ), wobei gbν ∈ O(C\v(T  )) mit lim gbν (w) = 0. w→∞



Man zeigt nun, dass gν := gbν ◦ v + qν (a) P in C\T holomorph ist. Wegen (6.1) gilt qν − gν = (qbν − gbν ) ◦ v; damit folgt, dass (qν − gν ) eine gesuchte Mittag-Leffleruhre die Einzelheiten aus. Reihe in C\T  ist. Der Leser f¨ Einen dritten Beweis mittels Runge-Theorie geben wir in Abschnitt 13.1.1.

6.2.2 Folgerungen.

Wir notieren als erstes

Existenzsatz 6.9. Jede Hauptteil-Verteilung in einem beliebigen Bereich D ⊂ C mit Tr¨ ager T ist die Hauptteil-Verteilung einer in D\T holomorphen Funktion. Jede Verteilung von endlichen Hauptteilen in D ist die HauptteilVerteilung einer in D meromorphen Funktion. Satz u ¨ ber Partialbruchzerlegung meromorpher Funktionen 6.10. Jede in D ⊂ C meromorphe Funktion ist darstellbar durch  eine Partialbruchreihe, d.h. durch eine in D normal konvergente Reihe hν von in D meromorphen Funktionen hν , wobei jede Funktion hν in D h¨ochstens einen Pol hat. Durch Kombination des allgemeinen Produktsatzes 4.5 mit dem allgemeinen Mittag-Lefflerschen Satz erhalten wir den folgenden Anschmiegungssatz von Mittag-Leffler 6.11. Es sei T lokal endlich in D. Zu jedem Punkt d ∈ T sei eine in C\T konvergente Reihe vd (z) = nd  adν (z − d)ν vorgegeben, wobei nd ∈ N. Dann existiert eine in D\T ho−∞

lomorphe Funktion h, deren Laurent-Entwicklung um d die Funktion vd als ur alle d ∈ T . Abschnitt“ hat, d.h. es gilt od (h − vd ) > nd f¨ ” ur alle d ∈ T . Wir Beweis. Es sei f ∈ O(D) so gew¨ ahlt, dass nd < od (f ) < ∞ f¨ betrachten in D die Hauptteil-Verteilung (d, qd )d∈T mit Tr¨ager T , wo qd der Hauptteil von vd /f in d ist. Es sei g ∈ O(D\T ) eine L¨osung dieser Verteilung. Dann ist h := f · g eine gesuchte Funktion.

136

6 Funktionen zu vorgegebenen Hauptteilen

Zun¨ achst ist klar, dass h in D\T holomorph ist. Um d ∈ T sind pd := g − qd und rd := (vd /f ) − qd holomorph. Da offensichtlich um d ∈ T die Gleichung h = f · (pd + qd ) = f · (vd /f + pd − rd ) = vd + f · (pd − rd ) ur alle d ∈ besteht, und da pd −rd holomorph um d ist, folgt od (h−vd ) > nd f¨ T.  Ein Spezialfall des Anschmiegungssatzes ist der Interpolationssatz f¨ ur holomorphe Funktionen 6.12.  Es sei T lokal n endlich in D; jedem Punkt d ∈ T sei ein Polynom pd (z) = 0 d adν (z − d)ν zugeordnet. Dann gibt es eine in D holomorphe Funktion f , deren TaylorEntwicklung um d mit dem Polynom pd beginnt, d ∈ T . Dieser Satz besagt f¨ ur D = C insbesondere, dass es stets ganze Funktionen gibt, die auf einer Folge d1 , d2 , . . . ohne H¨ aufungspunkte in C willk¨ urlich vorgegebene Werte w1 , w2 , . . . haben. Diese Aussage verallgemeinert den Lagrangeschen Interpolationssatz, der bekanntlich aussagt, dass es zu n verschiedenen Punkten d1 , . . . , dn und n beliebigen Zahlen w1 , . . . , wn (stets genau) ein Polynom p(z) vom Grad ≤ n − 1 mit p(dν ) = wν gibt, 1 ≤ v ≤ n; n¨ amlich (Lagrangesche Interpolationsformel) p(z) =

n 





(z − dν )/(dν − dμ ).

μ =ν

ν=1

Aufgabe. Sei (aν )ν≥0 eine Folge paarweise verschiedener komplexer Zahlen mit a0 = 0 und lim aν = ∞. Es sei f ∈ O(C) nullstellenfrei in C\{a0 , a1 , . . . }, und es ur alle ν. Dann gibt es zu jeder Folge (bν )ν≥0 , bν ∈ C, eine Folge gelte oaν (f ) = 1 f¨ (nν )ν≥0 mit nν ∈ N, so dass die Reihe bν f (z) b0 f (z) X + zf  (0) ν=1 f  (aν )(z − aν ) ∞



z aν

«nν

in C normal gegen eine Funktion F ∈ O(C) konvergiert. Es gilt F (aν ) = bν f¨ ur ν ≥ 0.

6.2.3 Historisches zum allgemeinen Satz von Mittag-Leffler. Satz 6.8 wurde 1884 von Mittag-Leffler angegeben [173, S. 8]. Seit 1876 hatte er sich auf Anregung von Weierstrass mit diesen Fragen besch¨aftigt und mehrere Arbeiten dazu in schwedischer bzw. franz¨ osischer Sprache publiziert. Y. Domar [55, S. 10] schreibt: The extensive paper [173] is the final summing” up of Mittag-Lefflers theory. . . The paper is rather circumstantial, with

6.2 Satz von Mittag-Leffler f¨ ur beliebige Bereiche

137

much repetition in the argumentation, and when reading it one is annoyed that Mittag-Leffler is so parsimonious with credits to other researchers in the field, Schering, Schwarz, Picard, Guichard, yes, even Weierstrass. But as a whole, the exposition is impressive, showing Mittag-Lefflers mastering of the subject.“ In [173] wird auch der Anschmiegungssatz f¨ ur den Fall endlicher Hauptteile behandelt, vgl. S. 43 und 53/54; unser eleganter Beweis findet sich 1930 bei H. Cartan, [44, 114–131]. Die Arbeit [173], in der bereits Begriffsbildungen von G. Cantor vorkommen, hat das hohe Ansehen Mittag-Lefflers in der mathematischen Welt mitbegr¨ undet (vgl. seine Kurzbiographie S. 353). Die Resultate u ¨bten sofort einen großen Einfluss aus, so schrieb D. Runge seine richtungsweisende Arbeit zur Approximationstheorie unter dem Eindruck dieser Mittag-Lefflerschen Arbeit (vgl. Abschnitt 13.1.4 und Runges Kurzbiographie S. 355). H. Behnke und K. Stein haben 1948 mit Methoden aus der Funktionentheorie mehrerer Ver¨ anderlichen gezeigt, dass Satz 6.8 und damit die Folgerungen in 6.8 w¨ ortlich richtig bleiben, wenn man anstelle von Bereichen in C beliebige nichtkompakte Riemannsche Fl¨ achen zulasst, vgl. [10, Satz 1, S. 156]; der Anschmiegungssatz findet sich am Schluss dieser Arbeit als Hilfssatz C. 6.2.4 Ausblicke auf mehrere Ver¨ anderliche. In seiner bereits in 4.2.4 erw¨ ahnten Arbeit [49] hat Cousin den Mittag-Lefflerschen Satz auf Zylindergebiete im Cn u ¨bertragen. Wie beim Produktsatz entstehen bereits wieder Schwierigkeiten bei der Formulierung des Problems: der Begriff der Hauptteil-Verteilung muss anders gefasst werden, da die Polstellen meromorpher Funktionen nicht mehr isoliert liegen, sondern – wie die Nullstellen – reell (2n − 2)-dimensionale Fl¨ achen bilden; u onnen Pol-und Nullstellenfl¨ achen sich noch schneiden, wie z.B. bei ¨berdies k¨ der Funktion w/z. Es stellte sich nun u ¨berraschend heraus, dass die Situation trotz die¨ ser Komplikationen angenehmer ist als bei der Ubertragung des Weierstrassschen Produktsatzes, vgl. 4.2.4. Es treten keine topologischen Hindernisse auf ! Zun¨ achst bemerkte H. Cartan 1934, dass ein Gebiet im C2 , f¨ ur das der Satz von Mittag-Leffler gilt, notwendig ein Holomorphiegebiet ist, [44, S. 472]; ein Beweis hierf¨ ur wurde 1937 von H. Behnke und K. Stein mitgeteilt, [9, S. 183/4]. Im gleichen Jahr konnte K. Oka beweisen, dass der Mittag-Lefflersche Satz f¨ ur alle Holomorphiegebiete im Cn gilt, [189]. Schließlich zeigten 1953 H. Cartan und J.-P. Serre – wiederum mit garbentheoretischen und cohomologischen Methoden – dass es in jedem Steinschen Raum zu vorgegebenen Hauptteil-Verteilungen immer meromorphe Funktionen gibt, [45, S. 679]. Pr¨ azisierungen dieser Aussagen findet der Leser in [95, insb. S. 140–142]; weitere historische Einzelheiten stehen in der Monographie [11].

138

6 Funktionen zu vorgegebenen Hauptteilen

6.3 Idealtheorie in Ringen holomorpher Funktionen Der Weierstraßsche Produktsatz lehrt uns, dass in den Bereichen der z-Ebene alle [endlich erzeugten] Ideale Hauptideale sind. (H. Behnke, 1940).

Bekanntlich heißt eine Teilmenge a = ∅ eines kommutativen Ringes R mit Einselement 1 ein Ideal in R, wenn f¨ ur alle a, b ∈ a und alle r, s ∈ R gilt ra + sb ∈ a. Ist M = ∅ irgendeine Teilmenge von R, so ist die Menge aller  endlichen Linearkombinationen rν fν , rν ∈ R, fν ∈ M , ein Ideal in R mit M als Erzeugendensystem. Ideale a, die ein endliches Erzeugendensystem {f1 , . . . , fn } besitzen, heißen endlich erzeugbar, man schreibt dann suggestiv a = Rf1 +· · ·+Rfn . Ideale der Form Rf heißen Hauptideale. Ein Ring R heißt noethersch bzw. ein Hauptidealring, wenn jedes Ideal in R endlich erzeugbar bzw. ein Hauptideal ist. Ein Ziel dieses Paragraphen ist es u.a. zu zeigen, dass im Ring O(G) aller in einem Gebiet G ⊂ C holomorphen Funktionen jedes endlich erzeugbare Ideal ein Hauptideal ist 6.3.3. Hilfsmittel sind ein Lemma von Wedderburn 6.3.2 und der Satz 4.14 u ¨ber die Existenz des ggT; damit bilden Mittag-LefflerReihen und Weierstrass-Produkte die Grundlage f¨ ur die Idealtheorie in O(G). 6.3.1 Nicht endliche erzeugbare Ideale in O(G). liche, lokal endliche Menge in G. Die Menge

Es sei A eine unend-

a := {f ∈ O(G) : f verschwindet fast u ¨berall auf A}, ist ein Ideal in O(G). Sind f1 , . . . , fn beliebige Funktionen aus a, so besteht ihre gemeinsame Nullstellenmenge wieder aus fast allen Punkten von A. Da es nach dem Existenzsatz 4.9 zu jedem Punkt a ∈ A ein f ∈ a mit f (a) = 0 gibt, so ist das Ideal a nicht endlich erzeugbar. Damit ist gezeigt: Kein Ring O(G) ist noethersch, insbesondere ist O(G) niemals ein Hauptidealring. Aufgabe.

Es sei G := C und es bezeichne a das von den Funktionen sin πz ·

n Y

(z − ν)−1 ∈ O(C), n ∈ N,

ν=−n

erzeugte Ideal in O(C). Ist a endlich erzeugbar?

Die Idealtheorie der Ringe O(G) ist auf Grund des eben Bewiesenen notwendig komplizierter als die Idealtheorie von Z bzw. Z[i] bzw. von Polynomrin-

6.3 Idealtheorie in Ringen holomorpher Funktionen

139

gen C[X1 , . . . , Xn ] in endlich vielen Unbestimmten. Nichtsdestoweniger werden wir sehen, dass O(G) eine interessante idealtheoretische Struktur hat. Ausgangspunkt ist ein Lemma von Wedderburn. 6.3.2 Lemma von Wedderburn (Darstellung der Eins). Lemma 6.13 (Lemma von Wedderburn). Es seien u, v zwei in G teilerfremde holomorphe Funktionen. Dann besteht eine Gleichung au + bv = 1 mit Funktionen a, b ∈ O(G). Beweis. Wir d¨ urfen uv = 0 annehmen. Da N (u) ∩ N (v) = ∅ wegen 1 = ggT {u, v}, so ist die Polstellenmenge von 1/uv die disjunkte Vereinigung der Polstellenmengen von 1/u und 1/v. Durch Umordnung einer (normal konvergenten ) Partialbruchreihe f¨ ur 1/uv (man ben¨otigt hier Satz 6.6) l¨asst sich also erreichen: 1/uv = a1 + b1 , a1 , b1 ∈ M(G), wobei a1 bzw. b1 nur in den Punkten c von N (v) bzw. N (u) Pole der Ordnung −oc (v) bzw. −oc (u) hat. Dann sind a := va1 und b := ub1 holomorph in G, und es folgt au + bv = 1. Historische Notiz. Das eben bewiesene Lemma hat J.H.M. Wedderburn im Jahre 1915 publiziert; wir haben hier seinen in der Literatur kaum bekannten eleganten Beweis wiedergegeben, [267, S. 329]. Der Trick, die Polstellenmenge einer meromorphen Funktion h in zwei disjunkte Mengen P1 , P2 zu zerlegen und dann eine Mittag-Lefflersche Reihe zu h als Summe h1 + h2 zweier solcher Reihen mit P (h1 ) = P1 und P (h2 ) = P2 zu schreiben, wurde in anderem Zusammenhang bereits 1897 von A. Hurwitz benutzt. [125, S. 457]. Das Lemma von Wedderburn kommt 1940 implizit bei O. Helmer wieder vor f¨ ur G = C, [112, S. 351/2]; er betrachtet ganze Funktionen mit Koeffizienten in einem fest vorgegebenen Unterk¨orper von C. Helmer kennt die Wedderburnsche Arbeit nicht.  Wir geben einen zweiten Beweis des Wedderburnschen Lemmas mit Hilfe des Mittag-Lefflerschen Anschmiegungssatzes, der sogar ein Versch¨ arfung liefert: Sind u, v ∈ O(G) teilerfremd, so gibt es Funktionen a, b ∈ O(G), so dass gilt: au + bv = 1, a ist nullstellenfrei in G. Beweis. Falls v ≡ 0, so setze man a := 1/u, b := 0. Sei v ≡ 0. Es gen¨ ugt zu zeigen, dass es Funktionen λ, h ∈ O(G) mit u − λv = eh gibt, denn dann leisten a := e−h , b := −λe−h das Verlangte. Da N (u) ∩ N (v) = ∅, so gibt es zu jedem c ∈ N (v) eine Kreisscheibe Uc ⊂ G um c und ein fc ∈ O(Uc ), so dass u|Uc = efc . Da N (v) lokal endlich in G ist, gibt es nach dem Anschmiegungssatz 6.11 ein h ∈ O(G), so dass oc (h − fc ) > oc (v), c ∈ N (v). Es folgt nun (man beachte, dass oc (eq − 1) = oc (q) immer dann, wenn q in c verschwindet): oc (u − eh ) = oc (efc − eh ) = oc (efc −h − 1) = oc (fc − h), c ∈ N (v). Mithin gilt λ := (u − eh )/v ∈ O(G).



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6 Funktionen zu vorgegebenen Hauptteilen

Der vorstehende Beweis wurde 1978 von L.A. Rubel skizziert, der allerdings das Wedderburnsche Lemma verwendet. [234] Es ist i.a. nicht m¨ oglich, beide Funktionen a und b als nullstellenfrei zu w¨ ahlen, z.B. nicht im Fall G = C mit u = 1, v = z, vgl. hierzu [234, S. 505].

Man zeige, dass zu jedem g ∈ M(G) ein f ∈ O(G) existiert, so dass f (z) = g(z) f¨ ur alle z ∈ G. Hinweis. Man gehe von einer Darstellung g = f1 /f2 mit teilerfremden f1 , f2 ∈ O(G) aus.

Aufgabe.

6.3.3 Lineare Darstellung des ggT. Hauptidealsatz.In Abschnitt 4.2.1 haben wir gesehen, dass jede nicht leere Menge in O(G) einen ggT hat. Das Lemma von Wedderburn erm¨ oglicht es in wichtigen F¨allen, den ggT additiv darzustellen. Satz 6.14. Ist f ∈ O(G) ein ggT der endlich vielen Funktionen f1 , . . . , fn ∈ O(G), so gibt es Funktionen a1 , . . . , an ∈ O(G), so dass gilt f = a1 f1 + a2 f2 + · · · + an fn . Beweis. (Induktion nach n). Sei f = 0. Der Fall n = 1 ist klar. Sei n > 1 und f := ggT {f2 , . . . , fn }. Nach Induktionsannahme gilt f = a2 f2 + · · · + an fn mit a2 , . . . , an ∈ O(G). Da f = ggT {f1 f } nach Abschnitt 4.2.1 so sind u := f1 /f, v := f /f ∈ O(G) teilerfremd. Nach Wedderburn besteht also eine Gleichung 1 = au + bv mit a, b ∈ O(G). Es folgt f = a1 f1 + · · · + an fn mit a1 := a, aν := b aν f¨ ur ν ≥ 2.  Eine wichtige Folgerung aus dem Satz und der Existenz des ggT ist der Hauptidealsatz. Hauptidealsatz 6.15. Jedes endlich erzeugte Ideal a in O(G) ist ein Hauptideal: Wird a von f1 , . . . , fn erzeugt, so gilt a = O(G)f , wobei f = ggT {f1 , . . . , fn }. Beweis. Nach dem Satz gilt O(G)f ⊂ a. Da f alle Funktionen {f1 , . . . , fn }  teilt, so gilt {f1 , . . . , fn } ∈ O(G)f also a ⊂ O(G)f . Der Satz und der Hauptidealsatz nebst Beweisen gelten f¨ ur jeden Integrit¨ atsring R mit ggT, wenn f¨ ur R die Aussage des Wedderburnschen Lemmas richtig ist. – Man nennt gelegentlich Integrit¨ atsringe, in denen jeweils endlich viele Elemente {f1 , . . . , fn } stets einen ggT haben, Pseudob´ezoutringe, man spricht von B´ezoutringen, wenn dieser ggT u ¨berdies eine Linearkombination der {f1 , . . . , fn } ist, vgl. [29, 85–86] Exercises 20, 21. O(G) ist also ein B´ezoutring.

6.3 Idealtheorie in Ringen holomorpher Funktionen

141

Es bezeichne A die Menge {sin(2−n z) : n ∈ N} in O(C). Ist das von A erzeugte Ideal in O(C) ein Hauptideal?

Aufgabe.

6.3.4 Nullstellenfreie Ideale. Ein Punkt c ∈ G heißt Nullstelle eines Ideals a in O(G), wenn f (c) = 0 f¨ ur alle f ∈ a, d.h. wenn a ⊂ O(G) · (z − c). Wir nennen a nullstellenfrei, wenn a keine Nullstelle in G hat. Ein Ideal a in O(G) heißt abgeschlossen, wenn die Grenzfunktion jeder in G kompakt ort. konvergenten Folge fn ∈ a wieder zu a geh¨ Satz 6.16. F¨ ur jedes abgeschlossene, nullstellenfreie Ideal a in O(G) gilt a = O(G). Zum Beweis ben¨ otigen wir eine K¨ urzungsregel. K¨ urzungsregel 6.17. Es sei a ein Ideal in O(G), das im Punkt c ∈ G keine Nullstelle hat. Es seien f, g ∈ O(G), wobei f in G h¨ ochstens in c verschwindet, es gelte f g ∈ a. Dann gilt bereits g ∈ a. Beweis. Man w¨ ahle ein h ∈ a mit h(c) = 0. Sei n := oc (f ). Falls n ≥ 1, so gilt   1 h(z) − h(c) fg f ·g =− · fg − h ∈ a. z−c h(c) z−c z−c n-fache Anwendung gibt [f /(z − c)n ] · g ∈ a. Da f /(z − c)n invertierbar in O(G) ist, folgt g ∈ a.  Der Beweis des Satzes geht nun wie folgt: Sei f ∈ a, f = 0. Sei fν eine Faktorisierung von f , wobei fν ∈ O(G) genau eine Nullstelle cν in G hat.  Dann konvergiert die Folge f ν := fν ∈ O(G) in G kompakt gegen 1 (vgl. ν≥n

Abschnitt 1.2.2). Es gilt f n = fn f n+1 . Da f 0 = f ∈ a, und da fn in G\{cn } nullstellenfrei ist, so folgt (induktiv)nach der K¨ urzungsregel f ν ∈ a f¨ ur alle n ≥ 0. Da a abgeschlossen ist, folgt 1 ∈ a, also a = O(G).  Die Voraussetzung des Abgeschlossenheit von a ist wesentlich f¨ ur die G¨ ultigkeit des Satzes: die im Abschnitt 6.3.1 angegebenen Ideale sind nullstellenfrei, aber nicht endlich erzeugbar und also auch nicht abgeschlossen. Es sei a = O(G) ein nullstellenfreies Ideal in O(G). Man zeige, dass jede Funktion f ∈ a unendliche viele Nullstellen in G hat.

Aufgabe.

142

6 Funktionen zu vorgegebenen Hauptteilen

6.3.5 Hauptsatz der Idealtheorie f¨ ur O(G). Satz 6.18. Folgende Aussagen u aquivalent: ¨ber ein Ideal a ⊂ O(G) sind ¨ i) a ist endlich erzeugt. ii) a ist ein Hauptideal. iii) a ist abgeschlossen. Beweis. i) ⇒ ii) Hauptidealsatz; ii): ⇒ i): trivial. ii) ⇒ iii): Sei a = O(G)f = 0, sei gn = an f ∈ a eine Folge, die kompakt gegen g ∈ O(G) konvergiert. Dann konvergiert an = gn /f in G\N (f ) kompakt, und also nach dem versch¨ arften Weierstrassschen Konvergenzsatz sogar in G kompakt gegen eine Funktion a ∈ O(G), (vgl. I.8.5.4). Es folgt g = af ∈ a. iii) ⇒ ii): Nach Satz 4.2.1 hat a in O(G) einen gr¨oßten gemeinsamen Teiler f . Dann ist a := f −1 a ein nullstellenfreies Ideal in O(G). Mit a ist auch a abgeschlossen, nach 6.16 gilt daher: a = O(G). Es folgt a = O(G)f .  Korollar 6.19. Folgende Aussagen u aquivalent: ¨ber ein Ideal m ⊂ O(G) sind ¨ i) m ist abgeschlossen und ein maximales Ideal in O(G).1 ii) Es gibt einen Punkt c ∈ G, so dass m = {f ∈ O(G) : f (c) = 0}. iii) Es gibt einen Charakter O(G) → C, dessen Kern m ist. Beweis. Der Leser f¨ uhre den Beweis aus und mache sich u ¨berdies klar, dass es u ahlbar viele maximale Ideale in O(G) gibt, die nicht abgeschlossen ¨berabz¨ sind.  Man wird meinen, dass im Fall nicht abgeschlossener maximaler Ideale m in O(G) die Restklassenk¨ orper O(G)/m kompliziert sind. Indessen hat M. Hendriksen 1951 (f¨ ur G = C) mit transfiniten Methoden gezeigt, dass O(G)/m als K¨ orper stets zu C isomorph ist, [114, S. 183]; diese Isomorphismen sind extrem pathologisch. Alle in diesem Paragraphen gewonnenen Ergebnisse bleiben richtig, wenn man anstelle von Gebieten in C beliebige nicht kompakte Riemannsche Fl¨ achen zul¨ asst. Da n¨ amlich die S¨ atze von Weierstrass und Mittag-Leffler in dieser Situation zur Verf¨ ugung stehen (vgl. Abschnitte 4.2.4 und 6.2.3) so hat man das Wedderburnsche Lemma und die Existenz eines ggT f¨ ur beliebige nichtkompakte Riemannsche Fl¨ achen zur Verf¨ ugung, so dass man analog wie f¨ ur Gebiete schließen kann. 1

Ein Ideal m = R eines Ringes heißt maximal, wenn R das einzige m echt umfassende Ideal von R ist. Mit Hilfe des Zornschen Lemmas zeigt man, dass jedes Ideal a = R in einem maximalen Ideal enthalten ist.

6.3 Idealtheorie in Ringen holomorpher Funktionen

143

6.3.6 Historisches zur Idealtheorie holomorpher Funktionen. Die Idealtheorie der Ringe O(G) ist erst relativ sp¨at im 20. Jahrhundert entstanden. Die Mathematiker des 19. und des fr¨ uhen 20. Jahrhunderts haben sich daf¨ ur nicht interessiert. R. Dedekind beherrschte zwar bereits 1871 souver¨an die Idealtheorie der Ringe ganz-algebraischer Zahlen, (vgl. sein ber¨ uhmtes Supplement zur 2. Auflage von Dirichlets Vorlesungen u ¨ber Zahlentheorie“, ” siehe auch Dedekinds Gesammelte Mathematische Werke, Bd. 3, S. 396– 407). Doch selbst ein großer Algebraiker wie Wedderburn, der gewiss die Dedekindsche Theorie kannte, und der mit seinem Lemma bereits 1912 den Schl¨ ussel zur Idealtheorie in beliebigen Gebieten G ⊂ C besaß, sagte nichts zur Idealtheorie: sein Ziel war – wie auch der Titel seiner Arbeit [267] andeutet – Normalformen f¨ ur holomorphe Matrizen zu gewinnen (vgl. hierzu auch [181, S. 139 ff]). Es musste erst Emmy Noether kommen – der man u ¨brigens den Satz zuschreibt: Es steht alles schon bei Dedekind“–, bevor auch die ” Idealtheorie von nicht Dedekindschen Ringen Beachtung fand. Die Idealtheorie des Ringes O(C) wurde erstmals 1940 von O. Helmer behandelt. Helmer l¨ asst Unterk¨ orper von C zu. Er beweist zun¨achst die Bemerkung von Hurwitz Abschnitt 3.2.5) ohne sich auf Hurwitz zu berufen, [112, S. 346]. Helmers Hauptresultat ist, dass endlich erzeugte Ideale Hauptideale sind, [112, S. 351]; dazu beweist er – im Vergleich zu Wedderburn recht kompliziert – das Wedderburnsche Lemma. Bei den Funktionentheoretikern mehrerer Variablen war der Hauptidealsatz 6.15 um 1940 bereits Folklore, das Motto dieses Paragraphen steht im Behnkeschen Referat (Fortschr. Math. 66, S. 385 (1940)) zur Cartanschen Arbeit [45, 539–564], vgl. auch Abschnitt 7. Im Jahre 1946 erschien eine Arbeit von O.F.G. Schilling, in der man als Lemma 1 unseren Satz 6.3.4 im Falle G = C findet, [246, S. 949]. Dann erschienen in rascher Folge weitere Arbeiten, in denen beliebige Gebiete in C und schließlich beliebige nichtkompakte Riemannsche Fl¨achen zugelassen wurden. Der Zugang war damals etwas anders: man bewies zun¨achst den Hauptidealsatz und leitete daraus alles weitere her. Wir haben von diesen zahlreichen Publikationen nur die Arbeit [2] von N.L. Alling aufgenommen, ¨ die einen guten Uberblick u ¨ber den status quo gibt. Alle diese Arbeiten sind stark algebraisch ausgerichtet und geben vorrangig an der Funktionentheorie interessierten Lesern wenig. 6.3.7 Ausblicke auf mehrere Ver¨ anderliche. Die Idealtheorie holomorpher Funktionen mehrerer Variablen ist – im Gegensatz zu einer Ver¨ anderlichen – lange ein Schwerpunkt der Forschung gewesen und hat die Theorie ganz wesentlich mitgepr¨ agt. Die lokale Theorie wurde schon 1931 entwickelt. Damals zeigte W. R¨ uckert, ein Sch¨ uler von W. Krull, in seiner erst 1933 publizierten und heute klassischen Arbeit [235], dass der Ring aller konvergenten Potenzreihen in n Ver¨ anderlichen, 1 ≤ n < ∞, noethersch ist, d.h., dass jedes Ideal endlich erzeugbar ist (f¨ ur n = 1 handelt es sich sogar um einen Hauptidealring, wie wir aus I.4.4.4 wissen). Das analytische Hilfsmittel ist der sog. Weierstrasssche Divisionssatz ; im u ¨brigen

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6 Funktionen zu vorgegebenen Hauptteilen

schließt R¨ uckert algebraisch, er sagt stolz (S. 260): [Es] wird gezeigt, dass eine ” sachgem¨ aße Behandlung nur formale Methoden, also keine funktionentheoretischen Hilfsmittel ben¨ otigt. Als solche Methoden erweisen sich die allgemeine Idealtheorie . . .“. Die R¨ uckertsche Arbeit wurde zun¨ achst nicht beachtet, da Funktionentheoretiker damals wenig Geschmack an Algebra fanden. Das wortgetreue Analogon des Wedderburnschen Lemmas findet sich 1931 f¨ ur den Fall G = C2 bei H. Cartan in [44, S. 279], in dieser Arbeit kommen aber noch keine Ideale vor. Die konsequente Entwicklung der globalen Idealtheorie beginnt erst 1940; in der Arbeit [45, 539–564], zum Heftungslemma holomorpher Matrizen schreibt Cartan vorsichtig (S. 540): Notre th´eor`eme semble susceptible de jouer un ” rˆ ole important dans l’´etude globale des id´ eaux de fonctions holomorphes“. Er hatte recht. Doch obgleich Cartan sofort zeigte, dass im Fall von Holomorphiegebieten G ⊂ C endlich viele Funktionen f1 , . . . , fp ∈ O(G) ohne gemeinsame Nullstellen in G stets das Ideal O(G) erzeugen, vgl. S. 560, war es noch ein weiter Weg zur allgemeinen Idealtheorie in Steinschen R¨ aumen. Zuerst musste die lokale R¨ uckertTheorie verfeinert werden. Weiter stand man, da die gemeinsamen Nullstellen von Systemen holomorpher Funktionen nicht notwendig isoliert liegen, zun¨ achst vor un¨ uberwindlich erscheinenden Schwierigkeiten bei globalen Problemen. Oka k¨ ampfte 1948 in seiner ber¨ uhmten, erst 1950 publizierten Arbeit mit dem bezeichnenden Titel On some arithmetical notions mit Idealen in unbestimmten Gebieten“, [188, ” S. 84,107]. Erst Cartan konnte ab 1950 durch systematische Benutzung des Begriffes der koh¨ arenten analytischen Garbe die Probleme verst¨ andlich formulieren und in einem Kalk¨ ul einordnen, vgl. z.B. [45, S. 626]. Die allgemeine Theorie der koh¨ arenten analytischen Garben in Steinschen R¨ aumen liefert dann trivial, dass in jedem Steinschen Raum X zu endlich vielen Funktionen f1 , . . . , fp ∈ O(X) ohne gemeinsame P Nullstellen in X immer Funktionen a1 , . . . , ap ∈ O(X) existieren, so dass 1 = aj fj , vgl. z.B. [45, S. 681]. - eine detaillierte Darstellung der Idealtheorie in Steinschen R¨ aumen mit ausf¨ uhrlichen Beweisen findet man in [95] und [96].

Teil II

Abbildungstheorie

7. Die S¨ atze von Montel und Vitali

In der Infinitesimalrechnung ist das Prinzip der Auswahl konvergenter Folgen aus beschr¨ ankten Mengen M des Rn unentbehrlich: Jede Folge von Punkten aus M hat eine in Rn konvergente Teilfolge (Weierstrass-Bolzano¨ Eigenschaft). Die Ubertragung dieses H¨ aufungsstellensatzes auf Funktionen¨ mengen ist f¨ ur viele Uberlegungen der Analysis fundamental. Allerdings ist Vorsicht geboten: Nicht jede Folge von im Intervall [0, 1] reell analytischen Funktionen, deren Werte alle in einem festen beschr¨ankten Intervall liegen, hat konvergente Teilfolgen, ein nichttriviales Beispiel ist die Folge sin 2nπx, vgl. Abschnitt 7.1.1. Es ist f¨ ur die Funktionentheorie von gr¨ oßter Bedeutung, dass hier mit dem Satz von Montel ein schlagkr¨ aftiges H¨ aufungsstellenprinzip zur Verf¨ ugung steht. Wir formulieren, beweisen und diskutieren diesen Satz in den Paragraphen 7.1 und 7.2. Im Paragraphen 7.3 behandeln wir den KonvergenzFortpflanzungssatz von Vitali. Die S¨ atze von Montel und Vitali sind aquivalent: jeder l¨ asst sich leicht aus dem anderen herleiten, vgl. Abschnitte ¨ 7.1.4 und 7.3.2. Der Paragraph 7.4 enth¨ alt ungew¨ohnliche Anwendungen des Vitalischen Satzes. In der Analysis nennt man Mengen von Funktionen gern Familien1 ; wir schließen uns dieser Praxis an.

7.1 Der Satz von Montel Une suite infinie de fonctions analytiques et born´ees ` a l’int´erieur d’un domaine simplement connexe, admet au moins une fonction limite ` a l’int´erieur de ce domaine (P. Montel 1907)

Ist f0 , f1 , f2 , . . . eine Folge von in einem Bereich D in C definierten Funktionen, die in einem Punkt a ∈ D beschr¨ ankt ist, so gibt es – da C die 1

Um die Jahrhundertwende hatte man noch einen sehr engen Mengenbegriff; man reservierte das Wort Menge vorwiegend f¨ ur Mengen in R bzw. Rn . Man meinte, Mengen von Funktionen seien komplizierter und ersann die Bezeichnung Familie, die bis heute lebendig geblieben ist.

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7 Die S¨ atze von Montel und Vitali

Weierstrass-Bolzano-Eigenschaft hat – eine Teilfolge, die in a konver¨ giert. Da Ubergang zu Teilfolgen vorhandene Konvergenz nicht zerst¨ort, so f¨ uhrt das Diagonalverfahren von Cantor zu folgender Einsicht: (*) Es sei fn : D → C, n ∈ N, eine Funktionenfolge, die in jedem Punkt aus D beschr¨ ankt ist. Dann gibt es zu jeder abz¨ ahlbaren Teilmenge A von D eine Teilfolge gn der Folge fn , die in A punktweise konvergiert. Beweis. Sei a0 , a1 , a2 , . . . eine Abz¨ ahlung von A. Zu jedem l ∈ N gibt es eine Teilfolge fl0 , fl1 , fl2 , . . . der Folge f0 , f1 , f2 , . . . so dass gilt: a) Die Folge (fln )n≥0 konvergiert in al . b) Die Folge (fln )n≥0 , l ≥ 1, ist eine Teilfolge der Folge (fl−1,n )n≥0 . Man schließt induktiv: liegen die Folgen (fkn )n≥0 , k < l, schon vor, so w¨ ahle man eine Teilfolge (fln )n≥0 der Folge (fl−1,n )n≥0 , die in al konvergiert. ullt. Dann sind a) und b) f¨ ur alle Folgen (fkn )n≥0 , k ≤ l, erf¨ Aus den Folgen fl0 , fl , fl2 , . . . bildet man nun die Diagonalfolge g0 , g1 , g2 , . . . mit gn := fnn , n ∈ N. Sie konvergiert in jedem Punkt am ∈ A, denn wegen b) ist sie vom Glied gm ab eine Teilfolge der Fol  ge fm0 , fm1 , fm2 , . . . die nach a) in am konvergiert. F¨ ur die G¨ ultigkeit von (*) ist die Abz¨ ahlbarkeit von A wesentlich. Man kann nicht erwarten, dass die gewonnene Teilfolge gn u ¨berall in D punktweise konvergiert. Unter zus¨ atzlichen Annahmen u ¨ber die Folge f0 , f1 , f2 , . . . ist dieses aber der Fall. Man kann sogar kompakte Konvergenz erreichen, wie nun gezeigt werden soll. 7.1.1 Der Satz von Montel f¨ ur Folgen. Eine Familie F ⊂ O(D) heißt beschr¨ ankt in einer Teilmenge A ⊂ D, wenn es eine reelle Zahl M > 0 gibt, so dass f¨ ur alle f ∈ F gilt: |f |A ≤ M . Das l¨asst sich auch so formulieren: sup sup |f (z)| < ∞. f ∈F z∈A

Die Familie F heisst lokal beschr¨ ankt in D, wenn jeder Punkt z ∈ D eine Umgebung U ⊂ D besitzt, so dass F in U beschr¨ankt ist; dies trifft genau dann zu, wenn die Familie F auf jedem Kompaktum in D beschr¨ankt ist. Insbesondere ist eine Familie F ⊂ O(B) in einer Kreisscheibe Br (c), r > 0, genau dann lokal beschr¨ ankt in B, wenn sie in jeder Kreisscheibe Bρ (c), ρ < r, beschr¨ ankt ist. Beschr¨ ankte Familien sind lokal beschr¨ ankt; die Umkehrung gilt nicht, wie etwa das Beispiel der Familie {nz n ∈ O(E), n ∈ N} zeigt. Eine Folge f0 , f1 , f2 , . . . von Funktionen fn ∈ O(D) heißt (lokal) beschr¨ankt in D, wenn die Familie {f0 , f1 , f2 , . . . } in D (lokal) beschr¨ankt ist. Satz von Montel f¨ ur Folgen 7.1. Jede in D lokal beschr¨ ankte Folge f0 , f1 , f2 , . . . von in D holomorphen Funktionen besitzt eine Teilfolge, die in D kompakt konvergiert.

7.1 Der Satz von Montel

149

Warnung. Die Aussage des Satzes ist falsch f¨ ur Folgen reell-analytischen Funktionen: die in R beschr¨ ankte Folge sin nx, n ∈ N hat nicht einmal punktweise konvergente Teilfolgen. Es gilt n¨ amlich: F¨ ur jede Folge n1 < n2 < . . . aus N ist die Menge aller Konvergenzpunkte {x ∈ R : lim sin nk x existiert} eine Lebesguesche Nullmenge. k→∞

`-Ascoli, denn die Diese Aussage vertr¨ agt sich mit dem Satz von Arzela Folge sin nx ist nicht lokal gleichgradig stetig, vgl. Abschnitt 7.2.2 Der Beweis des Montelschen Satzes wird im n¨achsten Abschnitt gef¨ uhrt, wir benutzen folgenden Hilfssatz 7.2. Es sei F ⊂ O(D) eine in D lokal beschr¨ ankte Familie. Dann gibt es zu jedem Punkt c ∈ D und zu jedem ε > 0 eine Kreisscheibe B ⊂ D um c, so dass gilt: |f (w) − f (z)| ≤ ε

f¨ ur alle

f ∈ F und alle w, z ∈ B.

1 := Br (c) Beweis. Wir w¨ ahlen r > 0 so klein, dass B2r (c) ⊂ D. Wir setzen B  und B := B2r (c). Aus der Cauchyschen Integralformel     1 w−z 1 f (ζ) 1 − dζ = dζ f (ζ) f (w)−f (z) = 2πi ζ −w ζ −z 2πi (ζ − w)(ζ − z) ∂B 

∂B 

1 folgt nach der Standardabsch¨ atzung, da |(ζ−w)(ζ−z)| ≥ r2 f¨ ur alle w, z ∈ B,  ζ ∈ ∂B . 2 1 und alle f ∈ F. |f (w) − f (z)| ≤ |w − z| |f |B  f¨ ur alle w, z ∈ B r Da F lokal beschr¨ ankt ist, so gilt M := (2/r) · sup{|f |B  : f ∈ F} < ∞; wir d¨ urfen M > 0 annehmen. Es gen¨ ugt nun, B := Bδ (c) mit δ := min{ε/(2M ), r} zu setzen.  Der Hilfssatz besagt, dass lokal beschr¨ ankte Familien lokal gleichgradig stetig sind, vgl. hierzu 7.2.2.

7.1.2 Beweis des Satzes von Montel. Wir w¨ahlen eine in D dichte abz¨ahlbare Menge A ⊂ D, etwa die Menge aller komplex-rationalen Zahlen aus D. Nach (*) der Einleitung gibt es eine Teilfolge gn der Folge fn , die in A punktweise konvergiert. Wir behaupten, dass die Folge gn in D kompakt konvergiert. Dazu ist nur zu zeigen, dass sie in D stetig konvergiert2 , d.h. 2

Eine Folge hn ∈ C (D) konvergiert in D stetig gegen h : D → C, wenn f¨ ur jede Folge zn ∈ D mit lim zn = z ∗ ∈ D gilt: lim hn (zn ) = h(z ∗ ). Stetige Konvergenz der aquivalent mit kompakter Konvergenz in D (der Leser beweise Folge hn in D ist ¨ dies bzw. konsultiere Abschnitt I.3.1.5*). Ist eine Folge hn ∈ C (D) so beschaffen, dass f¨ ur jede Folge zn ∈ D mit lim zn = z ∗ ∈ D die komplexe Zahlenfolge hn (zn ) eine Cauchy-Folge ist, so konvergiert ersichtlich die Folge hn in D stetig gegen die durch h(z) := lim hn (z), z ∈ D, definierte Grenzfunktion.

150

7 Die S¨ atze von Montel und Vitali

dass gilt: F¨ ur jede Folge zn ∈ D mit lim zn = z ∗ ∈ D existiert lim gn (zn ). Sei ε > 0 vorgegeben. Nach Hilfssatz 7.2 gibt es eine Kreisscheibe B ⊂ D um z ∗ , so dass f¨ ur alle n gilt: |gn (w) − gn (z)| ≤ ε, falls w, z ∈ B. Da A dicht in D liegt, gibt es einen Punkt a ∈ A ∩ B. Wegen lim zn = z ∗ gibt es ein n1 ∈ N, ur alle n ≥ n1 . Da stets so dass zn ∈ B f¨ |gm (zm ) − gn (zn )| ≤ |gm (zm ) − gm (a)| + |gm (a) − gn (a)| + |gn (zn ) − gn (a)|, so folgt |gm (zm ) − gn (zn )| ≤ 2ε + |gm (a) − gn (a)| f¨ ur alle m, n ≥ n1 . Da ur alle m, n ≥ lim gn (a) existiert, gibt es ein n2 , so dass |gm (a) − gn (a)| ≤ ε f¨ ur alle m, n ≥ max(n1 , n2 ), n2 . Damit ist gezeigt: |gm (zm ) − gn (zn )| ≤ 3ε f¨  d.h. die Folge gn (zn ) ist eine Cauchy-Folge und also konvergent. Zur Geschichte des Montelschen Satzes wird in Abschnitt 7.2.3 etwas gesagt. Der Satz wird h¨ aufig in folgender Form benutzt: 7.1.3 Folge gegen gegen

Montelsches Konvergenzkriterium. Eine in D lokal beschr¨ ankte f0 , f1 , f2 , . . . von Funktionen fn ∈ O(D) konvergiert in D kompakt f ∈ O(D), wenn jede in D kompakt konvergente Teilfolge der Folge fn f konvergiert.

Beweis. W¨ are dem nicht so, so g¨ abe es ein Kompaktum K ⊂ D, so dass are. Es g¨ abe dann ein ε > 0 und eine Teilfolge gj |fn − f |K keine Nullfolge w¨ der Folge fn , so dass |gj − f |K ≥ ε f¨ ur alle j. Da auch die Folge gj lokal beschr¨ ankt ist, g¨ abe es nun nach Satz 7.1 eine in D kompakt konvergente ur alle k, so w¨are f nicht der Teilfolge hk der Folge gj . Da |hk − f |K ≥ ε f¨ Limes dieser Folge. Widerspruch.  Als erste Anwendung beweisen wir den 7.1.4 Satz von Vitali. Satz von Vitali 7.3. Es sei G ein Gebiet in C, und es sei f0 , f1 , f2 , . . . eine in G lokal beschr¨ ankte Folge von Funktionen fn ∈ O(G). Die Menge A := {w ∈ G : lim fn (w) existiert in C} der Konvergenzpunkte dieser Folge habe wenigstens einen H¨ aufungspunkt in G. Dann konvergiert die Folge f0 , f1 , f2 , . . . kompakt in G.

Beweis. Auf Grund des Montelschen Kriteriums 7.1.3 gen¨ ugt es zu zeigen, dass alle kompakt konvergenten Teilfolgen der Folge fn denselben Limes haben. Das aber ist klar nach dem Identit¨ atssatz, da zwei solche Limiten notwendig auf der Menge A, die H¨ aufungspunkte in G hat, u ¨bereinstimmen. 

7.1 Der Satz von Montel

151

Durch Simulation des eben gef¨ uhrten Beweises erh¨alt man auch den Konvergenzsatz von Blaschke. Konvergenzsatz von Blaschke 7.4. Es sei fn ∈ O(E) eine in E beschr¨  ankte Folge. Es gebe eine abz¨ ahlbare Menge A = {a1 , a2 , . . . } in E mit (1 − ur jeden Punkt aj ∈ A der Limes lim fn (aj ) existiert. |aν |) = ∞, so dass f¨ n Dann konvergiert die Folge fn kompakt in E. Beweis. Sind f, f1 ∈ (E) Limiten zweier kompakt konvergenter Teilfolgen der Folge fn , so gilt f |A = f1|A. Nun sind f, f1 beide beschr¨ankt in E. Nach dem Identit¨ atssatz 4.16 folgt f = f1. Das Montelsche Konvergenzkriterium liefert die Behauptung.  Zur Geschichte des Vitalischen und Blaschkeschen Satzes vgl. Abschnitt 7.3.3. Weitere u ¨berzeugende Anwendungen des Montelschen Satzes werden wir beim Beweis des Riemannschen Abbildungssatzes im Abschnitt 8.2 und im Kapitel 9 in der Theorie der Automorphismen beschr¨ankter Gebiete kennenlernen. 7.1.5 Punktweise konvergente Folgen holomorpher Funktionen. Kann man in den S¨ atzen von Montel und Vitali auf die Voraussetzung der lokalen Beschr¨ anktheit der Folge verzichten, wenn man die Konvergenz der Folge in allen Punkten postuliert? Die Antwort ist negativ: wir werden in Abschnitt 12.3.1 Folgen holomorpher Funktionen konstruieren, die punktweise, aber nicht kompakt konvergieren, und deren Grenzfunktion nicht holomorph ist. Solche Grenzfunktionen sind aber notwendig fast u ¨berall holomorph; wir behaupten:

Satz 7.5 (Osgood [192, S.33]). Es sei f0 , f1 , f2 , . . . eine Folge von in D holomorphen Funktionen, die in D punktweise gegen eine Funktion f konvergiert. Dann konvergiert diese Folge kompakt in einem Teilbereich D von D, der dicht in D liegt; insbesondere ist f in D holomorph.

Den Beweis st¨ utzen wir auf folgenden Hilfssatz 7.6. Es sei F eine Familie stetiger Funktionen f : D → C, die in D punktweise beschr¨ ankt ist (d.h. jede Menge {f (z); f ∈ F }, z ∈ D, ist beschr¨ ankt in C). Dann gibt es einen nichtleeren Teilbereich D von D, so ankt dass die auf D eingeschr¨ankte Familie {f |D ; f ∈ F}, in D lokal beschr¨ ist.

152

7 Die S¨ atze von Montel und Vitali

Beweis. (durch Widerspruch). Sei die Behauptung falsch. Wir konstruieren induktiv eine Folge g0 , g1 , . . . in F und eine absteigende Folge K0 ⊃ K1 ⊃ . . . ur alle z ∈ Kn . von kompakten Scheiben Kn ⊂ D, so dass gilt: |gn (z)| > n f¨ Sei g0 = 0 aus F und K0 ⊂ D eine kompakte Scheibe, so dass 0 ∈ g0 (K0 ). Seien gn−1 und Kn−1 schon konstruiert. Nach Annahme gibt es ein gn ∈ F und einen Punkt zn im Innern von Kn−1 , so dass |gn (zn )| > n. Da gn stetig ist, gibt es eine kompakte Scheibe Kn ⊂ Kn−1 um zn , so dass |gn (zn )| > n f¨ ur alle z ∈4 Kn . ur jeden ihrer Punkte z ∗ gilt |gn (z ∗ )| > n Die Menge Kn ist nicht leer. F¨ f¨ ur alle n im Widerspruch zur punktweisen Beschr¨anktheit von F.  Der Satz von Osgood folgt nun, indem man den Hilfssatz auf die Familie f0 , f1 , f2 , . . . und alle Teilbereiche von D anwendet: Man erh¨alt einen dichten Teilbereich D , so dass die Folge fn |D lokal beschr¨ankt ist. Nach Vitali konvergiert sie dann kompakt in jeder Zusammenhangskomponente von D , die Grenzfunktion f ist nach Weierstrass holomorph in D .

7.2 Normale Familien Das Montelsche H¨ aufungsstellenprinzip l¨ asst sich von Folgen direkt auf Familien u ¨bertragen. In der klassischen Literatur wurde dabei der Begriff der normalen Familie“ gepr¨ agt, so wie er auch heute noch benutzt wird. ” 7.2.1 Satz von Montel f¨ ur normale Familien. Eine Familie F ⊂ O(D) heißt normal in D, wenn jede Folge von Funktionen aus F eine Teilfolge besitzt, die in D kompakt konvergiert. Wir machen sofort eine einfache Bemerkung. Jede in D normale Familie F ⊂ O(D) ist lokal beschr¨ ankt in D. Beweis. Es ist zu zeigen, dass f¨ ur jedes Kompaktum K ⊂ D die Zahl are das f¨ ur ein Kompaktum L ⊂ D nicht der sup{|f |K : f ∈ F} endlich ist. W¨ Fall, so g¨ abe es eine Folge fn ∈ F mit lim |fn |L = ∞. Diese Folge fn h¨atte n→∞

keine in D kompakt konvergente Teilfolge, denn f¨ ur deren Limes f ∈ O(D)  w¨ are |f |L ≥ |fn |L − |f − fn |L . Widerspruch! Die Umkehrung der eben gemachten Bemerkung ist der allgemeine Satz von Montel. Satz 7.7. Jede in D lokal beschr¨ ankte Familie F ⊂ O(D) ist normal in D. Diese Aussage folgt unmittelbar aus dem Montelschen Satz 7.1 f¨ ur Folgen.  Die Redeweisen normale Familie“ und lokal beschr¨ ankte Familie“ sind nach ” ” dem Gezeigten ¨ aquivalent.

7.2 Normale Familien

153

Beispiele normaler Familien. 1) Die Familie aller holomorphen Abbildungen von D in einen (fest vorgegebenen ) beschr¨ ankten Bereich D ist normal in D. 2) F¨ ur jedes M > 0 ist die Familie  aν z ν : |aν | ≤ M f¨ ur alle ν ∈ N} FM := {f = normal in E: F¨ ur jedes r ∈ (0, 1) und jedes f ∈ FM gilt n¨amlich |f (z)| ≤ ur alle z ∈ Br (0), daher ist FM lokal beschr¨ankt in E. M (1 − r)−1 f¨ 3) Ist F eine normale Familie in D, so ist auch jede Familie {f (k) : f ∈ F}, k ∈ N, normal in D. Beweis. Da F lokal beschr¨ ankt in D ist, gibt es zu jeder Kreisscheibe B = ur alle f ∈ F. Nach den B2r (c) mit B ⊂ D ein M > 0, so dass |f |B ≤ M f¨ := Br (c) Cauchyschen Absch¨ atzungen f¨ ur Ableitungen gilt dann, wenn B gesetzt wird, (vgl. I.8.3.1) ur alle f ∈ F und alle k ∈ N. |f (k) |Bb ≤ 2(M/rk ) · k! f¨ beschr¨ankt. Sie ist F¨ ur festes k ∈ N ist daher die Familie {f (k) : f ∈ F} in B daher lokal beschr¨ ankt und somit normal in D.  Ein weiteres Beispiel einer normalen Familie findet sich in 7.4∗ . Bemerkung. In der Literatur wird der Begriff der normalen Familie oft allgemeiner als hier gefasst: Man l¨ asst auch kompakte Konvergenz der Teilfolgen gegen ∞ zu. Diese Begriffsbildung ist besonders dann vorteilhaft, wenn man auch meromorphe Funktionen mit einschließen will.

7.2.2 Diskussion des Montelschen Satzes. Der Satz von Montel ist – im Gegensatz zum Vitalischen Satz – kein Satz der Funktionentheorie im eigentlichen Sinne: er kann n¨ amlich leicht einem klassischen Satz der reellen Analysis untergeordnet werden. Man ben¨ otigt einen neuen Begriff. Eine Familie F von Funktionen f : D → C heißt gleichgradig stetig in D, wenn es zu jedem ε > 0 ein δ > 0 gibt, so dass f¨ ur alle f ∈ F gilt: |f (w) − f (z)| ≤ ε f¨ ur alle w, z ∈ D mit |w − z| ≤ δ. Die Familie F heißt lokal gleichgradig stetig in D, wenn jeder Punkt z ∈ D eine Umgebung U ⊂ D besitzt, so dass die auf U eingeschr¨ankte Familie F|U gleichgradig stetig in U ist. Jede Funktion aus einer in D lokal gleichgradig stetigen Familie ist lokal gleichm¨ aßig stetig in D. Es gilt nun, wenn man die Redeweise normale Familie“ auf beliebige Funktionenfamilien w¨ortlich ” u agt, folgender ¨bertr¨

154

7 Die S¨ atze von Montel und Vitali

Satz von Arzel` a-Ascoli 7.8. Eine Familie F von in D komplex-wertigen Funktionen ist stets dann normal in D, wenn folgende Bedingungen erf¨ ullt sind: 1) F ist lokal gleichgradig stetig in D. 2) F¨ ur jedes w ∈ D ist die Menge {f (w) : f ∈ F} ⊂ C beschr¨ ankt in C. In diesem Satz, der nicht von holomorphen Funktionen handelt, ist der Satz von Montel enthalten: Ist n¨ amlich eine Familie F ⊂ O(D) lokal beschr¨ankt in D, so gilt 1) auf Grund von Hilfssatz 7.2, w¨ ahrend 2) trivial ist. Der Leser `vergegenw¨ artige sich, dass wir in 7.1.2 eigentlich den Satz von Arzela Ascoli f¨ ur Familien von stetigen Funktionen bewiesen haben. `-Ascoli spielt in der reellen Analysis und FunkDer Satz von Arzela tionalanalysis eine wichtige Rolle, an die Stelle von Bereichen in C treten Bereiche in Rn . 7.2.3 Historisches zum Satz von Montel. David Hilbert hat 1899 beim Beweis des Dirichletschen Prinzips erstmals ein Verfahren der Auswahl konvergenter Teilfolgen aus Funktionenmengen zur Konstruktion der gesuchten Potentialfunktion verwendet, [118, S.13/14]. Hilbert benutzt noch nicht den bereits 1884 von G. Ascoli (1843-1896) eingef¨ uhrten Begriff der ´ (1847-1912) lokalen gleichgradigen Stetigkeit und den 1895 von C. Arzela ´-Ascoli“. gefundenen Satz von Arzela ” Paul Montel hat als erster die große Bedeutung des Prinzips der Auswahlkonvergenz f¨ ur die Funktionentheorie erkannt. Den nach ihm benannten Satz hat er 1907 in seiner Th`ese ver¨ offentlicht, [175, 298–302]. Montel f¨ uhrt ´-Ascoli zur¨ seinen Satz auf den Auswahlsatz von Arzela uck, indem er zeigt, dass im holomorphen Fall lokale Beschr¨ anktheit lokale gleichgradige Stetigkeit impliziert (Hilfssatz 7.2). Unabh¨ angig von Montel hat 1908 Paul Koebe den Satz entdeckt und bewiesen, [141, S. 349]; Koebe sagt, dass er den Grundgedanken zum Beweis der vierten Mitteilung von Hilbert zur Theorie der linearen Integralgleichung, G¨ ott. Nachr. 1906, S. 162, entnommen habe. In der Literatur wird der Montelsche Satz gelegentlich auch als Satz von Stieltjes-Osgood bezeichnet (z.B. im Buch von S. Saks und A. Zygmund, vgl. [239, S. 119]). Die griffige Redeweise der normalen Familie hat Montel 1912 eingef¨ uhrt, vgl. Ann. Sci. Ec. Norm. Sup. 24 (1912), S. 493. Er hat diesen Familien die Arbeit eines halben Menschenalters gewidmet; eine koh¨arente Theorie hat er 1927 in der Monographie [176] publiziert. 7.2.4 Quadrat-integrable Funktionen und normale Familien∗ . jede Funktion f ∈ O(G) setzen wir ZZ |f (z)|2 do ∈ [0, ∞], f 2G := G

(do := euklidisches Fl¨ achenelement).

F¨ ur

7.2 Normale Familien P

Beispiel. Sei f = gilt

f 2B = π

155

aν (z − c)ν ∈ O(BR (c)) und B := Br (c), 0 < r < R. Dann

X |aν |2 2ν+2 √ , speziell |f (c)| ≤ ( πr)−1 f B . r ν+1

(7.1)

Beweis. In Polarkoordinaten z − c = ρeiϕ gilt do = ρdρdϕ und |f (z)|2 =

∞ X

aμ aν ρμ+ν ei(μ−ν)ϕ , z ∈ B.

μ,ν=0

Hiermit folgt f 2B

2π Zr Z

2

|f (z)| ρdρdϕ =

= 0

X

Zr aμ aν

μ,ν=0

0

2π Z μ+ν+1

ρ 0

ei(μ−ν)ϕ dϕ.

dρ 0

Falls μ = ν, so verschwinden ganz rechts die Integrale.



Wir nennen f ∈ O(G) quadrat-integrabel in G, wenn f G < ∞. Die Menge H(G) aller in G quadrat-integrablen Funktionen ist ein C-Untervektorraum von O(G), da f¨ ur alle a, b ∈ C, f, g ∈ O(G) gilt |af (z) + bg(z)|2 ≤ 2(|a|2 |f (z)|2 + |b|2 |g(z)|2 ), z ∈ G. Ist G beschr¨ ankt, so enth¨ alt H(G) alle in G beschr¨ ankten holomorphen Funktionen. – Wegen 2u · v = |u + v|2 + i|u + iv|2 − (1 + i)(|u|2 + |v|2 ) gilt ZZ f (z)g(z)do ∈ C f¨ ur alle f, g ∈ H(G). f, g := G

Eine Verifikation zeigt, dass f, g eine positiv-definite Hermitesche Form auf H(G) ist. Es gilt stets: √ f G ≤ vol G · |f |G , ZZ

wobei vol(G) :=

do G

den euklidischen Fl¨ acheninhalt von G bezeichnet. Wichtiger ist die Bergmannsche Ungleichung 7.9. Ist K ein Kompaktum in G = C und bezeichnet d die euklidische Randdistanz von K zu ∂G, so gilt √ ur alle f ∈ H(G). (7.2) |f |K ≤ ( πd)−1 f G f¨ Beweis. Sei c ∈ K und r ∈ (0, d). Da B := Br (c) ⊂ G, so gilt f B ≤ f G . Mit √ ur alle c ∈ K.  (7.1) folgt im Limes : |f (c)| ≤ ( πd)−1 f G f¨

156

7 Die S¨ atze von Montel und Vitali Aus der Bergmannschen Ungleichung erh¨ alt man unmittelbar:

Satz 7.10. Jede Kugel {f ∈ H(G) : f G < r} im unit¨ aren Raum H(G) ist eine normale Familie. Beweis. Klar nachMontel, da jede Kugel in H(G) auf Grund der Bergmannschen Ungleichung eine lokal beschr¨ ankte Familie aus O(G) ist.  Bemerkung. Die Resultate dieses Abschnittes lassen sich moderner ausdr¨ ucken, wenn man sich funktionalanalytischer Redeweisen bedient. Dann stellt man zun¨ achst fest, ´chet-Raum dass O(G) bez¨ uglich der Topologie der kompakten Konvergenz ein Fre und H(G) bez¨ uglich des Skalarproduktes f, g ein Hilbert-Raum ist. Dann kann man formulieren: Die Injektion H(G) → O(G) ist stetig und kompakt (d.h. beschr¨ ankte Mengen in H(G) sind relativ kompakt in O(G)).

Aufgaben. 1. a) Man gebe ein f ∈ H(E) an, so dass f  ∈ H(E). b) Man zeige: H(C) = {0}. 2. (Schwarzsches Lemma f¨ ur quadrat-integrierbare Funktionen). F¨ ur alle f ∈ H(E) und alle r mit 0 < r < 1 gilt f Br (0) ≤ rn f E , wobei n := o0 (f ).

7.3 Der Satz von Vitali Man kann die Fortpflanzung der Konvergenz mit der Ausbreitung einer Infektion vergleichen. ´ lya und G. Szeg¨ (G. Po o 1924)

 Konvergiert eine Potenzreihe aν , z ν in einem Punkt a = 0, so konvergiert sie normal im Kreis vom Radius |a| um 0. Dieses elementare Konvergenzkriterium ist das einfachste Beispiel f¨ ur Konvergenzfortpflanzung. Das Ph¨anomen tritt auch in allgemeineren Situationen auf: Konvergenz von Folgen holomorpher Funktionen ist h¨ aufig ansteckend, sie kann sich von Teilmengen auf den ganzen Definitionsbereich ausbreiten. Ein eindrucksvolles Beispiel hierf¨ ur ist der Vitalische Konvergenzsatz, der bereits im Paragraphen 7.1 bewiesen wurde. Der Satz von Vitali wird besonders gut verstanden, wenn man ihn in Analogie zum Identit¨ atssatz sieht. So wie eine in einem Gebiet G holomorphe Funktion f bereits v¨ ollig bestimmt ist, wenn man ihre Werte an unendlich vielen Stellen in G kennt, die sich in G h¨ aufen, so ist eine lokal beschr¨ankte Folge fj ∈ O(G) bereits dann in G kompakt konvergent, wenn sie an unendlich vielen Stellen in G, die sich in G h¨ aufen, konvergiert.

7.3 Der Satz von Vitali

157

7.3.1 Konvergenzlemma. Lemma 7.11. Es sei B = Br (c), r > 0. Dann sind folgende Aussagen u ¨ber aquivalent: eine in B beschr¨ ankte Folge fn ∈ O(B), n ∈ N, ¨ i) Die Folge fn ist in B kompakt konvergent. (k) (k) ii) F¨ ur jedes k ∈ N ist die Zahlenfolge f0 (c), f1 (c), . . . konvergent. (k)

Beweis. Da mit der Folge fn auch die Folgen fn aller Ableitungen in B kompakt konvergieren, so ist nur die Implikation ii) ⇒ i) zu verifizieren. Wir d¨ urfen B = E und |fn |E ≤ 1, n ∈ N, annehmen. Wir betrachten die Taylor-Reihen fn (z) =



anν z ν , wobei anν =

1 (ν) f (0). ν! n

Nach Voraussetzung existieren alle Limiten aν := lim anν , ν ∈ N. Da stets n

|anν | ≤ 1 auf Grund der Cauchyschen Ungleichungen, so folgt |aν | ≤  1 f¨ ur alle ν ∈ N und also f (z) = aν z ν ∈ O(E). Wir fixieren ein ρ mit 0 < ρ < 1. F¨ ur alle z ∈ C mit |z| ≤ ρ und alle l ∈ N, l ≥ 1, gilt: |fn (z) − f (z)| ≤

l−1 

|anν − aν |ρν + 2ρl /(1 − ρ), n ∈ N.

ν=0

Sei nun ε > 0 beliebig. Wegen ρ < 1 kann man zun¨achst l so w¨ahlen, dass l−1  2ρl /(1 − ρ) ≤ ε. Wegen lim |anν − aν |ρν = 0 gibt es nun ein n0 , so dass n ν=0

diese -gliedrige Summe f¨ ur n ≥ n0 kleiner als ε ist. Es folgt |fn (z) − f (z)| ≤ 2ε f¨ ur alle n ≥ n0 und alle z mit |z| ≤ ρ. Da ρ < 1 beliebig nahe bei 1  w¨ ahlbar ist, konvergiert die Folge fn in E kompakt gegen f . Ohne eine Beschr¨ anktheitsannahme ist die Implikation ii) ⇒ i) i.a. falsch: (k) f¨ ur die Folge fn (z) := nn z n ∈ O(E) gilt lim fn (0) = 0 f¨ ur alle k ∈ N, n→∞ indessen ist die Folge fn in keinem Punkt z = 0 von E konvergent. 7.3.2 Satz von Vitali (endg¨ ultige Fassung). Wir bringen den Satz in eine Form, deren Analogie zum Identit¨ atssatz I.8.1.3 ins Auge springt.

Satz von Vitali 7.12. Folgende Aussagen u ¨ber eine im Gebiet G lokal beaquivalent: schr¨ ankte Folge f0 , f1 , f2 , . . . von Funktionen fn ∈ O(G) sind ¨ i ) Die Folge fn ist in G kompakt konvergent. (k) ii ) Es gibt einen Punkt c ∈ G, so dass f¨ ur jedes k ∈ N die Zahlenfolge f0 (c), (k) (k) f1 (c), f2 (c), . . . konvergiert. iii ) Die Menge A := {w ∈ G : lim fn (w) existiert in C} der Konvergenzaufungspunkt in G. punkte der Folge fn hat einen H¨

158

7 Die S¨ atze von Montel und Vitali (k)

Beweis. i) ⇒ ii) ist klar, da f¨ ur jedes k die Folge fn , n ∈ N, in G kompakt konvergiert. Um ii) ⇒ iii) zu zeigen, sei B eine Kreisscheibe um c mit B ⊂ G. ankt in B und also nach dem Konvergenzlemma Dann ist die Folge fn |B beschr¨ 7.11 in B kompakt konvergent. Es folgt B ⊂ A, also iii). iii) ⇒ i). Das wurde in Abschnitt 7.1.4 gezeigt.  Der Vitalische Satz impliziert in trivialer Weise den Montelschen Satz 7.1.1 f¨ ur Folgen. Hat man n¨ amlich eine in G lokal beschr¨ankte Folge fn von in G holomorphen Funktionen, so verschafft man sich zun¨achst mittels des Diagonalverfahrens (wie in Abschnitt 7.1.2) eine Teilfolge gn , die in einer abz¨ ahlbaren dichten Teilmenge von G punktweise konvergiert. Nach Vitali konvergiert diese Folge kompakt in G.

Aufgabe.

Es sei g ∈ O(G), es gebe einen Punkt c ∈ G, so dass die Reihe g(z) + g  (z) + g  (z) + . . . + g (n) (z) + . . .

in c (absolut) konvergiert. Dann ist g eine ganze Funktion und die Reihe konvergiert kompakt (normal) in ganz C.

7.3.3 Historisches zum Satz von Vitali. Im Jahre 1885 hat C. Runge bemerkt, dass Folgen holomorpher Funktionen, die auf Gebietsr¨andern kompakt konvergieren, stets auch in den Gebieten selbst kompakt konvergent sind: Wenn ein Ausdruck von der Form lim gn (x) auf einer geschlossenen ” Curve von endlicher L¨ ange gleichm¨ aßig convergirt, so ist er auch im Innern derselben gleichm¨ aßig convergent.“ [237, S. 247]. Diese Konvergenzfortsetzung nach innen war auch Weierstrass wohlvertraut. Die Rungesche Bemerkung ist das Anfangsglied in einer Kette von S¨atzen, welche sukzessive aus immer geringeren Voraussetzungen dasselbe Ergebnis liefern: den Nachweis, dass Folgen holomorpher Funktionen fn ∈ O(G) in G kompakt konvergieren. Der Niederl¨ ander Th.J. Stieltjes hat 1894 das Prinzip der Konvergenzfortpflanzung klar gesehen. In seiner Arbeit [256] beweist er den Vitalischen Satz unter der st¨ arkeren Voraussetzung, dass die Folge fn in einem Teilgebiet von G kompakt konvergiert; in einem Brief an Hermite vom 14.2.1894 dr¨ uckt Stieltjes seine Verwunderung u ber sein Ergebnis aus: . . . ayant longuement ¨ ” r´efl´echi sur cette d´emonstration, je suis sˆ ur qu’elle est bonne, solide et valable. J’ai dˆ u l’examiner avec d’autant plus de soin qu’a priori il me semblait que le th´eor`eme ´enonc´e ne pouvait pas exister et devait ˆetre faux“, vgl. [116, S. 370]. W.F. Osgood schw¨ achte 1901 die Stieltjessche Voraussetzung wesentlich ab, er kommt mit punktweiser Konvergenz in einer Menge von G aus, die in einem Teilbereich von G dicht ist, [192, S. 26]. Im Jahre 1903 schließlich reduzierte G. Vitali die Konvergenzannahmen auf das Mindestmaß, [264, S. 73]. Der Amerikaner M.B. Porter (1869–1960) hat den Vitalischen Satz

7.4 Anwendungen des Satzes von Vitali

159

1904 wiederentdeckt, vgl. [216]. Montel hat 1907 den Satz von VitaliPorter noch nicht gekannt, er zitiert nur die Arbeiten von Osgood und Stieltjes. Die Voraussetzung der lokalen Beschr¨ anktheit im Vitalischen Satz l¨asst sich ersetzen durch die Annahme, dass es zwei verschiedene komplexe Konstanten a und b gibt derart, dass alle Funktionen fn in G beide Werte a und ´odory und E. Landau in ihrer b auslassen. Dies haben 1911 C. Carathe Arbeit [39] gezeigt; diese Arbeit enth¨ alt auch viele historische Notizen. Ein Beweis des Vitalischen Satzes mittels des Schwarzschen Lemmas ohne den R¨ uckgriff auf den Satz von Montel, findet sich 1914 in der Berliner Dissertation von R. Jentzsch, die erst 1917 publiziert wurde, [135, S. 223– 26]. Die Idee findet sich schon 1913 bei Lindel¨ of in [165]. Der Jentzsche Beweis wurde in der ersten Auflage dieses Buches wiedergegeben. W. Blaschke hat seinen in 7.1.4 besprochenen Konvergenzsatz 1915 mittels des Vitalischen und des Montel-Koebeschen Satzes bewiesen, vgl. [22], wo u ¨brigens nur Koebe zitiert wird. Einen direkten Beweis, der sogar den urspr¨ unglichen Vitalischen Satz f¨ ur E mitliefert, gaben 1923 K. L¨ owner und ´ , vgl. [169]; auch [31, S. 219]. T. Rado

7.4 Anwendungen des Satzes von Vitali Der Satz von Vitali wird vielfach als Anh¨ angsel zum Satz von Montel gesehen und als Kuriosum empfunden. Indessen ist der Satz sehr n¨ utzlich; die Holomorphie von verwickelten analytischen Ausdr¨ ucken ergibt sich oft mit Hilfe des Vitalischen Satzes recht bequem. Wir erl¨autern dies an klassischen Beispielen; eine weitere sch¨ one Anwendung wird in Abschnitt 11.1.3 gegeben. Bereits Stieltjes hat mittels seines Satzes die kompakte Konvergenz eines Kettenbruches in der geschlitzten Ebene C− aus dessen kompakter Konvergenz in der rechten Halbebene T begr¨ undet, er schreibt an Hermite, [116, S. 371]: L’utilit´e que pourra avoir mon th´eor`eme, . . . , ce sera de permettre de ” reconnaˆıtre plus ais´ement la possibilit´e de continuation analytique de certaines fonctions, d´efinies d’abord dans un domaine restreint.“ 7.4.1 Vertauschung von Integration und Differentiation. In Abschnitt I.8.2.2 haben wir als Anwendung des Moreraschen Satzes gezeigt, dass  F (z) := f (ζ, z)dζ, z ∈ D, γ

holomorph in D ist, wenn f stetig in |γ| × D und bei festem ζ ∈ |γ| jeweils holomorph in D ist. Osgood hat 1902 bemerkt, dass diese Aussage und mehr unmittelbar aus dem Satz von Vitali folgt. Wir bezeichnen mit γ : [0, 1] → C einen stetig differenzierbaren Weg in C und behaupten:

160

7 Die S¨ atze von Montel und Vitali

Satz 7.13. Es sei f (w, z) : |γ| × D → C lokal beschr¨ ankt (z.B. stetig). F¨ ur jeden Punkt ζ ∈ |γ| sei f (ζ, z) holomorph in D, ferner m¨ oge jedes (Riemannsche) Integral f (ζ, z)dζ z ∈ D, existieren. Dann ist die Funktion γ

 f (ζ, z)dζ, z ∈ D,

F (z) = γ

holomorph in D. Es existieren auch alle Integrale

 γ

gilt 



F (z) =

∂f (ζ, z) dζ, ∂z

∂f ∂z (ζ, z)dζ,

z ∈ D, und es

z ∈ D, (Vertauschungsregel).

γ

Beweis. [192, 33–34]. Wir d¨ urfen f als beschr¨ ankt annehmen, etwa |f ||γ|×D ≤ ur jeden Punkt z ∈ D M . Setzt man g(t, z) := f (γ(t), z) γ  (t), so konvergiert f¨ jede Folge Riemannscher Summen Sn (z) :=

n 

(n)

g(ζν(n) , z)(tν+1 − t(n) ν )

ν=1

nach Voraussetzung gegen F (z). Die Funktionen Sn (z) sind holomorph in D, ferner gilt |Sn |D ≤ M · |γ  |I . Somit konvergiert die Folge Sn nach Vitali kompakt in D, die Grenzfunktion F ist daher holomorph in D; weiter konvergiert die Folge n  ∂g (n) (n) (ζν , z)(tν+1 − t(n) Sn (z) = ν ) ∂z ν=1 als Folge der Ableitungen der Sn nach Weierstrass kompakt gegen F  . Da die Sn (z) beliebige Riemannsche Summenfolgen zu ∂g ∂z (t, z) bilden, ist alles gezeigt.  7.4.2 Kompakte Konvergenz des Γ -Integrals. Sei 0 < a < b < ∞. Da ur festes t holomorph in C ist, so gilt e−t tz−1 in [a, b] × C stetig und f¨ b f (z, a, b) :=

tz−1 e−t dt ∈ O(C)

a

nach Satz 7.13. Unterstellt man die Existenz des reellen Γ -Integrals h(x) :=

∞  0

tx−1 e−t dt, x > 0 (punktweise Konvergenz), so folgt trivial:

7.4 Anwendungen des Satzes von Vitali

161

Die Familie {f (z, a, b) : a, b ∈ R mit 0 < a < b} ist lokal beschr¨ ankt in T = {z ∈ C : Re z > 0}; f¨ ur alle z = x + iy mit 0 < c ≤ x ≤ d < ∞ gilt: 1 |f (z, a, b)| ≤

t

c−1 −t

∞

e dt +

0

td−1 e−t dt.

1

Mit Vitali erh¨ alt man nun sofort: F¨ ur jede Wahl von reellen Folgen an , bn mit 0 < an < bn , lim an = 0, lim, bn = ∞ konvergiert die Folge f (z, an , bn ) in T kompakt gegen eine in T holomorphe Funktion. Da die Grenzfunktion unabh¨ angig von der Wahl der Folgen an und bn ist (denn auf (0, ∞) stimmt sie mit h(x) u ¨berein!), so sieht man Das Γ -Integral

∞  0

tz−1 e−t dt existiert in T und ist dort holomorph.

Dieser Holomorphiebeweis benutzt nur die Existenz des reellen Γ Integrals, u ¨ber die Γ -Funktion selbst braucht man nichts zu wissen. Analog l¨ asst sich aus der punktweisen Konvergenz des Beta-Integrals Z1 tx−1 (1 − t)y−1 dt f¨ ur x > 0, y > 0, 0

die kompakte Konvergenz dieses Integrals in T×T folgern. Interessierte Leser m¨ ogen sich einen Beweis zurechtlegen.

7.4.3 Satz von M¨ untz.

Jede in I := [0, 1] stetige reelle Funktion h ist nach dem Weierstrassschen Approximationssatz in I gleichm¨ aßig durch reelle Polynome approximierbar: z.B. durch die Folge der Bernstein-Polynome ! n “ν ” X n xν (1 − x)n−ν , n ∈ N, h qn (x) = n ν ν=0 zu h (vgl. z.B. M. Barner und F. Flohr: Analysis I, De Gruyter 1974, S. 324).

Korollar 7.14. Es sei h stetig in I, und es gelte Z1 h(t)tn dt = 0 f¨ ur alle n ∈ N. 0

Dann verschwindet h identisch in I.

(7.3)

162

7 Die S¨ atze von Montel und Vitali

Beweis. Wegen (7.3) gilt

R1 0

Z1

h(t)q(t)dt = 0 f¨ ur alle Polynome q ∈ R[t] also

h(t)2 dt =

Z1

0

h(t)[h(t) − q(t)]dt f¨ ur alle q ∈ R[t]. 0

Hieraus erh¨ alt man f¨ ur alle q ∈ R[t] die Absch¨ atzung Da inf{|h − q|I : q ∈ R[t]} = 0, so folgt

R1 0

R1 0

h(t)2 dt ≤ |h − q|I

h(t)2 dt = 0 und also h ≡ 0.

R1 0

|h(t)|dt. 

Wir zeigen nun auf funktionentheoretische Weise, dass in (7.3) gar nicht alle Potenzen von t n¨ otig sind, um h ≡ 0 zu erzwingen.

Identit¨ atssatz von untz 7.15. Es sei kν eine reelle Folge, so dass 0 < k1 < PM¨ 1/kν = ∞. Dann ist eine in I stetige Funktion h bereits dann · · · < kn < . . . und identisch null, wenn Z1 h(t)tkn dt = 0 f¨ ur alle n = 1, 2, . . . . 0

ur t > 0, f (0, z) := 0, wird eine in I × T stetige Beweis. Durch f (t, z) := h(t)tz f¨ Funktion definiert. Da f (t, z) f¨ ur festes t ∈ I stets holomorph in T ist, und da R1 |f |I×T ≤ |h|I , so ist F (z) := f (t, z)dt nach Satz 7.13 holomorph in T. Da |F |T ≤ 0 P |h|I , so ist F beschr¨ ankt in T. Da F (kn ) = 0 f¨ ur alle n ≥ 1 und da 1/kν = ∞, so verschwindet F nach 4.3.4 b) identisch in T. Speziell folgt

Z1 t · h(t) · tn dt = 0 f¨ ur alle n ∈ N.

F (n + 1) = 0

Daher ist t · h(t) nach dem Korollar identisch null in I.



Historische Bemerkung. Ch. H. M¨ untz hat 1914 in seiner Arbeit [180] folgende Verallgemeinerung des Weierstrassschen Approximationssatzes entdeckt: P 1/kν = ∞. Es sei kn eine reelle Folge, so dass 0 < k1 < · · · < kn < . . . und Dann ist jede in [0, 1] stetige Funktion in [0, 1] gleichm¨ aßig durch Funktionen der n P aν xkν approximierbar. Form 1

Hieraus hat M¨ untz seinen Identit¨ atssatz hergeleitet, (man schließt wie oben im Beweis des Korollars). Der obige funktionentheoretische Beweis geht auf T. Carlemann zur¨ uck, [40], insbs. S. 15. Die Aussagen des M¨ untzschen Identit¨ ats-und

7.5 Folgerungen aus einem Satz von Hurwitz

163

Approximationssatzes sind umkehrbar, man vergleiche hierzu [236, 312–315]. - Elementare Beweise des M¨ untzschen Approximationssatzes findet man bei L.C.G. Rogers, [230], und bei M. v. Golitschek, [88].

7.5 Folgerungen aus einem Satz von Hurwitz Wir stellen hier Eigenschaften von Grenzfunktionen von Folgen holomorpher Funktionen zusammen, die sp¨ ater ben¨ otigt werden. Ein Zusammenhang mit ¨ den S¨ atzen von Montel und Vitali besteht nicht; am Anfang der Uberlegungen steht vielmehr folgendes im Abschnitt I.8.5.5 gewonnene Lemma von Hurwitz 7.16. Die Folge fn ∈ O(G) konvergiere in G kompakt gegen eine nicht konstante Funktion f ∈ O(G). Dann gibt es zu jedem Punkt c ∈ G einen Index nc ∈ N und eine Folge cn ∈ G, n ≥ nc , so dass gilt: lim cn = c und fn (cn ) = f (c), n ≥ nc . Dieses Lemma, das ein Spezialfall eines allgemeineren Hurwitzschen Satzes ist (vgl. Abschnitt I.8.5.5), hat wichtige Konsequenzen. Wohlbekannt ist das Korollar 7.17. Die Folge fn ∈ O(G) konvergiere in G kompakt gegen f ∈ O(G). Alle Funktionen fn seien nullstellenfrei in G, weiter sei f nicht identisch null. Dann ist f nullstellenfrei in G. Beweis. Wir d¨ urfen annehmen, dass f nicht konstant ist. H¨atte f dann eine Nullstelle c ∈ G, so h¨ atten nach Hurwitz fast alle fn Nullstellen cn ∈ G.  Aus diesem Korollar gewinnt man weiter: Folgerung. Konvergiert die Folge fn ∈ O(G) in G kompakt gegen eine nichtkonstante Funktion f ∈ O(G), so gilt: (1) Sind alle Bilder fn (G) in einer festen Menge A ⊂ C enthalten, so gilt auch f (G) ⊂ A. (2) Sind alle Abbildungen fn := G → C injektiv, so ist auch f : G → C injektiv. (3) Sind alle Abbildungen fn := G → C lokal biholomorph, so ist auch f : G → C lokal biholomorph. Beweis. (1) Sei b ∈ C\A. Wegen fn (G) ⊂ A ist jede Funktion fn − b nullstellenfrei in G. Da f − b ≡ 0, so ist f − b nach dem Korollar nullstellenfrei in G. Dies bedeutet b ∈ f (G). Es folgt f (G) ⊂ A. (2) Sei c ∈ G. Wegen der Injektivit¨ at aller fn sind alle Funktionen fn − fn (c) nullstellenfrei in G\c. Da f − f (c) ≡ 0, so ist f − f (c) nach dem Korollar nullstellenfrei in G\c. Also gilt f (z) = f (c) f¨ ur alle z ∈ G\c. Da c ∈ G beliebig gew¨ ahlt wurde, folgt die Injektivit¨ at von f .

164

7 Die S¨ atze von Montel und Vitali

(3) Die Folge fn der Ableitungen konvergiert in G kompakt gegen f  . Da f nicht konstant ist, so ist f  nicht die Nullfunktion. Nach dem lokalen Biholomorphiekriterium aus I.9.4.2 sind alle fn nullstellenfrei in G. Nach dem Korollar ist also auch f  nullstellenfrei in G, daher ist – wieder nach I.9.4.2 – die Abbildung f : G → C lokal biholomorph.  ◦

Bemerkung. Die Aussage (1) folgt, falls A ein Gebiet mit A = A – z.B. eine Kreisscheibe - ist, unmittelbar aus dem Offenheitssatz I.8.5.1 (Beweis!). Die Aussagen (1) und (2) werden beim Beweis des Riemannschen Abbildungssatzes in folgender Fassung benutzt: Injektionssatz von Hurwitz 7.18. Es seien G, G Gebiete, und es sei fn := G → G eine Folge holomorpher Injektionen, die in G kompakt gegen eine nicht konstante Funktion f ∈ O(G) konvergiert. Dann gilt f (G) ⊂ G , und die induzierte Abbildung f : G → G ist injektiv. Wir notieren noch einen Zusatz zur Aussage (2), der in Abschnitt 9.1.1 benutzt wird. (2’) Sind alle Abbildungen fn injektiv, so folgt aus lim fn (bn ) = f (b), wobei bn , b ∈ G, stets lim bn = b. Speziell gilt: 5 lim fn−1 (a) = f −1 (a) f¨ ur jedes a ∈ f (G) ∩ fn (G). n≥0

abe es ein ε > 0 und eine Teilfolge bn der Beweis. W¨ are lim bn = b, so g¨ Folge bn mit bn ∈ B := Bε (b). Die Folge fn − fn (bn ) w¨are dann wegen der usste auch ihr Limes f − f (b) Injektivit¨ at aller fn nullstellenfrei in B, daher m¨  nullstellenfrei in B sein, was nicht stimmt. Also gilt lim bn = b.

8. Der Riemannsche Abbildungssatz

Zwei gegebene einfach zusammenh¨ angende ebene Fl¨ achen k¨ onnen stets so auf einander bezogen werden, dass in jedem Punkt der einen Ein mit ihm stetig fortr¨ uckender Punkt der andern entspricht und ihre entsprechenden kleinsten Theile a ¨hnlich sind. (B. Riemann 1851)

In der geometrischen Funktionentheorie steht seit Riemann das Problem, alle zueinander biholomorph (= konform) ¨ aquivalenten Gebiete in der Zahlenebene zu bestimmen, im Vordergrund des Interesses. Existenz- und Eindeutigkeitss¨ atze erm¨ oglichen es, interessante und wichtige holomorphe Funktionen zu studieren, ohne dass man geschlossene analytische Ausdr¨ ucke (wie Integralformeln oder Potenzreihen) f¨ ur diese Funktionen kennt; vielmehr gewinnt man aus geometrischen Eigenschaften der vorgegebenen Gebiete analytische Eigenschaften der Abbildungsfunktionen. Der Riemannsche Abbildungssatz – Motto dieses Kapitels – l¨ost das Problem der biholomorphen Abbildbarkeit f¨ ur einfach zusammenh¨ angende Gebiete. Um diesen Satz zu verstehen, machen wir uns im Paragraphen 8.1 zun¨achst mit dem topologischen Begriff einfach zusammenh¨angendes Gebiet“ vertraut. ” Anschaulich sind das Gebiete ohne L¨ ocher, d.h. Gebiete, in denen sich jeder geschlossene Weg stetig auf einen Punkt zusammenziehen l¨asst (Nullhomoto¨ pie). Wir diskutieren zwei Integrals¨ atze; das f¨ ur die weiteren Uberlegungen entscheidende Resultat ist: Einfach zusammenh¨ angende Gebiete G in C h¨ angen homologisch einfach zusammen: 

f dζ = 0 f¨ ur alle f ∈ O(G) und alle st¨ uckweise stetig differenzierbaren Wege

γ

γ in G. Leser, die vorrangig am Riemannschen Abbildungssatz interessiert sind, sollten bei erster Lekt¨ ure den Paragraphen 8.1 u ¨berschlagen und die Begriffe

166

8 Der Riemannsche Abbildungssatz

einfach zusammenh¨ angend“ und homologisch einfach zusammenh¨angend“ ” ” als ¨ aquivalent ansehen. Es hat lange gedauert und gr¨ oßter Anstrengungen bedurft, die Riemannsche Behauptung zu beweisen1 ; Mathematiker wie C. Neumann, H.A. ´, D. Hilbert, P. Koebe und C. Carathe ´odory Schwarz, H. Poincare haben daran gearbeitet. 1922 schließlich gaben die ungarischen Mathematiker ´r und F. Riesz ihren ingeni¨ L. Feje osen Beweis mittels eines Extremalprin´odorysche Variante zips. Wir reproduzieren im Paragraphen 8.2 die Carathe des Fejer-Rieszschen Beweises. Im Paragraphen 8.3 berichten wir ausf¨ uhrlich u ¨ber die Geschichte des Abbildungssatzes. Der Paragraph 8.4 enth¨ alt Erg¨ anzungen zum Abbildungssatz; wir diskutieren u.a. ein Schwarzsches Lemma f¨ ur einfach zusammenh¨angende Gebiete.

8.1 Integrals¨ atze fu ¨ r homotope Wege In Sterngebieten h¨ angen Wegintegrale u ¨ber holomorphe Funktionen bei festem Anfangs- und Endpunkt nicht von der Wahl der Integrationswege ab. Diese Wegunabh¨ angigkeit bleibt f¨ ur beliebige Gebiete richtig, solange man die Integrationswege nur stetig deformiert“. Was das genau bedeutet, wird ” in diesem Paragraphen erkl¨ art. Grundlegend sind zwei Homotopiebegriffe, die in den Abschnitten 8.1.1 und 8.1.2 eingef¨ uhrt werden. Zu jedem Homotopiebegriff geh¨ort eine Version des Cauchyschen Integralsatzes. Die Beweise dieser Integrals¨atze sind elementar, aber recht technisch; sie benutzen aus der Funktionentheorie nur, dass holomorphe Funktionen in Kreisscheiben Stammfunktionen haben. In Abschnitt 8.1.3 zeigen wir, dass nullhomotope Wege stets nullhomolog sind, dass aber die Umkehrung i.a. nicht gilt. Der grundlegende Begriff ein” fach zusammenh¨ angendes Gebiet“ wird im Abschnitt 8.1.4 eingef¨ uhrt und ausf¨ uhrlich besprochen. 8.1.1 Homotope Wege bei festen Endpunkten. Zwei Wege γ, γ 1 mit gleichem Anfangspunkt a und Endpunkt b in einem metrischen (allgemeiner: topologischen) Raum X heißen homotop in X bei festen Endpunkten, wenn es eine stetige Abbildung ψ : I × I → X, (s, t) → ψ(s, t) gibt, so dass f¨ ur alle s, t ∈ I gilt: ψ(0, t) = γ(t) und ψ(1, t) = γ 1(t), ψ(s, 0) = a und ψ(s, 1) = b. 1

(8.1)

L. Ahlfors schreibt gelegentlich: Riemann’s writings are full of almost cryptic ” messages to the future. For instance, Riemann’s mapping theorem is ultimately formulated in terms which would defy any attempt of proof, even with modern methods.“

8.1 Integrals¨ atze f¨ ur homotope Wege

167

Die Abbildung ψ heißt eine Homotopie zwischen γ und γ 1. F¨ ur jedes s ∈ I ist γs : I → X, t → ψ(s, t), ein Weg in X von a nach b, die Wegeschar 1. Wir (γs )s∈I ist eine Deformation“ des Weges γ0 = γ in den Weg γ1 = γ ” bemerken (ohne Angabe des einfachen Beweises), dass die Relation homotop ” in X bei festen Endpunkten“ auf der Menge aller Wege in X von a nach b ¨ eine Aquivalenzrelation ist. ~ g gs’

a

gs y(Imn)

b

g

Die Wichtigkeit des eingef¨ uhrten Homotopiebegriffes zeigt: Cauchyscher Integralsatz 8.1 (1. Homotopiefassung). Es seien γ, γ 1 st¨ uckweise stetig differenzierbare Wege im Gebiet G ⊂ C, die in G bei festen Endpunkten homotop sind. Dann gilt



 f dζ f¨ ur alle f ∈ O(G).

f dζ = γ

γ e

Man beachte, dass die Deformationswege γs , 0 < s < 1, nicht st¨ uckweise stetig differenzierbar sein m¨ ussen.  Die Beweisidee ist schnell erl¨ autert. Man unterteilt I × I so in Rechtecke Iμν , dass die Bilder ψ(Iμν ) in Kreisscheiben ⊂ G liegen (Figur). Nach dem Integralsatz f¨ ur Kreisscheiben sind die Integrale u ¨ber f l¨angs aller ur hinreichend benachbarte DeformationsR¨ ander ∂ψ(Iμν ) null. Daher sind f¨ wege γs , γs die Integrale u ¨ber f gleich (Figur S. 167). – Die technisch etwas m¨ uhseligen Details finden sich in den Abschnitten 8.1.5 und 8.1.6, sie k¨onnen bei erster Lekt¨ ure ausgelassen werden. 8.1.2 Frei homotope geschlossene Wege. Zwei geschlossene Wege γ, γ 1 in X heißen frei homotop in X, wenn es eine stetige Abbildung ψ : I × I → X mit folgenden Eigenschaften gibt: ψ(0, t) = γ(t) und ψ(1, t) = γ 1(t) f¨ ur alle t ∈ I, ψ(s, 0) = ψ(s, 1) f¨ ur alle s ∈ I.

(8.2)

168

8 Der Riemannsche Abbildungssatz

Dann sind alle Deformationswege γs : I → X, t → ψ(s, t) geschlossen; ihre Anfangspunkte durchlaufen in X den Weg δ : I → X, t → ψ(t, 0), Figur. Die Wege γ und δ + γ 1 − δ haben gleichen Anfangs- und Endpunkt. Folgende Aussage ist anschaulich klar:

g g(0)

~ g

gs ~ g(0)

d

Satz 8.2. Sind γ und γ 1 frei homotop in X, so sind die Wege γ und δ + γ 1−δ homotop in X bei festen Endpunkten. Beweis. F¨ ur jedes s ∈ I setze man χs := δ|[0, s] + γs − δ|[0, s]. Man kann so parametrisieren, dass χ : I × I → X, (s, t) → χs (t) stetig und daher eine Homotopie zwischen γ und δ + γ 1 − δ bei festen Endpunkten ist. Cauchyscher Integralsatz 8.3 (2. Homotopiefassung). Es seien γ, γ 1 st¨ uckweise stetig differenzierbare geschlossene Wege im Gebiet G ⊂ C, die in G frei homotop sind. Dann gilt   f dζ = f dζ f¨ ur alle f ∈ O(G) γ e

γ

Der Beweis ist mit den S¨ atzen 8.2 und 8.1 trivial, wenn δ zus¨atzlich st¨ uckweise stetig differenzierbar ist, denn dann gilt:       f dζ = f dζ = f dζ + f dζ − f dζ = f dζ. γ

δ+e γ −δ

δ

γ e

δ

γ e

Den Allgemeinfall beweist man v¨ ollig analog wie Satz 8.1 (vgl. Abschnitte 8.1.5 und 8.1.6, wobei ψ dann eine freie Homotopie“ zwischen γ und γ 1 ist). ” 8.1.3 Nullhomotopie und Nullhomologie. Ein geschlossener Weg γ in G heißt nullhomotop in G, wenn er frei homotop zu einem konstanten Weg (Punktweg) ist. Das gilt wegen Satz 8.2 genau dann, wenn γ in G bei festen Endpunkten zum Punktweg t → γ(0) homotop ist. Mit Satz 8.3 folgt sofort Satz 8.4. Jeder in G st¨ uckweise stetig differenzierbare geschlossene Weg γ, der in G nullhomotop ist, ist nullhomolog in G:  f dζ = 0 f¨ ur alle f ∈ O(G). γ

8.1 Integrals¨ atze f¨ ur homotope Wege

169

Das Innere Int γ eines solchen Weges liegt also in G, vgl. I.9.5.2 Nullhomotopie hat Nullhomologie zur Folge, die Umkehrung gilt indessen nicht. Betrachtet man z.B. in G := C\{−1, 1} die R¨ander γ1 , γ2 , γ3 , γ4 der Kreisscheiben B1 (−1), B1 (1), B2 (−2), B2 (2), jeweils mit 0 als Anfangs- und Endpunkt (Figur), so l¨ asst sich zeigen:

-g

3

-2

g4 -1

g1

-g

2

1

2

Der geschlossene Weg γ := γ1 − γ3 − γ2 + γ4 ist nullhomolog, aber nicht nullhomotop in G. Es ist leicht einzusehen, dass γ nullhomolog in G ist: Int γ = [B2 (−2)\B1 (−1)] ∪ [B2 (2)\B1 (1)] ⊂ G,

(Figur).

Anschaulich leuchtet auch sofort ein, dass γ in G nicht nullhomotop ist: Jede Deformationsabbildung ψ von γ auf einen Punkt muss gewisse Kreisr¨ander γ1 , . . . , γ4 u ¨ber die herausgenommenen Punkte 1 oder −1 hinwegziehen. Ein sauberes Argument ist anspruchsvoller, man kann z.B. wie folgt schließen: Man w¨ ahlt eine um 0 holomorphe Funktion f , die l¨angs jedes Weges in G holomorph fortsetzbar ist, deren Fortsetzung angs γ aber nicht zu f zur¨ uckf¨ uhrt 6 l¨ √ 1 (eine solche Funktion ist z.B. f (z) = log 2 (1 + z) mit f (0) = i log 2]. Nach dem Monodromiesatz ist γ dann nicht nullhomolog in G. Das Argument zeigt, dass die Fundamentalgruppe der 2-fach punktierten Ebene nicht abelsch ist. 8.1.4 Einfach zusammenh¨ angende Gebiete. Ein wegzusammenh¨angender Raum X heißt einfach zusammenh¨ angend, wenn jeder geschlossene Weg in X nullhomotop ist. Das trifft offensichtlich genau dann zu, wenn zwei beliebige Wege in X mit gleichem Anfangs- und Endpunkt stets homotop in X bei festen Endpunkten sind. angt einfach zusammen. Satz 8.5. Jedes Sterngebiet G in C (bzw. Rn ) h¨ Beweis. Sei c ∈ G ein Zentrum in G. Ist γ ein geschlossener Weg in G, so ist die stetige Abbildung

170

8 Der Riemannsche Abbildungssatz

ψ : I × I → G, (s, t) → ψ(s, t) := (1 − s)γ(t) + sc eine freie Homotopie zwischen γ und dem Punktweg c.



Insbesondere h¨ angen alle konvexen Gebiete, speziell also Zahlenebene C und Einheitskreis E, einfach zusammen. – Die Eigenschaft einfach zusam” menh¨angend sein“ ist eine topologische Invariante: oomorphismus, so ist X  genau dann einfach Satz 8.6. Ist X → X  ein Hom¨ zusammenh¨ angend, wenn X es ist. Insbesondere h¨ angt jedes topologisch auf E abbildbare Gebiet in C einfach zusammen. Die (Cauchysche) Funktionentheorie eines Gebiete G ist am einfachsten, wenn G homologisch einfach zusammenh¨ angt, d.h. wenn jeder geschlossene Weg in G nullhomolog in G ist. Mit Satz 8.4 folgt direkt: Satz 8.7. Jedes einfach zusammenh¨ angende Gebiet G in C ist homologisch einfach zusammenh¨ angend. Mit Hilfe dieses Satzes werden wir den Riemannschen Abbildungssatz beweisen; dabei wird sich zeigen, dass auch die Umkehrung des eben notierten Satzes gilt, vgl. 8.18. Sp¨ ater werden wir mit Hilfe der Runge-Theorie noch sehen, dass einfach zusammenh¨ angende Gebiete G in C auch dadurch charakterisiert sind, dass sie keine L¨ ocher (= kompakte Komponenten von C\G) haben, vgl. Abschnitt 13.2.4. Historische Notiz. Riemann hat 1851 den Begriff des einfachen Zusammenhanges eingef¨ uhrt und dessen große Bedeutung f¨ ur viele funktionentheoretische Probleme erkannt; er definiert, [226, S. 9]: Eine zusammenh¨ angende ” Fl¨ ache heißt, wenn sie durch jeden Querschnitt in St¨ ucke zerf¨ allt, eine einfach zusammenh¨ angende.“ Unter Querschnitten versteht er dabei Linien, welche ” von einem Begrenzungspunkt das Innere einfach – keinen Punkt mehrfach – bis zu einem Begrenzungspunkt durchschneiden.“ Es ist anschaulich klar, dass diese Definition in der Tat die einfach zusammenh¨angenden Gebiete beschreibt.

8.1 Integrals¨ atze f¨ ur homotope Wege

171

8.1.5 Reduktion des Integralsatzes 8.1 auf ein Lemma∗ . Wir zeigen zun¨ achst Satz 8.8. Ist ψ : I×I → G stetig, so gibt es Zahlen s0 , s1 , . . . , sm , t0 , t1 , . . . , tn mit 0 = s0 < s1 < · · · < sm = 1 und 0 = t0 < t1 < · · · < tn = 1, so dass f¨ ur jedes Rechteck Iμν := [sμ , sμ+1 ] × [tν , tν+1 ] das ψ-Bild ψ(Iμν ) in einer offenen Scheibe Bμν ⊂ G enthalten ist, 0 ≤ μ < m, 0 ≤ ν < n. Beweis. Wir u ¨berdecken G durch offene Scheiben Bj , j ∈ J. Wegen der Ste¨ von tigkeit von ψ ist die Familie {ψ −1 (Bj ), j ∈ J} eine offene Uberdeckung ¨ I × I (wobei I × I ⊂ R2 die Relativtopologie tr¨agt). Es gibt eine Uberdeckung von I × I durch offene achsenparallele Rechtecke R, so dass R jeweils in einer Menge ψ −1 (Bj ) liegt. Da I × I kompakt ist, wird es bereits von endlich vielen solchen Rechtecken R1 , . . . , Rk u ¨berdeckt. Jedes Rechteck Rκ ist von der Form [σ, σ  ] × [τ, τ  ] mit 0 ≤ σ < σ  ≤ 1, 0 ≤ τ < τ  ≤ 1. Ordnet und nummeriert man alle hier auftretenden σ und τ , so erh¨alt man Zahlen s0 , . . . , sm , t0 , . . . , tn mit 0 = s0 < s1 < · · · < sm = 1 und 0 = t0 < t1 < · · · < tn = 1, so  dass jedes Rechteck Iμν in einer Menge ψ −1 (Bj ) liegt. Es sei nun ψ : I × I → G eine Homotopie zwischen γ und γ 1 mit festen Endpunkten. Wir w¨ ahlen die Rechtecke Iμν und Scheiben Bμν gem¨aß Satz 8.8. Zu jedem f ∈ O(G) existieren Stammfunktionen auf Bμν , die bis auf additive Konstanten bestimmt sind. Durch geschickte Wahl dieser Konstanten l¨asst sich folgendes erreichen: Lemma 8.9. Zu jedem f ∈ O(G) gibt es eine stetige Funktion ϕ : I × I → R und Stammfunktionen Fμν ∈ O(Bμν ) von f |Bμν , so dass gilt ur 0 ≤ μ < m, ϕ|Iμν = Fμν ◦ (ψ|Iμν ) f¨

bzw. 0 ≤ ν < n.

Die Funktionen ϕ(s, 0) und ϕ(s, 1), s ∈ I, sind konstant, insbesondere hat man ϕ(0, 0) = ϕ(1, 0) und ϕ(0, 1) = ϕ(1, 1). Mit diesem Lemma ergibt sich der Integralsatz 8.8 sofort: Es sei γ0 + . . . γn−1 bzw. γ 10 + · · · + γ 1n−1 die Zerlegung des Weges γ bzw. γ 1 in Teilwege, die zur Intervallzerlegung 0 = t0 < t1 < · · · < tn = 1 geh¨ort. Dann gilt:  f dζ = γ

n−1  ν=0 γ ν

 f dζ und

f dζ = γ e

n−1  ν=0

f dζ.

γ eμ

Da γ(t) = ψ(0, t) ⊂ B0ν f¨ ur t ∈ [tν , tν+1 ], und da F0ν eine Stammfunktion von f |B0ν ist, so gilt nach dem Lemma:

172

8 Der Riemannsche Abbildungssatz

 f dζ = F0ν (ψ(0, tν+1 )) − F0ν (ψ(0, tν )) = ϕ(0, tν+1 ) − ϕ(0, tν ), 0 ≤ ν < n. γν

Damit folgt



f dζ = ϕ(0, 1) − ϕ(0, 0). In analoger Weise findet man

γ



f dζ =

γ e

ϕ(1, 1) − ϕ(1, 0). Das Lemma zeigt, dass beide Integrale u ¨bereinstimmen. Bemerkung. Das Lemma ist, wenn man die Theorie der Liftung von Wegen kennt, angs eine spezielle Form des Monodromiesatzes. Ein Stammkeim F1 von f in a wird l¨ aller Wege γs holomorph fortgesetzt. Diese Fortsetzungen sind eine Liftung der Homotopie ψ in den Garbenraum “ O. Nach dem Monodromiesatz f¨ ur Wegeliftungen ” angs aller Wege γs denselben Endkeim Fb . bestimmen die Fortsetzungen von Fa l¨

8.1.6 Beweis von Lemma 8.9∗ . Es sei Fμν ∈ O(Bμν ) irgendeine Stammfunktion von f |Bμν ; 0 ≤ μ < m, 0 ≤ ν < n. Sei μ fixiert. Der Bereich angt zusammen und ist nicht leer (er enth¨alt ψ([sμ , sμ+1 ] × Bμν ∩ Bμ,ν+1 h¨ {tν+1 }); daher unterscheiden sich Fμν und Fμ,ν+1 dort nur um eine Konstante. Durch sukzessive Addition von Konstanten zu Fμ1 , Fμ2 , . . . , Fμ,n−1 kann man somit erreichen, dass Fμν und Fμ,ν+1 auf Bμν ∩ Bμ,ν+1 u ¨bereinstimmen, 0 ≤ ν < n − 1. Setzt man nun ur (s, t) ∈ Iμν , 0 ≤ ν < n, ϕμ (s, t) := Fμν (ψ(s, t)) f¨

(8.3)

uhre diese Konstruktion so ist die Funktion ϕμ stetig auf [sμ , sμ+1 ] × I. Man f¨ f¨ ur alle μ = 0, 1, . . . , m − 1 durch. Die Definitionsmengen von ϕμ und ϕμ+1 haben den Durchschnitt {sμ+1 } × I. Wir behaupten: Es gibt ein cμ+1 ∈ C, so dass ur alle t ∈ I, 0 ≤ μ < m . ϕμ (sμ+1 , t) − ϕμ+1 (sμ+1 , t) = cμ+1 f¨

(8.4)

ur alle t ∈ [tν , tν+1 ]: Beweis von (8.4). Laut Definition von ϕμ gilt f¨ ϕμ (sμ+1 , t) − ϕμ+1 (sμ+1 , t) = Fμν (ψ(sμ+1 , t)) − Fμ+1,ν (ψ(sμ+1 , t)). Da ψ({sμ+1 } × [tν , tν+1 ]) ⊂ Bμν ∩ Bμ+1,ν und da Fμν und Fμ+1,ν Stammfunktionen von f in diesem Gebiet sind, so ist ihre Differenz dort konstant. Also gibt es ein cμν ∈ C, so dass ur t ∈ [tν , tν+1 ], 0 ≤ μ < m, 0 ≤ ν < n. ϕμ (sμ+1 , t) − ϕμ+1 (sμ+1 , t) = cμν f¨ ur alle Da tν+1 ∈ [tν , tν+1 ] ∩ [tν+1 , tν+2 ] so folgt, cμ0 = cμ1 = · · · = cμ,n−1 f¨ μ = 0, . . . , m − 1. Damit ist (8.4) verifiziert. 

8.2 Der Riemannsche Abbildungssatz

Geht man nun von ϕμ zu ϕμ +

μ 

173

cκ u ¨ber, 1 ≤ μ < m, so erh¨alt man,

κ=1

wenn die bisherigen Schreibweisen beibehalten werden: ur t ∈ I, 0 ≤ μ < m. ϕμ (sμ+1 , t) = ϕμ+1 (sμ+1 , t) f¨ Ersetzt man schließlich Fμν durch Fμν +

μ 

cκ , 1 ≤ μ < m, so bleibt (8.3)

κ=1

g¨ ultig. Nun wird durch ur s ∈ [sμ , sμ+1 ], t ∈ I, 0 ≤ μ < m ϕ(s, t) := ϕμ (s, t) f¨ eine auf I × I stetige Funktion gegeben, f¨ ur die gilt: ϕ|Iμν = Fμν ◦ (ψ|Iμν ), 0 ≤ μ < m, 0 ≤ ν < n. Wegen a := ψ(0, 0) = ψ(s, 0), b := ψ(0, 1) = ψ(s, 1) f¨ ur alle s ∈ I folgt f¨ ur s ∈ [sμ , sμ+1 ]: ϕ(s, 0) = ϕμ (s, 0) = Fμ0 (ψ(s, 0)) = Fμ0 (a), ϕ(s, 1) = ϕμ (s, 1)= Fμ,n−1 (ψ(s, 1)) = Fμ,n−1 (b). Die Funktionen ϕ(s, 0) und ϕ(s, 1), s ∈ I sind damit konstant, insbesondere folgt ϕ(0, 0) = ϕ(1, 0) undϕ(0, 1) = ϕ(1, 1).  Bemerkung. Die Beweismethode des Lemmas ist Topologen wohlvertraut. Man zeigt angender Gebiete G, G mit mit ihr, dass die Vereinigung G ∪ G einfach zusammenh¨ angt; allgezusammenh¨ angendem Durchschnitt G ∪ G wieder einfach zusammenh¨ meiner berechnet man mit dieser Methode f¨ ur beliebige Gebiete G, G die Fundamentalgruppe π1 (G ∪ G ), wenn die Gruppen π1 (G), π1 (G ) und π1 (G ∪ G ) bekannt sind (Theorem von Seifert und van Kampen, der interessierte Leser konsultiere W.S. Massey: Algebraic Topology: An Introduction, GTM, Springer 1987, S. 113 ff.).

8.2 Der Riemannsche Abbildungssatz Welche Gebiete G in C lassen sich biholomorph auf die Einheitskreisscheibe E abbilden? Sicher muss G = C gelten, da jede holomorphe Abbildung C → E konstant ist. (Liouville) Da biholomorphe Abbildungen Hom¨oomorphismen sind, und da E einfach zusammenh¨angt, so muss auch G einfach zusammenh¨ angen, (vgl. S¨ atze 8.5 und 8.6. Wir behaupten, dass G keinen weiteren Zw¨ angen unterliegt. Riemannscher Abbildungssatz 8.10. Jedes einfach zusammenh¨ angende Gebiet G = C in der Ebene C ist biholomorph auf die Einheitskreisscheibe E abbildbar.

174

8 Der Riemannsche Abbildungssatz

Man bemerkt, dass die Unbeschr¨ anktheit von G keine Rolle spielt, so sind obere Halbebene H und geschlitzte Ebene C− verm¨oge 2

z−i z+1 ∼ ∼ − und E − → E, z → → C , z → H− z+i z−1 biholomorph ¨ aquivalent zum Einheitskreis.

Da

Allein die topologische Aussage des Abbildungssatzes ist beeindruckend. , C → E, z → z/ 1 + |z|2

eine topologische Abbildung von C auf E ist, so sehen wir: Jedes einfach zusammenh¨ angende Gebiet G in C ist topologisch auf E abbildbar. Speziell sind zwei beliebige einfach zusammenh¨ angende Gebiete in R2 stets hom¨ oomorph (d.h. topologisch aufeinander abbildbar). Die nachstehende Figur zeigt ein einfach zusammenh¨angendes Gebiet, von dem man sich kaum vorstellen kann, dass es topologisch und sogar biholomorph (also winkel- und orientierungstreu) auf E abbildbar ist.

8.2.1 Reduktion auf Q-Gebiete. Der erste Beweisschritt besteht darin, die topologische Eigenschaft des einfachen Zusammenhangs von G durch eine algebraische Eigenschaft des Rings O(G) zu ersetzen. Lemma 8.11. H¨ angt G ⊂ C einfach zusammen, so hat jede Einheit aus O(G) eine Quadratwurzel in O(G) (Quadratwurzel-Eigenschaft).

Beweis. Nach Satz 8.7 h¨ angt G homologisch einfach zusammen. Nach Abschnitt I.9.3.3 haben homologisch einfach zusammenh¨angende Gebiete die Quadratwurzel-Eigenschaft. 

8.2 Der Riemannsche Abbildungssatz

175

Im folgenden wird nur noch die Quadratwurzel-Eigenschaft benutzt. Der topologische Begriff einfach zusammenh¨ angend“ darf zun¨achst vergessen wer” den. (Ist allerdings der Abbildungssatz erst einmal bewiesen, so erweisen sich Quadratwurzel-Eigenschaft und einfacher Zusammenhang als ¨aquivalent, vgl. ¨ Aquivalenzheorem 8.18). – Wir benutzen folgende elementare Invarianzaussage: ∼ die Quadrat→ G biholomorph, so hat mit G auch G Satz 8.12. Ist f : G − wurzel-Eigenschaft.

so ist u := u Beweis. Ist u eine Einheit in O(G), ◦ f eine Einheit in O(G). 2 = v 2 mit v := v ◦ f −1 .  Falls u = v mit v ∈ O(G), so gilt u Um eine bequeme Redeweise zu haben, nennen wir Gebiete G in C mit 0 ∈ G, welche die Quadratwurzel-Eigenschaft haben, kurz Q-Gebiete. Der Riemannsche Abbildungssatz ist dann in folgender Aussage enthalten: Satz 8.13. Jedes Q-Gebiet G = C ist biholomorph auf E abbildbar. Der Beweis dieses Satzes wird in den n¨ achsten drei Abschnitten gef¨ uhrt. Die wesentlichen Hilfsmittel sind ´odory und Koebe zur¨ - ein auf Carathe uckgehender Quadratwurzel” trick“, - der Satz von Montel - der Injektionssatz von Hurwitz cz − 1), - die involutorischen Automorphismen gc : E → E, z → (z − c)/(¯ c ∈ E. 8.2.2 Existenz holomorpher Injektionen. Zu jedem Q-Gebiet G = C gibt es eine holomorphe Injektion f : G → E mit f (0) = 0. Beweis. Sei a ∈ C\G. Dann ist z − a eine Einheit in O(G), es gibt also ein v ∈ O(G) mit v(z)2 = z − a. Die Abbildung v : G → C ist injektiv. Es gilt v(G) ∩ (−v)(G) = ∅,

(8.5)

denn g¨ abe es Punkte b, b ∈ G mit v(b) = −v(b ), so w¨are b − a = v(b)2 =  2 v(b ) = b − a, also b = b also v(b) = 0, was wegen b = a nicht m¨oglich ist. Da (−v)(G) nicht leer und offen ist, gibt es wegen (8.5) eine Kreisscheibe B = Br (c), r > 0, so dass (−v)(G) ⊂ C\B. Da C\B verm¨oge

1 1 1 − g(z) := r · 2 z − c v(0) − c injektiv in E abgebildet wird, so leistet f := g ◦ v das Gew¨ unschte.



176

8 Der Riemannsche Abbildungssatz

Eine wesentliche Verallgemeinerung des Injektionssatzes geben wir in Abschnitt 13.2.4. Die Aussage ist f¨ ur Gebiete, deren Komplement innere Punkte c hat, nicht aufregend: dann f¨ uhren Abbildungen z → ε(z − c)−1 , ε > 0 klein, sofort zum Ziel. In allen F¨ allen, wo C\G ohne innere Punkte ist (Schlitzbereiche, z.B. C− ), liefert der Quadratwurzeltrick“ die einfachsten konformen Abbildungen auf Gebiete, ” die Kreisscheiben im Komplement enthalten. Dieser Trick stammt von P. Koebe, der bereits 1912 bemerkte, dass jede holomorphe Quadratwurzel aus einer Einheit (z − a)/(z − b) ∈ O(G), wobei a, b ∈ ∂G, a = b, ein Bildgebiet vermittelt, dessen Komplement innere Punkte hat. [143, S. 845]

8.2.3 Existenz von Dehnungen. Ist G ein Gebiet mit 0 ∈ G ⊂ E, so heißt jede holomorphe Injektion κ : G → E, f¨ ur die gilt κ(0) = 0 und |κ(z)| > |z| f¨ ur alle z ∈ G\0, eine (echte) Dehnung von G in E (bez¨ uglich des Nullpunktes). Wir konstruieren Dehnungen als Umkehrabbildungen von Kontraktionen. Wir bezeichnen mit j die Quadratabbildung E → E, z → z 2 , und machen vorab eine simple, aber nicht naheliegende Bemerkung: Jede Abbildung ψc : E → E, z → (gc2 ◦ j ◦ gc )(z), wo c ∈ E, ist echt kontraktiv : ur alle z ∈ E\{0}. (8.6) ψc (0) = 0, |ψc (z)| < |z| f¨ Beweis. Klar nach Schwarz, da ψc wegen j ∈ Aut E keine Drehung um 0 ist.  Lemma 8.14 (Quadratwurzel-Verfahren). Es sei G ⊂ E ein Q-Gebiet, es sei c ∈ E mit c2 ∈ G. Es sei v ∈ O(G) die Quadratwurzel aus gc2 |G ∈ O(G) mit v(0) = c. Dann ist die Abbildung κ : G → E, z → gc (v(z)) eine Dehnung von G. Es gilt (8.7) idG = ψc ◦ κ. Beweis. Da gc2 nullstellenfrei in G ist und da gc2 (0) = c2 , so sind v und wegen v(G) ⊂ E auch κ wohldefiniert. Es gilt κ(G) ⊂ E und κ(0) = gc (v(0)) = gc (c) = 0. Wegen gc ◦ gc = idE und j ◦ v = gc2 folgt ψc ◦ κ = gc2 ◦ j ◦ gc ◦ gc ◦ v = gc2 ◦ gc2 = idG . Mithin ist κ : G → E injektiv, wegen (8.6) gilt |z| = |ψc (κ(z))| < |κ(z)| f¨ ur alle z ∈ G mit κ(z) = 0, also f¨ ur alle z ∈ G\0.  Bemerkungen. Dass man Quadratwurzeln zur Konstruktion von Dehnungen √ benutzt, u ¨berrascht kaum, da x → x eine einfache Dehnung des Invervalles [0, 1) ist. 

8.2 Der Riemannsche Abbildungssatz

Die Hilfsfunktion“ ψc l¨ asst sich explizit angeben: ”

z−b 2c ∈ E. mit b := ψc (0) = ψc (z) = z 1 + |c|2 bz − 1

177

(8.8)

Der Leser f¨ uhre die Rechnung durch. Wegen (8.7) folgt insbesondere κ (0) =

1 + |c|2 . 2c

(8.9)

Die Abbildung ψc ist eine endliche Abbildung von E auf sich vom Abbildungsgrad 2, vgl. Abschnitte 9.3.2 und 9.4.4. Historische Notiz. Die Kontraktion ψc wurde 1909 von Koebe geometrisch ´odory schreibt eingef¨ uhrt und als Majorante benutzt, [142, S. 209]. Carathe sie 1912 explizit hin [33, S. 401], er normiert durch ψc (0) > 0. Die Funktion ´odory-Koebe-Theorie“ wiederψc wird uns im Anhang bei der Carathe ” begegnen. 8.2.4 Existenzbeweis mittels eines Extremalprinzips. Q-Gebiet, so ist die Familie

Ist G = C ein

F := {f ∈ O(G) : f bildet G injektiv in E ab, f (0) = 0} nach Abschnitt 8.2.2 nicht leer. Jedes f ∈ F bildet G biholomorph auf f (G) ⊂ E ab (Biholomorpiekriterium I.9.4.1). Die Funktionen aus F mit f (G) = E lassen sich u ¨berraschend einfach durch eine Extremaleigenschaft kennzeichnen. Satz 8.15. Es sei G = C ein Q-Gebiet, es sei p = 0 ein fester Punkt aus G. Dann gilt h(G) = E f¨ ur jede Funktion h ∈ F mit |h(p)| = sup{|f (p)| : f ∈ F}.

(8.10)

Beweis. Wegen Satz 8.12 ist mit G auch h(G) ⊂ E ein Q-Gebiet. W¨are h(G) = E, so existiert nach Lemma 8.14 eine Dehnung κ : h(G) → E. Es gilt g := κ ◦ h ∈ F. Da h(p) = 0 wegen der Injektivit¨at von h, so folgt |g(p)| = |κ(h(p))| > |h(p)|. Widerspruch!  Nunmehr l¨ asst sich Satz 8.13 schnell beweisen. Sei p ∈ G\{0} fixiert. Da F nicht leer ist, so gilt μ := sup{|f (p)| : f ∈ F } > 0. Wir w¨ahlen eine Folge f0 , f1 , . . . in F mit lim |fn (p)| = μ. Da F beschr¨ankt ist, so konvergiert nach Montel eine Teilfolge hj der Folge fn in G kompakt gegen eine Funktion h ∈ O(G). Es gilt h(0) = 0 und |h(p)| = μ. Da h wegen μ > 0 nicht konstant ist, so ist h nach dem Hurwitzschen Injektionssatz (7.18) eine Injektion h :

178

8 Der Riemannsche Abbildungssatz

G → E. Es folgt h ∈ F. Nach obigem Satz gilt h(G) = E. Somit ist h : G → E biholomorph. Damit ist Satz 8.13 und also auch der Riemannsche Abbildungssatz bewiesen.  Hinweis. Das benutzte Extremalprinzip wird besser verstanden, wenn man all∼ → E mit h(0) = 0 unter gemein bemerkt, dass biholomorphe Abbildungen h : G − allen holomorphen Abbildungen f : G → E mit f (0) = 0 durch folgende Extremaleigenschaften charakterisiert sind (man wende das Schwarzsche Lemma auf f ◦ h−1 an): Es gilt |h(z)| ≥ |f (z)| f¨ ur alle z ∈ G: Besteht Gleichheit f¨ ur einen Punkt p = 0, ∼ → E biholomorph. so ist f : F − ∼

→E Geht man also erst einmal davon aus, dass biholomorphe Abbildungen G − existieren, so muss man unter allen holomorphen Abbildungen f : G → E mit f (0) = 0 solche suchen, f¨ ur die |f (p)| maximal ist.

8.2.5 Zur Eindeutigkeit der Abbildungsfunktion. Mit dem Schwarz´ zur¨ schen Lemma allein erh¨ alt man den auf Poincare uckgehenden Eindeutigkeitssatz 8.16. Es seien h, h biholomorphe Abbildungen eines Gebietes G auf E, es gebe einen Punkt a ∈ G, so dass h(a) = h(a) und h (a) > 0. Dann gilt bereits h = h. h (a)/

Beweis. Sei b := h(a). Falls b = 0, so gilt f := h ◦ h−1 ∈ Aut E mit f (0) = 0, f  (0) = h (a)/h (a) > 0. Nach Schwarz folgt f = id, also h = h. Falls b = 0, so setze man g := −gb , h1 := g ◦ h, h1 := g ◦ h. Dann liegt der h = h.  bereits behandelte Fall vor: es folgt: h1 = h1 , also Man hat nun den folgenden Existenz- und Eindeutigkeitssatz 8.17. Ist G = C einfach zusammenh¨ angend, so existiert zu jedem Punkt a ∈ G genau eine biholomorphe Ab∼ → E mit h(a) = 0 und h (a) > 0. bildung h : G −

Beweis. Es ist nur die Existenz von h nachzuweisen. Nach Riemann existiert ∼ → E. F¨ ur h2 := gc ◦ h1 mit c := h1 (a) eine biholomorphe Abbildung h1 : G − ur h := eiϕ h2 mit eiϕ := |h2 (a)|/h2 (a) gilt dann h(a) = 0 folgt h2 (a) = 0. F¨ und h (a) > 0.

8.2 Der Riemannsche Abbildungssatz

179

¨ 8.2.6 Aquivalenztheorem. Satz 8.18. Folgende Aussagen u aquivalent: ¨ber ein Gebiet G in C sind ¨ i) G ist homologisch einfach zusammenh¨ angend. ii) Jede in G holomorphe Funktion ist integrabel in G. iii) F¨ ur alle f ∈ O(G) und jeden geschlossenen Weg γ in G gilt:  1 f (ζ) dζ, z ∈ G\|γ|. indy (z)f (z) = πi ζ −z γ

iv) Das Innere Int γ eines jeden geschlossenen Weges γ in G liegt in G. v) Jede Einheit in O(G) besitzt einen holomorphen Logarithmus in G. vi) Jede Einheit in O(G) besitzt eine holomorphe Quadratwurzel in G. vii) Es gilt G = C oder G ist biholomorph auf E abbildbar. viii) G ist topologisch auf E abbildbar. ix) G ist einfach zusammenh¨angend. ¨ Beweis. Die Aquivalenzen i) bis vi) sind aus Abschnitt I.9.5.4 bekannt. – vi) ⇒ vii). Das ist Satz 8.13 (wobei 0 ∈ G jetzt unwesentlich ist). – vii) ⇒ viii) ⇒ ix) trivial (man beachte die Einleitung zu diesem Paragraphen und die S¨atze 8.5 und 8.6. – ix) ⇒ i). Das ist Satz 8.7.  ¨ Das Aquivalenztheorem ist ein zentraler Punkt der Funktionentheorie. Es erweisen sich als gleichbedeutend - topologische Aussagen (einfach zusammenh¨angend) - analytische Aussagen (Cauchysche Integralformel) - algebraische Aussagen (Quadratwurzel-Existenz) Jede dieser Aussagen beinhaltet, dass man in Wahrheit C oder E vor sich hat. ¨ l¨ asst sich noch erheblich auf nicht triviale Die Liste der neun Aquivalenzen Weise verl¨ angern. So kann man ihr noch anf¨ ugen: x) G hat keine L¨ ocher. xi) Jede Funktion aus O(G) ist in G kompakt durch Polynome approximierbar ( Runge-Gebiet). xii) G ist bzgl. Aut G homogen, und es gilt G  C× . xiii) Es gibt einen Punkt a ∈ G mit nicht endlicher Isotropiegruppe Auta G. xiv) F¨ ur G gilt der Monodromiesatz.

¨ ¨ Die Aquivalenzen ix), x) und xi) werden im Abschnitt 13.2.4 bewiesen. Die Aquivalenz xii) ⇔ ix) wird f¨ ur beschr¨ ankte Gebiete mit glatten Randst¨ ucken“ in Ab” ¨ schnitt 9.1.3 gezeigt. Die letzten beiden Aquivalenzen werden nicht weiter verfolgt.

180

8 Der Riemannsche Abbildungssatz

8.3 Zur Geschichte des Riemannschen Abbildungssatzes Mit der Geschichte des Riemannschen Abbildungssatzes sind die Namen vieler Mathematiker unl¨ osbar verbunden: ´odory, Courant, Feje ´r, Hilbert, Koebe, Carathe Riemann, Riesz, Schwarz, Weierstrass. Es gibt drei verschiedene Wege, den Satz zu beweisen: man benutzt - das Dirichletsche Prinzip, - Methoden der Potentialtheorie, ´r-Riesz. - das Extremalprinzip von Feje Wir beschreiben die wichtigsten Stationen, die bei diesen Beweisans¨atzen durchlaufen wurden. 8.3.1 Riemanns Dissertation. Riemann hat den Abbildungssatz 1851 in seiner Dissertation ausgesprochen und einen Beweis skizziert, der auf beschr¨ ankte Gebiete G mit st¨ uckweise glattem Rand zugeschnitten ist, [226, S. 40]. Er benutzt eine Beweismethode, die das Problem der Existenz einer biho∼ → E mit dem Dirichletschen Randwertproblem lomorphen Abbildung G − f¨ ur harmonische Funktionen verkn¨ upft. Das Randwertproblem l¨ost Riemann mit Hilfe des Dirichletschen Prinzips, das die gesuchte Funktion als diejenige Funktion ϕ(x, y) mit vorgegebenen Randwerten charakterisiert, f¨ ur welche das Dirichletsche Integral  (ϕ2x + ϕ2y )dxdy G

einen kleinstm¨ oglichen Wert hat. Riemanns revolution¨are Ideen werden von seinen Zeitgenossen nicht angenommen, die Zeit ist noch nicht reif. Es fehlt ein Bewusstsein daf¨ ur, dass der Abbildungssatz ein Existenzsatz ist. Erst nach seinem Tod findet Riemann in H.A. Schwarz, L. Fuchs und vor allem F. Klein beredte Anh¨ anger, vgl. F. Klein: Riemann und seine Bedeutung f¨ ur die Entwicklung der modernen Mathematik, Vortrag gehalten 1894, Ges. Math. Abh. 3, 482-497. Wie hat die philosophische Fakult¨ at der ehrw¨ urdigen Georgia Augusta zu G¨ ottingen Riemanns Dissertation beurteilt? Dar¨ uber berichtet H. Schering in einem am 1. Dez. 1866 vor der G¨ ottinger Akademie gehaltenen Nachruf Zum Ged¨ achtnis an B. Riemann, der erst 1909 in Scherings Ges. Math. Werke 2, S. 375, Verlag Mayer und M¨ uller Berlin, ver¨ offentlicht wurde. Dieser Nachruf war bislang kaum bekannt, erst k¨ urzlich erschien er in der von R. Narasimhan besorgten Neuausgabe von Riemanns Werken, S. 828–847, Springer und Teubner 1990, vgl. insbes. S. 836. Wir drucken auf Seite 182 mit freundlicher Genehmigung des Universit¨ atsarchivs G¨ ottingen Teile der Riemann-Akte Nr. 135 ab. Der Dekan der Fakult¨ at, Ewald

8.3 Zur Geschichte des Riemannschen Abbildungssatzes

181

(1803–1875 evangelischer Theologe, Orientalist und Politiker, einer der G¨ ottinger Sieben), bittet Gauss um ein Gutachten; die Spectabilit¨ at findet das Latein im dem ” Gesuche und der Vita [von Riemann] ungelenk und kaum ertr¨ aglich.“ Gauss geht in seiner knappen Stellungnahme mit keiner Silbe auf den Inhalt der Arbeit ein. Der als lobkarg bekannte Referent spricht aber von gr¨ undlichen und tief eindringenden Stu” dien in demjenigen Gebiete, welchem der darin behandelte Gegenstand angeh¨ ort“, von strebsamen ¨ acht mathematischen Forschungsgeiste“ und von r¨ uhmlicher pro” ductiver Selbstth¨ atigkeit.“ Er meint der gr¨ oßte Theil der Leser m¨ ochte wohl in ” einigen Theilen noch eine gr¨ oßere Durchsichtigkeit der Anordnung w¨ unschen“; er fasst aber zusammen: Das Ganze ist eine gediegene werthvolle Arbeit, das Maaß ” der Anforderungen, welche man gew¨ ohnlich an Probeschriften zur Erlangung der Doctorw¨ urde stellt, nicht bloß erf¨ ullend, sondern weit u adikat ¨berragend.“ Ein Pr¨ schl¨ agt Gauss nicht vor, ein Drittel seines Schreibens handelt von einem ihm genehmen, nicht zu fr¨ uhen Nachmittagstermin f¨ ur das Rigorosum.

8.3.2 Fr¨ uhgeschichte. 1870 entzog Weierstrass durch seine Kritik am Dirichletschen Prinzip dem Riemannschen Beweis zun¨achst den Boden, indem er an Beispielen zeigte, dass die Existenz einer Minimalfunktion keineswegs sicher ist, [271]. Um die Jahrhundertwende entkr¨aftete Hilbert diese Kritik durch einen strengen Beweis des Dirichletschen Prinzips in dem von Riemann ben¨ otigten Umfang, [119, 10–14, 15–37], seitdem geh¨ort es wieder zu den m¨ achtigen Hilfsmitteln der klassischen Analysis, vgl. auch [119, 73–80], und die Dissertation [48] von R. Courant aus dem Jahre 1910. In der Zwischenzeit waren andere Methoden entwickelt worden. C. Neumann und H.A. Schwarz ersannen um 1870 das sog. alternierende Verfahren, vgl. hierzu die Enzyklop¨ adieartikel [163] und [17] von L. Lichtenstein und L. Bieberbach, insbes. [163, § 48]. Das alternierende Verfahren erlaubt es, die Randwertaufgabe der Potentialtheorie f¨ ur Gebiete zu l¨osen, welche die Vereinigung von Gebieten sind, f¨ ur die L¨ osbarkeit der Randwertaufgabe schon feststeht.

182

8 Der Riemannsche Abbildungssatz

8.3 Zur Geschichte des Riemannschen Abbildungssatzes

183

Mittels dieser Methode, die u ¨berdies das Poissonsche Integral und das Schwarzsche Spiegelungsprinzip heranzieht, gelangte Schwarz zu Resultaten, die schließlich in folgendem Satz gipfelten, [250, 2. Band], passim: Ist G ein einfach zusammenh¨ angendes Gebiet, das von endlich vielen reell analytischen Wegen berandet wird, die sich unter von 0 verschiedenen Winkeln schneiden, so gibt es eine topologische Abbildung von G auf E, die biholomorph G auf E abbildet. Aussagen dieser Art galten zu Schwarz’ Zeiten als die schwierigsten der ganzen Analysis. - Einfach zusammenh¨ angende Gebiete mit beliebigem Rand wurden erstmals 1900 von W.F. Osgood behandelt, [191]; die Osgoodsche Untersuchung fußt auf vorangegangenen Entwicklungen von Schwarz und ´. Poincare 8.3.3 Von Carath´ eordory-Koebe zu Fej´ er-Riesz. Der Beweis in den Abschnitten 8.2.2 bis 8.2.4 ist ein Amalgam aus Ideen von C. Ca´odory, P. Koebe, L. Feje ´r und F. Riesz. Alle bis 1912 bekannten rathe Beweisanordnungen benutzen den Umweg u ¨ber die L¨osung des (reellen) Rand´odory hatte 1912 wertproblems f¨ ur die Potentialgleichung Δu = 0. Carathe die gl¨ uckliche Idee, bei gegebenem Gebiet G den Einheitskreis E durch iterierte Quadratabbildungen f1 , f2 , . . . auf eine Folge von Riemannschen Fl¨achen abzubilden, deren Kern“ gegen G konvergiert; die Folge fn selbst konvergiert ” ∼ → G, vgl. [42, 400– dann kompakt gegen eine biholomorphe Abbildung f : E − 405] und Satz VI, S. 390. So wurde erstmals mit verh¨altnism¨aßig einfachen, rein funktionentheoretischen Mitteln die Abbildungsfunktion durch ein re” kurrentes Verfahren“ gewonnen, das bei jedem Schritt nur die Aufl¨osung von Gleichungen ersten und zweiten Grades verlangt“ (loc. cit. S. 365). Koebe ´odory weitgekonnte sofort die Riemannschen Hilfsfl¨ achen bei Carathe hend eliminieren [143, 144]; so entstand ein sehr durchsichtiger konstruktiver Beweis f¨ ur den Fundamentalsatz der konformen Abbildung. Die im Lemma 8.14 beschriebene Konstruktion von Dehnungen spielt die zentrale Rolle, [144, ´odory-Koebe-Theorie im An184–185]. Wir werden diese sch¨ one Carathe hang zu diesem Kapitel im einzelnen darstellen und dabei auch n¨aher auf den Wettstreit“ zwischen diesen beiden Mathematikern eingehen. ” ´r und F. Riesz, dass sich die gesuchte Rie1922 erkannten L. Feje mannsche Abbildungsfunktion als L¨ osung eines Extremalproblems f¨ ur Ableitungen gewinnen l¨ asst. Ihren verbl¨ uffend kurzen Beweis ließen sie durch ´ in der gerade gegr¨ T. Rado undeten ungarischen Zeitschrift Acta Szeged ´ eine gute Seite, [223, 241– ver¨ offentlichen. Zur Darstellung ben¨ otigt Rado ´odory242]; bei diesem Existenzbeweis reinsten Wassers“ hat die Carathe ” Koebesche-Quadratwurzeltransformation Pate gestanden.

184

8 Der Riemannsche Abbildungssatz `r und Riesz betrachten beschr¨ Feje ankte Q-Gebiete G und zeigen: ∼

→ Bρ (0) mit h(0) = 0 Es gibt ein ρ > 0 und eine biholomorphe Abbildung h : G − und h (0) = 1. Den Schl¨ ussel zum Beweis bildet die (nicht leere) Familie H := {f ∈ O(G) : f ist beschr¨ ankt und injektiv, f (0) = 0, f  (0) = 1}. Zu ρ := inf{|f |G , f ∈ H} < ∞ existiert eine in G beschr¨ ankte Folge fj ∈ H mit lim |fj |G = ρ. Eine Teilfolge konvergiert nach Montel in G kompakt gegen ein h ∈ O(G). Es gilt h(0) = 0, h (0) = 1 und |h|G = ρ. Nach Hurwitz ist at von h ist h : G → Bρ (0) injektiv, speziell folgt h ∈ H und ρ > 0. Die Surjektivit¨ ´r nun der springende Punkt: unter der Annahme h(G) = Bρ (0) konstruieren Feje ´odory und Koebe und Riesz mit Hilfe der Quadratwurzel-Methode von Carathe at von ρ widerspricht. eine Funktion b h ∈ H mit |b h|G < ρ, was der Minimalit¨

´r und Riesz m¨ 8.3.4 Der finale Beweis von Carath´ eodory. Feje ussen zum Nachweis von h (0) = 1 explizit Ableitungen ausrechnen, vgl. [223, 241– ´r-Rieszschen Beweises 242]. A. Ostrowki hat 1929 eine Variante des Feje ver¨ offentlicht, bei der s¨ amtliche Rechnungen – auch die Berechnung der Null” punktsableitung der Abbildungsfunktion – vermieden werden“, [197, 17–19]. Ostrowski arbeitet mit der Familie F aus Abschnitt 8.2.4 und bemerkt zun¨ achst (Ersatz f¨ ur Satz 8.15): Ist G = C ein Q-Gebiet, so gilt h(G) = E f¨ ur jede Funktion h ∈ F mit |h (0)| = sup{|f  (0)| : f ∈ F}.

(8.11)

Zu jedem g ∈ F mit f (G) = E gibt es n¨ amlich nach Lemma 8.14 eine Dehnung g  (0)| > |g  (0)| f¨ ur κ : g(G) → E. Da |κ (0)| > 1 (vgl. Anhang 8.5.1), so folgt |b gb := κ ◦ g ∈ F|. - Die Existenz einer (8.11) gen¨ ugenden Funktion h ∈ F folgt nun wieder daraus, dass es nach Montel eine Folge hj ∈ F mit lim |hj (0)| = μ := sup{|f  (0)| : f ∈ F} gibt, die kompakt gegen ein h ∈ O(G) konvergiert. Dann gilt |h (0)| = μ. Da μ > 0 wegen F = 0, so folgt h ∈ F nach Hurwitz.

Als Ostrowski seinen Beweis publizierte, wusste er nicht, dass Ca´odory kurz vorher, 1928, im schwer zug¨anglichen Bulletin of the Calrathe cutta Mathematical Society eine Variante mitgeteilt hatte, die g¨anzlich frei von Ableitungen ist: . . . durch eine geringe Modifikation in der Wahl des Va” ´r-Rieszschen-Beweis noch wesentlich riationsproblems [kann man] den Feje vereinfachen“ [33, 300–301]. Wir haben in den Abschnitten 8.2.2 bis 8.2.4 diese Caratheodorysche Fassung dargestellt. Es ist der eleganteste Beweis des Riemannschen Abbildungssatzes. In der g¨ angigen Literatur hat sich indessen die Ostrowskische Version bis in die Gegenwart hinein vor der Caratheodoryschen behauptet; eine Ausnahme macht das 1985 erschienene Lehrbuch [181] von R. Narasimhan. ´odory hat zur Geschichte der Beweise des Abbildungssatzes Carathe 1928 folgendes geschrieben [33, S. 300]: Nachdem die Unzul¨anglichkeit des ”

8.3 Zur Geschichte des Riemannschen Abbildungssatzes

185

urspr¨ unglichen Riemannschen Beweises erkannt worden war, bildeten f¨ ur viele Jahrzehnte die wundersch¨ onen, aber sehr umst¨andlichen Beweismethoden, die H.A. Schwarz entwickelt hatte, den einzigen Zugang zu diesem Satze. Seit etwa zwanzig Jahren sind dann in schneller Folge eine große Reihe von neuen k¨ urzeren und besseren Beweisen [von ihm selbst und von Koebe] vor´r geschlagen worden; es war aber den ungarischen Mathematikern L. Feje und F. Riesz vorbehalten, auf den Grundgedanken von Riemann zur¨ uckzukehren und die L¨ osung des Problems der konformen Abbildung wieder mit der L¨ osung eines Variationsproblems zu verbinden. Sie w¨ahlten aber nicht ein Variationsproblem, das, wie das Dirichletsche Prinzip, außerordentlich schwer zu behandeln ist, sondern ein solches, von dem die Existenz einer L¨osung feststeht. Auf diese Weise entstand ein Beweis, der nur wenige Zeilen lang ist, und der auch sofort in allen neueren Lehrb¨ uchern aufgenommen worden ist“. ´r-Rieszsche Beweis bereits 1927 im BieberIn der Tat finde sich der Feje bachschen Lehrbuch der Funktionentheorie, Band 2, S. 5. Die alten Beweise gerieten in Vergessenheit. 8.3.5 Historisches zur Eindeutigkeit und zum Randverhalten. Riemann hat in seiner Dissertation nicht nur die Existenz der konformen Abbil∼ → G2 zwischen einfach zusammenh¨angenden Gebieten G1 , G2 dung f : G1 − behauptet, sondern dar¨ uber hinaus erkl¨ art, dass sich f als topologische Abbil∼ → G2 w¨ ahlen l¨ asst, d. h. dass f insbesondere die R¨ander ∂G1 , ∂G2 dung G1 − topologisch aufeinander bezieht (f¨ ur Riemann sind alle R¨ander st¨ uckweise glatt). Riemann hatte auch genaue Vorstellungen dar¨ uber, wann f eindeutig bestimmt ist, er schreibt, [226, S. 40]: Zu Einem innern Punkte und zu Einem Begrenzungspunkte [kann] der ” entsprechende beliebig gegeben werden; dadurch aber ist f¨ ur alle Punkte die Beziehung bestimmt.“ ´ hat 1884 einen Unit¨ Poincare atssatz bewiesen, der u ¨ber die Existenz der Abbildung auf dem Rand von G nichts voraussetzt, vgl. Lemme fondamental ´s Lemma ist – in heutiger Sprache – nichts anderes [212, S. 327]. Poincare als der Eindeutigkeitssatz 8.16; unser Beweis ist im wesentlichen derselbe wie ´ (loc. cit. S. 327/28). – Das Problem der Unit¨at hat in der der bei Poincare Geschichte der Theorie der konformen Abbildung eine wichtige Rolle gespielt. ´odory durch die Feststellung, dass f¨ 1912 hat Carathe ur den Eindeutigkeitssatz letzten Endes das Schwarzsche Lemma urs¨achlich ist, [33, 362–365], den Dingen den eleganten Schliff gegeben. Schwarz hat 1869 das Problem der konformen Abbildung eines Gebietes auf einen Kreis scharf getrennt vom Problem der stetigen Fortsetzung dieser ´odory hat das Fortsetzungsproblem ab Abbildung auf den Rand. Carathe 1913 studiert und seine scharfsinnige Theorie der Primenden entwickelt, vgl.

186

8 Der Riemannsche Abbildungssatz

hierzu die ersten drei Arbeiten im Band 4 seiner Gesammelten Mathematischen Schriften. Um die H¨ ohepunkte der Fortsetzungstheorie zu formulieren, betrachten wir eine biholomorphe Abbildung f : E → G auf ein beschr¨anktes Gebiet G. Als erstes zeigt man folgendes Fortsetzungslemma 8.19. Die Abbildung f ist genau dann zu einer stetigen Abbildung von E nach G fortsetzbar, wenn der Rand von G ein geschlossener Weg ist (d.h. wenn es eine stetige Abbildung ϕ : ∂E → C mit ϕ(∂E) = ∂G gibt). Mit Hilfe dieses Lemmas erh¨ alt man das Theorem von Carath´ eodory 8.20. Die Abbildung f : E → G ist genau dann zu einer topologischen Abbildung von E nach G fortsetzbar, wenn der Rand von G eine geschlossene Jordan-Kurve ist (d.h. wenn eine topologische Abbildung ϕ : ∂E → C mit ϕ(∂E) = ∂G existiert). Eine einfache Folgerung ist das Theorem von Schoenflies u ¨ber JordanKurven, welches nichts mit Funktionentheorie zu tun hat: Jede topologische Abbildung einer Jordan-Kurve auf eine andere ist zu einer topologischen Abbildung von C auf sich fortsetzbar. N¨ aheres zu dieser Theorie findet man im Buch [215]. 8.3.6 Ausblick auf mehrere Ver¨ anderliche. Es gibt keine naheliegende Verallgemeinerung des Riemannschen Abbildungssatzes auf einfach-zusammenh¨ angende Gebiete im Cn , n > 1, selbst nicht im Fall n = 2. Dizylinder {(w, z) ∈ C2 : |w| < 1; |z| < 1} und Hyperkugel {(w, z) ∈ C2 : |w|2 + |z|2 < 1} sind nat¨ urliche Analoga zur Einheitskreisscheibe; beide Gebiete sind topologisch 4-dimensionale Zellen, also gewiss einfach-zusammenh¨angend. Doch hat ´ bereits 1907 gezeigt: Poincare Es gibt keine biholomorphe Abbildung der Hyperkugel auf den Dizylinder. Einfache Beweise findet man in [137, S. 8] und in [225, S. 24]. Es gibt sogar Familien von beschr¨ ankten Holomorphiegebieten Gt , t ∈ R, mit u ¨berall reell analytischen R¨ andern ∂Gt , so dass alle Gebiete Gt diffeomorph zur 4-dimensionalen Zelle sind, dass aber zwei Gebiete Gt , Get nur dann biholomorphe ¨ aquivalent sind, falls t = 1 t. Positive Aussagen lassen sich gewinnen, wenn man die Automorphismen der Gebiete ins Spiel bringt. So hat z.B. E. Cartan 1935 gezeigt, [42]: Jedes beschr¨ ankte homogene Gebiet im C2 ist biholomorph abbildbar entweder auf die Hyperkugel oder auf den Dizylinder. Ab n ≥ 3 wird auch bei beschr¨ ankten homogenen Gebieten die Situation komplizierter.

8.4 Isotropiegruppen einfach zusammenh¨ angender Gebiete

187

8.4 Isotropiegruppen einfach zusammenh¨ angender Gebiete Die Automorphismengruppe Aut G aller biholomorphen Abbildungen eines Gebietes G auf sich enth¨ alt wichtige Informationen u ¨ber die Funktionentheoochstens dann biholomorph aufeinander rie von G. Zwei Gebiete G, G sind h¨ abbildbar, wenn ihre Gruppe Aut G, Aut G isomorph sind. Neben Automorphismen studiert man innere Abbildungen von G, das sind holomorphe Abbildungen von G in sich. Die Menge Hol G aller inneren Abbildungen von G ist bez¨ uglich der Komposition von Abbildungen eine Halbgruppe mit Aut G als Untergruppe. F¨ ur jeden Punkt a ∈ G ist die Menge Hola G aller inneren Abbildungen von G mit a als Fixpunkt eine Unterhalbgruppe von Hol G. Die Menge Auta G der Automorphismen von G mit Fixpunkt a ist eine Untergruppe von Hola G; ur das Studium von man nennt Auta G auch die Isotropiegruppe von G zu a. F¨ Hola G und Auta G ist die Abbildung σ : Hola G → C, f → f  (a) fundamental. Sie ist multiplikativ (Kettenregel): (f ◦ g) (a) = f  (a)g  (a), f, g ∈ Hola G, insbesondere induziert σ einen Homomorphismus Auta G → C× der Gruppe Auta G in die multiplikative Gruppe C× . Im Abschnitt 8.4.1 beschreiben wir σ f¨ ur vier spezielle Gebiete. Im Abschnitt 8.4.2 wird σ f¨ ur einfach zusammenh¨angende Gebiete = C untersucht. Die Hilfsmittel dabei sind der Riemannsche Abbildungssatz und das Schwarzsche Lemma, das wir in folgender Form benutzen: ur g ∈ Hol0 E und Aut0 E = {g ∈ Hol0 E : Satz 8.21. Es gilt |g  (0)| ≤ 1 f¨ |g  (0)| = 1}. Die Abbildung Aut0 E → S 1 , g(z) → g  (0) ist ein GruppenIsomorphismus. 8.4.1 Beispiele. 1) Da Auta C = {z → uz + a(1 − u) : u ∈ C× }, so ist σ : Auta C → C× ein Isomorphismus. 2) Da Auta C× = {idC× , z → a2 /z}, so ist σ : Auta C× → C× injektiv, die Bildgruppe ist die zyklische Gruppe {1, −1} der Ordnung 2. 3) Wegen Satz 8.21 ist σ : Aut0 E → C× injektiv, die Bildgruppe ist die Kreisgruppe S 1 . := E\{ 1 ζ, 1 ζ 2 , . . . , 1 ζ m }. 4) Sei ζ := exp(2πi/m) mit m ∈ N\{0}, sei E 2 2 2 = {z → ζ μ z : μ ∈ N}. Daher ist σ : AutE → C× injektiv, Damit gilt Aut0 E die Bildgruppe ist die zyklische Gruppe {1, ζ, . . . , ζ m−1 } der Ordnung m.

188

8 Der Riemannsche Abbildungssatz

In diesen Beispielen ist σ stets injektiv, im Falle G = C ist die Bildgruppe immer eine Untergruppe von S 1 , und neben S 1 kommen alle endlichen zyklischen Gruppen als Isotropiegruppen (beschr¨ankter Gebiete) vor. Mit Hilfe der Uniformisierungstheorie l¨ asst sich zeigen, dass die Beispiele bereits charakteristisch sind: neben C besitzen nur Gebiete, die sich biholomorph auf E abbilden lassen, unendliche Isotropiegruppen. ur einfach zusammenh¨ angende Gebiete 8.4.2 Die Gruppe Auta G f¨ G = C. Nach dem Riemannschen Abbildungssatz existiert zu jedem Punkt a ∈ G eine biholomorphe Abbildung u : E → G mit u(0) = a. Man verifiziert sofort: Satz 8.22. Die Zuordnung ι : Hola G → Hol0 E, f → g := u−1 ◦ f ◦ u, ist oge bijektiv und ein Halbgruppen-Homomorphismus. Es gilt σ(f ) = g  (0). Verm¨ ι wird Auta G auf Aut0 E abgebildet. Mit den S¨ atzen 8.21 und 8.22 der Einleitung folgt nun direkt ein Schwarzsches Lemma f¨ ur einfach zusammenh¨angende Gebiete: ur jedes Satz 8.23. H¨ angt G = C einfach zusammen, so gilt |f  (a)| ≤ 1 f¨ f ∈ Hola G, a ∈ G. Weiter gilt Auta G = {f ∈ Hola G : |f  (a)| = 1}. Da σ die Komposition des Isomorphismus ι : Auta G → Aut0 E mit dem Isomorphismus Aut0 E → S 1 , g → g  (0) ist, folgt weiter: Satz 8.24. H¨ angt G = C einfach zusammen, so bildet σ : Auta G → C, f → f  (a), die Gruppe Auta G isomorph auf die Kreisgruppe S 1 ab. Als Korollar ergibt sich ein Unit¨ atssatz 8.25. Es sei G = C einfach zusammenh¨ angend, oder es sei G  C× . Es sei f ∈ Auta G, so dass f  (a) > 0. Dann gilt f = idG . Beweis. Der Fall G  C× ist klar (Beispiel 8.4.1 2). Im anderen Fall gilt |f  (a)| = 1, also f  (a) = 1 wegen f  (a) > 0. Da σ injektiv ist, folgt f = idG . 

8.4 Isotropiegruppen einfach zusammenh¨ angender Gebiete

189

Man hat nun auch folgenden Eindeutigkeitssatz. Es sei G = C einfach zusammenh¨ angend, es seien g, h ∈ Auta G, a ∈ G. Dann gilt g = h bereits dann, wenn g und h in a dieselbe Richtung“ haben, ” d.h. wenn g  (a)/|g  (a)| = h (a)/|h (a)|. Beweis. F¨ ur f := g −1 ◦ h ∈ Auta G verifiziert man f  (a) = |h (a)|/|g  (a)| > 0.  Die Resultate diese Abschnittes werden im Abschnitt 9.2.3 mittels Iterationstheorie f¨ ur beliebige beschr¨ ankte Gebiete bewiesen. Mittels Uniformisierungstheorie l¨ asst sich zeigen, dass sie sogar f¨ ur alle Gebiete = C gelten. 8.4.3 Abbildungsradius, Monotoniesatz∗ . H¨angt G = C einfach zusammen, so existiert zu jedem Punkt a ∈ G genau eine biholomorphe Abbildung f von G auf eine Kreisscheibe Bρ (0) mit f (a) = 0, f  (a) = 1: n¨amlich ∼ f := (1/h (a))h, wo h : G − → E mit h(a) = 0, h (a) > 0 gem¨aß Abschnitt 8.2.5 gew¨ ahlt ist. Die Zahl ρ = ρ(G, a) heißt der Abbildungsradius von G bzgl. a. Es gilt also: (8.12) ρ(G, a) = 1/h (a) Man setzt noch ρ(C, a) := ∞ f¨ ur alle a ∈ C. G einfach zusammen und gilt G ⊂ G, so Monotoniesatz 8.26. H¨ angen G, ist a) ≤ ρ(G, a) f¨ ρ(G, ur alle a ∈ G. (8.13) so dass ρ(G, b) = ρ(G, b), so gilt bereits G = G. Gibt es einen Punkt b ∈ G, ∼ → E gem¨aß Satz 8.17 zu → E, h : G Beweis. Sei G = C, es seien h : G − −1 h (a) > 0, so a gew¨ ahlt. Dann gilt g := h ◦ h ∈ Hola G. Da g  (a) = h (a)/    folgt g (a) ≤ 1 nach Satz 8.23 also h (a) ≤ h (a), also (8.13) wegen (8.12). b) = ρ(G, b) folgt h (b) = Aus ρ(G, h (b), also g  (b) = 1 f¨ ur die zu b geh¨ orenden Abbildungen. Mit Satz 8.23 und Satz 8.24 folgt h−1 ◦ h = idG , = G.  also h−1 (E) = G, d.h. G

Aufgaben. 1. Man berechne ρ(G, a), a ∈ G, in folgenden F¨ allen: a) G := Br (c), c ∈ C, r > 0 b) G := H = obere Halbebene c) G := {z = reiϕ ∈ C : r > 0 beliebig, 0 < ϕ < ϕ0 , wobei ϕ0 ∈ (0, 2π]} 2. H¨ angt G einfach zusammen und ist g : G → C eine holomorphe Injektion, so gilt: ur alle a ∈ G. ρ(g(G), g(a)) = |g  (a)|ρ(G, a) f¨

190

8 Der Riemannsche Abbildungssatz

3. Es sei G = C einfach zusammenh¨ angend, es sei a ∈ G. Man zeige: ur jedes f ∈ O(G) mit f (a) = 0, f  (a) = 1. a) |f |G ≥ ρ(G, a) f¨ b) In a) gilt das Gleichheitszeichen genau dann, wenn G verm¨ oge f biholomorph auf Bρ (0) abgebildet wird ( Minimum-maximorum-Prinzip“ ). ”

Anhang zu Kapitel 8: Carath´ eodory-Koebe-Theorie

´r-Riesz-Carathe ´odory ist nicht konstruktiv : Es wird Der Beweis von Feje (in 8.2.4) keine Vorschrift angegeben, wie die Folge fn mit lim |fn (p)| = μ zu n konstruieren ist, und es wird schon gar nicht gesagt, wie man die Teilfolge hj der Folge fn findet. Von diesen M¨ angeln frei ist ein Beweis, den P. Koebe ´odoryscher Ideen gef¨ 1914 unter Verwendung Carathe uhrt hat: Das Gebiet wird durch Dehnung sukzessive auf Teilgebiete von E so abgebildet, dass diese Teilgebiete den Einheitskreis aussch¨ opfen. Die Dehnungsabbildungen gewinnt Koebe elementar durch L¨ osung einer quadratischen Gleichung und Bestimmung eines Randpunktes, dessen Abstand vom Nullpunkt minimal ist; seine Dehnungsfolgen konvergieren – wenn auch langsam – gegen die gesuchte biho∼ ¨ → E; ein Ubergang zu Teilfolgen ist nicht n¨otig. lomorphe Abbildung G − Im Paragraphen 8.5 diskutieren wir die von Koebe benutzten Deh´odory-Koebenungen, im Paragraphen 8.6 beschreiben wir den Carathe Algorithmus und wenden ihn auf die spezielle Dehnungsfamilie K2 an. Im Paragraphen 8.7 werden weitere Familien konstruiert, die f¨ ur den Algorithmus geeignet sind.

8.5 Einfache Eigenschaften von Dehnungen ¨ Wir beginnen mit einem einfachen Dehnungslemma 8.5.1, das f¨ ur die Uberlegungen dieses Anhangs grundlegend ist. Im Abschnitt 8.5.2 werden zul¨assige“ ” Dehnungen diskutiert. Als Beispiel solcher Dehnungen betrachten wir im Abschnitt 8.5.3 die Mondsichel-Dehnung“. ” 8.5.1 Dehnungslemma.

Ist G ein Gebiet in C mit 0 ∈ G, so heißt

r(G) := sup{t ∈ R : Bt (0) ⊂ G} = d(0, ∂G)

8.5 Einfache Eigenschaften von Dehnungen

191

der innere Radius von G (bez¨ uglich des Nullpunktes). Es gilt 0 < r(G) ≤ ∞; im Fall r(G) = ∞ gibt es stets Randpunkte a ∈ ∂G mit |a| = r(G). Entschei¨ dend f¨ ur die Uberlegungen dieses Anhangs ist folgende Monotonieeigenschaft innerer Radien bez¨ uglich holomorpher Abbildungen: Dehnungslemma 8.27. Es seien f, g ∈ O(G) nicht konstant, die Abbildung g : G → C sei injektiv. Ferner gelte f (0) = 0 und |f (z)| ≥ |g(z)| f¨ ur alle z ∈ G. Dann folgt: r(f (G)) ≥ r(g(G)). ugt zu zeigen: B ⊂ f (g −1 (B)). Beweis. Sei B = Bs (0) ⊂ g(G), s < ∞. Es gen¨ Das folgt, wenn wir zeigen: F¨ ur jeden Punkt b ∈ ∂f (g −1 (B)) gilt |b| ≥ s. −1 Wir setzen h := f ◦ g . Es gibt eine Folge an ∈ B mit a := lim an ∈ B und b = lim h(an ). Es gilt |a| ≥ s, da sonst a ∈ B, also b = h(a) ∈ h(B). Nun gilt f¨ ur alle w ∈ B die Ungleichung |h(w)| = |f (g −1 (w))| ≥ |g(g −1 (w))| = |w|.  Daher folgt: |b| = lim |h(an )| ≥ lim |an | = |a| ≥ s. Sei nun G ⊂ E und 0 ∈ G. Dann gilt r(G) ≤ 1. Nach Abschnitt 8.2.3 heißen holomorphe Injektionen κ : G → E mit κ(0) = 0 und |κ(z)| > |z|, z ∈ G\0, Dehnungen von G. Dann ist trivial: → E Dehnungen mit G ⊃ κ(G), so ist Satz 8.28. Sind κ : G → E, κ : G κ ◦ κ : G → E eine Dehnung. Wichtig ist nun: Satz 8.29. Ist κ : G → E eine Dehnung, so gilt |κ (0)| > 1 und r(κ(G)) ≥ r(G). Beweis. Es gilt κ(z) = zf (z) mit f ∈ O(G). Da |f (z)| > 1 in G\0, so gilt auch |f (0)| > 1 (Minimumprinzip), also |κ (0)| = |f (0)| > 1. – Die Ungleichung r(κ(G)) ≥ r(G) folgt direkt aus dem Dehnungslemma.  Warnung. Die naheliegende Annahme, dass f¨ ur Dehnungen stets κ(G) ⊃ G gilt, ist nicht g¨ ultig. Instruktive Gegenbeispiele sind die MondsichelDehnungen, vgl. Abschnitt 8.5.3. Man spricht h¨ aufig schon dann von Dehnungen, wenn neben κ(0) = 0 nur |κ(z)| ≥ |z| gilt. Der Satz bleibt mit |κ (0)| ≥ 1 richtig.

8.5.2 Zul¨ assige Dehnungen. Quadratwurzelverfahren. Ein Q-Gebiet heißt Koebe-Gebiet, wenn G ⊂ E. Dann gilt 0 < r(G) < 1. Eine Dehnung +

κ eines Koebe-Gebietes heißt zul¨assig, wenn κ(G) wieder ein Koebe-Gebiet ist. Mit Satz 8.12 folgt trivial: Satz 8.30. Jede Dehnung κ : G → E eines Koebe-Gebietes G mit κ(G) = E ist zul¨ assig.

192

8 Der Riemannsche Abbildungssatz

Zul¨ assige Dehnungen kommen bereits im Lemma 8.14 vor. Wir pr¨azisieren (mit den dort benutzten Notationen) hier: Quadratwurzelverfahren 8.31. Es sei G ein Koebe-Gebiet, es sei c ∈ E, c2 ∈ G. Es sei v ∈ O(G) die Quadratwurzel aus gc2 |G mit v(0) = c. Es bezeichne ϑ : E → E eine Drehung um 0. Dann ist κ := ϑ ◦ gc ◦ v eine zul¨assige Dehnung von G, es gilt 1 + |c|2 . (8.14) |κ (0)| = 2|c| Beweis. Nach Lemma 8.14 ist gc ◦ v : G → E und also auch κ : G → E eine Dehnung. W¨ are κ(G) = E, so w¨ are auch v(G) = E und wegen gc2 = v 2 w¨are weiter gc2 (G) = E, d.h. G = E, was nicht zutrifft. Auf Grund von Satz 8.30 ist κ also zul¨ assig. Die Gleichung (8.14) ist Gleichung (8.10).  Das Quadratwurzelverfahren liefert speziell zu jedem Koebe-Gebiet G eine zul¨ assige Dehnung κ : G → E mit κ (0) > 1; diese normierten“ Dehnungen ” ´odory-Koebe-Theorie eine herausragende Rolle, vgl. spielen in der Carathe Abschnitt 8.2.3.  F¨ ur Rechnungen ist folgende Darstellung der Quadratwurzel v hilfreich: Mit G∗ := gc2 (G) gilt v = q◦gc2 , wo q ∈ O(G∗ ) mit q 2 = z|G∗ , q(c2 ) = c. (8.15)

F¨ ur alle im obigen Satz konstruierten Dehnungen κ gilt: r(G) < r(κ(G)) (Versch¨ arfung von Satz 1) E\κ(G) hat stets innere Punkte in E.

(8.16) (8.17)

Beweis. (4) Es sei b ∈ E ∩ ∂(κ(G)) mit |b| = r(κ(G)). Es gibt eine Folge zn ∈ G\0 mit lim κ(zn ) = b und a := lim zn ∈ ∂G. Dann gilt |a| ≥ r(G). Auf Grund von ur z ∈ E\0. Es folgt Lemma 8.14 gilt id = ψc ◦ κ, wobei ψc ∈ O(E) und |ψc (z)| < z f¨ zn = ψc (κ(zn )); also a = ψc (b), also |a| < |b|, also r(G) < r(κ(G)). ugt es zu zeigen, dass E\q(G∗ ) innere (5) Wegen ϑ, gc gc2 ∈ Aut E und (8.15) gen¨ Punkte in E hat. Das ist klar, da (−q)(G∗ ) ⊂ E und q(G∗ ) ∩ (−q)(G∗ ) = ∅ wegen  0 ∈ G∗ (vgl. den Beweis der Aussage von Abschnitt 8.2.2).

8.5.3 Die Mondsichel-Dehnung∗ . Alle Schlitzgebiete Gt := E\[t2 , 1), 0 < t < 1, sind Koebe-Gebiete. Der Effekt der zul¨assigen Dehnung κ := gt ◦ v auf Gt ist u ¨berraschend: Satz 8.32. Das Bildgebiet κ(Gt ) ist die Mondsichel“ E\K, wo K die abge” schlossene Kreisscheibe um ρ := (1 + t2 )/2t mit t ∈ ∂K ist (Figur). Speziell gilt κ(Gt ) ⊃ Gt .

´odory-Koebe-Algorithmus 8.6 Der Carathe ∼

Beweis. Auf Grund von (8.15) faktorisiert sich κ : G − → κ(G) wie folgt:

193



Dabei ist G∗ = gt2 (Gt ) = E\(−1, 0] und H := q(G∗ ) = {z ∈ E : Re z > 0}. ugt es daher zu zeigen, dass gt (∂H) der Rand von E\K ist. Wegen gt (t) = 0 gen¨ Da gt (∂E) = ∂E, so bildet gt den Halbkreis in ∂H auf den von ζ := gt (i) u ¨ber uhrenden Kreisbogen in ∂E ab (man bemerke, −1 = gt (1) nach ζ := gt (−i) f¨ dass Im ζ < 0). Das gt -Bild der Geraden iR ist der (in 1/t punktierte) Kreis L durch t = gt (0), der ∂E in ζ und ζ senkrecht schneidet (Winkeltreue). Die Gleichung f¨ ur L ist daher |z − m|2 = m2 − 1 mit m > 1 (Pythagoras, die Tangenten an ∂E in ζ, ζ stehen senkrecht auf den Radien und schneiden sich auf R). Wegen t ∈ L folgt m = ρ, also L = (∂K)\{t−1 }. Das beweist  gt (∂H) = ∂(E\K). Bemerkung. Die Mondsichel-Dehnung wird in [213], Aufg. 90, Abschnitt IV, rechnerisch diskutiert.

8.6 Der Carath´ eodory-Koebe-Algorithmus Ist jedem Koebe-Gebiet G (nach irgendeiner Vorschrift) eine nichtleere Menge D(G) von zul¨ assigen Dehnungen zugeordnet, so nennen wir die Vereini gungsmenge D := D(G), wo G alle Koebe-Gebiete durchl¨auft, eine Dehnungsfamilie. Mit Hilfe solcher Familien lassen sich zu jedem Koebe-Gebiet G auf mannigfache Weise Dehnungsfolgen“ konstruieren. Man setzt G0 := G ” assig ist, so ist G1 := κ0 (G0 ) ein Koebeund w¨ ahlt κ0 ∈ D(G0 ). Da κ0 zul¨ ahlen. Da G2 := κ1 (G1 ) wieder ein Gebiet, man kann daher ein κ1 ∈ D(G1 ) w¨ Koebe-Gebiet ist, so kann man fortfahren und (induktiv) Koebe-Gebiete Gn und Dehnungen κn ∈ D(Gn ) mit κn (Gn ) = Gn+1 bestimmen, n ∈ N. Dann ist hn := κn ◦ κn−1 ◦ · · · ◦ κ0 : G → E, hn = κn ◦ hn−1 , wegen Satz 8.28 eine zul¨ assige Dehnung. Wir nennen das beschriebene Verfah´odory-Koebe-Algorithmus und die konstruierte Folge hn ren den Carathe eine Dehnungsfolge (zu G bez¨ uglich D). Wir zeigen, dass richtig gew¨ahlte“ ∼” → E konvergieren. Dehnungsfolgen gegen biholomorphe Abbildungen h : G −

194

8 Der Riemannsche Abbildungssatz

8.6.1 Eigenschaften von Dehnungsfolgen. hn : G → E gilt: hn (0)

n

F¨ ur alle Dehnungsfolgen

κν (0), |hn+1 (z)| > |hn (z)| > · · · > |h0 (z)| > |z|, z ∈ G\0, (8.18)

0

r(hn (G)) ≤ r(hn+1 (G)),

lim r(hn (G)) ≤ 1,

lim |κn (0)| = 1.

(8.19) (8.20)

Beweis. Die Aussagen (8.18) und (8.19) folgen wegen hn = κn ◦ hn−1 sofort, wobei man zum Beweis von (8.19) Satz 8.29 heranzieht. Zum Beweis von (8.20) Satz sei Bt (0) ⊂ G, t > 0. Dann ist jede Abbildung E → E, z → hn (tz), holomorph. Da hn (0) = 0, so folgt |hn (0)| ≤ 1/t nach Schwarz. Die Folge ankt. Da stets |κν (0)| > 1 nach Satz 8.29, so ist sie wegen |hn (0)| ist also beschr¨ (8.18) auch monoton wachsend. Also existiert a := lim |hn (0)| =



|κn (0)|.

0

Da a = 0 (n¨ amlich a > 1), so folgt lim |κn (0)| = 1 (vgl. Abschnitt 1.1.1).



Koebe nennt 1915 den Algorithmus Schmiegungsverfahren: Die n−te Schmiegungsoperation ist die Wahl der Dehnung κn , welche das Gebiet Gn+1 aus Gn entstehen l¨ asst, [144, 183–185]. Die Schmiegungswirkung wird durch (8.19) ausgedr¨ uckt. Die Gleichung (8.20) ist der Schl¨ ussel, um bei geschickt“ ” gew¨ ahlten Folgen κn die Wunschgleichung lim r(hn (G)) = 1 zu erzwingen, vgl. Abschnitt 8.6.3. 8.6.2 Konvergenzsatz. Gesucht werden Dehnungsfolgen hn := G → E, die gegen biholomorphe Abbildungen G → E konvergieren. Der folgende Konvergenzsatz zeigt, wann dies eintritt. Eine Dehnungsfolge hn : G → E wird Anschmiegungsfolge genannt, wenn hn (0) stets positiv ist und wenn lim r(hn (G)) = 1. Konvergenzsatz 8.33. 1) Es sei hn : G → E eine Dehnungsfolge, die in G kompakt gegen eine Funktion h konvergiert. Dann ist h : G → E eine Dehnung. Es gilt r(h(G)) ≥ lim r(h(G)). 2) Jede Anschmiegungsfolge hn : G → E konvergiert in G kompakt gegen eine ∼ → E. biholomorphe Dehnung h : G − ur alle z ∈ G\0 und alle n ∈ Beweis. 1) Wegen (8.18) gilt |h(z)| > |hn (z)| > z f¨ N. Daher ist h wegen h(0) = 0 nicht konstant und mithin, da alle hn Injektionen sind, nach Hurwitz injektiv. Also ist h : G → E eine Dehnung von G. Mit

´odory-Koebe-Algorithmus 8.6 Der Carathe

195

Hilfe des Dehnungslemmas 8.27 folgt weiter r(h(G)) ≥ r(hn (G)) f¨ ur alle n, also r(h(G)) ≥ lim r(hn (G)). 2) Da Teilfolgen von Dehnungsfolgen wieder Dehnungsfolgen sind, ist nach Teil 1) jede Grenzfunktion h einer Teilfolge der Folge hn eine Dehnung, bildet also G biholomorph auf h(G) ⊂ E ab. Da weiter r(h(G)) ≥ 1 wegen 1), so ∼ → E ist biholomorph. – Um nun die kompakte gilt h(G) = E, d.h. h : G − ugt es wegen hn (G) ⊂ E zu zeigen, Konvergenz der Folge hn einzusehen, gen¨ dass alle ihre in G kompakt konvergenten Teilfolgen denselben Limes haben (Montelsches Konvergenzkriterium 7.1.3). Sind h, h solche Limiten, so ver∼ →E mitteln sie nach dem schon Bewiesenen biholomorphe Abbildungen G −    mit h(0) = h(0) = 0. Da stets hn+1 (0) ≥ hn (0) > 0, so folgt h (0) > 0, h auf Grund des Eindeutigkeitssatzes 8.2.5.  h (0) > 0 und damit h = Man bemerke, dass (8.20) im eben gef¨ uhrten Beweis nicht benutzt wird, und dass die Grenzabbildung in 2) die nach Abschnitt 8.2.5 eindeutig be∼ → E ist. stimmte Abbildung G − Da einfach zusammenh¨ angende Gebiete = C biholomorph auf Koebe-Gebiete abbildbar sind (vgl. Abschnitt 8.2.2), so folgt aus 2) der Riemannsche Abbildungssatz, sobald eine Anschmiegungsfolge hn zu G konstruiert ist. Dazu ben¨ otigt man besondere Dehnungsfamilien. Im folgenden Abschnitt beschreiben wir, wie Koebe eine solche Familie konstruiert hat. Da unscht und lim |κn (0)| = 1 weiß (nach (8.20), stellt er er lim r(hn (G)) = 1 w¨ k¨ unstlich“ eine Beziehung her zwischen inneren Radien und Dehnungsablei” tungen. 8.6.3 Koebe-Familien und Koebe-Folgen. Mit τ wird eine in (0, 1) stetige reelle Funktion bezeichnet, f¨ ur die gilt τ (x) > 1, x ∈ (0, 1). Eine Dehnungsfamilie K heißt Koebe-Familie zu τ , wenn ur alle κ : G → E aus κ (0) = τ (r(G)) f¨

K.

(8.21)

Eine Dehnungsfolge hn = κn ◦ κn−1 ◦ · · · ◦ κ0 : G → E bez¨ uglich einer Koebe-Familie K heißt Koebe-Folge. Ist τ die zu K geh¨orende Funktion, so folgt mit (8.21): (8.22) τ (r(hn (G))) = κn+1 (0), n ∈ N. Mit (8.22) und (8.20) ergibt sich nun sofort das entscheidende Anschmiegungslemma. Lemma 8.34 (Anschmiegungslemma). Jede Koebe-Folge ist eine Anschmiegungsfolge. urde Beweis. Es gilt r := lim r(hn (G)) ∈ (0, 1] nach (8.19). W¨are r < 1, so w¨ wegen der Stetigkeit von τ in r aus (8.22) folgen: lim κn (0) = τ (r). Wegen

196

8 Der Riemannsche Abbildungssatz

τ (r) > 1 widerspricht dies (8.20). Also gilt r = 1. Da stets hn (0) > 0 wegen  κν (0) > 0 nach (8.18), so ist hn eine Anschmiegungsfolge. ´odory-Koebe-Theorie zu einem gutem Abschluss zu Um die Carathe bringen, hat man jetzt nur noch“ die Existenz von Koebe-Familien zu zei” gen. Wir konstruieren f¨ ur jedes Koebe-Gebiet G mittels des QuadratwurzelVerfahrens aus Abschnitt 8.5.1 alle Dehnungen κ : G → E mit κ (0) > 0, achst gelegewobei c ∈ E stets so gew¨ ahlt wird, dass c2 ein dem Nullpunkt n¨ ner Randpunkt von G ist. Wir lassen G alle Koebe-Gebiete durchlaufen und bezeichnen mit K2 die Menge aller so gewonnenen Dehnungen. Wir setzen τ2 (x) :=

1 1+x x − x−1 = √ , x ∈ (0, 1); 2 x1/2 − x−1/2 2 x

ur alle x ∈ (0, 1). diese Funktion ist stetig in (0, 1), und es gilt τ2 (x) > 1 f¨ Satz 8.35. Die Familie K2 ist eine Koebe-Familie zu τ2 . Beweis. Wegen Satz 8.31 ist K2 eine Dehnungsfamilie. F¨ ur alle κ ∈ K2 gilt κ (0) = τ2 (r(G)) auf Grund von (8.14), da κ (0) > 0 und |c|2 = r(G) nach Wahl von c.  Im Paragraphen 8.7 werden weitere Koebe-Familien konstruiert. ´odory-Koebe-Theorie 8.6.4 Res¨ umee, Konvergenzg¨ ute. Die Carathe enth¨ alt als Spezialfall den Hauptsatz von Koebe. Hauptsatz von Koebe 8.36. Zu jedem Koebe-Gebiet G existieren Koebe-Gebiete Gn mit G0 = G und Dehnungen κn : Gn → E mit κn (Gn ) = Gn+1 , derart, dass die Folge κn ◦ κn−1 ◦ · · · ◦ κ0 : G → E in ∼ → E konvergiert. Jede G kompakt gegen eine biholomorphe Dehnung G − Dehnung κn ist explizit mittels einer Quadratwurzel-Operation konstruierbar: κn ∈ K2 . F¨ ur alle Dehnungen κ ∈ K2 gilt r(G) < r(κ(G)) nach (8.16). Wegen |c|2 = r(G) l¨ asst sich sogar beweisen [37, 285–286] auch [213, Abschn. IV, Aufg. 91]: √ , r ( 2(1 + r2 ) + r − 1), falls r := r(G), κ ∈ K2 . r(κ(G)) ≥ 1+r

F¨ ur numerische Approximation der Riemannschen Abbildungsfunktion ∼ → E konvergiert das Quadratwurzel-Verfahren sehr langsam. W¨ahlt h : G −

´odory-Koebe-Algorithmus 8.6 Der Carathe

197

man als Maß f¨ ur die G¨ ute der n-ten Approximation hn = κn ◦ κn−1 ◦ · · · ◦ κ0 den inneren Radius rn des Gebietes hn (G), so zeigte Ostrowski 1929 [197, S. 174]: Es gibt eine von r(G) abh¨ angige Konstante M > 0, so dass rn > 1 − M/n, n > 0. 8.6.5 Historisches: Der Wettstreit zwischen Carath´ eodory und Koebe. Quadratwurzel-Abbildungen kommen schon fr¨ uh bei Koebe vor, z.B. 1907 in [141, S. 203 und S. 644] sowie 1909 in [142, S. 209 und 216]. Konse´odory bei seinem rekurrenten quent benutzt hat sie aber erst 1912 Carathe Verfahren zur Konstruktion der Riemannschen Abbildungsfunktion: er arbeitet explizit mit der Funktion z

(1 + r2 )z − 2reiθ , 2rz − (1 + r2 )eiθ

[33, S. 401],

das ist in der Terminologie von Abschnitt 8.2.3 die Funktion e−iθ ψc mit c := reiθ . Zum Beweis der kompakten Konvergenz seiner Folge zieht Ca´odory den Satz von Montel heran, loc. cit. S. 376–378. 1914 rathe hat er in der Schwarz-Festschrift seine Methode im Detail dargelegt; er formuliert hier explizit den Konvergenzsatz und beweist ihn direkt, ohne Montel zu bem¨ uhen, [33, S. 280–284]. ´odorys Durchbruch ließ Koebe nicht ruhen. Sofort (1912) Carathe konnte er, der sein Leben den konformen Abbildungen widmete und diese Theorie durch eine u ulle von Beitr¨agen bereicherte – allein von ¨bergroße F¨ 1905 bis 1909 schrieb er u ¨ber 14 zum Teil recht lange Arbeiten – die bei ´odory auftretenden Riemannschen Approximationsfl¨achen autoCarathe ” matisch entstehen lassen“. Er nimmt, angeregt durch die interessante Ar” ´odory“, seine fr¨ beit des Herrn C. Carathe uheren Gedanken wieder auf“ ” und teilt eine neue elementare Methode der konformen Abbildung des allge” meinsten schlichten einfach zusammenh¨ angenden Bereiches auf die Fl¨ache des Einheitskreises mit“, die in mehr als einer Beziehung ideale Vollkommenheit“ ” besitzt, vgl. [143, 844–845]. Hier skizziert Koebe erstmals den QuadratwurzelAlgorithmus. Ausf¨ uhrlich stellt er sein Schmiegungsverfahren“ 1914 in [144] ” dar, er schreibt (S. 182): Die [Konstruktion] der konformen Abbildung des gegebenen Bereichs auf ” das Innere des Einheitskreises werden wir durch unendlich viele Quadratwurzeloperationen bewirken, . . . , die wesentliche Eigenschaft der einzelnen dieser Operationen . . . ist, eine Verst¨ arkung der Anschmiegung der Begrenzungslinie des jeweilig abzubildenden Bereichs an die Peripherie des Einheitskreises, und zwar vom Innern her zu bewirken.“ Koebe argumentiert – wie auch vor ihm ´odory – geometrisch, so werden noch zweibl¨attrige Riemannsche Carathe

198

8 Der Riemannsche Abbildungssatz

Fl¨achen herangezogen. 1916 referierte E. Lindel¨ of auf dem 4. skandinavischen Mathematiker-Kongress ausf¨ uhrlich u ¨ber den Koebeschen Beweis, vgl. [166]. ´ lya und G. Szeg¨ G. Po o haben 1925 den Koebeschen Beweis in neun Aufgaben zerlegt, [213, Aufg.88–96 IV. Abschnitt 15-16]; sie beweisen – wie nat¨ urlich auch Koebe – den Konvergenzsatz direkt (ohne Montel): ihre Argumente sind frei von Riemannschen Fl¨ achen und einfacher als in den ´odory und Koebe. Pionierarbeiten von Carathe

8.7 Die Koebe-Familien Km und K∞ Koebe hat 1912 sofort bemerkt, dass in seinem Schmiegungsverfahren die Quadratwurzeloperationen ohne weiteres auch durch Wurzeloperationen h¨ oherer Ord” nung oder logarithmische Operationen ersetzt werden k¨ onnen. [142, S. 845]. Wir wollen entsprechende Koebe-Familien konstruieren. Dabei benutzen wir, dass in Q-Gebieten nullstellenfreie holomorphe Funktionen stets holomorphe m−te Wurzeln, m ∈ N, und holomorphe Logarithmen haben. - Im folgenden spielt die (große) Funktionenfamilie E := {f : E → E holomorph :f (0) = 0, f ∈ / Aut E, f (E) ist kein Koebe-Gebiet} eine wichtige Rolle. Mit G wird wieder stets ein Koebe-Gebiet bezeichnet. Wir verallgemeinern zun¨ achst das Lemma 8.14.

8.7.1 Ein Lemma. Lemma 8.37. Es sei ϕ ∈ E. Es gebe eine holomorphe Abbildung κ : G → E, so dass κ(0) = 0 und ϕ ◦ κ = id. Dann ist κ eine zul¨ assige Dehnung von G. Beweis. Da ϕ ∈ Aut E, so gilt nach Schwarz |ϕ(w)| < |w| ∈ E× . Wegen ϕ ◦ κ = id ist κ injektiv; weiter gilt |z| = |ϕ(κ(z))| < |κ(z)|, falls κ(z) = 0, d.h. falls z ∈ G\0. Somit ist κ eine Dehnung von G. W¨ are κ(G) = E, so w¨ are ϕ(E) = G ein KoebeGebiet im Widerspruch zu ϕ ∈ E. Nach Satz 8.30 ist κ somit zul¨ assig. 

Die Kunst ist nun, Funktionen ϕ ∈ E aufzusp¨ uren, zu denen ein κ gem¨ aß des Lemmas existiert. Wir geben zwei Beispiele, wo dies m¨ oglich ist. Beispiel 1. Sei m ∈ N, m ≥ 2, sei c ∈ E× . Wir bezeichnen die Abbildung E → E, z → z m , mit jm und behaupten: ort zu E. Es gilt Die Abbildung ψc,m := gcm ◦ jm ◦ gc : E → E geh¨ « „ m−1 |c|2 − 1 |c| − |c|−1 c  (0) = mcm−1 2m · m ψc,m =m |c| − 1 |c| |c| − |c|−m

(8.23)

8.7 Die Koebe-Familien Km und K∞

199

Beweis. Wegen jm ∈ / Aut E und ψc,m (E) = E gilt ψc,m ∈ E. Gleichung (8.23) folgt  (c) = mcm−1 und ga (0) = 1/ga (a) = |a|2 − 1, a ∈ E.  (Kettenregel), da jm Beispiel 2. Sei c ∈ E× . Wir w¨ ahlen b ∈ H so, dass c = eib . Die Abbildung qb : H → E, z →

z−b b − bz mit qb−1 : E → H, z → 1−z z+b

ist biholomorph (verallgemeinerte Cayley-Abbildung). Die Funktion ε(z) := eiz bildet H auf E\0 ab. Wir behaupten: ort zu E. Es gilt Die Abbildung χc := gc ◦ ε ◦ qb−1 : E → E geh¨ χc (0) =

log |c| 2c log |c| c . =2 |c|2 − 1 |c| |c||c| − |c|−1

(8.24)

Beweis. Da ε : H → E\0 nicht biholomorph ist, und da χc (E)\c kein Q-Gebiet ist, so gilt χc ∈ E. Gleichung (8.24) folgt, da χc (0) = gc (c)ε (b)(qb−1 ) (0) und gc (c) =  1/(|c|2 − 1), ε (b) = ic, (qb−1 ) (0) = b − b = −i log |c|2 . Im n¨ achsten Abschnitt konstruieren wir zu den Funktionen ψm,c , χc ∈ E Abbildungen κ, wie das Lemma sie w¨ unscht.

8.7.2 Die Familien Km und K∞ . Die Funktionen τm (x) =

x − x−1 1 x − x−1 , m = 2, 3, . . . ; τ∞ (x) := , x ∈ (0, 1), (8.25) 1/m −1/m m x 2 log x −x

sind stetig und bilden (0, 1) nach (1, ∞) ab (Beweis!). Wir konstruieren zu jedem Koebe-Gebiet G zul¨ assige Dehnungen κ, so dass |κ (0)| = τm (r(G)), 2 ≤ m ≤ ∞. Satz 8.38 (Das m-te Wurzelverfahren, m ≥ 2). Es sei c so gew¨ ahlt, dass cm ein dem Nullpunkt n¨ achstgelegener Randpunkt von G ist. Es sei v ∈ O(G) die m-te assige Dehnung Wurzel aus gcm |G mit v(0) = c. Dann ist κ := gc ◦v : G → E eine zul¨ von G. Es gilt (8.26) |κ (0)| = τm (r(G)). Beweis. Da v(G) ⊂ E, so ist κ : G → E wohldefiniert. Es gilt κ(0) = gc (c) = 0 und ψc,m ◦ κ = id (wegen jm ◦ v = gcm |G).

(8.27)

Da ψc,m ∈ E nach Beispiel 1 aus Abschnitt 8.7.1, so ist κ nach Lemma 8.37 eine  (0)|. Damit folgt (8.26) zul¨ assige Dehnung von G. Wegen (8.27) gilt |κ (0)| = 1/|ψc,m m  aus (8.23) wegen |c | = r(G). Logarithmus-Verfahren 8.39. Es sei c ein dem Nullpunkt n¨ achst gelegener Randpunkt von G, es sei iν ∈ O(G) ein Logarithmus zu gc |G. Dann ist κ := qb ◦ ν mit b := ν(0) eine zul¨ assige Dehnung von G. Es gilt |κ (0)| = τ∞ (r(G)).

(8.28)

200

8 Der Riemannsche Abbildungssatz

Beweis. Wegen eiν(z) = gc (z) ∈ E, z ∈ G, gilt ν(G) ⊂ H, speziell b ∈ H. Daher ist κ : G → E wohldefiniert. Es folgt (mit ε ◦ ν = gc ): κ(0) = qb (b) = 0 und χc ◦ κ = id .

(8.29)

Da χc ∈ E nach Beispiel 2 aus Abschnitt 8.7.1, so ist κ nach Lemma 8.37 eine zul¨ assige Dehnung von G. Wegen (8.29) gilt |κ (0)| = 1/|χc (0)|. Damit folgt (8.28) aus (8.24) wegen |c| = r(G). 

Wir normieren“ noch jede gewonnene Dehnung (durch Multiplikation mit ei” assig. Es nem a ∈ S 1 ) so, dass κ (0) > 0, diese normierte Dehnung ist wieder zul¨ bezeichne nun Km bzw. K∞ die Familie aller normierten Dehnungen, die sich mittels des m−ten Wurzel-Verfahrens bzw. des Logarithmus-Verfahrens konstruieren ullt. Es folgt: lassen. Dann ist (8.21) mit τ := τm bzw. τ := τ∞ erf¨ Satz 8.40. Km ist eine Koebe-Familie zu τm , m = 2, 3, . . . , und K∞ ist eine Koebe-Familie zu τ∞ . Bemerkung. Die Familie K∞ ist der Limes“ der Familien Km : Bei festem G und ” ur die Funktionen c ∈ ∂G ist jede Dehnung κ ∈ K∞ Limes einer Folge κm ∈ Km . F¨ ur alle x ∈ (0, 1). τm , τ∞ verifiziert man direkt: lim τm (x) = τ∞ (x) f¨ Zum Beweis des Riemannschen Abbildungssatzes wird meistens das Quadrat´odory verwendet 1928 das Logarithmuswurzel-Verfahren benutzt. Carathe Verfahren. Er w¨ ahlt c = h ∈ (0, 1) und arbeitet mit der Funktion i h 1+z h − exp (log h) · 1−z i , vgl. [33, S. 304, Formel (6.2)]; h 1+z 1 − h exp (log h) · 1−z das ist gerade die Funktion χh mit b = −i log h (Beweis!). Es sagt nebenbei, dass er ebenso gut die Funktion √ z(2 h − (1 + h)z) √ , also ψ2,h , (1 + h) − 2 hz h¨ atte w¨ ahlen k¨ onnen (vgl. S. 305). Auch H. Cartan verwendet in [43, S. 191], das Logarithmus-Verfahren, er arbeitet mit der zul¨ assigen Dehnung κ b := qb ◦ ν, wo eb = ur κ b gilt ebenfalls κ b (0) = τ∞ (r(G)). −c und ν ∈ O(G) ein Logarithmus zu −gc ist; f¨ Der Leser f¨ uhre die Rechnungen durch und bestimme ein χ b ∈ E mit χ b◦κ b = id.  uhrlich von P. Henrici behanDie Familien Km , K∞ und andere werden ausf¨ delt, vgl. [113, S. 328–345], wo auch die Konvergenzgeschwindigkeit der zugeh¨ origen Koebe-Algorithmen diskutiert wird. ´odory in [37, Die Funktionen ψh,m , m ≥ 2, h ∈ (0, 1), und χh studiert Carathe 30–31], dort wird auch lim ψh,m = χh gezeigt.

9. Automorphismen und endliche innere Abbildungen

Im Mittelpunkt der Paragraphen 9.1 und 9.2 stehen die bereits im Paragraphen 8.4 untersuchten Gruppen Aut G und Halbgruppen Hol G. Bei beschr¨ ankten Gebieten G hat jede Folge fn ∈ Hol G eine konvergente Teilfolge (Montel), diese Tatsache hat u ¨berraschende Konsequenzen. So wird z.B. im Satz von H. Cartan aus dem Konvergenzverhalten der Iteriertenfolge zu einer Abbildung f : G → G abgelesen, wann f ein Automorphismus von G ist. Als Anwendung des Cartanschen Satzes geben wir im Abschnitt 9.2.5 eine homologische Charakterisierung von Automorphismen. Eine naheliegende Verallgemeinerung der biholomorphen Abbildungen G → G sind die holomorphen endlichen Abbildungen G → G , bei denen alle Fasern endliche Mengen mit stets gleich vielen Punkten sind (verzweigte ¨ Uberlagerungen). Solche Abbildungen werden in den Paragraphen 9.3 und 9.4 studiert; wir zeigen u.a., dass jede endliche holomorphe Abbildung eines nicht entarteten Kreisringes auf sich (gebrochen) linear, also biholomorph ist.

9.1 Innere Abbildungen und Automorphismen Wir zeigen zun¨ achst, dass die Komposition von inneren Abbildungen und die Inversenbildung von Automorphismen mit kompakter Konvergenz vertr¨aglich sind, Abschnitt (9.1.1). Die Beweise sind einfach, da die in G kompakt konvergenten Folgen fn ∈ O(G) genau die Folgen sind, die in G stetig gegen ihren Limes f konvergieren, f¨ ur die also gilt: lim fn (cn ) = f (c), falls lim cn = c ∈ G (vgl. Fußnote S. 149 oder Abschnitt I.3.1.5). Wir schreiben f = lim fn , wenn die Folge fn ∈ O(G) in G kompakt (stetig) gegen f ∈ O(G) konvergiert. Ist G beschr¨ ankt und fn ∈ Hol G, so gilt f = lim fn nach Vitali bereits dann, wenn die Folge fn in G punktweise gegen f konvergiert.

202

9 Automorphismen und endliche innere Abbildungen

9.1.1 Konvergente Folgen in Hol G und Aut G. Paragraph 7.5 ergibt direkt:

Folgerung (1) aus

Satz 9.1. Ist fn ∈ Hol G und lim fn = f ∈ O(G) nicht konstant, so gilt f ∈ Hol G. Wir notieren weiter (vgl. auch Abschnitt I.3.1.5* ): Satz 9.2. Falls fn ∈ Hol G, gn ∈ O(G) und lim fn = f ∈ Hol G, lim gn = g ∈ O(G), so gilt lim(gn ◦ fn ) = g ◦ f ∈ O(G)). Beweis. Sei cn ∈ G eine Folge mit Limes c ∈ G. Die stetige Konvergenz impliziert lim fn (cn ) = f (c) und weiter lim gn (fn (cn )) = g(f (c)). Die Folge  gn ◦ fn konvergiert also in G stetig gegen g ◦ f . F¨ ur die Inversenbildung zeigen wir: Satz 9.3. Falls fn ∈ Aut G und lim fn = f ∈ Aut G, so gilt lim fn−1 = f −1 ∈ Aut G. Beweis. Sei cn ∈ G eine Folge mit Limes c ∈ G. F¨ ur b := fn−1 (cn ) ∈ G, −1 bn := f (c) ∈ G gilt dann lim fn (bn ) = f (b). Nach Paragraph 7.5, Folgerung (2’), folgt lim fn−1 (cn ) = f −1 (c), also die stetige Konvergenz der Folge fn−1 gegen f −1 .  Hinter den S¨ atzen 9.2 und 9.3 steht ein allgemeiner Satz u ¨ber die Topologisierung von Transformationsgruppen. Ist X ein lokal-kompakter Raum, so betrachtet man in der Gruppe Top X aller Hom¨ oomorphismen von X auf sich alle Mengen {f ∈ Top X : f (K) ⊂ U }, wo K kompakt und U offen in X ist. Die Familie aller endlichen Durchschnitte solcher Mengen bildet eine Basis einer Topologie auf Top X. In dieser sog. KO-Topologie (kompakt-offen Topologie) ist die Gruppenverkn¨ upfung Top X × Top X → Top X, (f, g) → f ◦ g stetig. Ist X u angend, so ¨berdies lokal zusammenh¨ ist auch die Inversenbildung Top X → Top X, f → f −1 stetig! Es gilt daher: Satz 9.4 (Arens, 1946 [3]). Ist X lokal kompakt und lokal zusammenh¨ angend, so ist Top X – versehen mit der KO-Topologie – eine topologische Gruppe. Im Fall von Gebieten G in C ist Aut G eine abgeschlossene Untergruppe von Top G; die in der KO-Topologie konvergenten Folgen sind genau die in G kompakt konvergenten Folgen. Ist G beschr¨ ankt, so ist die topologische Gruppe Aut G lokalkompakt und sogar eine Lie-Gruppe. Dies wurde 1932 bzw. 1936 von H. Cartan f¨ ur alle beschr¨ ankten Gebiete im Cn , 1 ≤ n < ∞, bewiesen. [44, 407–420 und 478–538].

9.1 Innere Abbildungen und Automorphismen

203

9.1.2 Konvergenzsatz f¨ ur Folgen von Automorphismen. Satz 9.5. Ist G beschr¨ ankt und fn ∈ Aut G eine Folge mit f = lim fn ∈ O(G), so sind zwei F¨ alle m¨ oglich: (1) f ist nicht konstant: Dann gilt f ∈ Aut G. (2) f ist konstant: Dann ist f (G) ein Randpunkt von G. Beweis. Die Inversenfolge gn := fn−1 ∈ Aut G enth¨alt nach Montel eine Teilfolge, die in G kompakt gegen ein g ∈ O(G) konvergiert. Wir d¨ urfen g = orenden gn nebst fn weg). Wir behaupten: lim gn annehmen (man lasse alle st¨ g  (f (w)) · f  (w) = 1 f¨ ur alle w ∈ G mit f (w) ∈ G. gn (fn (z))

(9.1)

fn (z)

Da stets gn ◦ fn = id und also · = 1 f¨ ur alle z ∈ G gilt, so ur alle w ∈ G ∩ f −1 (G) ist nur zu zeigen, dass lim gn (fn (w)) = g  (f (w)) f¨ zutrifft. Das aber ist wegen lim fn (w) = f (w) und der stetigen Konvergenz der Folge gn gegen g  richtig. Ist nun f nicht konstant, so gilt f ∈ Hol G nach Satz 9.1. Wegen (9.1) ist g nicht konstant, nach Satz 9.1 folgt g ∈ Hol G. Da gn ◦ fn = id = fn ◦ gn , so gilt g ◦ f = id = f ◦ g nach Satz 9.2, also f ∈ Aut G. Ist aber f konstant, so kann c := f (G) auf Grund von (9.1) kein Punkt von G sein. Es folgt c ∈ ∂G.  Im Entartungsfall (2) l¨ asst sich versch¨ arfend zeigen, dass f (G) kein isolierter Randpunkt von G ist (Beweis!). Beispiele f¨ ur (2) sind alle Folgen fn : E → E, z →

z − cn , cn ∈ E mit lim cn =: c ∈ ∂E; cn z − 1

sie konvergieren in E kompakt gegen f (z) ≡ c, wenngleich stets fn ◦ fn = id.

9.1.3 Beschr¨ ankte homogene Gebiete. Die Scheibe E ist homogen: die Gruppe Aut E wird transitiv auf E. Es gilt folgende Umkehrung: Jedes homogene Gebiet G  C, C× ist biholomorph auf E abbildbar. Dieser Satz l¨ asst sich am bequemsten mit Hilfe des Uniformisierungssatzes gewinnen. Hier zeigen wir einen Spezialfall: Es sei G beschr¨ ankt und homogen, es gebe einen Randpunkt p ∈ ∂G und eine Umgebung U von p, so dass U ∩ G einfach zusammenh¨ angt. Dann ist G biholomorph auf E abbildbar. Beweis. Wir fixieren c ∈ G und w¨ ahlen eine Folge gn ∈ Aut G mit lim gn (c) = p. Wir d¨ urfen g := lim gn ∈ O(G) annehmen (Montel). Dann gilt g(c) = p ∈ ∂G, also g(z) ≡ p nach Satz 9.2. Zu jedem geschlossenen Weg γ in G gibt es also ein m, so dass der Bildweg γm := gm ◦ γ in U ∩ G liegt. Da γm nach −1 ◦ γm nullhomotop in Voraussetzung nullhomotop in U ∩ G ist, so ist γ = gm G. Also h¨ angt G einfach zusammen. Mit dem Riemannschen Abbildungssatz folgt die Behauptung.  Randpunkte p mit der geforderten Eigenschaft existieren immer dann, wenn ∂G glatte Randst¨ ucke“ enth¨ alt. ”

204

9 Automorphismen und endliche innere Abbildungen

9.1.4 Innere Abbildungen von H und Homothetien∗ . Satz 9.6. Es sei f : H → H holomorph, es gebe eine positive reelle Zahl λ = 1, so dass f (λi) = λf (i). Dann ist f eine Homothetie: f (z) = αz f¨ ur alle z ∈ H mit α := |f (i)|. Beweis. F¨ ur g := α−1 f ∈ Hol H gilt g(λi) = λg(i) und |g(i)| = 1. Es ist zu zeigen: g = idH . Nach dem Lemma von Schwarz-Pick, vgl. Abschnitt I.9.2.5, gilt    g(w) − g(z)   w − z      f¨ ur alle w, z ∈ H. (9.2)  ≤  g(w) − g(z)   w − z  f¨ ur w := λi, z := i folgt:    λg(i) − g(i)  |λ − 1|   , also |λg(i) − g(i)| ≥ λ + 1.  ≤  λg(i) − g(i)  λ+1 F¨ ur β := g(i)/g(i) gilt somit |λ−β| ≥ λ+1 und |β| = 1. Hieraus folgt β = −1, also g(i) = −g(i), d.h. g(i) ∈ Ri. Wegen g(i) ∈ H ∩ S 1 folgt g(i) = i und also g(λi) = λi. Somit besteht in (9.2) Gleichheit f¨ ur w = λi und z = i. Nach dem Lemma von Schwarz-Pick ist g dann ein Automorphismus von H. Da  g die zwei Fixpunkte i und λi hat, folgt g = idH . Der mitgeteilte Beweis stammt von E. Mues und H. K¨ oditz. Unter der st¨ arkeren Voraussetzung f (λz) = λf (z) f¨ ur alle z ∈ H folgt der Satz trivial aus folgendem Satz. Satz von Carath´ eodory-Julia-Landau-Valiron 9.7. Zu jeder Funktion f ∈ Hol H existiert eine reelle Konstante α ≥ 0, so dass gilt: In jedem Winkelraum Sε := {reiϕ : r > 0 und ε < ϕ < π − ε}, wo ε ∈ (0, π/2), konvergiert f (z)/z gleichm¨ aßig gegen α, wenn z gegen ∞ strebt. Die Zahl α heißt Winkelderivierte von f in ∞. Beweise des Satzes f¨ ur E anstelle ´odory: Funktionentheorie II, 26–30, Birkh¨ von H findet man bei C. Carathe auser 1950, A. Dinghas: Vorlesungen u ¨ber Funktionentheorie, 236–237, Springer 1961 und Chr. Pommerenke, Univalent functions, 306–307, Vandenhoeck & Ruprecht 1975. Aus dem angegebenen Satz folgt, falls f (λz) = λf (z) f¨ ur alle z ∈ H mit λ > 1: f (z)/z = f (λn z)/λn z, n ∈ N, also f (z)/z = lim f (λn z)/λn z = α, z ∈ H. n→∞

9.2 Iteration innerer Abbildungen F¨ ur jede innere Abbildung f ∈ Hol G werden die iterierten Abbildungen f [n] ∈ Hol G induktiv erkl¨ art durch

9.2 Iteration innerer Abbildungen

205

f [0] := idG , f [n] := f ◦ f [n−1] , n = 1, 2, . . . . Diese Folge enth¨ alt wertvolle Informationen u ¨ber f , z.B. gilt f ∈ Aut G bereits ur ein m ≥ 1. Diese triviale Bemerkung wird im dann, wenn f [m] ∈ Aut G f¨ Abschnitt 9.2.1 wesentlich versch¨ arft, als Folgerung erhalten wir im Abschnitt 9.2.2 f¨ ur beschr¨ ankte Gebiete einen Satz von H. Cartan. Die sofort durch Induktion einsehbare Gleichung ur f ∈ Hola G, a ∈ G, n ≥ 1, (f [n] ) (a) = f  (a)n f¨

(9.3)

hat – zusammen mit den S¨ atzen von Montel und Cartan – u ¨berraschende Konsequenzen; wir geben Beispiele dazu, in den Abschnitten 9.2.2, 9.2.3 und 9.2.5. – Wir schreiben oft fn statt f [n] . 9.2.1 Elementare Eigenschaften. Satz 9.8. Konvergiert eine Teilfolge fnk der Iteriertenfolge zu f ∈ Hol G in G kompakt gegen eine Funktion g ∈ O(G), so gilt: a) Aus g ∈ Aut G folgt f ∈ Aut G. b) Ist g nicht konstant, so hat jede konvergente Teilfolge der Folge hk := fnk+1 −nk ∈ Hol G die Grenzfunktion idG . Beweis. a) f ist injektiv. Aus f (a) = f (b), a, b ∈ G, folgt fn (a) = fn (b) f¨ ur alle n und mithin g(a) = g(b), also a = b wegen g ∈ Aut G. f ist surjektiv. Es gilt stets fnk (G) ⊂ f (G). Mit Folgerung (1) aus Paragraph 7.5 folgt g(G) ⊂ f (G) ⊂ G. Da g(G) = G wegen g ∈ Aut G, so folgt f (G) = G. b) Nach Satz 9.1 gilt g ∈ Hol G. Ist nun h Grenzfunktion einer Teilfolge der Folge hk , so hat fnk+1 = hk ◦fnk wegen Satz 9.2 zur Konsequenz: g = h◦g.  Also ist h auf g(G) die Identit¨ at. Da g(G) offen in G ist, folgt h = idG . Die Aussage b) gibt speziell (mit nk := k): Konvergiert die Folge f [n] in G kompakt gegen eine nicht konstante Funktion, so gilt bereits f = idG . Iteriertenfolgen f [n] , f = idG , haben also, wenn sie u ¨berhaupt konvergieren, konstante Grenzfunktionen. Wir betrachten ein Beispiel. Sei 0 < a < 1. F¨ ur f := −ga ∈ Aut E, wo ga (z) = (z − a)/(az − 1), gilt f [n] = −gan mit a1 := a, an := (a + an−1 )/(1 + aan−1 ), n ≥ 2 (Beweis!). Da a1 < a2 < · · · < 1, so folgt daraus lim an = 1. Daher ist lim f [n] (z) = lim

an − z 1−z = = −1 f¨ ur alle z ∈ E. an z − 1 z−1

Die Folge f [n] konvergiert also in E kompakt gegen den Fixpunkt −1 von f .

Mittels a) und b) folgt m¨ uhelos folgender Satz.

206

9 Automorphismen und endliche innere Abbildungen

9.2.2 Satz von H. Cartan. Satz 9.9. Es sei G beschr¨ ankt und f ∈ Hol G. Es gebe eine Teilfolge fnk der Iteriertenfolge zu f , die in G kompakt gegen eine nicht konstante Funktion konvergiert. Dann gilt f ∈ Aut G. Beweis. Die Folge hk := fnk+1 −nk hat nach Montel eine konvergente Teilfolge. Da idG nach Satz 9.8 b) deren Limes ist, gilt f ∈ Aut G wegen Satz 9.8 a).  Wir demonstrieren die Kraft des Cartanschen Satzes sofort an zwei Beispielen (eine weitere Anwendung findet sich im Abschnitt 9.2.5). Satz 9.10. Ist G beschr¨ankt und hat f ∈ Hol G zwei verschiedene Fixpunkte a, b in G, so ist f ein Automorphismus von G. Beweis. Nach Montel konvergiert eine Teilfolge fnk in G gegen eine Funktion g. Da stets fn (a) = a, fn (b) = b, so gilt g(a) = a = b = g(b). Daher ist g nicht konstant, nach Cartan folgt f ∈ Aut G.  Satz 9.11. (Vgl. Satz 8.23). Sei G beschr¨ ankt und a ∈ G. Dann gilt |f  (a)| ≤ 1 f¨ ur alle f ∈ Hola G. Weiter gilt Auta G = {f ∈ Hola G : |f  (a)| = 1}. Beweis. Sei wieder g = lim fnk ∈ O(G) (Montel). Wegen Satz 9.3 gilt oglich, wenn |f  (a)| ≤ 1. Im Falle |f  (a)| = 1 lim f  (a)nk = g  (a). Das ist nur m¨  gilt |g (a)| = 1. Dann ist g nicht konstant, und es folgt f ∈ Auta G nach Cartan. Gilt umgekehrt f ∈ Auta G, so gilt auch f −1 ∈ Auta G und also neben   |f (a)| ≤ 1 auch |1/f  (a)| = |(f −1 ) (a)| ≤ 1, d.h. |f  (a)| = 1. Historische Notiz. H. Cartan hat seinen Satz 1932 publiziert, er betrachtet beliebig beschr¨ ankte Gebiete im Cn , 1 ≤ n < n < ∞, vgl. [44, 417–418]. Aufgaben. 1. Es sei G beschr¨ ankt, a ∈ G und f ∈ Hola G, aber f ∈ / Aut G. Zeigen Sie, dass die Folge f [n] in G gegen g(z) ≡ a konvergiert. 2. Zeigen Sie, dass im Cartanschen Satz die Folge fnk+1 −nk konvergiert.

Bemerkung. Die Beweise des Cartanschen Satzes bzw. der beiden Folgerungen funktionieren, weil die Folgen hk bzw. f [n] konvergente Teilfolgen haben. Mittels Uniformisierungstheorie l¨ asst sich zeigen, dass dies f¨ ur alle Gebiete  C, C× zutrifft.

9.2 Iteration innerer Abbildungen

207

9.2.3 Die Gruppe Auta G f¨ ur beschr¨ ankte Gebiete. Satz 9.12. Ist G beschr¨ ankt und a ∈ G, so bildet σ : Auta G → C× , f →  f (a) die Gruppe Auta G isomorph auf die Kreisgruppe S 1 oder eine endliche zyklische Untergruppe von S 1 ab (vgl. Satz 8.24). Beweis. a) Wegen Satz 9.27 gilt Bild σ ⊂ S 1 . Zeigen wir, dass Bild σ abgeschlossen in S 1 ist, so ist Bild σ entweder S 1 oder endlich zyklisch nach Satz 9.15 (n¨ achster Abschnitt). Sei also c ∈ S 1 Limes einer Folge cn ∈ Bild σ. W¨ ahle hn ∈ Auta G mit σ(hn ) = cn . Nach Montel konvergiert eine Teilfolge der hn in G gegen ein h ∈ O(G). Da h(a) = a, so gilt h ∈ Auta G nach Satz 9.5. Es folgt σ(h) = h (a) = c. b) Es bleibt zu zeigen, dass σ injektiv ist, d.h. dass aus f ∈ Auta G und urfen a = 0 annehmen. Die Taylorf  (a) = 1 bereits f = idG folgt. Wir d¨ ohere Glieder, wobei m ≥ 2. Reihe von f um 0 hat die Form: z + am z m + h¨ Dann ist z +nam z m +. . . die Taylor-Reihe von f [n] um 0 (vgl. nachstehende Aussage (9.4)). Da eine Teilfolge der f [n] konvergiert, so ist auch eine Teilfolge von nam = (f [n] )(m) (0), n = 1, 2, . . . konvergent. Das geht nur, wenn am = 0. Es folgt f (z) ≡ z.  Im Beweis von (b) wurde benutzt: Es sei G ein Gebiet mit 0 ∈ G, es sei z + am z m + Taylor-Reihe von f ∈ Hol0 G um 0. Dann ist



aν z ν mit m ≥ 2 die

ν>m

z + nam z m + Glieder in z ν mit ν > m

(9.4)

die Taylor-Reihe von f [n] um 0, n = 1, 2 . . . . Beweis. (induktiv). Wir setzen fn = f [n] . Der Fall n = 1 ist klar. Sei die Behauptung f¨ ur n = k ≥ 1 bereits verifiziert. Wegen fk+1 = f ◦ fk gilt  aν fk (z)ν . fk+1 (z) = fk (z) + am fk (z)m + g(z) mit g(z) := ν>m

Da o0 (g) > m wegen fk (0) = 0, so sieht die Taylor-Reihe von fk+1 um 0 bei Ber¨ ucksichtigung der Induktionsannahme wie folgt aus z + kam z m + am (z + kam z m + . . . )m + · · · = z + (k + 1)am z m + . . . .  Im Satz ist enthalten (Beweis wie in Abschnitt 8.4.2): Unit¨ atssatz 9.13. Es sei G beschr¨ ankt, a ∈ G, f ∈ Auta G, f  (a) > 0. Dann gilt f = idG . Dieser Satz wurde 1913 von L. Bieberbach entdeckt und mittels Iteration wie oben bewiesen, [15, 556–557].

208

9 Automorphismen und endliche innere Abbildungen

9.2.4 Die abgeschlossenen Untergruppen der Kreisgruppe. Satz 9.14. Jede abgeschlossene Untergruppe H = S 1 von S 1 ist endlich und zyklisch. Wir beweisen zun¨ achst einen Hilfssatz 9.15. Es sei L = R eine abgeschlossene Untergruppe = 0 der additiven Gruppe R. Dann gilt L = rZ mit r := inf{x ∈ L : x > 0} ∈ R. Beweis. 1) Wegen L = 0 ist r wohldefiniert, es gilt r ≥ 0. W¨ are r = 0, so g¨ abe es zu jedem ε > 0 ein s ∈ L mit 0 < s < ε. In jedem Intervall von R der L¨ ange 2ε l¨ age nun ein ganzzahliges Vielfaches von s. Daher g¨ abe es zu jedem t ∈ R ein x ∈ L mit |t − x| < ε. So f¨ ande man zu ε := 1/n, n ≥ 1, ein xn ∈ L mit |t − xn | < 1/n. Da L abgeschlossen in R ist, folgt t = lim xn ∈ L, also der Widerspruch L = R. 2) Wir zeigen L = rZ. Es gilt r ∈ L wegen der Abgeschlossenheit von L. Die Inklusion rZ ⊂ L ist klar. Sei x ∈ L beliebig. Wegen r > 0 gibt es ein n ∈ Z, so dass r(n − 1) < x ≤ rn. Dies bedeutet 0 ≤ rn − x < r. Da rn − x ∈ L, so folgt x = rn auf Grund der Minimalit¨ at von r.  Nun folgt der Satz u ¨ber Untergruppen von S 1 sofort: Der Polarkoordinatenepi” morphismus“ p : R → S 1 ,ϕ → eiϕ , ist stetig, daher ist L := p−1 (H) eine abgeschlos1 sene Untergruppe der additiven Gruppe R. Wegen H = S gilt L = R, also L = rZ mit r ≥ 0 nach dem Hilfssatz. Mit η := eir gilt dann H = p(L) = {η n : n ∈ Z}. Da 2π ∈ L wegen p(2π) = 1, so gibt es ein m ∈ N\{0} mit rm = 2π. Dies bedeutet η m = 1, also H = {1, η, η 2 , . . . , η m−1 }.

9.2.5 Automorphismen von Gebieten mit L¨ ochern. Ringsatz∗ . Wir notieren zun¨ achst ein hinreichendes Kriterium daf¨ ur, dass eine in einem Gebiet G kompakt konvergente Folge gn ∈ O(G) eine nichtkonstante Grenzfunktion g hat. Satz 9.16. Es gebe einen geschlossenen Weg γ in G, so dass im Durchschnitt aller Mengen Int(gn ◦ γ) mindestens zwei Punkte liegen. Dann ist g nicht konstant. Beweis. Im Fall g(z) ≡ a g¨ abe es ein b ∈ Int(gn ◦ γ), b = a, so dass    gn dη dζ = ∈ 2πiZ\{0} f¨ ur fast alle n. gn − b η−b gn ◦γ

γ

Da die Folge Widerspruch.

gn /(gn

− b) auf γ kompakt gegen 0 konvergiert, hat man einen 

Im folgenden benutzen wir Redeweisen und Resultate aus der Theorie der Gebiete mit L¨ ochern (vgl. hierzu Kapitel 13 und 14). Wir betrachten beschr¨ ankte Gebiete G ohne isolierte Randpunkte, die mindestens ein Loch, aber nicht unendlich viele L¨ ocher haben (die also m-fach zusammenh¨angen, 2 ≤ m < ∞). F¨ ur solche Gebiete gilt:

9.2 Iteration innerer Abbildungen

209

Satz 9.17. [44, 448–449]. Es sei f ∈ Hol G so beschaffen, dass jeder geschlossene Weg in G, der nicht nullhomolog in G ist, unter f einen in G nicht nullhomologen Bildweg hat. Dann gilt f ∈ Aut G. Beweis. Sei g ∈ O(G) Limes einer Teilfolge gn der Iterierten von f . Da G L¨ ocher hat, gibt es einen geschlossenen Weg γ in G, der nicht nullhomolog ist (vgl. Abschnitt 13.2.4). Wegen f [n] ◦ γ = f ◦ (f [n−1] ◦ γ) ist dann kein Weg gn ◦ γ nullhomolog in G. Es gibt also zu jedem n ein Loch Ln von G , so dass Ln ⊂ Int(gn ◦ γ), vgl. Abschnitt 13.1.4. Da G nur endlich viele L¨ocher hat, ¨ d¨ urfen wir annehmen, (Ubergang zu einer Teilfolge und Umnummerierung der L¨ocher), dass stets L1 ⊂ Int(gn ◦ γ). Da L1 mindestens zwei Punkte hat, so ist g nach Satz 9.16 nicht konstant. Mit Satz 9.9 folgt f ∈ Aut G.  Die Voraussetzung u ¨ber f besagt, dass f einen Monomorphismus f1 : H(G) → H(G) der Homologiegruppe von G induziert, vgl. Abschnitt 14.1.2. Unter Benutzung elementarer Homologietheorie folgt nun sofort der Ringsatz. Ringsatz 9.18. Ist A := {z ∈ C : r < |z| < s}, 0 < r < s < ∞, ein (nicht entarteter) Kreisring und f ∈ Hol A so beschaffen, dass f wenigstens einen in A nicht nullhomologen geschlossenen Weg auf einen ebensolchen Weg abbildet, so gilt f ∈ Aut A, also f (z) = ηz oder f (z) = ηrsz −1 , η ∈ S 1 . Beweis. Bezeichnet Γ einen Kreis in A um 0, so gilt (vgl. Abschnitt 14.2.1). H(A) = ZΓ  Z und f1(H(A)) = 0. Daher ist f1 : Z → Z injektiv, und es folgt f ∈ Aut A auf Grund des Satzes. Wegen Satz 9.22 hat f dann die angegebene Form.  Historische Notiz. Der Ringsatz wurde 1950 von H. Huber ohne Benutzung des Cartanschen Satzes bewiesen, vgl. [123, S. 163] . Es gibt direkte Beweise, vgl. z.B. E. Reich: Elementary proof of a theorem on conformal rigidity, Proc. Amer. Math. Soc. 17, 644–645 (1966). Ausblick. Gebiete mir mehreren L¨ ochern haben i.a. endliche Automorphismenochern, 2 ≤ n < ∞, gruppen. M.H. Heins hat 1946 f¨ ur Gebiete Gn mit genau n L¨ gezeigt, vgl. [110]: Die Gruppe Aut Gn ist isomorph zu einer endlichen Untergruppe der Gruppe aller gebrochen linearen Transformationen. Die bestm¨ ogliche obere Schranke N (n) f¨ ur die Elementezahl von Aut Gn ist: N (n) = 2n, falls n = 4, 6, 8, 12, 20; N (4) = 12, N (6) = N (8) = 24,

N (12) = N (20) := 60.

Die Zahlen 2n, 12, 24, 60 sind die Ordnungen der Dieder-, Tetraeder-, Oktaederund Ikosaedergruppe. – (Beschr¨ ankte) Gebiete mit unendlich vielen L¨ ochern k¨ onnen unendliche Gruppen haben, z.B.: Aut(C\Z)  Aut(H\{i + Z}) = {z → z + n : n ∈ Z}.

210

9 Automorphismen und endliche innere Abbildungen

9.3 Endliche holomorphe Abbildungen Eine Folge zn ∈ G heißt Randfolge in G, wenn sie keinen H¨aufungspunkt in G hat. Eine holomorphe Abbildung f : G → G heißt endlich, wenn gilt Ist zn Randfolge in G, so ist f (zn ) Randfolge in G . Biholomorphe Abbildungen sind endlich. Eine Abbildung f : C → C ist genau dann endlich, wenn f ein nichtkonstantes Polynom ist (Beweis!). Im Abschnitt 9.3.2 geben wir alle endlichen holomorphen Abbildungen E → E an. In den weiteren Abschnitten studieren wir endliche holomorphe Abbildungen zwischen Kreisringen. Das Hilfsmittel ist das Minimum- bzw. Maximumprinzip. 9.3.1 Drei allgemeine Eigenschaften. Endliche holomorphe Abbildungen f : G → G haben folgende Eigenschaften: (1) Jede f -Faser f −1 (w), w ∈ G , ist endlich. (2) Jedes Kompaktum L in G hat ein kompaktes f -Urbild. (3) f ist surjektiv : f (G) = G . Beweis. (1) Zun¨ achst ist f nicht konstant. Daher ist jede f -Faser lokal endlich in G. G¨ abe es eine unendliche Faser F , so g¨ abe es in G eine Randfolge zn ∈ F . are dann keine Randfolge in G . Widerspruch. Die konstante Bildfolge f (zn ) w¨ (2) Wir zeigen, dass jede Folge zn ∈ K := f −1 (L) einen H¨aufungspunkt in K hat. Da f (zn ) ∈ L keine Randfolge in G ist, so ist zn keine Randfolge in G. Sie hat daher einen H¨ aufungspunkt z ∈ G. Da K abgeschlossen ist, folgt z ∈ K. atte f (G) einen Randpunkt p ∈ G . Man w¨ahle (3) W¨ are f (G) = G , so h¨ eine Folge zn ∈ G mit lim f (zn ) = p. Dann ist zn keine Randfolge in G, sie hat also einen H¨ aufungspunkt z ∈ G. Es folgt p = f ( z ) ∈ f (G). Widerspruch.  Weitere allgemeine Aussagen u ¨ber endliche holomorphe Abbildungen findet man in Paragraph 9.4. 9.3.2 Endliche innere Abbildungen von E.

Zun¨achst ist klar:

Eine innere Abbildung f : E → E ist genau dann endlich, wenn lim |f (z)| = 1 (Randregel ).

|z|→1

(9.5)

Aus dem Maximum- und Minimumprinzip folgt direkt der Hilfssatz: Hilfssatz 9.19. Es sei G beschr¨ ankt, und es sei g eine Einheit in O(G). Es gelte lim |g(z)| = 1. Dann ist g konstant. z→∂G

Mit diesen Hilfsmitteln gewinnen wir schnell:

9.3 Endliche holomorphe Abbildungen

211

Satz 9.20. Folgende Aussagen u aquivalent: ¨ber eine Funktion f ∈ O(E) sind ¨ i) f ist eine endliche Abbildung E → E. ii) Es gibt endlich viele Punkte c1 , . . . , cd ∈ E, d ≥ 1, und ein η ∈ S 1 , so dass f (z) = η

d z − cν ( endliches Blaschke-Produkt). c z−1 ν=1 ν

Beweis. i) ⇒ ii). Die Menge f −1 (0) ⊂ E ist nach den Eigenschaften (1) und (3) aus Abschnitt 9.3.1 endlich und nicht leer. Seien c1 , . . . , cd ∈ E die Nullstellen von f in E, wobei cν so oft vorkommt wie die Ordnung von f in cν angibt. Setzt man fν := (z − cν )/(cν z − 1) ∈ O(E), so ist g := f /(f1 f2 · . . . · fd ) eine Einheit in E. Da lim |fν (z)| = 1, 1 ≤ ν ≤ d, und da lim |f (z)| = 1 nach |z|→1

|z|→1

(9.5), so folgt lim |g(z)| = 1. Der Hilfssatz gibt nun g(z) = η ∈ S 1 , d.h. |z|→1

f = ηf1 f2 · . . . · fd . ur alle z ∈ E, so gilt f (E) ⊂ E. Da ii) ⇒ i) Da |(z − cν )/(cν z − 1)| < 1 f¨  lim |f (z)| = 1, so ist f endlich.

|z|→1

Folgerung. Es sei q ein Polynom. Es gebe ein R ∈ (0, ∞), so dass der Bereich {z ∈ C : |q(z)| < R} eine Scheibe Br (c), 0 < r < ∞, als Zusammenhangskomponente hat. Dann gilt q(z) = a(z − c)d mit d ≥ 1 und |a| = R/rd . q

Beweis. Die induzierte Abbildung Br (c) → BR (0) ist endlich (!). Das Polynom p(z) := q(rz + c)/R induziert eine endliche Abbildung E → E. Nach dem  Satz folgt p(z) = ηz d mit η ∈ S 1 , d ≥ 1. Dies ist die Behauptung. Der Satz zeigt, dass E viele endliche innere Abbildungen zul¨asst, die keine Automorphismen sind. Die einfachsten solchen Abbildungen mit f (0) = 0 z−b , b ∈ E, gegeben. Die Ableitung f  verschwindet werden durch f (z) = z bz−1 in genau einem Punkt c von E, es gilt b = 2c/(1 + |c|2 )! Diese Abbildungen wurden in Abschnitt 8.2.3 mit ψc bezeichnet. – Im allgemeinen haben beschr¨ ankte Gebiete außer Automorphismen keine endlichen inneren Abbildungen; die Standardbeispiele sind Kreisringe, vgl. Satz 9.3.4. Historische Notiz. Den Anstoß zur Theorie der endlichen holomorphen Abbildungen gab 1919 P. Fatou (franz¨ osischer Mathematiker, 1878–1929). Mittels des Schwarzschen Spiegelungsprinzips zeigte er unter Benutzung von nicht trivialen S¨ atzen u ¨ber das Randverhalten der in E beschr¨ankten holomorphen Funktionen, dass endliche innere Abbildungen von E durch rationale Funktionen gegeben werden [67, S. 209–212]; 1923 bemerkte er [68, S. 192], dass ´ diese Funktionen endliche Blaschke-Produkte sind. Inzwischen hatte Rado 1922 bereits den allgemeinen Begriff der endlichen holomorphen Abbildung eingef¨ uhrt, der obige elegante Beweis geht auf ihn zur¨ uck, vgl. [224, 56–57].

212

9 Automorphismen und endliche innere Abbildungen

Mit Hilfe der Uniformisierungstheorie l¨ asst sich zeigen: Ist f : E → G holomorph und endlich, so ist G biholomorph auf E abbildbar (dabei darf G irgendeine Riemannsche Fl¨ ache sein).

9.3.3 Randlemma f¨ ur Kreisringe. Es bezeichnen A := A(r, s), A :=   außeren A(r , s ) stets Kreisringe um 0 in C mit inneren Radien r, r ≥ 0 und ¨ Radien s, s ≤ ∞. Zum Studium endlicher Abbildungen A → A ben¨otigen wir ein rein topologisches Lemma, welches die Randregel (9.5) verallgemeinert und anschaulich besagt, dass Randkomponenten von A in Randkomponenten von außerer Rand vertauscht werden. A u ¨bergehen, wobei eventuell innerer und ¨ Lemma 9.21 (Randlemma). Ist f : A → A holomorph und endlich, so gilt alternativ: lim |f (z)| = r und

|z|→r

lim |f (z)| = s ,

|z|→s

oder lim |f (z)| = s und

|z|→r

lim |f (z)| = r .

|z|→s

Beweis. Sei t ∈ (r , s ) fixiert, sei S := {z ∈ C : |z| = t} ⊂ A . Da f endlich ist, so ist f −1 (S) kompakt in A nach Eigenschaft (2) aus Abschnitt 9.3.1 und hat also einen positiven Abstand von ∂A. Daher gibt es Zahlen ρ, σ mit r < ρ < σ < s, so dass f¨ ur die Kreisringe C := A(r, ρ) und D := A(σ, s) gilt, (vgl. Figur): C ∩ f −1 (S) = ∅ = D ∩ f −1 (S).

f -1(S)

C

r

r s

s

x

D

 Dies bedeutet: f (C) ⊂ A \S und f (D) ⊂ A \S. Da f stetig ist, so sind mit C, D auch f (C) und f (D) zusammenh¨angend; daher muss gelten

9.3 Endliche holomorphe Abbildungen

1) 2)

213

f (C) ⊂ A(r , t) oder f (C) ⊂ A(t, s ), und f (D) ⊂ A(r , t) oder f (D) ⊂ A(t, s )

F¨ ur jede Folge zn in A mit lim |zn | = r gilt fast immer zn ∈ C, daher folgt wegen 1) f¨ ur alle solchen Folgen: ur fast alle Entweder gilt stets r < |f (zn )| < t oder stets t < |f (zn )| < s f¨ n. Da t ∈ (r , s ) beliebig ist, so sehen wir: Es gilt entweder lim |f (z)| = r oder |z|→r

lim |f (z)| = s .

|z|→r

Entsprechend sieht man unter Verwendung von 2): Es gilt entweder lim |f (z)| = r oder |z|→s

lim |f (z)| = s .

|z|→s

Das Lemma wird daher bewiesen sein, wenn wir noch zeigen, dass die oglich ist. Da f (A) = A nach EigenGleichung lim |f (z)| = lim |f (z)| unm¨ |z|→r

|z|→s

schaft (3) aus Abschnitt 9.1.1, so gibt es stets Folgen zn bzw. wn in A mit lim |f (zn )| = r und lim |f (wn )| = s , dabei konvergieren die Folgen |zn | und  |wn | wegen der Endlichkeit von f gegen r bzw. s. Bemerkung. Im Beweis des Lemmas wird nur benutzt, dass f stetig und surjektiv ist und die Randfolgeneigenschaften hat. 9.3.4 Endliche innere Abbildungen von Kreisringen. Jede Drehung z → ηz, η ∈ S 1 , ist ein Automorphismus des Kreisringes A = A(r, s). Ist A nicht entartet, d.h. gilt 0 < r < s < ∞, so sind auch alle Drehspiegelungen z → ηrsz −1 Automorphismen von A, sie vertauschen die Randkomponenten. Mit Lemma 9.21 folgt schnell, dass dies im nicht entarteten Fall alle endlichen inneren Abbildungen sind. Satz 9.22. Ist A nicht entartet, so ist jede endliche holomorphe Abbildung f : A → A ein Automorphismus; es gilt: f (z) = ηz oder f (z) = ηrsz −1 , η ∈ S 1 . Beweis. Wir definieren eine Funktion g ∈ O(A) wie folgt: g(z) := f (z)/z

falls lim |f (z)| = r; |z|→r

g(z) := zf (z)/(rs), falls lim |f (z)| = s; |z|→r

diese Definition ist wegen rs = 0 sinnvoll auf Grund von Lemma 9.21 (mit A = A). Die Funktion g ist nullstellenfrei in A. Nach Lemma 9.21 gilt: lim |g(z)| = 1 = lim |g(z)|. Wegen Hilfssatz 9.19 folgt g(z) = η ∈ S 1 .

|z|→r

|z|→s



214

9 Automorphismen und endliche innere Abbildungen

Bemerkung. Ist A entartet, so gibt es endliche innere Abbildungen von A, die nicht biholomorph sind: falls r = 0 und s < ∞, so ist jede Abbildung A(0, s) → A(0, s), z → az d , wobei d ∈ N\{0} und a ∈ C× mit |a| = s1−d , endlich. Man zeige, dass dies alle endlichen inneren Abbildungen von A(0, s) sind. Aufgabe. Bestimme alle endlichen inneren Abbildungen von A(r, ∞), 0 < r < ∞, und von A(0, ∞) = C× . ´ zeigte 1922 Der Satz l¨ asst sich wesentlich verallgemeinern. Schon Rado [224]: Es sei G ⊂ C ein Gebiet mit genau n L¨ ochern, 1 ≤ n < ∞; kein Loch sei einpunktig. Dann ist jede endliche holomorphe Abbildung G → G biholomorph. Einen eleganten Beweis gab 1941 M.H. Heins, [110]; die Aussage wird falsch f¨ ur n = ∞. 9.3.5 Bestimmung aller endlichen Abbildungen zwischen Kreisringen. Wir verallgemeinern Satz 9.22. Zur Vorbereitung beweisen wir Hilfssatz 9.23. Sei f ∈ O(A). Ist |f | konstant auf jedem Kreis in A um 0, so gilt f (z) = az m mit a ∈ C, m ∈ Z. Beweis. Wir d¨ urfen f als nullstellenfrei annehmen. Dann gilt f (z) = eg(z) z m mit g ∈ O(A) und m ∈ Z (Einheitenlemma, vgl. Aufg. 4b) aus Abschnitt I.12.1.4) sowie Satz 14.7). Nach Annahme u ¨ber |f | ist Re g auf allen Kreisen in A um 0 konstant. F¨ ur jedes η ∈ S 1 hat dann exp[g(z) − g(ηz)] u ¨berall in A den Betrag 1. Die Funktion ist also konstant; es folgt g(z) − g(ηz) = iδ, δ ∈ R f¨ ur alle z ∈ A, und hieraus (induktiv): g(z) − g(η n z) = iδn, n ≥ 1. Da g auf Kreisen um 0 beschr¨ ankt ist, folgt δ = 0, also g(z) = g(ηz) f¨ ur alle η ∈ S 1 . Nach dem Identit¨ atssatz ist g dann konstant.  F¨ ur jeden nicht entarteten Kreisring A = A(r, s) heißt das Radienverh¨altnis μ(A) := s/r > 1 der Modul von A. Wir behaupten: aquiSatz 9.24. Folgende Aussage u ¨ber nicht entartete Kreisringe A, A sind ¨ valent: i) Es gibt eine endliche holomorphe Abbildung f : A → A . ii) Es gibt eine nat¨ urliche Zahl d ≥ 1, so dass μ(A) = μ(A)d . Ist ii) erf¨ ullt, so werden alle endlichen holomorphen Abbildungen f : A → A gegeben durch die Funktionen f (z) = ηr (z/r)d und f (z) = ηs (r/z)d ,

η ∈ S1.

´ . Abbildungssgrad 9.4 Satz von Rado

215

Beweis. i) ⇒ ii). Auf Grund von Lemma 9.21 und Hilfssatz 9.19 sind alle Funktionen f (z)/f (eiα z), α ∈ R, auf A konstant vom Betrag 1. Insbesondere ist |f (z)| konstant auf jeder Kreislinie in A um 0. Nach dem Hilfssatz gilt also f (z) = az m mit m ∈ Z\0, a ∈ C× . Da f (A) = A nach Eigenschaft (3) aus Abschnitt 9.3.1, so folgt μ(A ) = μ(A)d mit d := |m|, weiter sieht man, dass f von der angegebenen Form ist. ii) ⇒ i). Die angegebenen Funktionen induzieren endliche Abbildungen  A → A . Korollar 9.25. Zwei nicht entartete Kreisringe A und A sind genau dann biholomorph ¨ aquivalent, wenn sie den gleichen Modul haben. Alsdann ist jede endliche holomorphe Abbildung A → A biholomorph und von der Form z → ηr z/r oder z → ηs r/z, η ∈ S 1 . Setzt man weiterhin endliche ¨ außere Radien s, s voraus, l¨asst aber f¨ ur die inneren Radien auch den Wert 0 zu, so liegen die Verh¨altnisse anders. Der Leser beweise: Falls r = 0, r > 0 oder r > 0, r = 0, so existiert keine endliche Abbildung von A in A . Falls r = r = 0, so liefern genau die Funktionen f (z) = ηs s−d z d , η ∈ S 1 , d ∈ N\0, alle endlichen Abbildungen A → A .

Aufgabe. Man diskutiere die u¨brigen F¨alle von endlichen Abbildungen zwischen entarteten Kreisringen.  Das Korollar findet sich 1914 bei Koebe, [142, insb. S. 195–200]; dort werden auch alle Entartungsf¨ alle behandelt.

9.4 Satz von Rad´ o. Abbildungssgrad Bei allen diskutierten endlichen Abbildungen E → E, A → A hat jeder Bildpunkt gleich viele Urbildpunkte (wenn diese entsprechend ihrer Vielfachheit gez¨ ahlt werden). Dies ist kein Zufall: wir werden im Abschnitt 9.4.3 sehen, dass bei jeder endlichen holomorphen Abbildung alle Fasern gleich viele Punkte besitzen, diese Anzahl ist der sog. Abbildungsgrad. Im Abschnitt 9.4.1 werden zun¨ achst endliche Abbildungen ohne Benutzung von Randfolgen charakterisiert. Im Abschnitt 9.4.2 betrachten wir Windungsabbildungen. Das sind die einfachsten endlichen Abbildungen. Lokal sind alle nichtkonstanten holomorphen Abbildungen Windungsabbildungen, sie sind die Bausteine endlicher Abbildungen l¨ angs jeder Faser (Satz 9.28). – Mit G, G werden stets Gebiete in C bezeichnet.

216

9 Automorphismen und endliche innere Abbildungen

¨ 9.4.1 Abgeschlossene Abbildungen. Aquivalenzsatz. Eine Abbildung f : X → Y zwischen topologischen (metrischen) R¨aumen heißt abgeschlossen, wenn jede in X abgeschlossene Menge ein in Y abgeschlossenes Bild hat. F¨ ur solche Abbildungen gilt: Satz 9.26. Zu jeder in X offenen Umgebung U einer Faser f −1 (y), y ∈ Y , gibt es eine in Y offene Umgebung V von y, so dass f −1 (V ) ⊂ U . Beweis. Da X\U abgeschlossen in X ist, so ist f (X\U ) abgeschlossen in Y . Die Menge V := Y \f (X\U ) ist eine gew¨ unschte Umgebung.  ´ im Abschnitt 9.3.3 wird Satz 9.26 wesentIm Beweis des Satzes von Rado ¨ lich benutzt. Wir zeigen nun folgenden Aquivalenzsatz. ¨ ¨ Aquivalenzsatz 9.27. Aquivalente Aussagen u ¨ber eine holomorphe Abbildung f : G → G sind: i) f bildet Randfolgen in G auf Randfolgen in G ab (Endlichkeit). ii) Jedes Kompaktum in G hat ein kompaktes f -Urbild. iii) f ist nicht konstant und abgeschlossen. Beweis. i) ⇒ ii). Das ist die Aussage (2) aus Abschnitt 9.3.1. – ii) ⇒ iii) Gewiss ist f (G) kein Punkt, denn dann w¨ are G = f −1 (f (G)) kompakt. Sei A abgeschlossen in G. Wir zeigen, dass f¨ ur jeden Limes p ∈ G einer Folge f (zn ), zn ∈ A gilt: p ∈ f (A). Da L := {p, f (z0 ), f (z1 ), . . . } ⊂ G kompakt ist, so ist auch f −1 (L) ⊂ G kompakt. Also hat die Folge zn ∈ A ∩ f −1 (L) eine Teilfolge mit einem Limes z ∈ A. Es folgt p = f ( z ) ∈ f (A). Mithin ist f abgeschlossen. iii) ⇒ i). G¨ abe es eine Randfolge zn ∈ G, deren Bildfolge f (zn ) einen abe es – da f −1 (p) lokal endlich in G liegt – eine Folge Limes p ∈ G hat, so g¨ −1 z n ∈ G\f (p), so dass zn ) − f (zn )| < 1/n. | zn − zn | < 1/n und |f ( zn ) und stets f ( zn ) = p, Dann ist z n wieder eine Randfolge in G. Da p = lim f ( so ist die Menge {f ( zn )} nicht abgeschlossen in G . Sie ist aber das f -Bild der  in G abgeschlossenen Menge { zn }. Widerspruch. 9.4.2 Windungsabbildungen. Eine nichtkonstante holomorphe Abbildung f : U → V heißt Windungsabbildung um c ∈ U , wenn gilt: a) V ist eine Kreisscheibe um f (c), es gibt eine biholomorphe Abbildung ∼ u:U − → E, u(c) = 0, und eine lineare Abbildung v : E → V , v(0) = f (c). u

z →z n

v

b) f hat die Faktorisierung U → E −→ E → V mit n := ν(f, c).1 1

Die Vielfachheit ν(f, c) von f in c ∈ G ist die Nullstellenordnung von f − f (c) in c. F¨ ur nichtkonstantes f gilt stets 1 ≤ ν(f, c) < ∞, es gilt ν(f, c) = 1 genau dann, wenn f um c biholomorph ist, d.h. wenn f  (c) = 0. Vgl. hierzu Abschnitte I.8.1.3 und I.9.4.2.

´ . Abbildungssgrad 9.4 Satz von Rado

217

Solche Abbildungen sind endlich und in U \c lokal biholomorph, die Zahl n heißt der Grad von f . Im Kleinen sind holomorphe Abbildungen stets Windungsabbildungen, es gilt n¨ amlich (vgl. I.9.4.4): (1) Ist f ∈ O(G) nicht konstant, so gibt es zu jedem Punkt c ∈ G eine Umgebung U ⊂ G, so dass die induzierte Abbildung f |U : U → f (U ) eine Windungsabbildung vom Grad ν(f, c) um c ist. Windungsabbildungen haben folgende Schrumpfungs-Eigenschaft“: ” (2) Ist f : U → V eine Windungsabbildung vom Grad n um c, so ist f¨ ur jede Kreisscheibe V1 ⊂ V um f (c) die induzierte Abbildung f |U1 : U1 → V1 , wo U1 := f −1 (V1 ), eine Windungsabbildung vom Grad n um c. Beweis. Sei v ◦p◦u mit p(z) := z n eine Faktorisierung von f gem¨aß a) und b). Da v linear ist, so ist B  := v −1 (V1 ) eine Kreisscheibe um 0. Ist√r ihr Radius, so ist B := p−1 (B  ) die Kreisscheibe um 0 vom Radius s := n r. Setzt man nun u1 (z) := s−1 u(z), z ∈ U1 , und v1 (z) := v(rz), z ∈ E, so ist v1 ◦ p ◦ u1 eine  gesuchte Faktorisierung von f |U1 . Wir verallgemeinern (1). Wir betrachten Funktionen f ∈ O(G), die endliche Fasern haben. Sind c1 , . . . , cm die verschiedenen Punkte einer solchen Faser f −1 (p), so hat f um f −1 (p) folgende Darstellung: Satz 9.28. Es gibt eine offene Kreisscheibe V um p und offene paarweise disjunkte Umgebungen U1 , . . . , Um ⊂ G von c1 , . . . , cm , so dass V = f (Uμ ) und jede induzierte Abbildung f |Uμ : Uμ → V eine Windungsabbildung um cμ vom Grad ν(f, cμ ) ist, 1 ≤ μ ≤ m. Ist f endlich, so l¨ asst sich f −1 (V ) = U1 ∪ U2 ∪ . . . ∪ Um erreichen. 11 , . . . , U 1m ⊂ G paarweise disjunkt um c1 , . . . , cm , Beweis. Mit (1) w¨ ahlen wir U 1 1 1 so dass f |Uμ : Uμ → f (Uμ ) eine Windungsabbildung um cμ vom Grad ν(f, cμ ) m 4 1μ ) um p. Setzt man ist, 1 ≤ μ ≤ m. Es gibt eine Kreisscheibe V ⊂ f (U μ=1

1μ , so ist nach (2) auch f |Uμ : Uμ → V eine WindungsabbilUμ := f (V ) ∩ U dung um cμ vom Grad ν(f, cμ ), 1 ≤ μ ≤ m. Ist f endlich, so ist f abgeschlossen und V l¨asst sich auf Grund von Satz 9.4 und der Schrumpfungs-Eigenschaft“ (2) aus Abschnitt 9.4.2 noch zus¨atzlich ”  so w¨ ahlen, dass f −1 (V ) = U1 ∪ . . . ∪ Um . −1

Korollar 9.29. Ist f : G → G endlich und lokal-biholomorph, so hat jeder Punkt p ∈ G eine Umgebung V , so dass f −1 (V ) in endlich viele Gebiete Uj , j ∈ J, zerf¨ allt, derart, dass jede induzierte Abbildung f : Uj → V biholomorph ist.

218

9 Automorphismen und endliche innere Abbildungen

¨ Solche Abbildungen heißen auch endlich-bl¨ attrige (unverzweigte) Uberlagerungen. 9.4.3 Satz von Rad´ o. Ist f ∈ O(G) nicht konstant, so wird f¨ ur jeden Punkt w ∈ C die Anzahl der Punkte in der Faser f −1 (w) durch  ν(f, c) falls w ∈ f (G), gradw f := 0 sonst, gradw f := c∈f −1 (w)

gemessen. Es gilt: 1 ≤ gradw f < ∞ ⇔ die Faser f −1 (w) ist nicht leer und endlich. F¨ ur Polynome q vom Grad d ≥ 1 gilt: gradw q = d f¨ ur alle w ∈ C (Fundamentalsatz der Algebra). F¨ ur Windungsabbildungen f : G → G um c ∈ G ist die Gradfunktion ebenur alle w ∈ G . Wir zeigen allgemein den falls konstant: gradw f = ν(f, c) f¨ ´: Satz von Rado Satz von Rad´ o 9.30. Eine holomorphe Abbildung f : G → G ist genau dann endlich, wenn ihre Gradfunktion gradw f in G endlich und konstant ist. Beweis. Zu jedem p ∈ G mit 1 ≤ gradp f < ∞ w¨ahlen wir V, U1 , . . . , Um wie in Satz 9.28. Wir setzen U := U1 ∪ · · · ∪ Um . Da U1 , . . . , Um paarweise disjunkt sind, so folgt mit Satz 9.28: gradw (f |U ) =

m  μ=1

gradw (f |Uμ ) =

m 

ν(f, cμ ) = gradw f, w ∈ V.

(9.6)

μ=1

Wir k¨ onnen u ¨berdies erreichen, dass U kompakt ist und in G liegt. urfen wir 1. Sei f endlich. Sei p ∈ G beliebig. Auf Grund von Satz 9.28 d¨ ur alle w ∈ V , U = f −1 (V ) annehmen. Dann folgt gradw f = gradw (f |U ) f¨ ur alle w ∈ V wegen (9.6). Die Gradfunktion gradw f also gradw f = gradp f f¨ ist daher lokal-konstant und mithin konstant in G . 2. Sei gradw f endlich und konstant in G . W¨are f nicht endlich, so g¨abe es eine Randfolge zn in G, deren Bildfolge f (zn ) einen Limes p ∈ G hat. Mit ur alle w ∈ V . Daher gilt stets f −1 (w) ∈ U (9.6) folgt gradw f = gradw (f |U ) f¨ ur fast alle n. Das ist f¨ ur w ∈ V . Wegen p = lim f (zn ) folgt somit zn ∈ U f¨  aber nicht m¨ oglich, da U ⊂ G kompakt und zn eine Randfolge in G ist. ´ hat den Satz 1922 bewiesen, vgl. [224, 57–58]. Satz und Beweis Rado  gelten w¨ ortlich f¨ ur beliebige Riemannsche Fl¨ achen G, G .

´ . Abbildungssgrad 9.4 Satz von Rado

219

F¨ ur jede endliche Abbildung f : G → G ist  ν(f, c), w ∈ G , grad f := gradw f =

9.4.4 Abbildungsgrad.

c∈f −1 (w)

auf Grund von Satz 9.30 eine positive ganze Zahl, sie heißt der Abbildungsgrad von f . Polynome d-ten Grades definieren endliche Abbildungen C → C vom Abbildungsgrad d. Die in den S¨ atzen des Paragraphen 9.3 auftretenden ganzen Zahlen d ≥ 1 sind stets der Abbildungsgrad der zugeh¨origen endlichen Abbildungen. Wir stellen heraus: (1) Die endlichen Abbildungen f : G → G vom Abbildungsgrad eins sind genau die biholomorphen Abbildungen. F¨ ur jede Funktion f ∈ O(G) heißt die Menge S := {z ∈ G : f  (z) = 0} der Verzweigungsort von f . Ist f nicht konstant, so ist S lokal endlich in G. F¨ ur endliche Abbildungen f : G → G ist also f (S) stets lokal endlich in G . ´ folgt sofort: Mit dem Satz von Rado (2) Ist f : G → G endlich vom Abbildungsgrad d, so hat jede Faser h¨ ochstens d verschiedene Punkte. Genau die Fasern u ¨ber G \f (S) haben d verschiedene Punkte. (Die induzierte Abbildung G\f −1 (f (S)) → G \f (S) ist ¨ eine d-bl¨ attrige Uberlagerung). ´ schen Satz folgt weiter unmittelbar: Aus dem Rado Gradsatz 9.31. Sind f : G → G , g : G → G holomorph und endlich, so ist auch g ◦ f : G → G endlich, und es gilt: grad(g ◦ f ) = (grad g) · (grad f ). Diese Aussage ist als Analogon zum Gradsatz [M : K] = [M : L][L : K] der K¨ orpertheorie zu sehen (M ist Oberk¨ orper von L und L ist Oberk¨orper von K); aus Platzgr¨ unden k¨ onnen wir nicht n¨ aher auf die interessanten Zusammenh¨ ange eingehen, vgl. Aufgabe.  ´ f¨ Historische Notiz. T. Rado uhrte 1922 den allgemeinen Begriff der endlichen holomorphen Abbildung ein: er nannte sie (1, m)-deutige konforme Abbildung, wenn m der Abbildungsgrad ist, vgl. [224]. Sei f : G → G holomorph und endlich. Man fasse O(G) als Oberring von O(G ) auf (bzgl. der Liftung f ∗ : O(G ) → O(G), h → h ◦ f ) und zeige:

Aufgabe. 

a) Zu jedem g ∈ O(G) existiert ein Polynom ω(Z) = Z n + a1 Z n−1 + · · · + an ∈ O(G )[Z] mit n = grad f , so dass ω(g) = 0. b) Ist g beschr¨ ankt, so sind auch a1 , . . . , an beschr¨ ankt. c) Ist G beschr¨ ankt, so gilt G = C.

220

9 Automorphismen und endliche innere Abbildungen

¨ 9.4.5 Ausblicke. Im Beweis der Aquivalenzen in Abschnitt 9.4.1 wird die Holomorphie von f nur vordergr¨ undig benutzt. (Zur Durchf¨ uhrung des Schlusses iii) ⇒ i) ben¨ otigt man lediglich, dass f als nicht konstante Funktion nirgends lokal konstant ist). Der Satz ist also verallgemeinerungsf¨ ahig. Wir skizzieren eine allgemeinere Situation. Es seien X, Y metrisierbare, lokal kompakte R¨ aume, deren Topologien eine abz¨ ahlbare Basis haben. Eine stetige Abbildung f : X → Y heißt eigentlich, wenn jedes Kompaktum in Y ein kompaktes f -Urbild hat. Dann l¨ asst sich zeigen: a) Eine stetige Abbildung X → Y ist genau dann eigentlich, wenn sie Randfolgen in X auf Randfolgen in Y abbildet. b) Jede eigentliche Abbildung ist abgeschlossen. Man definiert nun endliche Abbildungen als eigentliche Abbildungen, deren Fasern alle diskrete Mengen sind: diese Definition ist im holomorphen Fall zu unserer Definition ¨ aquivalent. Endliche holomorphe Abbildungen spielen in der Funktionentheorie mehrerer Ver¨ anderlichen eine wichtige Rolle. Mit ihrer Hilfe l¨ asst sich die n-dimensionale lokale Theorie besonders elegant entwickeln, der Leser findet dies konsequent durchgef¨ uhrt in [96, Chapter 2–3]. Alle eigentlichen holomorphen Abbildungen zwischen Gebieten eines Cn , 1 ≤ n < ∞, sind automatisch endlich. Die Situation ¨ andert sich, wenn man Abbildungen zwischen beliebigen komplexen R¨ aumen studiert: da hier holomorphe Abbildungen dimensionserniedrigend“ sein k¨ onnen (ohne konstant zu sein), so gibt es jetzt viele ” (nicht endliche) eigentliche holomorphe Abbildungen. F¨ ur alle solchen Abbildungen gilt der ber¨ uhmte Grauertsche Koh¨ arenzsatz f¨ ur Bildgarben, vgl. [96, Chapter 10, S. 207].

Teil III

Selecta

10. S¨ atze von Bloch, Picard und Schottky

Une fonction enti`ere, qui ne devient jamais ni a` a ni a` b est n´ecessairement une constante (E. Picard, 1879). Die Sinusfunktion nimmt jede komplexe Zahl als Wert an, die Exponentialfunktion l¨ asst nur 0 als Wert aus. Diese Beispiele sind signifikant f¨ ur das Werteverhalten ganzer Funktionen. Ein ber¨ uhmter Satz von E. Picard besagt n¨ amlich, dass jede nicht konstante ganze Funktion h¨ochstens einen Wert ausl¨ asst. Dieser sog. kleine Picardsche Satz ist eine u ¨berraschende Verallgemeinerung der S¨ atze von Liouville und Casorati-Weierstrass. ¨ Ausgangspunkt der Uberlegungen dieses Kapitels ist ein Satz von A. Bloch, der von der Gr¨ oße der Bildgebiete“f (E) unter holomorphen Ab” bildungen handelt, dieser Satz wird im Paragraphen 10.1 ausgiebig diskutiert. Mit Hilfe des Blochschen Satzes und eines Lemmas von Landau gewinnen wir im Paragraphen 10.2 den kleinen Picardschen Satz. Im Paragraphen 10.3 wird ein klassischer Satz von Schottky hergeleitet, der kr¨aftige Versch¨ arfungen des kleinen Picardschen Satzes und der S¨atze von Montel und Vitali erm¨ oglicht. Im Paragraphen 10.4 wird der Kurzbeweis des großen Picardschen Satzes mittels des Montelschen Satzes wiedergegeben.

10.1 Satz von Bloch One of the queerest things in mathematics, . . . the proof itself is crazy (J.E. Littlewood). F¨ ur jeden Bereich D ⊂ C bezeichne O(D) die Menge aller Funktionen, die jeweils in einer offenen Umgebung von D = D ∪ ∂D holomorph sind.  Satz von Bloch 10.1. Ist f ∈ O(E) und alt das Bild√ gilt1 f (0) = 1, so enth¨ 3 gebiet f (E) Scheiben vom Radius 2 − 2 > 12 .

Das Eigenartige an dieser Aussage ist (queer!), dass f¨ ur eine große Fa” milie“ von Funktionen eine universelle Aussage u ¨ber die Gr¨oße des Bild” gebietes“ gemacht wird. Einen Beweis geben wir im Abschnitt 10.1.2, dabei wird auch ein Mittelpunkt f¨ ur eine Bildscheibe vom behaupteten Radius angegeben (der Punkt f (0) ist i.a. kein solcher Mittelpunkt, wie die Funktion fn (z) := (enz − 1)/n = z + . . . zeigt, die den Wert −1/n ausl¨asst).

224

10 S¨ atze von Bloch, Picard und Schottky

Folgerung 1. Ist f holomorph im Gebiet G ⊂ C und f  (c) = 0 in einem 1 s|f  (c)|, 0 < s < Punkt c ∈ G, so enth¨ alt f (G) Scheiben von jedem Radius 12 d(c, ∂G). Beweis. Man darf c = 0 annehmen. F¨ ur 0 < s < d(c, ∂G) gilt Bs (0) ⊂ G, also g(z) := f (sz)/sf  (0) ∈ O (E). Da g  (0) = 1, so enth¨alt g(E) nach Bloch Scheiben vom Radius 1/12. Da f (Bs (0)) = s|f  (0)|g(E), so folgt die Behauptung.  In der Folgerung ist insbesondere enthalten: Ist f ∈ O(C) nicht konstant, so enth¨ alt f (C) Scheiben von jedemRadius. √ F¨ ur Liebhaber von Absch¨ atzungen wird die Schranke 32 − 2 ≈ 0, 0858 im √ √ Abschnitt 10.1.3 zu 32 2−2 ≈ 0, 1213 und im Abschnitt 10.1.4 gar zu 3/4 ≈ 0, 43301 verbessert. Der optimale Wert ist nicht bekannt, vgl. Abschnitt 10.1.5. – F¨ ur die Anwendungen des Blochschen Satzes in den Paragraphen 10.2, 10.3 und 10.4 gen¨ ugt jede (schlechte) Schranke > 0. 10.1.1 Beweisvorbereitung. Ist G ⊂ C ein Gebiet und f ∈ O(G) nicht konstant, so ist f (G) nach dem Offenheitssatz wieder ein Gebiet. Es gibt ein naheliegendes Kriterium f¨ ur die Gr¨ oße von Scheiben im Bildgebiet. Satz 10.2. Es sei G beschr¨ ankt, es sei f : G → C stetig und f |G : G → C offen. Es sei a ∈ G ein Punkt, so dass s := min |f (z) − f (a)| > 0. Dann z∈∂G

enth¨ alt f (G) die Scheibe Bs (f (a)). Beweis. Da ∂f (G) kompakt ist, gibt es ein w∗ ∈ ∂f (G), so dass d(∂f (G), f (a)) = |w∗ − f (a)|. Da G kompakt ist, gibt es eine Folge zν ∈ G mit lim f (zν ) = w∗ und z∗ := lim zν ∈ G. Es folgt f (z∗ ) = w∗ ∈ ∂f (G). Da oren. Also gilt z∗ ∈ ∂G und mithin f |G offen ist, kann z∗ nicht zu G geh¨  |w∗ − f (a)| ≥ s. Es folgt Bs (f (a)) ⊂ f (G). Wir wenden Satz 10.2 auf holomorphe Funktionen f an. Die Zahl s h¨angt ur Scheiben V := gewiss von f  (a) und |f |G ab (Beispiel: f (z) = εz in E). F¨ atzungen von s nach unten. Br (a), r > 0, gibt es gute Absch¨ Lemma 10.3. Sei f ∈ O(V ) nicht konstant und |f  |V ≤ 2|f  (a)|. Dann gilt BR (f (a)) ⊂ f (V )

mit

√ R := (3 − 2 2)r|f  (a)|.

√ (3 − 2 2 > 16 ).

10.1 Satz von Bloch

225

Beweis. Man darf a = f (a) = 0 annehmen. F¨ ur A(z) := f (z) − f  (0)z gilt 1    [f (ζ) − f (0)] dζ, also |A(z)| ≤ |f  (zt) − f  (0)| |z|dt. A(z) = 0

[0,z]

Cauchysche Integralformel und Standardabsch¨atzung geben f¨ ur v ∈ V : f  (v) − f  (0) =

v 2πi

 ∂V

f  (ζ)dζ , ζ(ζ − v)

|f  (v) − f  (0)| ≤

|v| |f  |V . r − |v|

Dann folgt: 1 |A(z)| ≤ 0

1 |z|2 |zt| |f  |V |z| dt ≤ |f  |V . r − |zt| 2 r − |z|

(10.1)

Sei nun ρ ∈ (0, r). F¨ ur z mit |z| = ρ gilt |f (z) − f  (0)z| ≥ |f  (0)|ρ − |f (z)|. Mit (10.1) folgt wegen |f  |V ≤ 2|f  (0)|:

ρ2 |f  (0)|. |f (z)| ≥ ρ − r−ρ √ Nun nimmt ρ − ρ2 /(r − ρ) f¨ ur ρ∗ := (1 − 12 2)r ∈ (0, r) das Maximum √ √ (3 − 2 2)r an. Es folgt |f (z)| ≥ (3 − 2 2)r|f  (0)| = R f¨ ur alle |z| = ρ∗ . Mit  G := Bρ∗ (0) in Satz 10.2 folgt BR (0) ⊂ f (G) ⊂ f (V ).

Man zeige mit Satz 10.2: F¨ ur alle f ∈O(E) mit f (0) = 0, f  (0) = 1 gilt f (E) ⊃ Br (0) mit r := 1/6 |f |E .

Aufgabe.

10.1.2 Beweis des Satzes von Bloch. Jeder Funktion f ∈ O(E) ordnen wir die in E stetige Funktion |f  (z)|(1 − |z|) zu. Sie nimmt in einem Punkt p ∈ E ihr Maximum M an. Der Satz von Bloch ist enthalten in folgendem alt f (E) die Scheibe um f (p) Satz 10.4. Ist f ∈√O(E) nicht konstant, so enth¨ 1 |f  (0)|. vom Radius ( 32 − 2)M > 12 Beweis. Mit t := 12 (1 − |p|) gilt: M = 2t|f  (p) | ,

Bt (p) ⊂ E ,

1 − |z| ≥ t f¨ ur z ∈ Bt (p).

Aus |f  (z)|(1 − |z|) ≤ 2t|f  (p)| folgt |f  (z)| ≤ 2|f  (p)| f¨ ur √ alle z ∈ Bt (p). Mit ur R := (3 − 2 2) t |f  (p)|.  Lemma 10.3 folgt daher BR (f (p)) ⊂ f (E) f¨

226

10 S¨ atze von Bloch, Picard und Schottky

Historische Notiz. A. Bloch entdeckte 1924 den nach ihm benannten Satz (sogar in einer sch¨ arferen Form, vgl. Abschnitt 4), [23, S. 2051] und [24]. G. Valiron und E. Landau vereinfachten die Blochschen Schlußweisen wesentlich, vgl. z.B. [158], wo ein 3-Zeilen-Beweis im Telegrammstil“ steht. ” ¨ Uber die Fr¨ uhgeschichte des Satzes berichtet Landau in [159]. Der oben gef¨ uhrte Beweis geht auf T. Estermann zur¨ uck, [61],√ 1971. Er 1 , ist nat¨ urlicher als Landaus Beweis in [156, 99–101], und liefert 32 − 2 > 12 1 ∗ was besser ist als Landaus 16 , vgl. hierzu auch Abschnitt 10.1.5 . Ein Satz vom Blochschen Typ wurde erstmals 1904 von Hurwitz bewiesen. Er zeigte damals mit Hilfsmitteln aus der Theorie der elliptischen Modulformen, vgl. Math. Werke 1, Satz IV, S. 602: F¨ ur jede Funktion f ∈ O(E) mit f (0) = 0, f  (0) = 1 und f (E∗ ) ⊂ C∗ gilt: f (E) ⊃ Bs (0)

f¨ ur

s≥

1 58

= 0, 01724.

´odory zeigte 1907, Ges. Math. Schriften 3, 6–9, dass in der Hurwitzschen Carathe 1 1 (statt 58 ) die bestm¨ ogliche Schranke ist. Situation 16

10.1.3 Verbesserung der Schranke durch L¨ osen eines Extremalproblems∗ . Im Satz 10.1.2 wird unmotiviert die Hilfsfunktion |f  (z)|(1 − |z|) eingef¨ uhrt. Wir besprechen hier eine Variante, deren Beweis durchsichtiger  2 ist: es stellen sich von √ selbst die √andere Hilfsfunktion |f (z)|(1 − |z| ) und die 3 1 bessere Schranke 2 2 − 2 > 12 2 ein. Sei f ∈O(E) nicht konstant. Die Hoffnung, dass f (E) umso gr¨oßere Scheiuhrt zu folgender ben enth¨ alt, je gr¨oßer |f  (0)| ist, f¨ Extremalaufgabe. Finde eine Funktion F ∈ O(E) mit F (E) = f (E) und gr¨ oßtm¨ oglicher Ableitung in 0 (Extremalfunktion). Zur Pr¨ azisierung betrachten wir zu f die Familie F := {h = f ◦ j : j ∈ Aut(E)} mit

j(z):=

εz − w , wεz − 1

ε ∈ S 1 , w ∈ E.

(10.2) ur jedes h = f ◦ j ∈ F klar: Da j ∈ O(E) und j  (0) = ε(|w|2 − 1), so ist f¨ h ∈ O(E),

h(E) = f (E),

|h (0)| = |f  (w)|(1 − |w|2 ).

(10.3)

Wegen f  ∈ O(E) nimmt die (Hilfs)funktion rechts in einem Punkt q ∈ E ihr Maximum N > 0 an. Eine L¨ osung der Extremalaufgabe ist also die Funktion

z−q ∈ O(E) mit F (0) = f (q) und (10.4) F (z) := f qz − 1

10.1 Satz von Bloch

227

|F  (0)| = max |f  (w)|(1 − |w|2 ). |w|≤1

Entscheidend ist nun folgende Absch¨ atzung der Ableitung von F : |F  (z)| ≤

N 1 − |z|2

max |F  (z)| ≤

|z|≤r

f¨ ur z ∈ E, speziell:

N 1 − r2

f¨ ur

(10.5)

0 < r < 1.

Beweis. Da F = {F ◦ j : j ∈ Aut E} (Gruppen-Eigenschaft), und da jedes j ∈ Aut E die Form (10.2) hat, so gilt N ≥ |(F ◦ j) (0)| = |F  (w)|(1 − |w|2 ) f¨ ur alle w ∈E.  Es best¨ atigen sich nun voll die in F gesetzten Hoffnungen. Satz von Bloch 10.5 (Variante). Es sei f ∈ O(E). Die Funktion Maximum N >0 an. Dann enth¨ alt f (E) die |f  (z)|(1 − |z|2 ) nehme in q ∈E ihr √ alt f (E) Scheibe um f (q) mit Radius ( 32 2 − 2)N . – Im Fall f  (0) = 1 enth¨ √ √ 1 Scheiben vom Radius 32 2 − 2 > 12 2. 2 Beweis. W¨ ahle F gem¨ aß (10.4). Da |F  (0)| = N und |F  (z)| √ ≤ N/(1 − |z| ) 1   ur alle |z| ≤ 2 2. Nach Lemma nach (10.5), so folgt |F (z)| ≤ 2|F (0)| f¨ 10.2 enth¨ a lt f (E) = F (E) also die Scheibe um f (q) = F (0) vom Radius √  ( 32 2 − 2)N.

Das Extremalproblem hat uns zur Hilfsfunktion |f  (z)|(1 − |z|2 ) gef¨ uhrt. Es folgt M ≤ N ; die neue untere Schranke ist also sichtlich besser als die im Satz 10.1. Bemerkung. Die Hilfsfunktion |f  (z)|(1 − |z|2 ) und ihr Maximum N in E wurden 1929 von Landau eingef¨ uhrt, [159, S. 83]. Heute nennt man alle Funktionen der Menge    2 B := f ∈ O(E) : sup |f (z)|(1 − |z| ) < ∞ z∈E

Bloch-Funktionen. Man zeigt: B ist ein C-Vektorraum und f  :=|f (0)| + sup |f  (z)|(1 − |z|2 ) eine Norm z∈E

auf B, die B zu einem Banach-Raum macht. Es gilt ||f || ≤ 2 sup |f (z)|.  z∈E

Im n¨ achsten Abschnitt wird der Blochsche Satz nochmals versch¨arft.

228

10 S¨ atze von Bloch, Picard und Schottky

10.1.4 Satz von Ahlfors∗ . Ist f : G → C holomorph, so heißt eine Scheibe B ⊂ f (G) schlicht (bez¨ uglich f ), wenn es ein Gebiet G∗ ⊂ G gibt, das durch f biholomorph auf B abgebildet wird. Ahlfors (1938) 10.6. Es sei f ∈ O(E) und N := max |f  (z)| · (1 − |z|2 ) > 0. |z|≤1 √ Dann enth¨ alt f (E) schlichte Scheiben vom Radius 3N/4. Dieser Satz l¨ asst den Blochschen Satz arm aussehen: statt Scheiben hat √ 3/4 ≈ 0, 433 ist trotzdem man jetzt schlichte Scheiben, die neue Schranke √ mehr als das Dreifache der alten Schranke 32 2 − 2 ≈ 0, 121. Ahlfors gewinnt den Satz aus seiner differentialgeometrischen Version des Schwarzschen Lemmas, [1, S. 364]. Im folgenden geben wir den derzeit wohl einfachsten Beweis von M. Bonk, [27], 1990. Entscheidend ist Lemma 10.7. F¨ ur F ∈O(E) gelte |F  (z)| ≤ 1/(1−|z|2 ) und F  (0) = 1. Dann folgt √ √ 1 − 3|z|  √ f¨ ur alle z mit |z| ≤ 1/ 3. (10.6) Re F (z) ≥ 3 (1 − 1/ 3|z|) Um hieraus den Satz zu gewinnen, ben¨ otigen wir ein Biholomorphiekriterium. ur alle z ∈ G. a) Sei G ⊂ C konvex und h ∈ O(G), es gelte Re h (z) > 0 f¨ Dann wird G durch h biholomorph auf h(G) abgebildet. Beweis. F¨ ur u, υ ∈ G liegt die Strecke γ(t) = u + (υ − u)t, 0 ≤ t ≤ 1, in G. Es folgt: ⎤ ⎡ 1  1 Imh (γ(t))dt⎦ = 0 h(υ) − h(u) = (υ − u) ⎣ Re h (γ(t))dt + i 0

0

im Fall u = υ, da das erste Integral rechts wegen Re h (z) > 0 positiv ist.



Wir verifizieren nun den Satz. Man darf N = 1 annehmen. Man w¨ahle F gem¨ aß (10.4). Es gilt F  (0) = η ∈ S 1 . Sei zun¨ √achst η = 1. Nach dem Lemma gilt dann Re F  (z) > 0 in B := Bρ (0), ρ := 1/ 3, daher ist F |B : B → F (B) nach a) biholomorph. F¨ ur alle ζ = ρeiϕ ∈ ∂B gilt auf Grund des Lemmas: √ √ ρ  1/ 3   iϕ  ρ 1√ 1 − 3t  iϕ   √ |F (ζ)− F (0)| =  F (te )dt≥ Re F (te )dt≥ dt = 3. 3 4 0 0 0 (1 − 1/ 3t) √ Folglich enth¨ alt F (B) auf Grund von Satz 10.4 Scheiben vom Radius 3/4. −1 Da f = F ◦ g mit g ∈ Aut E, so bildet f das Gebiet G := √ g (B) ⊂ E ∗ biholomorph auf ein Gebiet G ab, das Scheiben vom Radius 3/4 enth¨alt. ∗ Bei beliebigem η ∈ S 1 arbeitet man mit η −1 F . Dann ist f : G −→ √ ηG ∗ ∗ biholomorph, und ηG enth¨ alt wie G schlichte Scheiben mit Radius 3/4.

10.1 Satz von Bloch

229

Wir kommen nun zum Beweis des Lemmas. Wir bemerken vorab: √ Es gen¨ ugt, die Absch¨ atzung (10.6) f¨ ur alle reellen z ∈ [0, 1/ 3] zu zeigen. F¨ ur jedes ϕ ∈ R erf¨ ullt n¨ amlich Fϕ (z) := e−iϕ F (eiϕ z) die Voraussetzungen ur F und des Lemmas. Gilt daher (10.6) f¨ ur Fϕ und z = r, so gilt (10.6) f¨ z = reiϕ . Der eigentliche Beweis ist nun recht technisch. Man ben¨otigt: b) F¨ ur z := p(w) :=

√ 1−w und q(w) := 3 3−w

9 4

w(1 − 13 w)2 gilt:

√ p(E) ⊂ E, p bildet [0, 1] auf [0, 1/ 3] ab, −1

q(p

√ 1 − 3z √ (w)) = , |q(w)|(1 − |p(w)|2 ) = 1 f¨ ur alle w ∈ ∂ E. (1 − 1/ 3z)3

c) F¨ ur h ∈ O(E) mit h (0) = 1 und |h (z)| ≤ 1/(1 − |z|2 ) gilt h (0) = 0. Der Nachweis von b) ist Rechenroutine. – Zum Beweis von c) betrachte man die Stammfunktion z

h (ζ)dζ = z + az 2 + . . . ∈ O(E)

0

von h . F¨ ur alle z = reiϕ ∈ E gilt: r r |z + az 2 + . . . | ≤ |h (eiϕ t)|dt ≤ 0

0

dt = |z| + 13 |z|3 + . . . . 1 − t2

Da rechts das quadratische Glied in |z| fehlt, zeigt eine Betrachtung kleiner  |z|, dass a = 0 und also h (0) = 2a = 0 gilt. Nach diesen Vorbereitungen geht der Beweis von (10.6) im Lemma wie folgt. Man betrachtet die Hilfsfunktion

 w F (p(w)) −1 · H(w) := q(w) (1 − w)2 Dabei ist w/(1 − w)2 Koebes Extremalfunktion . Wegen p(E) ⊂ E ist H u ¨berall in E \{1} holomorph. Da F  (0) = 0 nach c), so ist H auch in 1 ∈ C ur alle w ∈ ∂ E\{1} reell holomorph. Es folgt H ∈ O(E). Nun ist w/(1 − w)2 f¨ und negativ (≤ − 41 ). Daher gilt Re H(w) =

w Re (1 − w)2





F  (p(w)) −1 q(w)

f¨ ur alle w ∈ ∂ E.

230

10 S¨ atze von Bloch, Picard und Schottky

Wegen |F  (z)|(1 − |z|2 ) ≤ 1 und der letzten Gleichung in b) gilt |F  (p(w))| ≤ |q(w)| auf ∂ E. Da Re (a − 1) ≤ 0 f¨ ur jedes a ∈ E, so folgt also Re H(w) ≥ 0 f¨ ur alle w ∈ ∂ E. Anwendung des Maximumsprinzips auf e−H(w) gibt nun ur w ∈ [0, 1), Re H(w) ≥ 0 f¨ ur alle w ∈ E. Da q(w) ≥ 0 und w/(1 − w)2 ≥ 0 f¨ so folgt weiter: Re F  (p(w)) ≥ q(w)

f¨ ur alle w ∈ [0, 1]. √ Wegen der Aussagen in b) ist dies (10.6) f¨ ur alle z ∈ [0, 1/ 3].



Mit dem Ahlforsschen Satz folgt unmittelbar (vgl. Einleitung): Ist f ∈ O(C) nicht konstant, so enth¨ alt f (C) beliebig große schlichte Scheiben. 10.1.5 Landaus Weltkonstanten∗ . Der Satz von Bloch und seine Variationen veranlassten Landau, Weltkonstanten“ einzuf¨ uhren, vgl. [159, 609– ” 615] und [156, S. 149]. F¨ ur jedes h ∈ F := {f ∈ O(E) : f  (0) = 1} bezeichne oßten Kreisscheibe, die in h(E) liegt bzw. die Lh bzw. Bh den Radius der gr¨ das biholomorphe Bild eines Teilgebietes von E unter h ist. Dann heißt L := inf {Lh : h ∈ F }

bzw.

B := inf {Bh : h ∈ F }

die Landausche bzw. Blochsche Konstante . Entsprechend definiert Landau f¨ ur die Familie F ∗ := {h ∈ F : h injektiv} die Zahlen Ah und A. Dann ist B ≤ L ≤ A trivial. F¨ ur B, L,√A kennt man nur Schranken,√ so haben wir im vorangehenden zuerst L ≥ 32 − 2 ≈ 0, 0858 und dann L ≥ 32 2 − 2 ≈ 0, 1213 √ gezeigt. Der Ahlforssche Satz besagt sogar: B ≥ 14 3 ≈ 0, 4330. Bonk, loc. √ 1+z ∈ F ∗ , so gilt cit., zeigt dar¨ uber hinaus. B > 14 3 + 10−14 . Da 12 log 1−z sicher A ≤ 14 π ≈ 0, 7853. Damit hat man 0, 4330 + 10−14 < B ≤ L ≤ A ≤ 0, 7853 . Solche Absch¨ atzungen und Verfeinerungen faszinieren die Funktionentheoretiker bis heute; man hat zeigen k¨ onnen (vgl. [156], [172] und [27]): 0, 5 < L < 0, 544,

0, 433 + 10−14 < B < 0, 472,

0, 5 ≤ A.

Es gilt insbesondere B < L < A. Die Vermutung von Ahlfors/Grunsky (1936): √     3 − 1 Γ 13 Γ 11   12 = 0, 4719 . . . , · B= 2 Γ 14 sie ist ungel¨ ost.



10.2 Kleiner Satz von Picard

231

´odory (vgl. 10.1.2) geh¨ Auch zum Satz von Hurwitz und Carathe ort eine ´odorysche Konstante Weltkonstante. Diese m¨ ochte ich aber nicht die Carathe ” ´odory festgestellt hat, dass sie schon einen anderen C nennen, da Herr Carathe 1 , hatte“[159, S. 78]. Namen, n¨ amlich 16

10.2 Kleiner Satz von Picard Nicht konstante Polynome nehmen alle komplexen Zahlen als Werte an. Nicht konstante ganze Funktionen hingegen k¨ onnen Werte auslassen, wie die nullstellenfreie Exponentialfunktion zeigt. Mit Hilfe des Blochschen Satzes werden wir zeigen: Kleiner Picardscher Satz 10.8. Jede nicht konstante ganze Funktion l¨ asst h¨ochstens eine komplexe Zahl als Wert aus. Diese Aussage kann man auch wie folgt formulieren: Es sei f ∈ O(C), es gelte 0 ∈ / f (C) und 1 ∈ / f (C). Dann ist f konstant. Hieraus folgt das Theorem sofort: L¨ asst h ∈ O(C) n¨amlich die Werte a, b aus, wobei a = b, so l¨ asst [h(z) − a]/(b − a) ∈ O(C) die Werte 0 und 1 aus, ist also konstant, und somit ist auch h konstant.  In C meromorphe Funktionen k¨ onnen zwei Werte auslassen, z.B. wird 1/(1 + ez ) nie 0 und nie 1. Dieses Beispiel ist signifikant, es gilt: Kleiner Picardscher Satz f¨ ur meromorphe Funktionen 10.9. Jede Funktion h ∈ M(C), die drei verschiedene Werte a, b, c ∈ C ausl¨ asst, ist konstant. Dann ist n¨ amlich 1/(h−a) eine ganze Funktion, die 1/(b−a) und 1/(c−a) ausl¨ asst.  In den Abschnitten 10.2.1 und 10.2.2 geben wir den Landau-K¨ onigschen Beweis f¨ ur den kleinen Picardschen Satz, vgl. [156, 100–102], und [149]. 10.2.1 Darstellung von Funktionen, die zwei Werte auslassen. H¨angt G ⊂ C einfach zusammen, so besitzen die Einheiten aus O(G) Logarithmen und Quadratwurzeln in O(G), vgl. Abschnitt 8.2.6. Allein hieraus erh¨ alt man durch elementare Manipulation: Lemma 10.10. Es sei G ⊂ C einfach zusammenh¨ angend, und es sei f ∈O(G) so beschaffen, dass 1 ∈ / f (G) und −1 ∈ / f (G). Dann gibt es ein F ∈ O(G), so dass gilt f = cos F.

232

10 S¨ atze von Bloch, Picard und Schottky

Beweis. Da 1 − f 2 nullstellenfrei in G ist, gibt es eine Funktion g ∈ O(G), so dass (f + ig)(f − ig) = f 2 + g 2 = 1. Dann ist f + ig ohne Nullstellen in G, also gilt f + ig = eiF mit F ∈ O(G). Es folgt f − ig = e−iF , also  f = 12 (eiF + e−iF ) = cos F. Mit Hilfe des Lemmas zeigen wir nun: Satz 10.11. Es sei G ⊂ C einfach zusammenh¨angend, und es sei f ∈ O(G) so beschaffen, dass 0 ∈ / f (G) und 1 ∈ / f (G). Dann gibt es ein g ∈O(G), so dass gilt: f=

1 [1 + cos π(cos πg)] . 2

(10.7)

Ist g ∈ O(G) irgendeine Funktion, f¨ ur die (10.7) gilt, so enth¨alt g(G) keine Scheibe vom Radius 1. Beweis. a) Die Funktion 2f −1 l¨ asst in G die Werte ±1 aus. Nach dem Lemma 10.10 gilt dann die Gleichung 2f − 1 = cos πF . Die Funktion F ∈ O(G) muss alle ganzzahligen Werte auslassen. Daher gibt √ es ein g ∈ O(G) mit F = cos πg. b) Wir setzen A := {m±iπ −1 log(n+ n2 − 1), m ∈ Z,,n ∈ N\{0}} und zeigen zun¨ achst: A ∩ g(G) = ∅. F¨ ur a := p ± iπ −1 log(q , + q 2 − 1) ∈ A gilt , 1 iπa 1 −iπa p −1 2 ) = 2 (−1) [(q+ q − 1) +(q+ q 2 − 1)] = (−1)p q, cos πa = 2 (e +e also cos π(cos πa) = ±1 im Falle p, q ∈ Z. Da 0, 1 ∈ / f (G), so ist g(G) ∩ A leer. Die Punkte von A sind die Eckpunkte eines Rechtecknetzes“ in C. Die ” L¨ ange“ jedes Rechtecks ist 1. Da ” 6 1 + n1 + 1 + n2 , , 6 log (n + 1 + (n + 1)2 − 1) − log(n + (n2 − 1)) = log 1 + 1 − n12 6 √ ≤ log(1 + n1 + 1 + n2 ) ≤ log(2 + 3) < π wegen der Monotonie von log x, so ist die H¨ ohe“ jedes Rechtecks < 1. Zu ” jedem w ∈ C gibt es daher ein a ∈ A mit |Re a − Re w| ≤ 12 , |Im a − Im w| < 12 , d.h. |a−w| 1 hat; f¨ ur die Fermat-Kurven z n1 + z n2 − 1 gilt g = 12 (n − 1)(n − 2). Bemerkung 2. Es gibt nichtkonstante Funktionen f, g ∈ M(C) mit gemeinsamen Polen, so dass f 3 + g 3 = 1. Die Gleichung X 3 + Y 3 = 1 beschreibt ¨ der n¨ amlich eine affine elliptische Kurve in C 2 , die universelle Uberlagerung

10.3 Satz von Schottky und Folgerungen

235

projektiven Kurve ist C, und die Projektion von C auf die Kurve bestimmt solche Funktionen f, g. Wer mit der Weierstraßschen ℘-Funktion vertraut ist, gibt solche Funktionen explizit an. Der Ansatz (a + b℘  )3 + (a − b℘  )3 = ℘3

a, b ∈ C

mit Konstanten

f¨ uhrt wegen der Differentialgleichung ℘ 2 = 4℘3 − g2 ℘ − g3 sofort zu 24ab2 = 1,

g2 = 0,

8a3 = g3 .

Nun ist wohlbekannt, dass zum Dreiecksgitter“ {m + ne2πi/3 : m, n ∈ Z} ” ort (und g3 = ±Γ ( 13 )18 /(2π)6 ). W¨ahlt man also zu diesem der Wert g2 = 0 geh¨ 3 3 ur Gitter die ℘-Funktion, so gilt f + g = 1 f¨

f :=

a + b℘  , ℘

g :=

a − b℘  ℘

mit

a :=

1 2



3

g3 ,

√ b := 1/ 24a .

10.3 Satz von Schottky und Folgerungen Das Wachstum holomorpher Funktionen, die 0 und 1 auslassen, l¨asst sich durch eine universelle Schranke absch¨ atzen. Wir bezeichnen mit S(r) die Menge aller Funktionen f ∈ O(E) mit |f (0)| ≤ r, die nicht die Werte 0 und 1 annehmen. Wir w¨ ahlen eine Konstante β > 0, f¨ ur welche der Blochsche Satz gilt (z.B. 1 ) und betrachten in (0, 1) × (0, ∞) die positive Funktion β = 12 



Θ L(Θ, r) := exp π exp π 3 + 2r + β(1 − Θ)

 .

Satz von Schottky 10.14. F¨ ur jede Funktion f ∈ S(r) gilt |f (z)| ≤ L(Θ, r) f¨ ur alle z ∈ E mit |z| ≤ Θ, 0 < Θ < 1 . Dieser merkw¨ urdige Satz ist – was auf den ersten Blick u ¨berraschen mag – kr¨ aftiger als der kleine Picardsche Satz, wie wir im Abschnitt 10.3.2 sehen werden. Im Abschnitt 10.3.3 gewinnen wir mit dem Schottkyschen Satz wesentliche Versch¨ arfungen der S¨ atze von Montel und Vitali. Die explizite Gestalt der Schrankenfunktion L(Θ, r) ist nat¨ urlich unwesentlich; unser L(Θ, r) l¨ asst sich noch wesentlich verbessern.

236

10 S¨ atze von Bloch, Picard und Schottky

10.3.1 Beweis des Schottkyschen Satzes. Der Beweis gelingt mit Hilfe des Blochschen Satzes durch geschickte Wahl der Funktion g im Satz 10.11. Wir bemerken vorab: Aus cos πa = cos πb folgt b = ±a + 2n, n ∈ Z. Zu jedem w ∈ C gibt es ein v ∈ C mit cos πv = w und |v| ≤ 1 + |w|. (10.8) Beweis. Da cos πa − cos πb = −2 sin π2 (a + b) sin π2 (a − b), so ist die erste Behauptung klar. Um die zweite einzusehen, w¨ahle man v = α + iβ mit w = cos πv so, dass |α| ≤ 1. Da |w|2 = cos2 πα + sinh2 πβ und sinh2 πβ ≥ π 2 β 2 , so folgt , ,  |v| = α2 + β 2 ≤ 1 + |w|2 /π 2 ≤ 1 + |w|. Wir gewinnen nun schnell eine Versch¨ arfung des Satzes 10.11. Satz 10.15. L¨ asst f ∈ O(E) die Werte 0 und 1 aus, so gibt es eine Funktion g ∈ O(E) mit folgenden Eigenschaften: 1) f = 12 [1 + cos π(cos πg)] und |g(0)| ≤ 3 + 2|f (0)|. 2) |g(z)| ≤ |g(0)| + Θ/β(1 − Θ) f¨ ur alle z mit |z| ≤ Θ, 0 < Θ < 1. Beweis. ad 1). Zun¨ achst gilt eine Gleichung 2f − 1 = cos π F1 mit F1 ∈ O(E). Nach (10.8) gibt es ein b ∈ C, so dass cos πb = 2f (0) − 1 und |b| ≤ 1 + |2f (0) − 1| ≤ 2 + 2|f (0)|. Wegen (10.8) folgt b = ±F1(0) + 2k, k ∈ Z. F¨ ur F := ±F1 + 2k ∈ O(E) gilt nun 2f − 1 = cos πF mit F (0) = b. Da F alle g . Nach ganzzahligen Werte ausl¨ asst, gibt es ein g1 ∈ O(E) mit F = cos π1 (10.8) gibt es ein a ∈ C, so dass cos πa = b und |a| ≤ 1 + |b| ≤ 3 + 2|f (0)|. Da cos πa = cos π1 g (0), so kann man – wie eben bei F1 – zu einer Funktion g = ±1 g + 2m u ur diese Funktion g ¨bergehen mit g(0) = a und F = cos πg. F¨ gilt 1). ad 2). Nach (10.7) enth¨ alt g(E) keine Scheibe vom Radius 1. Da d(z, ∂E) ≥ 1 − Θ im Fall |z| ≤ Θ, so gilt β(1 − Θ)|g  (z)| ≤ 1, d.h.|g  (z)| ≤ 1/β(1 − Θ) auf Grund der Folgerung aus dem Blochschen Satz (vgl. Einleitung von §1). F¨ ur alle z mit |z| ≤ Θ gilt somit g(z) − g(0) =

z

g  (ζ)dζ

und

0

 z    g (ζ)dζ  ≤ Θ/β(1 − Θ). 0



Der eben bewiesene Satz liefert sofort den Schottkyschen Satz. Da stets ur alle z mit |z| ≤ Θ: | cos w| ≤ e|w| und 12 |1 + cos w| ≤ e|w| , so gibt 1) und 2) f¨ |f (z)| ≤ exp[π exp(π|g(z)|)] ≤ exp[π exp π(3 + 2|f (0)| + Θ/β(1 − Θ))]. Wegen |f (0)| ≤ r folgt die Behauptung.

10.3 Satz von Schottky und Folgerungen

237

10.3.2 Landaus Versch¨ arfung des kleinen Picardschen Satzes. Versch¨ arfung des kleinen Picardschen Satzes 10.16. Es gibt eine auf C\{0, 1} definierte positive Funktion R(a), so dass keine Funktion f ∈ O(B R(a) (0)) mit f (0) = a und f  (0) = 1 existiert, welche die Werte 0 und 1 ausl¨ asst. Beweis. Man setze R(a) := 3L( 12 , |a|). Ließe f (z) = a + z + . . . ∈ O(B R(a) (0)) die Werte 0 und 1 aus, so w¨ urde auch g(z) := f (Rz) = a + Rz + . . . ∈ O(E), wobei R := R(a), diese Werte auslassen. Nach Schottky w¨are also max{|g(z)| : |z| ≤

1 1 } ≤ R. 2 3

Da andererseits R ≤ 2 max{|g(z)| : |z| ≤ 12 } auf Grund der Cauchyschen Ungleichungen, so h¨ atte man einen Widerspruch.  Der Landausche Satz enth¨ alt den kleinen Picardschen Satz: Ist n¨amlich f ∈ O(C) nicht konstant, so w¨ ahle man ζ mit a := f (ζ), f  (ζ) = 0. Dann ist h(z) := f (ζ + z/f  (ζ)) = a + z . . . ∈ O(C) im Fall a ∈ C\{0, 1} in B R(a) (0) nicht durchweg von 0 und 1 verschieden.  Mittels Uniformisierungstheorie l¨ asst sich Landaus Satz sehr einfach beweisen und die bestm¨ ogliche Schrankenfunktion R(a) mit Hilfe der Modulfunktion λ(τ ) explizit angeben.

Historische Notiz. Landau hat 1904 seinen Satz als unerwartete Tatsache“ ” dem Picardschen Satz hinzugef¨ ugt“, [155, S. 130 ff. ]. Er hat lange mit der ” ” Publikation gez¨ ogert, da der Beweis richtig, aber der Satz zu unwahrscheinlich schien“, Coll. Works 4, S. 375. Er war in einer a¨hnlichen Situation wie zehn Jahre zuvor Stieltjes, vgl. 7.3.3. – Die klassische Form des Satzes findet man in [156, S. 102]. Den genauen Wert des Landau-Radius“ R(a) gab 1905 ” ´odory, Ges. Math. Schriften 3, 6–9. Carathe

10.3.3 Versch¨ arfung der S¨ atze von Montel und Vitali. Sei G ein Gebiet in C und F := {f ∈ O(G) : f l¨ asst die Werte 0 und 1 aus}. Sei ur w ∈ G, r ∈ (0, ∞) und F∗ eine Teilfamilie von F , so dass |g(w)| ≤ r f¨ alle g ∈ F∗ . (1) Es gibt eine Umgebung B von w, so dass F∗ in B beschr¨ ankt ist. Beweis. Sei B 2t (w) ⊂ G, t > 0. Man darf w = 0 und 2t = 1 annehmen. Nach  Schottky folgt sup{|g|Bt (w) : f ∈ F∗ } ≤ L( 12 , r) < ∞.

238

10 S¨ atze von Bloch, Picard und Schottky

Wir fixieren nun einen Punkt p ∈ G und setzen F1 := {f ∈ F :|f (p)|≤ 1}. ankt in G. (2) Die Familie F1 ist lokal beschr¨ Beweis. Die Menge U := {w ∈ G : F1 ist beschr¨ankt um w} ist offen in G; nach (1) gilt p∈U . W¨ are U = G, so g¨ abe es wegen (1) einen Punkt w ∈∂ U ∩G und eine Folge fn ∈ F1 mit lim fn (w) = ∞. Es gilt gn := 1/fn ∈ F . Da lim gn (w) = 0, so ist nach (1) die Familie {gn } beschr¨ankt um w. Nach Montel 7.1 konvergiert eine Teilfolge gnk in einer Scheibe B um w gleichm¨aßig gegen ein g ∈ O(B). Da alle gn nullstellenfrei sind und g(w) = 0 gilt, folgt g ≡ 0 nach Hurwitz (Korollar 7.17). Dann gilt lim fnk (z) = ∞ auch in Punkten von U , im Widerspruch zur Annahme.  Man verallgemeinert nun den Begriff der normalen Familie so, dass man auch Folgen zul¨ asst, die in G kompakt gegen ∞ konvergieren. Dann folgt mit (2): Versch¨ arfung des Satzes von Montel 10.17. Die Familie F ist normal in G. Beweis. Sei fn eine Folge aus F . Hat fn Teilfolgen in F1 , so ist die Behauptung klar wegen (2). Liegen nur endlich viele fn in F1 , so liegen fast alle ahle hieraus eine Teilfolge gn , die in G kompakt konvergiert. 1/fn in F1 . W¨ Ist deren Limes g nullstellenfrei, so konvergiert die Teilfolge 1/gn der Folge fn in G kompakt gegen 1/g. Hat g Nullstellen, so gilt g ≡ 0 (Hurwitz) und  1/gn konvergiert kompakt gegen ∞. Man erh¨ alt nun unmittelbar eine Versch¨ arfung des Vitalischen Satzes, auf die bereits in 7.3.3 hingewiesen wurde. Satz von Carath´ eodory-Landau 10.18. Es seien a, b ∈ C, a = b, und f1 , f2 , . . . eine Folge holomorpher Abbildungen G → C\{a, b}. Es existieur eine Menge von Punkten in G, die mindestens einen re lim fn (w) ∈ C f¨ H¨ aufungspunkt in G hat. Dann konvergiert die Folge fn kompakt in G. Beweis. Man darf a = 0, b = 1 annehmen. Die Folge fn ∈ F ist dann notwendig lokal beschr¨ ankt in G. 

Aufgaben. 1) Es seien A, B disjunkte beschr¨ ankte Mengen in C mit einem positiven Abstand d(A, B). Dann ist {f ∈ O(G) : A ⊂ f (G) und B ⊂ f (G)} eine normale Familie in G. Formulieren Sie einen zugeh¨ origen Vitali-Satz. 2) Sei m ∈ N. Die Familie {f ∈ O(G) : f ist nie 0 und h¨ ochstens m-mal 1 in G} ist normal in G.

10.4 Großer Satz von Picard

239

10.4 Großer Satz von Picard Großer Picardscher Satz 10.19. Es sei c ∈ C eine isolierte wesentliche Singularit¨ at von f . Dann nimmt f in jeder Umgebung von c jede komplexe Zahl – mit h¨ ochstens einer Ausnahme – unendlich oft als Wert an. Hierin ist eine Versch¨ arfung des kleinen Picardschen Satzes enthalten: Jede ganze transzendente Funktion f nimmt jede komplexe Zahl – mit h¨ochstens einer Ausnahme – unendlich oft als Wert an. Man wende das Theorem auf g(z) := f (1/z) ∈ O(C× ) an. 10.4.1 Beweis des großen Picardschen Satzes. ×

Es gen¨ ugt zu zeigen:

×

ankt um 0. Ist f ∈ O(E ) mit 0, 1 ∈ f (E ), so ist f oder 1/f beschr¨ Beweis. Nach Montel gibt es eine Teilfolge (fnk ) der Folge fn (z) := f (z/n) ∈ O(E× ), so dass die Folge (fnk ) oder (1/fnk ) auf ∂B 12 (0) beschr¨ankt ist. Im ur |z| = 12 und nk ≥ 1 mit M ∈ (0, ∞). Es ersten Fall gilt |f (z/nk )| ≤ M f¨ folgt |f (z)| ≤ M auf jedem Kreis um 0 mit Radius 1/(2nk ). Nach dem Maximumprinzip folgt |f (z)| ≤ M in jedem Kreisring 1/(2nk+1 ) ≤ |z| ≤ 1/(2nk ). Somit ist f beschr¨ ankt um 0. Im zweiten Fall folgt analog, dass 1/f um 0 beschr¨ ankt ist.  Der Beweis zeigt, dass die Familie {f (z/n)} nicht normal in E× ist, wenn f in 0 wesentlich singul¨ ar ist. Es gibt dann ein c ∈ E× , so dass diese Familie in keiner Umgebung von c normal ist (Beweis). Daraus ergibt sich leicht folgende

Versch¨ arfung des großen Picardschen Satzes 10.20. Ist f ∈ O(E× ) wesentlich singul¨ ar in 0, so gibt es ein c ∈ E× und ein a ∈ C, so dass f in jeder Scheibe Bε/n (c/n), 0 < ε < |c|, alle Werte aus C\{a} annimmt. Der Leser f¨ uhre den Beweis aus. 10.4.2 Historisches zu den S¨ atzen dieses Kapitels. E. Picard hat 1879 seine S¨ atze mit Hilfe elliptischer Modulfunktionen bewiesen, [203], S. 19 und S. 27; seine Resultate markieren den Anfang einer Entwicklung, die schließlich in der Theorie der Werteverteilung von R. Nevanlinna kulminierte. E. Borel leitete 1896 den kleinen Picardschen Satz mit elementaren funktionentheoretischen Hilfsmitteln her, [28, S. 571]. Landau, [155], zeigte 1904 durch eine Modifikation des Borelschen Gedankengangs u.a. die Existenz der Radius-Funktion“ R(a). F. Schottky konnte noch im gleichen ” Jahr dieses Landausche Ergebnis verallgemeinern, [248, S. 1258].

240

10 S¨ atze von Bloch, Picard und Schottky

Die Theorie nahm eine u ¨berraschende Wende, als A. Bloch 1924 den nach ihm benannten Satz entdeckte. Aus diesem Satz folgte nun alles, wie wir gesehen haben. 1971 hat T. Estermann in [61] einen Beweis des großen Picardschen Satzes mitgeteilt, der ohne R¨ uckgriff auf den Schottkyschen Satz gelingt.

11. Randverhalten von Potenzreihen

Eine in einem Gebiet holomorphe Funktion ist v¨ollig bestimmt, sobald von ihr  eine einzige Taylor-Entwicklung aν (z−c)ν bekannt ist. Alle Eigenschaften der Funktion sind also grunds¨ atzlich in der Koeffizientenfolge aν gespeichert. Bereits 1892 hat J. Hadamard in seiner Arbeit [102] das folgende Problem behandelt: Welche Beziehungen bestehen zwischen den Koeffizienten einer Potenzreihe und den Singularit¨ aten der Funktion, die sie darstellt? Hadamard sagt dazu, loc. cit. S. 8: Le d´eveloppement de Taylor, en effet, ” ne met pas en ´evidence les propri´et´es de la fonction repr´esent´ee et semble mˆeme les masquer compl`etement.“ Die Hadamardsche Fragestellung hat zu vielen sch¨ onen Ergebnissen gef¨ uhrt; dieses Kapitel enth¨alt eine Auswahl. Die Hadamardsche Frage wird dabei enger gefasst: Welche Beziehungen bestehen zwischen den Koeffizienten und Partialsummen einer Potenzreihe und der M¨ oglichkeit, die zugeh¨orige Funktion in gewisse Randpunkte der Konvergenzkreisscheibe holomorph oder meromorph fortzusetzen? Wir besprechen S¨ atze von Fatou, Hadamard, Hurwitz, Ostrowski, ´ lya, Porter, M. Riesz und Szeg¨ Po o. Die vier Paragraphen dieses Kapitels sind unabh¨ angig voneinander lesbar.

11.1 Konvergenz auf dem Rand Ist eine Funktion f ∈ O(E) holomorph in den Randpunkt c ∈ ∂E fortsetzbar, so kann ihre Taylor-Reihe um 0 sehr wohl in c divergieren. Die Beispiele P

z ν mit c := −1

bzw. c := 1,

P

z ν /ν 2

mit c := 1,

P

z ν /ν

mit c := −1

zeigen, dass Konvergenz oder Divergenz in Randpunkten i.a. nichts mit der M¨ oglichkeit der holomorphen Fortsetzbarkeit in diese Punkte zu tun hat. Indessen hat man bereits in den fr¨ uhen zwanziger Jahren entdeckt, dass bei speziellen Reihen durchsichtige Verh¨ altnisse herrschen. Wir stellen im Abschnitt 11.1.1 drei klassische S¨ atze von Fatou, M. Riesz und Ostrowski

242

11 Randverhalten von Potenzreihen

vor, die das Fortsetzungsproblem f¨ ur eine Potenzreihe mit der Beschr¨anktheit bzw. Konvergenz ihrer Partialsummenfolge verkn¨ upfen. In den Abschnitten 11.1.2 und 11.1.3 werden diese S¨ atze bewiesen, dabei erweist sich der Satz von Vitali erneut als hilfreich. Im Abschnitt 11.1.4 diskutieren wir den Ostrowskischen Satz.  Ist B der Konvergenzkreis von f = aν z ν , so nennen wir einen abgeschlossenen Kreisbogen L in ∂B einen Holomorphiebogen von f , wenn f in jeden Punkt von L holomorph fortsetzbar ist. Es gilt L = ∂B, da auf ∂B notwendig wenigstens ein singul¨ arer Punkt von f liegt (vgl. I.8.1.5). 11.1.1 S¨ atze von Fatou, M. Riesz und Ostrowski. Die  Partialsumz ν ist auf menfolge sn (z) = (1 − z n+1 )/(1 − z) der geometrischen Reihe jedem Holomorphiebogen L ⊂ ∂E\{1} gleichm¨ beschr¨ankt, hingegen hat aßigν−1 νz diese Eigenschaft nicht die Partialsummenfolge tn (z) der Ableitung ur dieses unterschiedmehr, z.B. gilt t2m+1 (−1) = m + 1, m ∈ N. Der Grund f¨ liche Verhalten ist, dass die Koeffizienten der Reihe im ersten Fall beschr¨ankt sind, im zweiten Fall hingegen nicht.  Beschr¨ anktheitssatz von M. Riesz 11.1. Ist f = aν z ν eine Potenzreihe mit beschr¨ ankter Koeffizientenfolge, so ist ihre Partialsummenfolge sn := n  aν z ν auf jedem Holomorphiebogen L von f (gleichm¨ aßig) beschr¨ ankt. 0

Die Beschr¨ anktheit der Koeffizientenfolge allein ist nicht hinreichend, um die Konvergenz der Folge sn auf L zu garantieren (geometrische Reihe). Indessen gilt:  Konvergenzsatz von Fatou und M. Riesz 11.2. Ist f = aν z ν eine Potenzreihe mit lim aν = 0, so konvergiert ihre Partialsummenfolge sn gleichm¨ aßig auf jedem Holomorphiebogen L von f (gegen die holomorphe Fortsetzung von f nach L). Dieser Satz hat die Konsequenz:  Ist aν z ν holomorph nach 1 fortsetzbar, so gilt (wie in der p-adischen Analysis):  aν ist konvergent ⇔ lim aν = 0 .  Wir nennen eine Potenzreihe aν z ν eine L¨ uckenreihe, wenn es eine Folge mν ∈ N gibt, so dass gilt: aj = 0, falls mν < j < mν+1 , ν ∈ N; lim(mν+1 − mν ) = ∞ .

(11.1)

11.1 Konvergenz auf dem Rand

243

Die Beweismethode f¨ ur den Fatou-Rieszschen Satz liefert auch den  uckenreiKonvergenzsatz von Ostrowski 11.3. Ist f = amν z mν eine L¨ he mit beschr¨ ankter Koeffizientenfolge, so konvergiert ihre Partialsummenfolge smν gleichm¨aßig auf jedem Holomorphiebogen L von f . Die angef¨ uhrten S¨ atze werden in den n¨ achsten beiden Abschnitten bewiesen. Wir d¨ urfen in allen F¨ allen annehmen, dass die Potenzreihe den Konvergenzradius 1 hat. 11.1.2 Ein Lemma von Riesz. Zu jedem Holomorphiebogen L ⊂ ∂E  M. einer Potenzreihe f = aν z ν mit Konvergenzradius 1 gibt es einen kompakten ˚ von S liegt und f eine Kreissektor S mit Spitze in 0, so dass L im Inneren S 1 holomorphe Fortsetzung f in S besitzt. Es seien z1 , z2 die Eckpunkte = 0 von S und w1 bzw. w2 der z1

w1 L S 0

w2 z 2 1

Schnittpunkt von ∂E mit [0, z1 ] bzw. [0, z2 ]. Es gilt |w1 | = |w2 | = 1 und atze des Abschnittes 11.1.1 betrachten s := |z1 | = |z2 | > 1. Zum Beweis der S¨ wir die Funktionen

gn (z) :=

f (z) − sn (z) (z − w1 )(z − w2 ), z n+1

n∈N.

Jede Funktion gn ist in S holomorph (!), wir behaupten  Lemma 11.4 (M. Riesz). Hat die Potenzreihe aν z ν (mit Konvergenzradius 1) eine beschr¨ ankte Koeffizientenfolge, und ist f eine holomorphe Fortankt. setzung von f nach S, so ist die Folge gn in S beschr¨ Beweis. Auf Grund des Maximumsprinzips gen¨ ugt es zu zeigen, dass die Folge ankt ist. Dieses wird direkt verifiziert. Sei A := sup |aν | < ∞, gn |∂S beschr¨ M = |f |S < ∞. Falls z = rw1 mit 0 < r < 1, so gilt zun¨achst 1

Per definitionem ist f in jeden Punkt von L holomorph fortsetzbar. Man u ¨berlegt sich, dass diese Fortsetzungen in einer Umgebung von L eine holomorphe Funktion bestimmen, die in E mit f u ¨bereinstimmt (man schließt wie beim Beweis der Existenz singul¨ arer Punkte auf dem Rand des Konvergenzkreises, vgl. I.8.1.5.)

244

11 Randverhalten von Potenzreihen

 ∞    |f (z) − sn (z)| =  aν z ν  ≤ A(rn+1 + rn+2 + . . .) = Arn+1 /(1 − r). n+1

Da |z − w1 | = 1 − r und |z − w2 | < 2, so folgt |gn (z)| ≤

A n+1 1 r (1 − r)2 = 2A, 1−r rn+1

n ∈ N.

Falls z = rw1 mit 1 < r ≤ s, so gilt zun¨ achst |f (z) − sn (z)| ≤ M + A(1 + r + . . . + rn ) < M + Arn+1 /(r − 1). Da jetzt |z − w1 | = r − 1 und |z − w2 | ≤ 1 + s, so folgt

1 A n+1 r |gn (z)| ≤ M + (r − 1)(1 + s) < (M + A)(1 + s), n ∈ N, r−1 rn+1 wegen (r − 1)/rn+1 < 1. Da stets gn (w1 ) = 0 und |gn (0)| = |an+1 w1 w2 | ≤ A, so ist die Folge gn auf der Strecke [0, z1 ] beschr¨ankt. Ebenso folgt ihre Beschr¨ anktheit auf der Strecke [0, z2 ]. Auf dem Kreisbogen zwischen z1 und z2 gilt schließlich, da dann |z| = s und |(z − w1 )(z − w2 )| ≤ (1 + s)2 :



1 A n+1 A 2 s (1 + s)2 , n ∈N, |gn (z)| ≤ M + (1 + s) < M + s−1 sn+1 s−1 wegen s > 1. Also ist die Folge gn auf ∂S beschr¨ankt.



Das Lemma von M. Riesz spielt im n¨ achsten Abschnitt sowie in 11.4.1 eine entscheidende Rolle. Historische Notiz. M. Riesz hat das Lemma 1916 aus ¨alteren Beweisen des Fatouschen Satzes herauspr¨ apariert, [227, 145–148, 151–153]. Dem Trick, die Hilfsfolge“ gn zu betrachten, liegt ein alter Gedanke von Riemann zugrunde: ” Das Verhalten einer Reihe, deren Konvergenz (hier zun¨achst nur Beschr¨anktheit) in gewissen Mengen untersucht werden soll, wird durch Multiplikation mit einer geeigneten Funktion in zwei Hilfspunkten verbessert, vgl. [227, S. 146]. 11.1.3 Beweis der S¨ atze aus 11.1.1. In allen drei F¨allen kann man S und f wie im Abschnitt 11.1.2 w¨ ahlen. F¨ ur alle n ∈ N gilt dann, da |z| = 1 f¨ ur z ∈ L: |f − sn |L ≤ a−1 |gn |S ,

wo

a := min{|(z − w1 )(z − w2 )|} > 0. z∈L

(11.2)

11.1 Konvergenz auf dem Rand

245

Beweis des Beschr¨ anktheitssatzes von M. Riesz. Nach Lemma 11.4 existiert ein B > 0, so dass |gn |S ≤ B, n ∈ N. Aus (11.2) folgt daher |sn |L ≤ |f |L + a−1 B f¨ ur alle n ∈ N.  ˚ und Beweis des Konvergenzsatzes von Fatou und M. Riesz. Wegen L ⊂ S ˚ (11.2) gen¨ ugt es zu zeigen, dass die Folge gn in S kompakt gegen Null konvergiert. Wir fixieren ein q ∈ (0, 1). Da die Folge gn nach Lemma 11.4 in S beschr¨ ankt ist, so ist auf Grund des Satzes von Vitali nur nachzuweisen, dass ur alle z mit |z| = q. Mit εn := sup |aν | gilt: lim gn (z) = 0 f¨ ν≥n

|f (z) − sn (z)| ≤

∞ 

|aν |q ν ≤ εn q n+1 /(1 − q),

|z| = q,

n∈N.

n+1

Da |(z − w1 )(z − w2 )| ≤ (1 + q)2 , so sieht man |gn (z)| ≤ εn

1 q n+1 (1 + q)2 · n+1 · (1 + q)2 = εn , 1−q q 1−q

|z| = q,

n∈N.

Da lim εn = 0 wegen lim aν = 0, so folgt lim gn (z) = 0, falls |z| = q.



Beweis des Konvergenzsatzes von Ostrowski. Jetzt ist f eine L¨ uckenreihe, ugt es zu zeigen, und es ist zu zeigen: lim |f − smν |L = 0. Wegen (11.2) gen¨ ˚ kompakt gegen Null strebt. Sei wieder q ∈ (0, 1). dass die Folge gmν in S ur |z| = q. Mit A := Nach Vitali gen¨ ugt es zu zeigen, dass lim gmν (z) = 0 f¨ sup |amν | gilt ∞  Aq μ = Aq mν+1 /(1 − q), |f (z) − smν (z)| ≤ mν+1

|gmν |(z) ≤ A

q mν+1 1 (1 + q)2 mν+1 −mν 2 q (1 + q) = A . m +1 1−q q ν (1 − q)q

Da lim q mν+1 −mν = 0 wegen lim(mν+1 − mν ) = ∞, so folgt lim gmν (z) = 0 f¨ ur alle z mit |z| = q.  Aus dem Satz von Fatou und M. Riesz folgt nebenbei, da die Logarithmusfunktion ∞ X log(1 − z) = − z ν /ν in jeden Punkt c ∈ ∂E\{1} holomorph fortsetzbar ist: 1 P ν Die Reihe z /ν ist in ∂E\{1} kompakt konvergent.

Dieses l¨ asst sich nat¨ urlich auch elementar mittels abelscher Summation einsehen, vergleiche etwa Aufgabe I.4.2.2.

246

11 Randverhalten von Potenzreihen

Historische Notiz. P. Fatou hat seinen Satz 1906 bewiesen f¨ ur den Fall, dass L ein Punkt ist und die Folge aν wie 1/ν gegen Null strebt, [69, S. 389]. Die Versch¨ arfung auf Kreisb¨ ogen und beliebige Nullfolgen aν gab M. Riesz 1911, [227, S. 77]; den eleganten Beweis mittels des Lemmas 11.4, der auch den Beschr¨ anktheitssatz liefert, gab er 1916, [227, 145–164]. A. Ostrowski bewies 1921 mittels des Vitalischen Satzes das Analogon des Fatouschen Satzes f¨ ur L¨ uckenreihen, [195, 19–21]. 11.1.4 Ein Kriterium f¨ ur Nichtfortsetzbarkeit. Jede L¨ uckenreihe  ankte Koamν z mν , die in allen Punkten von ∂E divergiert und eine beschr¨ effizientenfolge besitzt, hat E zum Holomorphiegebiet. Das folgt unmittelbar durch Negation des Ostrowskischen Satzes in 11.1. Korollar. Jede unendliche L¨ uckenreihe



z mν hat E zum Holomorphiegebiet.

 2ν  ν! Die Reihen z und z haben also ∂E zur nat¨ urlichen Grenze.  2 Dar¨ uber hinaus sehen wir, dass auch die Thetareihe θ(z) = 1 + 2 z ν die Scheibe E zum Holomorphiegebiet hat. Auf dieses Beispiel hat Kronecker bereits 1863 hingewiesen, vgl. hierzu [249, S. 214], und [151, S. 118 und 182]. Kronecker gewinnt die Nichtfortsetzbarkeit aus klassischen Transformationsformeln f¨ ur Thetafunktionen, vgl. z.B. seine sparsamen Hinweise in [151, S. 118]. Man argumentiert wie folgt: die Thetafunktion“ ” ∞ X 2 e ) := eπiν τ , τ ∈ H, ϑ(τ −∞

gen¨ ugt den (¨ uberhaupt nicht evidenten) Transformationsformeln « „ « „ e )= √ ζ e aτ + b , wobei a b ∈ SL(2, Z), ab, cd gerade, ζ 8 = 1. ϑ(τ ϑ cd cτ + d cτ + d e ) bei vertikaler Ann¨ Hieraus entnimmt man, dass ϑ(τ aherung aus H an den Punkt √ p/q, wo p, q teilerfremde ganze Zahlen mit geradem Produkt pq sind, wie 1/ qτ − p gegen ∞ strebt. Da e ) θ(z) = ϑ(τ

mit

z = eπiτ ,

so wird θ(z) bei radialer Ann¨ aherung aus E an alle Einheitswurzeln der Form exp(πip/q), p, q wie eben, unendlich groß. Da diese Einheitswurzeln dicht in ∂E liegen, so ist θ(z) in keinen Randpunkt von E holomorph fortsetzbar. Die hier f¨ ur θ(z) gewonnene Wachstumsaussage steht nat¨ urlich nicht im Wider∞ Q ν ν 2ν−1 2 ) , z ∈ E (die sofort aus spruch zur Gleichung θ(z) = (1 − z )(1 + z )(1 + z 1

1.5.1, (J), folgt, wenn man dort z = 1 setzt und z statt q schreibt): die in Einheitswurzeln verschwindenden Faktoren suggerieren lediglich, dass θ(z) bei Ann¨ aherung an Einheitswurzeln gegen 0 streben k¨ onnte.

¨ 11.2 Theorie der Uberkonvergenz. L¨ uckensatz

247

¨ 11.2 Theorie der Uberkonvergenz. Lu ¨ckensatz We can get an analytic extension of our power series merely by inserting parentheses (M.B. Porter, 1906).  Hat eine Potenzreihe aν z ν einen endlichen Konvergenzradius R > 0, so k¨ onnen gewisse Abschnittfolgen dieser Reihe sehr wohl in Gebieten, die BR (0) ¨ echt umfassen, kompakt konvergieren. Diese Erscheinung nennt man Uberkonvergenz, sie beruht darauf, dass divergente Reihen durch Klammersetzen konvergent werden k¨ onnen. Ein einfaches Beispiel findet man im Abschnitt 11.2.1. ¨ Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Uberkonvergenz und L¨ ucken ¨ in der Exponentenfolge der Potenzreihe. Hiervon handelt der Uberkonvergenzsatz von Ostrowski im Abschnitt 11.2.2. Eine einfache Folgerung ist der Hadamardsche L¨ uckensatz im Abschnitt 11.2.3. Im Abschnitt 11.2.4 beschreiben wir ein elegantes Verfahren zur Konstruktion u ¨berkonvergenter Potenzreihen.  ¨ 11.2.1 Uberkonvergente Potenzreihen. Eine Potenzreihe aν z ν mit endlichem Konvergenzradius R > 0 heißt u ¨berkonvergent, wenn es eine Abschnittfolge mk 

smk (z) :=

aν z ν

mit

m0 < m1 < . . . < mk < . . .

0

gibt, die in einem Gebiet, dass BR (0) echt umfasst, kompakt konvergiert. Das wohl einfachste Beispiel stammt von Ostrowski, [194, 1926, S. 160]. Er geht aus von der Polynomreihe

ν ∞  ( ) 4ν 4 −1 ; dν z(1 − z) , dν := max ν (1) j 0≤j≤4 ν=0

d−1 ν

der betragsm¨ aßig gr¨ oßte Koeffizient des Polynoms [z(1 − ersichtlich ist ν ν z)]4 . Da [z(1 − z)]4 nur Terme cz j mit 4ν ≤ j ≤ 2 · 4ν enth¨alt, entsteht durch sukzessive Addition dieser Polynome eine formale Potenzreihe 

aν z ν

mit

s2·4k (z) =

k 2·4 

0

aν z ν =

k 

dν [z(1 − z)]4 , ν

k ∈ N.

0

 Satz 11.5. Die Reihe aν z ν ist u ¨berkonvergent: Ihr Konvergenzradius ist 1, indessen konvergiert die Abschnittfolge s2·4k (z) kompakt im Cassini-Gebiet W := {z ∈ C : |z(z − 1)| < 2} ⊃ (E\{−1}) ∪ (B1 (1)\{2}) (Figur rechts S. 125).

248

11 Randverhalten von Potenzreihen

Beweis. Laut Definition von dν in (1) sind alle Koeffizienten in dν [z(1 − z)]4 vom Betrag ≤ 1, wenigstens einmal gilt Gleichheit. Daher gilt,|aν | ≤ 1 f¨ ur ν lim |a | = 1. alle ν ∈ N, wobei unendlich oft Gleichheit eintritt. Es folgt ν √  ν ν Die Potenzreihe dν w4 hat den Konvergenzradius 2, da lim 4 dν = 12 .2 Daher konvergiert die Folge s2·4k (z) kompakt in W .   Der Punkt −1 ist der einzige singul¨ are Punkt von aν z ν auf ∂E. Die Abschnittfolge s2·4k (z) konvergiert also kompakt in einer Umgebung der Menge aller nicht singul¨ aren Randpunkte. Hinter dieser Einsicht verbirgt sich ein allgemeiner Satz, dem wir uns nun zuwenden. ν

¨ 11.2.2 Uberkonvergenzsatz von Ostrowski. Eine Potenzreihe f (z) =  ν aν z heißt Ostrowski-Reihe, wenn es ein δ > 0 und zwei Folgen m0 , m1 . . . und n0 , n1 . . . aus N gibt, so dass gilt: a) 0 ≤ m0 < n0 ≤ m1 < n1 ≤ . . . ≤ mν < nν ≤ mν+1 < . . ., nν − mν > δmν , ν ∈ N, b) aj = 0, falls mν < j < nν , ν ∈ N. Solche Reihen haben also unendlich viele L¨ ucken (zwischen mν und nν ), die gleichm¨ aßig gr¨ oßer werden, jedoch d¨ urfen zwischen aufeinander folgenden L¨ ucken beliebig lange (endliche) l¨ uckenlose Abschnitte (zwischen nν und uckenreihen mν+1 ) liegen. Ostrowski-Reihen sind also nicht notwendig L¨ im Sinne von 11.1.1. Die Reihe aus 11.2.1 ist eine Ostrowski-Reihe mit mν = 2 · 4ν , nν = 4ν+1 und z.B. δ = 0, 9.  ¨ Uberkonvergenzsatz von Ostrowski 11.6. Es sei f = aν z ν eine Ostrowski-Reihe mit Konvergenzradius R > 0, es bezeichne A ⊂ ∂BR (0) die Menge aller nicht singul¨ aren Randpunkte von f . Dann konvergiert die Folge m k aν z ν kompakt in einer Umgebung von BR (0) ∪ A. der Abschnitte smk (z) = 0

Beweis (nach Estermann [60] ). Sei R = 1 und c ∈ ∂E. Wir f¨ uhren das Polynom q(w) := 12 c(wp + wp+1 ), wobei p ∈ N

und p ≥ δ −1 ,

ein und betrachten die in q −1 (E) = {w ∈ C : |q(w)| < 1} holomorphe Funktion  g(w) :=f (q(w)) = aν q(w)ν (Kunstgriff von Porter-Estermann).  0 ∈ q −1 (E) und Wir bezeichnen mit bν wν die Taylor-Reihe von  g um ν aν z bzw. bν wν und mit sn (z) bzw. tn (w) die n-te Partialsumme von behaupten: 2

` ´ ν ν , so gilt 2−4 ≤ dν ≤ (4ν + 1)2−4 . F¨ ur die gr¨ oßte Zahl m j `m´ ` ´ m m 1 hat man n¨ a mlich ≤ 2 2 ≤ , wie unter allen Binomialkoeffizient m μ j m+1 ` ´ ` ´ `m´ man sofort der Gleichung (1 + 1)m = m + 1 + ... + m entnimmt. 0 m Da d−1 ν = max ν 0≤j≤4

`4ν ´ j

¨ 11.2 Theorie der Uberkonvergenz. L¨ uckensatz

t(p+1)mk (w) = smk (q(w))

f¨ ur alle w ∈ C, k ∈ N.

249

(11.3)

 Nachdem Weierstrassschen Doppelreihensatz aus I.8.4.2 entsteht bν wν ν ν aus aν q(w) durch Ausmultiplizieren der Polynome q(w) und Ordnen der entstehenden Reihe aν (. . .) nach Potenzen von w. Das Polynom smk (q(w)) ist vom Grad ≤ (p+1)mk . Jedes Polynom aμ q(w)μ , μ > mk , enth¨alt wegen b) nur Monome awj mit j ≥ pnk . Da pnk > pmk + pδmk ≥ (p + 1)mk wegen a) und p ≥ δ −1 , so liefert kein solches Polynom einen Beitrag zur Partialsumme t(p+1)mk (w) (die ein Polynom vom Grad ≤ (p + 1)mk ist). Damit folgt (11.3). Nach dieser technischen Vorbereitung geht der Beweis elegant zu Ende. ur alle Es gilt q −1 (E) ⊃ E\{1}, da |1 + w| < 2 und daher |q(w)| < 1 f¨ w ∈ E\{1}. Die Funktion g = f ◦ q ∈ O(q −1 (E)) ist also in jedem Punkt A, so ist g wegen q(1) = c auch noch von E\{1} holomorph. Falls nun c ∈  in 1 holomorph. Die Taylor-Reihe bν wν von g und also erst recht die Abschnittfolge t(p+1)mk (w) konvergiert dann in einer offenen Scheibe B ⊃ E. Wegen (∗) konvergiert nun die Folge smk (z) kompakt in q(B). Da q(B) ein Gebiet ist, das c = q(1) enth¨ alt, so konvergiert die Folge smk (z) also kompakt in einer Umgebung eines jeden Punktes c ∈ A.   11.2.3 L¨ uckensatz von Hadamard. Eine Potenzreihe aν z ν heißt eine Hadamardsche L¨ uckenreihe , wenn es ein δ > 0 und eine Folge m0 , m1 , . . . aus N gibt, so dass gilt mν+1 − mν > δmν , ν ∈ N; aj = 0, falls mν < j < mν+1 , amν = 0. (11.4) Jede Hadamardsche L¨ uckenreihe ist eine L¨ uckenreihe im Sinne von 11.1.1 und auch eine Ostrowski-Reihe (mit nν := mν+1 ). Die Umkehrung gilt nicht: F¨ ur L¨ uckenreihen gem¨ aß 11.1.1 wird nur lim(mν+1 − mν ) = ∞ verlangt; bei Ostrowski-Reihen brauchen L¨ ucken nur ab und zu“ aufzutreten, ” w¨ ahrend (11.4) fordert, dass zwischen je zwei aufeinanderfolgenden wirklich vorkommenden Gliedern eine L¨ ucke liegt. L¨ uckensatz von Hadamard 11.7. Jede Hadamardsche L¨ uckenreihe  f = aν z ν mit Konvergenzradius R > 0 hat die Scheibe BR (0) zum Holomorphiegebiet. Beweis. Die Partialsummenfolge sn (z) ist die Folge smk (z) (wobei deren Glieder allerdings mehrfach aufeinander folgen). Die Folge smk (z) divergiert ¨ daher in jedem Punkt ζ ∈ / BR (0). Nach dem Uberkonvergenzsatz sind dann are Punkte von f .  alle Punkte von ∂BR (0) singul¨

250

11 Randverhalten von Potenzreihen

Der L¨ uckensatz ist in gewissem Sinne ein Paradoxon: Potenzreihen, die wegen ihrer L¨ ucken im Innern des Konvergenzkreises besonders schnell konvergieren, haben gerade infolge dieser L¨ ucken u ¨berall auf dem Rand Singularit¨ aten. Der Hadamardsche L¨ uckensatz ist weiter und enger zugleich als der Ostrowskische L¨ uckensatz 11.3: Weiter, da die Folge aν nicht beschr¨ankt sein muss; enger, da Ostrowski mit einer schw¨acheren L¨ uckenbedingung als (11.4) auskommt.  Der Hadamardsche Satz zeigt erneut, dass E das Ho ν! ν z ist; er reicht indessen nicht aus, dies lomorphiegebiet von z 2 und  2 auch f¨ ur die Thetareihe 1 + 2 z ν einzusehen.  ν 2 Beispiel. Die Reihe f (z) = 1 + 2z + bν z 2 mit bν := 2−ν definiert eine in E injektive, stetige und in E holomorphe Funktion. Diese Funktion ist in jedem Punkt der Kreislinie ∂E beliebig oft reell differenzierbar, aber in keinen Punkt von ∂E holomorph fortsetzbar. , ν ur ν > k, Beweis. Wegen lim(ν 2 /2ν ) = 0 gilt lim 2 |bν | = 1. Da 2νk bν ≤ 2−ν f¨ so konvergiert die Reihe nebst all ihren Ableitungen gleichm¨aßig in E, daher ur alle w, z ∈ E, w = z, gilt: ist f beliebig oft differenzierbar in E. F¨     ∞    f (w) − f (z)   2ν −1 2ν −2 2ν −1   = 2 +  b (w + w z + . . . + z ) ν     w−z 1 ≥ 2−

∞  1

bν 2ν = 2 −

∞  1

1 > 0, 2ν(ν−1)

also f (w) = f (z). Nach dem L¨ uckensatz ist E das Holomorphiegebiet von f . ¨ Die Uberraschung in diesem Beispiel ist, dass Singularit¨aten auf ∂E sehr wohl mit einem glatten und bijektiven“ Abbildungsverhalten der Funktion ” dort vereinbar sind. F¨ ur Kenner der Riemannschen Abbildungstheorie geschieht aber nichts Sensationelles: Es wird lediglich explizit eine biholomorphe ∼ Abbildung E −→ G angegeben, die zu einem C ∞ –Diffeomorphismus E → G fortsetzbar ist: ∂G ist ein beliebig oft differenzierbarer geschlossener Weg, der nirgends reell analytisch ist, denn f |∂E kann nirgends reell analytisch sein (das folgt sofort aus dem in diesem Buch nicht besprochenen Schwarzschen Spiegelungsprinzip). 11.2.4 Porters Konstruktion u ¨ berkonvergenter Reihen. Man w¨ahle irgendwie – ein Polynom q = 0 vom Grad d mit q(0) = 0, das wenigstens eine Nullstelle = 0 hat,  – eine L¨ uckenreihe f = amν z mν mit mν+1 > dmν und Konvergenzradius R ∈ (0, ∞).

¨ 11.2 Theorie der Uberkonvergenz. L¨ uckensatz

251

Man setze  g(z) := f (q(z)) = amν q(z)mν , V := {z ∈ C : |q(z)| < R} und r := d(0, ∂V ) ∈ (0, ∞).  Satz 11.8. Die Taylor-Reihe bν z ν von g ∈ O(V ) um 0 ∈ V ist u ¨berkonvergent: Sie hat den Konvergenzradius r, ihre Abschnittfolge tdmk (z) = dm k bν z ν konvergiert kompakt in V. Die Komponente V von V durch 0 um0

fasst Br (0) echt und ist das Holomorphiegebiet von g|V . ¨ Beweis. Der Schl¨ ussel ist (wie beim Uberkonvergenzsatz) die Gleichung tdmk (z) =

k 

amν q(z)mν , k ∈ N.

(11.5)

ν=0

Sie folgt, da tdmk ein Polynom vom Grad ≤ dmk ist und q(z)mk+1 nur Terme az j mit j ≥ mk+1 > dmk hat. Mit (11.5) ist die kompakte Konvergenz der Folge tdmk in V klar.  Die Taylor-Reihe bν z ν von g ∈ O(V ) konvergiert in Br (0) ⊂ V . W¨are ihr Konvergenzradius gr¨ oßer als r = d(0, ∂V ), so g¨abe es Punkte v ∈ / V , so ∞   dass bν v ν konvergiert. Wegen (11.5) w¨ are dann amν q(v)mν konvergent. 0  Das geht nicht, da |q(v)| > R. Also ist r der Konvergenzradius von bν z ν . Es gilt V ⊃ Br (0) (trivial) und V = Br (0) (Folgerung 9.3.2, denn q hat uckensatz das Holomorphieverschiedene Nullstellen). Da BR (0) nach dem L¨ gebiet von f ist, so ist V nach Hilfssatz 5.16 das Holomorphiegebiet von g = f ◦ q.  Das Ostrowskische Beispiel aus 11.2.1 f¨ allt unter den bewiesenen Satz. 11.2.5 Historisches zum L¨ uckensatz. Das von Weierstrass und Kronecker in den 60-er Jahren des 19. Jahrhunderts entdeckte Ph¨anomen der Existenz von Potenzreihen mit nat¨ urlichen Grenzen fand 1892 durch Hadamard eine nat¨ urliche Erkl¨ arung. In [102, S. 72 ff.] beweist er den L¨ uckensatz; einen einfacheren Beweis gab 1921 Szeg¨ o, [258, 566–568]. Besonders elegant argumentiert 1927 J.L. Mordell, [179]; er substituiert Polynome one Idee hatte allerdings M.B. Porter bereits 1906; er w p (1 + w). Diese sch¨ gab damals die Konstruktion aus Abschnitt 11.2.4 an und bewies nebenbei den L¨ uckensatz f¨ ur den Fall mν+1 > 2mν mittels der Substitution w(1 + w), [217, 191–192]. Porters Arbeit blieb bis 1928 unbeachtet, vgl. hierzu den n¨ achsten Abschnitt. Ostrowski sah 1921 den Hadamardschen Satz als Ko¨ rollar seines Uberkonvergenzsatzes, [194, S. 15].

252

11 Randverhalten von Potenzreihen

Auf ein Beispiel wie in Abschnitt 11.2.3 hat 1890 der schwedische Mathematiker I. Fredholm, ein Sch¨ uler von Mittag-Leffler, hingewiesen. Er betrachtet f¨ ur festes a, 0 < |a| < 1, die Potenzreihe X ν ν2 g(z) = a z = 1 + az + a2 z 4 + a3 z 9 + . . . , p 2 uckensatz (vgl. hierzu vgl. [75]. Wegen lim ν |a|ν = 1 ist E nach dem Fabryschen P 2k ν L¨ ur jedes k und da Abschnitt 7) das Holomorphiegebiet von g. Da ν |a| < ∞ f¨ ∞ P ν 2 |a|ν < |a| f¨ ur kleine a, so hat g ebenfalls die im Beispiel in Abschnitt 11.2.3 ν=2

f¨ ur f gezeigten Eigenschaften. ´ die Fredholmsche Mittag–Leffler nennt 1891 in einem Brief an Poincare Konstruktion un r´esultat assez remarquable“, Acta Math. 15, 279–280 (1891). Das ” Fredholmsche Beispiel wurde 1897 auch von Hurwitz diskutiert, [126, S. 478]. L¨ uckenreihen in Form von Fourier-Reihen kommen bereits fr¨ uh in der reellen Analysis vor. So berichtet 1872 Weierstrass (vgl. [270, S. 71], dass Riemann im ” Jahre 1861 oder vielleicht auch schon fr¨ uher“ seinen H¨ orern die L¨ uckenreihe ∞ X sin n2 x n2 1

als Beispiel einer in R stetigen nirgends differenzierbaren Funktion vorstellte. Leider ” ist der Beweis hierf¨ ur von Riemann nicht ver¨ offentlicht worden und scheint sich auch ¨ nicht in seinen Papieren oder durch m¨ undliche Uberlieferung erhalten zu haben.“ Heute weiß man, dass Riemanns Funktion nur in den Punkten π(2p + 1)/(2q + 1), p, q ∈ Z, differenzierbar ist, und dass ihre Ableitung dort stets − 12 ist, vgl. [86] und [252].3 Da Weierstrass die Riemannsche Behauptung nicht beweisen konnte, gab er 1872 seine ber¨ uhmte Reihe X n 3 b cos(an xπ), a ≥ 3, a ungerade, 0 < b < a, ab > 1 + π, 2 als einfaches Beispiel einer stetigen, nirgends differenzierbaren Funktion (loc. cit. S. 72–74).

¨ 11.2.6 Historisches zur Uberkonvergenz. Erhard Schmidt legte 1921 der Preußischen Akademie die Arbeit [194][13–21] vor, in der A. Ostrow¨ ski mit Hilfe des Drei-Kreise-Satzes von Hadamard seinen Uberkonvergenzsatz beweist. Ostrowski schreibt damals (Fußnote 2 auf S. 14), dass R. ¨ Jentzsch 1917 die Uberkonvergenz entdeckt habe, [136, S. 255 und S. 265– 270]. Der Ostrowskische Satz erregte sofort Aufsehen. Ostrowski hat in mehreren Arbeiten sein Resultat ausgebaut (vgl. [194, 159–172], und die dort auf S. 159 angegebene Literatur); die sehr elegant konstruierten Beispiele“ ” von Jentzsch stehen bis 1928 in hohem Ansehen. 3

Vom Riemannschen Beispiel handelt auch ein Artikel Riemann’s example of a ” continuous non differentiable‘ function“ von E. Neuenschwander in Math. Int. ’ 1, 40–44 (1978), der im selben Band von S.L. Segal wesentlich erg¨ anzt wurde, S. 81/82.

¨ 11.2 Theorie der Uberkonvergenz. L¨ uckensatz

253

Es war indessen den interessierten Mathematikern entgangen, dass M.B. ¨ Porter bereits 1906 das Ph¨ anomen der Uberkonvergenz  klar beschrieben hatte. Die in 11.2.4 diskutierten Porterschen Beispiele amν [z(1 + z)]mν , [217, 191–192], sind nat¨ urlicher als die etwas k¨ unstlich konstruierten“ Bei” spiele von Jentzsch. Die Porterschen Reihen wurden – und das war u ¨berraschenderweise den Experten gleichfalls verborgen geblieben – im gleichen Jahre 1906 auch von G. Faber in M¨ unchen studiert, [65]; allerdings stellte ¨ Faber die Eigenschaft der Uberkonvergenz nicht besonders heraus. Die Porterschen Beispiele wurden von E. Goursat wiedergefunden, der sie in der 4. Auflage seines Cours D’Analyse Bd. 2, S. 284, diskutiert. Dieses alles wurde erst 1928 bekannt, als Ostrowski ein Addendum ver¨offentlichte, vgl. [194, S. 172]. ¨ Ostrowskis Beweis des Uberkonvergenzsatzes ist kompliziert. 1932 sah T. Estermann, dass der Trick von Porter, die Polynome wp (1 + w) heranzuziehen, zu einem unmittelbaren Beweis f¨ uhrt, [60]. 11.2.7 Ausblicke. Den sch¨ arfsten Nichtfortsetzbarkeitssatz, der sowohl Hadamards L¨ uckensatz als auch das Kriterium 11.1.4 umfasst,  hat mbereits 1899 E. Fabry (1856–1944) gefunden. Nennt man eine Reihe aν z ν eine Fabry-Reihe, wenn lim mν /ν = ∞, so gilt der tiefliegende  Fabryscher L¨ uckensatz 11.9. Ist f = aν z mν eine Fabry-Reihe mit Konvergenzradius R, so ist die Kreisscheibe BR (0) das Holomorphiegebiet von f . Beweise findet man bei [156, 76–84], sowie bei [53, 127–133]. Fabry hat seinen Satz u ur L¨ uckenreihen, wie wir sie in 11.1.1 definierten, ¨brigens nur f¨ ausgesprochen, [66, S. 382]; die hier gegebene Formulierung findet sich erst 1906 bei Faber [65, S. 581]. Dass diese Fassung sch¨arfer ist, zeigt folgende

Aufgabe.

Zeigen Sie, dass jede allgemeine L¨ uckenreihe eine Fabry-Reihe ist. Geben Sie Fabry–Reihen an, die keine L¨ uckenreihen sind.

´ lya hat 1939 gesehen, dass sich die Aussage des Fabryschen Satzes Po umkehren l¨ asst, er zeigt [208][S. 698]: sei mν eine Folge nat¨ urlicher Zahlen, mit m0 < m1 < . . . . Jede Reihe  Es m oge ihren Konvergenzkreis zum Holomorphiegebiet haben. Dann aν z ν m¨ gilt lim mν /ν = ∞.

254

11 Randverhalten von Potenzreihen

11.3 Ein Satz von Fatou-Hurwitz-P´ olya F¨ ur eine beliebige Potenzreihe l¨asst sich der Konvergenzkreis zur nat¨ urlichen Grenze ma¨ chen, bloß durch geeignete Anderung der Vor´ lya, 1916) zeichen der Koeffizienten (G. Po Hadamardsche L¨ uckenreihen haben ihren Konvergenzkreis zur nat¨ urlichen Grenze. Diese Erkenntnis f¨ uhrt nun zu der u ¨berraschenden Einsicht, dass es eigentlich gar nicht solcher Reihen bedarf, um unz¨ahlige Funktionen mit Kreisscheiben als Holomorphiegebiet anzugeben. Wir werden zeigen: Satz von Fatou-Hurwitz-P´ olya 11.10. Sei B der Konvergenzkreis der  ν z . Dann hat die Menge aller Funktionen der Gestalt Potenzreihe f = a ν  achtigkeit des εν aν z ν , εν ∈ {−1, +1}, deren Holomorphiegebiet B ist, die M¨ Kontinuums. 4 Dieser Satz hat etwas Paradoxes an sich: Es gibt zwar Bedingungen f¨ ur die absoluten Betr¨ age der Koeffizienten, die Nichtfortsetzbarkeit garantieren (z.B. Hadamard-L¨ ucken), es gibt aber keine Bedingung, die sich nur auf die absoluten Betr¨ age der aν bezieht und die Fortsetzbarkeit zur Folge hat. Im Satz  wird nicht behauptet, dass h¨ ochstens abz¨ahlbar unendlich viele Funktionen εν aν z ν , εν = ±1, die Scheibe B nicht zum Holomorphiegebiet,haben. Das , trifft allerdings nach F. Hausdorff immer dann zu, wenn lim ν |aν | = lim ν |aν |, vgl. [107, S. 103]. 11.3.1 , Der Hurwitzsche Beweis. Wir d¨ urfen  B = E annehmen. Dann es gibt eine Teilreihe h = amν z mν von f , so dass gilt lim ν |aν | = 1, und, mν |amν | = 1. Aus dieser Hadamardschen L¨ uckenreihe mν+1 > 2mν und lim h ∈ O(E) bilden wir unendlich viele Reihen hn ∈ O(E), n ∈ N, derart, dass keine von ihnen endlich ist und dass jeder Term amν z mν in genau einer dieser Reihen vorkommt. Es gilt h = h0 + h1 + h2 + . . . in E (normale Konvergenz von Potenzreihen). Wir setzen g := f − h und ordnen jeder Folge η : N → {+1, −1}, ν → ην , die Reihe fη := g + η0 h0 + η1 h1 + . . . + ηn hn + . . . ∈ O(E) zu. Auf Grund der normalen hat die Taylor-Reihe jeder Funk Konvergenz tion fη um 0 die Gestalt εν aν z ν , εν = ±1. Es gen¨ ugt also zu zeigen, dass 4

Bekanntlich hat die Menge aller Folgen ε : N → {+1, −1} die M¨ achtigkeit des Kontinuums (Dualzahlsystem); daher existieren jedenfalls kontinuierlich viele“ P ” Funktionen der Gestalt εν aν z ν , εν = ±1.

11.3 Ein Satz von Fatou-Hurwitz-P´ olya

255

h¨ ochstens abz¨ ahlbar unendlich viele Funktionen fη den Einheitskreis E nicht zum Holomorphiegebiet haben. Tr¨ afe das nicht zu, so g¨abe es eine u ahl¨berabz¨ bare Menge von Folgen δ, so dass jede Funktion fδ holomorph in eine Einheitswurzel fortsetzbar w¨ are. Da die Menge aller Einheitswurzeln abz¨ ahlbar ist, so g¨ abe es also zwei verschiedene Folgen δ, δ  , so dass fδ und fδ in dieselbe Einheitswurzel holomorph fortsetzbar w¨ aren. Dann h¨atte fδ − fδ = α0 h0 + α1 h1 + . . . , wobei αν = δν − δν ∈ {−2, 0, 2}, den Einheitskreis nicht zum Holomorphiegebiet. Da wegen δ = δ  nicht alle hn unendliche Reihen alle αν verschwinden, und da nach Konstruktion  sind, so ist aber die Taylor-Reihe bν z ν von fδ − fδ ∈ O(E) um 0 eine Hadamardsche L¨ uckenreihe , (als Teilreihe einer solchen Reihe), und wegen , lim mν |amν | = 1 gilt lim ν |bν | = 1. Nach Satz 1 ist E das Holomorphiegebiet  von fδ − fδ . Widerspruch! Historische Notiz. P. Fatou  hat den Satz 1906 vermutet, [69, S. 400], und |aν | = ∞; er schrieb damals: Il est infiniment bewiesen, falls lim aν und ” probable, que cela a lieu dans tous les cas.“ F¨ ur den vollen Satz gaben 1916 ´ lya verschiedene Beweise, [127]. A. Hurwitz und G. Po 11.3.2 Ausblicke.

Schon 1896 waren E. Fabry und E. Borel der Meinung, dass fast alle Potenzreihen in allen Randpunkten ihres Konvergenzkreises singul¨ ar sind, dass also die holomorphe Fortsetzbarkeit in gewisse Randpunkte die Ausnahme ist. Borel sah darin ein Problem der Wahrscheinlichkeiten. 1929 hat H. Steinhaus diese Vorstellungen pr¨ azisiert und gezeigt, [254]: P Die Potenzreihe an z n habe den Konvergenzradius 1. Ferner sei (ϕn )n≥0 eine Folge unabh¨ angiger Zufallsgr¨ oßen, die im Intervall [0, 1] gleichverteilt sind. Dann P hat die Potenzreihe an e2πiϕn z n mit Wahrscheinlichkeit 1 den Einheitskreis als ur welche die Holomorphiegebiet (d.h. die Menge der Folgen (ϕn )n≥0 ∈ [0, 1]N , f¨ Reihe irgendwo u ¨ber ∂E hinaus holomorph fortsetzbar ist, ist eine Nullmenge). Es war 1929 u angige ¨berhaupt nicht klar, was Wahrscheinlichkeit“ und unabh¨ ” ” Zufallsgr¨ oßen “ mathematisch sind, und Steinhaus hatte zun¨ achst diese Begriffe zu pr¨ azisieren. Er tat es durch Konstruktion eines Produktmaßes auf dem unendlichankten) Lebesgueschen Maß dimensionalen Einheitsw¨ urfel [0,1]N mit dem (eingeschr¨ auf jedem Faktor [0,1]. Einen sehr u ¨bersichtlichen Beweis des Steinhausschen Satzes verdankt man H. Boerner, [25]; er gab 1938 dem Satz folgende suggestive Form: Fast alle Potenzreihen haben ihren Konvergenzkreis zur nat¨ urlichen Grenze (fast alle heißt hier alle bis auf eine Nullmenge“ in [0, 1]N ). ” Man kann den Begriff fast alle“ aber auch topologisch interpretieren und fra” gen, ob eine entsprechende Pr¨ azisierung der Vorstellungen von Fabry und Borel ´ lya erfolgreich ausgearbeitet. Er m¨ oglich ist. Dieser Gedanke wurde 1918 von Po zeigte, [207], dass es im Raum aller Potenzreihen mit Konvergenzradius 1 eine

256

11 Randverhalten von Potenzreihen

nat¨ urliche Topologie gibt, so dass die Menge der nirgends fortsetzbaren Potenzreihen in diesem topologischen Raum offen und u ¨berall dicht ist, also in diesem Sinne fast alle“ Potenzreihen des betreffenden Raumes enth¨ alt. ” Eine allgemeine Potenzreihe“ hat somit stets ihren Konvergenzkreis zum Holo” morphiegebiet. Weitere Resultate zu diesem Ideenkreis findet man in [19, 91–104].

11.4 Ein Fortsetzungssatz von Szeg¨ o  mν Geometrische Reihen z , m ≥ 1 fest, und Hadamardsche L¨ uckenreihen  z mν haben den Konvergenzradius 1, indessen verhalten sich die zugeh¨origen holomorphen Funktionen bei Ann¨ aherung an den Rand ∂E grundverschieden; w¨ ahrend die einen zu rationalen Funktionen mit Polen in Einheitswurzeln fortsetzbar sind, haben die anderen E zum Holomorphiegebiet. Diese Situation ist signifikant f¨ ur Potenzreihen mit nur endlich vielen verschiedenen Koeffizienten.  Satz von Szeg¨ o 11.11. Es sei f = aν z ν eine Potenzreihe mit nur endlich vielen verschiedenen Koeffizienten. Dann ist entweder E das Holomorphiegebiet von f , oder f ist zu einer rationalen Funktion f (z) = p(z)/(1 − z k ) fortsetzbar, wobei p(z) ∈ C[z] und k ∈ N. Dieser sch¨ one Satz wird in diesem Paragraphen bewiesen , und diskutiert. Man darf annehmen, dass f kein Polynom ist. Dann gilt lim ν |aν | = 1, die Reihe hat also den Konvergenzradius 1. Es gen¨ ugt folgendes zu zeigen: (Sz) Ist E nicht das Holomorphiegebiet von f , so sind von einem gewissen Koeffizienten an diese periodisch, d. h. es gibt Indizes λ < μ, so dass f¨ ur alle j ∈ N .

aλ+j = aμ+j Alsdann folgt n¨ amlich, wenn P :=

λ−1  0

aν z ν und Q :=

μ−1 

aν z ν gesetzt wird:

λ

f = P + Q + Qz μ−λ + Qz 2(μ−λ) + . . . = P + Q/(1 − z μ−λ ), z ∈ E. Der Beweis von (Sz) wird im Abschnitt 11.4.1 vorbereitet; dabei wird der kleine Rungesche 12.10 benutzt. Im Abschnitt 11.4.2 wird ein Hilfssatz bewiesen, aus dem dann (Sz) im Abschnitt 11.4.3 auf verbl¨ uffende Weise folgt. Als Anwendung des Szeg¨ oschen Satzes charakterisieren wir im Abschnitt 11.4.4 Einheitswurzeln (Satz von Kronecker) .

11.4 Ein Fortsetzungssatz von Szeg¨ o

257

11.4.1 Vorbereitungen zum Beweis von (Sz). Es seien ϕ, ψ, s ∈ R vorgegebene Zahlen mit 0 < ψ − ϕ < 2π, s > 1; weiter sei δ ∈ [0, 1) eine Variable. Wir bezeichnen mit Gδ ein Sterngebiet mit Zentrum 0, dessen Rand Γ (δ) aus zwei konzentrischen Kreisb¨ ogen γ1 (t) = seit , ϕ ≤ t ≤ ψ, und γ3 (t) = it (1 − δ)e , ψ ≤ t ≤ 2π + ϕ, sowie aus zwei deren Endpunkte verbindenden Strecken γ2 (t) = teiψ , 1 − δ ≤ t ≤ s, und γ4 (t) = teiϕ , 1 − δ ≤ t ≤ s, besteht (Figur). Wir ben¨ otigen

z1 w1

-g2

1- d

1

s

g4 w2 z2

0

Gd

g1

g3

a) (Approximationssatz). Es gibt ein δ0 > 0, so dass zu jedem η > 0 eine (von η unabh¨ angige) Funktion R(z) = c0 + c1 /z + c2 /z 2 + . . . + cq−1 /z q−1 + q 1/z , q ∈ N, existiert, so dass |R|Γ (δ) ≤ η f¨ ur alle δ mit 0 ≤ δ ≤ δ0 .  b) (Variante des Rieszschen Lemmas). Die Potenzreihe f = aν z ν habe beschr¨ ankte Koeffizienten, und es gebe ein δ > 0, so dass f eine holomorphe Fortsetzung f in eine Umgebung von Gδ besitzt. Dann gibt es ein M > 0, so dass     ≤ M f¨ ur alle n ≥ 1. [f (z) − sn−1 (z)]/z n+1  Γ (δ)

Beweis. ad a). Da Γ (0) ∩ ∂E ein Kompaktum = ∂E ist, gibt es nach 12.2.2 (1 ) eine Umgebung U von Γ (0) ∩ ∂E und eine Funktion Q(z) = b0 + b1 /z + . . . + bk−1 /z k−1 + 1/z k , so dass |Q|U < 1 (kleiner Satz von Runge!). W¨ahle ur r > 1 so, dass Γ (0) ∩ Br (0) ⊂ U , und bestimme l ∈ N derart, dass f¨ 1 Q(z) := z −l Q(z) gilt: 1 |Q(z)| < 1 f¨ ur alle z ∈ Γ (0) mit |z| ≥ r. 1 V < 1. 1 Γ (0) < 1. Sei nun V eine Umgebung von Γ (0) mit |Q| Dann folgt |Q| 1 m . Man Zu jedem η > 0 gibt es jetzt ein m ∈ N, so dass |R|V < η f¨ ur R := Q ur alle δ ≤ δ0 . w¨ ahle nun δ0 > 0 so klein, dass Γ (δ) ⊂ V f¨

258

11 Randverhalten von Potenzreihen

ad b). Es gibt einen kompakten Kreissektor S mit Spitze 0 und Eckpunkten z1 , z2 , so dass γ1 , γ2 und γ4 in S verlaufen (Figur) und dass f noch in S holomorph ist. Nach dem Rieszschen Lemma 11.4 ist die Folge gn (z) :=

f (z) − sn (z) (z − w1 )(z − w2 ), n ∈ N , z n+1

in S beschr¨ ankt. Mit A := sup |aν | gilt f¨ ur alle Punkte z ∈ γ3 : ∞    |gn (z)| = |an+1 + an+2 z + . . . | · |z − w1 ||z − w2 | ≤ A |z|ν · 4 = 4A/δ. 0

Mithin ist die Folge gn auf Γ (δ) beschr¨ ankt. Da [f (z) − sn−1 (z)]/z n+1 = gn−1 (z)/z(z − w1 )(z − w2 ) , und da |z(z − w1 )(z − w2 )| ein Minimum > 0 auf Γ (δ) hat, ergibt sich die Beschr¨ anktheit der Folge [f (z) − sn−1 (z)]/z n+1 auf Γ (δ).  Hilfssatz 11.12. Es sei f = aν z ν eine Potenzreihe mit beschr¨ ankten Koeffizienten und Konvergenzradius 1, die E nicht zum Holomorphiegebiet hat. Dann gibt es zu jedem ε > 0 ein q ∈ N und Zahlen c0 , c1 , . . . , cq−1 ∈ C, so dass gilt: ur alle n ≥ 1. |c0 an + c1 an+1 + . . . + cq−1 an+q−1 + an+q | ≤ ε f¨ aß 11.4.1, a). Da ∂E nicht die nat¨ urliche GrenBeweis. Wir w¨ ahlen δ0 > 0 gem¨ ze von f ist, gibt es ein Gebiet Gδ von der im Abschnitt 11.4.1 angegebenen Art, so dass f eine holomorphe Fortsetzung f in eine Umgebung von Gδ ∪Γ (δ) ahlen M gem¨aß 1,b) und bestimmen hat. Wir d¨ urfen δ < δ0 annehmen. Wir w¨ gem¨ aß 11.4.1, a) die Funktion R(z) = c0 + c1 /z + . . . + cq−1 /z q−1 + 1/z q so, dass |R|Γ (δ) ≤ 2πε/M L, wobei L die euklidische L¨ange von Γ (δ) bezeichnet. Dann gilt     R(z) f (z) − sn−1 (z)  ≤ 2πε/L f¨ ur alle n ≥ 1 .   z n+1 Γ (δ)

(11.6)

Nun entnimmt man der Gleichung

cq−1 1 an c1 f (z) − sn−1 (z) +an+1 +an+2 z+ . . . = c0 + + . . . + q−1 + q R(z) z n+1 z z z z sofort, dass die Zahl c0 an + c1 an+1 + . . . + cq−1 an+q−1 + an+q das Residuum der Funktion links im Nullpunkt ist. Da diese Funktion in Gδ \{0} holomorph ist, so folgt (Residuensatz, der Weg Γ (δ) ist einfach geschlossen):

11.4 Ein Fortsetzungssatz von Szeg¨ o

c0 an + . . . + cq−1 an+q−1 + an+q =



1 2πi

R(ζ)

259

f (ζ) − sn−1 (ζ) dζ , n ≥ 1. ζ n+1

Γ (δ)

Die Standardabsch¨ atzung f¨ ur Integrale impliziert wegen (11.6) die Behauptung.  Der Hilfssatz besagt, dass kein Koeffizient der Taylor-Entwicklung von (1 + cq−1 z + . . . + c0 z q )f (z) vom q-ten an absolut gr¨oßer als ε ist. 11.4.2 Beweis von (Sz). Es seien d1 , . . . , dk die paarweise verschiedenen ur k = 1 Zahlen, die als Werte der Koeffizienten a0 , a1 , . . . auftreten. Da (Sz) f¨ trivial ist (geometrische Reihe), darf man k ≥ 2 annehmen. Dann gilt d := min |dκ − dλ | > 0. κ =λ

ankt ist, l¨ asst sich Hilfssatz 11.12 mit ε := 13 d Da die Folge a0 , a1 , . . . beschr¨ anwenden. Es gibt also ein q ∈ N und Zahlen c0 , c1 . . . , cq−1 ∈ C, so dass |c0 an + c1 an+1 + . . . + cq−1 an+q−1 + an+q | ≤

1 d 3

f¨ ur alle n ∈ N . (11.7)

Wir betrachten nun alle q-Tupel (an , an+1 , . . . , an+q−1 ), n ∈ N. Da man aus den k Zahlen d1 , . . . , dk nur endlich viele verschiedene q-Tupel bilden kann (n¨ amlich k q ), so gibt es Zahlen λ, μ ∈ N mit λ < μ, so dass (aλ , aλ+1 , . . . , aλ+q−1 ) = (aμ , aμ+1 , . . . , aμ+q−1 ). Aus der Ungleichung (11.7) folgt nun, da aλ+j = aμ+j f¨ ur 0 ≤ j < q:  

 q−1  q−1  |aλ+q − aμ+q | =  cj aλ+j + aλ+q − cj aμ+j + aμ+q  ≤ 13 d + 13 d < d. 0

0

Auf Grund der Wahl von d impliziert dies aλ+q = aμ+q , also auch (aλ+1 , aλ+2 , . . . , aλ+q ) = (aμ+1 , . . . , aμ+q ) . Hieraus folgt wie eben, dass aλ+q+1 = aμ+q+1 . Man sieht so (Induktion): ur alle j ∈ N. Damit ist (Sz) und also der Szeg¨ osche Satz aλ+j = aμ+j f¨ bewiesen.  Historische Notiz. Erste Untersuchungen u ¨ber Potenzreihen mit endlich vielen verschiedenen Koeffizienten machte 1906 P. Fatou [69]. Um 1918 entstanden ´ lya, vgl. hierzu [19, S. Arbeiten von F. Carlson, R. Jentzsch und G. Po 114 ff]; 1922 hat Szeg¨ o die Fragen durch seinen Fortsetzungssatz in gewisser Weise zum Abschluss gebracht, [258, 555–560].

260

11 Randverhalten von Potenzreihen

11.4.3 Eine Anwendung.

Wir zeigen zun¨ achst

Satz 11.13 (Fatou 1905). Es sei R eine rationale Funktion mit folgenden Eigenschaften: 1) R ist holomorph in E, auf ∂E hat R genau k Pole, alle von erster Ordnung, k ≥ 1.  aν z ν von R 2) Die Menge {a0 , a1 , . . .} der Koeffizienten der Taylorreihe um 0 hat keinen H¨ aufungspunkt in C. Dann gilt R(z) = P (z)/(1 − z k ), wobei P (z) ∈ C[z]. −1 Beweis. Sind λ−1 1 , . . . , λk ∈ ∂E die Pole von R auf ∂E, so besteht eine Gleichung

R(z) =

 B1 Bk + ... + + bν z ν , 1 − zλ1 1 − zλk

wo die Reihe rechts  einen Konvergenzradius > 1 hat. Es gilt also lim bν = 0. Da 1/(1 − zλ) = λν z ν , so folgt (Koeffizientenvergleich): aν = B1 λν1 + . . . + Bk λνk + bν , also |aν | ≤ |B1 | + . . . + |Bk | + |bν |, ν ∈ N . ankt und mithin, da sie ohne Die Menge {a0 , a1 , . . .} ist folglich beschr¨ H¨ aufungspunkte ist, endlich. Nach dem Szeg¨ oschen Satz folgt die Behauptung.  Wir notieren ein u ¨berraschendes Korollar (Satz von Kronecker). Ein Polynom Q(z) = z n + q1 z n−1 + . . . + qn−1 z + qn ∈ Z[z], n ≥ 1, das nur Nullstellen vom Betrag 1 hat, hat nur Einheitswurzeln als Nullstellen. Beweis. Wir d¨ urfen annehmen, dass Q irreduzibel u ¨ber Z ist (Gausssches Lemma). Dann hat Q nur Nullstellen erster Ordnung (Division mit Rest von Q durch Q in Q[z]!), und die rationale Funktion 1/Q hat nur Pole erster Ordnung, die alle auf ∂E liegen. Da ±qn das Produkt aller Nullstellen von Q ist, so gilt |qn | = 1, also qn = ±1. Mithin sind alle Taylor-Koeffizienten von 1/Q ganzzahlig (geometrische Reihe f¨ ur 1/(±1+v) mit v := qn−1 z + . . . +z n ). Unser Satz liefert daher eine Gleichung P (z) 1 = ; d.h. 1 − z k = P (z)Q(z) . Q(z) 1 − zk Es gilt also Q(α) = 0 nur dann, wenn αk = 1.



11.4 Ein Fortsetzungssatz von Szeg¨ o

261

Kronecker hat seinen Satz 1857 ver¨ offentlicht, [150, 105]. Der Satz wird in der Algebra gew¨ ohnlich wie folgt formuliert: Eine ganz-algebraische Zahl = 0, die nebst allen ihren konjugierten Zahlen den absoluten Betrag ≤ 1 hat, ist eine Einheitswurzel. Selbstverst¨ andlich gibt es einfache algebraische Beweise; neben [150] vergleiche man etwa [213, Abschn. VIII, Aufg. 200, S. 149 und S. 368]. Eine besonders elegante Variante des Kroneckerschen Beweises gab L. Bieber¨ bach 1953 in Uber einen Satz P´ olyascher Art, Arch. Math. 4, 23–27 (1953). 11.4.4 Ausblicke. Neben Potenzreihen mit endlich vielen verschiedenen Koeffizienten haben – seit Eisenstein, 1852 – Potenzreihen mit ganzzahligen Koeffizienten viele Mathematiker fasziniert. Kann diese Ganzzahligkeit eine greifbare Wirkung auf das Verhalten der Funktion aus¨ uben? Eine unerwartete Antwort gibt ein P Satz von P´ olya-Carlson 11.14. Es sei f = aν z ν eine Potenzreihe mit ganzzahligen Koeffizienten und mit Konvergenzradius R = 1. Dann ist entweder E das Holomorphiegebiet von f , oder f ist zu einer rationalen Funktion der Form p(z)/(1 − z m )n fortsetzbar, wobei p(z) ∈ Z[z] und m, n ∈ N. ´ lya formuliert [206, S. 44 und 1921] von F. Dieser Satz wurde 1915 von G. Po Carlson bewiesen, [41]. Die Voraussetzung R = 1 ist angemessen: im Fall R > 1 p ist f wegen lim ν |aν | = R−1 < 1 und aν ∈ Z offensichtlich ein Polynom, im Fall R < 1 zeigen die Reihen ! ∞ X √ 2ν mν 1 m √ z , wo jeweils R = 1/ 4, m = 1, 2, . . . , = m ν 1 − 4z 0 ´ lya-Carlson dass f nichtrationale Fortsetzungen haben kann. – Der Satz von Po wurde 1931 von H. Petersson auf Potenzreihen mit ganzen algebraischen Koeffizienten verallgemeinert, vgl. Abh. Math. Sem. Univ. Hamburg 8, 315–322. Weitere Beitr¨ age verdankt man W. Schwarz: Irrationale Potenzreihen, Arch. Math. 17, 435–437 (1966). ´ lyasche Vermutung“ F. Hausdorff hatte bereits 1919 als St¨ utze f¨ ur die Po ” bemerkt, dass es nur abz¨ ahlbar viele in E konvergente Potenzreihen mit ganzzahligen Koeffizienten gibt, die E nicht zum Holomorphiegebiet haben, [108, S. 103] Im Jahre ´ lya-Carlsonschen Satzes, [258, 1921 gab G. Szeg¨ o einen neuen Beweis des Po ´ lya dem Satz folgende endg¨ 577–581]; im selben Jahre schließlich hat Po ultige Form gegeben, [206, S. 176]: Satz von P´ olya 11.15. Es sei G ein einfach zusammenh¨ angendes Gebiet mit 0 ∈ G, und es sei f eine in G bis auf isolierte Singularit¨ aten holomorphe Funktion, deren Taylorreihe um 0 nur ganzzahlige Koeffizienten hat. Dann gilt, wenn ρ(G) den Abbildungsradius von G bez¨ uglich 0 8.4.3 bezeichnet: 1. Ist ρ(G) > 1, so ist f zu einer rationalen Funktion fortsetzbar. 2. Ist ρ(G) = 1 und ist ∂G ein einfach geschlossener Weg, so ist entweder f nirgends u ¨ber ∂G hinaus holomorph fortsetzbar, oder aber f ist zu einer rationalen Funktion fortsetzbar.

262

11 Randverhalten von Potenzreihen

Aus diesem tief liegenden Satz, der so heterogene Eigenschaften wie die Rationalit¨ at einer Funktion, die Ganzzahligkeit von Taylor-Koeffizienten und die konforme Abbildbarkeit von Gebieten miteinander kombiniert, erh¨ alt man leicht den Satz von ´ lya-Carlson, wenn man beachtet, dass ρ(G) < ρ(G ) im Falle G  G 8.4.3. Po Eine sch¨ one Darstellung des Problemkreises findet man in [206, 192–198].

12. Runge-Theorie fu ¨ r Kompakta

Die Rungesche Approximationstheorie besticht durch ihr wunderbares Gleichgewicht zwischen Freiheit und Notwendigkeit. In Kreisscheiben B werden alle holomorphen Funktionen kompakt durch ihre Taylor-Polynome approximiert: Insbesondere gibt es zu jedem f ∈ O(B) und zu jedem Kompaktum K in B eine Polynomfolge pn , so dass lim |f −pn |K = 0. In beliebigen Gebieten ist eine Polynomapproximation nicht immer m¨oglich, so gibt es zu 1/z ∈ O(C× ) keine Polynomfolge pn , die 1/z auf einer Kreislinie γ um 0 gleichm¨ aßig approximiert, da sonst folgen w¨ urde   dζ = lim pn (ζ)dζ = 0. 1 2πi = ζ γ

γ

Das Problem der Polynomapproximation ordnet sich einem allgemeineren Approximationsproblem unter. Ist K ⊂ C ein Kompaktum, so heißt jede Funktion f : K → C, zu der es eine offene Umgebung U von K und eine in U holomorphe Funktion g mit g|K = f gibt, holomorph in K. F¨ ur Bereiche D ⊃ K stellen wir die folgende Frage: Wann sind alle in K holomorphen Funktionen auf K gleichm¨ aßig durch in D holomorphe Funktionen approximierbar ? Das Beispiel K = ∂E, D = C zeigt, dass dies nicht stets zutrifft: Die Runge-Theorie, so genannt nach dem G¨ ottinger Mathematiker Carl Runge, beantwortet die Frage ersch¨ opfend. Ausgangspunkt ist der klassische Approximationssatz von Runge 12.1. Jede in K holomorphe Funktion ist auf K gleichm¨ aßig approximierbar durch rationale Funktionen mit Polen außerhalb von K. Da sich die Lage der Pole gut kontrollieren l¨asst, erh¨alt man hiermit folgende u ¨berraschende Antwort auf obige Frage (vgl. Theorem 12.11): Genau dann ist jede in K holomorphe Funktion auf K gleichm¨ aßig durch in D holomorphe Funktionen approximierbar, wenn der topologische Raum D\K keine Zusammenhangskomponente hat, die relativ-kompakt in D ist. Hierin ist speziell enthalten: 1

Allgemeiner gilt: Eine in einer Umgebung einer Kreislinie γ um c holomorphe Funktion f ist auf γ gleichm¨ aßig durch Polynome approximierbar genau dann, wenn es eine Kreisscheibe B um c mit γ ⊂ B und eine Funktion fb ∈ O(B) gibt, so dass fb|γ = f . Der Leser beweise dies.

264

12 Runge-Theorie f¨ ur Kompakta

Kleiner Satz von Runge 12.2. H¨ angt C\K zusammen, so ist jede in K holomorphe Funktion auf K gleichm¨ aßig durch Polynome approximierbar. Wir gewinnen diese auf den ersten Blick merkw¨ urdigen Approximationss¨ atze im Paragraphen 12.2 aus einer Cauchyschen Integralformel f¨ ur Kompakta mittels einer Polstellenverschiebungsmethode“. Diese Hilfsmit” tel werden im Paragraphen 12.2 bereitgestellt. Bereits der kleine Rungesche Satz gestattet u ¨berraschende Anwendungen; wir zeigen im Paragraphen 12.3 mit seiner Hilfe u.a. – die Existenz von Polynomfolgen, die in C punktweise gegen nicht u ¨berall stetige Funktionen konvergieren, – die Existenz einer holomorphen Einbettung des Einheitskreises in den C3 . Im Paragraphen 12.4 gehen wir n¨ aher auf die Cauchysche Integralformel 12.4 ein, die am Anfang der Rungeschen Approximationstheorie steht.

12.1 Hilfsmittel Die Cauchysche Integralformel f¨ ur Kreisscheiben reicht aus, um nahezu alle grundlegenden S¨ atze der lokalen Funktionentheorie zu gewinnen. F¨ ur die Approximationstheorie ben¨ otigt man indessen eine Cauchysche Integralformel f¨ ur Kompakta in beliebigen Bereichen. Ausgangspunkt ist die in I.7.2.2 notierte Cauchysche Integralformel f¨ ur Rechtecke 12.3. Es sei R ein kompaktes Rechteck in einem Bereich D. Dann gilt f¨ ur jede Funktion f ∈ O(D) die Gleichung   ˚ f (ζ) 1 f (z), falls z ∈ R dζ = 0, falls z ∈ /R. 2πi ζ −z ∂R

Wir wenden diese Formel im folgenden f¨ ur achsenparallele Rechtecke an und gewinnen so im Abschnitt 12.1 die f¨ ur die Runge-Theorie grundlegende Cauchysche Integralformel f¨ ur kompakte Mengen. Die Struktur des CauchyKerns in der Integralformel legt den Versuch nahe, holomorphe Funktionen durch Linearkombinationen von Funktionen des Typs (z − wμ )−1 zu approximieren. Das Approximationslemma 12.6 beschreibt, wie man vorzugehen hat. Im Abschnitt 12.1.3 schließlich zeigen wir, wie sich die Pole approximierender Funktionen noch verschieben“ lassen. ” 12.1.1 Cauchysche Integralformel f¨ ur Kompakta. Cauchysche Integralformel f¨ ur Kompakta 12.4. Es sei K = ∅ ein Kompaktum in D. Dann gibt es endlich viele verschiedene, orientierte, hoange in D\K, so dass rizontale oder vertikale Strecken σ 1 , . . . , σ n gleicher L¨ f¨ ur jede Funktion f ∈ O(D) gilt:  n 1  f (ζ) dζ, z ∈ K . (12.1) f (z) = 2πi ν=1 ζ −z σν

12.1 Hilfsmittel

265

Beweis. Wir d¨ urfen D = C annehmen. Dann gilt δ := d(K, ∂D) > 0.2 Wir legen ein achsenparalleles Gitter kompakter Quadrate auf die Ebene, f¨ ur die √ Maschenweite“ d dieses Gitters gelte 2d < δ. Da K kompakt ist, so wird ” K nur von endlich vielen Gitterquadraten getroffen (vgl. Figur).

K

D Wir bezeichnen sie mit Q1 , . . . , Qk und behaupten K⊂

k 

Qκ ⊂ D .

κ=1

Die linke Inklusion ist klar. Um Qκ ⊂ D zu zeigen, fixieren wir einen Punkt cκ ∈ Qκ ∩K. Dann√gilt Bδ (cκ ) ⊂ D nach Definition von δ. Da das Quadrat Qκ den 2d hat, so hat jeder Punkt aus Qκ von cκ eine Entfernung √ √Durchmesser ≤ 2d. Da 2d < δ, so folgt Qκ ⊂ Bδ (cκ ) ⊂ D, 1 ≤ κ ≤ k. Wir betrachten nun diejenigen Strecken, die Teilwege der R¨ander ∂Qκ sind, aber nicht als gemeinsame Seite von zwei Quadraten Qp , Qq , p = q, vorkommen. Diese Strecken m¨ ogen σ 1 , . . . , σ n heißen. Wir behaupten n 

|σ ν | ⊂ D\K .

(12.2)

ν=1

W¨ urde n¨ amlich K von einer Strecke σ j getroffen, so h¨atten die beiden an σ j angrenzenden Quadrate des Gitters Punkte mit K gemeinsam, was der Auswahl der Strecken σ 1 , . . . , σ n widerspricht. Da gemeinsame Seiten verschiedener Gitterquadrate in deren R¨andern mit entgegengesetzter Orientierung vorkommen, so folgt  k  κ=1 ∂Qκ 2

 f (ζ) dζ = ζ −z ν=1 n

 σν

k  f (ζ) dζ f¨ ur alle z ∈ D\ ∂Qκ . ζ −z κ=1

Es bezeichnet d(A, B) := inf{|a − b| : a ∈ A, b ∈ B} den Abstand zweier Mengen A, B = ∅. Ist A kompakt und B abgeschlossen in C, so gilt d(A, B) > 0 immer, wenn A ∩ B = ∅.

266

12 Runge-Theorie f¨ ur Kompakta ◦

Ist nun c innerer Punkt eines Quadrates, etwa c ∈Qι , so gilt   f (ζ) f (ζ) dζ = 2πif (c) , dζ = 0 f¨ ur alle κ = ι ζ −c ζ −c ∂Qι

∂Qκ

nach der Integralformel f¨ ur Rechtecke. Damit ist (12.1) bereits f¨ ur alle Punkte  ◦κ der Menge Q verifiziert. Sein nun c ∈ K ein Randpunkt eines Quadrates Qj . Wegen (12.2) liegt c auf keiner Strecke σ ν . Die Integrale rechts in (12.1) ◦

sind somit auch in diesem Fall wohldefiniert. Wir w¨ahlen eine Folge cl ∈Qj mit lim cl = c. Nach dem bereits Bewiesenen gilt die Gleichung (12.1) f¨ ur ultigkeit f¨ ur z := c folgt daher aus Stetigkeitsalle Punkte z := cl . Ihre G¨ gr¨ unden, wenn man bemerkt, dass der ν-te Summand rechts in (12.1) eine  stetige Funktion in z ∈ D\|σ ν | ist.3 Bemerkung. Der Satz wurde wohl erstmals von S. Saks und A. Zygmund in ihrem Lehrbuch [240, S. 155], herausgestellt und zur Begr¨ undung der Runge-Theorie benutzt. Die Integralformel (12.1) spielt im folgenden eine fundamentale Rolle. Es ist dabei zun¨ achst unn¨otig zu wissen, dass sich die Strecken σ 1 , . . . , σ n von selbst zu einfach geschlossenen Polygonen zusammenf¨ ugen, vgl. hierzu 12.4. 12.1.2 Approximation durch rationale Funktionen. ist folgender

Ausgangspunkt

Hilfssatz 12.5. Es sei σ eine zu K disjunkte Strecke in C, und es sei h stetig h(ζ) dζ, z ∈ C\|σ|, auf K gleichm¨ aßig auf |σ|. Dann ist die Funktion ζ −z σ

approximierbar durch rationale Funktionen der Form m 

cμ , c1 , . . . , cm ∈ C, w1 , . . . , wm ∈ |σ| . z − wμ μ=1 Beweis. Die Funktion v(ζ, z) := h(ζ)/(ζ − z) ist stetig in |σ| × K. Da |σ| × K kompakt ist, so ist v gleichm¨ aßig stetig in |σ| × K, es gibt folglich zu jedem ε > 0 ein δ > 0, so dass gilt: 3

Man kann auch direkt schließen: zun¨ achst gilt f¨ ur alle l: Z Z Z f (ζ) f (ζ) f (ζ) dζ − dζ = (cl − c) dζ. ζ − cl ζ −c (ζ − cl )(ζ − c) σν

σν

σν

ur alle l, so wird W¨ ahlt man nun ρ > 0 derart, dass |(ζ − cl )(ζ − c)| ≥ ρ auf |σ ν | f¨ der Betrag der Integraldifferenz links nach oben abgesch¨ atzt durch |cl − c| · |f |σν · ρ−1 · L(σ ν ), sie strebt also mit wachsendem l gegen Null.

12.1 Hilfsmittel

267

|v(ζ, z) − v(ζ  , z)| ≤ ε f¨ ur alle (ζ, ζ  , z) ∈ |σ| × |σ| × K mit |ζ − ζ  | ≤ δ. Wir unterteilen σ in Teilstrecken π 1 , . . . , π m der L¨ange ≤ δ und w¨ahlen wμ ∈  μ ur z ∈ K (Standardabsch¨atzung): |π |. Mit cμ := −h(wμ ) dζ gilt dann f¨ πμ

         v(ζ, z)dζ − cμ  =  (v(ζ, z) − v(wμ , z))dζ  ≤ ε · L(π μ ).     z − wμ πμ

F¨ ur q(z) :=

πμ

m 

m  cμ (z − wμ )−1 ∈ C (K) folgt nun, da L(σ) = L(π μ ) : μ=1  μ=1      v(ζ, z)dζ − q(z) ≤ L(σ) · ε f¨ ur alle z ∈ K.  



σ

Mit dem Hilfssatz und der Integralformel (12.1) folgt nun leicht das grundlegende Lemma 12.6 (Approximationslemma). Zu jedem Kompaktum K in einem Bereich D gibt es endlich viele Strecken σ 1 , . . . , σ n in D\K, so dass jede Funktion f ∈ O(D) auf K gleichm¨ aßig approximierbar ist durch rationale Funktionen der Gestalt k 

n  cκ , cκ ∈ C , wκ ∈ |σ ν |. z − w κ κ=1 ν=1

Beweis. Wir w¨ ahlen gem¨ aß Satz 12.4 Strecken σ 1 , . . . , σ n in D\K, so dass (12.1) gilt. Nach dem Hilfssatz gibt es zu gegebenem ε > 0 Funktionen qν (z) =

mν 

cμν , wμν ∈ |σ ν |, 1 ≤ ν ≤ n , z − w μν μ=1

so dass gilt:      1 f (ζ)  ≤ ε , 1 ≤ ν ≤ n.  dζ − q (z) ν   2πi ζ −z n K σν

F¨ ur q := q1 + · · · + qn gilt dann |f − q|K ≤ ε. Nach Konstruktion  ist q eine  endliche Summe von Termen der Form cκ /(z − wκ ), wobei wκ ∈ |σ ν |.  Die Menge |σ ν |, in der die Pole von q liegen, ist – unabh¨angig von der G¨ ute der Approximation – allein durch D und K bestimmt (sie h¨angt allerdings von der Wahl des Gitters  im Beweis von Satz 12.4 ab). Wird ε verkleinert, so vermehren sich auf |σ ν | zwar die Polstellen wκ der approximierenden Funktionen q, sie r¨ ucken aber nicht n¨aher an K heran. Im n¨achsten Abschnitt zeigen wir, dass man diese Polstellen noch verschieben kann, wenn man anstelle der Funktionen c/(z − w) Polynome in (z − w)−1 zul¨asst.

268

12 Runge-Theorie f¨ ur Kompakta

12.1.3 Polstellenverschiebungssatz. Jeder topologische Raum X ist in eindeutiger Weise darstellbar als Vereinigung seiner Komponenten (= maximale zusammenh¨ angende Teilr¨ aume), man vergleiche hierzu I.0.6.4 und den Abschnitt 13.3. In diesem Abschnitt ist X ein Raum C\K, wo K ein Kompaktum in C bezeichnet. Dann ist jede Komponente von C\K ein Gebiet in C. Es gibt genau eine unbeschr¨ ankte Komponente. Polstellenverschiebungssatz 12.7. Es seien a, b beliebige Punkte aus einer aßig durch Komponente Z von C\K. Dann ist (z − a)−1 auf K gleichm¨ ankte Polynome in (z − b)−1 approximierbar. Ist Z insbesondere die unbeschr¨ aßig durch Polynome Komponente von C\K, so ist (z − a)−1 auf K gleichm¨ approximierbar. Beweis. F¨ ur w ∈ / K bezeichne Lw die Menge aller f ∈ O(K), die auf K gleichm¨ aßig durch Polynome in (z − w)−1 approximierbar sind. Dann ist klar: Aus (z − s)−1 ∈ Lc und (z − c)−1 ∈ Lb folgt (z − s)−1 ∈ Lb (Transitivit¨at) . (12.3) Die erste Behauptung des Satzes ist, dass S := {s ∈ Z : (z − s)−1 ∈ Lb } = Z. Da b ∈ S, so gen¨ ugt es zu zeigen: Ist c ∈ S und B ⊂ Z eine Scheibe um c, so gilt B ⊂ S.4  Sei s ∈ B. Die (geometrische) Reihe (s − c)ν /(z − c)ν+1 konvergiert in C\B normal gegen (z − s)−1 . Da K ∩ B = ∅, so konvergiert die Folge der Partialsummen auf K gleichm¨ aßig gegen (z − s)−1 . Also gilt (z − s)−1 ∈ Lc . Wegen c ∈ S und (12.3) folgt nun (z − s)−1 ∈ Lb , d.h. s ∈ S. Ist Z unbeschr¨ ankt, so gibt es ein d ∈ Z, so dass K ⊂ B|d| (0). Dann werden aßig von ihren Taylor-Polynomen alle Funktionen (z − d)−n auf K gleichm¨ um 0 approximiert. Auf Grund des schon Bewiesenen (Transitivit¨at!) ist aßig durch Polynome approximierbar.  daher auch (z − a)−1 auf K gleichm¨ Die Aussage u ankte Komponente C\K wird h¨aufig so ¨ber die unbeschr¨ interpretiert, dass der Pol nach ∞ verschiebbar ist (wobei man u ¨bereinkommt, dass Polynome rationale Funktionen mit Polen in ∞ sind). Bemerkung. Die Voraussetzung, dass a, b in der gleichen Komponente von C\K liegen, ist notwendig f¨ ur die G¨ ultigkeit des Polstellenverschiebungssatzes: W¨ ahlt man z.B. K := ∂E, a ∈ E und b ∈ C\E, so ist (z − a)−1 auf ∂E nicht durch Polynome in aßig approximierbar, denn solche Funktionen g sind holomorph in (z − b)−1 gleichm¨ einer Umgebung von E, und es gilt folglich 4

Wir benutzen folgende Aussage, die der Leser begr¨ unden m¨ oge: Es sei S = ∅ eine Teilmenge eines Gebietes G, so dass jede Scheibe B ⊂ G um einen Punkt c ∈ S in S liegt. Dann gilt S = G.

Z » 2πi = ∂E

12.2 Runge-Theorie f¨ ur Kompakta ˛ ˛ ˛ 1 ˛ 1 − g(ζ) dζ , also ˛˛ − g(z)˛˛ ≥ 1 . ζ −a z−a ∂E

269



Allgemein gilt: Sei Z eine Komponente von C\K, a ∈ Z, b ∈ / K ∪ Z und δ = |z − a|K > 0. ur jede holomorphe Funktion g, die ein nicht Dann gilt |(z − a)−1 − g(z)|K ≥ δ −1 f¨ ur die gilt lim g(z) = 0. konstantes Polynom in (z − b)−1 ist und f¨ z→∞

Beweis. Man bemerke zun¨ achst, dass ∂Z ⊂ K (vgl. 12.2.3 (1)). G¨ abe es nun ein g are |1 − (z − a)g(z)|K < 1. Wegen ∂Z ⊂ K folgt mit |(z − a)−1 − g(z)|K < δ −1 , so w¨ mit dem Maximumprinzip, da lim g(z) = 0 gilt: |1 − (z − a)g(z)|Z < 1, was wegen a ∈ Z absurd ist. 

12.2 Runge-Theorie fu ¨ r Kompakta F¨ ur jedes Kompaktum K ⊂ C ist die Menge O(K) aller in K holomorphen Funktionen eine C-Algebra (Beweis!). Wir zeigen zun¨achst, dass jede Funktion aus O(K) auf K gleichm¨ aßig durch rationale Funktionen mit Polen außerhalb K approximierbar ist; die Lage dieser Pole wird n¨aher angegeben (Abschnitt 12.2.1). Als Spezialfall erhalten wir, dass bei zusammenh¨angendem Raum C\K jede Funktion aus O(K) gleichm¨aßig durch Polynome approximierbar ist. Die Beweise sind mit den Hilfsmitteln des 12.1 einfach. Im Abschnitt 12.2.3 beweisen wir den Hauptsatz der Runge-Theorie f¨ ur Kompakta. 12.2.1 Approximationss¨ atze von Runge. F¨ ur jede Menge P ⊂ C ist die Gesamtheit CP [z] aller rationalen Funktionen, deren Pole s¨amtlich in P liegen, eine C-Algebra. Es gilt C[z] ⊂ CP [z] ⊂ O(C\P ). Die Bedeutung der ur die Runge-Theorie liegt in folgendem Algebren CP [z] f¨ Approximationssatz (1. Fassung) 12.8. Trifft P ⊂ C\K jede beschr¨ ankte Komponente von C\K, so ist jede Funktion aus O(K) auf K gleichm¨ aßig durch Funktionen aus CP [z] approximierbar. Beweis. Es sei f ∈ O(K) und ε > 0. Da f in einer offenen Umgebung von K holomorph ist, gibt es nach dem Approximationslemma 12.6 ein zu K disjunktes Kompaktum L in C und eine Funktion q(z) =

k 

cκ mit w1 , . . . , wk ∈ L, so dass |f − q|K ≤ 12 ε. z − w κ κ=1

Sei Zκ die wκ enthaltende Komponente von C\K. Ist Zκ beschr¨ankt, so gibt es nach Voraussetzung ein tκ ∈ P ∩ Zκ . Nach dem Polstellenverschiebungssatz 12.7 gibt es dann ein Polynom gκ in (z − tκ )−1 , so dass gilt

270

12 Runge-Theorie f¨ ur Kompakta

    cκ ≤ 1 ε  − g (z) κ  2k  z − wκ

f¨ ur alle z ∈ K .

(12.4)

Ist hingegen Zκ unbeschr¨ ankt, so gilt (12.4) auf Grund jenes Satzes sogar mit k  einem Polynom gκ in z. Die Funktion g := gκ ist nun rational, ihre Pole κ=1 liegen s¨ amtlich in P , und es gilt  k     cκ 1    |f − g|K ≤ |f − q|K + |q − g|K ≤ ε +  z − wκ − gκ (z) ≤ ε. 2 κ=1

K

∞  ∂B1/n (0). – Aus Die Menge P kann unendlich sein, z.B. f¨ ur K := {0} ∪ n=1 dem eben bewiesenen Satz folgt sofort:

Approximationssatz (2. Fassung) 12.9. Ist K ein Kompaktum im Bereich D und trifft jede beschr¨ ankte Komponente von C\K die Menge C\D, so ist jede Funktion aus O(K) auf K gleichm¨ aßig durch rationale Funktionen approximierbar, die s¨ amtlich holomorph in D sind. Beweis. Man kann die Menge P ⊂ C\K außerhalb von D w¨ahlen.



F¨ ur den Fall D = C folgt insbesondere: Kleiner Satz von Runge f¨ ur Polynomapproximation 12.10. H¨ angt C\K zusammen, so ist jede Funktion aus O(K) auf K gleichm¨ aßig durch Polynome approximierbar. Die in diesem Abschnitt angegebenen hinreichenden Bedingungen f¨ ur Approximierbarkeit sind auch notwendig, wie sich im Abschnitt 12.1.3 zeigen wird. Ausblicke. Der kleine Rungesche Satz steht am Anfang einer Kette von S¨ atzen u ochte die Vor¨ber die Approximierbarkeit durch Polynome im Komplexen. Man m¨ aussetzung der Holomorphie von f auf K abschw¨ achen. Gewiss muss f auf K stetig und in allen inneren Punkten von K holomorph sein, wenn man f auf K gleichm¨ aßig durch Polynome approximieren will. 1951 zeigte Mergelyan, nachdem Walsh, Keldych und Lavrentieff Spezialf¨ alle erledigt hatten, dass diese notwendige Bedingung f¨ ur Polynomapproximation auch hinreicht, wenn C\K wieder als zusammenh¨ angend vorausgesetzt wird. Lesern, die sich n¨ aher mit diesem Problemkreis Besch¨ aftigen wollen, sei das Buch [78] von D. Gaier empfohlen, vgl. auch [79]. Dort wird auch darauf eingegangen, wie sich approximierende Polynome konstruieren lassen.

12.2 Runge-Theorie f¨ ur Kompakta

12.2.2 Folgerungen aus dem kleinen Satz von Runge. folgt

271

Ganz schnell

(1) Ist K = ∂E ein nichtleeres Kompaktum in ∂E, so gibt es ein Polynom P , so dass P (0) = 1 und |P |K < 1. Beweis. Da C\K zusammenh¨ angt, gibt es nach Runge ein Polynom P1, so dass |P1 + 1/z|K < 1. Dann ist P := 1 + z P1 ein gesuchtes Polynom.  Bemerkung. Jedes Polynom P (z) = 1 + b1 z + · · · + bn z n , bn = 0, n ≥ 1, nimmt auf ∂E Werte vom Betrag > 1 an (Maximumprinzip). Dieses ist kein Widerspruch zu (1).

In 11.4.1 wurde folgende Variante von (1) benutzt: (1 ) Ist K = ∂E ein Kompaktum in ∂E, so gibt es eine Umgebung U von K und eine Funktion Q(z) = b0 + b1 /z + · · · + bk−1 /z k−1 + 1/z k mit k ≥ 1, so dass |Q|U < 1. Beweis. Nach (1) gibt es ein Polynom P (z) = 1 + a1 z + . . . + ak z k mit ur Q(z) := P (z)/z k gilt dann ebenfalls |Q|K < 1. Aus Stetig|P |K < 1. F¨  keitsgr¨ unden gibt es eine Umgebung U von K, so dass |Q|U < 1. In 12.3.2 ben¨ otigen wir (2) Es seien A1 , . . . , Ak , Bl , . . . , B1 paarweise disjunkte Kompakta in C, angt, es seien weiter u1 , . . . , uk , v1 , . . . , vl so dass C\(A1 ∪· · ·∪Bl ) zusammenh¨ ganze Funktionen. Dann gibt es zu je zwei reellen Zahlen ε > 0, M > 0 ein Polynom p, so dass gilt: |uκ + p|Aκ ≤ ε , 1 ≤ κ ≤ k, und min{|vλ (z) + p(z)|; z ∈ Bλ } ≥ M, 1 ≤ λ ≤ l. Beweis. Sei K := A1 ∪ . . . ∪ Bl . Da A1 , . . . , Bl paarweise disjunkt sind, so ist die auf Aκ durch uκ und auf Bλ durch vλ − M − ε definierte Funktion h holomorph auf K. Nach Runge gibt es also ein Polynom p, so dass |h + p|K ≤ ur alle z ∈ Bλ , ε. Dies bedeutet |uκ + p|Aκ ≤ ε, 1 ≤ κ ≤ k. Weiter folgt f¨ 1 ≤ λ ≤ l, da vλ + p = M + ε + h + p auf Bλ : |vλ (z) + p(z)| ≥ M + ε − |h(z) + p(z)| ≥ M .



Man kann auch gleichzeitig approximieren und interpolieren. F¨ ur jeden positiven Divisor d in C mit endlichem Tr¨ ager A gilt z.B., wenn K ein Kompaktum mit A ⊂ K und zusammenh¨ angendem Rest C\K bezeichnet: (3) Falls ε > 0, so existiert zu jedem f ∈ O(K) ein Polynom p, so dass ur alle a ∈ A . |f − p|K ≤ ε und oa (f − p) ≥ d(a) f¨

272

12 Runge-Theorie f¨ ur Kompakta

Beweis. W¨ ahle pe ∈ C[z] so, dass oa (f − pe) ≥ d(a), a ∈ A. Mit q(z) :=

Q

(z − a)d(a)

a∈A

gilt dann F := (f − pe)/q ∈ O(K). Wir d¨ urfen |q|K = 0 annehmen, da der Fall A = K trivial ist. Nach Runge existiert dann ein pb ∈ C[z] mit |F − pb|K ≤ ε|q|−1 K . Nun ist p := pe + qb p ein gesuchtes Polynom. 

12.2.3 Hauptsatz der Runge-Theorie f¨ ur Kompakta. Der Approximationssatz 12.9 wird vertieft. Wir notieren vorab zwei einfache Aussagen: (1) F¨ ur jede Komponente Z von D\K gilt D ∩ ∂Z ⊂ K. Liegt Z u ¨berdies ur alle f ∈ O(D). relativ-kompakt 5 in D, so gilt |f |Z ≤ |f |K f¨ Beweis. G¨ abe es ein c ∈ D ∩ ∂Z mit c ∈ / K, so g¨abe es eine Scheibe B ⊂ D\K um c. Wegen Z ∩B = ∅ w¨ are dann B in Z enthalten, (denn Z ist Komponente von D\K), im Widerspruch zu c ∈ ∂Z. Also gilt D ∩ ∂Z ⊂ K. Liegt Z relativ-kompakt in D, so gilt ∂Z ⊂ D, also ∂Z ⊂ K. Die Absch¨atzung folgt nun aus dem Maximumprinzip f¨ ur beschr¨ankte Gebiete.  (2) Jede Komponente Z0 von C\K, die in D liegt, ist eine Komponente atzlich beschr¨ ankt, so liegt Z0 relativ-kompakt in D. von D\K. Ist Z0 zus¨ Beweis. Da Z0 ein Gebiet in D\K ist, gibt es eine Komponente Z1 von D\K, so dass Z0 ⊂ Z1 . Da Z1 ein Gebiet in C\K ist, folgt Z0 = Z1 wegen der Maximalit¨ at von Z0 . ankt, so ist Z 0 := Z0 ∪ ∂Z0 kompakt. Da ∂Z0 ⊂ K (wegen Ist Z0 beschr¨  (1) mit D := C), so folgt Z 0 ⊂ D ∪ K ⊂ D. Wir zeigen jetzt: Theorem 12.11. Folgende Aussagen u ¨ber ein Kompaktum K in D sind ¨aquivalent: i) Der Raum D\K hat keine in D relativ-kompakte Komponente. ii) Jede beschr¨ ankte Komponente von C\K trifft C\D. iii) Jede Funktion aus O(K) ist auf K gleichm¨ aßig durch rationale Funktionen ohne Pole in D approximierbar. iv) Jede Funktion aus O(K) ist auf K gleichm¨ aßig durch in D holomorphe Funktionen approximierbar. v) Zu jedem c ∈ D\K gibt es eine Funktion h ∈ O(D), so dass |h(c)| > |h|K . Beweis. i) ⇒ ii). Klar wegen (2). – ii) ⇒ iii). Das ist Approximationssatz 12.9. – iii) ⇒ iv). Trivial. – iv) ⇒ i). Hat D\K eine in D relativ-kompakte Komponente Z, so sei a ∈ Z und δ := |z − a|K ∈ (0, ∞). Zu (z − a)−1 ∈ O(K) gibt es ein g ∈ O(D), so dass 5

Eine Teilmenge M von D liegt relativ-kompakt in D, wenn es ein Kompaktum L ⊂ D gibt mit M ⊂ L.

12.2 Runge-Theorie f¨ ur Kompakta

273

|(z − a)−1 − g(z)|K < δ −1 , also |1 − (z − a)g(z)|K < 1 . Mit (1) folgt |1 − (z − a)g(z)| < 1 f¨ ur alle z ∈ Z, was f¨ ur z = a absurd ist. i) ⇒ v). Der Bereich D\(K ∪ c) hat dieselben Komponenten wie D\K bis auf eine, aus der c entfernt ist. Also gilt i) und damit nach dem schon Bewiesenen auch iv) f¨ ur K ∪ c statt K. Zu der durch g(z) := 0 f¨ ur z ∈ K,

g(c) := 1

definierten Funktion g ∈ O(K ∪ c) gibt es also ein h ∈ O(D), so dass |h|K < 12 und |1 − h(c)| < 12 . Es folgt |h(c)| > 12 , also v). v) ⇒ i). H¨ atte D\K eine in D relativ-kompakte Komponente Z, so w¨are v) wegen (1) f¨ ur jeden Punkt c ∈ Z verletzt.  F¨ ur D = C erhalten wir eine Pr¨ azisierung des kleinen Rungeschen Satzes. Korollar 1. Jede Funktion aus O(K) ist auf K gleichm¨ aßig durch Polynome approximierbar genau dann, wenn C\K zusammenh¨ angt. Das ist genau dann der Fall, wenn zu jedem c ∈ C\K ein Polynom p existiert, so dass |p(c)| > |p|K . Beweis. Genau dann h¨ angt C\K zusammen, wenn C\K keine in C relativkompakte Komponente hat. Das Korollar folgt daher sofort aus dem Theorem, da jede ganze Funktion in C kompakt durch Taylor-Polynome approximierbar ist.  Wir haben nun auch die Umkehrung der 1. Fassung des Approximationssatzes aus 12.8. Korollar 2. Ist P ⊂ C\K so beschaffen, dass jede Funktion aus O(K) auf K gleichm¨aßig durch Funktionen aus CP [z] approximierbar ist, so trifft P jede beschr¨ ankte Komponente von C\K. Beweis. Auf Grund des Polstellenverschiebungssatzes 12.7 darf man annehmen, dass P jede Komponente von C\K in h¨ ochstens einem Punkt trifft. Dann ist D := C\P ein Bereich mit K ⊂D. Da CP [z] ⊂ O(D), so wird auf Grund von iv) ⇒ ii) jede beschr¨ ankte Komponente von C\K von C\D = P getroffen.  ¨ Die Aquivalenz i) ⇔ ii) l¨ asst sich mit Hilfe von (2) sofort verbessern: f¨ ur eine Menge B ⊂ C sind folgende Aussagen ¨ aquivalent: – B ist eine Komponente von D\K, die relativ-kompakt in D liegt, – B ist eine beschr¨ ankte Komponente von C\K, die in D liegt.



274

12 Runge-Theorie f¨ ur Kompakta

Die Implikation iv) ⇒ i) l¨ asst sich auch vertiefen. Eine notwendige Bedingung f¨ ur Approximierbarkeit ist (der Leser f¨ uhre den Beweis mit (1)): Ist f ∈ O(K) auf K gleichm¨ aßig durch Funktionen aus O(D) approximierbar, so gibt es zu jeder relativ-kompakt in D liegenden Komponente Z von D\K genau eine in Z ∪ K stetige Funktion fb mit fb|K = f und f |Z ∈ O(Z) (holomorphe Fortsetzbarkeit von f nach Z).

12.3 Anwendungen des kleinen Satzes von Runge

Runge’s Theorem belongs in every analyst’s bag of tricks (L.A. Rubel).

Es ist leicht, Folgen stetiger Funktionen zu konstruieren, die punktweise gegen Funktionen mit Unstetigkeitsstellen konvergieren. Es ist indessen m¨ uhsam, punktweise konvergente Folgen holomorpher Funktionen zu finden, deren Grenzfunktionen nicht holomorph sind. Der Satz von Osgood (vgl. 7.5) k¨onnte sogar als Indiz daf¨ ur dienen, dass solche pathologischen Folgen nicht existieren und dass in der Funktionentheorie punktweise Konvergenz der ad¨aquate Konvergenzbegriff ist. Mit Hilfe des kleinen Rungeschen Satzes ist es leicht, sich vom Gegenteil zu u undi¨berzeugen; wir kommen damit auf eine Ank¨ gung aus dem ersten Band zur¨ uck (vgl. Fußnote auf S. 82). Wir zeigen im Abschnitt 12.3.1, dass es Polynomfolgen gibt, die in C punktweise gegen unstetige Grenzfunktionen konvergieren und deren Ableitungsfolgen s¨amtlich in C punktweise – aber nicht kompakt – gegen die Nullfunktion streben. Im Abschnitt 12.3.2 bilden wir mit Hilfe des kleinen Rungeschen Satzes den Einheitskreis E biholomorph auf eine komplexe Kurve im C3 ab. 12.3.1 Punktweise konvergente Polynomfolgen, die nicht u ¨ berall kompakt konvergieren. Wir setzen R+ := {x ∈ R : x ≥ 0} und zeigen: Satz 12.12. Es gibt eine Polynomfolge pn mit folgenden Eigenschaften: 1) lim pn (0) = 1, lim pn (z) = 0 f¨ ur jeden Punkt z ∈ C× . n→∞

n→∞

(k)

ur jeden Punkt z ∈ C und jedes k ≥ 1. 2) lim pn = 0 f¨ n→∞

(k)

(k)

(k)

3) Jede Folge p1 , . . . p2 , . . . , pn , k ∈ N, konvergiert in C\R+ kompakt, indessen konvergiert keine dieser Folgen kompakt in einer Umgebung eines Punktes von R+ .

12.3 Anwendungen des kleinen Satzes von Runge

Beweis. Wir setzen   1 , Kn := {0} ∪ [ n1 , n] ∪ In , In := z ∈ B n (0) mit d(z, R+ ) ≥ n

275

n ≥ 1.

angt zusammen, (vgl. Figur). Wir legen Kn ist kompakt, jede Menge C\Kn h¨ kompakte Rechtecke Rn bzw. Sn um 0 bzw. [ n1 , n].

Damit gilt: Die Mengen Rn , Sn , In+1 sind paarweise disjunkt. Das Kompaktum Ln := Ln , die Menge C\Ln Rn ∪ Sn ∪ In+1 ist eine Umgebung von Kn , d.h. Kn ⊂ ˚ h¨ angt zusammen. Da die durch gn (z) := 0 f¨ ur z ∈ Ln \Rn , gn (z) := 1 f¨ u r z ∈ Rn definierte Funktion gn holomorph in Ln ist, gibt es nach Runge ein Polynom pn , so dass gilt:

|pn − gn |Ln ≤

1 , n = 1, 2, . . . . n

(12.5)



Da gn ≡ 0 auf Ln , so kann man in (12.5) sogar so stark approximieren, dass u ¨berdies gilt: |p(k) n |Kn ≤ 6

1 f¨ ur k = 1, . . . , n ; n = 1, 2, . . . .6 n

(12.6)

Dieses folgt direkt aus den Cauchyschen Absch¨ atzungen f¨ ur Ableitungen in kompakten Mengen, vgl. I.8.3.1.

276

12 Runge-Theorie f¨ ur Kompakta

Mit (12.5) und (12.6) folgen wegen



Kn = C die Behauptungen 1) und 2). (k)

Nach Konstruktion konvergieren alle Folgen pn in C\R+ kompakt. Gewiss urde sie in einer konvergiert die Folge pn in keiner Scheibe um 0 kompakt. W¨ Scheibe B um x > 0 kompakt konvergieren, so w¨are die Folge auf ∂B|x| (0) gleichm¨ aßig konvergent. Nach dem Maximumprinzip w¨are sie dann auch in B|x| (0) kompakt konvergent, was nicht geht. Es folgt nun weiter, dass keine der Ableitungsfolgen um Punkte von R+ kompakt konvergiert, vgl. I.8.4.4.  Historische Notiz. Runge konstruierte 1885 eine Polynomfolge, die in C u ¨berall punktweise gegen 0 konvergiert, ohne dass die Konvergenz dabei in ganz C kompakt ist. Er zeigte an einem Beispiel einer Summe von ganzen ” rationalen Functionen. . . , dass die gleichm¨ assige Convergenz eines Ausdrucks nicht nothwendig ist, sondern dass dieselbe auf irgend welchen Linien in der Ebene der complexen Zahlen aufh¨ oren kann, w¨ahrend der Ausdruck dennoch u ¨berall convergirt und eine monogene analytische [ = holomorphe] Function darstellt“, [237, S. 245]. Runge approximiert die Funktionen 1/[n(nz − 1)] durch Polynome: seine Folge convergiert ungleichm¨assig auf dem positiven ” Theil der imagin¨aren Achse“. Runge hat als erster gefragt, ob im Weierstrassschen Konvergenzsatz die gleichm¨ assige Convergenz nothwendig ist, ” damit eine monogene analytische Function dargestellt werde“. Sein Gegenbeispiel hat damals kaum Beachtung gefunden.  Wir wissen nicht, wer das erste Beispiel einer Folge holomorpher Funktionen angegeben hat, die punktweise konvergiert und deren Grenzfunktion nicht stetig ist. Um 1901 war dies bereits mathematische Folklore, vgl. z. B. [192, S. 32]. Sp¨ atestens seit 1904 war es leicht, solche Folgen explizit anzugeben. Damals konstruierte Mittag-Leffler n¨ amlich eine ganze Funktion F , die folgende paradoxe (dem Liouvilleschen Satz aber nicht widersprechende) Eigenschaft hat, vgl. [174], th´eor`eme E, auf S. 263: (1)

F (0) = 0,

lim F (reiϕ ) = 0

r→∞

f¨ ur jedes (feste) ϕ ∈ [0, 2π) .

Die Folge gn (z) := F (nz) konvergiert nun in C punktweise gegen eine unstetige Grenzfunktion. Die Mittag-Lefflersche Funktion F l¨ asst sich als geschlossener ” analytischer Ausdruck“ anschreiben, vgl. z.B. [213], Bd. 1, III; Aufg. 158 und Bd. 2, IV, Aufg. 184. Montel hat 1907 systematisch Eigenschaften solcher Grenzfunktionen, die er fonctions de premi`ere classe“ nennt, untersucht ([175, S. 315 und 326]). ” F. Hartogs und A. Rosenthal haben 1928 sehr detaillierte Resultate erzielt, [106]. Eine besonders einfache Konstruktion einer ganzen Funktion, die (1) erf¨ ullt, gab 1976 D.J. Newman. Er betrachtet die nicht konstante ganze Funktion Z∞ G(z) := g(z + 4i),

wobei

g(z) :=

ezt t−t dt, z ∈ C ,

0

und zeigt, vgl. [184]: Die Funktion G ist auf jeder Geraden durch 0 ∈ C beschr¨ ankt.

12.3 Anwendungen des kleinen Satzes von Runge

277

Dann ist offensichtlich, wenn G−G(0) in 0 von der Ordnung k verschwindet, F (z) := ur die (1) gilt. [G(z) − G(0)]/z k eine ganze Funktion, f¨ Bemerkung. Es lassen sich auch explizit“ Folgen in O(C) angeben, die in C punkt” weise, aber nicht kompakt gegen 0 konvergieren. Bezeichnet F die durch (1) gegebene Mittag-Leffler Funktion“, so gilt: ” Die Folge fn (z) := F (nz)/n ∈ O(C) konvergiert in C punktweise gegen 0, indessen ist diese Konvergenz in keiner Umgebung des Nullpunktes gleichm¨ aßig. urde sie Beweis. Wegen (1) konvergiert die Folge fn in C punktweise gegen 0. W¨ um 0 gleichm¨ aßig konvergieren, so w¨ are sie insbesondere um 0 beschr¨ ankt. Es g¨ abe dann ein r > 0 und ein M > 0, so dass |F (z)| ≤ nM f¨ ur alle n ≥ 1 und alle z ∈ C mit |z| ≤ nr. F¨ ur die Taylor-Koeffizienten a0 , a1 . . . von F um 0 folgt dann |aν | ≤ (nM )/(nr)ν

f¨ ur alle

ν ≥ 0 und alle n ≥ 1 .

Da lim (nM )/(nr)ν = 0 f¨ ur ν ≥ 2, so w¨ are F h¨ ochstens linear und wegen n→∞

lim F (reiϕ ) = 0 also identisch Null im Widerspruch zu F (0) = 0.

r→∞



Es sei f ∈ O(C). Man konstruiere eine Polynomfolge pn , die punktweise gegen die Funktion j 0 f¨ ur z ∈ C\R g(z) := f (z) f¨ ur z ∈ R

Aufgabe.

konvergiert. Man richte es so ein, dass die Konvergenz in C\R kompakt ist, und dass (k) alle Ableitungsfolgen pn u ¨berall in C punktweise konvergieren.

12.3.2 Holomorphe Einbettung des Einheitskreises in den C3 . Sind f1 , . . . , fn ∈ O(D), 1 ≤ n < ∞, so heißt die Abbildung D → Cn , z → (f1 (z), . . . , fn (z)), holomorph. Eine solche Abbildung heißt glatt, wenn ur alle z ∈ D. Injektive, abgeschlossene7 und (f1 (z), . . . , fn (z)) = (0, . . . , 0) f¨ glatte holomorphe Abbildungen D → Cn heißen holomorphe Einbettungen von D in den Cn . Man kann zeigen, dass alsdann die Bildmenge von D in atenfreie), abgeschlossene komplexe Kurve in Cn (= Cn eine glatte (singularit¨ komplexe Untermannigfaltigkeit des Cn der reellen Dimension 2) ist. Bereiche D = C gestatten keine holomorphen Einbettungen in C, da jede holomorphe Einbettung in D → C biholomorph ist. Unser Ziel ist, folgendes zu zeigen: Einbettungssatz 12.13. Es gibt eine holomorphe Einbettung E → C3 . 7

Eine Abbildung X → Y zwischen topologischen R¨ aumen heißt abgeschlossen, wenn jede in X abgeschlossene Menge ein in Y abgeschlossenes Bild hat, vgl. auch 9.4.1.

278

12 Runge-Theorie f¨ ur Kompakta

Zum Beweis gen¨ ugt es, zwei Funktionen f, g ∈ O(E) zu konstruieren, so dass f¨ ur jede Folge zn ∈ E, die gegen einen Punkt aus ∂E\{1} konvergiert, gilt: lim(|f (zn )|+|g(zn )|) = ∞. Alsdann vermitteln die drei Funktionen f, g, h mit h(z) := 1/(z − 1) eine abgeschlossene holomorphe Abbildung E → C3 : Da h : E → C injektiv ist und da stets h (z) = 0, so ist diese Abbildung E → C3 auch injektiv und glatt. Die Konstruktion von f, g geschieht mit Hilfe des kleinen Rungeschen Satzes. Wir w¨ ahlen eine Hufeisenfolge“ Kn von kompakten, paarweise dis” junkten Mengen in E, die gegen den Rand ∂E streben und dabei keilf¨ormig auf 1 zulaufen, so dass C\(K0 ∪ · · · ∪ Kn ) stets zusammenh¨angt (Figur).

Lemma 12.14. Es gibt eine holomorphe Funktion f ∈ O(E), so dass f¨ ur alle n ∈ N gilt: min{|f (z)|; z ∈ Kn } ≥ 2n . Beweis. Wir w¨ ahlen eineaufsteigende Folge V0 ⊂ V1 ⊂ . . . von kompakten Kreisscheiben um 0 mit Vν = E, so dass gilt: K0 ∪ K1 ∪ · · · ∪ Kn−1 ⊂ Vn , Vn ∩ Kn = ∅, n ∈ N . Dann ist C\(Vn ∪ Kn ) zusammenh¨ angend. Wir konstruieren induktiv eine Polynomfolge (pn ). Wir setzen p0 := 3. Sei n ≥ 1 und seien p0 , p1 , . . . , pn−1 bereits konstruiert. Nach 12.2.2 (2) (mit A1 := Vn , B1 := Kn , u1 := 0, v1 := p0 + · · · + pn−1 ) gibt es ein Polynom pn , so dass gilt: |pn |Vn ≤ 2−n , min{|p0 (z) + · · · + pn−1 (z) + pn (z)|; z ∈ Kn } ≥ 2n + 1 . (12.7) Die Reihe da |pν |Vn



pν konvergiert nun in E normal gegen eine Funktion f ∈ O(E), ∞  ≤ |pν |Vν ≤ 2−ν f¨ ur alle ν ≥ n und folglich |pν |Vn < ∞ f¨ ur alle ν=0

ur ν > n, so gilt |pν |Kn ≤ 2−ν f¨ ur ν > n wegen (12.7). n ≥ 1. Da Kn ⊂ Vν f¨ Damit folgt, wenn man noch die zweite Ungleichung in (12.7) heranzieht, f¨ ur alle z ∈ Kn :

12.4 Diskussion der Cauchyschen Integralformel f¨ ur Kompakta ∞ 

|f (z)| ≥ |p0 (z) + · · · + pn−1 (z) + pn (z)| −

ν>n

|pν |Kn ≥ 2n + 1 −

∞ 

279

2−ν ≥ 2n .

ν>n

In analoger Weise w¨ ahlen wir eine zweite Hufeisenfolge Ln in E, so dass Ln den Ring zwischen Kn und Kn+1 bis auf ein Trapez mit der reellen Achse als Mittelachse u ¨berdeckt (in der Figur ist Ln gestrichelt). Gem¨aß dem Lemma ur alle n. Aus gibt es dann ein g ∈ O(E), so dass min{|g(z)|; z ∈ Ln } ≥ 2n f¨ der Konstruktion von f und g folgt direkt, dass f¨ ur jede Folge zn ∈ E mit lim zn ∈ ∂E\{1} gilt: lim(|f (zn )| + |g(zn )|) = ∞ Damit ist der Einbettungssatz bewiesen.

(12.8) 

Bemerkung. Die Konstruktion der Funktionen f, g l¨asst sich so verfeinern, dass (12.8) zus¨ atzlich auch f¨ ur alle Folgen zn ∈ E mit lim zn = 1 gilt. Dies hat H. Cartan bereits 1931 bemerkt, [44, S. 301], vgl. auch [233, 187–190]. Es existieren also endliche holomorphe Abbildungen E → C2 (zum Begriff der endlichen Abbildung vgl. 9.3). Dar¨ uber hinaus l¨asst sich zeigen, dass sogar holomorphe Einbettungen von E in den C2 existieren, vgl. hierzu etwa [84]. Es l¨ asst sich ferner beweisen, dass jedes Gebiet in C holomorph in den C3 einbettbar ist.

12.4 Diskussion der Cauchyschen Integralformel fu ¨r Kompakta Es ist unbefriedigend, dass in der Cauchyschen Integralformel (12.1) (1), die am Anfang der Runge-Theorie steht, u ¨ber Strecken und nicht u ¨ber geschlossene Wege integriert wird. In diesem Paragraphen geben wir dem Satz 12.4 eine gef¨ alligere Form. Es zeigt sich, dass man i.a. zwar nicht mit einem einzigen geschlossenen Weg auskommt, dass es aber immer endlich viele solche Wege mit angenehmen Eigenschaften gibt. – Um bequem formulieren zu k¨ onnen, f¨ uhren wir einige Redeweisen ein, die auch im n¨achsten Kapitel benutzt werden. Wir nennen jede (formale) Linearkombination γ = a1 γ 1 + · · · + an γ n , aν ∈ Z, γ ν geschlossener Weg in D, 1 ≤ ν ≤ n,  einen Zyklus in D. Der Tr¨ager |γ| = |γ ν | von γ ist kompakt. Integrale u ¨ber Zyklen werden durch  f dζ := γ

n  ν=1

 f dζ, f ∈ C (|γ|) ,

aν γν

280

12 Runge-Theorie f¨ ur Kompakta

definiert. Die Indexfunktion indγ (z) :=

1 2πi

 γ

dζ ∈ Z, ζ −z

z ∈ C\|γ| ,

¨ ist lokal-konstant. Inneres und Außeres von γ werden durch Int γ := {z ∈ C\|γ| : indγ (z) = 0}, Ext γ := {z ∈ C\|γ| : indγ (z) = 0} ¨ erkl¨ art; diese Mengen sind offen in C, dass Außere ist nie leer. Ein geschlossenes Polygon τ = [p1 p2 . . . pk p1 ] aus k gleich langen Strecken [p1 , p2 ], [p2 , p3 ], . . . , [pk , p1 ] heißt Treppenpolygon, wenn jede Strecke horizontal oder vertikal in C liegt und wenn alle Ecken“ p1 , p2 , . . . , pk paarweise ver” schieden sind. Dann wird jeder Punkt = p1 aus τ genau einmal durchlaufen. 12.4.1 Finale Form von Satz 12.4. Wir benutzen die Bezeichnungen aus Abschnitt 12.1.1. Es seien also σ 1 , . . . , σ n ∈ D\K orientierte Strecken eines achsenparallelen Quadratgitters in C, so dass Satz 12.4 gilt. Wir d¨ urfen anur μ = ν. Die Integralformel (12.1) (1), angewendet nehmen, dass σ μ = ± σ ν f¨ auf f (z)(z − c) mit c ∈ K, gibt den Integralsatz n  

f (ζ)dζ = 0 f¨ ur alle f ∈ O(D).

(12.9)

ν=1σ ν

Diese Formel hat zur Folge, dass sich die Strecken σ ν von selbst zu Treppenpolygonen zusammenf¨ ugen. Wir behaupten: Cauchysche Integralformel f¨ ur Kompakta (finale Form) 12.15. Zu jedem Kompaktum K = ∅ in einem Bereich D gibt es endlich viele Trepur den Zyklus γ := τ 1 + · · · + τ m penpolygone τ 1 , . . . , τ m in D\K, so dass f¨ gilt:

f (z) =

1 2πi

 γ

f (ζ) dζ ζ −z

f¨ ur alle f ∈ O(D)

und alle z ∈ K .

(12.10)

Speziell gilt K ⊂ Int γ ⊂ D

und indγ (z) = 1

f¨ ur alle z ∈ K .

(12.11)

Beweis. Wir schreiben σ ν = [aν , bν ] und zeigen zun¨achst: (∗) Jeder Punkt c ∈ C ist genauso oft Anfangspunkt aν wie Endpunkt bν einer der Strecken σ 1 , . . . , σ n .

12.4 Diskussion der Cauchyschen Integralformel f¨ ur Kompakta

281

Es bezeichne k bzw.  die Vielfachheit, mit der c im n-Tupel (a1 , . . . , an ) ahlen ein Polynom p, so dass bzw. (b1 , . . . , bn ) vorkommt. Wir w¨ p(c) = 1, p(aν ) = 0 f¨ ur aν = c , p(bμ ) = 0 f¨ ur bμ = c. Dann gilt

n 

p(aν ) = k und

ν=1

0=

n  

n 

p(bμ ) = . Mit (12.9) ergibt sich

μ=1

p (ζ)dζ =

ν=1σ ν

n 

[p(bν ) − p(aν )], also k = , d.h. (∗).

ν=1

Nun folgt m¨ uhelos: urliche Zahlen 0 = k0 < (∗∗) Es gibt eine Nummerierung der σ ν und nat¨ k1 < · · · < km+1 = n, so dass τ μ := σ kμ + σ kμ +1 + · · · + σ kμ+1 ein Treppenpolygon ist, 1 ≤ μ ≤ m. Auf Grund von (∗) lassen sich aus den σ ν endlich viele geschlossene Polygone bilden. Sei δ = [d1 d2 . . . dk d1 ] ein solches Polygon. Wir zeigen durch Induktion nach k, dass δ in Treppenpolygone zerf¨allt. Der Fall k = 4 ist klar. Ist k > 4 und δ kein Treppenpolygon, so gibt es Indizes s < t mit ds = dt . Dann sind [d1 d2 . . . ds dt+1 . . . dk d1 ] und [ds ds+1 . . . dt ] geschlossene Polygone mit weniger als k Teilstrecken, auf die man die Induktionsvoraussetzung anwenden kann. Also gilt (∗∗). Auf Grund von 12.4 ist damit die Existenz eines Zyklus, f¨ ur den (12.10) gilt, bewiesen. Da aus (12.10) wiederum der Integralsatz f¨ ur γ folgt, und da 1/(z − c) ∈ O(D) f¨ ur alle c ∈ / D, so gilt Int γ ⊂ D. Weiter folgt indγ (K) = 1 aus (12.10) mit f ≡ 1.  Warnung. Im allgemeinen gibt es keinen geschlossenen Weg γ in D\K mit K ⊂ Int γ ⊂ D und also erst recht keinen geschlossenen Weg, f¨ ur den die Formel (12.10) richtig ist. Ist z.B. K ein Kreis um 0 in D := E× , so liegt jeder geschlossene Weg γ ¨ mit K ⊂ Int γ im Außeren von K. Die von K berandete Scheibe liegt dann in Int ur alle Zyklen γ 1 + γ 2 mit γ, so dass Int γ ⊂ E× . In diesem Beispiel gilt der Satz f¨ × entgegengesetzt orientierten Kreisen in E um 0, von denen einer außerhalb und einer innerhalb von K verl¨ auft.

Bemerkung. Dass sich die Strecken σ 1 , . . . , σ n im Satz 12.4 von selbst zu geschlossenen Polygonen zusammenf¨ ugen hat 1979 R.B. Burckel bemerkt; in [31, 259–260], leitet er (∗) etwas anders her. 12.4.2 Umlaufungssatz. Es ist anschaulich klar, dass man jedes zusammenh¨ angende Kompaktum K in D durch einen geschlossenen Weg in D\K umlaufen kann. Diese Aussage wird im folgenden pr¨azisiert; wir ben¨otigen neben Satz 12.15 den Jordanschen Kurvensatz f¨ ur Treppenpolygone:

282

12 Runge-Theorie f¨ ur Kompakta

Lemma 12.16. Jedes Treppenpolygon τ zerlegt C in genau zwei Gebiete: C\|τ | = Int τ ∪ Ext τ und indτ (Int τ ) = ± 1 . Beweis. Wir f¨ uhren den Beweis in drei Schritten. Sei τ = [p1 p2 . . . pk p1 ] mit den sukzessiven Strecken πκ = [pκ+1 ], 1 ≤ κ ≤ k wobei pk+1 := p1 . Wir legen um jede Strecke πκ das offene Rechteck Rκ der L¨ange d ( = Maschenweite des Gitters) und Breite 14 d mit πκ als Mittellinie. Wir w¨ahlen in jedem Teilrechteck von R1 \|π1 | einen Punkt p bzw. q.

p1

p

p

2

q

R k -1

Q u

pk -1

pk z

pk

pk -1

Rk

R k -1

p k

z

pk

Rk

v

Wir bezeichnen mit U und V die Komponenten von C\|τ | mit p ∈ U, q ∈ V und zeigen als erstes: a) indτ (U ) = indτ (V ) ± 1, insbesondere also U ∩ V = ∅. Ist Q das Quadrat mit |π1 | als Seite, welches q enth¨alt, so sei γ ∈ {±∂Q} so gew¨ ahlt, dass −π1 Teilstrecke von γ ist (Figur links). Mit dem Hilfspolygon δ := [p1 uvp2 . . . pk p1 ] gilt dann indδ (z) = indτ (z) + indγ (z) f¨ ur alle z ∈ C\(|δ| ∪ [p1 , p2 ]). Da die Indexfunktion lokal konstant ist, gilt indδ (p) = indδ (q) wegen [p, q] ⊂ C\|δ|. Da indγ (p) = 0 und indγ (q) = ± 1, so folgt indτ (p) = indτ (q) ± 1 und damit a). – Wir bemerken als n¨ achstes: b) F¨ ur alle κ = 1, . . . , k gilt Rκ \|πκ | ⊂ U ∪ V . Jeder Punkt aus Rκ \|πκ | ist in C\|τ | durch einen Weg mit einem Punkt aus Rκ−1 \|πκ−1 | verbindbar, 2 ≤ κ ≤ k (die beiden m¨oglichen Situationen sind in den Figuren mitte und rechts dargestellt; da τ ein Treppenpolygon ist, so geh¨ oren die beiden von πκ−1 und πκ verschiedenen Teilstrecken des Gitternetzes, die sich in pκ treffen, nicht zu τ ). Damit folgt b) induktiv, da R1 \|π1 | ⊂ U ∪ V nach Wahl von U und V trivial ist. Nach diesen Vorbereitungen geht nun der Beweis des Lemmas schnell zu Ende. Sei w ∈ C\|τ | beliebig. Wir legen durch w eine Gerade g mit g ∩ |τ | = ∅, die keine Ecke pκ von τ trifft. Auf g gibt es einen w n¨achst gelegenen Punkt w ∈ |τ |. Da w kein Eckpunkt ist, liegt auf der Strecke [w, w ] ein Punkt eines Rechtecks Rκ . Da [w, w ] ⊂ C\|τ |, so folgt C\|τ | ⊂ U ∪ V auf Grund

12.4 Diskussion der Cauchyschen Integralformel f¨ ur Kompakta

283

von b). Die Gebiete U und V sind also die einzigen Komponenten von C\|τ |. Da U ∩ V = ∅ nach a), so folgt U = Int τ , V = Ext τ oder umgekehrt. In  beiden F¨ allen erh¨ alt man indτ (Int τ ) = ±1 wegen a). Bemerkung. Der Beweis l¨ asst sich so modifizieren, dass er f¨ ur alle einfach geschlossenen Polygone richtig bleibt, man kann auch leicht einsehen, dass das Polygon der ¨ gemeinsame Rand seines Inneren und Außeren ist. – Der mitgeteilte Beweis geht wohl auf A. Pringsheim zur¨ uck; [220, 41–43].

Mit Satz 12.4 und dem Lemma folgt nun Umlaufungssatz 12.17. Ist K ein Kompaktum in D, so gibt es zu jeder zusammenh¨angenden Teilmenge L von K einen geschlossenen Weg (Treppenpolygon) τ in D\K, so dass indτ (L) = 1. Beweis. Man w¨ ahle γ = τ 1 + · · · + τ m gem¨aß Satz 12.4. Sei c ∈ L. Da m  indτ μ (c), so gibt es ein k, so dass indτ k (c) = 0. Das 1 = indγ (c) = μ=1

Lemma liefert dann indτ (c) = 1 f¨ ur τ := τ k oder τ := −τ k . Wegen des  Zusammenhangs von L folgt indτ (L) = 1. Bemerkung. Man kann nicht stets Int τ ⊂ D erreichen, z. B. nicht im Falle L = K := ∂E und D := C× .

13. Runge-Theorie fu ¨ r Bereiche

Jede eindeutige analytische Function kann durch eine einzige unendliche Summe von rationalen Functionen in ihrem ganzen G¨ ultigkeitsbereich dargestellt werden (C. Runge, 1884). Wir u achst die im Kapitel 12 f¨ ur Kompakta gewonnenen Ap¨bertragen zun¨ proximationss¨ atze auf Bereiche. Wir stellen folgende Frage: Wann sind Bereiche D, D mit D ⊂ D ein Rungesches Paar, d.h. wann ist jede in D holomorphe Funktion in D kompakt approximierbar durch in D holomorphe Funktionen? Das Paar E× , C ist nicht Rungesch, da 1/z ∈ O(E× ) auf Kreisen um 0 nicht approximierbar ist. Es m¨ ussen topologische Bedingungen an die relative Lage von D in D gestellt werden. Ausgangspunkt ist jetzt folgender Approximationssatz von Runge 13.1. Jede in D holomorphe Funktion ist in D kompakt approximierbar durch in D polfreie rationale Funktionen (Theorem 13.2). Da sich wie bei Kompakta die Lage der Pole in C\D gut u ¨bersehen l¨asst, ¨ so folgt hieraus mit zus¨ atzlichen Uberlegungen: Genau dann bilden D, D ein Rungesches Paar, wenn der Raum D \D keine kompakte Komponente hat (Theorem 13.5). Hierin ist enthalten: Hat D kein Loch (= kompakte Komponente von C\D), so ist jede in D holomorphe Funktion in D kompakt durch Polynome approximierbar. Die Beweise werden in den Paragraphen 13.1 und 13.2 gef¨ uhrt. Sie bereiten keine funktionentheoretischen Schwierigkeiten, indessen sind topologische Hindernisse zu u ¨berwinden. Ein wichtiges Hilfsmittel ist ein im Anhang zu dieˇ sem Kapitel bewiesener Satz von Sura-Bura u ¨ber kompakte Komponenten lokal kompakter R¨ aume. Als Anwendung des Approximationssatzes geben wir in Abschnitt 13.1.3 einen kurzen Beweis des Hauptsatzes der Cauchyschen Funktionentheorie. Im Paragraphen 13.2 zeigen wir u.a., dass D, D genau dann ein Rungesches Paar bilden, wenn jeder Zyklus in D, der in D nullhomolog ist, bereits in D nullhomolog ist (Satz von Behnke-Stein). Im Paragraphen 13.3 f¨ uhren wir den Begriff der holomorph-konvexen H¨ ulle ein; dies f¨ uhrt zu einer weiteren Charakterisierung Rungescher Paare.

286

13 Runge-Theorie f¨ ur Bereiche

13.1 Die Rungeschen S¨ atze fu ¨r Bereiche Sind A , B Unteralgebren der C-Algebra aller in D stetigen, C-wertigen Funktionen und gilt A ⊂ B, so sagen wir, dass die Funktionenalgebra A dicht in B liegt, wenn jede Funktion aus B in D kompakt durch Funktionen aus A approximierbar ist, d. h. wenn zu jedem g ∈ B eine Folge fn ∈ A existiert, die in D kompakt gegen g konvergiert. Wir bemerken sofort: Eine Funktion g ∈ B ist in D kompakt durch Funktionen aus A approximierbar, wenn sie auf jedem Kompaktum von D gleichm¨ aßig durch Funktionen aus A approximierbar ist. Beweis. Jede Menge Kn := {z ∈ D : |z| ≤ n und d(z, ∂D) ≥ 1/n} ⊂ D, n ≥ 1, ist kompakt. W¨ ahle fn ∈ A , so dass |g − fn |Kn ≤ 1/n, n ≥ 1. Da Km ⊂ Kn f¨ ur m ≤ n, so gilt: |g − fn |Km ≤ |g − fn |Kn ≤

1 , 1≤m |h|M existiert. Das Theorem 12.11 besagt daher: Satz 13.10. Folgende Aussagen u aquivalent: ¨ber ein Kompaktum K in D sind ¨ i) ii) iii) iv)

bD . Es gilt K = K Der Raum D\K hat keine in D relativ-kompakte Komponente. Jede beschr¨ ankte Komponente von C\K enth¨ alt ein Loch von D. Die Algebra O(D) liegt dicht in O(K).

Beweis. Zum Beweis ist nur zu bemerken, dass eine beschr¨ ankte Komponente von C\K genau dann ein Loch von D enth¨ alt, wenn sie C\D trifft.  ¨ Mit der Aquivalenz i) ⇔ iii) gewinnt man sofort folgende Pr¨ azisierung von 13.1.1 (1): Zu jedem Kompaktum K in D gibt es ein kleinstes Kompaktum K1 ⊃ K in b D , so dass jede beschr¨ ankte Komponente von C\K1 ein Loch von D D, n¨ amlich K enth¨ alt. Die Implikation i) ⇒ ii) l¨ asst sich wie folgt verallgemeinern. b D die Vereinigung von K mit all den (4) F¨ ur jedes Kompaktum K in D ist K Komponenten von D\K, die relativ-kompakt in D liegen. Beweis. Es bezeichne A die Vereinigung aller in D relativ-kompakten Komponenten von D\K; mit B sei die Vereinigung aller restlichen Komponenten von D\K bezeichnet. Da jede Komponente ein Gebiet ist, so gilt: A, B sind offen in D , D\K = A ∪ B , A ∩ B = ∅ . cD . Daher gilt bD ⊂ M Wir setzen M := K ∪ A. Mit 12.2.3 (1) und (1) folgt M ⊂ K b D , wenn M = M cD . Da D\M = B offen ist, so ist M abgeschlossen in D M = K b D nach (3) kompakt ist. Da nach Definition von B keine und also kompakt, da K cD aus dem Satz. Komponente von D\M relativ-kompakt in D liegt, so folgt M = M b D werden also die L¨ ¨ Durch Ubergang von K zu K ocher von D aufgef¨ ullt“. Die durch ” (4) gegebene rein topologische Beschreibung holomorph-konvexer H¨ ullen wird in der b D benutzt, vgl. [181, S. 112–113] und [71, Literatur gelegentlich zur Definition von K S. 204]. ¨ Durch einfache Uberlegung l¨ asst sich noch zeigen, vgl. [181, S. 112–113]. b D , so hat C\K nur endlich viele Komponenten. Falls K = K Der Begriff der holomorph-konvexen H¨ ulle stammt aus der Funktionentheorie mehrerer Ver¨ anderlichen, er wurde in den dreißiger Jahren gepr¨ agt, vgl. [11, Kapitel VI] und dort den Anhang von O. Forster. F¨ ur Bereiche D in Cn , n > 1, ist die b D eines Kompaktums K ⊂ D, die w¨ ortlich so wie oben definiert, i. a. nicht H¨ ulle K mehr kompakt. Es gilt: Ein Gebiet G im Cn , 1 ≤ n < ∞, ist genau dann ein Holomorphiegebiet, wenn b G lauter kompakte f¨ ur jedes Kompaktum K ⊂ G die holomorph-konvexe H¨ ulle K Komponenten hat (schwache Holomorphie-Konvexit¨ at von G); das trifft genau dann b G immer kompakt ist (Holomorphie-Konvexit¨ at von G). zu, wenn K

298

13 Runge-Theorie f¨ ur Bereiche

13.3.2 Charakterisierung Rungescher Paare mittels holomorphkonvexer H¨ ullen. Folgende Aussagen u¨ber Bereiche D, D mit D ⊂ D sind aquivalent: ¨ i) ii) iii) iv)

D, D ist ein Rungesches Paar. bD . b D = K F¨ ur jedes Kompaktum K ⊂ D gilt K bD . b D = K F¨ ur jedes Kompaktum K ⊂ D gilt D ∩ K b F¨ ur jedes Kompaktum K ⊂ D ist D ∩ KD kompakt.

Beweis. Wir schließen nach folgendem Schema w i) ~ w w ­ w ii) ⇒ iii) ⇒ iv) ⇒ ii) . Die Implikationen ii) ⇒ iii) ⇒ iv) sind klar, letztere wegen 13.3.1 (3). bD ⊂ K b D und K b D ⊂ D, so ist nur D ∩ K b D ⊂ K b D zu zeigen, i) ⇒ iii). Da K b b b oder ¨ aquivalent dazu: D\KD ⊂ D\KD . Sei c ∈ D\KD . Nach 13.3.1 (2) gibt es ein aßig durch Funktionen h ∈ O(D) mit |h|K < 1 < |h(c)|. Da h auf K ∪ {c} gleichm¨ aus O(D ) approximierbar ist, gibt es ein g ∈ O(D ) mit |g|K < 1 < |g(c)|. Aus 1(2) b D . folgt c ∈ /K b D ist auch K  := (C\D) ∩ K b D als iv) ⇒ i) und ii). Neben K  := D ∩ K Durchschnitt einer abgeschlossenen Menge mit einem Kompaktum kompakt. Sei f ∈ O(D) beliebig. Da K  ∩ K  = ∅, so wird durch h(z) := f (z) f¨ ur z ∈ K  und h(z) := 2 f¨ ur z ∈ K  b D = K  ∪ K  , so ist h nach eine Funktion h ∈ O(K  ∪ K  ) definiert. Da K  b aßig durch Funktionen aus O(D ) Satz 1 – angewendet auf KD in D – gleichm¨ ahlt man speziell f = 0, so folgt die approximierbar. Das beweist i), da K ⊂ K  . W¨ ur alle w ∈ K  . Hieraus Existenz einer Funktion g ∈ O(D ) mit |g|K < 1 < |g(w)| f¨  b D einstellt. Es / K folgt K = ∅, da sich sonst mit 13.3.1 (2) der Widerspruch w ∈ b D . Da mit i) nach dem schon Bewiesenen auch iii) zutrifft, b D = D ∩ K gilt also K b D = K b D . bD = D ∩ K  so sehen wir K Der Satz gilt w¨ ortlich auch f¨ ur Bereiche im Cn , 1 ≤ n < ∞, wenn man D  und D als Holomorphiebereiche voraussetzt, vgl. [122, S. 91]. Eine rein topologische Charakterisierung Rungescher Paare – etwa in Analogie zum Satz von BehnkeStein – ist im Fall n > 1 nicht mehr m¨ oglich; vgl. hierzu den Anhang von O. Forster zum Kapitel VI in [11], wo allgemein Rungesche Paare von Steinschen R¨ aumen betrachtet werden. Jeder Menge M in C ordnet man ihre polynom-konvexe H¨ ulle ur alle Polynome p} M  := {z ∈ C : |p(z)| ≤ |p|M f¨  c zu; es gilt M = MC . Ein Bereich D in C heißt polynom-konvex, wenn f¨ ur jedes Kompaktum K ⊂ D die (kompakte) Menge K  in D liegt. Im Satz ist enthalten: Ein Bereich in C ist genau dann Rungesch, wenn er polynom-konvex ist. ¨ Auch diese Aquivalenz bleibt richtig f¨ ur Gebiete im Cn .

ˇ 13.4 Anhang: Komponenten lokal kompakter R¨ aume. Satz von Sura-Bura

299

¨ 13.4 Anhang: Uber Komponenten lokal kompakter ˇ R¨ aume. Satz von Sura-Bura Das Theorem 13.5 besagt speziell, dass ein Restraum D \D genau dann kompakte Zusammenhangskomponenten hat, wenn in ihm nicht-leere offene Kompakta existieren. Dies ist ein Satz der mengentheoretischen Topologie (der sich nicht in den g¨ angigen Lehrb¨ uchern findet); wir beweisen ihn hier in einer allgemeineren Situation, vgl. Satz aus 13.4.2 und Korollar 13.4.2 – Mit X wird stets ein topologischer Raum bezeichnet.

13.4.1 Komponenten.

Wir betrachten zusammenh¨ angende Teilr¨ aume von X; jeder einpunktige Teilraum {x}, x ∈ X, h¨ angt zusammen. Ist Aι , ι ∈ J, eine Familie zusammenh¨ angender Teilr¨ aume von X, die zuSje zweien einen nichtleeren Durchschnitt haben, so h¨ angt der Vereinigungsraum Aι zusammen. Daher ist die Vereinigung aller zusammenh¨ angenden Teilr¨ aume von X, die einen fixierten Punkt enthalten, ein maximaler zusammenh¨ angender Teilraum von X. Jeder solche Teilraum heißt eine Komponente – genauer: eine Zusammenhangskomponente – von X.

(1) Verschiedene Komponenten von X sind disjunkt. Jede Komponente von X ist abgeschlossen in X. Die letzte Aussage folgt, da mit A auch der Abschluss A von A in X zusammenh¨ angt. – Komponenten von X sind i. a. nicht offen in X. (2) Jeder zugleich offene und abgeschlossene Teilraum von X ist die Vereinigung von Komponenten von X. Beispiele. 1) Sei X := Q ⊂ R, versehen mit der Relativtopologie. Die Komponenten sind die Punkte von X; keine Komponente von X ist offen, es gibt in X keine offenen Kompakta = ∅. 2) Sei X := {0, 1, 1/2, . . . , 1/n, . . . } ⊂ R, versehen mit de Relativtopologie. Die Komponenten von X sind die Punkte von X, jede Komponente = {0} ist offen in X. Die Komponente {0} ist der Durchschnitt aller sie umfassenden offenen Kompakta von X. 3) Sei X eine Cantor-Menge in [0,1]. Die Komponenten sind die Punkte von X; keine Komponente von X ist offen; es gibt in X offene Kompakta = ∅. 4) F¨ ur Bereiche D ⊂ D ⊂ C ist der Restraum D \D lokal kompakt. Im Falle ahlbar viele kompakte Komponenten, D := D \Cantor-Menge hat D \D u ¨berabz¨ keine Vereinigung von D mit endlich vielen dieser Komponenten ist ein Bereich. In 13.1.2 wurde benutzt: (3) Ist D ein Gebiet, so trifft jede Komponente Z von D \D den Rand von D. Beweis. Seien a ∈ Z, b ∈ D und γ ein Weg in D von a nach b. Auf γ liegt ein erster“ Punkt c ∈ ∂D. Da Z zusammenh¨ angt und der Teilweg γ b von a nach c in ” auft, so gilt |b γ | ⊂ Z, also c ∈ Z.  D \D verl¨

300

13 Runge-Theorie f¨ ur Bereiche

13.4.2 Existenz offener Kompakta. Jede kompakte Komponente A eines lokal kompakten (hausdorffschen) Raumes X hat eine Umgebungsbasis in X, deren Mengen in X offene Kompakta sind. ˇ Dieser Satz wurde 1941 von M. Sura-Bura f¨ ur (bi)kompakte R¨aume bewiesen, vgl. [257]. Implizit findet man den Satz bei N. Bourbaki, vgl. [30, S. 225] Corollaire nebst Beweis. Die Bedeutung des Satzes f¨ ur die Funktionentheorie hat R.B. Burckel herausgestellt, vgl. [31]. Wir beweisen den ˇ Satz von Sura-Bura im Abschnitt 13.4.4 und ziehen hier und im Abschnitt 13.4.3 zun¨ achst einige Folgerungen. Da offene Kompakta nach 13.3.1 (2) stets die Vereinigung von kompakten Komponenten sind, so folgt: Korollar 1. Ein lokal kompakter Raum X hat genau dann kompakte Komponenten, wenn es in X nicht leere offene Kompakta gibt. Die Vereinigung aller kompakten Komponenten von X stimmt mit der Vereinigung aller offenen Kompakta von X u ¨berein und ist insbesondere offen in X. ¨ Hierin ist die Aquivalenzaussage i) ⇔ iv) von Theorem 13.5 enthalten. Korollar 2. Hat der lokal kompakte Raum X nur endlich viele kompakte Komponenten, so ist jede dieser Komponenten offen in X. Beweis. Sei A eine kompakte Komponente von X. Sind A1 , . . . , Ak die u ¨brigen kompakten Komponenten, so ist U := X\(A1 ∪ · · · ∪ Ak ) eine Umgebung von A, die keine andere kompakte Komponente von X trifft. Nach dem Satz gibt es ein in X offenes Kompaktum B mit A ⊂ B ⊂ U . Da B die Vereinigung kompakter Komponenten ist, folgt A = B.  Korollar 3. Es sei X ein zusammenh¨ angender, mehrpunktiger kompakter Raum, es sei p ∈ X ein Punkt. Dann ist p ein H¨ aufungspunkt jeder Komponente von X\p. Beweis. Es sei A eine Komponente von X\p. Da A abgeschlossen in X\p ist, so w¨ are A im Fall p ∈ / A auch abgeschlossen in X und also kompakt. Da X\p lokal kompakt ist, g¨ abe es ein in X\p offenes Kompaktum B ⊃ A. Dann h¨ angt X aber nicht zusammen, da X = B ∪ (X\B) mit nicht leeren, in X abgeschlossenen Mengen. 

ˇ 13.4.3 Auff¨ ullungen. Wir wenden den Satz von Sura-Bura auf den Rest  raum D \D zweier Bereiche D ⊂ D ⊂ C an, (vgl. Beispiel in 13.1.4). Wir bemerken vorab: (1) Ist M offen in D \D, so ist D ∪ M ein Teilbereich von D . Ist M zus¨ atzlich eine Vereinigung von Komponenten von D \D, so sind die Komponenten von D \(D ∪ M ) genau die Komponenten von D \D, die nicht in M liegen.

ˇ 13.4 Anhang: Komponenten lokal kompakter R¨ aume. Satz von Sura-Bura

301

Zum Beweis ist nur zu zeigen, dass D ∪ M offen in D ist. Da es eine in D offene Menge U mit M = (D \D) ∩ U gibt, so folgt: 

D ∪ M = D ∪ [(D \D) ∩ U ] = D ∪ (U \D) = D ∪ U .



Eine wichtige Anwendung von (1) und des Korollars 13.4.2 haben wir bereits in 13.2.2 (1) gegeben. Hier notieren wir noch: (2) Hat D \D genau n kompakte Komponenten L1 , . . . , Ln , 1 ≤ n < ∞, so ist D ∪ L1 ein Teilbereich von D ; der Raum D \(D ∪ L1 ) hat genau die (n − 1) kompakten Komponenten L2 , . . . , Ln . (3) Ist L ein kompakte Komponente von C\D (Loch von D) und N abgeschlossen in C und gilt L ∩ N = ∅, so existiert ein Kompaktum K in C\D mit L ⊂ K ⊂ C\N , so dass D ∪ K ein Bereich in C ist. Beweis. (2) ist klar wegen (1) und Korollar 13.4.2 – ad(3). Da (C\N )∩(C\D) ˇ eine Umgebung von L in C\D ist, gibt es nach Sura-Bura ein in C\D offenes Kompaktum K mit L ⊂ K ⊂ C\N . Nach (1) ist D ∪ K dann ein Bereich.  Die Aussage (3) wird in 14.1.3 ben¨ otigt.

ˇ 13.4.4 Beweis des Satzes von Sura-Bura. Wir reduzieren die Behauptung zun¨ achst auf den kompakten Fall. Sei der Satz also f¨ ur kompakte R¨ aume bewiesen. Es sei U irgendeine Umgebung von A in X. Da X lokal kompakt ist, gibt es eine offene Umgebung V von A in X, deren H¨ ulle V ein Kompaktum von U ist. Nun ist A auch eine Komponente des Raumes V (jeder zusammenh¨ angende Teilraum von V h¨angt auch als Teilraum von X zusammen). Nach Annahme gibt es ein in V offenes Kompaktum B mit A ⊂ B ⊂ V . Dann ist B auch offen in V und also auch in X. Daher ist B ein in X offenes Kompaktum mit A ⊂ B ⊂ U .  Der Reduktionsschritt l¨ asst sich bequemer durchf¨ uhren, wenn man von X zur Alexandroff-Kompaktifizierung X ∪ {∞} u ¨bergeht.

Sei nun X kompakt. Ist A irgendein Kompaktum in X, so bezeichnen wir mit F die Familie aller in X offenen Kompakta F mit F ⊃ A. Es gilt X ∈ F . Der Durchschnitt B aller Mengen aus F ist kompakt und umfasst A.

302

13 Runge-Theorie f¨ ur Bereiche

(◦) Jede in X offene Menge U ⊃ B enth¨ alt eine Menge aus F . 4 Beweis. Es gilt (X\U ) ∩ F = ∅. Da X\U kompakt ist, gibt es endlich F ∈F

viele Mengen F1 , . . . , Fp ∈ F , so dass (X\U ) ∩

p 4 j=1

geh¨ ort, ist (◦) bewiesen.

Fj = ∅.

1

Da

p 4

Fj zu F

j=1



Wir beweisen nun die Aussage aus 13.4.2 f¨ ur kompakte R¨aume X. Sei also A eine kompakte Komponente von X. Wir behalten die vorangehenden Bezeichnungen bei. Beweisen wir, dass B zusammenh¨angt, so folgt A = B aus A ⊂ B, da A ein maximaler zusammenh¨ angender Teilraum von X ist. Es gen¨ ugt daher, folgendes zu zeigen: Gilt B = B1 ∪ B2 mit disjunkten, in X abgeschlossenen Mengen B1 , B2 , so ist B1 oder B2 leer. Aus A = (B1 ∩ A) ∪ (B2 ∩ A) und dem Zusammenhang von A folgt A = B1 ∩ A oder A = B2 ∩ A. Sei etwa A ⊂ B1 . Da B1 , B2 disjunkte Kompakta sind, gibt es in X offene Mengen V1 , V2 mit B1 ⊂ V1 , B2 ⊂ V2 und V1 ∩V2 = ∅. Da B ⊂ V1 ∪ V2 , so gibt es nach (◦) ein F ∈ F mit B ⊂ F ⊂ V1 ∪ V2 . Nun gilt (!) F ∩ (X\V2 ) = F ∩ V1 =: W . Mithin ist W ein in X offenes Kompaktum, denn F und V1 sind offen und F und X\V2 sind kompakt. Da A ⊂ W wegen A ⊂ B ⊂ F und A ⊂ B1 ⊂ V1 , so folgt W ∈ F und B ⊂ W ⊂ V1 . Dann ist B ∩ V2 leer, womit B2 = ∅ folgt. Damit ist die Aussage 13.4.2 bewiesen.

1

Wir benutzen hier folgende Hilfsaussage: Ist X T kompakt und ist N ein System von abgeschlossenen TeilmenN = ∅, so gibt es endlich viele Mengen N1 , . . . , Np ∈ N , so gen von X mit dass

p T

N ∈N

Nj = ∅.

j=1

¨ Zum Beweis bemerkt man, dass die offene Uberdeckung {X\N }N ∈N von X ei¨ ne endliche Uberdeckung enth¨ alt. – Wir wenden die Hilfsaussage auf die Familie F ∪ {X\U } an.

14. Invarianz der L¨ ocherzahl

Ist es anschaulich klar, dass biholomorph (allgemeiner: topologisch) ¨aquivalente Gebiete gleich viele L¨ ocher haben? Es gibt keinen direkten Beweis f¨ ur diesen Invarianzsatz. Die Eigenschaft gleich viele L¨ocher haben“ wird durch ” die Lage von G in C definiert und ist zun¨ achst keine Invariante von G. Um die Invarianz der L¨ ocherzahl nachzuweisen, ordnen wir jedem Gebiet in C seine (erste) Homologiegruppe zu. Der Rang dieser Gruppe, die sog. Betti-Zahl von G, ist eine biholomorphe (sogar topologische) Invariante des Gebietes. Die Invarianz der L¨ ocherzahl folgt nun aus der Gleichung L¨ ocherzahl von G = Betti-Zahl von G. Den Beweis f¨ uhren wir in 14.2.2 mit Hilfe von speziellen, sog. orthonormalen Familien von Wegen. Die (anschaulich klare) Existenz solcher Wegeˇ Familien gewinnen wir in 14.1.3. mit Hilfe des Satzes von Sura-Bura und des Umlaufungssatzes 12.17.

14.1 Homologietheorie. Trennungslemma Im Abschnitt 14.1.1 ordnen wir jedem Bereich in C die (erste) Homologiegruppe (mit Koeffizienten im Ring Z der ganzen Zahlen) zu. Im Abschnitt 14.1.2 zeigen wir u.a., dass biholomorph ¨ aquivalente Bereiche isomorphe Homologiegruppen haben. Im Abschnitt 14.1.3 pr¨azisieren wir die Vorstellung, dass sich L¨ ocher in Bereichen stets durch umlaufende Wege trennen“ lassen. ” – Mit U, V, W werden Bereiche in C bezeichnet. 14.1.1 Homologiegruppen. Betti-Zahl. (1)

Die Menge Z(U ) aller Zyklen

γ = a1 γ1 + · · · + an γn , aν ∈ Z, γν geschlossener Weg in U , n ∈ N\{0},

in U bildet bez¨ uglich (nat¨ urlicher) Addition eine freie abelsche Gruppe mit den geschlossenen Wegen als Basis. Jeder Zyklus (1) definiert die C-Linearform  (2) γ : O(U ) → C, f → γ(f ) := f dζ. γ

Auf Grund von Satz 13.4 gilt (3)

Ein Zyklus γ ∈ Z(U ) ist genau dann nullhomolog in U , wenn γ = 0.

304

14 Invarianz der L¨ ocherzahl

Nullhomologie und L¨ ocher stehen zueinander in folgender Beziehung: (4) Ein Zyklus γ in U ist genau dann nullhomolog in U , wenn die Indexfunktion indγ auf jedem Loch L von U identisch verschwindet. Beweis. Es gilt Int γ ⊂ U genau dann, wenn indγ (C\U ) = 0. Da indγ stets auf allen unbeschr¨ ankten Komponenten von C\U verschwindet, so folgt (4). Die Menge der durch (2) definierten C-Linearformen H(U ) := {γ : γ ∈ Z(U )} ist eine Untergruppe des C-Vektorraumes aller C-Linearformen auf O(U ). Wir nennen H(U ) die (erste) Homologiegruppe von U (mit Koeffizienten in Z). Es gilt H(U ) = 0 genau dann, wenn U homologisch einfach zusammenh¨angt. Wegen (3) ist klar: (5) Die Abbildung Z(U ) → H(U ), γ → γ, ist ein GruppenEpimorphismus mit der Gruppe B(U ) := {γ ∈ Z(U ) : Int γ ⊂ U } als Kern, sie induziert einen Gruppen-Isomorphismus ∼

Z(U )/B(U ) → H(U ) .

(14.1)

Die linke Seite von (14.1) gibt eine topologische Beschreibung von H(U ). In der algebraischen Topologie heißen in U nullhomologe Zyklen R¨ ander in U (anschaulich: γ berandet“ die in U liegende Fl¨ ache Int γ). Zwei Zyklen γ, γ  in U heißen homolog ” in U , wenn γ − γ  ein Rand in U ist, d. h. wenn γ = γ  . Homolog sein“ ist eine ” ¨ Aquivalenzrelation. Die Menge aller zu γ homologen Zyklen ist die Homologieklasse γ ∈ H(U ).

Die abelsche Gruppe H(U ) hat einen wohlbestimmten Rang b(U )(= Maximalzahl von Z-linear unabh¨ angigen Elementen in H(U )). Dieser Rang b(U ) heißt die (erste) Betti -Zahl von U . Es l¨ asst sich zeigen, dass H(U ) stets eine freie abelsche Gruppe von h¨ ochstens abz¨ ahlbar unendlichem Rang b(U ) ist.

Der Vektorraum O (U ) aller Ableitungen f  , f ∈ O(U ), wird durch (6)

O (U ) = {f ∈ O(U ) : γ(f ) = 0 f¨ ur alle γ ∈ H(U )}

homologisch charakterisiert.

14.1 Homologietheorie. Trennungslemma

305

14.1.2 Induzierte Homomorphismen. Nat¨ urliche Eigenschaften. Jede holomorphe Abbildung h : U → V induziert den Gruppen-Homomorphismus h : Z(U ) → Z(V ), γ =



aν γν → h ◦ γ :=



aν (h ◦ γν ) .

Aus Linearit¨ atsgr¨ unden gilt auch f¨ ur Zyklen die Substitutionsregel: h ◦ γ(f ) = γ((f ◦ h) · h ) f¨ ur alle γ ∈ Z(U ), f ∈ O(V ) Man sieht: Sind γ1 , γ2 ∈ Z(U ) homolog, so sind h(γ1 ), h(γ2 ) ∈ Z(V ) homolog. Daher induziert h einen Homomorphismus 1 h : H(U ) → H(V ) der ¨ Homologiegruppen, genauer gilt (senkrechte Pfeile bedeuten Ubergang zu Homologieklassen): Satz 14.1. Zu h existiert genau eine Abbildung 1 h : H(U ) → H(V ), die das Diagramm h Z(U ) −→ Z(V ) ⏐ ⏐ ⏐ ⏐ 9 9 e h

H(U ) −→ H(V ) kommutativ macht. Die Abbildung 1 h ist ein Gruppen-Homomorphismus, es gilt: (1)

1 ur alle γ ∈ Z(U ) . h(γ) = h ◦ γ f¨

Beweis. Nach dem oben Gesagten wird durch (1) eine Abbildung H(U ) → H(V ) definiert, die ersichtlich additiv ist. Offensichtlich ist dies die einzige Abbildung, die das Diagramm kommutativ macht.  Die Zuordnung h  1 h hat folgende nat¨ urliche“ Eigenschaften: ” 1 (2) F¨ ur id : U → U ist id : H(U ) → H(U ) die identische Abbildung. Sind h : U → V und g : V → W holomorph, so gilt g: ◦ h = g1 ◦ 1 h. 1 = id ◦ γ = γ wegen (1). Die zweite Beweis. Die erste Aussage gilt, da id(γ) Aussage trifft zu, da wegen (1) f¨ ur alle γ ∈ Z(U ) gilt: (g ◦ h)(γ) = (g ◦ h) ◦ γ und (1 g◦1 h)(γ) = g1(h ◦ γ) = g ◦ (h ◦ γ) .



Nun ergibt sich unmittelbar: ∼ Invarianzsatz 14.2. Ist h : U −→ V biholomorph, so ist 1 h : H(U ) → H(V ) ein Isomorphismus. Speziell haben U und V gleiche Betti-Zahlen.

306

14 Invarianz der L¨ ocherzahl

Beweis. Klar mit (2) f¨ ur g := h−1 , da g ◦ h = idU und h ◦ g = idV .



Der Invarianzsatz verfeinert die Aussage, dass bei einer biholomorphen ∼ Abbildung h : U → V ein Zyklus γ in U genau dann nullhomolog in U ist, wenn sein Bildzyklus h ◦ γ nullhomolog in V ist. Bemerkung. Wir haben – in moderner Terminologie – gezeigt:

Die Zuordnungen U  H(U ) und h  1 h sind ein kovarianter Funktor der Kategorie aller Bereiche in C (mit den holomorphen Abbildungen als Morphismen) in die Kategorie der abelschen Gruppen (mit den GruppenHomomorphismen als Morphismen). Die Homomorphismen e h lassen sich f¨ ur alle stetigen Abbildungen h : U → V definieren. Dabei bleibt die funktorielle Eigenschaft (2) erhalten; der Invarianzsatz ∼ gilt daher f¨ ur alle Hom¨ oomorphismen U → V .

14.1.3 Trennung von L¨ ochern durch geschlossene Wege. Wir notieren vorab: ocher eines Gebietes G. Dann (1) Es seien L1 , L2 . . . , Ln endliche viele L¨ gibt es in C eine abgeschlossene, unbeschr¨ ankte, zusammenh¨angende Menge ocher L2 , . . . , Ln umfasst. N , die L1 nicht trifft und alle u ¨brigen L¨ Beweis. Sei p ∈ G fixiert. Zu jeder Komponente M = L1 von C\G gibt es in C\L1 Wege von p zu Punkten von M ∩ ∂G (es gibt ein q ∈ M ∩ ∂G, vgl. Beispiel 4) auf Seite 299 und dazu eine Strecke [q, q ] ⊂ C\L1 mit q ∈ G). Wir bestimmen zu L2 , L3 , . . . Ln solche Wege γ2 , γ3 , . . . , γn und setzen N  := L2 ∪ |γ2 | ∪ L3 ∪ |γ3 | ∪ · · · ∪ Ln ∪ |γn |. Wir w¨ahlen weiter eine Halbgerade σ in C\L1 mit Anfangspunkt w ∈ G und in G einen Weg σ von p nach w.  Dann ist N := |σ| ∪ |δ| ∪ N  eine gesuchte Menge. Mit Hilfe von (1), 13.4.3 (3) und des Umlaufungssatzes 12.17 folgt nun das anschaulich klare ocher eines GeTrennungslemma. Es seien L1 , L2 , . . . , Ln endlich viele L¨ bietes G. Dann existieren geschlossene Wege γ1 , . . . , γn in G, so dass gilt: ⎧ ur μ = ν ⎨ 0 f¨ (Orthonormalit¨ atsrelationen). indγμ (Lν ) = δμν = ⎩ 1 f¨ ur μ = ν Beweis. Es gen¨ ugt, den Weg γ1 zu konstruieren. Wir w¨ahlen N gem¨aß (1). Wegen N ∩ L1 = ∅ gibt es nach 13.4.3 (3) ein Kompaktum K ⊂ C\G mit L1 ⊂ K ⊂ C\N , so dass G ∪ K offen in C ist. Das Kompaktum K liegt im Bereich D := (G ∪ K)\N . Da L1 ⊂ K, so gibt es nach dem Umlaufungssatz 12.15 einen geschlossenen Weg γ1 in D\K ⊂ G mit indγ1 (L1 ) = 1. Da

14.2 Invarianz der L¨ ocherzahl. Produktsatz f¨ ur Einheiten

307

|γ1 | ∩ N = ∅ und da N unbeschr¨ ankt und zusammenh¨ angend ist, so gilt ur ν > 1.  indγ1 (N ) = 0. Da L2 ∪ · · · ∪ Ln ⊂ N , so folgt indγ1 (Lν ) = 0 f¨ Das Trennungslemma findet sich in der Lehrbuchliteratur wohl erstmals bei S. Saks und A. Zygmund, vgl. [240, S. 209]. Das Lemma schließt nicht aus, dass im Innern des Weges γν noch andere L¨ocher = Lν von G liegen. Gibt es z.B. im L¨ ocherraum zu G eine Cantor-Menge C, so enth¨alt jeder Weg in G der ein Loch aus C umschließt, u ¨berabz¨ahlbar viele weitere L¨ocher aus C in seinem Inneren.

14.2 Invarianz der L¨ ocherzahl. Produktsatz fu ¨r Einheiten In den Abschnitten 14.2.1 und 14.2.2 werden die Homologiegruppe H(G) und der C-Vektorraum O(G)/O (G) eines beliebigen Gebietes G untersucht; dabei ergibt sich u.a. die Gleichheit von Betti-Zahl b(G) und L¨ocherzahl. Im Abschnitt 14.2.3 werden die multiplikative Gruppe O(G)× aller Einheiten von O(G) und ihre Untergruppe exp O(G) studiert; dabei zeigt sich u.a., dass in Gebieten mit endlich vielen L¨ ochern zu jeder Funktion f ∈ O(G)× eine rationale Funktion q mit q|G ∈ O(G)× existiert, so dass qf in G einen holomorphen Logarithmus hat (Produktsatz). 14.2.1 Zur Struktur der Homologiegruppe. Sind L1 , . . . , Ln verschiedene L¨ ocher in G und bilden γ1 , . . . , γn eine zugeh¨orige orthonormale Familie von Wegen (gem¨ aß des Trennungslemmas 14.1.3), so betrachten wir die beiden Abbildungen n  indγ (Lν )γ ν , ε : H(G) → H(G), γ → ν=1

η : O(G) → Cn , f → γ 1 (f ), . . . , γ n (f ); die erste ist Z-linear (Additivit¨ at des Index!), die zweite ist C-linear. Lemma 14.3. Es gilt H(G) = Kernε ⊕ Bildε. Die Elemente γ 1 , . . . , γ n biln  den eine Basis von Bildε, f¨ ur jedes γ ∈ Bildε gilt γ = indγ (Lν )γ ν . Die Abbildung η ist surjektiv, es gilt O (G) ⊂ Kernη.

ν=1

Beweis. a) Da ε(γ μ ) = γ μ wegen der Orthonormalit¨at der γ 1 , . . . , γ n , so gilt n  ε2 = ε (Projektion) und damit H(G) = Kern ε ⊕ Bild ε. Sei aν γ ν = 0, ν=1

aν ∈ Z. Anwendung dieser Linearform auf eine Funktion (z − c)−1 ∈ O(G) ur alle μ. Mithin bilden γ 1 , . . . , γ n eine Basis von mit c ∈ Lμ gibt aμ = 0 f¨ Bild ε. b) Wegen 14.1.1 gilt: O (G) ⊂ Kern η. Da η((z − c)−1 ), c ∈ Lν , der ν-te  Einheitsvektor (0, . . . , 1, . . . , 0) ∈ Cn ist, so ist η auch surjektiv.

308

14 Invarianz der L¨ ocherzahl

Es folgt nun schnell: Satz 14.4. Hat G genau n verschiedene L¨ ocher L1 , . . . , Ln , n ∈ N, und ist γ1 , . . . , γn eine zu diesen L¨ochern orthonormale Wegefamilie in G, so gilt: 1) γ 1 , . . . , γ n ist eine Basis der Gruppe H(G) , man hat  γ= indγ (Lν )γ ν , f¨ ur jede Homologieklasse γ ∈ H(G) . 2) η : O(G) → Cn induziert einen C-Vektorraum-Isomorphismus ∼

O(G)/O (G) → Cn . Beweis. Auf Grund des Lemmas gen¨ ugt es zu zeigen: Kern ε = 0 und Kern η = O (G). ur ν = 1, . . . , n} nach dem Lemma, 1) Da Kern ε = {γ : indγ (Lν ) = 0 f¨ ocher von G sind, so folgt Kern ε = 0 mit 14.1.1 (3) und da L1 , . . . , Ln alle L¨ und (4). ur alle γ ∈ 2) Auf Grund von 1) gilt Kern η = {f ∈ O(G) : γ(f ) = 0 f¨  H(G)}. Mit 14.1.1 (6) folgt Kern η = O (G). Im Satz ist speziell enthalten: Ist A ein Kreisring mit Loch L und Γ ⊂ A ein Kreis um L, so gilt H(A) = ZΓ und γ = indγ (L)Γ f¨ ur alle γ ∈ H(A) . 14.2.2 L¨ ocherzahl und Betti-Zahl. Ein Gebiet G heißt (n + 1)-fach zusammenh¨ angend, 0 ≤ n ≤ ∞, wenn es genau n verschiedene L¨ocher hat (wir unterscheiden nicht zwischen unendlich großen Kardinalzahlen). Einfach zusammenh¨ angende Gebiete sind nach 13.2.4 gerade die Gebiete ohne L¨ ocher ; zweifach zusammenh¨ angende Gebiete sind z.B. alle Kreisringe, vgl. hierzu Abschnitt 14.2.3. Wir zeigen dort, dass die Anzahl der L¨ ocher von G eine Invariante und also ein Maß f¨ ur die Art des inneren Zusammenhangs von G ist. Mit den bisher gewonnenen Einsichten in die Struktur von H(G) und O(G) und O(G)/O (G) folgt sofort: Satz 14.5. F¨ ur jedes (n + 1)-fach zusammenh¨ angende Gebiet G gilt: 1) Falls n ∈ N, so sind die Gruppen H(G) und Zn sowie die CVektorr¨ aume O(G)/O (G) und Cn isomorph; speziell ist b(G) = n. 2) Falls n = ∞, so gilt b(G) = ∞ = dimC O(G)/O (G)

14.2 Invarianz der L¨ ocherzahl. Produktsatz f¨ ur Einheiten

309

Beweis. ad 1). Folgt direkt aus Satz 14.4. ad 2). Zu jedem k ∈N gibt es k verschiedene L¨ocher in G. Nach Lemma 14.3 – enth¨ alt H(G) dann eine zu Zk isomorphe Untergruppe (n¨amlich Bild ε), – gibt es einen C-Epimorphismus O(G)/O (G) → Ck (induziert von η). Der Rang von H(G) und die Dimension von O(G)/O (G) sind also mindestens gleich k.  Wir haben speziell die Gleichungen Betti-Zahl von G = L¨ ocherzahl von G = dimC O(G)/O (G) . Da Betti-Zahlen nach 14.1.2 biholomorphe Invarianten sind, so folgt die Invarianz der L¨ ocherzahl. Biholomorph ¨ aquivalente Gebiete in C haben gleich viele L¨ ocher. Die Invarianz folgt auch aus der rechten Gleichung, da f¨ ur jede biholomor∼ phe Abbildung h : G → G1 die Abbildung O(G1 ) → O(G), f → (f ◦ h)h ein C-Vektorraum-Isomorphismus ist, der O (G1 ) auf O (G) abbildet, (vgl. Aufg. I.9.4.4). Ausblick. Die topologische Invarianz der L¨ ocherzahl ist enthalten in einem allgemeinen (recht tief liegenden) Dualit¨ atssatz der algebraischen Topologie f¨ ur Kompakta in orientierten Mannigfaltigkeiten. Bezeichnet G ein Gebiet in der 2-dimensionalen Sph¨ are S 2 := C ∪ {∞}, so gilt ∼

H2 (S 2 , G; Q) → H 0 (S 2 \G; Q) , wo links die 2. Homologiegruppe des Paares S 2 , G mit Koeffizienten in Q steht und die rechts auftretende 0-te Homologiegruppe isomorph zur Gruppe der lokal konstanten Funktionen S 2 \G → Q ist (siehe z. B. E.H. Spanier: Algebraic Topology, McGraw-Hill und Springer 1966): Im Theorem 17 auf S. 296 setze man X : S 2 := C ∪ {∞}, A := S 2 \G, B := ∅, G := Q, n := q := 2 und benutze dann das Theorem auf S. 309 unten). Hat G nun n L¨ ocher in C, so hat S 2 \G genau n + 1 Komponenten (alle unbeschr¨ ankten Komponenten von G in C h¨ aufen sich gegen ∞ und bilden deshalb – zusammen mit ∞ – eine Komponente von S 2 \G). Im Fall n < ∞ folgt H 0 (S 2 \G; Q)  Qn+1 . Aus der exakten Homologiesequenz des Paares (S 2 , G) ergibt sich wegen H2 (G, Q) = H1 (S 2 , Q) = 0, dass H2 (S 2 , G; Q)  Q ⊕ H1 (G; Q) nur vom angt (Exactness Axiom, loc. Gebiet G und nicht von der Einbettung G ⊂ S 2 abh¨ cit. S. 200). Damit folgt die topologische Invarianz der L¨ ocherzahl. Man kann ferner zeigen, vgl. M.H.A. Newman: Elements of the topology of plane sets ot points, Cambridge at the Univ. Press 1951, S. 157: Jedes (n+1)-fach zusammenh¨ angende Gebiet in C, wobei n ∈ N, ist hom¨ oomorph zur n-fach punktierten Ebene C\{1, 2, . . . , n}. Gebiete in C mit gleicher Betti-Zahl aus N sind also stets hom¨ oomorph.

310

14 Invarianz der L¨ ocherzahl

14.2.3 Normalformen mehrfach zusammenh¨ angender Gebiete. Ist G ein (n + 1)-fach zusammenh¨ angendes Gebiet, n ∈ N, und sind L1 , L2 , . . . , ocher von G, so ist G∪L1 ∪L2 ∪· · ·∪Ln nach 13.4.3 (2) ein einfach zuLn die L¨ sammenh¨ angendes Gebiet und also nach dem Riemannschen Abbildungssatz biholomorph auf C oder E abbildbar. Das Gebiet G ist daher biholomorph aquivalent zu einem Gebiet, das aus C bzw. E durch Ausbohren“ von n ¨ ” L¨ ochern entsteht. Es l¨ asst sich aber viel mehr sagen. Abbildungssatz 14.6. Jedes (n + 1)-fach zusammenh¨ angende Gebiet in C ist biholomorph abbildbar auf ein Kreisgebiet, das ist eine Scheibe Br (0), 0 < r ≤ ∞, aus der n paarweise punktfremde kompakte (evtl. punktf¨ ormige) Kreisscheiben entfernt sind, n ∈ N. Jede biholomorphe Abbildung zwischen Kreisscheiben wird durch eine linear gebrochene Funktion vermittelt. Diesen Satz hat Koebe als erster bewiesen. Wir verweisen den an Einzelheiten interessierten Leser auf [77] oder [100], dort wird auch das Problem der konformen Abbildbarkeit beliebiger Gebiete auf Schlitzgebiete behandelt. F¨ ur n = 1 l¨ asst sich pr¨ aziser zeigen (wir schreiben  f¨ ur biholomorph ” ur den Kreisring {z ∈ C : r < |z| < 1}, 0 < r < 1): aquivalent“ und Ar1 f¨ ¨ Ist L das einzige Loch von G, so gilt: a) L ist einpunktig und G ∪ L = C ⇔ G  C× , b) L ist einpunktig und G ∪ L = C ⇔ G  E× , c) L ist mehrpunktig und G ∪ L = C ⇔ G  E× , d) L ist mehrpunktig und G ∪ L = C ⇔ G  Ar1 .

Der nicht ausgeartete Fall d) bereitet die eigentlichen Schwierigkeiten. Einen Beweis, der mittels des Logarithmus das Problem auf einfach zusammenh¨ angende Gebiete zur¨ uckspielt, gibt. H. Kneser, [139, S. 372–375]. 14.2.4 Zur Struktur der multiplikativen Gruppe O(G)× . Die Gruppe O(G)× aller in G nullstellenfreien holomorphen Funktionen enth¨alt die Menge exp O(G) aller Funktionen exp g, g ∈ O(G), als Untergruppe. Es gilt (vgl. Abschnitt I.9.3.1) 3 2  (1)

exp O(G) =

f ∈ O(G)× :

(f  /f )dζ = 0 f¨ ur alle γ ∈ Z(G)

.

γ

Um die Faktorgruppe O(G)× / exp O(G) zu beschreiben, ordnen wir jeder Funktion f ∈ O(G)× die Z-lineare Periodenabbildung   1 1 f dζ λf : H(G) → Z, γ → γ(f  /f ) = 2πi 2πi f γ

14.2 Invarianz der L¨ ocherzahl. Produktsatz f¨ ur Einheiten

311

zu. Wir bezeichnen mit H(G)∗ die abelsche Gruppe aller Z-Linearformen auf H(G) (Dual von H(G)) und notieren sogleich: (2) Die Abbildung O(G)× → H(G)∗ , f → λf , ist ein Gruppen-Homomorphismus mit der Gruppe exp O(G) als Kern. Beweis. Wegen (f g) /f g = f  /f + g  /g ist f → λf homomorph. Wegen (1) ist exp O(G) der Kern dieses Homomorphismus.  Es seien nun L1 , . . . , Ln verschiedene L¨ ocher von G, n ∈ N. Wir w¨ahlen gem¨ aß Abschnitt 14.1.3 eine orthonormale Familie γ1 , . . . , γn von Wegen in G. Wir fixieren Punkte cν ∈ Lν , 1 ≤ ν ≤ n. Dann sind die Formen λz−c1 , . . . , λz−cn ∈ H(G)∗ wohldefiniert, und es gilt λz−cν (γ μ ) = indγν (Lν ) = δμν .

(14.2)

Damit folgt: angig. Falls b(G) = n, (3) Die Formen λz−c1 , . . . , λz−cn sind linear unabh¨ ur alle f ∈ O(G)× gilt dann so bilden sie eine Basis von H(G)∗ , f¨ λf = a1 λz−c1 + · · · + an λz−cn mit

aν := λf (γ ν ), 1 ≤ ν ≤ n < ∞ .

Beweis. Im Fall b(G) = n sind γ 1 , . . . , γ n nach Satz 14.4 eine Basis von H(G).  Wegen (14.2) bilden dann λz−c1 , . . . , λz−cn die duale Basis von H(G)∗ . In (2) und (3) ist ein Existenz- und Eindeutigkeitssatz enthalten. 14.2.5 Produktsatz f¨ ur Einheiten. Es sei G ein Gebiet mit genau n orige orthonormale Familie L¨ ochern L1 , . . . , Ln ; es sei γ1 , . . . , γn eine zugeh¨ ahlt. Dann hat jede von Wegen in G, n ∈ N. Es sei cν ∈ Lν irgendwie gew¨ Funktion f ∈ O(G)× eine Darstellung f (z) = eg(z) (z − c1 )k1 · · · · · (z − cn )kn mit g ∈ O(G),  1 kν := (f  /f )dζ ∈ N , 1 ≤ ν ≤ n. 2πi γν

(z−c1 ) ·· · ··(z−cn )mn eine weitere Darstellung mit h ∈ O(G) Ist f (z) = e und m1 , . . . , mn ∈ Z, so gilt h − g ∈ 2πiZ, und mν = kν , 1 ≤ ν ≤ n.  Beweis. Nach (3) gilt λf = kν λz−cν . F¨ ur v := (z − c1 )1 · · · · · (z − cn )n ∈ × ν λz−cν . Nach (2) gilt f = eg v mit O(G) , ν ∈ Z, gilt entsprechend λv =  g ∈ O(G) genau dann, wenn λf = λv , d.h. 1 = k1 , . . . , n = kn . h(z)

m1

312

14 Invarianz der L¨ ocherzahl

F¨ ur Gebiete ohne L¨ ocher besagt der Produktsatz (was wir schon wissen), dass jede nullstellenfreie Funktion f ∈ O(G) einen holomorphen Logarithmus in G hat. Mit (2) und (3) ergibt sich weiter: oge der von λ induSatz 14.7. Die Faktorgruppe O(G)× / exp O(G) ist (verm¨ zierten Abbildung) isomorph zu einer Untergruppe von H(G)∗ . Es gilt b(G) < ∞ genau dann, wenn O(G)× / exp O(G) endlich erzeugbar ist; alsdann ist O(G)× / exp O(G) isomorph zur Gruppe H(G)∗  Zb(G) . Beweis. Wegen (2) ist die Gruppe T := O(G)× / exp O(G) isomorph zur Untergruppe Bild λ von H(G)∗ . Falls b(G) < ∞, so gilt Bild λ = H(G)∗  Zb(G) nach (3). Ist umgekehrt T endlich erzeugbar, so hat T und also auch Bild λ einen endlichen Rang m. Wegen (3) hat G dann h¨ochstens m L¨ocher, d.h. b(G) ≤ m.  14.2.6 Ausblicke. nern:

Der Produktsatz f¨ ur Einheiten l¨asst sich verallgemei-

(∗) Jede stetige Abbildung f : G → C× eines Gebietes G ⊂ C mit genau n n Q L¨ ochern, n ∈ N, ist von der Form f (z) = eg(z) (z − cν )kν , wobei g ∈ C (G), kν ∈ Z.

1

Diese Aussage geht zur¨ uck auf Eilenbergs Arbeit [57] aus dem Jahre 1936, siehe S. 88 ff. Zu diesem Themenkreis geh¨ ort auch die Arbeit [154] von Kuratowski (1945), vgl. S. 332 ff. In Lehrb¨ uchern steht der Satz bei [240, 3. Aufl., S. 211 ff] und [31, S. 111 ff]; in [31] findet man weitere historische Angaben. Q Aus (∗) folgt mit f (z, t) := e(1−t)g(z) (z − cν )kν , 0 ≤ t ≤ 1, dass die stetige Abbildung f (z) = f (z, 0) : g → C× durch die stetige Schar“ f (z, t) von Abbildun” gen G × [0, 1] → C× in die holomorphe Abbildung f (z, 1) : G → C× defomiert wird. Man sagt, dass jede stetige Abbildung G → C× zu einer holomorphen Abbildung homotop ist. In dieser Form l¨ asst sich (∗) wesentlich vertiefen: Ist X eine Steinsche Mannigfaltigkeit und L eine komplexe Liesche Gruppe, so ist jede stetige Abbildung X → L homotop zu einer holomorphen Abbildung X → L (Spezialfall des Oka-Grauert-Prinzip, vgl. [92]). Der Perioden-Homomorphismus λ : O(G)× → H(G)∗ aus Abschnitt 14.2.4 wurde 1943 von H. Behnke und K. Stein systematisch untersucht; sie zeigten, dass er immer surjektiv ist, vgl. [6, Satz 10, S. 451]. Die Gruppen O(G)× / exp O(G) und H(G)∗ sind also stets kanonisch isomorph. Da H(G)∗ im Falle b(G) = ∞ eine u ahlbare Basis hat, so haben wir folgendes Ph¨ anomen: ¨berabz¨ ur jedes Gebiet G eine freie abelsche Gruppe, ihr Rang ist O(G)× / exp O(G) ist f¨ entweder endlich oder u ahlbar unendlich. ¨berabz¨ Die Surjektivit¨ at von λ ist ein Spezialfall eines Satzes u ¨ber die Existenz von additiv automorphen Funktionen zu willk¨ urlich vorgegebenen komplexen Perioden auf beliebigen nicht kompakten Riemannschen Fl¨ achen. Eine moderne Darstellung gibt O. Forster, [74, S. 190–194].

15. Schlichte Funktionen. Bieberbachsche Vermutung

Der Begriff der schlichten Funktion wurde seit Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts etwa in den Arbeiten von Koebe [141, 142] allgemein f¨ ur eine biholomorphe Funktion benutzt. Nach dem Riemannschen Abbildungssatz gibt es zu jedem einfach zusammenh¨ angenden Gebiet G  C eine biholomorphe Abbildung f : E → G. Diese wird auch als eine auf E holomorphe Funktion f : E → C ohne Festlegung des Bildgebietes schlicht genannt. Zur Untersuchung schlichter Funktionen ist die Normierung f (0) = 0 und f  (0) = 1 zweckm¨ aßig. Die Klasse aller solchen auf E schlichten Funktionen f (z) = z + a2 z 2 + a3 z 3 + . . . ¨ wird mit S bezeichnet. Der Ubergang zu auf dem Komplement Δ := C\E meromorphen, injektiven Funktionen g(ζ) :=

b1 b2 1 =ζ+ + 2 + ... f (1/ζ) ζ ζ

ur diese zeigten liefert eine allgemein mit Σ  bezeichnete Funktionenklasse. F¨ Gronwall [97] und Bieberbach [16] unabh¨ angig voneinander die Beziehung ∞ 

n · |bn |2 ≤ 1 .

n=1

Aus der darin enthaltenen Ungleichung |b1 | ≤ 1 folgerte Bieberbach 1916 in [16] f¨ ur die Funktionen der Klasse S die Absch¨atzung |a2 | ≤ 2 . Der extreme Fall |b1 | = 1, d.h. b2 = b3 = · · · = 0 tritt nur dann auf, wenn f eine Rotation der Koebe-Funktion z/(1 − z)2 ist. Bieberbach schreibt in einer Fußnote, dass vielleicht stets |an | ≤ n sei. Diese Bieberbach-Vermutung“ wurde erst 1985 von De Branges in [50] ” bewiesen. Verallgemeinerungen der Bieberbachschen Vermutung gaben 1936 Robertson [229] und 1971 Milin [171], siehe 15.1.4 und 15.1.5. Die MilinVermutung impliziert die Robertson-Vermutung, und diese hat die Bieberbach-Vermutung zur Folge.

314

15 Schlichte Funktionen. Bieberbachsche Vermutung

Das Ziel dieses Kapitels ist, die Milinsche und damit die Bieberbachsche Vermutung herzuleiten. Wir u ¨bernehmen den Beweis, den Weinstein 1991 in [278] gegeben hat. Wichtige Hilfsmittel zum Beweis sind einparametrige Familien schlichter Funktionen und die L¨ ownersche Differentialgleichung. Diese werden im zweiten Paragraphen behandelt, zusammen mit dem grundlegenden Satz von ´odory u Carathe ¨ber Konvergenz von einfach zusammenh¨angenden Gebieten gegen ihren Kern. Im dritten Paragraphen geben wir eine ausf¨ uhrliche Darstellung des Beweises von Weinstein. Dieser benutzt nur die genannten Methoden und f¨ uhrt die Aussage der Milin-Vermutung auf eine klassische Formel von Legendre zur¨ uck, die auch unter dem Namen Additionstheo” rem f¨ ur Kugel(fl¨ achen)funktionen“ bekannt ist. Den inneren Zusammenhang der Ans¨ atze von de Branges und Weinstein kl¨arten Todorov [261] sowie Koepf und Schmersau [148] auf. Methoden der Computer-Algebra wandte Koepf in [147] an. Mehr zur geometrischen Funktionentheorie findet der Leser etwa in den Lehrb¨ uchern von Duren [56], Golusin [89] und Pommerenke [214].

15.1 Schlichte Funktionen Durch Normierung wird eine ausgezeichnete Klasse injektiver holomorpher Funktionen gewonnen. Definition 15.1. Es sei G ⊂ C ein Gebiet. Eine holomorphe Funktion f : G → C heißt schlicht, wenn sie injektiv ist. Wegen des Offenheitssatzes I.8.5.1 ist eine schlichte Funktion eine biholomorphe Abbildung von G auf das Gebiet f (G). Insbesondere ist die Ableitung einer schlichten Funktion nullstellenfrei. F¨ ur die Untersuchung der schlichten Funktionen, die auf dem Einheitskreis E erkl¨ art sind, bedeutet die Normierung f (0) = 0 ,

f  (0) = 1

(15.1)

sicherlich keine Einschr¨ ankung. Es sei S := {f : E → C : f schlicht, f (0) = 0 , f  (0) = 1} die zugeh¨ orige Familie. Jede Funktion f ∈ S besitzt also die auf E konvergente Potenzreihe f (z) = z +

∞  n=2

an z n .

(15.2)

15.1 Schlichte Funktionen

315

15.1.1 Die Koebe-Funktion. Zentrales Beispiel einer Funktion aus der Klasse S ist die Koebe-Funktion. Definition 15.2. Die Funktion k(z) =

1 1 + z 2 1 z = − (1 − z)2 4 1−z 4

heißt Koebe-Funktion. Satz 15.3. Die Funktion k ist in S enthalten und hat die Potenzreihenentwicklung ∞  k(z) = n zn . n=1

Es gilt k(E) = C\(−∞, − 14 ]. Beweis. Die Cayley-Abbildung h : E → H , z → i

1+z 1−z

aus I.2.2.2 ist schlicht, und ihr negatives Quadrat p : E → C− , z →

z+1 z−1

2

aus I.2.2.3 bildet E schlicht auf C− = C\(−∞, 0] ab. Damit bildet k(z) = 1 1 1 4 p(z) − 4 die Einheitskreisscheibe schlicht auf C\(−∞, − 4 ] ab. Ferner ist ∞  1   d n · zn.  k(z) = z · dz 1−z = n=1

15.1.2 Elementare Eigenschaften. Transformationen invariant.

Die Klasse S ist unter gewissen

Bemerkung. (i) Es sei ϕ ∈ Aut (E) (vgl. Abschnitt I.2.3.2) und f ∈ S. Dann ist g(z) =

f (ϕ(z)) − f (ϕ(0)) ∈ S. f  (ϕ(0)) · ϕ (0)

Insbesondere ist f¨ ur Winkel α ∈ R die Rotation h(z) = e−iα f (eiα z) ∈ S . (ii) Sei f ∈ S und b ∈ f (E). Dann ist g(z) = aus S.

b · f (z) b − f (z)

(15.3)

316

15 Schlichte Funktionen. Bieberbachsche Vermutung

F¨ ur den Fl¨ achensatz aus Abschnitt 15.1.3 ben¨otigen wir die Quadratwurzeltransformation. Wir bezeichnen mit T die Familie der Funktionen f (z) = z +a2 z 2 +. . . aus O(E), die in E× nullstellenfrei sind. Es gilt S ⊂ T . Eine Funktion g ∈ O(E) heißt Quadratwurzeltransformierte von f ∈ O(T ), wenn g(z)2 = f (z 2 )

und

g  (0) = 1

gilt. Dann ist g eindeutig durch f bestimmt. Aus g(z)2 = g(−z)2 und g  (0) = 1 folgt unmittelbar, dass g ungerade ist und in T liegt. Satz 15.4. Jede Funktion f ∈ T hat eine Quadratwurzeltransformierte g. Im Falle f ∈ S gilt auch g ∈ S. Beweis. Die Funktion f (z 2 ) ist nullstellenfrei in E× und hat in 0 eine Nullstelle zweiter Ordnung. Wir schreiben f (z 2 ) = z 2 f1(z). Nach Abschnitt I.9.3.3 besitzt f1 eine holomorphe Quadratwurzel, so dass f eine Quadratwurzel g in O(E) besitzt mit g  (0) = 1. – Aus g(a) = g(b) folgt f (a2 ) = f (b2 ), also a = ±b, wenn f ∈ S. Im Falle b = −a ist g(a) = −g(a), also g(a) = 0. Da g in E× nullstellenfrei ist, folgt a = 0. Also gilt stets a = b. Das beweist g ∈ S.  Die Aussage von Satz 15.4 ist umkehrbar: Zusatz 15.5. Jede ungerade Funktion g ∈ T ist Quadratwurzeltransformierte einer Funktion f ∈ T . Falls g ∈ S, so auch f ∈ S. Beweis. Es gilt g(z) = zh(z 2 ) mit h ∈ O(E). F¨ ur f (z) = zh(z)2 folgt f (z 2 ) = ur Punkte a2 , b2 ∈ E gilt f (a2 ) = f (b2 ) nur dann, g(z)2 und weiter f ∈ T . – F¨ wenn g(a) = ±g(b) = g(±b) ist. Im Falle g ∈ S folgt a = ±b, also a2 = b2 , d.h. f ∈ S.  Ist g(z) = z +

∞ 

α2n+1 z 2n+1

n=1

die Quadratwurzeltransformierte von f , so gilt mit α1 := 1 an =

n 

α2(n−k)+1 · α2k−1 ,

n ≥ 1,

k=1

also z.B. a2 = 2α3 a3 = 2α5 + α32 a4 = 2α7 + 2α3 α5 a5 = 2α9 + 2α3 α7 + α52 . Man schreibt auch g(z) = f¨ ur eine Quadratwurzeltransformierte.

, f (z 2 )

(15.4) (15.5) (15.6) (15.7)

15.1 Schlichte Funktionen

15.1.3 Die Klassen Σ und Σ  .

317

Es sei f ∈ S. Dann wird durch

g(ζ) =

1 f (1/ζ)

(15.8)

eine auf dem Komplement Δ := C\E schlichte Funktion erkl¨art, welche im Punkte ∞ ∈ C einen einfachen Pol mit Residuum eins besitzt. Die Klasse aller schlichten Funktionen auf Δ mit einem einfachen Pol in ∞ und Residuum eins wird mit Σ bezeichnet, w¨ ahrend die Funktionen vom Typ (15.8) die Teilklasse Σ  bilden. Die Laurent-Entwicklung f¨ ur g ∈ Σ schreiben wir als g(ζ) = ζ +

∞ 

bn ζ −n .

(15.9)

n=0

Wir bemerken, dass Funktionen aus Σ  den Wert null nicht annehmen. Aus Satz 15.4 folgt unmittelbar Satz 15.6. Sei g ∈ Σ  . Dann gibt es eine ungerade Funktion h ∈ Σ  derart, dass h(ζ)2 = g(ζ 2 ) . Die Schlichtheit einer holomorphen Funktion bewirkt, dass sich die Fl¨ acheninhalte von Teilgebieten leicht mit denjenigen der Bildgebiete vergleichen lassen. Die zugeh¨ orige quantitative Aussage ist der Gronwallsche Fl¨ achensatz. Fl¨ achensatz von Gronwall 15.7. Sei g ∈ Σ. Dann gilt ∞ 

n |bn |2 ≤ 1 .

(15.10)

n=1

Beweis. Es sei r > 1, wir bezeichnen mit Γr die Kreislinie {z ∈ C : |z| = r}. Wegen der Schlichtheit von g ist g(Γr ) =: Cr eine reell-analytische, doppelpunktfreie Kurve. Sei Δr = {z ∈ C : |z| ≥ r} und Ar = C\g(Δr ) . Die offene Menge Ar ⊂ C hat den reell-analytischen Rand Cr . Mit w = x + iy wird der Fl¨ acheninhalt Fr von Ar durch das Integral   i Fr = dx dy = dw ∧ dw 2 Ar

Ar

bestimmt. Die Aussage des Satzes folgt nach Auswertung des Integrals aus ur alle r > 1 gilt: der Tatsache, dass Fr ≥ 0 f¨

318

15 Schlichte Funktionen. Bieberbachsche Vermutung

Wir benutzen den Stokesschen Satz (bzw. die Greensche Formel) der reellen Analysis. Wegen dw ∧ dw = d(w dw) und der Transformationsformel f¨ ur Integrale (Schlichtheit von g !) gilt   i i w dw = g(ζ) · g  (ζ) dζ . 0 ≤ Fr = 2 2 Cr

Γr

Letzteren Ausdruck kann man leicht mit Hilfe der Potenzreihenentwicklung (15.9) von g berechnen. Es ist ∞  n · bn ζ −n−1 , g  (ζ) = 1 − n=1 iϕ

d.h. f¨ ur ζ = re i Fr = 2

2π

gilt iϕ

re 0

+

∞ 

bm r

−m −imϕ

e

∞    · 1− bn n r−n−1 e+i(n+1)ϕ ·

m=0

n=1

·(−i r e−iϕ ) dϕ . Nun verschwindet f¨ ur alle  ∈ Z,  = 0 das Integral

2π 

eiϕ dϕ, so dass

0

∞ 

 2 Fr = π r − n · |bn |2 r−2n . n=1

Die Beziehung Fr ≥ 0 f¨ ur alle r > 1 liefert die Behauptung.



Zusatz: In (15.10) gilt Gleichheit genau dann, wenn C\g(Δ) das LebesgueMaß null besitzt. Korollar 15.8. F¨ ur g ∈ Σ gilt |b1 | ≤ 1. Falls |b1 | = 1, ist g(ζ) = ζ + b0 +

b1 ζ

und das Bild g(Δ) ist das Komplement einer Strecke der L¨ ange 4 in C. Beweis. F¨ ur |b1 | = 1 folgt die explizite Form von g(ζ) unmittelbar aus dem Fl¨achensatz. Die Bilder von Kreislinien vom Radius r > 1 sind Ellipsen mit den Halbachsen r + 1r und r − 1r , die gegen eine Strecke der L¨ange 4 mit r → 1 konvergieren. 

15.1 Schlichte Funktionen

319

15.1.4 Der Satz von Bieberbach und die Bieberbachsche Vermutung. Der Satz von Gronwall wurde 1916 von Bieberbach in [16] auf die Quadratwurzeltransformation im Sinne von Satz 15.4 einer schlichten Funktion angewandt. Satz 15.9 (Bieberbach). Es sei f (z) = z+

∞ 

an z n eine schlichte Funktion

n=2

auf der Einheitskreisscheibe. Dann gilt |a2 | ≤ 2. Es ist |a2 | = 2 genau dann, wenn f eine Rotation der Koebe-Funktion ist. Beweis. F¨ ur die Quadratwurzeltransformation h(z) = z +

∞ 

α2n+1 z 2n+1

n=1

von f gilt nach (15.4) 2α3 = a2 . Wir betrachten die zugeh¨ orige Funktion g(ζ) = 1/h(1/ζ) aus der Klasse Σ  mit ∞  bn ζ −n . g(ζ) = ζ + n=1

Es folgt unmittelbar g(ζ) = ζ −

a2 1 ± ··· , 2 ζ

d.h.

a2 . 2 Nach Satz 15.7 ist |a2 | ≤ 2. F¨ ur |a2 | = 2 ergibt Korollar 15.8, dass g(ζ) = ζ + bζ1 , und damit h(z) = z/(1 + b1 z 2 ). Schließlich ist f (z 2 ) = h(z)2 = z 2 /(1 + b1 z 2 )2 , d.h. f (z) = z/(1 + b1 z)2 . Mit b1 = −eiϕ ist also  f (z) = e−iϕ k(eiϕ z) eine Rotation der Koebe-Funktion k. b1 = −

In einer Fußnote zu der Arbeit [16] ¨ außert Bieberbach die nach ihm benannte Vermutung. Bieberbachsche Vermutung: Sei

f (z) = z +

∞ 

an z n eine auf E

n=2

schlichte Funktion. Dann gilt |an | ≤ n.

(Bn )

320

15 Schlichte Funktionen. Bieberbachsche Vermutung

Eine etwas allgemeinere Vermutung wurde 1936 aufgestellt [200]. Robertson-Vermutung: Es sei g(z) = z +

∞ 

c2n+1 z 2n+1 ∈ S

n=1

eine ungerade schlichte Funktion. Dann gilt n 

|c2k−1 |2 ≤ n.

(Rn )

k=1

Satz 15.10. Die G¨ ultigkeit der Robertson-Vermutung (Rn ) f¨ ur alle ungeur alle raden Funktionen aus S impliziert die Bieberbach-Vermutung (Bn ) f¨ f ∈ S. Beweis. Seien f (z) =

∞ 

an z n ∈ S und g(z) =

n=1

∞ 

c2n+1 z 2n+1 ∈ S die

n=0

Quadratwurzeltransformierte von f im Sinne von Abschnitt 15.1.2, d.h. f (z 2 ) = g(z)2 . Also an =

n 

c2(n−k)+1 · c2k−1 .

k=1

Dann folgt mit (Rn ) und der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung die Behauptung.  15.1.5 Die Milin-Vermutung. Die 1971 aufgestellte Milin-Vermutung ist noch allgemeiner als die Robertson-Vermutung, und sowohl de Branges als auch Weinstein w¨ ahlten den Weg u ¨ber diese Aussage, um die Bieberbach-Vermutung zu beweisen. Die logarithmische Ableitung einer schlichten Funktion wird im folgenden eine wichtige Rolle spielen (vgl. auch Abschnitt 15.2.4). Definition 15.11. Es sei f (z) = z +

∞ 

an z n schlicht. Es sei

n=2

log

∞ f (z)  = dn z n . z n=1

Dann heißen die dn = dn (f ) logarithmische Koeffizienten von f . In einer etwas allgemeineren Situation gilt der folgende Satz.

15.1 Schlichte Funktionen

321

Satz 15.12 (Milin-Lebedev). Es sei ψ(z) =

∞ 

βk z k mit β0 = 1

k=0

holomorph auf einer Umgebung des Nullpunktes und ϕ(z) := log ψ(z) =

∞ 

αk z k .

k=1

Dann gilt n n

1   1  1 |βk |2 ≤ exp (n + 1 − k) · (k |αk |2 − ) . n+1 n+1 k k=0

(15.11)

k=1

Beweis. Mit Hilfe der Cauchy-Schwarz-Ungleichung folgt aus ϕ (z)·ψ(z) = ψ  (z) die Ungleichung n2 |βn |2 ≤ An · Bn−1 mit An =

n 

k 2 |αk |2 ,

Bn =

k=1

n 

|βk |2 .

k=0

Nun ist 1 Bn = Bn−1 + |βn |2 ≤ (1 + 2 An ) · Bn−1 n

A −n  An − n  n+1 n+1 n 1+ Bn−1 ≤ exp · Bn−1 , = n n(n + 1) n n(n + 1) und durch sukzessives Anwenden derselben Ungleichung f¨ ur absteigende Werte von n mit B0 = 1 n

 Ak − k  Bn ≤ (n + 1) exp k(k + 1) k=1

= (n + 1) exp

n

 k=1

Es ist n  k=1

Ak

1  Ak − . k(k + 1) k + 1



n  k  1 1 1 = − 2 |α |2 k(k + 1) k k+1 k=1 =1

n n   1 1 2 2 = −  |α | k k+1 =1 k=

n  1 1 2 2 = −  |α |  n+1 =1

1   |α |2 (n + 1 − ) , n+1 n

=

=1

322

15 Schlichte Funktionen. Bieberbachsche Vermutung

also n

 k=1

1 1 − Ak k(k + 1) k + 1

=

n 1  1 k |αk |2 − · (n + 1 − k) . n+1 k k=1

Insgesamt folgt Bn ≤ (n + 1) exp

n  1  1 (n + 1 − k) · (k |αk |2 − ) . n+1 k k=1

 Die Milin-Vermutung macht eine Aussage u ¨ber die gemischten quadratischen Mittel der logarithmischen Koeffizienten einer schlichten Funktion. Milin-Vermutung: Es seien f (z) ∈ S und dn die logarithmischen Koeffizienten von f . Dann gilt m

n   m=1 k=1

4 k |dk | − k 2

≤ 0

(15.12)

f¨ ur alle n ∈ N, d.h. die ¨ aquivalente Aussage n  k=1



4 (n + 1 − k) · k |dk | − k 2

≤ 0.

(Mn )

f¨ ur alle n ∈ N. Insgesamt haben wir nun eine Hierarchie von Aussagen u ¨ber die Koeffizienten schlichter Funktionen. Mit Hilfe von (15.11) werden wir abschließend den folgenden Satz zeigen. Satz 15.13. Die G¨ ultigkeit der Milin-Vermutung f¨ ur ein n ∈ N und alle f ∈ S impliziert die Aussage der Robertson-Vermutung f¨ ur den Wert n + 1 und alle f . Beweis. Es sei f (z) =

∞ 

c2n−1 z 2n−1 ∈ S eine ungerade Funktion. Wir

n=1

schreiben f (z) als Quadratwurzeltransformierte einer Funktion h(z) ∈ S gem¨ aß Zusatz 15.5. f (z)2 = h(z 2 ) . Die Milin-Vermutung wird auf die Funktion h(z) ∈ S angewandt: Wir setzen ∞  dn z n , und es gilt die Ungleichung (Mn ). Im Sinne der Notation log h(z) z = n=1

von Satz 15.12 schreiben wir

15.1 Schlichte Funktionen

323



ϕ(z) =

h(z)  1 log = αk z k , 2 z k=1

d.h. αk = dk /2. Wegen (Mn ) ist n 



1 (n + 1 − k) · k |αk | − k 2

≤ 0,

k=1

so dass f¨ ur die Koeffizienten βk von ψ(z) = exp ϕ(z) nach (15.11) gilt n 

|βk |2 ≤ n + 1 .

k=0 2

Es ist ψ(z ) = f (z)/z, so dass c2j+1 = βj , d.h. n+1 

|c2j−1 |2 ≤ n + 1

(Rn+1 ).

j=1

Dies ist genau die Aussage der Robertson-Vermutung f¨ ur die gegebene (ungerade) Funktion f und den Index n + 1.  15.1.6 Weitere Anwendungen. In derselben Arbeit [16] berechnete Bieberbach die sogenannte Koebesche Verzerrungskonstante als 1/4. Heute spricht man meist vom 1/4-Theorem“. ” Satz 15.14. Sei f ∈ S. Dann enth¨ alt f (E) die offene Kreisscheibe vom Radius 1 um den Nullpunkt. 4 Auch f¨ ur diesen Satz nimmt die Koebe-Funktion k eine besondere Rolle ein: Das Gebiet k(E) enth¨ alt offensichtlich keine gr¨ oßere Kreisscheibe um den Nullpunkt. Beweis. Sei b ∈ f (E), f (z) = z +

∞ 

an z n . Nach Bemerkung 15.1.2 (ii) ist

n=2



1 f (z) z2 + · · · ∈ S . = z + a2 + g(z) = b 1 − 1b f (z) Also gilt nach Satz 15.9:

also

  a2 + 

 1  ≤ 2, b

    1 1   2 ≥   − |a2 | ≥   − 2 b b

und damit |b| ≥

1 . 4



324

15 Schlichte Funktionen. Bieberbachsche Vermutung

Etwas komplizierter folgt der Koebesche Verzerrungssatz. Satz 15.15 (Koebe). Sei f ∈ S. Dann gelten f¨ ur alle z ∈ E die Absch¨ atzungen 1 + |z| 1 − |z| ≤ |f  (z)| ≤ , 3 (1 + |z|) (1 − |z|)3 |z| |z| ≤ |f (z)| ≤ . (1 + |z|)2 (1 − |z|)2

(15.13) (15.14)

Beweis. Wir zeigen (15.13). Dazu realisieren wir einen gegebenen Punkt z0 ∈ E unter ϕ ∈ Aut (E) als z0 = ϕ(0) und benutzen Bemerkung 15.1.2 (i) mit ϕ(z) =

z + z0 . 1 + z0 z

Es ist ϕ (0) = 1 − |z0 |2 . Also ist g(z) =

f (ϕ(z)) − f (z0 ) ∈S. (1 − |z0 |2 ) · f  (z0 )

Wir schreiben g(z) = z +

∞ 

αn z n

n=2 1  2 g (0).

und berechnen α2 als Es gilt wegen ϕ (0) = 1 − |z0 |2 und ϕ (0) = 2 −2 z0 (1 − |z0 | ) die Beziehung g  (0) =

f  (z0 ) (1 − |z0 |2 ) − 2 z0 . f  (z0 )

ur z0 einfach Wir benutzen |α2 | ≤ 2 nach Satz 15.9 und folgern (nachdem wir f¨ z schreiben)   f  (z)   (1 − |z|2 ) − 2 z  , 4≥  f (z) d.h.

 f  (z) 2|z|2  4|z|  − . z ·  ≤ 2 f (z) 1 − |z| 1 − |z|2

Nach Satz I.9.3.3 finden wir einen holomorphen Logarithmus von f  (z), da diese auf E holomorphe Funktion nirgends verschwindet. Wegen f  (0) = 1 ahlt werden, dass der Wert im Nullpunkt verschwinkann log(f  (z)) so gew¨ ur eine det. Wir benutzen Polarkoordinaten z = reiθ und stellen fest, dass f¨ holomorphe Funktion F (z) die partielle Ableitung ∂z ∂ F (z) ∂ F (z) = · = eiθ · F  (z) ∂r ∂r ∂z ist, also

15.1 Schlichte Funktionen

∂ F (z) = z · F  (z) . ∂r Wir setzen F (z) = log f  (z) und erhalten r·

325

(15.15)

 ∂ 2r2  4r  log f  (z) − . r ≤ ∂r 1 − r2 1 − r2 Da f¨ ur eine komplexe Zahl w stets −|w| ≤ Re (w) ≤ |w| gilt, folgt

∂ 2r 4 4  log f ≤ Re (z) − ≤ . − 1 − r2 ∂r 1 − r2 1 − r2 Da partielle Ableitungen komplexwertiger Funktionen auf Real- und Imagin¨ arteil getrennt anzuwenden sind und Re log w = log |w| f¨ ur jeden Zweig des Logarithmus gilt, folgt ∂ 4 + 2r 2r − 4 log |f  (z)| ≤ ≤ . 1 − r2 ∂r 1 − r2

(15.16)

Wir schreiben einen gegebenen festen Punkt z0 ∈ E als z0 = R eiθ , 0 < R < 1 und integrieren u ¨ber r bei festgehaltenem Argument θ von null bis R. Wegen log f  (0) = 0 erhalten wir R 0

2r − 4 dr ≤ log |f  (R eiθ )| ≤ 1 − r2

R

4 + 2r dr . 1 − r2

(15.17)

1−R 1+R ≤ log |f  (R eiθ )| ≤ log , 3 (1 + R) (1 − R)3

(15.18)

0

Nach Auswertung der Integrale gilt log d.h.

1 + |z0 | 1 − |z0 | ≤ |f  (z0 )| ≤ (1 + |z0 |)3 (1 − |z0 |)3

f¨ ur alle z0 ∈ E. Wir beweisen als n¨ achstes die obere Absch¨atzung in (15.14): Es ist f¨ ur z0 = R eiθ R f (z0 ) = f  (r eiθ ) · eiθ dr , 0

also R |f (z0 )| ≤



R

|f (r e )| dr ≤ 0



0

R 1+r dr = . 3 (1 − r) (1 − R)2

(15.19)

326

15 Schlichte Funktionen. Bieberbachsche Vermutung

F¨ ur die untere Absch¨ atzung unterscheiden wir die F¨alle |f (z0 )| ≥ 14 und 1 ur alle 0 < r < 1 der Wert |f (z0 )| < 4 . Im ersteren Fall bemerken wir, dass f¨ r 1 nicht gr¨ o ßer als ist, womit die untere Absch¨atzung in (15.14) gevon (1+r) 2 4 zeigt ist. Im zweiten Fall benutzen wir das 1/4-Theorem 15.14. Im Bild f (E) ist die Strecke von 0 nach f (z0 ) enthalten. Der Weg γ in E sei das Urbild ange der Wegstrecke f ◦ γ, d.h. dieser Strecke: Also ist |f (z0 )| genau die L¨ gleich dem Integral 

 |dw| =

|f (z0 )| = f ◦γ

1



|f (z)| · |dz| =

|f  (γ(t))| · |γ  (t)| dt

0

γ

(vgl. Abschnitt I.6.3.1). Nach (15.13) gilt 





|f (z)| |dz| ≥ γ

γ

1 − |z| |dz| ≥ (1 + |z|)3

R 0

R 1−r dr = . (1 + r)3 (1 + R)2

(15.20)

(Die letzte Ungleichung gilt wegen |dz| ≥ dr f¨ ur Polarkoordinaten z = r eiϕ .)  Die Rotationen der Koebe-Funktion k(z) im Sinne von (15.3) sind genau die Funktionen kλ (z) =

z mit λ ∈ C, |λ| = 1 . (1 − λ z)2

(15.21)

Satz 15.16. Es sei f (z) = kλ (z). Dann gilt f¨ ur jede der Ungleichungen aus (15.13) und (15.14) an mindestens einer von null verschiedenen Stelle Gleichheit. Wird umgekehrt f¨ ur ein c = 0 in einer der vier Ungleichungen Gleichheit angenommen, so ist f (z) eine Rotation der Koebe-Funktion. Beweis. F¨ ur 0 < r < 1 und z = λ r bzw. z = −λ r erh¨alt man in (15.14) 1+λz ur Gleichheit. Ferner ist kλ (z) = (1−λz) 3 , so dass dieselben Punkte auch f¨ iθ (15.13) das Gew¨ unschte leisten. Umgekehrt gelte an einer Stelle z = R e in (15.14) die Gleichheit |f (z)| =

R (1 − R)2

oder

|f (z)| =

R . (1 + R)2

(Man beachte, dass stets R/(1 + R)2 < 1/4 gilt.) Es folgt, dass in den Ungleichungen (15.19) bzw. (15.20) Gleichheit gilt, und damit wegen (15.13) |f  (r eiθ )| =

1+r (1 − r)3

(15.22)

15.2 L¨ owner-Theorie

bzw. |f  (r eiθ )| =

1−r (1 + r)3

327

(15.23)

f¨ ur alle 0 ≤ r ≤ R. Mit (15.15), wiederum angewandt auf F (z) = log f  (z) folgt, dass die ∂ 1−r ∂ 1+r ∂ log (1+r) ur alle r gleich r ∂r log |f  (r eiθ )| = Funktion r ∂r 3 bzw. r ∂r log (1−r)3 f¨    (z) ∂ mit z = reiθ ist. Division durch r ergibt log f  (z)) = Re z ff  (z) Re(z ∂z  iθ f  (0)   iθ f  (z)  = Re(eiθ 2a2 ). Mit Re e f  (z) = ±4+2r 1−r 2 , insbesondere ±4 = Re e f  (0) |a2 | ≤ 2 gem¨ aß Satz 15.9 folgt |a2 | = 2 und mit demselben Satz, dass f eine Rotation der Koebe-Funktion ist. Sei nun f¨ ur z = R eiθ eine der Gleichungen |f  (R eiθ )| =

1±R (1 ∓ R)3

erf¨ ullt. Damit gilt in (15.18) und folglich (15.17) an einer der beiden Stellen Gleichheit. Dasselbe trifft nun auf (15.16) zu f¨ ur alle 0 < r < R. Durch Integration u ur ¨ber das Intervall [0, r] erhalten wir, dass (15.22) bzw. (15.23) f¨ alle 0 < r < R gelten, woraus wie gehabt folgt, dass f eine Rotation der Koebe-Funktion ist. 

15.2 Lo ¨wner-Theorie Kern der geometrischen Funktionentheorie ist der Ansatz von L¨ owner. Nach Einschr¨ ankung einer schlichten Funktion f : E → C aus S auf Kreisscheiben Br (0) mit 0 < r < 1 und Renormierung kann angenommen werden, dass die gegebene schlichte Funktion auf ∂E analytisch fortsetzbar und das Bild von ∂E eine doppelpunktfreie Kurve ist. In einer solchen Situation konstruiert L¨ owner eine reelle einparametrige Familie von Schlitzgebieten, die gegen das Bild f (E) in einem noch zu pr¨azisierenden Sinne konvergieren. Die Abh¨ angigkeit vom Parameter gibt Anlass zur L¨ ownerschen Differentialgleichung. 15.2.1 Normalit¨ at und Abgeschlossenheit der Familie S. Eine Klasse holomorpher Funktionen, die auf einem Gebiet G ⊂ C erkl¨art sind, heißt abgeschlossen, wenn die Grenzfunktion einer normal konvergenten Folge solcher Funktionen wiederum in dieser Klasse enthalten ist. Satz 15.17. Die Klasse S bildet eine normale abgeschlossene Familie. Beweis. Aufgrund der Koebeschen Formel (15.14) sind die Funktionen aus S auf Kompakta in E gleichm¨ aßig beschr¨ ankt, bilden also eine normale Familie. Gem¨ aß Satz I.8.5.12 (Folgerung aus dem Satz von Hurwitz) ist die

328

15 Schlichte Funktionen. Bieberbachsche Vermutung

Grenzfunktion f einer kompakt konvergenten Folge schlichter Funktionen fn schlicht oder konstant. Letzteres ist ausgeschlossen, da f (0) = 0 und nach dem Weierstrassschen Konvergenzsatz I.8.4.1 bzw. I.8.4.2 der Wert f  (0) = 1 ist. Also gilt f ∈ S.  15.2.2 Der Carath´ eodorysche Konvergenzsatz. Wir ben¨otigen den Begriff des Kerns einer Folge von (einfach zusammenh¨angenden) Gebieten 0 ∈ Dn  C, n ∈ N. Proposition 15.18. Falls die Gebiete Dn eine gemeinsame Umgebung Bρ (0) des Nullpunktes enthalten, gibt es ein gr¨ oßtes Gebiet D mit den Eigenschaften (i) 0 ∈ D ur fast alle n ∈ N. (ii) K ⊂ D kompakt ⇒ K ⊂ Dn f¨ Beweis. Es hat sicher Bρ (0) die obigen Eigenschaften (i) und (ii). Es bezeichne {Gι : ι ∈ I} die Menge aller solcher Gebiete. Wir behaupten, dass G := ∪ι∈I Gι das gr¨ oßte aller solchen Gebiete ist, d.h. wir behaupten, dass die Vereinigung ebenfalls (i) und (ii) erf¨ ullt. Ist K ⊂ D ein Kompaktum, also K ⊂ ∪k=1 Gι , so findet man Kompakta K ⊂ Gι mit K = ∪K . Also ist K in fast allen Dn enthalten.  F¨ ur eine solche Folge von Gebieten treffen wir die folgende Definition 15.19. (i) Das Gebiet D im Sinne von Proposition 15.18 heißt Kern der Folge Dn . Falls 0 kein innerer Punkt von ∩Dn ist, sei der Kern gleich {0}. (ii)Es heißen Gebiete Dn gegen ihren Kern konvergent, falls jede ihrer Teilfolgen denselben Kern besitzt. Ziel ist es, einen Zusammenhang mit dem Begriff der Konvergenz holomorpher Funktionen herzustellen. Satz 15.20. Es seien fn : E → C schlichte Funktionen, die kompakt gegen eine schlichte Funktion f konvergieren. Ist K ⊂ f (E) eine kompakte Teilmenge, ur alle n ≥ n0 . so gibt es eine Zahl n0 = n0 (K), so dass K ⊂ fn (E) f¨ Beweis. Es existiert zu K eine Zahl 0 < r < 1, so dass K in der offenen Menge f (Br (0)) enthalten ist. Insbesondere ist f (∂Br (0)) ∩ K = ∅ und δ = ur alle n ≥ n0 = n0 (K). Nach d(K, f (∂Br (0))) > 0. Sei fn − f K < δ f¨ ´ (Abschnitt I.13.2.3) nehmen die Funktionen fn und f dem Satz von Rouche ur w ∈ K geschieht dies einmal. Also ist jeden Wert auf Br (0) gleich oft an. F¨ ur alle n ≥ n0 .  K ⊂ fn (Br (0)) ⊂ fn (E) f¨ ´odory forIm Folgenden werden wir den Konvergenzsatz von Carathe mulieren und beweisen. Wir betrachten die folgende Situation.

15.2 L¨ owner-Theorie

329

Situation: Es sei 0 ∈ Dn  C eine Folge einfach zusammenh¨ angender Gebiete und fn : E → Dn die eindeutig bestimmten biholomorphen Abbildungen mit fn (0) = 0 und fn (0) > 0. Es bezeichne D den Kern der Dn . Wir schicken den entarteten Fall voraus. Proposition 15.21. Es konvergieren die fn genau dann kompakt gegen die Nullfunktion, wenn D = {0} ist. Beweis. Es gelte fn → 0. Angenommen D = {0}, dann gibt es eine Zahl ur alle n. Seien ϕn : Bρ (0) → E holomorphe ρ > 0, so dass Bρ (0) ⊂ Dn f¨ Abbildungen mit fn ◦ϕn = id. Nach dem Schwarzschen Lemma gilt |ϕn (0)| ≤ 1/ρ und damit |fn (0)| ≥ ρ im Widerspruch zur kompakten Konvergenz der fn gegen null (vgl. Abschnitt I.8.4.1). Also ist der Kern der Folge Dn gleich {0}. Dasselbe Argument gilt f¨ ur jede Teilfolge, so dass die Folge Dn gegen {0} konvergiert. Sei nun umgekehrt D = {0}. Es folgt fn (0) → 0: Andernfalls h¨atte man eiur alle k. Wegen des Koebeschen 1/4-Theorems ne Teilfolge fn k (0) ≥ ε > 0 f¨ 15.14 folgt Bε/4 (0) ⊂ Dnk im Widerspruch zur Voraussetzung der Konvergenz Dn → {0}. Nach (15.14) des Koebeschen Verzerrungssatzes 15.15 und Umnormierung gilt |fn (z)| ≤ fn (0) ·

|z| (1 − |z|)2

f¨ ur alle z ∈ E .

(15.24)

Damit konvergieren die fn auf E kompakt gegen null. Falls die gegebenen Funktionen fn auf E kompakt konvergieren, ist die Grenzfunktion f nach dem Satz von Weierstraß I.8.4.1 holomorph und nach Satz I.8.5.12 schlicht oder konstant, letzteres bedeutet f = 0 wegen  fn (0) = 0. Satz 15.22 (Carath´ eodory). In der oben festgelegten Situation gilt (i) Es konvergiere die Folge der fn kompakt gegen eine schlichte Funktion f . Dann ist der Kern D der Gebiete Dn = fn (E) ein (einfach zusammenh¨ angendes) Gebiet und die Dn konvergieren gegen D. Es bildet f konform E auf D ab und die inversen Abbildungen fn−1 konvergieren auf jedem Kompaktum K ⊂ D f¨ ur n ≥ n(K) gleichm¨ aßig gegen f −1 |K. (ii) Falls die Dn gegen ein Gebiet D  C konvergieren, konvergieren die fn kompakt gegen eine schlichte Funktion f ∈ O(E). Beweis. (i): Es gilt f (0) = 0 und f  (0) > 0. Wir zeigen zun¨achst f (E) ⊂ D. Sei dazu K ⊂ f (E) eine kompakte Teilmenge. Nach Satz 15.20 ist K ⊂ fn (E) f¨ ur n ≥ n0 (K). Nach Definition des Kerns bedeutet dies f (E) ⊂ D. ur n ≥ n0 (K) auf K s¨amtlich definiert Die ϕn := fn−1 : Dn → E sind f¨ (und gleichm¨ aßig beschr¨ ankt). Eine Teilfolge konvergiert auf K gleichm¨aßig.

330

15 Schlichte Funktionen. Bieberbachsche Vermutung

Wir sch¨ opfen nun f (E) durch eine aufsteigende Folge Kj von Kompakta aßig konvergente Teilfolge der ϕn , so aus. Ist (ϕnj () )∈N eine auf Kj gleichm¨ sei f¨ ur Kj ⊂ Kj+1 die Folge (ϕnj+1 () ) in (ϕnj () y) enthalten. Die Diagonalur  ≥ j erkl¨art und dort gleichm¨aßig folge ϕn() := ϕn () ist auf den Kj f¨ konvergent gegen eine auf f (E) holomorphe Funktion ϕ : f (E) → E. (Randpunkte von E kommen wegen des Maximumsprinzips als Werte nicht vor). Sei w ∈ f (E), f¨ ur große  ist z = ϕn() (w) erkl¨art, und z := lim z = →∞

lim ϕn() (w) = ϕ(w). Da die z zusammen mit z eine kompakte Menge bil-

→∞

den, gilt wegen der kompakten Konvergenz der fn , dass lim fn() (z ) = f (z). →∞

ur alle , d.h. f (ϕ(w)) = w f¨ ur alle w ∈ f (E). Andererseits ist fn() (z ) = w f¨ Da f injektiv ist, folgt ϕ ◦ f = idE . Dieses Argument l¨ asst sich auf eine beliebige Teilfolge der ϕn anwenden: Diese besitzt eine gegen f −1 im obigen Sinn kompakt konvergente Teilfolge. Damit konvergiert die Folge ϕn selbst gegen ϕ = f −1 auf f (E). Sei jetzt eine kompakte Menge L ⊂ D vorgegeben. Da L in fast allen Dn enthalten ist, folgt w¨ ortlich wie oben, indem man f (E) durch D ersetzt, die kompakte Konvergenz einer Teilfolge der ϕn gegen eine Funktion ψ : D → E, wiederum mit f ◦ ψ = idD . Nun ist f (E) ⊂ D, also gilt ϕ = ψ und D = f (E). Das obige Argument, angewandt auf Teilfolgen Dn(k) , liefert, dass der Kern stets derselbe, n¨ amlich f (E) ist. Dies bedeutet genau die Konvergenz Dn → D. (ii): Es gelte nun umgekehrt die Konvergenz Dn → D, wobei D  C ein einfach zusammenh¨ angendes Gebiet sei. Wir u ¨berzeugen uns davon, dass die  ankt ist. W¨ are lim fn(k) (0) = ∞ f¨ ur eine Teilfolge, so Folge fn (0) beschr¨ k→∞

w¨ are nach dem Koebeschen 1/4-Theorem (Satz 15.14) Brk (0) ⊂ Dn(k) mit  (0), so dass der Kern der Folge Dn(k) gleich C w¨are. Wie im Beweis rk = 14 fn(k) von Proposition 15.21 benutzen wir die Absch¨atzung (15.24), die aus dem Koebeschen Verzerrungssatz folgt, und sehen, dass die fn lokal gleichm¨aßig beschr¨ ankt sind. Nach dem Montelschen Konvergenzkriterium 7.1.3 ist nur zu zeigen, dass die Grenzfunktionen s¨ amtlich gleich sind. Seien fn(k) → f und fne() → f1 solche Folgen. Es sind nach dem bereits bewiesenen Teil (i) die f bzw. f1 schlichte, durch f (0) = f1(0) = 0 und f  (0), f1 (0) > 0 normierte biholomorphe Abbildungen von E auf den jeweiligen Kern der Folge Dn(k) bzw. Dne() . Da diese Kerne u  ¨bereinstimmen, gilt f = f1. 15.2.3 Dichte Teilfamilien von S. Versieht man S mit der Topologie der kompakten Konvergenz, so gen¨ ugt es im Hinblick auf den Beweis der Bieberbachschen Vermutung bzw. der Milin-Vermutung, dichte Teilfamilien zu betrachten. ¨ F¨ ur eine schlichte Funktion f (z) ∈ S liefert der Ubergang zu fn (z) = f (rn z)|E ∈ O(E) mit einer Folge von rn → 1 mit 0 < rn < 1 eine gegen f kompakt konvergente Folge von fn ∈ S. Hier wird fn (E) durch eine geschlos1 rn

15.2 L¨ owner-Theorie

331

sene, reell-analytische, doppelpunktfreie Kurve in C, d.h. eine geschlossene, reell-analytische Jordan-Kurve, berandet. Daneben betrachtet man Schlitzgebiete. Definition 15.23. Sei 0 < T ≤ ∞. Eine injektive, stetige Abbildung γ : [0, T ] → C, γ(T ) = ∞ ∈ C, heißt Jordanscher Kurvenbogen, und das Komplement G = C\γ([0, T )) wird Schlitzgebiet genannt. Der Jordansche Kurvensatz der Topologie beinhaltet die sinnf¨allige Tatsachen, dass eine geschlossene Jordan-Kurve die komplexe Ebene in ein einfach zusammenh¨ angendes Gebiet und eine unbeschr¨ankte Zusammenhangskomponente teilt, sowie, dass Schlitzgebiete (im etwas eingeschr¨ankten Sinne der obigen Definition) einfach zusammenh¨ angend sind. Der interessierte Leser findet einen Beweis z.B. in [214]. Wir nennen eine schlichte Funktion f ∈ S, deren Bild ein Schlitzgebiet ist, auch Schlitzabbildung. Als unmittelbare Anwendung des Ca´odoryschen Satzes zeigen wir die folgende Aussage. rathe Satz 15.24. Die Menge der Schlitzabbildungen liegt dicht in S. Dabei kann man zus¨ atzlich annehmen, dass jeweils eine Gerade (−∞, c] Teil des Randes eines zugeh¨ origen Schlitzgebietes ist. Beweis. Es sei f ∈ S, derart dass f (E) durch eine reell-analytische, geschlossene Jordan-Kurve Γ berandet wird. Wir w¨ ahlen eine Gerade, etwa die negative reelle Achse, und es sei w0 = min {Γ ∩ R}. Es sei wn ∈ Γ eine Folge von Punkten, die monoton“ im Sinne einer Parametrisierung von Γ gegen w0 ” konvergiere. Wir bemerken noch, dass bereits die Gerade (−∞, −1/4] wegen des 1/4-Theorems die Kurve Γ schneidet. Es sei nun Γn die Jordan-Kurve, welche ausgehend von −∞ die negative reelle Achse bis w0 durchlaufe, entlang Γ den Nullpunkt umlaufe und in wn ende. Wir setzen Dn = C\Γn und bezeichnen mit fn : E → Dn diejenige biholomorphe Abbildung, f¨ ur welche fn (0) = 0 und fn (0) > 0 sei. Da nach dem Jordanschen Kurvensatz die geschlossene Kurve Γ die offene Menge C\Γ in ein einfach zusammenh¨ angendes Gebiet und eine weitere, unbeschr¨ankte Zusammenhangskomponente teilt, folgt, dass der Kern der Dn gleich D = f (E) ist und die Dn gegen D konvergieren. Nach Satz 15.22 (ii) konvergieren  die fn kompakt gegen f .

332

15 Schlichte Funktionen. Bieberbachsche Vermutung

15.2.4 L¨ owner-Theorie. Ziel dieses Abschnittes ist es, die L¨ ownersche Differentialgleichung f¨ ur Schlitzabbildungen aufzustellen. Wir benutzen im wesentlichen die von L¨ owner eingef¨ uhrte Schreibweise. Subordinationsprinzip Satz 15.25. Es seien f, g ∈ O(E) schlichte Funktionen mit g(0) = f (0) und ur alle g(E) ⊂ f (E). Dann gilt |g  (0)| ≤ |f  (0)| und g(Br (0)) ⊂ f (Br (0)) f¨ 0 < r ≤ 1. Beweis. Es ist die Funktion f −1 ◦ g : E → E erkl¨art. Mit dem Schwarzschen Lemma I.9.2.1 folgt unmittelbar die Behauptung.  Einparametrige Familien Es sei f ∈ S eine Schlitzabbildung, wobei f (E) das Komplement einer analytischen Jordan-Kurve Γ im Sinne von Definition 15.23 sei. Mit ψ : [0, T ) → C, uckweise differenzierbare Palim ψ(t) = ∞, sei eine injektive, stetige und st¨ t→T

rametrisierung von Γ bezeichnet. Es sei Γt = ψ([t, T ]) und Dt = C\Γt . Es seien gt : E → Dt biholomorphe Abbildungen, die durch gt (0) = 0 und β(t) := gt (0) > 0 eindeutig bestimmt werden. Wegen Satz 15.22 h¨angen die ur z ∈ E, t ∈ [0, T ). Es gt (z) von t stetig ab. Wir schreiben gt (z) = g(z, t) f¨ seien g(z, t) = β(t) · (z + b2 (t) z 2 + b3 (t) z 3 + . . .) die Potenzreihenentwicklungen, die Koeffizienten β(t), bj (t) sind in t stetig. Lemma 15.26. Die β(t) sind monoton wachsend. ur s ≤ t folgt mit Satz 15.25 die Behauptung. Beweis. Wegen Ds ⊂ Dt f¨



Korollar 15.27. Nach Umparametrisierung gilt β(t) = et mit T = ∞. Beweis. Wegen Lemma 15.26 ist nur zu zeigen, dass T = ∞, falls β(t) = et . Sei dazu M > 0 fest gew¨ ahlt. Dann ist |ψ(t)| > M f¨ ur t ≥ t0 . Damit ist die Abbildung gt−1 auf BM (0) definiert und nach dem Schwarzschen Lemma  g−1 (w)  1 gilt  t w  ≤ M f¨ ur alle |w| < M und t ≥ t0 , d.h. et = gt (0) ≥ M f¨ ur alle  t ≥ t0 . Wir schreiben von jetzt an   ∞  t n g(z, t) = e z + ; z ∈ E, t ∈ [0, ∞), bn (t)z n=2

und nennen ψ(t) Standardparametrisierung von Γ . Im Zuge einer geometrischen Aufbereitung des Problems f¨ uhrt man die Funktionenfamilie ft : E → E, ft (z) = f (z, t) ein, die durch

15.2 L¨ owner-Theorie

 f (z, t) = g −1 (f (z), t) = e−t

z+

∞ 

333

 an (t)z n

n=2

gegeben ist. Es ist f (z, 0) = z f¨ ur alle z ∈ E und nach Konstruktion ft (E) das Komplement eines Kurvenst¨ uckes in E, welches sich zum Rande hin erstreckt. Durch Einsetzen der Potenzreihen in einander sieht man, dass die an (t) als ownerPolynome in den b2 (t), . . . , bn (t) stetig sind. Der Hauptsatz der L¨ Theorie beinhaltet eine Differentialgleichung. Satz 15.28. Es sei f : E → C\Γ , f ∈ S, Schlitzabbildung und ψ(t) f¨ ur t ∈ [0, ∞) die Standardparametrisierung von Γ . Dann gilt f¨ ur f (z, t) die Differentialgleichung 1 + κ(t)f (z, t) ∂f (z, t) = −f (z, t) , ∂t 1 − κ(t)f (z, t)

(15.25)

wobei κ(t) in t stetig ist mit |κ(t)| = 1. Ferner gilt lim et f (z, t) = f (z), z ∈ E,

t→∞

wobei der Grenzwert im Sinne kompakter Konvergenz existiert. Korollar 15.29. Sei p(z, t) =

∂g  ∂g  z· . ∂t ∂z

(15.26)

1 + κ(t)z 1 − κ(t)z

(15.27)

Dann gilt p(z, t) =

und damit Re(p(z, t)) > 0 f¨ ur alle z ∈ E, t ≥ 0. Beweis. Wegen g(f (z, t), t) = f (z) gilt ∂g(f (z, t), t) ∂g(f (z, t), t) ∂f (z, t) + · = 0. ∂t ∂z ∂t Wegen (15.25) folgt (15.27) f¨ ur z ∈ E, t ≥ 0 und daraus leicht mit |κ| = 1 die Behauptung u  ¨ber den Realteil von p(z, t). Beweis des Satzes: Es wird (15.14) auf w = gt (z) angewandt: et |z| et |z| ≤ |g(z, t)| ≤ (1 + |z|)2 (1 − |z|)2

f¨ ur alle z ∈ E, t ≥ 0,

also  g −1 (w)    (1 − |gt−1 (w)|)2 ≤ et  t  ≤ (1 + |gt−1 (w)|)2 ≤ 4, w

(15.28)

334

15 Schlichte Funktionen. Bieberbachsche Vermutung

insbesondere

|gt−1 (w)| ≤ 4e−t |w|.

Damit ist lim gt−1 (w) = 0 kompakt konvergent. Dies in (15.28) eingesetzt t→∞  g−1 (w)  g −1 (w) ergibt, dass et  t w  gegen eins kompakt konvergiert und {et t w : t ≥ 0} eine normale Familie ist. Sei f¨ ur eine geeignete Teilfolge G(w) = lim etν ν→∞

gt−1 (w) ν w

kompakt konvergent. Dann folgt |G(w)| = 1, G(0) = 1, also G(w) ≡ 1 und damit (w) −→ w etν gt−1 ν kompakt konvergent. Da jede Teilfolge tμ → ∞ ihrerseits eine Teilfolge tμ(ν) mit (w) −→ w etμ(ν) gt−1 μ(ν) besitzt, gilt

lim et gt−1 (w) = w.

t→∞

Damit ist

et g −1 (f (z), t) = et · f (z, t) → f (z)

kompakt konvergent. Um die L¨ ownersche Differentialgleichung aufzustellen, argumentiert man geometrisch: Sei f¨ ur feste 0 ≤ s < t < ∞ ζ = hs,t (z) = gt−1 (gs (z)) = es−t z + . . . .

(15.29)

´odory im Spezialfall Im Folgenden benutzen wir einen Satz von Carathe ohne Beweis. Wir erinnern an Satz 8.20.

Satz 15.30 (Carath´ eodory [35]). Es sei das Gebiet G ⊂ C durch eine geschlossene Jordan-Kurve berandet und f : E → G holomorph. Dann kann f zu einem Hom¨ oomorphismus von E nach G fortgesetzt werden. Dieselbe Aussage gilt f¨ ur Schlitzgebiete, wenn die Punkte der Jordan-Kurve nach ∞ bis auf den Endpunkt des Schlitzes doppelt gez¨ ahlt werden . Analog gilt die Aussage des obigen Fortsetzungssatzes auch f¨ ur geschlitzte Gebiete, deren Rand ansonsten eine geschlossene Jordan-Kurve darstellt. Der Leser findet N¨ aheres in [8, IV.8] oder [89, II.3]. Wir setzen den Beweis von Satz 15.28 fort. Nach Konstruktion bildet hs,t die Einheitskreisscheibe schlicht auf das Komplement E\Js,t ab, wobei Js,t ein stetiges Kurvenst¨ uck bezeichnet, mit Endpunkt λ(t) ∈ ∂ E, welches ansonsten im Innern von E verl¨ auft und keine Doppelpunkte besitzt. Es ist der Endpunkt

15.2 L¨ owner-Theorie

335

λ(t) = gt−1 (ψ(t)) unabh¨ angig von s. Aufgrund von Satz 15.30 l¨asst sich hs,t zu einem Hom¨ oomorphismus von E nach E fortsetzen, wobei die Punkte Js,t , abgesehen vom Anfangspunkt des Kurvenst¨ uckes im Innern von E, doppelt gez¨ ahlt werden m¨ ussen. Wir bezeichnen diesen wieder mit hs,t . Das Urbild alt den Punkt λ(s) = h−1 s,t (Js,t ) ⊂ ∂ E werde mit Bs,t bezeichnet. Es enth¨ gs−1 (ψ(s)), der auf den Anfangspunkt von Js,t abgebildet wird.

Nach dem Koebeschen 1/4-Theorem angewandt auf hs,t liegt wegen (15.29) das Kurvenst¨ uck Js,t außerhalb von B 14 es−t (0). Auf diese Situation wird nun das Schwarzsche Spiegelungsprinzip angewandt: Verm¨oge der M¨ obius-Transformation kann man die Spiegelung z → z an der reellen Achse durch die Spiegelung z → 1/z an der Einheitskreislinie ersetzen. Die holomorphe Fortsetzung von hs,t , die wir wieder mit hs,t bezeichnen, bildet C\Bs,t ∗ ∗ biholomorph auf C\(Js,t ∪ Js,t ) ab, wobei Js,t die an ∂ E gespiegelte Kurve ∗ Js,t bezeichne. Nun liegt Js,t innerhalb B4et−s (0). Es ist lim

z→∞

hs,t (z) 1/hs,t (1/z) = lim z→∞ z z

= lim

z

= lim

z  hs,t (z)

hs,t (z) z→0

z  = et−s . = lim z→0 hs,t (z) z→0

Damit ist die Funktion hs,t (z)/z auf C\Bs,t holomorph (mit Werten in C) und auf den Rand stetig fortsetzbar. Das Maximum ihres Betrages wird am Rande ∗ innerhalb B4et−s (0) liegt, folgt, angenommen, der in ∂E enthalten ist. Da Js,t dass auf C\Bs,t die Absch¨ atzung  h (z)   s,t   ≤ 4et−s  z gilt. Nach Konstruktion und wegen der stetigen Fortsetzung der hs,t auf den ur s → t Rand konvergieren mit t → s die Bs,t gegen {λ(s)} und die Js,t f¨ gegen {λ(t)}.

336

15 Schlichte Funktionen. Bieberbachsche Vermutung h

Es konvergiert f¨ ur t → s, t > s der Quotient s,t aßig auf jedem z gleichm¨ Kompaktum, das λ(s) nicht enth¨ alt, gegen eine beschr¨ankte ganze Funktion ϕ(z), d.h. ϕ(z) = ϕ(0) = 1 f¨ ur alle z. Wir zeigen, dass λ(s) stetig ist: Es sei s ≥ 0 festgehalten und ε > 0. Der Bogen Bs,t enth¨alt den festen Punkt λ(s) und konvergiert mit t → s, s < t, gegen {λ(s)}. Es sei f¨ ur alle s < t < s + δ der Bogen Bs,t in der Kreisscheibe Bε (λ(s)) enthalten. ∗ ) fortgesetzte Die nach C\Bs,t holomorph, mit Werten in C\(Js,t ∪ Js,t oomorphe Fortsetzung auf den Abbildung h(z, s, t) = hs,t (z) besitzt eine hom¨ ∗ ), wobei jeweils alle Punkte bis auf die Endpunkte Rand Bs,t bzw. (Js,t ∪ Js,t der B¨ ogen doppelt gez¨ ahlt werden. Wir wissen, dass f¨ ur s < t < s + δ und t → s die hs,t auf ∂Bε (λ(s)) gleichm¨ aßig gegen die Identit¨ at konvergieren. Da sich λ(t) nun im Innern von hs,t (∂Bε (λ(s))) befindet, folgt die Konvergenz von λ(t) gegen λ(s). Es sei nun δ > 0 so klein gew¨ ahlt, dass der Durchmesser von hs,t (Bε (λ(s))) f¨ ur s < t < s + δ kleiner als ε ist. Dann folgt f¨ ur einen beliebigen Punkt z0 ∈ ∂ Bε (λ(s)), dass |λ(s) − λ(t)| ≤ |λ(s) − z0 | + |z0 − hs,t (z0 )| + |hs,t (z0 ) − λ(t)| ≤ ε + ε + ε = 3ε. F¨ ur die Konvergenz 0 ≤ s < t, s → t kann man ¨ahnlich argumentieren.



Es sei nun

hs,t (z) ∈ O(E) z der Hauptzweig des Logarithmus mit dem Wert Φs,t (0) = s − t. F¨ ur z ∈ ur z ∈ ∂ E\Bs,t ist nach Konstruktion Re Φ(z) = 0, w¨ahrend Re Φ(z) ≤ 0 f¨ Bs,t gilt. Es wird nun die Schwarzsche Integralformel aus Abschnitt I.7.2.5 benutzt:  Re Φ(ζ) ζ + z 1 dζ + i Im Φ(0) Φ(z) = 2πi ζ ζ −z Φ(z) = Φs,t (z) = log

Bs,t

1 = 2π

β α



wenn e



und e

(15.30) eiϕ + z dϕ , Re Φ(eiϕ ) iϕ e −z

Anfangs- und Endpunkt von Bs,t darstellen. Also gilt 1 Φ(0) = s − t = 2π

β Re Φ(eiϕ ) dϕ .

(15.31)

α

Wegen hs,t ◦ fs = ft folgt nach Ersetzen von z durch fs aus (15.30) die Gleichung

15.2 L¨ owner-Theorie

ft 1 log = fs 2π

β Re Φ(eiϕ ) α

337

eiϕ + fs dϕ . eiϕ − fs

Es wird der Mittelwertsatz (einzeln) auf Real- und Imagin¨arteil des Integrals angewandt: log ft (z) − log fs (z) =

eiτ + f (z)  1 β

eiσ + f (z)  s s + i Im iτ · Re Φ(eiϕ ) dϕ Re iσ e − fs (z) e − fs (z) 2π

=

α

f¨ ur α < σ, τ < β. Division durch t − s unter Ber¨ ucksichtigung von (15.31) und Grenz¨ ubergang t → s, t > s liefert wegen eiα , eiβ → λ(s) die Gleichung λ(s) + fs (z) ∂ log f (z, s) = − . ∂s λ(s) − fs (z) Mit κ = 1/λ folgt die Behauptung.  Die Rotationen der Koebe-Funktion spielen auch f¨ ur die L¨ ownersche Differentialgleichung eine besondere Rolle. Wir diskutieren ein Beispiel, das wir noch im Beweis der Bieberbachschen Vermutung benutzen werden. Es sei Γ ⊂ C der Weg zu dem Intervall (−∞, −1/4] und Γλ dessen Rotation um λ mit |λ| = 1. Beispiel 15.31. Es sei f (z) gleich der Rotation kλ der Koebe-Funktion. Dann gilt (15.32) g(z, t) = et kλ (z). Ferner ist (15.25) mit κ(t) = −λ erf¨ ullt. Beweis. Gleichung (15.32) gilt aufgrund der Konstruktion, und Einsetzen in (15.26) bzw. (15.27) zeigt, dass κ(t) = −λ gilt.  Es sei nun eine Schlitzabbildung f (z) ∈ S mit den Voraussetzungen von Satz 15.24 gegeben: F¨ ur t ≥ t0 durchlaufe ψ(t) das Intervall (−∞, c]. Proposition 15.32. Es gilt g(z, t) = βet k(z) = βet

z ,β>0 (1 − z)2

(15.33)

f¨ ur t ≥ t 0 . Beweis. Nach Konstruktion ist g(z, t) = β(t)k(z). Dies eingesetzt in (15.26) und (15.27) liefert mit z = 0, dass β(t) = βet . 

338

15 Schlichte Funktionen. Bieberbachsche Vermutung

15.3 Beweis der Bieberbachschen Vermutung Im Jahre 1985 ver¨ offentlichte Louis de Branges seinen Beweis der MilinVermutung. Er zeigte diese f¨ ur alle n, indem er gewisse reelle Funktionen τkn (t) f¨ ur t ≥ 0 einf¨ uhrte sowie die Funktion

n  4 n 2 . τk (t) k|dk (t)| − ψ(t) = k k=1

Hier sind die dk (t) die logarithmischen Koeffizienten von e−t f (z, t) zu einer L¨ ownerschen Funktion f (z, t). Der Beweis beruht auf τkn (0) = n + 1 − k und ψ(0) ≤ 0. In den folgenden Abschnitten geben wir den Beweis von Lenard Weinstein aus dem Jahre 1989, der f¨ ur alle n gleichzeitig das Problem l¨oste, indem er eine erzeugende Funktion einf¨ uhrte. Sp¨ater stellte P.G. Todorov einen Bezug zwischen den Ableitungen der Funktionen τkn (t) und den bei Weinstein auftretenden Koeffizienten Λnk (t) her. Bemerkenswert ist, dass die L¨ osung von Weinstein ohne das Resultat von Askey und Gasper aus dem Jahre 1979 auskommt, welches die von de Branges ben¨otigte Positivit¨ at gewisser hypergeometrischer Funktionen beinhaltet. Zu erw¨ahnen bleibt noch die Vereinfachung des Beweises von de Branges durch FitzGerald und Pommerenke [73]. 15.3.1 Ansatz.

∞ 

Es sei f (z) = z +

an z n ∈ S eine schlichte Funktion

n=2

deren Bild ein Schlitzgebiet im Sinne von Satz 15.24 sei. Benutzt wird die Existenz einer Familie von schlichten holomorphen Funktionen g(z, t) = gt (z) f¨ ur z ∈ E , t ≥ 0 im Sinne der L¨ owner-Theorie (vgl. Abschnitt 15.2), Weinstein benutzt hier allerdings die Notation ft (z) anstelle von g(z, t). (i) g0 = f (ii) gt (z) = et z +

∞ 

ak (t) z k

k=2

(iii) log

gt (z) = et z

∞ 

ck (t) z k

k=1

2 f¨ ur alle k, k (iv) Re p(z, t) > 0 f¨ ur alle t und z, wobei  ∂gt (z) ∂gt (z) p(z, t) = z . ∂t ∂z mit ck (∞) = lim ck (t) = t→∞

(15.34)

15.3 Beweis der Bieberbachschen Vermutung

339

Die obigen Bedingungen wurden in Abschnitt 15.2 bereitgestellt, wir bemerken noch, dass die asymptotische Bedingung an die Koeffizienten ck (t) aus (iii) eine Folgerung aus (15.33) ist. Weinsteins Beweis besteht in der Konstruktion von Funktionen gn (t) ≥ 0, derart, dass  n

∞   4 n=1

k=1

k

2

− k |ck (0)|





· (n − k + 1)

∞  



z

n+1

=

gn (t) dt z n+1

n=1 0

(15.35) gilt. Diese Darstellung hat dann unmittelbar die G¨ ultigkeit der MilinVermutung zur Folge. Benutzt wird eine Familie schlichter Funktionen w = wt (z) auf E deren Bild eine geschlitzte Einheitskreisscheibe ist. Die Konstruktion entspricht derjenigen aus Abschnitt 15.2.4, angewandt auf die Koebe-Funktion selbst. Diese Familie wird durch z w = f¨ ur z ∈ E, t ≥ 0 et 2 (1 − w) (1 − z)2 d.h. w = wt (z) = k −1 (e−t k(z)) beschrieben. Es folgt offensichtlich w0 (z) = z und durch Differenzieren der vorstehenden Gleichung 1−w ∂ wt = −w . ∂t 1+w

(15.36)

15.3.2 Konstruktion der erzeugenden Funktionen gn (t). Die linke Seite der Gleichung (15.35) wird umgeformt. Die Potenzreihe wird als ein Cauchy-Produkt ∞

 4 z 2 − k |c zk · (0)| k (1 − z)2 k k=1

geschrieben und mit dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung wegen (15.34) (iii) und w0 (z) = z zu ∞

 ∞ z d  4 − k |ck (t)|2 wt (z)k dt − (1 − z)2 dt k k=1

0

umgeformt. Nach Konstruktion der wt und wegen (15.36) ist dies Z∞ 0

Z∞ = 0

« ∞ „ et w X ∂ 1−w 2 2 2 wk dt k (t)| ) + (4 − k |c (t)| ) · (|c k k (1 − w)2 ∂t 1+w k=1

et w 1 − w2

∞ „ X k=1

«

1+w ∂ ·k (|ck (t)|2 ) + (4 − k2 |ck (t)|2 ) 1−w ∂t

wk dt . (15.37)

340

15 Schlichte Funktionen. Bieberbachsche Vermutung

Nach der Cauchyschen Integralformel gilt f¨ ur 0 < r < 1  log  gt (ζ)  1 et ζ dζ , ck (t) = 2πi ζ k+1 |ζ|=r

also

2π

1 ∂ ck (t) = ∂t 2π Es ist ∂ log ∂t



gt (ζ) et ζ

0

=

g (ζ)  dθ ∂ t log ; ζ = reiθ . ∂t et ζ ζk

∂ ∂t gt (ζ)

−1=

gt (ζ)

ζ · p (ζ, t) ·

∂gt (ζ) ∂ζ

gt (ζ)

−1

und damit (der Wert −1 liefert wegen k ≥ 1 keinen Beitrag zum Integral) 1 ∂ck (t) = ∂t 2π

2π ζ · p(ζ, t) 0

g  (ζ, t) dθ g(ζ, t) ζ k

Gem¨ aß (15.34) (iii) gilt 1 gt (z) = gt (z) z Also 1 ∂ck (t) = ∂t 2π

2π 0



∞ 

1+

 ck (t) · k z k

,

k=1

∞   p(ζ, t) 1 + c (t) ·  ζ  dθ , k ζ =1

dies unabh¨ angig von 0 < r < 1, also =

1 lim 2π r→1

2π

∞  k

 p(ζ, t) 1 + c (t) ·  ζ  ζ dθ . =1

0

Damit schreiben wir die linke Seite von (15.35) in der Form 1 +V U +U nach Einf¨ ugen eines tautologischen Summanden. Es ist (wiederum mit w = wt (z)) ∞ U= 0

et w 1 + w · 1 − w2 1 − w

⎛ · ⎝1 +

∞  k=1

1 lim r→1 2π

2π

p(ζ, t) 1 +

0

∞  =1





c (t) ·  ζ  · k ck (t) ζ dθ wk ⎠ dt , k

15.3 Beweis der Bieberbachschen Vermutung

341

und 1= U

∞ 0

et w 1 + w · 1 − w2 1 − w

⎛ · ⎝1 +

∞  k=1

1 lim r→1 2π

2π

p(ζ, t) 1 +

V = 0 ∞

= 0





c (t) ·  ζ  · k ck (t) ζ k dθ wk ⎠ dt ,

=1

0

und (nach Auswerten der Reihe ∞

∞ 

∞ k=1

4wk )

∞   4w 1+w et w + − − 2 k 2 |ck (t)|2 wk dt 2 1−w 1−w 1−w k=1

∞   et w 2 2 k − 2 − dt . k |c (t)| w k 1 − w2 k=1

Wir schreiben f¨ ur k > 0 als Abk¨ urzung 1 ηk := lim r→1 2π 1 2π

= lim

r→1

2π 0

2π 0

∞ 

 k p(ζ, t) 1 + c (t) ·  ζ  k ck (t) ζ dθ =1 k 

 k p(ζ, t) 1 + c (t) ·  ζ  k ck (t) ζ dθ. =1

¨ (Die Gleichheit, d.h. der Ubergang zur endlichen Summe, gilt wegen der Holomorphie von p(ζ, t) in ζ wegen des Cauchyschen Integralsatzes). Ferner setzen wir η0 := 1. Ferner sei γ (ζ, t) := c (t) ·  · ζ l . Damit ist 1 2π

 0



2 0 p(ζ, t)γ γj = |cj (t)|2 j 2

f¨ ur  > j f¨ ur  = j,

wegen der Holomorphie von p(ζ, t) in ζ und p(0, t) = 1 f¨ ur alle t.

(15.38)

342

15 Schlichte Funktionen. Bieberbachsche Vermutung

∞ U =

k=0

0

∞ = 0

∞ = 0

∞ et w 1 + w  · ηk wk dt 1 − w2 1 − w

et w · 2 1 − w2

∞ 

∞  

w −1 k

k=0

et w 1+ 1 − w2

 ηk wk dt

k=0

∞ 

 (2 (1 + η1 + · · · + ηk ) − ηk ) wk dt.

k=1

Wir benutzen (15.38) und erhalten  2π j k k     1 1+ ηj = lim p(ζ, t) γ γj dθ r→1 2π 0 j=1 j=1 =1

1 r→1 2π





= lim

= lim

r→1

= lim

r→1

1 2π 1 2π

p(ζ, t) 0





0



k 

k 

j=1

=1

1+

 γ γj dθ

 2π k k  2 

  1   p(ζ, t) · 1 + γ  dθ − lim p(ζ, t) 1 + γ dθ r→1 2π 0 =1



0

=1

k  2    p(ζ, t) · 1 + γ  dθ − 1. =1

Also δk := 2(1 + η1 . . . ηk ) − ηk  2π k k 2  

   1   = lim p(ζ, t) 21 + γj  − 1 + γj · γk dθ. r→1 2π 0 j=1 j=1 Wir bemerken, dass 1 lim r→1 2π





p(ζ, t) (1 +

k 

0

γ ) · γk dθ = |ck (t)|2 · k 2

=1

ist und berechnen 1 δk + δk − |ck (t)| · k = lim r→1 2π 2

2

 0



k  2     Re(p(ζ, t)) 2 1 + γj − γk  dθ j=1

1 + V ein. Damit ist die linke Seite von (15.35) gleich und setzen dies in U + U ∞ 0

 2π ∞ k 2    et w  1   − γ lim Re(p(ζ, t)) 2 1 + γ  dθ wk dt.  j k r→1 2π 0 1 − w2 j=1 k=1

(15.39)

15.3 Beweis der Bieberbachschen Vermutung

343

Dieser Ausdruck wird nun geschrieben in der Form ∞ 0

∞  et w  Ak (t) wk dt . 2 1−w k=1

Wegen (15.34)(iv) (L¨ owner-Theorie!) sind die Ak (t) ≥ 0 f¨ ur alle t ≥ 0 und alle k. Wir setzen ∞  et wk+1 = Λnk (t) z n+1 . (15.40) 1 − w2 n=0 Nun k¨ onnen die (nur von t abh¨ angigen) Funktionen gn (t) als gn (t) :=

∞ 

Ak (t)Λnk (t)

k=1

definiert werden, so dass die Gleichung (15.35) erf¨ ullt ist. Im n¨ achsten Abschnitt soll gezeigt werden, dass f¨ ur alle t ≥ 0 die Ungleichung Λnk (t) ≥ 0

(15.41)

gilt. Die Funktionen Λnk (t) sind allein durch die Koebe-Funktion definiert und insbesondere unabh¨ angig von der gew¨ ahlten schlichten Funktion f ∈ S. ur alle n die Ungleichung Zusammen mit Ak (t) ≥ 0 liefert (15.41), dass f¨ gn (t) ≥ 0 gilt, so dass mit (15.35) die Milin-Vermutung folgen wird. 15.3.3 Beweis von Λn k (t) ≥ 0. Entscheidend ist die explizite Berechnung der Funktionen wt (z) und die Berechnung der Koeffizienten Λnk (t) mit Hilfe von Legendre-Polynomen. In diesem Abschnitt ben¨otigen wir nur noch die von der Koebe-Funktion abgeleitete Funktionenfamilie wt (z), jedoch nicht mehr die mit f ∈ S zusammenh¨ angenden Notationen. Wir bemerken, dass die Funktion z + z1 ∈ O(E× ) Kreisscheiben Br (0) auf das ¨ Außere von Ellipsen mit den Halbachsen 1r +r und 1r −r abbildet. Das Bild von ur reelle γ ist das Bild der Funktion (z) = z−2 cos γ+ z1 (E× ) ist C\[−2, +2]. F¨ gleich C\[−2 − 2 cos γ, +2 − 2 cos γ]. Es ist  ∈ O(E× ) offensichtlich injektiv und damit z ∈ S. (15.42) hγ (z) = 1 − 2 cos γ · z + z 2 F¨ ur cos γ = ±1 ist hγ (E) das Gebiet C\



− ∞,

+ *  −1 1 ∪ , ∞ . 2(1 + cos γ) 2(1 − cos γ)

(15.43)

344

15 Schlichte Funktionen. Bieberbachsche Vermutung

Bemerkung. Zu gegebenem Winkel θ und t ≥ 0 kann man stets die Gleichung e−t 1 = 2(1 − cos γ) 2(1 − cos θ)

(15.44)

in γ l¨ osen.

Satz 15.33. Es sei (15.44) erf¨ ullt. Dann gilt −t wt = h−1 · hγ ) . θ ◦ (e

(15.45)

−t Beweis. Sei g = h−1 · hγ ). Wegen (15.44) und (15.42) ist g(E) = θ ◦ (e E\(−1, s], wobei s durch t, γ und θ bestimmt ist. Wegen hθ , hγ ∈ S gilt g(0) = 0 und g  (0) = e−t . Ebenso ist wt (E) = E\(−1, s1] mit wt (0) = 0, wt (0) = e−t . Es ist nicht erforderlich, s und s1 zu vergleichen. Je nachdem, ob s ≤ s1 oder s1 ≤ s, ist g −1 ◦ wt bzw. wt ◦ g −1 erkl¨art, und nach dem  Schwarzschen Lemma folgt g = wt .

Wir schreiben (15.45) als et hθ (wt (z)) = hγ (z) .

(15.46)

Es ist mit w = wt (z) et hθ (wt (z)) =

et w 1 − w2 . 1 − w2 1 − 2 cos θ · w + w2

(15.47)

Satz 15.34. Seien t ≥ 0, γ und θ wie in (15.44). Dann gilt hγ (z) =

∞   et w k 1 + 2 . cos (k θ) · w 1 − w2

(15.48)

k=1

Beweis. Wir schreiben f¨ ur die reelle Variable x, |x| < 1 und festes θ ∈ R:

1 − x2 1 + eiθ x = Re 1 − 2 cos θ · x + x2 1 − eiθ x

∞  ikθ k e x = Re 1 + 2 k=1

=1+2

∞ 

cos (kθ) xk .

k=1

Diese Beziehung gilt dann f¨ ur komplexe Variablen vom Betrag kleiner als eins,  insbesondere f¨ ur die wt (z). Also folgt (15.48) mit (15.47). Wir setzen (15.40) ein und erhalten Korollar 15.35.    et wt (z) n n+1 · cos (kθ) . + 2 Λ (t) z k 1 − wt (z)2 n=0 ∞

hγ (z) =

k=1



(15.49)

15.3 Beweis der Bieberbachschen Vermutung

Wir ben¨ otigen Eigenschaften der Legendre-Polynome. Es sei  1 hγ (z) =, η(z) = ∈ O(E) . z 1 − 2 cos γ · z + z 2

345

(15.50)

Wir schreiben cos γ = y. Es gilt η(z) = 1 +

∞ 

Pn (y) z n ,

(15.51)

n=1

wobei die Pn (y) die Legendre-Polynome Pn (y) =

 1 dn  2 (y − 1)n n n n! 2 dy

(15.52)

sind. Der Vollst¨ andigkeit halber deuten wir den Beweis f¨ ur (15.52) an. Die Existenz einer Potenzreihenentwicklung der Form (15.51) mit polynomialen Koeffizienten folgt durch Einsetzen von z 2 − 2yz in die binomische Reihe. Zur Bestimmung der Pn (y) wird nach z differenziert: ∞ P

n · Pn (y) · z n−1 = (y − z)(1 − 2yz + z 2 )−3/2

n=1

(1 − 2yz + z 2 )

∞ P

” “ ∞ P n Pn (y) z n−1 = (y − z) 1 + Pn (y) z n ,

n=1

und daraus folgt: P1 (y) = y, P2 (y) =

n=1 2

3y −1 2

und allgemein

(n + 1) Pn+1 (y) − 2ny · Pn (y) + (n − 1) · Pn−1 (y) = y · Pn (y) − Pn−1 (y) , d.h. (n + 1) Pn+1 (y) − (2n + 1) y · Pn (y) + n · Pn−1 (y) = 0 . Diese letztere Rekursionsformel erf¨ ullen die bereits mit Pn (y) in (15.52) bezeichneten Funktionen, die durch P1 (y) = y, P0 (y) = 1 und die Rekursionsformel eindeutig bestimmt sind.

Weinstein wendet die Verdopplungsformel f¨ ur die Legendre-Polynome bzw. Kugel(fl¨ achen)funktionen an. In (15.44) schreibt er e−t/2 = sin ϕ. Damit folgt cos γ = (1 − e−t ) + e−t cos θ = cos2 ϕ + sin2 ϕ cos θ .

(15.53)

Aus der bekannten Darstellung der Legendre-Polynome durch Kugelfl¨ achenfunktionen erh¨ alt man unmittelbar die folgende Formel, die sich in Lehrb¨ uchern der Mathematischen Physik findet.

346

15 Schlichte Funktionen. Bieberbachsche Vermutung

Pn (cos2 ϕ + sin2 ϕ cos θ) = n  (n − k)! (P k (cos ϕ))2 cos(k θ), (Pn (cos ϕ))2 + 2 (n + k)! n k=1

wobei Pnk die assoziierten Legendre-Funktionen Pnk (y) = (−1)k (1 − y 2 )k/2

dk Pn (y) dy k

bezeichnen. Insgesamt folgt 1

η(z) = 6

1 − 2z(cos2 ϕ + sin2 ϕ cos θ) + z 2 ∞ n    (n − k)! k Pn (cos ϕ)2 cos(kθ) z n Pn (cos ϕ)2 + 2 = 1+ (n + k)! n=1 k=1

Wir schreiben kurz daf¨ ur η(z) = 1 +

∞ 

n 

n=1

k=1

an (ϕ) +

 bkn (ϕ) cos(kθ) z n

(15.54)

mit an (ϕ), bkn (ϕ) ≥ 0, wobei nach Definition die ϕ Funktionen von t sind. Die interessierenden Λnk (t) sind als Koeffizienten von 2 cos(kθ) · z n+1 in hγ (z) = z · η(z)2 zu berechnen. Wegen 2 cos(kθ) · cos(θ) = cos((k + )θ) + cos((k − )θ) liefert das Quadrieren und Multiplizieren mit z des Ausdrucks aus (15.54), dass f¨ ur alle n, k und t ≥ 0 Λnk (t) ≥ 0 gilt. Damit ist der Beweis der Bieberbachschen Vermutung abgeschlossen. 

15.4 Historisches zur Bieberbach-Vermutung Gronwalls Fl¨ achensatz [97] f¨ ur die Klasse aller Funktionen g(ζ) = ζ + b1 b2 ζ + ζ 2 + · · · aus Σ stand am Anfang, bereits mit einem Extremalprinzip, ur b2 = b3 = · · · = 0 gilt. Ohne Kenntnis dieses Redass |b1 | = 1 nur f¨ sultats ver¨ offentlichte Bieberbach [16] im Jahre 1916 dieselbe Ungleichung ∞  n |bn |2 ≤ 1, stellte jedoch die Klasse S in den Vordergrund und zeigte n=1

15.4 Historisches zur Bieberbach-Vermutung

347

|a2 | ≤ 2 mit Hilfe der Bedingung |b1 | ≤ 1. Er folgerte, dass |a2 | = 2 nur f¨ ur Rotationen der Koebe-Funktionen gelten kann. In einer Fußnote schrieb er ur das Maximum der |an | Vielleicht ist u ¨berhaupt kn = n“. (Hier steht kn f¨ ” u ¨ber alle Funktionen aus S.) Die Ungleichung |an | ≤ n wird seitdem als Bieberbach-Vermutung beur Funkzeichnet. Im Jahre 1917 zeigte L¨ owner die Ungleichung |an | ≤ 1 f¨ tionen f ∈ S, f¨ ur welche f (E) konvex ist [168]. F¨ ur sternf¨ormige Funktionen zeigte Nevanlinna 1920 in [183] die G¨ ultigkeit der Bieberbach-Vermutung. Sowohl in L¨ owners als auch Nevanlinnas Resultat ging eine Absch¨atzung ´odory ein. Die Beziehung |a3 | ≤ 3 wurde mit diesen Methoden von Carathe 1923 von L¨ owner in [168] gezeigt. F¨ ur h¨ ohere Werte von n wurden die Beweise immer komplizierter. F¨ ur alle n zeigte Littlewood 1925 in [167] die Absch¨atzung |an | < e · n. Man arbeitete nun weiterhin daran, die Bieberbachsche Vermutung einerseits in schw¨ acherer Form oder f¨ ur interessante Teilklassen von S in ihrer sch¨arferen Version oder andererseits f¨ ur einzelne Werte von n zu zeigen. ´ [52] und Rogosinski [232] zeigten 1931 unabh¨angig die AusDieudonne sage der Bieberbachschen Vermutung f¨ ur s¨ amtlich reelle Koeffizienten an . Die Robertson-Vermutung [229] aus dem Jahre 1936 besagt die Absch¨ atzung n  |c2k−1 |2 ≤ n k=1

f¨ ur die Koeffizienten ungerader Funktionen aus S und impliziert die Bieberbach-Vermutung. Robertson selbst zeigte diese f¨ ur n = 3. Wichtig waren ferner Ergebnisse von Schiffer [245] und Garabedian und Schiffer [80], ¨ welche |a4 | ≤ 4 lieferten. Der Ansatz von Grunsky [99] beinhaltete den Ubergang zu zwei komplexen Ver¨ anderlichen: F¨ ur g ∈ Σ betrachtete er die Potenz∞ ∞   γnk z −n ζ −k der auf (C\E) × (C\E) holomorphen reihenentwicklung − n=1 k=1

Funktion log

g(z) − g(ζ) . z−ζ

Er zeigte die nach ihm benannte Ungleichung N N  N N    |λn |2  |μk |2   γnk λn μk  ≤  n k n=1 n=1 k=1

k=1

f¨ ur alle λn , μn ∈ C. ´ski und Schiffer benutzten diese 1960 in [47], um auf einfaCharzyn che Weise |a4 | ≤ 4 zu zeigen, und Pederson [200], Ozawa [199] l¨osten den Fall n = 6 auf diese Weise. Milin [170] konnte 1965 mit den GrunskyUngleichungen die Absch¨ atzung |an | < 1, 243 · n zeigen. Sp¨ater (1972) zeigte

348

15 Schlichte Funktionen. Bieberbachsche Vermutung

FitzGerald [72] durch Exponenzieren der Grunskyschen Ungleichung die noch bessere Absch¨ atzung  7 · n. |an | < 6 Ebenfalls mit diesen Methoden folgte 1972 der Fall n = 5 (PedersonSchiffer [201]). Die noch st¨ arkere Milin-Vermutung wurde schließlich in voller Allgemeinheit gel¨ ost. De Branges bewies diese und damit die Robertson- und BieberbachVermutung ausgehend von der Situation der L¨ owner-Theorie [50]. Er betrachtete die logarithmischen Koeffizienten dk (t) von e−t f (z, t) und definierte (f¨ ur noch zu w¨ ahlende Funktionen τkn (t)) ψ(t) :=

n  k=1

 4 . τkn (t) k |dk (t)|2 − k

Mit τkn (0) = n + 1 − k f¨ ur k = 1, . . . , n ist die Milin-Vermutung zu ψ(t) ≤ 0 ussen wegen der L¨ ownerschen f¨ ur alle t ¨ aquivalent. Die Koeffizienten τkn (t) m¨ Differentialgleichung ihrerseits gewisse Differentialgleichungen erf¨ ullen. De Branges konstruierte aus den Potenzreihenentwicklungen geeigneter hypergeometrischer Funktionen die gesuchten Funktionen τkn (t). Der Nachweis aller notwendigen Eigenschaften gestaltete sich als m¨ uhevoll, und Gautschi benutzte numerische Methoden, um diese f¨ ur n ≤ 30 zu u ufen. Schließlich ¨berpr¨ stellte de Branges fest, dass die noch fehlenden Eigenschaften bereits 1976 von Askey und Gasper gezeigt worden waren [5]. FitzGerald und Pommerenke gaben 1985 eine Vereinfachung an [73]. Der hier vorgestellte Beweis von Weinstein [278] aus dem Jahre 1991 ersetzte die Funktionen τkn durch Legendre-Polynome. Es stellte sich sp¨ater heraus (Todorov [261], sowie Koepf und Schmersau [148]), dass die Weinstein-Koeffizienten Λnk (t) mit den Funktionen τkn (t) von de Branges durch τ˙kn (t) = −k Λnk (t) miteinander verbunden sind. Der im Original vierseitige Beweis von Weinstein setzt die L¨ owner-Theorie voraus und benutzt lediglich ein klassisches Additionstheorem f¨ ur Legendre-Funktionen. Aufgabe. Zeigen Sie, dass die folgenden Funktionen in der Klasse S enthalten sind, verifizieren Sie die Aussagen u ¨ber die Bildgebiete. 1) f (z) =

∞ X z zn , = 1−z n=1

1 f (E) = {w ∈ C : Re(w) > − } 2

(im Sinne von I.5.4.4).

15.4 Historisches zur Bieberbach-Vermutung 2) F¨ ur z ∈ E ist der Hauptzweig des Logarithmus Log

` 1+z ´ 1−z

erkl¨ art. Dann ist f¨ ur

∞ “1 + z ” X 1 1 = Log z 2n−1 2 1−z 2n − 1 n=1 π π f (E) = {w ∈ C : − < Im(w) < − } . 2 2

f (z) =

3) F¨ ur die Funktion

∞ X z = z 2n−1 1 − z2 n=1

f (z) = ist

“`

” 1 1 − ∞, − ] ∪ [ , ∞) 2 2 eine zweifach geschlitzte Zahlenebene. f (E) = C\

349

16. Kurzbiographien Quelle u.a.: Dictionary of Scientific Biography

Lipman BERS, lettisch-amerikanischer Mathematiker: geb. 1914 in Riga; 1938 Dissertation an der deutschen Universit¨ at in Prag; seit 1940 in den USA, gest. 1993 in New Rochelle. Wilhelm BLASCHKE, ¨ osterreichischer Mathematiker: geb. 1885 in Graz; Professor in Prag, Leipzig, K¨ onigsberg; von 1919 bis 1953 in Hamburg; gest. 1962 in Hamburg. – Blaschke war Differentialgeometer, Begr¨ under der Theorie der Gewebe. Andr´ e BLOCH, franz¨ osischer Mathematiker: geb. 1893 in Besancon; 1913 ´ Student an der Ecole Polytechnique; 1914/15 verwundet; 1917 nach blutigem Familendrama Einweisung in eine psychiatrische Klinik, wo er bis zu seinem Tode 1948 blieb; 1948 posthume Verleihung des Becquerel-Preises. – Vgl. H. Cartan und J. Ferrand: The case of Andr´e Bloch, Math. Intelligencer 10, 23–26 (1988). ´ Constantin CARATHEODORY, griechisch-deutscher Mathematiker: geb. 1873 in Berlin; 1891 Abitur in Br¨ ussel; 1895 Ingenieuroffizier an der ´ ¨ belgischen Ecole militaire; 1898 in Agypten beim Nilstaudammbau; 1900 Studium der Mathematik in Berlin; 1905 Habilitation in G¨ottingen; 1909 Professor in Hannover; 1913 Nachfolger von F. Klein in G¨ottingen; 1920 Gr¨ undungsrektor der griechischen Universit¨at in Smyrna; 1922 Flucht nach Athen; 1924 Nachfolger von F. Lindemann (Transzendenz von π) in M¨ unchen; gest. 1950 in M¨ unchen. ´ Leopold FEJER, ungarischer Mathematiker: geb. 1880 in P´ecs; 1897–1902 Studium in Budapest und Berlin; ab 1911 Professor in Budapest, gest. 1959 ´r ist Mitbegr¨ in Budapest. – Feje under der großen ungarischen Schule der ´ lya, Analysis, zu der u.a. P. Erd¨ os, F. und M. Riesz, J.v. Neumann, G. Po ´ ´ T. Rado, O. Szasz, G. Szeg¨ o und J. Sz¨ okefalvi-Nagy geh¨oren. – Nachruf: ´l in Publ. Math. Debrecen 8, 1–24 Leopold Fej´er, In memoriam von J. Acze (1961). Jacques HADAMARD, franz¨ osischer Mathematiker: geb. 1865 in Versailles, von 1884 bis 1888 Normalien; 1897–1909 Dozent an der Sorbonne; 1909–1937 Professor am Coll`ege de France; gest. 1963 in Paris. – Nachruf von S. Mandelbrojt und L. Schwartz in Bull. Amer. Math. Soc. 71, 107–129 (1965).

352

16 Kurzbiographien

Friedrich HARTOGS, deutscher Mathematiker: geb. 1874 in Br¨ ussel; 1905 Dozent und ab 1927 o. Professor an der Universit¨at M¨ unchen; 1935 zwangspensioniert; gest. 1943 in M¨ unchen durch Freitod wegen rassischer Verfolgung. ¨ Otto HOLDER, deutscher Mathematiker: geb. 1859 in Stuttgart; Professor in T¨ ubingen, K¨ onigsberg und ab 1899 in Leipzig, gest. 1937 in Leipzig. – Bekannt durch die H¨ older-Ungleichungen und die H¨ older-Stetigkeit sowie durch den Satz von Jordan-H¨ older-Schreier u ¨ber Kompositionsreihen von Gruppen. Adolf HURWITZ, deutsch-schweizerischer Mathematiker: geb. 1859 in Hildesheim; Gymnasialunterricht bei H.C.H. Schubert, dem Vater des abz¨ ahlenden Kalk¨ uls“ der algebraischen Geometrie; 1877 Studium bei ” Klein, Weierstrass, Kronecker; 1881 Promotion in Leipzig; 1882 Habilitation in G¨ ottingen, da sich in Leipzig Realgymnasialabiturienten nicht habilitieren durften; 1884 mit 25 Jahren Extraordinarius in K¨onigsberg, dort Freundschaft mit Hilbert und Minkowski; 1892 Ablehnung der SchwarzNachfolge in G¨ ottingen und Annahme des Rufes als Frobenius-Nachfolger an das Eidgen¨ ossische Polytechnikum Z¨ urich; gest. 1919 in Z¨ urich. – Arbeiten zur Funktionentheorie, zur Theorie der Modulfunktionen, zur Algebra und zur algebraischen Zahlentheorie. Carl Gustav Jacob JACOBI, deutscher Mathematiker: geb. 1804 in Potsdam; 1824 Promotion und Habilitation in Berlin, verteidigte die These Alle ” Wissenschaften m¨ ussen streben, Mathematik‘ zu werden“; 1826 Dozent in ’ K¨onigsberg, dort 1825 o. Professur; 1829 Freundschaft mit Dirichlet, dessen Frau Rebecca Mendelssohn, deren Zusammensein durch sie schwiegen ” ur WissenMathematik“ beschrieb; 1842 Mitglied des Ordens Pour le M´erite f¨ ” unste“; 1844 Umzug nach Berlin, o. Mitglied der Preuss. Akad. schaft und K¨ Wiss.; 1849 finanzielle Repressalien wegen seines Verhaltens nach der M¨arzrevolution 1848; 1849 Ruf nach Wien; gest. 1851 in Berlin an Blattern. – Jacobi galt ab etwa 1830 als der nebst Gauss bedeutendste deutsche Mathematiker. Lit.: Ged¨ achtnisrede, gehalten 1852 von L. Dirichlet, in Jacobis Ges. Werken 1, 1–28, oder Teubner-Archiv zur Mathematik, Bd. 10, 1988, ed. H. Reichardt, S. 8–32; ferner L. K¨ onigsberger: Carl Gustav Jacob Jacobi, J. DMV 13, 405–433 (1904). Robert JENTZSCH, deutscher Mathematiker: geb. 1890 in K¨onigsberg; 1914 Promotion in Berlin; 1917 Privatdozent Universit¨at Berlin, gef. 1918. Paul KOEBE, deutscher Mathematiker: geb. 1882 in Luckenwalde bei Berlin; Sch¨ uler von H.A. Schwarz; 1907 Habilitation in G¨ottingen; 1914 o. Prof. in Jena; 1926 o. Prof. in Leipzig; gest. 1945 in Leipzig. – Koebe war ein Meister der konformen Abbildung und der Uniformisierungstheorie. Er legte Wert darauf, ein ber¨ uhmter Mathematiker zu sein; eine Anekdote erz¨ahlt, dass er

16 Kurzbiographien

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immer inkognito reiste, um in Hotels nicht gefragt zu werden, ob er mit dem ber¨ uhmten Funktionentheoretiker verwandt sei. – Nachrufe von L. Bieberbach und H. Cremer: Paul Koebe zum Ged¨ achtnis, Jahresber. DMV 70, 158– 161 (1968); und R. K¨ uhnau: Paul Koebe und die Funktionentheorie, 183–194, in 100 Jahre Mathematisches Seminar der Karl-Marx Universit¨ at Leipzig, ed. H. Beckert und H. Schumann, VEB Deutscher Verl. Wiss. Berlin 1981. Edmund LANDAU, deutscher Mathematiker: geb. 1877 in Berlin; Sch¨ uler von Frobenius; 1909 o. Professor in G¨ ottingen als Nachfolger von Minkowski; 1905 Schwiegersohn von Paul Ehrlich (Chemotherapie und Salvarsan); 1933 aus rassischen Gr¨ unden amtsenthoben; gest. 1938 in Berlin. – Nachruf von K. Knopp in J. DMV 54, 55–62 (1951), vgl. auch M. Pinl: Kollegen ¨ in einer dunklen Zeit, II. Teil, J. DMV 72, 165–189 (1971). Uber den sog. Landau-Stil urteilt N. Wiener: His books read like a Sears-Roebuck cata” logue ( = Warenhaus-Katalog).“ Magnus Gustaf MITTAG-LEFFLER, schwedischer Mathematiker: geb. 1846 in Stockholm; 1872 Promotion in Uppsala, 1873 Stipendiat in Paris, 1874/75 H¨ orer bei Weierstrass; 1877 Professor in Helsinki; 1881 Professor in Stockholm; 1882 Gr¨ undung der Acta Mathematica; 1886 Rektor der Stockholmer Hochschule; gest. 1927 in Stockholm. – Nachrufe auf Mittag-Leffler schrieben N.E. N¨ orlund, Acta Math. 50, I-XXIII (1927), G.H. Hardy, Journ. London Math. Soc. 3, 156–160 (1928) und 1944 der erste Direktor des Mittag-Leffler-Instituts, T. Carleman, Kung. Svenska Vetenskapsakademiens levnadsteckningar 7, 459–471 (1939-48). Mittag-Leffler war ein Manager der Mathematik. Er minderte mit den Acta Mathematica die seit 1870/71 bestehenden wissenschaftlichen Spannungen zwischen den mathematischen Großm¨ achten Deutschland und Frankreich; er ließ u.a. den stark angefeindeten G. Cantor in den Acta publizieren. Er setzte 1886 die Ernennung von Sonja Kovalewsky zur Professorin durch; damals wurden Frauen in Berlin noch nicht einmal zum Studium zugelassen, vgl. hierzu L. H¨ ormander: The first woman Professor and her male colleague, (Springer-Verlag, 1991). – Mittag-Lefflers Beziehungen zu A. Nobel waren gespannt, vgl. hierzu C.-O. Selenius: Warum gibt es f¨ ur Mathematik keinen Nobelpreis?, Seiten 613–624 in Mathemata, Festschr. f¨ ur H. Gericke, Franz Steiner Verlag 1985. 1916 vermachten Mittag-Leffler und seine Frau ihr gesamtes Verm¨ ogen und ihre Villa in Djursholm mit einer hervorragenden Bibliothek der K¨ oniglichSchwedischen Akademie der Wissenschaften (Testament ver¨ offentlicht in Acta Math. 40, III–X). Das Mittag-Leffler-Institut ist noch heute ein internationales Zentrum mathematischer Forschung.

Paul MONTEL, franz¨ osischer Mathematiker: geb. 1876 in Nizza; 1894 Normalien; 1897 Stipendiat der Thiers Stiftung; 1904 Professor in Nantes; 1913 ´ Professor f¨ ur Statistik und Materialpr¨ ufung an der Ecole Nationale Sup´erieure

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´ Borel Direktor des Institut des Beaux-Arts; 1956 nach dem Tode von E. Henri Poincar´e; gest. 1975 in Paris. Eliakim Hastings MOORE, amerikanischer Mathematiker: geb. 1862 in Marietta, Ohio; 1885 Promotion in Yale; 1885–86 Stipendiat in G¨ottingen und Berlin; 1892 Professor an der neu gegr¨ undeten Universit¨at Chicago; 1896– 1931 permanent Chairman des Mathematischen Instituts in Chicago; 1899 Ehrendoktor von G¨ ottingen; gest. 1932 in Chicago. – Moore ist u.a. bekannt durch die Moore-Smith-Folgen und das Moore-Penrose-Inverse. Zu seinen Sch¨ ulern z¨ ahlen L.E Dickson, O. Veblen und G.D. Birkhoff. Moore war der wohl einflussreichste US-Mathematiker um die Jahrhundertwende; er war z.B. 1894 Mitgr¨ under der American Mathematical Society. Moore war Mitglied der National Academy of Sciences. Alexander M. OSTROWSKI, russisch-schweizerischer Mathematiker: geb. 1893 in Kiew; 1912–1918 Studium in Marburg bei Hensel; 1918–1920 in G¨ ottingen; 1920–1923 Assistent in Hamburg; 1923–1927 Privatdozent in G¨ ottingen; 1927–1958 o. Professor in Basel; gest. 1986 in Montagnola/Lugano. – Nachruf von R. Jeltsch-Fricker in Elem. Math. 43, 33–38 (1988). ´ Charles Emile PICARD, franz¨ osischer Mathematiker: geb. 1856 in Paris; ab 1881 Professor in Paris, 1889 Mitglied und ab 1917 auch Sekret¨ar der Acad´emie des Sciences, ab 1924 Mitglied der Acad´emie francaise; gest. 1941 in Paris. – Bedeutende Arbeiten zur Theorie der Differentialgleichungen und der Funktionentheorie, Vater der Werteverteilungstheorie. In seiner Grußadresse anl¨ asslich des Internationalen Mathematikerkongresses 1920 in Straßburg findet sich das auf Lagrange zur¨ uckgehende Bonmot: Les math´ematiques ” sont comme le porc, tout en est bon“. ´ franz¨ Jules Henri POINCARE, osicher Mathematiker: geb. 1854 in Nancy; 1879 Professor in Caen, 1881 Professor an der Sorbonne, gest. 1912 in Paris. ´ entdeckte die automorphen Funktionen, er wirkte bahnbrechend – Poincare in der Himmelsmechanik und in der algebraischen Topologie. Er begr¨ undete neben Einstein, Lorentz und Minkowski die spezielle Relativit¨atstheorie. ´ war ein Vetter von Raymond Poincare ´, dem langj¨ahrigen und Poincare mehrfachen Ministerpr¨ asidenten Frankreichs. ´ George POLYA, ungarischer Mathematiker: geb. 1887 in Budapest; Studium in Budapest, Wien, G¨ ottingen und Paris, 1912 Promotion in Budapest; 1914 bis 1940 an der ETH Z¨ urich, ab 1928 als o. Professor; 1943–1953 full Pro´ lya bereicherte Analysis fessor in Stanford, Calif.; gest. 1985 in Stanford. – Po und Funktionentheorie durch scharfsinnige und hervorragend aufgeschriebene ´ lya und Szeg¨ Arbeiten. Die 1925 erschienenen B¨ ande von Po o geh¨oren zu ´ lya selbst urteilte 1982 in den sch¨ onsten B¨ uchern der Funktionentheorie. Po On my cooperation with Gabor Szeg¨ o, Coll. Papers of G. Szeg¨o, 1, S. 11: The ”

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book PSz, the resulat of our cooperation, is my best work and also the best work of Gabor Szeg¨ o.“ – Einen Nekrolog findet man im Bull. London Math. Soc. 19, 559–608 (1987). ´ ungarisch-amerikanischer Mathematiker: geb. 1895 in BudaTibor RADO, pest; 1922 Promotion in Szeged bei F. Riesz; von 1922 bis 1929 Privatdozent in Budapest; 1929 Emigration in die USA, ab 1930 full Professor in Columbus, Ohio; gest. 1965 in Florida. Frederic RIESZ, ungarischer Mathematiker: geb. 1880 in Gy¨or; Studium in Z¨ urich, Budapest und G¨ ottingen; 1908 Oberschullehrer in Budapest; 1912 Professor in Klausenburg (Cluj); von 1920 bis 1946 Professor in Szeged; ab 1946 in Budapest; gest. 1956 in Budapest. Marcel RIESZ, ungarisch-schwedischer Mathematiker (Bruder von Frederic): geb. 1886 in Gy¨ or; Studium in Budapest, G¨ottingen und Paris; 1911 Dozent in Stockholm; 1926 o. Prof. in Lund; gest. 1969 in Lund. Carl David Tolm´ e RUNGE, deutscher Mathematiker: geb. 30.8.1856 in Bremen; ab 1876 Student in M¨ unchen und Berlin, Freundschaft mit Max Planck; 1880 Promotion bei Weierstrass (Differentialgeometrie); 1883 Habilitation mit einer von Kronecker beeinflußten Arbeit u ¨ber ein Verfahren zur numerischen L¨ osung algebraischer Gleichungen; 1884 nach einem Besuch bei Mittag-Leffler in Stockholm Publikation seiner richtungweisenden Arbeit in den Acta Mathematica; 1886 o. Professor an der technischen Hochschule Hannover, Besch¨ aftigung mit Spektroskopie; 1904 o. Professor f¨ ur angewandte Mathematik“ in G¨ ottingen; 1909/10 Gastprofessor an der Co” lumbia Universit¨at New York; gest. 3.1.1927 in G¨ottingen. – Runge war in Deutschland der erste Vertreter der approximativen Mathematik (Numerik), seine vielen Arbeiten (mit Kaiser, Paschen und Voigt) zur Spektrophysik haben ihm auch als Physiker hohes Ansehen gebracht. Friedrich SCHOTTKY, deutscher Mathematiker: geb. 1851 in Breslau, von 1870–1874 Studium in Breslau und Berlin; 1875 Promotion bei Weierstrass; 1882 Professor in Z¨ urich, von 1892 bis 1902 o. Professor in Marburg, von 1902 bis 1922 o. Professor in Berlin, gest. 1935 in Berlin. Thomas Jan STIELTJES, niederl¨ andischer Mathematiker: geb. 1856 in Zwolle; 1877–1883 an der Sternwarte in Leiden; 1883 Professor in Groningen; ab 1886 Professor in Toulouse; gest. 1894 in Toulouse. – Vielseitige Arbeiten zur Analysis, Funktionen- und Zahlentheorie. Er f¨ uhrte 1894 das nach ihm benannte Integral ein. ¨ ungarischer Mathematiker: geb. 1895 in Kunhegyes; in den Gabor SZEGO, ´ lya; 1918 Promotion in Wien; 1921 Jahren 1912/13 Freundschaft mit G. Po

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Privatdozent in Berlin (mit S. Bergmann, S. Bochner, E. Hopf, H. Hopf, C. L¨ owner und J. von von Neumann); 1926–1934 o. Professor in K¨onigsberg, 1934 Emigration nach St. Louis, Missouri; 1938–1960 full professor in Stanford, gest. 1985 in Stanford. Giuseppe VITALI, italienischer Mathematiker: geb. 1875 in Bologna; weitgehend Autodidakt; 1904–1923 Mittelschullehrer; 1923–1932 Professor in Modena, Padua und Bologna; gest. 1932 in Bologna. – Vitali arbeitete vornehmlich in der Theorie der reellen Funktionen und gilt als ein Vorg¨anger von Lebesgue. Joseph Henry MacLagan WEDDERBURN, schottisch-amerikanischer Mathematiker: geb. 1882 in Forfar; 1904 Student in Berlin bei Frobenius und Schur; 1905–1909 lecturer“ an der Universit¨at Edinburgh; ab 1909 an ” der Princeton University, wo Woodrow Wilson, der sp¨atere Pr¨asident der Vereinigten Staaten, ihn zum preceptor“ ernannt hatte; 1911–32 Herausge” ber der Annals of Mathematics; gest. 1948 in Princeton. – Wedderburn war Algebraiker: er klassifizierte alle halb-einfachen, endlich-dimensionalen, assoziativen Algebren u ¨ber beliebigen Grundk¨orpern; er zeigte ferner, dass endliche K¨ orper automatisch kommutativ sind.

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Symbolverzeichnis (f ) 76 A(z, q) 25 A⊂ · B 191 B(w, z) 33 En (z) 78 H(z) 33 J(z, q) 25 T  91, 92 Δ(z) 33, 35 E 203 Γ (z) 36 Ω 85 Σ 313 Σ  317 T 47 Aut G 187 Auta G 187 D(G) 193 D 193 K∞ 199 Km 199 M(G)× 111 Q(z, q) 19 χc 109

D 97 d 76 γ 34 gradw f 218 Hol G 187 ∞ Q 4 ν=k

kgV(S) 97 μ(A) 214 ω(n) 21 ψ(z) 40 ρ(G, a) 189 Div(D) 76 σ(n) 22 σ(z, Ω) 85 ℘(z) 87 ζ(z; ω1 , ω2 ) 87 b(z, d) 103 b(z) 103 f [n] 204 hola G 187 p(n) 25 ggT (S) 97

Namensverzeichnis Abel, Nils Henrik (1802–1829) 25 Ahlfors, Lars Valerian (1907–1996) 166, 228, 230 Alling, Norman L. (*1930) 143 Artin, Emil (1898–1962) 42, 43, 50, 61, 69 Arzel´ a, Cesare (1847–1912) 154 Ascoli, Giulio D(1843–1896) 154 Askey, Richard (*1933) 338 Banach, Stefan (1892–1945) 227 Behnke, Heinrich (1898–1979) 99, 100, 137, 138, 285, 291, 293, 294, 298, 312 Bernoulli, Daniel (1700–1782) 18 Bernoulli, Johann (1667–1748) 18, 24 Bernoulli, Jakob (1654–1705) 29 Bers, Lipman (1914–1993) 112 Besse, Jean 118, 122 Bessel, Friedrich Wilhelm (1784–1846) 31, 40 Betti, Enrico (1823–1892) 84, 303, 307–309 Bieberbach, Ludwig (1886–1982) 45, 122, 207, 261, 313, 319, 323, 347 Binet, J. M. 65, 70 Birkhoff, G. D. 43 Blaschke, Wilhelm (1885–1962 104, 151, 159 Bloch, Andr´e (1893–1948) 223–228, 230, 231, 235, 240 Boerner, Hermann 255 Bohr, Harald (1897–1951) 42, 43 Bonk, Mario 228, 230 ´ Borel, Emile (1871–1956) 239, 255, 292 Bourbaki, Nicholas (Pseudonym einer Gruppe franz¨ osischer Mathematiker) 300 Burckel, Robert Bruce (*1939) 113, 159, 281, 300 Cantor, Georg (1845–1918) 137, 286, 290, 292, 293, 299, 307

Carath´eodory, Constantin (1873–1950) 102, 159, 166, 177, 180, 183, 185, 197, 200, 204, 231, 237, 314, 328, 329, 334, 347 Carlemann, Torsten (1892–1949) 163 Carlson, Fritz (1888–1952) 259, 261 Cartan, Henri (*1904) 82, 100, 137, 144, 183, 200, 202, 206, 279 Cassini, Giovanni Domenico (1625–1712) 124, 247 Cauchy, Augustin Louis (1789–1857) 3, 65, 225, 237, 264, 279, 288, 290, 295 Cayley, Arthur (1821–1895) 315 Carzynski, Zygmunt (1914–2001) 347 Courant, Richard 180, 181 Cousin, Pierre (1867–1933) 82, 100, 101, 137 Crelle, August Leopold (1780–1855) 40 de Branges, Louis (*1932) 320, 338, 348 Dedekind, Richard (1831–1916) 48, 143 Dieudonn´e, Jean (1906–1992) 347 Dirichlet, Gustav Peter Lejeune (1805–1859) 70, 143 Domar, Yngve 133 Eilenberg, Samuel (1913–1998) 312 Eisenstein, Ferdinand Gotthold Max (1823–1852) 3, 16, 17, 83, 86, 261 Enestr¨ om, Gustav E. (1852–1923) 29 Estermann, Theodor (1902–1991) 226, 240, 248, 253 Euler, Leonhard (1707–1783) 3, 12, 13, 17–21, 24, 31, 32, 34, 39, 40, 43–47, 53, 70, 82 Faber, Georg (1877–1966) 253 Fabry, Eug`ene 252, 253, 255

372

Namensverzeichnis

Fatou, Pierre Joseph Louis (1878–1929) 211, 241, 244–246, 254, 255, 259, 260 Fej´er, Leopold (1880–1959) 79, 102, 166, 180, 183 Fermat, Pierre de (1601–1665) 234 Finsterer, A. 68 Fitzgerald, Carl H. 338 Forster, Otto (*1937) 297, 312 Fredhol, Ivar (1866–1927) 252 Fuchs, Immanuel Lazarus (1833–1902) 180 Fuß, Paul Heinrich von (1797–1855) 25, 28 Gaier, Dieter (1928–2002) 270 Garabedian, Paul R. 347 Gasper, George 338 Gauß, Carl Friedrich (1777–1855) 27, 29, 31, 39, 40, 44, 47, 82, 181, 260 Gautschi, Walter 348 Golitschek, Edler von Elbwart, M. 163 Goursat, Edouard Jean Baptiste (1858–1936) 117, 253 Grauert, Hans (*1930) 82, 100, 101, 137 Gronwall, Thomas Hakon (1877–1932) 100, 313, 317, 346 Grunsky, Helmut (1904–1986) 230, 347 Gudermann, Christoph (1798–1852) 62 H¨ older, Otto Ludwig (1859–1937) 45 Hadamard, Jacques Solomon (1865–1963) 241, 247, 249, 251, 254 Hankel, Hermann (1839–1873) 43, 48, 54 Hardy, Godfrey Harold (1877–1947) 20, 26, 28 Hartogs, Friedrich (1874–1943) 118, 122, 276 Hausdorff, Felix (1868–1942) 45, 261 Helmer, Olaf (*1910) 143

Herglotz 14 Hermite, Charles (1822–1901) 39, 133, 158, 159 Hilbert, David (1862–1943) 154, 180, 181, 290 Huber, Heinz (*1926) 209 Hurwitz, Adolf (1859–1919) 83, 86, 88, 139, 143, 163, 226, 231, 238, 241, 252, 254, 255, 327 Jacobi, Carl Gustav (1804–1851) 24, 26, 28 Jensen, Johan Ludwig William Valdemar (1859–1925) 102, 105 Jentzsch, Robert (1890–1918) 159, 252, 259 Julia, Gaston (1893–1978) 204 K¨ oditz, Helmut (*1947) 204 K¨ onig, Heinz (*1929) 231, 232 Kellerher, James J. 113 Klein, Felix (1849–1925) 180 Kneser, Hellmuth (1898–1973) 87, 118 Knopp, Konrad Hermann Theodor (1882–1957) 4, 43 Koebe, Paul (1882–1945) 154, 166, 177, 180, 183, 193, 194, 197, 229, 310, 315, 323, 327 Kronecker, Leopold (1823–1891) 26, 30, 65, 121, 246, 251, 256, 260, 261 Kummer, Ernst Eduard (1810–1893) 44 Kuratowski, Casimir (1896–1980) 312 L¨ owner, Karl (1893–1968) 314, 327, 332, 347 Landau, Edmund (1877–1938) 99, 104, 159, 204, 223, 226, 227, 230–232, 237, 239 Lavrentieff, M. 270 Lebedev, N.A. 321 Legendre, Adrien-Marie (1752–1833) 29, 32, 44, 47, 68, 70, 314, 343 Leibniz, Gottfried Wilhelm (1646–1716) 29 Lie, Sophus (1842–1899) 312

Namensverzeichnis Lindel¨ of, Ernst Leonard (1870–1946) 65, 67, 68, 159, 198 Liouville, Joseph (1809–1882) 128, 223, 233, 276 Littlewood, John Edensor (1885–1977) 347 Moebius, August Ferdinand (1790–1868) 335 Mergelyan, Sergei Nikitovich 270 Milin, I.M. 320–322, 330, 338 Mittag-Leffler, Magnus G¨ osta (1846–1927) 39, 97, 99, 122, 127, 132, 133, 136, 137, 252, 276, 286, 287 Mollerup, Johannes (1872–1937) 42, 43 Montel, Paul (1876–1975) 147, 151, 153, 154, 159, 223, 235, 237–239, 276, 330 Moore, Eliakim Hastings (1862–1932) 16, 45 Mordell, Louis Joel (1888–1972) 251 Mues, Erwin (*1936) 204 Narasimhan, Raghavan (*1937) 184 Neher, Erhard 30 Neuenschwander, Daniel 252 Neumann, Carl Gottfried (1832–1925) 166 Nevanlinna, Rolf (1895–1980) 239, 347 Newman, F.W. 276, 309 Nielsen, Niels (1865–1931) 41, 47, 70 Noether, Emmy (1882–1935) 143 Ostrowski, Alexander M. (1893–1986) 249 Oka, Kiyoshi (1901–1978) 82, 100, 137, 144, 312 Orlando, Luciano (1877–1915) 79 Osgood, William Fogg (1864–1943) 122, 152, 158, 183, 274 Ostrowski, Alexander M. (1893–1986) 45, 184, 197, 241–243, 246–248, 251, 252

Ozawa, Mitsuru

373

347

P´ olya, Georg (1887–1985) 122, 156, 193, 196, 198, 241, 253–255, 259, 261 Pederson, R.N. 348 Petersen 102, 105 Petersson, Hans (1902–1984) 261 ` Picard, Charles Emile (1856–1941) 39, 96, 99, 223, 231, 235, 237, 239 Pincherle, Salvatore (1853–1936) 60 Plana, J. 65 Poincar´e, Jules Henri (1854–1912) 82, 100, 101, 166, 178, 183, 185, 252 Pommerenke, Christian (*1933) 338 Porter, M.B. 241, 248, 250, 251 Pringsheim, Alfred (1850–1941) 5, 117, 118, 122, 133, 283 Prym, Friedrich Emil (1841–1915) 50 R¨ uckert, Walther 143 Raabe 40 Rad´ o, Tibor (1895–1965) 159, 183, 184, 211, 214, 218 Riemann, Georg Friedrich Bernhard (1826–1846) 165, 180, 181, 185, 244, 250, 252, 290, 291, 294, 312, 313 Riesz, Frederic (1880–1956) 166, 180, 183, 241, 243–246, 257, 258 Ritt, Joseph Fels (1893–1951) 11 Robertson, Malcolm 319, 322 Rogers, L.C.G. 163 Rogosinski, Werner 347 Rosenthal, Artur (1887–1959) 276 Rubel, Lee Albert (*1923) 140 Rudin, Walter (*1921) 163 Runge, Carl David Tolm´e (1856–1927) 122, 137, 158, 256, 257, 263, 264, 266, 269, 272, 276, 279, 285, 286, 288–291, 293, 294, 296 Saks, Stanislaw (1897–1942) 266, 307

154,

374

Namensverzeichnis

Sattler, A. 68 Sch¨ afke, W. 68 Schiffer, M. 347, 348 Schilling, Otto Franz Georg (1911–1973) 143 Schmidt, Erhard 252 Schottky, Friedrich Herrmann (1851–1935) 16, 223, 232, 235, 237, 239, 240 Schwarz, Hermann Amandus (1843–1921) 166, 180, 183, 185, 228, 250, 261, 335 Segal, S.L. 252 Serre, Jean-Pierre (*1926) 82, 100, 137 Spanier, E.H. 309 Stein, Karl (1913–2002) 99, 100, 137, 291, 293, 294, 298, 312 Steinhaus, Hugo (1887–1972) 255 Stieltjes, Thomas-Jan (1856–1894) 14, 59, 62, 64, 158, 237 Stokes, George Gabriel (1819–1903) 318 ˇ Sura-Bura, M. 285, 291, 292, 300, 301 Szeg¨ o, Gabor (1895–1985) 156, 193, 196, 198, 241, 251, 256, 259, 261

Valiron, George (1884–1954) 19, 204, 226 Vieta, Francois (1540–1603) 3 Vitali, Giuseppe (1875–1932) 48, 104, 150, 151, 158, 223, 235, 237, 238, 242, 246

Titchmarsh, Edward Charles (1899–1963) 52 Todorov, Pavel G. 338

Zeller, Christian Julius Johannes (1822–1899) 23 Zygmund, Antoni (1900–1992) 154, 266, 307

Ullrich, Peter (*1957)

84

Fuß, Paul Heinrich von (1797–1855) 29 Wallis, John (1616–1703) 3, 12 Watson, George Neville (1886–1965) 30, 39, 50, 54, 55, 60 Wedderburn, Joseph Henry Maclagan (1882–1948) 139, 143 Weierstraß, Karl Theodor Wilhelm (1815–1897) 3, 32, 36, 39, 40, 42, 45, 75, 81–83, 86, 99, 101, 114, 121, 132, 136, 158, 180, 181, 223, 235, 249, 251, 252, 276, 290, 328 Weinstein, Lenard 314, 320, 338 Whittacker, Edmund Taylor (1873–1956) 39, 50, 54, 55, 60 Wielandt, Helmut (1910–2001) 33, 41, 43, 54 Wright, Sir Edward Maitland (1906–2005) 20, 26, 28

Sachverzeichnis Δ(z) 35 Funktionalgleichung von 35 Γ -Funktion Erg¨ anzungssatz der 38 Eulerscher Erg¨ anzungssatz der 38 Multiplikationsformel der 43 Q-Gebiet 175, 184, 191 γ Eulersche Konstante 32 σ(n) Rekursionformel f¨ ur 22 σ-Funktion Weierstrasssche 85 ℘-Funktion Weierstrasssche 87, 235 ζ-Funktion Riemannsche 52 m-te Wurzel-Verfahren 200 p(n) Rekursionsformel f¨ ur 21 Abbildung abgeschlossene 216 endliche 210 innere 187, 201 iterierte 204 topologische 170, 174 Tr¨ ager einer 76 von Cayley 315 Abbildungen Iteration von 204 von endlichen Kreisringen 213 Abbildungsgrad 219 Abbildungsradius 189 Abbildungssatz Riemannscher 173, 180, 186, 313 Abbildungssatz f¨ ur homogene Gebiete 203 abgeschlossene Untergruppe der Kreisgruppe 208 abgeschlossenes Ideal 141 Ableitung logarithmische 10, 128

Ahlfors Satz von 228 allgemeiner Produktsatz 91 allgemeiner Satz von Mittag-Leffler 134, 136 allgemeiner Weierstrassscher Produktsatz 93, 99 Anschmiegungssatz von Mittag-Leffler 135 Approximationssatz von Runge 263, 269, 285 Weierstrassscher 161, 162 ¨ Aquivalenzsatz f¨ ur endliche Abbildungen 216 ¨ Aquivalenztheorem (f¨ ur einfach zusammenh¨ angende Gebiete) 179 Arzel` a-Ascoli Satz von 153 Automorphismen konvergente Folgen von 201, 203 Konvergenzsatz f¨ ur Folgen von 203 mit Fixpunkt 187 von Gebieten mit L¨ ochern 208 Automorphismengruppe eines Gebietes 186 Banach-Raum 227 Bergmannsche Ungleichung 155 Bernoullische Polynome 62 Bernoullische Zahlen 62, 67 Bernstein-Polynome 161 Bers Satz von 109, 110 beschr¨ ankte Familie 148 beschr¨ anktes Gebiet 206, 207 beschr¨ anktes homogenes Gebiet 203 Betafunktion Eulersche Identit¨ at der 69 Betti-Zahl von G 303 Bewertung von M(G) 111, 112

376

Sachverzeichnis

Bieberbach Satz von 319 Bieberbachsche Vermutung 313, 319, 347 biholomorph ¨ aquivalente Gebiete 165, 174 Binetsches Integral 65 Blaschke Konvergenzsatz von 151 Blaschke-Bedingung 101, 102 Blaschke-Produkt 98, 103, 104 Bloch Funktionen 227 Satz von 223 Bohr und Mollerup Eindeutigkeitssatz 42 Brownsche Bewegung 233 Cantor-Menge 293 Cantorsches Diagonalverfahren 148 Carath´eodory-Koebe-Algorithmus 193 Carath´eodory-Koebe-Theorie 183, 190 Carath´eodorysche Konstante 231 Carath´eodoryscher Konvergenzsatz 328 Cartan Satz von 206 Casorati-Weierstrass Satz von 223 Cassini-Bereich 124, 125 Cauchysche Integralformel 225 f¨ ur Kompakta 264 Cauchyscher Integralsatz 1. Homotopiefassung 167 2. Homotopiefassung 168 Cayley-Abbildung 315 Charakter von O(G) 109 Cosinusprodukt Eulersches 18 Cotangensreihe 12, 132 Darstellung der Eins 139 Deformation 167 Deformationswege 167 Dehnung 176, 191 zul¨ assige 191, 193

Dehnungsfamilie 193, 195 Dehnungsfolge 194 Diagonalverfahren von Cantor 148 Differentiation logarithmische 12 Differentiationssatz f¨ ur normal konvergente Produkte holomorpher Funktionen 12 Dirichletsches Integral 180 Prinzip 180 Randwertproblem 180 divergentes Produkt von Zahlen 4 Divisionssatz von Weierstrass 143 Divisor 76, 128 Folge zu einem 77 positiver 77 spezieller 91 Drei-Kreise-Satz von Hadamard 252 eigentliche Abbildung 220 Eindeutigkeitssatz von H. Bohr und J. Mollerup 42 von Wielandt 32, 41 einfach zusammenh¨ angendes Gebiet 170, 173, 175, 179, 187, 188 Einheiten im Ring O(G) 95 Einheitengruppe von M(D) 76 Eisenstein-Reihe 131 Eisenstein-Weierstrass-Reihe 132 Eisenstein-Weierstrasssche ζ-Funktion 87 endlich erzeugbares Ideal 138 endliche Abbildung von E 210 endlicher Hauptteil 127, 128 Entwicklungssatz von Ritt 11 erzeugende Funktion 21 Eulersche Betafunktion 68 Formel 64 Integraldarstellung der Gammafunktion Γ (z) 47 Konstante γ 32, 34 Partitionsprodukte 19 Eulerscher Erg¨ anzungssatz der Γ -Funktion 38

Sachverzeichnis Eulersches Integral 68 Sinusprodukt 13 Evaluierung 109 Existenzsatz f¨ ur Funktionen mit vorgegebener Hauptteil-Verteilung 130, 135 f¨ ur ganze Funktionen zu gegebenem Divisor 80 Exponentialfaktoren 82 Extremalprinzip 177, 180 Fabry-Reihe 253 Fabryscher L¨ uckensatz 252 Factorielle Weierstrass 32 Faktorisierungssatz f¨ ur ganze Funktionen 80 f¨ ur holomorphe Funktionen 95 Familie 147 beschr¨ ankte 148 gleichgradig stetige 153 lokal beschr¨ ankte 148, 150 lokal gleichgradig stetige 149, 153 normale 152 Fatou Satz f¨ ur L¨ uckenreihen 246 Fehlerintegral Gausssches 50 Feinabsch¨ atzungen des Restgliedes 64 Fermat Gleichung 234 Kurven 234 Fl¨ achen Riemannsche, nicht kompakte 291 Fl¨ achensatz von Gronwall 317 Folge beschr¨ ankte 148 lokal beschr¨ ankte 148 zu einem Divisor 77 Formel Greensche 318 Jensensche 105 Stirlingsche 57, 58 Fortsetzungssatz von Szeg¨ o 256

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Fourier-Reihe 64 frei homotope Wege 167, 168 Fresnelsche Formeln 52 Integrale 50 Fundamentalgruppe 173 Funktion quadrat-integrable 155 von Riemann 252 Funktion aus O(E) 104 Funktionalgleichung der Γ -Funktion 37 der Δ(z)-Funktion 35 der μ-Funktion 57 Funktionen Bloch 227 Folge von 148 holomorphe 91 schlichte 313 Funktionenfolge stetig konvergente 150 Gammafunktion Γ (z) 31, 36 Eindeutigkeitssatz f¨ ur die 41 Eulersche Integraldarstellung der 47 Hankelsche Integraldarstellung der 47 logarithmische Ableitung 40 Logarithmus der 45 Partialbruchdarstellung der 51 Produktdarstellung der 37 Verdoppelungsformel der 44 Wachstum der 60 ganze Funktionen Wurzelkriterium 81 Gaußsche Produktdarstellung der Γ -Funktion 37 Gaußsches Fehlerintegral 50 Lemma 260 Gebiet einfach zusammenh¨ angendes 169, 170, 173, 175, 179, 187 homogenes 203 homologisch einfach zusammenh¨ angendes 170 gemeinsamer Teiler 97

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Sachverzeichnis

ggT (gr¨ oßter gemeinsamer Teiler) 96, 97 Existenzsatz f¨ ur 97 Gitter in C 85 lineare Darstellung des 140 gleichgradig stetige Familie 153 Goursat Konstruktion von 115 Goursat-Reihe 123 Gradsatz f¨ ur endliche Abbildungen 219 Greensche Formel 318 Grenzen nat¨ urliche 121 Gronwallscher Fl¨ achensatz 317 Gruppe der Automorphismen mit Fixpunkt 207 Gudermannsche Reihe 60, 61

holomorpher Logarithmus 179 Holomorphiebogen 242 Holomorphiegebiete 114 Kriterium f¨ ur 117 Hom¨ oomorphismus 170 homologisch einfach zusammenh¨ angendes Gebiet 170 Homothetien 204 homotop bei festen Endpunkten 166 homotope Wege 166, 167 Homotopie 166 Hurwitz Bemerkung von 88 Injektionssatz von 164, 175, 178 Lemma von 163

H¨ older Satz von 45 Hadamard Drei-Kreise-Satz von 252 Hadamardsche L¨ uckenreihe 123, 249 Hadamardscher L¨ uckensatz 247, 249 Hankelsche Integraldarstellung der Gammafunktion 47, 54 Hankelsches Schleifenintegral 53 Hauptdivisor 76 Hauptideale 138 Hauptidealring 138 Hauptidealsatz 140 Hauptsatz der Idealtheorie f¨ ur O(G) 142 der Runge-Theorie 272 von Koebe 196 Hauptteil endlicher 127, 128 Hauptteil-Verteilung 128, 129 Herglotz Lemma von 14 holomorph in einen Randpunkt fortsetzbar 118 holomorphe Funktionen 91 teilerfremde 97 Quadratwurzel 175

Ideal 138 abgeschlossenes 141 endlich erzeugbares 138 Nullstelle 141 nullstellenfreies 141 Idealtheorie f¨ ur O(G) 142 Identit¨ atssatz von M¨ untz 162 Injektionssatz von Hurwitz 164, 175, 178 innere Abbildung 187 mit Fixpunkt 187 von E endliche 210 von H 204 inneren Abbildungen konvergente Folgen von 201 innerer Radien Monotonieeigenschaft 191 Integral Binetsches 65 Dirichletsches 180 Eulersches 68 Integraldarstellung der Gamma-Funktion Eulersche 48 Hankelsche 48, 54 Integralsatz von Cauchy 1. Homotopiefassung 167 2. Homotopiefassung 168

Sachverzeichnis Interpolationsformel von Lagrange 136 Interpolationssatz f¨ ur holomorphe Funktionen 136 von Lagrange 136 Iss’sa Satz von 109, 110 Iteration innerer Abbildungen 204 iterierte Abbildungen 204 Iteriertenfolge 206 Jacobi Theorem von 26 Jacobische Tripel-Produkt-Identit¨ at 26, 28, 30 Jensensche Formel 105 Ungleichung 105 Jordanscher Kurvenbogen 331 Kurvensatz 331 f¨ ur Treppenpolygone 281 kanonische Mittag-Leffler-Reihen 131 kanonisches Weierstrass-Produkt 83, 85 Klasse Σ 317 Kleiner Satz von Runge 257, 263 Koebe -Extremalfunktion 229 -Familie 195 -Folge 195 -Funktion 313, 315 -Gebiet 191, 193 Hauptsatz von 196 kompakt konvergentes Produkt von Funktionen 4 kompakte Konvergenz des Γ -Integrals 160 komplexer Raum 220 Konstante Blochsche 230 Eulersche 32 Landausche 230 Konstruktion von Goursat 115 konvergent kompakt 6 konvergente Folgen

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von Automorphismen 201, 203 von inneren Abbildungen 201 konvergentes Produkt von Zahlen 4 Konvergenz normale 7 Konvergenzkriterium f¨ ur Produkte von Funktionen 7 Montelsches 150, 330 Konvergenzlemma 91 Konvergenzsatz f¨ ur Dehnungsfolgen 194 f¨ ur Folgen von Automorphismen 203 von Blaschke 151 von Carath´eodory 328 von Fatou und Riesz 242 von Ostrowski 243 Kreisring entarteter 214 Kriterium f¨ ur Holomorphiegebiete 117 Kronecker Satz von 260 Kurvenbogen Jordanscher 331 Kurvensatz von Jordan 331 von Jordan f¨ ur Treppenpolygone 281 L¨ owner-Theorie 327, 332 L¨ uckenreihe Hadamardsche 123 L¨ uckensatz 247 von Fabry 252 von Hadamard 247, 249 Lagrangesche Interpolationsformel 136 Lambertsche Reihe 22 Landaus Weltkonstanten 230 Legendre-Polynome 343 Lemma von Gauß 260 Herglotz 14 Hurwitz 163 Riesz 243, 257, 258 Schwarz 228 Schwarz-Pick 204 Wedderburn 139

380

Sachverzeichnis

Lie-Gruppe 202, 312 Liftung von Wegen 172 Lindel¨ ofsche Absch¨ atzung 67 Loch (eines Bereiches, Gebietes) 208 logarithmische Ableitung 10, 128 Summenformel f¨ ur die 10 Differentiation 10, 81 Logarithmus -Verfahren 199 der Gammafunktion Γ (z) 45 holomorpher 179 lokal beschr¨ ankte Familie 149, 150 Folge 148 lokal gleichgradig stetige Familie 153 M¨ obiustransformation 335 M¨ untz Identit¨ atssatz von 162 Satz von 161 Majorantenkriterium (f¨ ur Integrale) 48 Mannigfaltigkeit Steinsche 312 meromorpher Funktionen Partialbruchzerlegung 131 Quotientendarstellung 80 Milin-Vermutung 320, 330, 338 Mittag-Leffler -Funktion 277 -Reihe 287 -Reihen 129 kanonische 131 allgemeiner Satz von 136 Anschmiegungssatz von 135 Satz von 130 Mondsichel-Dehnung 192 Monodromiesatz 172 Monotonieeigenschaft innerer Radien 191 Monotoniesatz 189 Montel Satz von 147, 152, 154, 223 Montelsches Konvergenzkriterium 150, 330 Multiplikationsformel 35

der Γ -Funktion 43 der Sinusfunktion 44 nat¨ urliche Grenzen 121 Nennerpotenz 63 Nichtfortsetzbarkeit 246 noetherscher Ring 138 normal konvergente Produkte holomorpher Funktionen 9 Differentiationssatz 10 normale Familie 152, 154 nullhomologer Weg 169 nullhomotoper Weg 168 Nullstelle eines Ideals in O(G) 141 Nullstellenverteilung 76 Oka-Grauert-Prinzip 312 Oka-Prinzip 100 Ordnungsfunktion oc 109 Ostrowski -Reihe 248 Konvergenzsatz von 243 ¨ Uberkonvergenzsatz von 248 Partialbruchdarstellung der Γ -Funktion 51 von Γ  /Γ 40 von ψ(z) 40 Partialbruchzerlegung meromorpher Funktionen 131 Partialprodukt 4 Partitionsprodukte p(n) 20 Pentagonal -Zahl 21 -Zahlen-Satz 21, 24, 27, 29 Picard Großer Satz von 239 Kleiner Satz von 231, 233 Produkt von 99 Satz von 223 Versch¨ arfung des kleinen Satzes von 237 Planasche Summenformel 65 Poincar´e-Volterra Satz von 118 Polstellenverschiebungssatz 268 Polynome von Legendre 343 positiver Divisor 77

Sachverzeichnis Potentialtheorie 180 Potenzreihen u ¨ berkonvergente 247 Randverhalten von 241 Primelemente in O(G) 96 Produkt von Zahlen divergentes 4 konvergentes 4 unendliches 4 Produktformel von Wallis f¨ ur π/2 13 Produktsatz 80 allgemeiner 91 f¨ ur spezielle Divisoren 92 von Weierstrass 79, 85 quadrat-integrable Funktion 155 Quadratwurzel 179 -eigenschaft 175 -transformation 316 -trick 175 -verfahren 191, 197 holomorphe 175 Quotientendarstellung meromorpher Funktionen 80 Rad´ o Satz von 218 Randfolge 210 Randmenge gut verteilte 123 randnahe Menge 120 Randpunkt holomorphe Fortsetzbarkeit in einen 118 sichtbarer 118 Randwertproblem Dirichletsches 180 Reihe Gudermannsche 60 Lambertsche 22 Stirlingsche 62, 63 von Mittag-Leffler 287 Rekursionsformel f¨ ur σ(n) 22, 25 f¨ ur p(n) 21, 25 Riemannsche Fl¨ achen nicht kompakte 291

381

Funktion 252 Summen 290 Riemannscher Abbildungssatz 173, 180, 186, 313 Riesz Beschr¨ anktheitssatz von 242 Lemma von 243, 257, 258 Ring noetherscher 138 Ringsatz 209 Ritt Entwicklungssatz von 11 Robertson-Vermutung 319 Runge -Theorie 263 Approximationssatz von 263, 269, 285 Kleiner Satz von 257, 263 Satz von 256 Theorem f¨ ur rationale Approximation 288 Rungesche H¨ ullen 291, 293 Polynomapproximation 288 Rungesches Paar 285 S¨ agezahnfunktion 62 Satz von Casorati-Weierstrass 223 Poincar´e-Volterra 118 Szeg¨ o 256 Vitali 238 Ahlfors 228, 230 Arzel` a-Ascoli 153 Behnke-Stein 285, 293 Bers 109, 110 Bieberbach 319 Bloch 223–225, 227, 228 Carath´eodory-Julia-LandauValiron 204 Fatou-Hurwitz-P´ olya 254 Fatou-Riesz 242, 243 H. Cartan 206 H¨ older 45 Iss’sa 109, 110 Kronecker 260 Liouville 223 M¨ untz 161

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Sachverzeichnis

Mittag-Leffler 127, 130 Montel 147, 148, 152, 154, 223, 237 f¨ ur Folgen 148 Ostrowski 243 P´ olya-Carlson 261 Picard 223 Rad´ o 218 Riesz 242 Ritt 11 Runge f¨ ur Polynomapproximation 288 Stokes 318 ˇ Sura-Bura 291, 299 Szeg¨ o 256 Vitali 150, 156, 158, 223, 237 Vitali, endg¨ ultige Fassung 157 schlichte Funktionen 313 Schmiegungsverfahren 194, 197 Schottky Satz von 232, 235 Schwarzsches Lemma 228 Verallgemeinerung 101 Schwarzsches Spiegelungsprinzip 250, 335 sichtbarer Randpunkt 118 Sichtkreis 117 singul¨ arer Punkt 118 Sinusfunktion Multiplikationsformel der 44 Verdopplungsformel der 15 Sinusprodukt Eulersches 18 Spiegelungsprinzip Schwarzsches 250, 335 Steinsche Mannigfaltigkeit 312 stetig konvergente Funktionenfolge 150 Stieltjessche Integralformel 65 Formel 57 Reihe 62, 63 Stokes Satz von 318 Summen Riemannsche 290 Summenregel f¨ ur unendliche Produkte 9

ˇ Sura-Bura Satz von 291, 299 Szeg¨ o Fortsetzungssatz von Satz von 256

256

Teilbarkeit in O(G) 96 Teilbarkeitskriterium f¨ ur holomorphe Funktionen 97 teilerfremde holomorphe Funktionen 97 Theorem von Jacobi 26 Theorem von Runge f¨ ur rationale Approximation 288 Theorie von L¨ owner 327, 332 topologische Abbildung 170, 174 Tr¨ ager einer Abbildung 76 Tripel-Produkt-Identit¨ at Jacobische 26, 28, 30 ¨ Uberkonvergenz 247 ¨ Uberkonvergenzsatz von Ostrowski 248 ¨ Uberlagerungen holomorphe 218 Umordnungssatz f¨ ur normal konvergente Produkte 8 unendliches Produkt von Zahlen 4 Ungleichung Bergmannsche 155 Unit¨ atssatz f¨ ur beschr¨ ankte Gebiete 207 einfach zusammenh¨ angende Gebiete 188 Untergruppe der Kreisgruppe abgeschlossene 208 Verallgemeinerung des Schwarzschen Lemmas 101 Verdopplungsformel der Γ -Funktion 44 Sinusfunktion 15 Vermutung Bieberbachsche 313, 319, 347 von Alfors/Grunsky 230 von Milin 320, 330, 338 von Robertson 319

Sachverzeichnis Vertauschung von Integration und Differentiation 159 Vitali Satz von 150, 156–158, 223 Wallissche Produktformel 13 Wedderburn Lemma von 139 Weg nullhomologer 169 nullhomotoper 168 Wege frei homotope 167, 168 homotope 166 Weierstrass -Bolzano-Eigenschaft 148 -Faktoren 76, 78 -Produkt 91, 92 kanonisches 83, 85 zu einem positiven Divisor 77 Approximationssatz von 161, 162

383

Divisionssatz von 143 Factorielle 32, 39 Konvergenzsatz von 9 Produktsatz von 76, 79, 85 allgemeiner 93 Weierstrasssche σ-Funktion 85 ℘-Funktion 87, 235 Funktion Δ(z) 33 Wielandt Eindeutigkeitssatz von 32 Windungsabbildungen 216 Winkelderivierte 204 Winkelraum 62, 63, 68 Wurzelkriterium f¨ ur ganze Funktionen 81 f¨ ur holomorphe Funktionen 81, 95 zul¨ assige Dehnung 191 zusammenh¨ angendes Gebiet einfach 169 Zylindergebiete 100