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Combs bei seinem weltweiten Kreuzzug für den Schutz des Sex.» Frauen müssen sich vorher waschen und Männer maniküren lassen, falls sie teilnehmen wollen. Ein paar Meter weiter versuchen zwei Teenies, eine Ansage in eine Fernsehkamera zu sprechen. Sie sind damit nicht besonders erfolgreich und kichern auf eine merkwürdige Art immer wieder los. Langsam dämmert uns, dass die beiden Tatu sein müssen, die neue lesbische Pop-Sensation aus Russland, die gerade in Europa gebypt wird. Rob lacht über ihr Gelächter, woraufhin sie noch mehr lachen. Auf dem Weg zum Fahrstuhl läuft er Marilyn Manson über den Weg, der fragt, ob er Rob malen dürfe. «Mit meinem Schwanz draußen?», fragt Rob. «Wir stehen auf die gleiche Sorte Mädchen», meint Marilyn Manson. Etwas weiter entfernt sitzt Sophie Ellis Bextor mit dem Rücken zu ihm. Keiner beachtet den anderen.
Robs Liste von Leuten, die ihn seiner Meinung nach schlecht behandelt haben, ist nicht besonders lang, aber ein paar Namen sind unauslöschlich. Sophie Ellis Bextor gehört dazu. Vielleicht hätte er ihr das erste Mal gar nicht so übel genommen, wenn die Sache nicht weitergegangen wäre. Sie war damals Sängerin von The Audience, einer Independent-Band. Rob fand ihre Single «If You Can't Do it When You're Young When Can You Do It?» ganz gut, und ihm gefiel vor allem, dass sie auf der B-Seite «There Are Worse Things I Could Do» aus Grease sang. Also lud er sie ein, als Vorgruppe bei
seiner ersten Solo-Tournee aufzutreten. Die Band hätte das gerne gemacht, Bextor war dagegen. «Sie bezeichnete mich als <Mist> – das war, glaube ich, das Wort, das sie benutzt hat», sagt Rob. 1998 starb Robs Großmutter, die sein Leben lang eine wichtige Rolle für ihn gespielt hatte. In der Nacht vor der Beerdigung lag er in seinem alten Zimmer in Stoke – «sowieso schon völlig aufgelöst» – und sah fern. Er zappte sich in Jo Whileys Musik-Diskussionssendung, in der Robs «Millennium»-Video gezeigt wurde. Anschließend diskutierten Whiley, Neil Hannon, James Lavelle und Sophie Ellis Bextor darüber, ob das Ding etwas tauge. Der Einzige, der Rob verteidigte, war Lavelle. Er sagte, er hätte keine Ahnung gehabt, was Rob alles durchgemacht hat, aber dass er ihn dafür bewundere, es überhaupt versucht zu haben. Neil Hannon, mit dem Rob vor kurzem auf seiner Single «No Regrets» gesungen hatte, erklärte, er hätte das nur seinen Nichten zuliebe gemacht. (Das hatte Folgen. Hannons Gruppe, The Divine Comedy, sollte im Vorprogramm von Robbie Williams auftreten. Nach dieser Sendung warf Rob ihn raus. Als Hannon anrief, um sich zu entschuldigen, und hoffte, damit wäre die Sache erledigt, erklärte ihm Rob, dass er fast geheult hätte, als Hannon sich gegen ihn gestellt hatte.) Sophie Ellis Bextor machte allerdings die negativsten Bemerkungen. «Die hat mich härter angegriffen als je ein Journalist», sagt er. «Ich glaube, sie nannte mich <den unehelichen Sohn von Jimmy Tarbuck>.» Pause. «Das ist eine Beleidigung für mich und für Jimmy Tarbuck.» Während der Beerdigung am nächsten Tag, als gerade der Sarg in die Erde gelassen wurde, machte ein lokaler Paparazzi ein paar Fotos aus acht Meter Entfernung. «Der hatte nicht einmal den Anstand, sich in den Büschen zu verstecken», erinnert sich Rob. «Stand einfach da.» Eine üble Zeit, mit der Sophie Ellis Bextors Gehässigkeit für immer verbunden bleibt. Etwas später begegnete er ihr bei der Capital Awards Radio Show. Wenn er besonders wütend ist, ringt er sich häufig zu einer versöhnlichen Geste durch. Er tippte ihr auf die Schulter und meinte: «Findest du mich immer noch zum Kotzen?» Er weiß noch, dass sie fast sprachlos war, dann aber nein, fände sie nicht, meinte. «Es ist
nämlich so», sagte er zu ihr, «was du damals gesagt hast, hat mich wirklich verletzt. Egal, viel Glück mit allem.» Kurz danach bekam er von ihr einen Brief. Kein richtiger Entschuldigungsbrief, aber der Tenor war, sie verstünde nun, nachdem sie eine Weile im Business sei, dass Künstler zusammenhalten sollten. Am gleichen Morgen, einem Samstag, sah er sie in einer Kindersendung, wo sie schon wieder über ihn herzog. «Ich glaube, die ist eine Giftnatter», sagt er. «Ich glaube, sie ist wirklich böse.» Pause. «Und ich finde, sie sollte sich mal einer Hüftoperation unterziehen.»
Den ganzen Tag hat Rob erzählt, er würde nicht zu der anschließenden MTV-Party gehen, aber im letzten Moment entschließt er sich doch, mal kurz vorbeizuschauen. Sie findet in Gaudis «Casa Bello» statt, «einem der schönsten Gebäude der Welt», verkündet er, als wir vorfahren. Drinnen läuft er direkt Jon Bon Jovi in die Arme, der «Feel» lobt – «es ist wirklich ganz was anderes» –, während jemand von Vanity Fair erfolglos versucht, Rob zu einem Foto zu überreden. «Ich habe kein Make-up aufgelegt», meint er. «Ich bin hier nur auf ein Würstchen vorbeigekommen.» Er stellt sich wieder zu Chris Martin – und Anastacia. «Weißt du, dass du wie meine Ex-Freundin aussiehst?», fragt er sie. «Klar», kontert sie. «Heißt das, du willst mit mir ins Bett?» Jemand bietet ihm an, ihm den Privatbereich des Hauses zu zeigen, und so machen wir eine private Führung durch das Gaudi-Haus mit Moby und Tico Torres von Bon Jovi. Rob erzählt Moby, dass Guy und er, als sie «Feel» schrieben, das Stück immer «den Moby-Song» nannten. Später, auf der Party, gibt Jon Bon Jovi Rob Ratschläge für seinen Durchbruch in Amerika. «Du bist so ein phantastischer Performer», meint er, «du musst einfach nur raus. Und wenn es im Vorprogramm eines noch größeren Performers ist.» Jon Bon Jovi erzählt, dass sie früher bei jeder Tournee 250 Auftritte gemacht haben und 60 bei ihrer kürzesten Tour. Rob, der in seinem ganzen Leben noch keine 250 Auftritte gemacht hat, guckt entsetzt. «60 Auftritte?», fragt er. «Ich mache fünf in der Woche.» Bon Jovi sagt, dass sie direkt nach der MTV-Show in die USA fliegen, weil sie am
nächsten Morgen in Miami bei einem Radiosender auftreten müssen. «Das würde ich niemals tun», denkt sich Rob, als er das hört. Jon Bon Jovi wird einer Frau mit den Worten vorgestellt: «Sie erinnern sich, Sie haben sich schon mal im Weißen Haus gesehen», und das ist für Rob der Moment, sich zu verabschieden. Wir schleichen aus einem Seitenausgang, bevor das gesetzte Essen und die Reden anfangen. Er war keine 30 Minuten hier.
In der Hotellobby spielen wir wieder Backgammon. Etwas später kommt Chris Martin von der Party zurück. Rob fragt ihn, ob er Lust auf ein Spiel hätte. «Wahnsinnig gern, ehrlich gesagt.» Auf der Stelle unterbricht Rob unser Spiel und baut ein neues auf. «Worum spielen wir?», will er wissen. «Erst mal nur zum Spaß», sagt Chris. Er würfelt sechs und zwei. Lange Zeit starrt er einfach nur auf das Brett. Rob, der überhaupt keine Geduld hat, guckt ganz perplex. «Ich spiele gern langsam», erklärt Chris. Rob nickt. «Du bist der Steve Davis des Backgammon.» Plötzlich bittet er uns, unsere Köpfe einzuziehen und so zu tun, als wären wir in ein intensives Gespräch vertieft: Er sagt, er habe gerade Nellee Hooper gesehen. Ich ziehe fragend die Augenbrauen hoch. Er würde die Geschichte ein andermal erzählen, meint er. Er hat das Spiel praktisch schon gewonnen. «Ist dies das erste von vielen?», will Chris wissen. «Na klar. Nächstes Mal spielen wir um Geld.» Pause. «Oder nur um die Ehre. Nennen wir das hier unser Aufwärmspiel?» «Nennen wir es unseren Sieg», sagt Chris. Spiel zwei beginnt. «Wieso würfele ich die ganze Zeit sechs und drei?», wundert sich Chris. «Der Teufel spricht zu dir durch die Würfel», sagt Rob.«Das nützt auch nichts.» Der Kellner kommt. Wir bestellen Kaffee, Chris Martin bittet um ein Wasser. Ein paar Würfe später betrachtet er das Brett. «Das ist Mist», seufzt er.
«Ich höre deinen Song so laut in meinem Kopf, es ist wirklich unglaublich», sagt Rob. «Passiert dir das manchmal, wenn du Leute kennen lernst?» Chris wirft ihm einen Blick zu, der wohl besagt, dass das bei ihm nie so ist, starrt auf das Backgammonbrett und sagt: «Ich hab verloren.» Er blickt hoch. Um den Tisch sitzen Rob, Pompey, ein weiterer Bodyguard und ich. «Ich kann das nicht. Ihr sitzt alle da und seht mich an.» Er lacht. «Das ist ungefähr so, als würde man mit dem Paten spielen. Mich setzt das unter Druck. So kann ich nicht gewinnen. Ich bin Scheiße. Ich bin es gewohnt, selber Pate zu sein.» Er sagt, er muss gehen. Die Getränke sind noch nicht einmal gekommen. Er geht zum Fahrstuhl und kommt nochmal den ganzen Weg zurück. «Tut mir Leid wegen des Wassers», sagt er. «Schon gut», erwidert Rob. Sobald Chris Martin außer Hörweite ist, fügt er hinzu: «Der höflichste Mann der Welt.» Er lacht. «Dies», verkündet er, «war ein gewaltiger Sieg von mir als Vertreter der Massen gegen die intellektuelle Gruppe der unabhängigen Musiker.»
Zwei Mädchen versuchen, ihn zu überreden, mit ihnen in einen Club zu gehen. «Ich bin kein großer Disco-Gänger», sagt er. «Ich bin ein großer Minibars leer machender, fernsehguckender Ins-Bett-Geher.» Sie geben auf. «Weißt du was, ich glaube, ich bin aus meinen BumsStiefeln rausgewachsen», sagt er. Wenn das stimmt, hat das mehrere Konsequenzen. «Wenn es nicht mehr um Sex und nicht mehr ums Geld geht, dann muss es wohl um Musik gehen.» Bei den Fahrstühlen läuft er beinahe Enrique Iglesias in die Arme. «Schön, dich endlich kennen zu lernen», sagt Enrique. Einige Mitglieder von Coldplay wollen ins Casino im Keller gehen, um ein bisschen zu spielen. Wir werden jedoch nicht hineingelassen, weil wir unsere Ausweise nicht dabeihaben. Rob sagt den ColdplayMusikern, dass er seinen holen will, aber stattdessen kehren wir in die Lobby zurück. Pharrell Williams taucht auf. Rob zeigt ihm seine Tätowierung auf der Innenseite seines linken Handgelenks. Farrell. Pharrell Williams reagiert sehr amüsiert, aber auch arrogant, beinahe so, als bilde er sich ein, Rob hätte sich seinen Namen
eintätowieren lassen, aber leider den Namen falsch geschrieben. «Das war vielleicht unangenehm», murmelt Rob hinterher. Chris Martin ruft ihn von seinem Zimmer aus an — Rob wollte eigentlich oben weiter mit ihm Backgammon spielen, verließ aber den Raum, weil Chris ein langes Privatgespräch am Telefon führte —, während gleichzeitig Kylie Minogue auf ihn zukommt. «Eine Sekunde, ich rufe dich gleich zurück», sagt er zu Martin, dann zu Kylie: «Du siehst sehr schön aus», und geht mit ihr auf den Balkon, um dort ungestörter ein bisschen mit ihr zu reden. (Inzwischen lässt er also zwei verschiedene Teile von Coldplay auf sich warten.) Etwas später geht Rob hinauf zu Chris Martins Zimmer. Er fährt zufällig mit Kylie und Pharrell Williams im Fahrstuhl nach oben. Pharrell hört der Unterhaltung zwischen Rob und Kylie zu, ohne sich einzumischen. «Was gibst du mir denn morgen Abend?», will Rob wissen. «Top Secret», sagt Kylie. «Einen Preis für das Beste Jahr Unterbrechung?» Sie schweigen ein paar Stockwerke lang. «Du hast eine gelbe Schleife auf deiner Unterhose», bemerkt er. «Oh!», sagt Kylie. «Guck da nicht hin.» Der Aufzug hält, und Pharrell steigt mit einem genuschelten «Nacht» aus. «Was machst du jetzt?», will Kylie von Rob wissen. «Backgammon. Ich werde ein bisschen Geld machen.» Und so ist es auch: Als er später Chris Martins Zimmer verlässt, hat er 100 Euro verdient. Anhand der Fragen, die Chris Martin ihm beim Spielen gestellt hat, scheint es, als würde Martin sich Sorgen machen, ob Rob genügend echte Freunde hat. Rob erzählt ihm von Jonny, aber Chris scheint ihm den nicht so ganz als besten Freund abzunehmen. Er mochte es, wie Chris Martin ihm die Hälfte seines Thunfischsandwiches übrig ließ. Er mochte auch das Sandwich.
5 Am Tag der MTV-Awards spielen Rob und ich in der Lounge mal wieder Backgammon. Von hier aus haben wir die beste Sicht auf die Lobby. Rob summt «The Majesty Of Rock» von Spinal Tap, während er sich auf das Spiel konzentriert. Plötzlich kommt Dominic Mohan auf ihn zu, der Pop-Kolumnist der Sun. «Gutes Album», sagt Dominic Mohan. «<Me And My Monkey>. Super Song. Wovon handelt er?» (Die kurzen Sätze, die er in seinem Blatt schreiben muss, haben offenbar auch sein Sprachzentrum beeinflusst.) «Weiß ich selber nicht», meint Rob. Wir spielen weiter. «Amüsierst du dich?», fragt Dominic. «Ja.» «Keine Wiederholung von Stockholm?» Dort hatten die letzten MTV-Awards stattgefunden, die Rob noch als Trinker mitgemacht hatte. Es war keine angenehme Veranstaltung für ihn gewesen. Rob meint, er würde diesmal auf keine Party gehen. «Ich werde meine Vergangenheit besiegen und wieder nach Hause fahren», sagt er. «Hoffentlich sehen wir uns bald mal, damit wir das Interview machen können, über das wir gesprochen haben», sagt Dominic. «Für eine der Singles vielleicht», meint Rob. Sie geben sich die Hand. Dominic Mahon erzählt, dass er «Me And My Monkey» in seiner Virgin-Radio-Show gespielt hat, und geht. Es stellt sich heraus, dass Dominic Mahon kein Interview mehr braucht, weil er gerade eines geführt hat. Die Geschichte erscheint in der morgigen Ausgabe der Sun: «ROBBIE: ICH WERDE HIER MEINE DÄMONEN BESIEGEN. Robbie Williams gab mir gegenüber gestern Abend zu, dass er wild entschlossen sei, die Dämonen zu verbannen, die seinen letzten Auftritt bei den MTV Europe-Awards ruiniert haben. In einem exklusiven Interview, das in seinem Hotel in Barcelona stattfand, gestand Robbie, dass ihn die Schuldgefühle über seine alkoholisierte Darbietung in Stockholm im Jahr 2000 nicht mehr loslassen würden. Er schwor, den Versuchungen des Alkohols bei den diesjährigen Verleihungen zu widerstehen, indem er direkt nach seinem Auftritt nach Hause fliegen
würde, noch vor dem Ende der Veranstaltung. Ein geläuterter Robbie sagte zu mir: Er sah sehr entspannt aus, als ich mich mit ihm in der Lounge-Bar des schicken Hotel Art's bei einem Backgammon-Spiel unterhielt. » Und so weiter.
Auf dem Weg zum Toilette spricht ihn ein Mann mit der Frage an: «Bekomme ich ein Zitat für den NME?» «Ja», sagt Rob. «Fuck off.» Das Zitat wird wahrheitsgetreu auf der Website des NME wiedergegeben.
Im Bus, der ihn zur Show fährt, erwähnt er, dass er sich nicht gut fühlt. «Wisst ihr noch, wie ihr immer gesagt habt: <Es wird schon alles werden>?», murmelt er zu sich selbst. Er starrt aus dem Fenster. «Ich habe noch nie gesehen, wie ein Kran abgebaut wird», meint er. «Wie kriegt man die wieder weg?» Auf dem Weg in den Backstage-Bereich begrüßt er Jade Jagger und Patrick Kluivert. Chris Martin kommt in seine Garderobe, den Mittelfinger erhoben, mit dem er einen 100-Euro-Schein hält. Eminem schlurft mit gesenktem Kopf den Flur hinunter, umgeben von riesigen Männern. Rob geht auf die Toilette und trifft auf dem Rückweg Mel C. Er sagt ihr, wie gut sie aussieht, und will wissen, ob der Mann da drüben ihr Freund sei. «Ja», sagt sie, «ich habe endlich einen gefunden, der kein Wichser ist.» Marilyn Manson gesellt sich zu ihnen. «Melanie», sagt er. Manson erzählt von der Party gestern Abend – «Es gab Parmesan-Eis, ich habe extra die Menükarte aufgehoben» – und erzählt, dass er Puff Daddy getroffen hat. «Hattest du Angst?», fragt Rob.
«Nein, ich habe mich mit ihm fotografieren lassen», meint Manson und behauptet dann: «Ich habe ihm einen runtergeholt.» Es ist beruhigend, zu wissen, dass Manson sich immer dann danebenbenimmt, wenn er dabei ist, zu vergessen, was seine Rolle ist. Zurück in seiner Garderobe sagt Rob, dass er die Situation mit Manson und Mel C peinlich fand. Nicht wegen dem, was gesagt wurde, sondern weil er die ganze Zeit die Hand vor seinen Schritt halten musste: «Ich habe auf dem Klo ein bisschen auf meine Hose gepinkelt», erklärt er.
In seiner Garderobe verbindet er seinen Computer mit der Musikanlage und hört mit donnernder Lautstärke seine Lieblingsstücke: Erst mal Eazy E's «Nobody Move». Er seift sich ein, rasiert sich mit nacktem Oberkörper vor dem Spiegel, bittet Josie um einen Kaffee und spielt Jay Z's «Ain't No Love». Die Garderoben sind in Wirklichkeit nur provisorische kleine Schachteln, die Wände ungefähr viereinhalb Meter hoch und darüber zwanzig Meter offener Raum bis zur Decke. Würde man alle Wände hochziehen, könnte man die größten Stars der Welt in unterschiedlichen Bekleidungsstadien und Stimmungen erleben, zusammengepfercht in einer riesigen Lagerhalle. Robs Musik beschallt die ganze Halle. Irgendjemand steckt den Kopf durch die Tür und nickt. «Puff will wissen, wer das ist», sagt er. Rob spielt noch mehr Jay Z, danach «Diddly» von P Diddy. Zwei Tänzer von Christina Aguilera kommen vorbei und wollen auch wissen, woher die Musik kommt. Er spielt irgendwas von Eil Rob, Ian Browns «Dolphins Are Monkeys», «Pump Up The Volume». P Diddy taucht in der Tür auf und lässt sich mit Rob fotografieren, der gleich darauf Ronan Keating begrüßt. Als er zurückkommt, spielt er «Waterfall» von The Stone Roses, ein bisschen ZZ Top, «Maggie May» und «No One Knows» von Queens Of The Stone Age. Chris Martin stürmt herein. «Komm, schnell noch ein Spiel», meint er und setzt sich an das Backgammonbrett. Er erkundigt sich bei Rob, wann er seinen Walk-in machen soll. Die Künstler sollen später
wieder nach draußen gehen und für die Fernsehkameras am roten Teppich so tun, als wären sie gerade angekommen. Rob sieht ihn an, als wäre er nicht ganz bei Trost. «Machst du da nicht mit?», fragt Chris Martin. «Du sollst den Walk-in machen?», fragt Rob völlig erstaunt. Chris Martin nickt. (Ich habe das deutliche Gefühl, dass hier ein kleiner Konkurrenzkampf stattfindet: Wer ist denn jetzt der Popstar?) Ein paar Minuten später wird Chris Martin von einem Sicherheitsmann abgeholt, damit er seine Pflichten auf dem roten Teppich erledigt. Jenson Button kommt auf einen Plausch herein und hält ein Red Bull in der Hand. «Kann ich dich auf einen Slimfast-Drink einladen?», fragt Rob. «Reizend», sagt Jenson etwas erstaunt, lehnt aber ab. Rob spielt «Paradise City» von Guns N' Roses. «Miss Pink», ruft er, als sie im Flur auf ihn zukommt. «Guter Song», erwidert sie. «Schön, dich kennen zu lernen.» Ich bleibe ihm auf den Fersen, während er nervös und ungeduldig hin und her flitzt. Er geht zurück in seine Garderobe und schmeißt mit ziemlicher Gewalt einen Stuhl an den Schrank. Dann macht er es nochmal. Und nochmal. Nur so. Spielt «It's So Easy» von Guns N' Roses und geht in den Flur, um mit Rupert Everett zu reden. Marilyn Manson taucht wieder auf. «Kannst du den Scheiß mal leiser machen?», fragt er freundlich. Taylor Hawkins, Schlagzeuger der Foo Fighters, trommelt mit seinen Schlagstöcken auf die offene Tür zu Robs Garderobe. «Queen hätten dich gern als Sänger», sagt er. (Da ist sogar etwas Wahres dran. Nachdem Rob mit zwei Mitgliedern von Queen «We Are The Champions» als Titelsong für den Film «A Knight's Tale» gesungen hatte, fragten sie ihn, ob er nicht als Frontmann mit ihnen auf Amerika-Tournee gehen wolle. Er hatte ganz ernsthaft darüber nachgedacht.) «Die haben aber angefangen, Duette mit Boybands und so'n Zeug zu machen», sagt er zu Taylor. Der nickt. «Die müssen mal ein bisschen zur Ruhe kommen.» In der Arena hat die Show inzwischen begonnen. Wir sehen die Bilder auf dem Monitor im Flur, genau vor Marilyn Mansons Garderobe. Rob trifft Pierce Brosnan. Marilyn Manson kommt zurück und gibt die Unterhaltung wieder, die er gerade mit Kylie hatte. «Sie sag-
te: Ich habe ihr gesagt, so was könne sie in Amerika nicht sagen. Ich nehme dir deine Box weg.» «Robbie, ich habe im Flugzeug deine Sinatra-Show gesehen», meint Taylor. «Das war echt gut.» Rob wirft einen kurzen Blick in die Arena, wo ihn ein spanischer Transvestit interviewt. «Ich finde es toll, hier zu sein und freue mich, dass ich für einen Award nominiert wurde — das ist es doch, was man üblicherweise sagt, oder?», meint er zu ihr. Gegen zehn wird sein Make-up gemacht, und er fängt mit merkwürdigen AufwärmÜbungen für die Stimme an. Gina beklagt sich, dass er einen Zehnagel im Mund hat. «Das macht er nur, um mich zu ärgern», sagt sie. Rob nimmt ihn aus dem Mund, zieht sich langsam um und setzt sich dann noch einmal vor den Make-up-Spiegel. «Nimm das raus!», kreischt sie, als sie merkt, dass er schon wieder einen Zehnagel im Mund hat. «Du kannst keinen Anzug tragen und einen verdammten Zehnagel im Mund haben.» Er sagt zu Josie, dass er mal eben zu Ms. Dynamite gehen möchte. Er hatte ihr einen Brief geschrieben, in dem er sich dafür entschuldigte, dass ihr Rap in «Feel» nicht verwendet wurde, will aber sicherstellen, dass sie es richtig verstanden hat. Im Flur läuft er Dave Grohl über den Weg, der ein gemeinsames Foto mit ihm machen möchte. «Du siehst heute wie ein Politiker aus», meint Grohl anerkennend. «Richtig gut.» Rob posiert mit ihm für ein Foto. Er denkt, dass Grohl sich wahrscheinlich ein bisschen über ihn lustig macht, aber das stört ihn nicht: Der Mann war schließlich Mitglied von Nirvana. (Die kleinen Sticheleien und halben Komplimente gleichen sich immer wieder aus. Als er Grohl Anfang des Jahres auf dem Coachella Festival traf, hatte er ihm gesagt: «Abgesehen von mir bist du wirklich der Beste.» Grohl guckte etwas irritiert und sagte dann: «Danke, Mann.») Rob geht an die Bühnenseite und sagt leise den Text von «Feel» vor. Er schreibt sich die erste Zeile, «Come on hold my hand», auf die Innenfläche seiner Hand. «Mein nächster Gast hat mir gesagt, er wolle sich bei MTV für seine beiden Häuser, drei Autos und die Supermodelfreundin bedanken», sagt P Diddy in diesem Moment. «Er hat gerade einen Mega-
Plattenvertrag abgeschlossen, über 80 Millionen Pfund — wie viel ist das in Dollar? Kann ich davon was abhaben, Baby Boy? Damit gehörst du jetzt zum P Diddy-Club und kannst das wahre Leben leben, Baby. Applaus für meinen Freund ... Robbie Williams!» Rob hat kein Problem mehr mit dem Text. «Come on hold my hand ... I want to contact the living ... » Das ist der traurige und ernste Anfang eines traurigen und ernsten Songs. Rob erklärt selten, was dahinter steckt, dass die Worte nämlich aus einer alten Komödianten-Nummer stammen, der, als er auf der Bühne stirbt, sagt: «Kommt schon, alle zusammen! Lasst uns an den Händen halten und mal sehen, ob wir Kontakt zu den Lebenden bekommen!» Typisch für Robbie Williams, sich so einer Quelle auf diese spezielle Weise zu bedienen. Sein vierminütiger Auftritt geht gut, auch wenn Rob sich selbst nicht richtig hören kann und seine Einsätze deshalb nicht ganz präzise sind. Als er den hohen Ton singt, macht die Kamera ein Close-up von seinem angewiderten Gesichtsausdruck. Gegen Ende hebt er mit majestätischer Geste, die er sich von Perry Farrell abgeguckt hat, die Hand über den Kopf. Als er die Bühne verlässt, nehmen die satanistischen Las Ketchup seinen Platz vor den Kameras ein.
Auf dem Weg zurück in seine Garderobe klopft er an Ms. Dynamites Tür, die er immer noch unbedingt sprechen möchte, bevor er abreist, aber sie ist nicht da. Erst als sein Make-up entfernt wird, hört er sie den Flur herunterkommen, und rennt hinaus. «Hast du meinen Brief bekommen?» «Nein», antwortet sie. «Ich habe ihn an dein Büro geschickt», sagt er, «weil ich wollte, dass du Bescheid weißt.» Er erklärt kurz, was er ihr sagen wollte. «Außerdem wollte ich sagen, dass du verdammt toll aussiehst.» «Danke», antwortet sie. Die beiden sind nicht gerade die dicksten Freunde, und sie wirkt vielleicht ein bisschen zurückhaltend und misstrauisch, aber nichts deutet auf das hin, was bald darauf passieren wird.
Im Augenblick hat er keine Zeit mehr, sein Privatflugzeug wartet. Er zieht sich schnell in seiner Garderobe um und stellt in allerletzter Minute fest, dass er dringend pinkeln muss. Er könnte den Flur hinunter zur Toilette gehen, stattdessen pinkelt er in den Papierkorb in der Ecke. «Oh, du Tier!», schimpft Gina. Im Bus auf dem Weg zum Flugzeug meint er: «Ich fühle mich immer grauenhaft bei diesen Veranstaltungen.» Gegen drei Uhr morgens ist er schon zu Hause.
Am nächsten Tag erscheint ein Artikel über seine Spanienreise im Evening Standard. ROBBIE WIRD VON MS. DYNAMITE VERNICHTET lautet die Schlagzeile. «Hochmut kommt vor dem Fall – dieser Spruch wurde gestern Abend nur zu wahr für Robbie Williams ... Er forderte sein Glück mit Ms. Dynamite bei den MTV Europe Awards in Barcelona wirklich heraus ... und wurde prompt von ihr fertig gemacht ... Am heutigen Tag dankt er sicher dem lieben Gott dafür, dass ihn niemand bei seinem peinlichen Auftritt vor der Londoner Rap-Sensation beobachtet hat außer vielleicht einer Hand voll anderer Stars.» In dem Artikel heißt es weiter, dass er von der Bühne kam und direkt zu ihrer Garderobe lief, an ihre Tür hämmerte und, als er merkte, dass sie leer war, verzweifelt rief: «Gott – sie ist weg! Ich glaube es nicht! Wo bist du, Ms. Dynamite? Ich muss dich finden!» Anschließend habe er 20 Minuten lang sämtliche Garderoben nach ihr durchsucht, bis er sie endlich fand. Dann rannte er mit den Worten zu ihr: «Gott sei Dank habe ich dich gefunden! Ich warte schon seit Monaten darauf, mit dir zu reden!» In dem Artikel steht, sie hätte das Gesicht verzogen, als er sie umarmte. Anschließend hätte er wissen wollen, warum sie seine Briefe nicht beantwortet habe. «, fragte er ... und fügte hinzu: An dieser Stelle wurde Ms. Dynamite dunkelrot, stritt einfach ab, je irgendetwas von ihm in der Post gefunden zu haben, drehte ihm den Rücken zu und unterhielt sich angeregt mit Chris Martin von Coldplay. Robbie stand dumm herum, bis er schließlich in seine
Garderobe zurückging, sich einen Rennfahreroverall überzog und auch nicht bei der Aftershow-Party auftauchte.» Nur zur Information ist hier der exakte Wortlaut des Briefes, den Rob an Ms. Dynamite geschrieben hat. Es gab nur einen einzigen, auch wenn der Standard offenbar der Meinung ist, es wäre einer von mehreren schmachtenden Liebesbriefen gewesen. Rob hatte ihn mit der Hand in Großbuchstaben auf ein Stück Papier geschrieben, und er wurde einige Zeit vor den MTV-Awards verschickt. «Liebe Miss D., zuerst möchte ich dir zu deinen vielen Awards gratulieren. Ich bin erst seit ein paar Wochen wieder im Land, und du bist ständig im Fernsehen ... Das Video ist toll, du siehst wunderbar aus, und die Songs sind klasse ... Gratuliere, gratuliere, gratuliere. Ich möchte kurz erklären, was mit deinen weisen Worten in meinem Song passiert ist. Es tut mir echt Leid, dass sie nicht mehr drin sind, und es ist mir etwas unangenehm, weil vielleicht niemand mit dir darüber gesprochen hat. Alle fanden dein Stück toll, und ich fand auch, dass es den Song verbesserte ... aber dann waren meine Leute der Meinung, dass man auf der ersten Single seit langer Zeit nur < Robbie> allein hören sollte. Nach vielen ermüdenden Meetings und ein paar zerschlagenen Teetassen musste ich mich fügen. Ich wollte dir das nur schreiben, weil ich nach unseren kurzen Unterhaltungen, und nachdem ich deine Texte gehört habe, glaube, dass du auch so sensibel bist wie ich! Und ich will dich nicht verärgern! Ich hoffe, das hat nicht für alle Zeiten unsere Zusammenarbeit versaut ... Mit aufrichtigem Respekt und Bewunderung, Robbie Williams»
Rob ist bei Radio Two, wo er Alice Cooper im Flur begegnet. Der lädt ihn ein, mit ihm in Arizona Golf zu spielen. Dann hat er ein seltsames Aufeinandertreffen mit Steve Wright, der ihn bittet, doch mal in seine Sendung zu kommen, und ihm dann vier Kaugummis in die Hand drückt. Und er gibt Jonathan Ross ein Interview, in dem er gefragt wird: «Was ist eigentlich mit dem Schwulen, mit dem du zusammenlebst? Vermisst der dich nicht, wenn du weg bist?»
Rob beschließt, das Spiel mitzumachen. (Falls das nicht klar sein sollte: Jonathan Ross spricht von Jonny.) «Ich kann es ja ruhig zugeben: Alle Beziehungen, die wir sonst haben, sind nur gefaked», sagt er. «Alles nur Bluff. Das wird morgen Schlagzeilen geben. Das weißt du, oder? Es wird heißen: Robbie gibt endlich zu, schwul zu sein.» Tatsächlich erscheint nichts dergleichen in den Zeitungen. Wahrscheinlich hört man in den Boulevard-Redaktionen einfach nicht Radio Two, oder man tummelt sich dort lieber auf dem Gebiet der Spekulationen und Geheimnisse. Vielleicht sind sie auch einfach faul und wollen lieber ihre drei oder vier Lieblingsgeschichten wiederholen (er ist mit Rachel Hunter zusammen; er schläft mit allen, die nicht bei zwei auf dem Baum sind; er ist traurig und einsam und ungeliebt; er ist in Wirklichkeit schwul), ohne sich im Geringsten darüber Gedanken zu machen, dass sich diese Geschichten widersprechen. Wenigstens können sie dann, falls sich eine dieser Geschichten endlich mal bestätigen würde, sofort schreien: «Haben wir doch gleich gewusst!»
Die meisten Tage von Robbie Williams fangen im Augenblick spät an, mit einer Schüssel Müsli und der Post. Heute hat ein seltsamer Brief den Weg auf seinen Frühstückstisch gefunden. Es ist ein beidseitig beschriebenes Blatt aus einem Memo-Block mit einem Foto eines neu-gierig guckenden Löwenbabys am oberen Rand. Oben steht: «Dieser Memo-Block gehört ... », aber der Name wurde mit schwarzem Kugelschreiber übermalt, und der Brief ist weder unterschrieben, noch steht ein Absender darauf. (Wenn man ihn allerdings gegen das Licht hält, kann man den Namen noch gut lesen.) Der Brief ist in exzentrischer, dürrer Handschrift verfasst, mit wackeligen, wilden Großbuchstaben. Das wirklich Seltsame an diesem Brief ist weniger sein Inhalt – die Leute denken eben solche Sachen –, sondern dass sich jemand die Mühe macht, das alles aufzuschreiben und abzuschicken: «Wir sind ein älteres Paar, waren lange auf, und da gab's eine Sendung über dich! Du hast nur über dich geredet, 1 1/2 Stunden! Mädchen, die sich für dich interessieren, müssen so schlimm sein wie du, kein Wunder, dass sie bald nichts mehr von dir wissen wollen, arro-
gant, schlimme Sprache, du kannst überhaupt nicht singen, die wissen wohl nicht, was richtiges Singen ist, als du gesagt hast: , kann ja nicht dein Aussehen sein!? Vielleicht Geld. Manche reiche Leute sind wie du, warum sie dir 80 000 000 Pfund zahlen, kann überhaupt niemand glauben, wenn wir deine Eltern wären. Du hast über deine Großmutter geredet, du musst ja schön eingebildet sein, wir würden nicht erlauben, dass unser Sohn oder Enkelsohn sich so benimmt, und deine Ausdrücke? Leute wie du, die so fluchen, haben kein Selbstvertrauen oder Respekt. Kein Wunder, dass manche Mädchen weglaufen, wenn du so redest. Nic war schlau. Was hat wohl Rachel Hunter an dir gefunden. Wir wissen, dass dir das ganz egal ist, aber mussten das mal sagen.»
6 An dem Tag, an dem Escapology erscheint, fliegt er in einem Privatflugzeug zu einer Pressekonferenz nach Berlin, um dort die Tournee für den kommenden Sommer anzukündigen. «Anscheinend bin ich gerade damit beschäftigt, mich mit Eminem zu befreunden und von Ms. Dynamite fertig gemacht zu werden», sagt er, als er während des Fluges kurz die Schlagzeilen überfliegt. (Normalerweise sucht er sich die Boulevardzeitungen nicht extra heraus. Er vermeidet es, sie im Haus zu haben, und guckt sie sich oft tagelang nicht an. Wenn allerdings eine in der Nähe ist — auf einem Tisch liegt, in einem Auto oder Flugzeug —, schnappt er sie sich sofort.) «Ich werde mir für mein nächstes Album eine sehr tiefe Stimme zulegen», erklärt er plötzlich, «und viele Texte rezitieren.» Dann liest er die Rezension seines Albums in Q. «Wichser», meint er, als er fertig ist, «der rezensiert das Album ja gar nicht.» Da fällt ihm ein, dass er sein eigenes Album auch schon lange nicht mehr gehört hat. Er fragt David, ob er eine CD dabei hat, und verbringt den Rest der Reise damit, sich selbst zuzuhören. Nach ein paar Songs erklärt er: «Die Platte scheißt sich um gar nichts. Das ist meine Rezension.» Er zuckt mit den Schultern. «Ich glaube, diese Stücke werden erst in fünf Jahren richtig anerkannt werden. Ich meine, es ist so schwer, nicht dauernd von dem Medien-
Image von Robbie Williams runtergezogen zu werden. Manchmal komme ich da selber nicht dran vorbei.» «Hot Fudge» ist das nächste Stück. «I'm moving to LA!LA!LA! ... », singt er. Ich spreche ihn auf etwas an, worauf sich die meisten Rezensenten geeinigt zu haben scheinen: dass das Album dafür konzipiert wurde, den Durchbruch in Amerika zu schaffen. Es wird so getan, als hätte Rob das ganz klar und offen gesagt. Hat er aber nicht. Und es macht auch überhaupt keinen Sinn, wenn man sich die Platte einmal anhört, vor allem musikalisch. Wenn man die Absicht hätte, Amerika zu erobern, würde man sich auf eine bestimmte Musikrichtung konzentrieren, was dort als Zeichen besonderer Authentizität und Ernsthaftigkeit des Künstlers gewertet wird, und würde nicht eine stilistisch so uneinheitliche Platte wie Escapology herausbringen. Aber das ist noch nicht einmal der unsinnigste Aspekt dieser Diskussion. Fast jeder Kritiker hat die Songs zitiert, in denen tatsächlich Los Angeles oder Amerika vorkommen, wie «Hot Fudge» oder «Song 3», als wären sie der beste Beweis für seine Absicht, sich in Amerika einzuschmeicheln. Doch wer glaubt wirklich daran, dass sich Amerikaner von irgendeinem englischen Typ etwas über ihr eigenes Land vorsingen lassen? Wir reden lange darüber, während das Album läuft, bis Rob sich zu David dreht. «Hast du was von Guy gehört?» «Keinen Ton», antwortet David.
Mag sein, dass Privatjets etwas an sich haben, was Erinnerungen auslöst. Während wir Deutschland anfliegen, erzählt Rob von seinen Begegnungen mit Bono. Die erste ist eine seiner Lieblingsgeschichten aus seinen damaligen Drogenzeiten. Er war zu einer Party bei Bono in Dublin geflogen, wo er sich den Kopf mit Pilzen zudröhnte. Bono fand ihn, wie er an die Wand starrte. «Bono», sagte er, «das ist ein unglaubliches Gemälde ... » «Robbie», antwortete Bono sanft, «das ist ein Fenster.» Robbie wohnte im Gästehaus. Er sollte sich, wie alle anderen Gäste vor ihm, ins Gästebuch eintragen. Vor der Abfahrt stand er lange
davor und grübelte darüber, was Salman Rushdie, Kofi Annan und andere geschrieben hatten. Eingeschüchtert von so viel Weisheit und Poesie versuchte er, sich etwas Passendes auszudenken. Endlich setzte er den Füller auf das Papier. «Für Bono», schrieb er, «alles Liebe, Robbie.» Er ist besessen von Bono und U2. Ihr Konzert im April 2001 in Anaheim, Kalifornien, war einer der Hauptgründe, warum er als Solo-Künstler aufhören und stattdessen eine Band gründen wollte. Danach betete er lange Zeit: «Lieber Gott, kannst du machen, dass ich so jemanden wie The Edge finde? Und kannst du mir helfen, wirklich anspruchsvolle Texte zu schreiben, die meine Seele so berühren wie die von Bono?» Nach dem Konzert in Anaheim ging er hinter die Bühne und sagte zu Bono: «Wenn ich groß bin, möchte ich so werden wie du.» Bono machte nicht den Eindruck, als sei er davon besonders begeistert. Bei den verschiedenen Begegnungen mit Bono gibt es eine, die er wirklich bereut. Bono hat so eine Art, einen manchmal zu packen, in die Augen zu sehen und dabei auf einen einzureden. Rob hatte immer gehofft, Bono würde mit ihm auch mal so reden, hatte aber gleichzeitig entsetzliche Angst davor. Eines Nachts, gleich am Anfang von Robs Solo-Karriere, trafen sie sich und Bono sagte: «Wenn du willst, kannst du wirklich ein Großer werden.» Und Rob erwiderte: «Ja, ich werde der größte Star aller Zeiten.» «In der Sekunde, in der ich das sagte, wusste ich schon, dass das falsch war», sagt Rob. «Er sah mich an, als hätte ich eines seiner Kinder entführt. Und er sagte nein, nein, nein ... Und ich sagte nein, nein, nein ...»
Josie bespricht mit ihm, was ihn auf der Pressekonferenz in der britischen Botschaft erwartet: 269 Journalisten, eine Einführung des Botschafters, Meetings mit den Tournee-Sponsoren Xbox und Smart. Rob tritt auf und steht vor einem riesigen Foto, das ihn bei einem Luftsprung zeigt. «Danke, dass wir hier Ihre Hütte benutzen dürfen», sagt er zum Botschafter, setzt sich auf einen Hocker mit dem Mikrophon in der Hand und sieht aus wie ein Variete-Künstler aus den Siebzigern. Er erklärt den 269 Journalisten, dass er Grippe und nur
zwei Stunden geschlafen hat und außerdem ein bisschen eingeschüchtert ist. «Okay, irgendwelche Fragen?» Die Art, wie er auf die harmlose Frage antwortet, warum er Open Air-Konzerte macht, zeigt gleich, in welcher Stimmung er ist. Weil es immer große Konzerte sind, beginnt er und fügt ungefragt hinzu: «Und ich glaube wirklich, man sollte sich meine Konzerte jetzt ansehen, weil es nach dieser Tournee und diesem Album eigentlich nur noch schlechter werden kann. Ich befinde mich jetzt auf dem Höhepunkt meiner Karriere, und das sollte keiner verpassen. Später, so in fünf Jahren, gibt's dann nur noch die Ferienshows in englischen Sommercamps. Mit Oasis.» Er wird zu Amerika befragt, und ein Teil unseres Gespräches im Flugzeug blubbert aus ihm heraus. «Ich habe eine ganze Menge interessantes Zeug dazu gelesen, gerade jetzt mit dem Erscheinen des neuen Albums. Ich habe gehört, dass diese Platte direkt auf das amerikanische Publikum zugeschnitten sein soll. Und der Grund, warum ich so viel Zeit da drüben verbringe, ist, dass ich verzweifelt entschlossen bin, dort meinen Durchbruch zu schaffen ... Die volle Wahrheit ist: Es ist mir völlig wurscht. Ich habe wirklich sehr hart gearbeitet, erst bei Take That, seit ich 16 bin, dann an meiner SoloKarriere ... Die Wahrheit ist, mich interessiert der Durchbruch in Amerika nicht besonders. Es wäre ein wahnsinnig harter Job, ich bin dort ein neuer Künstler, ich scheiß drauf. Der Aufwand ist einfach zu groß. Ich habe mein Geld, vielen Dank. Also, ganz offiziell: Ich bin nicht interessiert. Wirklich. Ich habe ein sagenhaftes Publikum hier drüben und in Asien und sonst wo, das sich meine Alben anhört. Ich muss da nicht hin.» Einfach so. Diese Worte sollen später angeblich an den sinkenden Aktienkursen von EMI schuld sein. Er plappert weiter, stellt einige Dinge klar – die Geschichte mit Ms. Dynamite, den Exklusiv-Deal mit Guy Chambers – und spricht über seinen Penis. Das Übliche eben. «Thomas von Bravo», stellt sich ein Journalist vor, «was haben Sie mit dem ganzen Geld von EMI vor?» «Ich will ein Zimmer voller Süßigkeiten», antwortet Rob. «Und dann werde ich mich rausfressen.»
Vereinzeltes Gelächter, aber vor allem Befremden über diese Antwort. «Ich hab keine Ahnung», fährt er fort. «Ich bin ein Star. Wir haben ja viele Scheidungen. Eine Menge davon wird an zukünftige Ex-Frauen gehen, da bin ich sicher. Es gibt schon Pläne für eine Tournee in etwa 15 Jahren, wenn ich es wirklich nötig haben werde, weil zwei meiner Frauen die ganze Kohle abgeräumt haben.» In einem Nebenzimmer gibt er zwei Journalisten vom Spiegel ein Interview Sie finden, dass er auf den Fotos im CD -Booklet von Escapology ein bisschen aussieht wie Jesus. Auf dem Cover hängt er kopfüber von dem höchsten Gebäude in Los Angeles, die Arme ausgebreitet, wie ein lebendes Kruzifix. Innen ist ein anderes Foto, auf dem er von Kopf bis Fuß von Ringen aus Licht umgeben ist, wobei der Ring am Kopf wie ein Heiligenschein wirkt. Diese Interpretationen hört er zum ersten Mal und lehnt sie beide ab. Sie wollen wissen, wie der Titel des Albums zustande gekommen ist, und er erzählt von seinem Plan, sich der Figur Robbie Williams zu entledigen, und wie er seine Meinung dann doch wieder geändert hat. «Es war die Flucht vor dem Entfliehen, mit dem ich mich erledigen wollte», sagt er. «Ich habe es wirklich geschafft, zu dem Punkt zurückzukommen, an dem ich es genieße, ich zu sein.» «Flucht im Sinne von Weglaufen kann auch etwas Negatives sein», meint einer der Journalisten ernsthaft. «Kommt darauf an, wie man es betrachtet», sagt er. «Man könnte sagen, es wäre eine Flucht vor den Dingen, die wirklich wichtig sind, eine Flucht vor Verantwortung. Aber man könnte es auch als Flucht vor dem Selbstmord sehen, und ich glaube, das ist die wahre Bedeutung.» Sie fragen nach seinen Eltern, und er spricht zuerst über seine Mutter. «Sie sagt immer, dass sie sehr stolz darauf ist, was ich alles erreicht und wieder hinbekommen habe. Und das ist für mich das Wichtigste», erklärt er. «Das bedeutet mir mehr als ein 80-MillionenPlattenvertrag.» Er grinst breit und etwas dämlich. «Nur kann man das nicht ausgeben.» «Gibt Ihr Vater Ihnen Ratschläge für Ihre Auftritte?», wollen sie wissen.
«Meinem Vater zuzusehen ist an sich schon sehr lehrreich. Seine Körperhaltung, seine Manierismen. Aber ich habe eigentlich bei jedem Entertainer geklaut – bei Freddie Mercury ... Axl Rose, Tina Turner, Mick Jagger, David Bowie, Dean Martin, Sammy Davis Jr., Frank Sinatra, meinem Vater, anderen Komödianten, die ich kenne, Steve Coogan, Eddie Izzard ... Ich habe mir einfach von jedem etwas abgeschaut und in meinen Auftritt eingebaut.» Was er an einem typischen Tag in Los Angeles so macht, fragen sie. «Nichts», sagt er. «Absolut gar nichts. Das kann ich sehr, sehr gut. Manchmal kaufe ich mir ein paar Klamotten. Aber häufig sitze ich den ganzen Tag herum und tue überhaupt nichts, spiele ein bisschen Gitarre, gehe vielleicht mit den Hunden spazieren. Ich habe so viel gemacht, seit ich 16 war, also ist es für mich ein Geschenk, einfach herumzusitzen und nichts zu tun. Ich habe daraus eine hohe Kunst gemacht. Ich bin ein Mann, der den ganzen Tag Nichtstun übt.» Er erklärt, dass das ein wichtiger Teil seiner Entwicklung ist, um glücklich und ruhig zu werden. «Manche Leute lieben es, berühmt zu sein, und können damit sehr gut umgehen. Ich kann das nicht.» «Sie können sich nicht daran gewöhnen, berühmt zu sein?» «Nein», antwortet er. «Ich glaube, es ist so: Am Anfang tut man alles, um ein Star zu werden, und den Rest seiner Karriere verbringt man damit, als Star zu überleben.»
Im Auto erzählt David von der Unterhaltung, die er gerade mit dem Gastgeber geführt hat. «Der Botschafter meinte, das sei jetzt der Höhepunkt seiner Karriere ... », sagt er. «Dass ich da bin?», fragt Rob ernst. «Das ist aber nett.» «Nein», meint David. «Botschafter in Berlin zu sein.» Großes Gelächter.
Zu Hause hat Rob Lust, Blackjack zu spielen, aber wir haben keine Chips. Er will welche bei Hamleys kaufen, aber die haben geschlossen. Wir sitzen herum und versuchen, Chips aus Papier auszuschneiden, aber das klappt nicht, und schließlich geben wir auf. Rob fällt
ein, dass sie einmal, als sie in Amerika auch keine Chips hatten, stattdessen Tabletten genommen haben. «Vitamintabletten und Antidepressiva», erzählt er. «Vitamine zählten fünf, Antidepressiva 50.»
7 Während des Frühstücks singt Rob leise Songs von Coldplay und studiert das Escapology-Booklet. Pompey überlegt, was er heute anziehen soll. «Für einen Pullover ist es zu warm», findet er. «Weißt du was?», rät Rob. «Kälte in Stoke.» Wir fliegen vom Battersea-Heliport aus Richtung Norden. Es ist ganz anders als in einem Flugzeug, man fühlt sich, als würde die Landschaft direkt unter einem ausgebreitet. Nach 40 Minuten haben wir die Rennbahn von Utoxeter erreicht, wo wir landen, um die Reise möglichst geheim zu halten. Seinen Besuch in Stoke soll niemand mitbekommen. «Was für eine verdammt angenehmer Flug!», findet Rob. «Merke: Immer schön reich bleiben ... »
Wenn es um das Engagement für wohltätige Zwecke geht, werden Stars grundsätzlich kritisiert, egal, was sie tun. Wenn sie nichts tun, gelten sie als egoistisch und geizig. Wenn sie etwas tun, fangen die Probleme erst richtig an. Vielleicht gab es mal eine Zeit, in der karitatives Engagement ohne Hintergedanken möglich war: Jemand wurde reich und berühmt und wollte der Gesellschaft aus Dankbarkeit, gemischt mit Schuldgefühlen, etwas zurückgeben. Er tat anderen etwas Gutes und fühlte sich daraufhin selbst ein bisschen besser. Das Ganze galt als Zeichen von Selbstlosigkeit und moralischer Größe. Heute ist das völlig anders. Es gibt kaum noch eine Trennung zwischen Wohltätigkeit und schamloser Selbstbeweihräucherung. Wenn jemand das Wort «Wohltätigkeit» im Zusammenhang mit Entertainment hört, stellt er sofort die Motive des Spenders in Frage. Wohltätigkeit verkommt immer mehr zu einer anderen Art der PR. Die Welt der Charities, Premieren, Partys, Spendenaktionen und Foto-Gele-
genheiten bietet Prominenten einerseits neue Aufstiegschancen, andererseits kann sie das Abstiegstempo bremsen. Die wöchentlichen Star-Magazine wie Hello und OK! drucken seitenlang Fotos solcher Events, auf denen sich niemand mehr darüber Gedanken zu machen scheint, wer die Selbstsüchtigen und wer die Selbstlosen sind. Stattdessen existiert ein stillschweigendes Abkommen zwischen Stars und Wohltätigkeitsorganisationen, sich gegenseitig dabei zu helfen, die Aufmerksamkeit zu bekommen, die beide Seiten brauchen. Für denjenigen, der gern etwas tun würde, ohne zwangsläufig in den PR-Strudel zu geraten, ergibt sich ein Dilemma. Am einfachsten, man äußert sich einfach nicht über die wohltätigen Zwecke, für die man sich engagiert. Das ist die Strategie, die Rob verfolgt. In den vergangenen Jahren hat er einige Millionen Pfund gespendet, aber ich habe es nur ganz selten erlebt, dass er dazu etwas gesagt hat (abgesehen von ein paar Wutanfällen im engsten Kreis, wenn Leute ihm unterstellen, er würde sich für keine wohltätigen Zwecke engagieren, nur, weil er das nicht herumposaunt). Und wenn, dann ging es um die Gewinne, die er mit verschiedenen Projekten gemacht und anschließend wieder gespendet hat. Ein Teil des Geldes geht an Unicef, für die er sich schon lange engagiert, aber das meiste Geld fließt an seine eigene Organisation, Give It Sum, die er im Jahr 2000 gegründet hat. Deren Arbeit ist ausschließlich auf die Umgebung von Stoke begrenzt, wo er aufgewachsen ist. Sein heutiger Besuch in Stoke hat den Zweck, einige Projekte zu besuchen, für die sich Give It Sum engagiert. Er informiert sich, was in letzter Zeit alles passiert ist, kann seine Unterstützung demonstrieren und sich für Fotos zur Verfügung stellen, mit denen später für seine Projekte geworben wird. Sein Besuch wurde unter größter Geheimhaltung arrangiert, damit weder die lokale Presse noch irgendein Fotograf davon Wind bekommt. Damit wäre nicht nur der ganze Tag ruiniert, es könnte auch der Eindruck entstehen, Rob benutze die Reise nur als Vorwand und wolle in Wahrheit Werbung für sein gerade erschienenes Album machen. Das wäre genau das, was er nicht will: Wohltätigkeit als abgeschmackte PR-Idee. Auf der Rennbahn ist aber niemand zu sehen, bis auf den Chauffeur und ein paar Frauen, die hier arbeiten.
Wir fahren zum Haus seiner Mutter Jan und gehen in die Küche. (Jan sitzt im Ausschuss von Give It Sum und hat mit der Verteilung der Gelder zu tun.) Rob durchsucht das CD-Regal und spielt einen Mantronix-Mix von «Millennium» (der aus technischen Gründen nie erschienen ist). Er greift in eine Schüssel mit Wahrsagerkarten, die auf dem Esstisch seiner Mutter steht. Die erste Karte, die er zieht, ist leer. Auf der zweiten steht «Vergebung».
Zuerst besucht er eine Klinik des Donna Louise Trust, in der Kinder behandelt werden, die voraussichtlich kaum das Teenageralter überleben werden. Noch ist sie eine Baustelle, aber beinahe fertig. Rob werden die oberen Stockwerke gezeigt, die Mitarbeiter erzählen von ihrer Arbeit und zeigen ihm Zeitungsausschnitte aus den lokalen Zeitungen von früher, als sein Engagement bekannt wurde. «Unser Patron, der heilige Robbie, will uns helfen, das Geld heranzukarren.» Er sieht sich die halbfertigen Schlafräume an, stellt leise, interessierte Fragen und scheint erleichtert, als er dem Hund eines Bauarbeiters begegnet, mit dem er sich ein bisschen beschäftigen kann. Als er in einen anderen Raum geht, trifft er einen Maler, den er noch von früher, als er Teenager war, kennt. Draußen vor der Tür stellt er sich für ein Foto mit den Mitarbeitern auf. «Kinn tief, Augen auf», sagt er. Eine Frau meint, sie hasse es, fotografiert zu werden. «Das wird auch mit Übung nicht besser», antwortet er verständnisvoll. Im Bus unterhält er sich mit Jan über den schwulen Bürgermeister von Stoke. Sie richtet Rob seinen Dank dafür aus, dass er seinen Kopf riskiert und 1000 Pfund für das örtliche Schwulenforum gespendet hat. «Ich habe ihm gesagt, dass du überhaupt nichts riskiert hast. Das sei ganz normal gewesen», meint sie. Zwischen zwei Terminen reicht ihm Josie ein paar Listen mit Fakten, damit er weiß, worum es gleich geht. Sie fahren zum Old BlurtonGemeindezentrum. Als Rob hereinkommt, ist ein kollektives Luftschnappen zu hören. «Ein echter Popstar!», ruft eine Frau. «Ich fasse es nicht!»
«Ich auch nicht», meint Rob. Sie bringen ihm einen Becher Kaffee und erzählen, was sich hier so abspielt und wie sie es geschafft haben, mit Hilfe des Gemeindezentrums die Gegend wieder lebenswerter zu machen. «Es war hier unten wie in Beirut», sagt einer. «Man ist vor Angst nicht vor die Haustür gegangen», sagt ein anderer. «Es ist schön, wenn man weiß, dass man wieder in einer sicheren Gegend lebt.» «Ich sage das jetzt nicht nur so», sagt Nina, eine ältere Dame, die hier arbeitet und unglaubliche Lebensfreude und Entschlossenheit ausstrahlt, «aber ohne Sie hätten wir die beiden letzten Jahre nicht überstanden. Wir hätten schließen müssen.» Rob sagt, seine Mutter hätte ihm das alles schon erzählt: «Meine Mutter weinte am Telefon, und dann musste ich auch weinen.» Sie zeigen ihm den Spielplatz gegenüber. Hier wollte die Stadtverwaltung einen riesigen Parkplatz bauen, aber die Anwohner haben sich erfolgreich gewehrt. Sie schildern ihre Pläne für ein Gemeindezentrum und einen Sportplatz. Nina meint, sie müssten über 100 000 Pfund aufbringen. «Aber das schaffen wir schon», sagt sie mit fester Stimme. «Ganz sicher», stimmt Rob ihr zu. «Ich finde es toll, was Sie machen ... Und ich werde mich um das Geld kümmern.» Er bemerkt das so beiläufig, dass es einen Moment dauert, bis allen klar wird, was er eben gesagt hat. «Ernsthaft?», hakt Nina etwas nervös nach. Sie fürchtet, ihn im Falle eines Missverständnisses vielleicht zu beleidigen, andererseits etwas Wichtiges zu übergehen, wenn sie nicht nachfragt. «Ernsthaft», sagt er. Und sie fängt an zu weinen, und bald ist sie damit nicht allein. «Ich muss jetzt erst mal eine rauchen», sagt sie schließlich. «Ich auch», meint Rob, und Arm in Arm wandern sie davon, um zu rauchen und zu reden. Als sie zurückkommen, weint sie wieder ein bisschen, und er sagt: «Jetzt geh mal nicht zu weit, sonst fange ich auch noch an und höre den ganzen Tag nicht mehr auf.» Drinnen zeigt sie ihm die Pläne für den Grundriss. Er will wissen, was in den ganzen Räumen passieren soll, und sie erzählt von Yoga,
Kampfsport, lauter Praktischem — und Hoffnung. Die Neuigkeit spricht sich herum, und immer mehr Menschen strömen zusammen. Die Reaktion hier ist anders als in Großstädten, in denen es normaler ist, mal einen Star zu treffen. Dort sind die Leute zwar auch beeindruckt, aber sie erwarten auch immer irgendetwas. Hier sind sie einfach nur erstaunt. Zwei Teenager kommen angerast, stehen neben ihm und starren ihn an. «Nett, euch kennen zu lernen», sagt Rob zu ihnen. Sie suchen vergeblich nach Worten und starren ihn weiter an. Rob hebt einen Daumen und grinst. «Irre», sagt er. Eine der älteren Damen kommt näher. «Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen?», fragt sie. «Klar.» «Wie alt sind Sie?» «Achtundzwanzig», antwortet er. «Das ist aber nicht sehr persönlich! Sie können ruhig intimer werden.» Ihm wird ein sechs Monate altes Baby gezeigt, das Robbie heißt. Eine Frau mittleren Alters, die ihren Job riskiert, weil sie das Café, in dem sie arbeitet, einfach geschlossen hat, um ihn zu sehen, fragt: «Darf ich Sie einmal umarmen? Ich weiß, ich rieche nach Speck und Eiern.» «Ich wünschte, ich würde auch nach Speck und Eiern riechen», antwortet Rob, während er sie in den Arm nimmt. Er verabschiedet sich, und wieder fließen Tränen. «In der Sekunde, in der ich reinkam, habe ich Liebe gespürt», sagt er. Aus dem Autofenster ruft er: «Zeigt's ihnen, Mädels!», dann fahren wir los. «Sind sie nicht phänomenal? Ich sag euch was, es ist viel besser, etwas für solche Leute zu tun, als einen Spieler für Port Vale zu kaufen.»
Das nächste Ziel ist der Sutton Trust, ein Gemeindezentrum, das zu den Sozialwohnungen von Abbey Hulton gehört. «Hier ist das größte Sozialwohnungsgebiet in ganz Europa», erklärt Rob. «Und auch entsprechend derb.» «Weißt du, dass du für jedes dieser Häuser einen Feuermelder finanziert hast?», fragt Jan ihren Sohn. «Habe ich das?»
«Es hat ein Pfund und noch was pro Haus gekostet», sagt sie. «Es waren ungefähr zehntausend. Jeden Monat war irgendwo ein Feuer, und die Stadtverwaltung wollte nichts tun.» Beim Sutton Trust wird ihm das Computercentrum im ersten Stock gezeigt, dessen gesamte Ausrüstung Give It Sum bezahlt hat. Auf einem Zeitungsausschnitt steht: «Rock-Megastar Robbie unterstützt Cyber Center». Er unterhält sich mit allen und will wissen, ob es hier in der Gegend eigentlich besser wird. «Abbey hilft sich selbst», sagt eine Frau stolz. «Könnte ich ein Autogramm für meine Tochter bekommen?», fragt eine andere. «Natürlich.» Er muss jetzt eine Dankesrede für eine Preisverleihung aufzeichnen, bei der er als «Person, die sich am meisten für Stoke eingesetzt hat», geehrt wird. Ich habe noch nie erlebt, dass er sich auf eine Veranstaltung dieser Art vorbereitet. Offenbar denkt er gar nicht darüber nach, bevor er sich vor eine Kamera setzt. «Hello everybody», sagt er. «Ich bin Robbie Williams und möchte mich sehr für diese Auszeichnung heute Abend bedanken. Ich sitze gerade in der Sutton Trust Community Group in Abbey Hulton und bin schon ziemlich lange nicht mehr in Stoke gewesen, weil ich in anderen Ländern zu tun hatte. Schon als Kind wurde mir beigebracht, dass die Menschen in Stoke-on-Trent die besten sind – mit dem größten Herz, großzügig, liebevoll, in der Lage, schwere Zeiten zu überstehen. Und, das muss ich sagen: Ich bin um die ganze Welt gereist, und es stimmt – jedes Wort. Wir sind die Besten. Ich habe das nur deshalb gemerkt, weil ich viel Zeit außerhalb von Stoke-onTrent verbracht habe, und wenn man zurückkommt – und ich war heute an allen möglichen Orten und habe hallo gesagt –, spürt man nur Liebe, Wärme und diesen wundervollen Sinn für Humor ...Ich bin sehr stolz, aus Burslem zu stammen, und sehr stolz, aus Tunstall zu kommen. Ich werde meine Wurzeln mein Leben lang nicht vergessen. Sie sind größtenteils verantwortlich dafür, wer ich bin und was ich bin. Ich bin sehr stolz, dass ich die Möglichkeiten habe, Werbung für meine Stadt zu machen, und werde mich weiterhin bemühen. Ich möchte in und um Stoke-on-Trent herum noch viel aktiver werden – der Ort, den ich liebe, der Ort, aus dem ich komme, und der Ort, an den ich irgendwann zurückkehren werde ... Ich danke
Ihnen wirklich sehr. Ich liebe den Ort, aus dem ich komme. Vielen Dank.» Er steht auf und geht aus dem Bild.
Er wird gefragt, ob er eine Margaret kennt. «Rachels Mama», hilft die Person. «Oh», sagt Rob, «Rachel.» Er nickt. Kurz darauf dreht er sich zu mir um und sagt: «Sie war meine erste große Liebe.» «Ist Rachel noch zu haben, Mama?», will er später von seiner Mutter im Auto wissen. «Sie ist immer noch mit diesem jungen Mann zusammen», sagt Jan.
An Rachel Gilson hat er von allen Mädchen aus Stoke die angenehmsten Erinnerungen. «Sie war die Erste, für die ich gesagt habe: Was ich übrigens auch getan habe», erzählt er. Sie brachte ihm zwei Akkorde auf der Gitarre bei, C- und A-Dur, und den Anfang des Prince-Songs «The Cross», ein Stück, das er noch nie gehört hatte. Sie spielten zusammen Tennis und waren viel bei ihr zu Hause. «Sie hatte einen kurzen schwarzen Haarschnitt, fast so wie ich jetzt, nur etwas länger», sagt er. Obwohl er im Jahr davor seine Unschuld verloren hatte, haben sie nie miteinander geschlafen. Eines seiner Stücke, «Win Some, Lose Some», handelt im Großen und Ganzen von ihr. Er ging zu Take That, sie fing an, in Manchester zu modeln, und irgendwann verloren sie sich aus den Augen. Manchmal denkt er noch an sie. «Ich habe Rachel noch immer sehr gern. Ich glaube, da ist noch was, man könnte es vielleicht nochmal hinkriegen», sagt er. «Sie liebt mich.» Er lächelt. «Sie ist wirklich das süßeste, hinreißendste, freundlichste, beste, hübscheste Ding in Stoke-on-Trent.» Mit Freund, erinnere ich ihn.
«Ja», sagt er. «Sie liebt ihn aber nicht so sehr wie mich.» Wir fahren an der Abzweigung nach Fenton College vorbei, wo er sich als Student eingeschrieben hatte, aber nie aufgetaucht ist. Popstar werden kam dazwischen. Alle paar Meter gibt es eine andere Erinnerung. Er schreit, als wir an dem Pub vorbeikommen, wo er bei einem Talentwettbewerb «Mack The Knife» gesungen hat. Der abschließende Besuch gilt einem Jugendprojekt, dem 7Cs in Hanley Park, wo er nähen lernt, jungen DJs bei Arbeit zusieht, beobachtet, wie man skipt und es bei einem Versuch selbst nicht hinbekommt. Es war ein guter Tag, erfolgreich in jeder Hinsicht. (Die Medien haben nichts mitbekommen, und das bleibt auch so.) Und es war ein inspirierender Tag mit Menschen, die versuchen, auf echte, sensible und unaufdringliche Weise das Leben ein bisschen besser zu machen. «Das macht mich ausgeglichener», murmelt er. Zu Hause in London kommt er gerade rechtzeitig, um mit Chris Sharrock und seinem Vater, der gerade zu Besuch ist, Top Of The Pops zu sehen. Kylie Minogue tritt zusammen mit Fischerspooner auf, und dieser Kontrast zum restlichen Tag ist wahrscheinlich mehr, als man ertragen kann. «Das da», ruft er, «ist konzeptioneller Dreck.»
8 Er geht nach draußen, in den runden Innenhof der BBC, um eine Zigarette zu rauchen. Heute Abend tritt er bei Later ... With Jools Holland auf, nicht, um sich selbst zu promoten, sondern um bei dem Song «My Culture» von i Giant Leap mitzuwirken. Das Publikum, das für die Fernsehshow Schlange steht, kümmert sich nicht um ihn. «Merkst du, wie die Platten kaufende Öffentlichkeit, die wegen Coldplay und den Datsuns hier ist, sich nicht für mein Autogramm interessiert?», meint er. Chris Martin kommt mit dem Handy am Ohr vorbei. Als er Rob sieht, sagt er irgendetwas zu der Person am anderen Ende und reicht ihm wortlos das Telefon. Rob entfernt sich ein Stück mit dem Handy, und das Letzte, was er sagt, bevor er es Chris Martin zurückgibt, ist «Danke, dass du mich nicht hasst». Es ist offensichtlich, mit wem er gesprochen hat. Sie hat ihm gesagt, dass sie
ihn beide mögen. Hinterher ist er sich nicht sicher, ob das nicht etwas von oben herab war. Chris Martin geht hinein, und ein Typ kommt auf Rob zu und begrüßt ihn erfreut. «Gefällt dir das Hemd?», fragt Rob. Er trägt sein TRex-T-Shirt mit Marc Bolans Gesicht darauf. Der Typ ist Mark Bolans Sohn Rolan. «Meine Bums-Stiefel», seufzt er, als er in der Garderobe wartet. «Es war sehr, sehr schwer letzte Nacht, aber ich bin stark geblieben. Da war ein Mädchen ... Aber ich hab's gelassen.» Niemand fragt nach, was er meint, und er gibt auch keine weitere Erklärung. Er tritt zusammen mit i Giant Leap, Baaba Maal, den Mahotella Queens und Maxi Jazz auf, und als er gerade gehen will, erinnert ihn Josie daran, dass er heute Abend bei Kevin Spacey im Sanderson Hotel eingeladen ist. «Hab keine Zeit», sagt er erfreut. Das wurde Kevin Spacey bereits mitgeteilt, als er Rob eingeladen hat. Er ist deshalb so erfreut, weil sein Song «I Will Talk, And Hollywood Will Listen», sein einziger «eigener» Song auf dem Swing-Album, langsam Wirklichkeit wird. «I wouldn't be so alone If they knew my name in every home Kevin Spacey would call on the phone But I'd be too busy Come back to the old five and dime Cameron Diaz give me a sign I'd make you smile all the time Your conversation would complement mine» Ich frage ihn, was er stattdessen heute Abend vor hat. «Mein Dad ist zu Hause», meint er, «und es gibt Fußball im Fernsehen.»
Die meisten Tickets für Robs Europa-Tournee im kommenden Sommer sind schon verkauft: Nach den ersten paar Tagen sind 750 000 Stück weg. Das Konzept der Tournee ist dagegen noch völlig unklar. An Robs Küchentisch findet ein Meeting statt, bei dem die wichtigsten Mitwirkenden ihre Ideen präsentieren sollen. Die meiste Zeit re-
det Lee Lodge, der Creative Director. Er präsentiert eine Flut von Ideen, Bildern, Themen, redet von «der dunkleren, böseren Seite der Musik, um die man sich in letzter Zeit weniger gekümmert hat ... übersetze die Energie von Escapology ... klare Bilder ... Oper ... eine Verbindung zwischen Konfrontation und Unstimmigkeit, sowohl emotional als auch physisch ... mehr auf die Punk-Mentalität zurückgehen ... eine Reise ins Wachstum ... die Leute, die so was wie erwarten, bekommen diesmal ein etwas aggressiveres Image geboten ... deutliche Farben ... etwas subversiver ... das hier ist keine Tournee, sondern etwas Ernsteres ...virulentes Marketing ... Teaser als Werbung ... die Großartigkeit des Biests ... wenn du das Tier ansiehst, kann es uns mit seiner Anmut verführen, aber es kann dich auch umbringen ... Wut und Einfachheit ... Das hier ist nicht der Rob, den wir glaubten zu kennen ... nichts ist mehr so, wie es mal war, und darauf bauen wir die Show auf.» Rob bekommt Bilder aus dem Film Twelve Monkeys von Terry Gilliam gezeigt, Arbeiten von dem Graffiti-Künstler Banksy und eine Grafik für «Angels», auf der die Zeile «T H I S IS NOT A L O V E SONG» von John Lydon steht. «Egal, was für ein Bild wir präsentieren, es gibt immer einen Dreh, es ist nie so, wie man denkt. Wie deine Texte — man glaubt, es ist ein Liebeslied, und dann ist es doch was anderes», erklärt Lee. Jason Mullings, einer der Art-Direktoren der Tournee, zeigt ihm ein Bild von einem Panther. «Es ist wie mit diesem ungezähmten, wilden Tier. Du weißt einfach nicht, was es als Nächstes tun wird.» «Es geht also um die Gegenüberstellung von Freundlichkeit und Wut», fasst David zusammen. «Gleichzeitig», sagt Lee, «ist da ein bisschen Angst.» Jason hält eine Grafik hoch. Dies Ist Kein Kon Zert Rob nickt. «Man kann und noch mehr trennen.»
«Die Konzerte sind ausverkauft», meint Jason, «also könnten wir eine Kampagne starten: DU WIRST NICHT AUF DIESES KONZERT GEHEN. Es funktioniert für die, die nicht hingehen, und für die, die hingehen. Die denken sich: Und DER ZIRKUS KOMMT IN DIE STADT. Ich finde die Idee toll, eine Plakatwand zu mieten und die Plakate dauernd auszutauschen.» «DU BIST KEIN STAR — DU DARFST NICHT MIT DABEI SEIN», schlägt Lee vor. «DAS IST HIER KEIN FOTOTERMIN — KEINE KAMERAS», sagt Jason. «Die Leute denken, sie wissen, wie Rob ist. Dabei haben sie keine Ahnung», meint Lee. «Was meinst du?», will Josie von Rob wissen, der sich das Ganze bisher mehr oder weniger schweigend angesehen hat. Er nickt noch einmal. «Ich finde es phantastisch — macht los», meint er. «Ich wusste vorher nicht, was ich wollte, aber das ist es.» Pause. «Ich mache mir mehr Sorgen darüber, was ich zwischen den einzelnen Songs erzählen soll. Ich denke, nach den ersten drei Songs, die ja alle mordsmäßig rocken – , und <Monsoon> –, sollte ich irgendwas fürs Publikum machen.» Er tut so, als stehe die Auswahl der ersten drei Songs schon lange fest, dabei ist sie für alle Anwesenden neu. Jetzt warten sie darauf, was er mit «irgendwas fürs Publikum» meint. «Eine Kanzel!», ruft er. «Nach den ersten drei Songs trage ich eine Kutte und verkünde, was an diesem Abend passieren wird: ...» Pause. «Ich finde, wir sollten Bono jeden Abend von der Bühne aus anrufen.» Er steht auf. «Ich will außerdem die größte Karaoke-Veranstaltung, die es je gegeben hat», erklärt er und geht in ein anderes Zimmer.
Anfang Dezember fliegt er wieder im Helikopter nach Stoke. Im Haus seiner Schwester findet ein vorgezogenes Weihnachtsessen statt, an dem auch seine Mutter und sein Vater teilnehmen. Es ist das erste Mal seit 25 Jahren, dass die ganze Familie zusammensitzt.
Manchmal stellt er sich vor, dass die Familie wieder zusammen wäre. Er hatte mal ein Testament entworfen — «das war zu der Zeit, als ich mich von allen zurückzog, weil sie mich daran hätten hindern können, weiter zu koksen» —, in dem es eine Klausel gab, nach der seine Eltern eine Woche lang zusammen in einem arktischen Zelt leben mussten, bevor sie sein Geld erben würden. «Ich glaube, ich habe zu viele Kinofilme gesehen», meint er heute. «Ich dachte, es wäre komisch, aber meine Mutter fand es überhaupt nicht zum Lachen.» Während des Weihnachtsessens hörte die Familie im Hintergrund Swing When You're Winning. «Es war toll», findet Rob hinterher. «Ich hatte die Platte noch nicht gehört.»
Während wir in der Lounge am Flughafen Northolt auf das Flugzeug warten, um auf eine zehntägige Promotiontour quer durch Europa zu gehen, beschreibt Rob seinen neuesten Plan, um Noel Gallagher zu ärgern. Er hat einen Brief verfasst, den er am ersten Abend der Oasis-Tour in Cardiff hinter die Bühne bringen lassen möchte, zusammen mit Tanzschuhen und ein paar Kuchen, direkt bevor Gallagher auf die Bühne geht. Lieber Mr. N Gallagher, Sie sagten, zwei Abende in Knebworth würden ins Geschichtsbuch eingehen. Mit drei Abenden gilt man wohl als gierig. Ich dachte, Sie könnten diese Schuhe hier gebrauchen. Schritt, Schritt, Wechselschritt. Ich vermisse unsere kleinen Unterhaltungen. Hochachtungsvoll, Rob PS: Gar nicht so leicht, eine passende Vorgruppe für die KnebworthKonzerte zu finden. Was machen Sie am Ersten und Zweiten? Oh, und dem Dritten? «Nur, weil er mich den genannt hat», meint Rob. «Und weil's lustig ist. Weil er bei jeder Gelegenheit sagt, wie sehr er mich hasst. Er hat gesagt, er wäre lieber tot als Robbie Williams. Ich wollte es ihn nur wissen lassen ... »
Im Flugzeug starrt er aus dem Fenster und beobachtet, wie Holland unter uns auftaucht. «Zurückerobertes Gebiet», ruft er aus. «Schön, es wiederzusehen.» Er dreht sich zu Josie. «Keine Eierkuchen. Nur Fleisch und Kartoffeln.» Er erzählt, dass er gestern Abend The Entertainers gesehen hat, eine Fernsehshow, in der die Karrieren ehemaliger Stars verfolgt werden: Leo Sayer, Bernie Clifton, Bernard Manning ... «Ich bin jedes Mal total deprimiert, wenn ich mir das ansehe», sagt er. Warum? «Keine Ahnung.» «Du leidest mit denen mit», meint Josie. «Die sind alle so einsam», sagt er dann, «und machen immer noch dasselbe.» Gestern Abend ertappte er sich dabei, wie er sich düstere Gedanken über seine eigene Zukunft machte. «Ich musste mir richtig Mut machen und laut vorsagen: Keiner von denen hat Stadienkonzerte gegeben ... » Rob starrt vor sich hin. «Sie sind alle so einsam.»
Er liest die Zeitung von heute. In einer steht, dass sich die Gruppe One True Voice aus der TV-Sendung Pop Rivals weigert, als Boy Band bezeichnet zu werden. Sie seien eine «vocal harmony group». «Ich bin ganz allein eine komplette Boy Band», meint Rob. «Alles da: der Niedliche, der Freche, der Nachdenkliche, der Gutaussehende. Wenn ich auf der Bühne stehe, mache ich alles gleichzeitig.» Ich gebe zu bedenken, dass es für eine komplette Boy Band auch immer noch denjenigen geben muss, dessen Poster sich nicht verkaufen. Rob nickt. «Das bin ich in Amerika», meint er. Gestern Nacht hat er Amerika wieder abgesagt. Anderthalb Stunden später – er hatte noch niemanden angerufen, aber in seinem Kopf war die Entscheidung gefallen – hat er seine Meinung wieder geändert. «Ich dachte mir: Wer bin ich denn, wenn ich es nicht mache? Ich glaube wirklich, ich wäre viel glücklicher, wenn ich Amerika knacken würde. Außerdem gönne ich dem NME nicht die Schlagzeile: Nee ... »
Die erste Station ist Amsterdam, wo er vor ein paar hundert Fans ein kleines Konzert gibt. Amsterdam ist einer der Orte, die den drogenfreien, trockenen Rob ein bisschen verunsichern. Als er noch bei Take That war, gaben sie ein Radio-Interview, bei dem sie alle völlig stoned waren: «Wir konnten nicht mehr stehen, also lagen wir alle auf dem Boden und reichten uns gegenseitig das Mikrophon.» Ein anderes Mal bekam er fürchterliche Angst, weil er dachte, das Hotel würde schwimmen. Im Hotel holt er eine CD heraus, auf der die Stücke sind, die er in den Townhouse Studios aufgenommen hat, und spielt einen Song, der «Do Me Now» heißt. «Prosecute Gandhi, persecute God, elevate Bono, eliminate Rod, I don't care ... World War 4, the Beatles touring, Chernobyl fallout, Global warming, I don't care ... oh, my head, I´m moving to the Med, those cats known to boogie, this pill's done nothing to me ... I've got to catch a plane, you'd better do me now ... », singt seine Stimme aus dem Lautsprecher. Nach einer Weile macht er die Musik aus und fängt an, an der Gitarre etwas Neues zu schreiben. Dazu murmelt er leise ein paar Worte, halb Unsinn, halb bedeutungsvoll: «It's time ... everyone knows ... love you ... you get the feeling you're invisible ... radiation ... coming round ... listen to the radio ... all of the time...» «Wenn ich einen neuen Song anfange, kommt normalerweise immer das Wort vor», sagt er. «Und . reimt sich mit vielem.» In den meisten Stücken, die er ursprünglich für Escapology geschrieben hat, tauchte anfangs das Wort «satellite» auf, obwohl es auf dem endgültigen Album kein einziges Mal mehr zu hören ist. Während er weitersingt, ist ein trommelndes Nebengeräusch zu hören. Gina ist entsetzt. «Wie kannst du dieses wunderschöne Lied singen und dabei gleichzeitig so grässlich furzen?» Gegen Ende des Abends beschließt Rob, ein bisschen in Amsterdam spazieren zu gehen. «Wir gucken uns mal ein paar nackte Damen an. Mal sehen, ob die noch da sind», meint er. Keine gute Idee. Wir
laufen den Kanal vor dem Hotel entlang, aber nach fünf Minuten hat er genug. Er hat einfach nicht das Gefühl, diese Stadt sei gut für ihn. Selbst als er ganz jung war, mochte er sie nicht. Er ging hin und sah sich die Prostituierten in den Schaufenstern an, weil man das eben so macht, aber sie taten ihm Leid. Heute Abend scheint jeder, dem wir auf der Straße begegnen, ausschließlich daran interessiert zu sein, sich die Birne voll zu dröhnen. «Weißt du was», sagt er und geht wieder in Richtung Hotel, «ich glaube, dass es aus vielen Gründen nicht gut für mich ist, hier weiter herumzulaufen.» Er geht in die Hotelbar und bestellt sich ein Wasser, aber dort fühlt er sich auch nicht wohl. Also gehen wir nach oben, um uns Die Planeten anzusehen, eine BBC-Dokumentation, die er sich vor ein paar Tagen auf D V D gekauft hat. «Wisst ihr, dass Jupiter größer ist als alle anderen Planeten zusammen?», fragt Pompey. «Wirklich?», meint Rob. «Scheiße. Stell dir mal vor, dort müsstest du auf Promotion-Tour gehen.»
In Amsterdam wacht er zu der Nachricht auf, dass Mark Owen die Prominenten-Ausgabe von Big Brother gewonnen hat. «Das bedeutet, dass er nochmal eine Chance bekommt», meint Rob. «Das ist toll.» Rob wird seinen Tag heute in Schweden beschließen, aber vorher muss er noch nach Italien. Das wurde absichtlich als Kurztrip geplant, weil er die Italienreisen nicht besonders schätzt. Ihm sind die Fans zu verrückt und unangenehm. Die meisten Leute, die in London vor seinem Haus auf der Lauer liegen, sind Italiener. Als wir einfliegen, erzählt er einen Witz von seinem Vater: «Italien, mein zweitliebster Platz auf der Erde. Gleich nach jedem anderen.» Aus dem Flugzeug nimmt er eine Ausgabe der Zeitschrift New Woman mit, um sein Gesicht vor den Paparazzi zu schützen. Im Wagen blättert er sie flüchtig durch und stößt auf ein Interview mit Tess Daly, der Co-Moderatorin von CD: UK. Er war vor ein paar Wochen in ihrer Show und hatte sich ganz nett mit ihr unterhalten. In dem Interview sagt sie über Rob: «Er hat eine Freundin von mir um meine Nummer gebeten – er ist wirklich sehr nett, aber nicht mein Typ.» Rob ist beleidigt. «Ich wusste nicht einmal, wer sie war, bevor Jonny
vor ein paar Wochen in ihrer Sendung war», schnaubt er genervt. «Ich war die ganze Zeit in Amerika, seit sie bekannt geworden ist. Ich habe sie nie nach ihrer Nummer gefragt, weil ich überhaupt nicht wusste, dass sie existierte.» Dinge dieser Art sind in letzter Zeit häufiger passiert – es ist offenbar eine beliebte Methode, sich einigermaßen wichtig zu machen, indem man behauptet, jemand Berühmtes habe sich für einen interessiert, man hätte ihn aber abgewiesen. «Ich fange jetzt auch mal an und erzähle den Leuten davon, wer bei mir alles abgeblitzt ist», regt er sich auf. «J Lo zum Beispiel. Oder Cameron Diaz, das wurde so schlimm, dass ich eine einstweilige Verfügung erlassen musste.» Er seufzt. «Josie, warum machen Leute so was? Wie Ms. Dynamite.» Er überlegt, ob es vielleicht mehr die Presseleute und Manager sind, die auf diese Ideen kommen. «Ich werde zu diesen ganzen Mädchen gehen, die behaupten, sie hätten mich abblitzen lassen, wenn sie sich von ihren Freunden getrennt haben», meint er, «und dann werde ich mit ihnen ausgehen. Drei Tage lang.» Als wir nach Rom hineinfahren, nervt ihn der Tess Daly-Kommentar immer mehr, und er beschließt, etwas zu unternehmen. Er ruft Jonny an, der mit ihr zusammen die Sendung moderiert hatte, und erklärt ihm die Situation. Er bittet Jonny, ein paar Nachforschungen anzustellen. «Natürlich bin ich ihr Typ», erklärt er mit gespielter Angeberei, «ich bin der verdammte Typ von allen.» Ein paar Minuten später ruft Jonny zurück. Robs Körpersprache verändert sich deutlich, während er zuhört. «Ja ... », sagt er. «Aha ... ja ... oh ... das hat sie gesagt? ... oh ... das Mädchen ...» Grundsätzlich mag Rob mit dem, was er eben erzählt hat, Recht haben, aber es stellt sich heraus, dass gerade diese Geschichte kein gutes Beispiel dafür ist. Er muss zugeben, dass er die Szene ansatzweise erinnert, die ihm gerade beschrieben wurde: Vor ein paar Jahren traf er Mariella Frostrup, ihre Schwester und noch ein drittes Mädchen in einem Restaurant, und er fragte nach der Nummer dieses Mädchens. Tess Daly.
«Es gab eine Zeit lang einen Witz», erzählt er später im Flugzeug, «so 93 oder 94. – Wie spricht Robbie Williams ein Mädchen an? » Ich frage, ob das wirklich stimmt. «Ja», sagt er. Und wozu das Ganze? «Was weiß ich. Koks, Alk und Sex waren meine Grundnahrungsmittel.»
«Seit ich 20 war, versuche ich mich daran zu erinnern, wie ich mich eigentlich mit 20 gefühlt habe», sagt er. «Ich kann kategorisch sagen: Seit ich 20 war, habe ich mich immer beschissen gefühlt, wenn ich getrunken habe.» Bis auf wenige Ausnahmen. «Aber Alkohol hat mir geholfen», meint er. «Deswegen konnte ich mit Oasis rumhängen, obwohl ich mich wie der fette Tänzer von Take That fühlte. Deshalb konnte ich mit Adeligen zusammen sein oder den Reichen und Schönen in Südfrankreich. Weil ich ohne Alkohol gesellschaftlich völlig unbrauchbar war.» Er erzählt von der Spirale, als ihn Depressionen und Drogen in den Abgrund zogen. «Und dann», grinst er, «entwickelt man so ein widerliches Zucken.» Ihm ging es jedenfalls so: Jedes Mal, wenn er kokste, fing er an, auf unerklärliche Weise zu zucken, sodass jeder sofort wusste, was mit ihm los war. Das hielt ihn aber auch nicht davon ab. Seine Trinkgewohnheiten waren extrem. Manchmal soff er eine ganze Flasche Sambuca in zehn Minuten aus, um danach triumphierend festzustellen: «Ich bin voll besoffen.» Als er noch bei Take That war, begannen er und der Fußballer Neil Ruddock den Abend um sechs Uhr mit je einer Flasche Pfirsichschnaps, die sie in einem Zug austranken. «Einmal habe ich 25 Guinness hintereinander getrunken», erzählt er. «Da war ich wirklich in Bestform. Ich hatte einen Trick, bei dem ich fünf Guinness in einer Reihe aufstellte und sie auf einmal austrinken konnte. Danach habe ich in die Vorhänge von Liam Gallagher in New York voll gekotzt. Das fand er nicht so lustig.» Er erzählt diese Geschichten meist mit einer Art jugendlichem Stolz, aber es dauert nie lange, bis sich die anderen,
echten Gefühle melden. «Das war eine traurige Zeit», sagt er dann. Er hatte nie ein besonderes Talent darin, seine Schwierigkeiten wegzusaufen. Es war ein jahrelanger Kampf zwischen aufhören, anfangen, wieder aufhören. «Ich verstehe selbst nicht, wie leicht man immer wieder vergisst, wie dreckig es einem hinterher geht», sagt er. «Am Anfang des Abends fühlt sich noch alles toll an, und kurz darauf geht man schon durch die Hölle. Wie viele Pferde waren in der Apocalypse? Vier? Als ich abstürzte, waren es mindestens 50. Und das Runterkommen dauerte viel länger als das Obensein. Ich weiß nicht, warum man das immer vergisst. Der Körper kann sich offenbar nicht an Schmerz erinnern.»
Der Abend endet in Schweden. Rob wird in die größte Suite des Hotels gebracht, mit mehreren Zimmern und vielen Statuen. Er bekommt das Video mit den englischen Fußballspielen von heute, um das er gebeten hatte. Er bestellt ein paar Austern und Hummersuppe aufs Zimmer – er mag Austern eigentlich nicht besonders, aber irgendwie scheint es hier zu passen – und macht es sich mit Chris Sharrock vor dem Videogerät bequem, um sich Manchester United gegen Liverpool anzusehen. «Es ist wie in dem verdammten Brewsters Millionen, findest du nicht?», fragt er. Bevor wir schlafen gehen, reden wir ein bisschen über seine Vergangenheit. «Ich habe mir einmal die FHM-Liste der 100 Top-Frauen angesehen», gibt er zu, «und ich hatte 15 von ihnen.» Welche Gefühle hattest du dabei? «Damals fand ich es fürchterlich. Jetzt ist es einfach komisch. Das war für mich wie Pokemon-Bilder sammeln: Ich musste sie alle haben.»
Am nächsten Morgen nimmt er drei Songs für das schwedische Fernsehen auf. Bevor er mit «Come Undone» beginnt, fällt ihm etwas ein. «Darf ich fluchen?», will er wissen. Es gibt zwei Sätze in diesem
Stück – so self-aware, so full of shit und so need your love, so fuck you all–, die üblicherweise im Fernsehen zensiert werden. «Solange du nicht auf Schwedisch singst», meint der Regisseur. «Bist du sicher?», fragt Rob. «Nur nichts über den Teufel», sagt der Regisseur. «Nein», meint Rob, «nichts über den Teufel.» Dem Regisseur fällt noch eine Bedingung ein. «Und nichts über das mmmm-hmmmm», bittet er. «Okay», sagt Rob, «und vor allem nichts über Teufel, die mmmmhmmmm machen.» Der Regisseur nickt. Nachdem dies geklärt ist, ist Rob zur besten schwedischen Sendezeit ein «shit» und ein «fuck» später fertig.
9 «Ist das die Stelle, an der du gelandet bist?», fragt Rob Pompey. «Ja», antwortet der. Wir sind am Flughafen von Oslo. Als er noch bei den Marines war und in Norwegen lebte, sprang er aus 3500 Meter Höhe aus einem Flugzeug. Sein Fallschirm öffnete sich nicht. Er fiel in einen tiefen Schneehaufen auf diesem Flugplatz und überlebte. «Du bist ja eine Katze mit neun Leben», sagt David, dem anscheinend nicht ganz klar ist, wie ernst dieser Vorfall war. «Hat dich ganz schön umgehauen, was?» «Kann man wohl sagen», meint Pompey ohne weitere Erklärung. «Er hat sich dabei den Rücken gebrochen», erklärt Rob. «Er war 14 Monate lang im Krankenhaus. Pompey war mal so groß wie ich, kein Scheiß.» «Ich war mal über 1,82», bestätigt Pompey. «Nach meiner letzten OP war ich nur noch 1,55.» «Wie bist du gelandet?», fragt David. «Mit den Füßen zuerst.» «Was wäre besser?», will Rob wissen. «Angeblich soll man aufrecht bleiben und die Beine kreuzen ... » fängt Pompey an. Wir hören alle genau zu, wie man es eben tut, wenn man Worte der Weisheit und Erfahrung aus einer fremden Welt erzählt bekommt. « ... das macht es leichter, einen aus dem Asphalt herauszuschrauben.» Er erzählt, dass es einen Club der
«Tödlichen Geschwindigkeit» für diejenigen gibt, die solche Stürze überlebt haben. «Ich war die ganze Zeit bei Bewusstsein», sagt er. «Ich bin dann rüber zu den Flugzeughallen, und da bin ich dann zusammengebrochen. Aber ich wollte wieder aufstehen.» Unser Bus fährt in Richtung Flugzeughallen. «Da sollten sie ein Denkmal hinsetzen», sagt Josie. «Für die, die gefallen sind», meint Rob, «und wieder aufstanden.»
Wir haben gerade die Liam Gallagher-Geschichte gehört: eine Schlägerei zwischen Besoffenen in einer Münchner Bar, ausgeschlagene Zähne, abgesagte Konzerte. (Rob wird die Idee mit Noels Kuchen, Tanzschuhen und Brief wahrscheinlich nicht weiterverfolgen; es kommt ihm jetzt nicht mehr so lustig vor.) «Zu kämpfen ist immer sein allererster Instinkt», sagt Rob. «Auf eine Reaktion reagieren.» Er macht sich seine Gedanken über das Wunder Oasis. «Noel ist ein grauenvoller Texter», urteilt er. «Aber die Emotionen, die eine brillante Melodie auslösen, können das wettmachen.» Er denkt an die Exzesse, die er mit Oasis erlebt hat. Wie er Noel «Ego A Go-Go» vorsang und der ihm riet: «Das bringst du besser in einem Song unter, bevor ich es dir klaue.» Dazu fraßen sie eine ganze Tüte mit Ecstasy. «Und dann stiegen wir hinten in einen Umzugslaster ein, um zurück zum Hotel zu kommen», erzählt Rob. «Auf dem ganzen Weg dahin sang ich die Titelmelodie von Tales Of The Unexpected und tanzte herum wie die nackte Dame, die ein bisschen wie Lady Diana aussah. Wir lachten die ganze Zeit. Aber da war immer, immer, immer das deutliche Gefühl, nicht dazuzugehören. In der Nacht schlief ich mit einem Mädchen und löste Feueralarm aus. Daraufhin musste das ganze Hotel evakuiert werden. Ich weiß noch, wie ich rauskam und da standen The Prodigy, Elastica, Noel, einfach alle, die gerade tourten.» «Hast du zugegeben, dass der Alarm deine Schuld war?», fragt Josie. «Nein. Ich habe nur zu The Prodigy gesagt, dass ich gerade dabei war, Jobfinders im Fernsehen zu sehen, weil ich Take That verlassen hatte. Alle haben gelacht.» Wie hast du den Feueralarm ausgelöst?
«Ach, durch eine Menge Rauch.» Er weiß noch, wie er mit Liam und Sean Ryder auf dem Klo der Brixton Academy war und zusammen mit Ryder Drogen nahm. «Ich dachte, wenn man zusammen mit Sean Ryder Drogen nimmt, hat man es geschafft», sagt er. Rob hatte das Happy Mondays-Konzert im Fernsehen aufgenommen und sah es sich immer wieder an. Einmal, als er noch bei Take That war, hatte er Sean Ryder dazu gekriegt, auf einem Bahnhof sein Tashini-Jackett zu signieren. «Für Rob, gute Besserung, Sean», hatte der geschrieben. Rob erzählt immer mehr Geschichten. «Habe ich dir schon erzählt, wie ich dieses Mädchen mit in den Zug geschleppt hatte auf dem Rückweg von dem Oasis-Konzert?», fragt er. «George Michael hatte einen Bus organisiert, mit dem wir alle zu dem Oasis-Konzert fuhren. Ich hatte seit Tagen nicht mehr geschlafen und muss unsäglich gestunken haben. Ich sah mir das Konzert an, ging zurück ins Hotel, dröhnte mich komplett zu und ging wieder nicht schlafen, sondern setzte mich in den Zug nach London. Oasis wollten sich in einem Hotel treffen, aber ich hatte morgens mit Liam gesprochen und wusste, dass er keinen Bock hatte und nicht kommen würde. Also schleppte ich diese Journalistin in den Zug, und ich wusste, dass Liam zu der Zeit das Pseudonym verwendete. Ich hatte eine Jacke an wie diese hier, schlug den Kragen hoch und marschierte direkt vom Zug mit der Journalistin ins Hotel und sagte nur . Und die waren gleich: <Mr. Shears, hier entlang, bitte.> Ich ging also in Liams Zimmer, fickte das Mädchen auf seinem Bett, trank seine Mini-Bar leer und ging wieder.» «Oh, ich habe wirklich schlimme Sachen gemacht», seufzt Rob. «Ich habe echt Rock 'n' Roll gemacht.» «Man kann nicht behaupten, dass du deine Möglichkeiten nicht genutzt hast», sagt Josie. «Kann man wohl sagen», meint er. «Habe ich dir schon erzählt, wie ich George und Bono ins Klo geschleift habe?» Ja, hat er. Stoned von Ecstasy und Koks schleppte er die zwei in eine öffentliche Toilette und sang ihnen «Ego A Go-Go» und «Life Thru A Lens» vor. Er lacht. «Typisch für mich.»
Rob steht auf dem Balkon seiner Suite im Hotel George V, betrachtet die Lichter von Paris und isst einen Apfel. «Es ist schon ein bisschen komisch, dass ich im Fahrstuhl angefangen habe zu weinen», sagt er. «Ich war hier schon einmal. Ich bin mir sicher, dass ich mal Franzose war, ich war ganz bestimmt Ire und ganz sicher Ägypter.» Wir spielen Backgammon und sehen dabei MTV. Es läuft «Die Another Day» von Madonna. «Ich glaube, mit der würde ich gern mal schlafen», murmelt er. Warum? «Weiß ich auch nicht», sagt er und lacht. Hast du sie kennen gelernt? «Nein. Ich meine, ich war ein paar Mal in ihrer Nähe. Einmal in Italien um halb zehn Uhr morgens, als ich die ganze Nacht aufgewesen und total high war, kam ich gleichzeitig mit ihr beim Fahrstuhl an und winkte ihr, sie solle ihn nehmen, und blieb draußen. Das andere Mal war ich im Kraftraum und hörte, wie sie sich gerade zu ihrem Freund umdrehte und sagte: <Mein Gott, das ist Robbie Williams!>» Rob geht zum Klo, und als er zurückkommt, meint er: «Nein, ich nehme das zurück.» Er will doch nicht mit ihr schlafen. «Ich wäre mehr daran interessiert, zwischen den Cicciones ein paar Konflikte zu säen. Ich hatte allerdings mal eine Phase, so 95, 96, da schlief ich mit lauter Stars aus den Achtzigern ... » Er führt das nicht weiter aus. Etwas später sagt er zu mir: «Wir sollten das Buch, das du über mich schreibst, nennen.» Er schüttelt die Würfel eine lange Zeit mit geschlossenen Augen. «Ich mache etwas sehr Merkwürdiges», sagt er. «Ich erzähl's dir nach dem Spiel.» Er gewinnt das Spiel mit einer Doppel-Vier. «Ich glaube nicht, dass es funktioniert hat», sagt er trotzdem. «Ich hatte versucht, die Würfel durch mein drittes Auge fallen zu lassen.» Auf MTV sind die Foo Fighters mit «All My Life» zu sehen. Meistens ist die Musikauswahl bei MTV ziemlich enttäuschend, aber heute Abend spielen sie einen guten Song nach dem anderen.
«Wenn ein schlechtes Stück kommt, gehen wir schlafen», sagt er. Irgendwann kommt Britney Spears mit «Boys», aber wir gehen nicht ins Bett, weil sie uns so fasziniert — weniger für das, was sie hat, als für das, was sie nicht hat. Bei allem «Britney-Sein» merkt man ihr keinerlei Persönlichkeit an. «Sie sieht so aus, als hätte sie einfach noch nicht genug Sex gehabt», meint Rob. «Weißt du, was ich meine?» Als Nächstes kommt ein schreckliches mitteleuropäisches Rap-trifftTechno-Video. «Schlafenszeit», sagt er.
Gegen 3:45 Uhr, vielleicht eine halbe Stunde nachdem ich ins Bett gegangen bin, ruft Rob in meinem Zimmer an. Anstatt einzuschlafen hat er ein bisschen an einem Song geschrieben und will ihn jetzt auf meinem Kassettenrecorder aufnehmen. Er sitzt mit nacktem Oberkörper am Tisch, spielt Gitarre und singt: «What eise can I say ... about your daughter.» Er ist ganz aufgeregt. «Ich glaube nicht, dass da noch viel mehr kommen muss. Das ist wie ein Lou Reed-Stück.» Ich überlasse ihm den Kassettenrecorder, für alle Fälle.
Am nächsten Nachmittag rollt er sich aus dem Bett, um japanischen Journalisten in seinem Hotelzimmer ein Interview zu geben. Manchmal ist er dann am besten, weil er vor Müdigkeit nur das sagt, was er auch wirklich meint. «Ich bin schon Robbie Williams, aber hundertfach vergrößert», erklärt er. «Ich denke mir viele Sachen aus, weil ich gern übertreibe. Ich fühle mich dann besser. In meinen Songs schreibe ich über mich, aber eben übertrieben. Das bin nicht ich selbst. Aber es kommt von mir. , alles war unecht. Zum Vorteil der Unterhaltung und des eigenen Lebensstils. Und das finde ich wunderbar. Ich möchte, dass es so lange unecht ist wie möglich.»
Im Auto auf dem Weg in ein Pariser Fernsehstudio erzählt David Rob, dass Pat Leonard, Madonnas Produzent und Co-Autor aus der Like A Prayer-Zeit, gerne mit ihm arbeiten möchte. Seit bekannt wurde, dass sich Rob von Guy Chambers getrennt hat, gibt es ständig Angebote dieser Art. «Nein», sagt Rob bestimmt. «Das sind nicht die richtigen Leute. Ich möchte Sachen machen wie Primal Scream zu ihrer besten Zeit oder U2 oder Massive Attack oder The Prodigy.» David nickt. «Ich will jemanden, der genau zu meinen Ideen passt, der ein bisschen kantiger ist als Guy. Ich will nichts Seltsames. Ich will nur etwas wirklich Wundervolles machen. Ich will wirklich große Popsongs schreiben und möchte, dass sie den Leuten eine Menge bedeuten. Vielen Leuten.» Im Studio wird er von dem Produzenten mehr oder weniger gezwungen, Johnny Hallyday kennen zu lernen – «Ich hatte keine Wahl, oder?», sagt er, nachdem sie einander vorgestellt worden sind –, und David erzählt ihm, dass Charles Aznavour mit ihm auf seinem Duett-Album singen möchte. Rob weiß nicht genau, was er davon halten soll. Er ist geschmeichelt, kennt aber Aznavours Stücke gar nicht wirklich und fürchtet, es wäre nicht das Richtige für ihn. «Wenn er singen will, mache ich mit», sagt er frech. «Das war Maurice Chevalier», meint David.
Als Rob in seiner Garderobe wartet und irgendjemand zufällig den Namen Jimmy Somerville erwähnt, löst das wieder eine Menge Erinnerungen aus. Irgendwann in den frühen Tagen von Take That war er auf der Toilette des Schwulenclubs La Cage in Manchester, als er eine Stimme aus einer der Kabinen hörte: «Ich kann nicht raus! Ich kann nicht raus!» Es war Jimmy Somerville, gefangen im Klo. «Ich habe ihn herausgelassen», meint Rob. «Dafür war ich eine Zeit lang berühmt.» Ihm fallen die ersten zwei Jahre mit Take That ein, als die Schwulenclubs ihr Zuhause waren. «Für mich war es faszinierend, mit 16 in diese La Cage-Welt zu kommen oder das New York New York nebenan oder einmal im Monat die Mittwochabende in der Hacienda», erinnert er sich. «Wenn man in Stoke-on-Trent einen trinken ging, musste man immer damit rechnen, verprügelt zu werden. Und hier war ich plötzlich in einer Erwachsenen-Welt, wo man keine Angst haben musste und alle gute Laune hatten. Es war wirklich ein tolle Zeit – abgesehen davon, dass ich dauernd mit dieser Person zu tun haben musste, die ich für die Saat des Teufels halte: Nigel Martin-Smith. Nur um das nochmal deutlich zu sagen.» «Hat der dich je angemacht?», will David wissen. «Nein, nie. Aber er war sich absolut sicher, dass ich schwul sei. Auf jeden Fall.» Wie kam er auf die Idee? «Wahrscheinlich, weil ich mich mit den Leuten in den Schwulenclubs so gut verstanden habe. Weil ich keine Angst vor Homosexualität hatte. Das stand gar nicht zur Debatte. Das war so wie mit den Japanern heute — die kamen und machten ein sehr nettes Interview, also gab ich ihnen etwas zurück, was von Herzen kam. Dasselbe mit den Gay-Clubs: Die Typen waren immer alle sehr nett zu mir und haben sich unterhalten. In den zwei Jahren wurde ich nie angemacht. Diese große heterosexuelle Angst, und das alles — das ist sowieso sehr merkwürdig, vor allem, wenn es von wirklich hässlichen Typen kommt ... » Haben sich deine Band-Kollegen genauso leicht in diese Welt eingefunden?
«Ich glaube, ja. Gary wäre der Einzige gewesen, von dem man vielleicht erwartet hätte, dass er damit Probleme haben würde — Gary, der kein ausländisches Essen isst, der nicht mehr als einen Zwanziger für Klamotten ausgeben will, der nicht rülpste oder furzte oder Drogen nahm —, aber er hatte auch kein Problem. Wir haben uns einfach sehr amüsiert.» Er kann sich nicht erinnern, zu dieser Zeit mehr als 140 Pfund mit Take That verdient zu haben, und das, obwohl sie drei Nächte lang fünfmal pro Nacht in Schottland aufgetreten sind. «In den ersten zwei Jahren haben wir rund 400 Pfund verdient, ich übertreibe nicht», meint er. «Meine Mutter musste immer die 8,50 Pfund für die Zugfahrkarte zu den Proben zahlen. Und als wir unser erstes Video drehten, , knöpfte uns Nigel Martin-Smith tatsächlich zehn Pfund pro Mann für eine Kopie ab.» Er schildert mir die Castings von Take That. Das Erste fand in Nigel Martin-Smiths Büro in Manchester statt. Es waren noch zwei andere Typen dabei, einer mit schwerer Akne und ein anderer mit Doc Martens-Stiefeln und kurzen Hosen, der auch aus Stoke kam. Er sah ein bisschen wie Robert Smith von The Cure aus und konnte überhaupt nicht tanzen. Rob und seine Mutter hatten ein kurzes Gespräch mit Nigel Martin-Smith, und kurz darauf wurde er angerufen und zum finalen Casting ins La Cage eingeladen. Es hält sich hartnäckig das Gerücht, dass die anderen vier schon feststanden, als Rob zu Take That stieß. Das stimmt aber nicht: Auch wenn die Gruppe eindeutig um Gary herum gebaut wurde, fingen alle anderen gleichzeitig mit Rob an. Rob erinnert sich noch, dass er, als er ankam, mitkriegte, wie Mark seine Mutter bat, ihn jetzt doch bitte allein zu lassen, genau das, was er selbst auch seiner Mutter versuchte klar zu machen. Gary ein-geschlossen waren sie bei dem finalen Casting nur zu sechst — die fünf, die zum Schluss die Band bildeten, und der Robert Smith-Klon. Rob weiß noch, wie er hereinkam und in einer Ecke diesen Typ mit Brille, Aktentasche und Gelfrisur sah. Was ihm sofort auffiel, waren die unglaublich uncoolen Converse-Turnschuhe, die der Typ trug. «Ich war schon immer ein Turnschuh-Snob», sagt er. «Das Erste, was ich über Gary Barlow dachte, war: Du hast aber Scheißturnschuhe, Junge.»
Er tanzte zu einem Jason Donovan-Stück vor und gab sich nicht mehr Mühe als unbedingt notwendig. Im Grunde fing er bei Take That so an, wie es dann weiterging: «Ich weiß noch, dass ich mich wahnsinnig vor Nigel fürchtete», sagt er. «Und außerdem fand ich das Ganze ein bisschen peinlich.»
Immer, wenn er durch die Hotellobby geht, wartet dort ein blondes Mädchen auf ihn. Solange sie das Gefühl hat, er würde sie entfernt wiedererkennen, scheint sie völlig zufrieden. Bis zum nächsten Mal. Das Mädchen wartet nicht zufällig da. «Ich habe mal mit ihr geschlafen», erzählt Rob. Es passierte während der Tour, die in dem Film Somebody Someday dokumentiert wird. Sie kommt in der Szene vor, als Rob wenig gesprächig nach einer Nacht mit ihr sagt: «Ich geh jetzt mal.» Und sie antwortet: «Aber Robbie, was wird aus uns?» In Robs Umfeld ist sie seitdem als das «Was wird aus uns?»Mädchen bekannt. Monat für Monat taucht sie auf und mailt seinem Büro, an welchen Tagen sie zu seinem Haus gehen wird, um ihn zu treffen. Es scheint sie nicht weiter zu stören, dass Rob sie ignoriert. Sie scheint immer zu wissen, in welchen Hotels er wohnt. Tagsüber sitzt sie in der Nähe der Rezeption, abends an der Bar. Ihr scheint es zu reichen, einfach in seiner Nähe zu sein. Manchmal spricht er mit ihr, in der Hoffnung, sie würde ihre Illusionen aufgeben, aber sie lässt sich nicht beirren. Sie scheint wirklich der Meinung zu sein, dass sie eine Beziehung haben, und wenn sie im Augenblick nicht viel Zeit miteinander verbringen, dann liegt es daran, dass er so viel zu tun hat. Das versteht sie. Sie kann warten.
Abends gehen wir einen Kaffee trinken. Im Virgin Megastore an den Champs-Elysees kauft sich Rob auf dem Rückweg CDs von Scott Walker, U2, Alison Moyet, Ronan Keating, Elton John, Jay Z und Kelly Osbourne. Er entdeckt eine Hörsäule mit Escapology, setzt sich die großen Kopfhörer auf und tanzt zu «Something Beautiful». Robbie Williams ist in Frankreich kein großer Star, deshalb bemerkt ihn, vielleicht zum Glück, niemand.
Zurück im Hotel hört er in seine neuen CDs hinein. Dann spielt er Elton Johns «Tiny Dancer», um zu beweisen, dass der Refrain mit absurder Verspätung einsetzt. Er tanzt zu «Rocket Man». «Früher hat mich der Song zum Heulen gebracht», sagt er. «I miss the earth so much, I miss my wife», singt Elton John. «Ja», nickt Rob. «Geht mir genauso.» «... it's lonely out in space ... » «War ich auch», sagt er leise. «... I'm not the man they think I am ... ». «Allerdings», nickt er. Er geht auf Toilette, Elton singt weiter. «Mars ain't the kind of place to raise the kids .» «Auch das», ruft er von der Toilette. «Meine komische romantische Vorstellung, alles sein zu lassen und lieber eine Familie zu haben.» Der Mars als fremde Welt, in der er nun mal sein Leben leben muss. Er holt seine Gitarre und fängt an, an einem neuen Song zu arbeiten. Er kann sich nicht entscheiden, wovon der Text handeln soll, bis er sich auf das Bild über dem Sofa in seiner Suite konzentriert. Darauf ist ein junger Mann auf einem Pferd zu sehen, der angehalten hat, um mit einem älteren Mann und einer jungen Frau zu reden. Es heißt«Grenze der Liebe». In den nächsten paar Stunden schreibt er einfach auf, was er auf dem Bild sieht: Der Mann auf dem Pferd befindet sich auf dem Weg in den Krieg, bittet den Vater des Mädchens vorher um ihre Hand und beschwört dabei ihre Liebe. Als Rob fertig ist, spielt er den Song zweimal, erklärt, er sei mit sich zufrieden, und geht ins Bett.
10 «Glaubst du, Gott ist wütend?», will Rob wissen. Wir sind auf dem Weg zu den Proben einer weiteren französischen Fernsehshow. «Wieso?», fragt David etwas verwirrt. «Meinst du, Gott kann wütend werden?», beharrt Rob. Eine ernsthafte Auseinandersetzung beginnt, bei der es um Krieg, Hunger, Versteppung und die wahre Natur des Menschen geht. Nach einer Weile nickt Rob zufrieden. «Ich werde jetzt öfter Themen
ansprechen, die Diskussionen auslösen», kündigt er an. «Mir gefällt das.» Ich frage ihn, ob er denn glaubt, dass Gott wütend sei. «Ob ich das glaube?», fragt er, als wäre es ein Unding, jemandem eine so persönliche Frage zu stellen. Er meint, er habe keine Ahnung, aber er würde viel über solche Dinge nachdenken. Und über den Tod. «Ich habe ja geplant, für immer zu leben», teilt er mit. «So weit, so gut.» Sobald wir im Fernsehstudio angekommen sind, fragt er Gina: «Ist Gott wütend?» «Worüber?», fragt sie zurück. «Nicht auf mich. Was ist denn mit dir los?»
Heute Morgen wachte er auf, hörte Dr. Hooks Greatest Hits und spielte Gitarre. Nachdem er die Saiten mit dem Plastikverschluss einer französischen Wasserflasche bearbeitet hat, glaubt er, ein neues, bahn-brechendes Plektrum-Prinzip entdeckt zu haben. Er ruft Gary Nuttall in seine Garderobe, den leise sprechenden Gitarristen, der ihn schon seit Beginn seiner Solo-Karriere begleitet, und macht es ihm vor. Gary fürchtet, das neue Flaschen-Plektrum könnte ein bisschen schwer und sperrig sein. Rob bleibt unbeeindruckt. «Ich werde es patentieren lassen und reich werden.» Gary betrachtet ihn erstaunt: «Du bist doch schon reich.» Rob hält einen Moment lang inne, nickt dann und lacht. «Dann lass ich es vielleicht doch.» Auf dem Weg zurück ins Hotel erörtern wir ganz im Sinne von Robs neuer Diskutierfreude den Streik der englischen Feuerwehrmänner. Dabei stellt sich heraus, dass Rob früher an Demonstrationen teilgenommen hat. «Als ich klein war, bin ich zu diesen <Maggie! Maggie! Maggie! Raus! Raus! Raus!> -Märschen in London gegangen», erzählt er. «Mit meiner Tante Jo, meinem Onkel Don und Tante Claire.» Auf seinem Zimmer spielt er CDs, während im Hintergrund CNN über den Fernsehschirm flimmert. «Das ist der Grund, warum Promotionreisen manchmal ein bisschen deprimierend sind», erklärt er. «Weil das Einzige, was man im Fernsehen auf Englisch
empfangen kann, die Nachrichten sind, und die sind meistens deprimierend.» Er sieht sich einen Bericht über die Sonnenfinsternis in Südafrika an, erkundigt sich, was das Wort «landfall» — Landung — bedeutet, und wendet sich an Pompey: «Hast du das gewusst?» «Ja», antwortet der. Rob guckt finster. «Weil du bei den Marines warst», meint er. «Ich war bei Take That.» Manchmal macht er sich wirklich Sorgen über solche Sachen. «Verhinderte Entwicklung», meint er zu mir. «Wenn du die meiste Zeit damit verbringst, die elementarsten Dinge des Lebens zu bewältigen, hast du keine Zeit, etwas zu lernen. Verstehst du, was ich meine? Mir ist jetzt erst wieder klar geworden, dass ich viele Dinge nie gelernt habe.»
Falls es eine Zeit in seinem Leben gibt, die er romantisch verklärt, dann sind es seine letzten Schuljahre, kurz bevor Take That anfing und er in dem ganzen Strudel versank. Das war die Zeit, als er noch unbeschwert, lustig und nur einer von vielen in einer Clique war. «Es war das letzte Mal, dass ich richtig glücklich war», erzählt er mir an diesem Abend. «Als ich Depressionen hatte, machte es mich noch depressiver, an meine Schulzeit zu denken. Das hat mich fast umgebracht, weil ich damals so viele Freunde hatte, so viel Spaß und echt so viel gelacht habe, bis mir der Bauch wehtat. Ich wünsche mir manchmal, ich könnte nochmal in die Schule gehen.» Vor kurzem hat er über die Internetseite «Friends United» wieder Kontakt zu ein paar Leuten von früher aufgenommen. Seine beiden besten Freunde waren Linno und Lee Hancock. «Linno war sehr komisch», meint er. «Er war ein Einzelgänger, und ich wollte ihn immer zum besten Freund haben. Wir haben Thunderbird und Blue Nun getrunken, sind zum Curry-Essen ins El Sheeks gegangen und kamen uns wahnsinnig erwachsen vor. Er wohnte oben am Hang. Ich musste mit meinem BMX-Rad zu ihm rauffahren, und dann hingen wir einfach bei ihm zu Hause rum.» Rob hat ihm vor kurzem eine E-Mail geschickt. Weil die Computer von beiden nicht richtig funktionierten, wollte Linno, dass Rob ihn anriefe. Der wollte aber lieber, dass Linno ihm schrieb. «Ich wollte
gern einen Brief von ihm haben», erklärt er. «Ich schrieb ihm, woran ich mich bei ihm erinnerte, und wollte, dass er mit mir das Gleiche tut.» Lee Hancock und Rob verkauften zusammen nebenbei doppelverglaste Plastikfenster, und Lee war es auch, mit dem er an dem Tag zusammen war, als er bei Take That angenommen wurde. Er hat die Geschichte immer wieder erzählt, und sie ist wahr. Sie hatten beide gerade ihre Zeugnisse bekommen, die furchtbar waren. («Keine Note besser als ein D», gibt er zu. «Sogar ein D in Englisch, glaube ich.») «Wir wussten, dass wir den größten Ärger unseres Lebens bekommen würden.» Also machten sie das, was jeder vernünftige 16-Jährige an ihrer Stelle getan hätte: Sie kauften sich jeder sechs Dosen Bier, statt nach Hause zu gehen. «Wir saßen auf dem Bowling-Rasen im Tunstall Park», erzählt er, «bis wir uns genügend Mut angetrunken hatten, um nach Hause zu gehen.» Als Rob durch die Tür kam, überraschte ihn seine Mutter mit der Nachricht, dass er – vier Wochen nach dem Casting – bei Take That angenommen worden sei. Er ist sich sicher, dass er ihr nie seine Noten gebeichtet hat. Nachdem er die Schule verlassen hatte, versuchte er mit Lee Hancock in Kontakt zu bleiben. «Ich glaube, zum Schluss hat uns vor allem der Alkohol verbunden», sagt er. «Wir hatten uns eine Menge zu sagen, wenn wir zusammen tranken. Und nicht so viel, wenn wir nüchtern waren.» Er hatte ihn vielleicht zwei Jahre lang nicht gesprochen, als er Lee eines Tages anrief und sagte, er würde jetzt vorbeikommen. «Die Art, wie er reagierte, fand ich irgendwie traurig: Und ich meinte nur: » Die Situation wurde wahrscheinlich dadurch noch schwieriger, dass er Nicole Appleton mitbrachte. «Die Unterhaltung verlief verdammt schleppend», erinnert sich Rob. «Es konnte auch damit zusammenhängen, dass es mir damals einfach nicht besonders gut ging. Wir betranken uns, aber es funktionierte nicht. Es war mir einfach unangenehm.» Vor kurzem hat er damit begonnen, sich mit einem anderen Schulfreund E-Mails zu schicken, Matthew Cooper. Mit ihm hatte er zusammen Golf gespielt. Er weiß noch, wie sie mit etwa 15 im
Schulkorridor standen und sich gerade ihre Blazer anzogen, um nach Hause zu gehen. Sie wetteten, wer von ihnen als Erster berühmt werden würde. Rob sagte: «Ich wette mit dir um alles Geld, das ich in der Tasche habe.» Es waren ungefähr 1,70 Pfund. Er erinnert sich, dass er sich fast in die Hose machte, als er dachte: «Was, wenn er gewinnt?» Neulich schickte er ihm eine Mail, in der er fragte: «Wo sind meine 1,70 Pfund?» Er hat sich auch mit einem anderen Typ geschrieben, Clinton Cope, der eine Klasse über ihm war. Diese E-Mails liegen auf Pompeys Computer. Rob öffnet sie und liest laut vor: «Lieber Clinton, ich bin die letzten acht Jahre gegen meinen Willen von einer großen Londoner Plattenfirma festgehalten worden. Nachdem du das Lösegeld nicht bezahlt hast, war ich zur Flucht gezwungen und arbeite nun als Söldner. Du bist der Einzige, der meine wahre Identität kennt, und deshalb musst du sterben. Falls das nicht klappt, wie geht's dir, altes Haus?» Er stellte noch ein paar Fragen über die anderen aus den alten Zeiten und machte einen Witz über Clintons tauben Hund, damit er sieht, dass die Mail wirklich von Rob ist. «Hallo da draußen, Mr. Rockstar. Wie zum Teufel geht es dir?», beginnt die Antwort und geht dann weiter mit viel Lob über Robs letzte Fernsehauftritte. «Wie ist Mr. Diddy denn so?», will er wissen. In den folgenden Mails unterhalten sie sich über Computerspiele und Tätowierungen, bis sich Rob nach Lisa Parkes, seiner Jugendliebe, erkundigt. Clinton erzählt ihm, dass er in einem Geschäft gerade einen Anschlag gesehen hat, auf dem von «Lisa Parkes' Kinderaufsichts-Service» die Rede war. «Es war irgendwie ziemlich seltsam, diese E-Mails aus meinem Haus in L. A. zu senden», überlegt er. «Man denkt darüber nach, wo man eigentlich herkommt, und jetzt sitzt man in einer bewachten Wohngegend in den Hügeln von Los Angeles. Ich wollte eigentlich dauernd sagen: <Stell dir mal vor: Tom Jones wohnt nebenan!> Als ich die E-Mail schrieb, hat mich das ein bisschen erschreckt. Ich merkte, wie weit es schon mit mir gekommen ist.»
Er weiß natürlich, dass sich in jedem Fall alles verändert hätte, selbst wenn es Take That nicht gegeben hätte. «Ja, komisch, wie sich so eine kleine Gruppe zersplittert, sobald sich die Schultüren hinter einem schließen», meint er. «Man denkt immer, das könne einem nicht passieren, aber das tut es eben doch. Und dann siehst du zu, wie deine besten Freunde, mit denen du dich so totgelacht hast, in nur wenigen Jahren erwachsen werden. Und jetzt haben sie Babys und können keine Arbeit finden oder haben etwas gestohlen, sind im Gefängnis oder haben ein Drogenproblem. Oder sind Robbie Williams geworden. Wirklich traurig.»
Er blättert durch die neueste Ausgabe von Heat. Rob wird an sechs verschiedenen Stellen des Heftes erwähnt: in einem Interview mit Mark Owen, in einem Text über Rachel Hunter, in der Hitliste, in einem kleinen Artikel über eine Feuchtigkeitscreme von Clarins, die er angeblich benutzt, in einer CD-Kritik von Escapology («frech und pointiert», fünf von fünf Sternen) und in einem Zitat auf der letzten Seite, das etwas verdreht aus der Berliner Pressekonferenz stammt: «Ich bin ein Star. Und Scheidungen sind teuer. Das meiste Geld wird wahrscheinlich an meine Ex-Frauen gehen.» Um Mitternacht kommt David ins Zimmer. Rob ist jetzt seit zwei Jahren clean. David schenkt ihm Oh, The Places You Will Go von Dr. Seuss. Rob sitzt am Esstisch und liest aus dem Buch vor – eine Geschichte, in der es erst besser wird, dann schlechter und dann wieder besser, aber nicht ganz und gar. Einige Teile, die für die meisten Leser nur eine Metapher wären, sprechen ihn ganz deutlich an. «... du wirst so berühmt werden, wie man nur sein kann, und die ganze Welt wird dir im Fernsehen beim Gewinnen zusehen», liest er. «Nur dann nicht, wenn sie gerade nicht zusieht, weil das manchmal so ist ... Ich fürchte, manchmal wirst du sehr einsame Spiele spielen, Spiele, die du nicht gewinnen kannst, weil du gegen dich selber spielst ... » «Verdammt ... Ja», sagt er, als er fertig ist. Seine Augen sind feucht. Er sagt, er müsse mal eben ins Schlafzimmer und eine Trainingshose suchen.
Er wacht morgens in seinem Hotel in Paris auf und sagt sich die ganze Zeit das Wort «Mogadischu» vor, auch noch, als er beim ersten Backgammon-Spiel des Tages sitzt. Er weiß nicht, warum. Vielleicht ist er bei laufendem Fernseher eingeschlafen. Er erinnert sich dunkel an eine Geschichte, dass nur wenige Amerikaner überhaupt wissen, wo die verschiedenen Bundesstaaten der USA liegen, geschweige denn andere Länder. Wir tun beide so, als seien wir entsetzt, bis ich zugebe, dass ich wahrscheinlich auch Schwierigkeiten hätte, Wiltshire auf einer Landkarte zu finden. «Wo Wiltshire liegt, weiß ich», sagt er. «Da war ich auf Entzug.»
Im Bus zum Konzert in Paris spielt er auf dem CD-Spieler drei Stücke aus den Jacques Brel-Interpretationen von Scott Walker, «Jackie», «Mathilde» und «Next», und dann sein eigenes «One Fine Day». «It'd break my heart to make things right», zitiert er ein bisschen falsch (in «Jackie» singt Scott Walker «and broke my heart to make things right»). «Ich wünschte, ich hätte das geschrieben», sagt er. Backstage hebt er dauernd sein Hemd hoch und reibt sich den Bauch, während er ihn im Spiegel begutachtet. Dazwischen macht er jede Minute etwas anderes: spielt eine CD von Supergrass, isst ein bisschen Melone, spielt in der Luft Schlagzeug (betrachtet nochmal seinen Bauch), spielt eine CD mit seinem Stück «Peace, Man», fragt nach einem Plektrum, bekommt eine Gitarre, spielt das Stück «Mr. James», das er neulich nachts geschrieben hat, lässt sich von Chris Sharrock das Who-Stück «I Can't Explain» beibringen und geht endlich auf die Bühne. Nach dem Konzert lässt er sich backstage zur Show gratulieren. «Cool», meint er, «Job erledigt.» Man kann das Publikum bis in die Garderobe hören. «Robbie! Robbie! Robbie!» «Ich! Ich! Ich!», schreit er. «Ich bin er! Das bin ich! Ich bin er!» Sie können ihn natürlich nicht hören, und er geht nicht nochmal raus.
11 Wenn man berühmt ist, kann jeden Tag etwas Unvorhergesehenes passieren. Nach dem Konzert in Paris erhält er im Hotel eine merkwürdige Nachricht, die eine Frau, die er vor kurzem in London kennen gelernt hat, auf der Mailbox eines seiner Bodyguards hinterlassen hat. «Sie behauptet, sie würde von der Presse wegen einer bestimmten Geschichte bedrängt», sagt Pompey. «Was für eine Geschichte?», will Rob wissen. Sie sagt, die Presse wolle genau wissen, was zwischen Rob und ihr vorgefallen sei, und droht damit, irgendetwas zu drucken, egal, ob sie rede oder nicht. Ob er helfen könne? Er ist irritiert. «Es ist doch gar nichts passiert», sagt er. «Ich habe mir ihre Telefonnummer geben lassen. Der einzige Kontakt, der zwischen uns stattfand, war ein Foto, das von uns gemacht wurde. Ich hatte meinen Arm um sie gelegt, das ist alles.» Klingt trotzdem ein bisschen komisch. Er bittet Pompey, Josie zu holen. Man sollte dieses Mädchen zurückrufen. Da ist aber noch was. Rob hat einen Gesichtsausdruck, als hätte er etwas besonders Scheußliches gegessen. Ein paar Tage nachdem er dieses Mädchen kennen gelernt hatte, rief er sie abends an, um sie zu fragen, ob sie nicht vorbeikommen wolle. Während sie zu ihm unterwegs war, überlegte er es sich anders. Er hatte sich gesagt, sie würden sich nur ein bisschen unterhalten, bis ihm klar wurde, dass er sich etwas vormachte: Er wusste ganz genau, wie dieser Abend enden würde, und das wollte er nicht. Also rief er sie noch einmal an und bat sie, doch nicht zu kommen. (Das war die «Beinahe»-Verabredung, von der er in der Garderobe bei «Later ... With Jools Holland» gesprochen hatte.) Josie kommt, und er erklärt ihr, was los ist. «Jemand muss mit ihr reden und mit denen, die die Geschichte drucken wollen», sagt er. «Das darf nicht passieren. Es ist überhaupt nichts vorgefallen.» Josie ruft das Mädchen an. «Ich wollte nur mal hören, ob ich dir irgendwie helfen kann», sagt sie. «Anscheinend hast du irgendwelche Probleme mit der Presse ... woher haben die deine Nummer? ... und wieso rufen die dich an? ... wie seltsam ... weißt du,
wieso die aus-gerechnet dich angerufen haben? ... Aha ... wer ist dein Agent? ... und woher wussten die von dir? ... » «Sag ihr, dass wir die verklagen», flüstert Rob. «... nein, ganz bestimmt, und ich entschuldige mich wirklich dafür, dass du ...», fährt Josie fort. «... wenn die wirklich irgendetwas drucken, was nicht stimmt, verklagen wir sie ... ruf mich an, wenn die sich nochmal bei dir melden ... » An dieser Stelle wird die Sache absurd. Im Laufe des Gesprächs, bei dem nicht wirklich klar wird, worum es eigentlich geht, erzählt das Mädchen ein neues Detail: Ein anderes Mädchen habe ihr die Nachricht hinterlassen, dass Rob sie vergewaltigt habe. Rob schüttelt den Kopf über die Unwirklichkeit des Ganzen. «Mit der Geschichte kann ich ein Vermögen machen», meint Rob im Hinblick auf die Schadensersatzforderungen, sollte wirklich jemand diese Geschichte drucken. Er sagt das ohne Vorfreude, nur um deutlich zumachen, wie unsäglich das alles ist. «Ich habe überhaupt nichts zu befürchten, weil ich niemanden vergewaltigt habe. Es gibt keine Geschichte ... » Langsam dämmert ihm allerdings, wie schrecklich es wäre, falsch beschuldigt zu werden. «Am liebsten würde ich diesen Arschlöchern Millionen abnehmen.» Im Hintergrund läuft die ganze Zeit Jackass auf MTV. Sie brauchen mehr Informationen. Josie ruft das Mädchen erneut an. «Ich gehe die Geschichte gerade mit Robs Anwalt durch», sagt sie. «... die Sache ist sehr merkwürdig ... hat sie eine Nummer hinterlassen? ... weißt du noch, was sie genau gesagt hat, weil das ja eine ziemlich seltsame Nachricht ist ... völlig absurd ... okay, vielen Dank ... » Das Mädchen sagt, dass das andere Mädchen ihr eine Nachricht mit der genannten Behauptung hinterließ und dann hinzufügte: «Meine Geschichte ist viel spektakulärer als deine.» Sie meint, die andere wollte sie wohl nervös machen. Dann fügt sie hinzu, dass direkt danach eine Boulevardzeitung anrief, um sie zu fragen, ob sie jetzt vielleicht bereit sei, ihre Geschichte zu verkaufen. «Das wird ja immer besser», meint Rob. Pompey sagt, dass die Suppe jetzt da sei, die Rob bestellt hatte. «Ich kann jetzt nichts essen», sagt Rob.
Er möchte mit Tim sprechen. Josie ruft ihn an und bittet ihn, nach oben zu kommen: «Rob hatte ein paar sehr bizarre Anrufe.» Tim ist schon im Bett und möchte mit Rob am Telefon sprechen. «Ich rede darüber nicht am Telefon», sagt der. Sie warten darauf, dass Tim hochkommt. Man muss sich einmal vorstellen, wie sich das anfühlt. Vor 20 Minuten entspannt man sich noch nach einem erfolgreichen Konzert in seiner Hotelsuite, und das Leben sieht insgesamt ziemlich gut aus. Und dann passiert so etwas. Wenn man bei etwas erwischt wird, das man wirklich begangen hat, dann ist das zwar hart, aber gerecht. Aber man kann sich nicht gegen die Wucht falscher Unterstellungen schützen. Rob wird etwas sentimental. «Solche Sachen passieren eben», seufzt er. «Und dann muss man sich ernsthaft fragen, ob sich das alles lohnt.» Die Antwort gibt er sich gleich selbst. «Nein, das tut es nicht. Warum soll ich meinen Namen mit dem Vorwurf beschmutzen, ich sei ein beschissener Vergewaltiger? Ernsthaft: Wenn du betroffen wärest?» «Das wird nie im Leben gedruckt», sagt Josie. «Jaja», sagt er, «aber böse Zungen ...» «Komm, davon kannst du nicht ausgehen», sagt sie. «Doch», meint er. «Ich mache mir nicht wirklich Sorgen über den Scheiß, aber wenn die Geschichte weitergeht, höre ich auf. Wenn nicht, mache ich weiter. Aber ich bin sowieso so beschissen paranoid. Die meiste Zeit habe ich Angst. Ich würde noch meine Alben machen, aber man würde mich in keinem Video und auf keinem Foto mehr zu sehen bekommen.» Tim erscheint in Hausschuhen. «Na, Rob, was ist passiert?» Rob erzählt ihm die Geschichte, und Tim versichert ihm, dass man solche Sachen jederzeit in den Griff bekommt. «Da draußen gibt es eine Menge seltsamer Leute», meint er tröstend. Josie telefoniert mit dem Londoner Presseagenten und schildert die Situation: «Wir sitzen hier und überlegen uns, ob sie diese Anrufe wirklich bekommen oder sich das alles nur ausgedacht hat. Rob wird mit dem Rest schon fertig, aber diese Vorwürfe sind absurd.» Rob geht mit Tim in sein Schlafzimmer, um allein mit ihm zu sprechen.
«Ich hasse so etwas», sagt Josie. «Weil man nichts tun kann, damit er sich wieder besser fühlt.» Tim geht wieder ins Bett; Jonny ruft an. «Soll ich dir mal was erzählen, was du nicht fassen wirst?», fragt Rob und erzählt ihm, was sich hier abgespielt hat. «Nein, ich bin nicht nervös ... Mir geht es nur komisch ... Das ist völlig grotesk ... Ich bin wirklich okay, aber ich weiß noch nicht, wie ich damit umgehen soll ... ich kann nur zur Kenntnis nehmen, dass es unfair ist und ich mit solchen Sachen eben leben muss.» Wir spielen Backgammon, aber ohne die übliche Konkurrenzsituation. Mehr kann man heute Nacht nicht mehr tun.
Bei Tageslicht sieht die Sache schon ganz anders aus. Das Boulevardblatt, von dem das Mädchen gesprochen hat, streitet ab, an einem Artikel über Rob zu arbeiten, was bedeutet, dass entweder das Mädchen die Geschichte erfunden hat, irgendein Betrüger am Werk ist oder die Zeitung sich ganz schnell von der Geschichte verabschiedet hat. Es gehört zu den frustrierenden Momenten, dass Geschichten wie diese nie richtig geklärt werden können. Sie verschwinden im Nebel der Zeit, bis man sich fragt, ob sie wirklich passiert sind. Rob hat schon beschlossen, die ganze Sache zu vergessen. «Alles Schwachsinn», erklärt er. «Ich kann jetzt wieder mit dem Glücklichsein weitermachen.» Er nimmt die Schachtel mit seinen Antidepressiva vom Tisch und tut so, als würde er sie als überdimensionales Plektrum beim Gitarrespielen benutzen. «Ich denke mal, die haben wirklich versucht, einen Artikel zu inszenieren.» «Es könnte auch ein verzweifelter Versuch dieses Mädchens gewesen sein, mit dir in Kontakt zu kommen», meint Josie. «Wie die, die seit Tagen unten in der Lobby sitzt. Sie hockt da und ist ganz zufrieden, wenn du ihr nur mal die Hand schüttelst.» Rob nickt. «Es kann aber auch sein, dass sie hinterher sagt: <Er wollte mich sehen, aber sie haben ihn nicht gelassen.> Wie bei den Songs, bei denen sie absolut überzeugt sind, dass sie von ihnen handeln.»
Im Flugzeug auf dem Weg nach Österreich liest er in verschiedenen Zeitungen, dass er in dem Theaterstück One Night Only auftritt («Blödsinn», sagt er), dass er «noch nie ein Geheimnis aus seinem Wunsch zu schauspielern» gemacht hat («Blödsinn»), dass er an der Lee Strasberg-Schule Schauspielunterricht genommen hat («Blödsinn») und dass er kürzlich gesehen wurde, wie er mit seinem Vater die M1 entlangfuhr («Blödsinn»). «Ich muss dir mal die Elton JohnEntführungsgeschichte erzählen», sagt er. «Ich habe noch nie jemanden erlebt, der sich so gefreut hat, mich zu sehen», sagt David. «Ich hatte neulich richtige Schuldgefühle», sagt Rob. «Elton hat wirklich eine Menge für mich getan, und ich habe mich dafür nicht genug bedankt.» Pause. «Aber was er da gemacht hat, war wirklich merkwürdig.»
Um die Entführungsgeschichte von Elton John verstehen zu können, muss man zunächst eine andere Geschichte erzählen. Take That waren im Jahr zuvor auseinander gegangen, und Rob hatte sich gerade von seiner damaligen Freundin, Jacqui Hamilton Smith, getrennt. Sein erster Solo-Hit war erschienen, «Freedom», aber er hatte bisher weder Guy noch Tim oder David kennen gelernt und hatte keinerlei Richtung oder Stabilität in seinem Leben. «Ich war in einer fürchterlichen Situation», erinnert er sich. «Außerdem hatte ich gerade das schlimmste Drogenjahr überhaupt hinter mir. 1995, 96. Ich bin eines Nachmittags aufgewacht, nachdem ich die ganze Nacht auf den Beinen gewesen war, und wusste, dass ich im Arsch war. Mein Schlafzimmer war ein Schweinestall, es standen Schüsseln mit eingetrockneten Cornflakes und alten Kippen herum, und ungefähr so fühlte sich auch mein Kopf an. Irgendein Instinkt meldete sich bei mir, um mich zu retten, und ich sah mir mein Filofax an und dachte mir: okay... » Er blätterte die Seiten durch und fand Eltons Nummer. Sie hatten sich kennen gelernt, als er noch bei Take That war. Rob hatte ein paarmal mit Gary Barlow bei ihm gewohnt. «Elton war sehr nett und ein großzügiger Gastgeber und hat uns fabelhaft unterstützt», sagt Rob. Diese Besuche führten dazu, dass Rob das Gefühl hatte, Elton
sei der Richtige, den man anrufen könne, wenn man sich in einer beschissenen Lage befand. «Ich rief ihn an und sagte nur: Elton war in Atlanta und sagte: Also fuhr ich zu seinem Haus nach Windsor. Ich dachte irgendwie, dass ich clean werden will und aufhöre zu trinken – ich hatte keine Ahnung, dass ich noch fünf Jahre weitermachen musste. Elton sorgte dafür, dass es mir in seinem Haus gut ging, und schickte mir ein Care-Paket mit lauter Nike-Sachen. Ich hatte gar keine Klamotten dabei, hatte zugenommen und sah furchtbar aus. Und so fühlte ich mich auch.» Er verbrachte zwei Wochen in Eltons Haus, «wurde trocken und wurschtelte herum». Er hockte stundenlang vor seiner Playstation oder spielte Tennis mit dem Sohn der Haushälter. Elton rief ihn jeden Tag an, um zu hören, wie es ihm ging. Außerdem rief er Beechy Colclough an, der mittlerweile als Suchtspezialist der Stars berühmt geworden ist. Das gefiel Rob allerdings weniger. «Zwei Wochen lang kümmerte er sich nur um mich», sagt Rob. «Dabei veranstaltete er lauter komische Sachen, von denen ich heute weiß, dass sie spirituell für mich nicht gut waren.» So ungefähr das Erste, was Beechy Colclough zu Rob sagte, war: «Guck mal, diese Uhr hat Elton mir gekauft.» Danach war Rob alles klar. Abgesehen davon war er Elton dankbar für dessen Hilfe. «Elton ist unglaublich großzügig, er wollte wirklich, dass es mir besser ginge. Ich hatte nur das Gefühl, dass ich es nicht wert bin. Die ganze Umgebung hat mich etwas eingeschüchtert.» Nach zwei Wochen verließ Rob Eltons Haus und sprang gleich wieder auf das alte Karussell. «Mir war langweilig, und wahrscheinlich ging es mir schon wieder so gut, dass ich dachte, ich könne mir ruhig wieder die Birne begießen. Was ich dann auch gemacht habe.» Aber das ist nur der Anfang der Geschichte.
«Acht, neun Monate später ging es weiter», fährt Rob fort. «Ich hatte inzwischen Guy getroffen, wir hatten das erste Album geschrieben, ich bin im Studio, und mir geht es wirklich dreckig. Ich war eigentlich mit Elton verabredet, um ihm an einem Nachmittag vorzuspie-
len, was wir gemacht haben. Das war in der Woche, bevor ich auf Entzug ging. Ich glaube, ich hatte noch eine Woche Zeit, um die restlichen Gesangsaufnahmen zu machen, darunter und . Ich hatte beide Songs schon probiert und bin einfach nicht gut genug gewesen. Es existieren Videoaufnahmen, auf denen man sehen kann, wie ich während der Aufnahme ständig Rotwein aus der Flasche trinke – deshalb war ich auch nicht gut. Ich sollte also Elton die Stücke vorspielen. Ich wachte in Notting Hill auf, und auf dem Weg ins Studio in die Fulham Road musste mein Taxi bei mindestens fünf Pubs halten. Lager. Pints. Ich endete in einem Pub gegenüber dem Studio und besoff mich mit irgendwelchen Handwerkern. Wir haben Pool gespielt und uns komplett zugesoffen. Dann ging ich ins Studio und schlief unter dem Mischpult ein. Wachte wieder auf, nahm die Kassette, ohne irgendwas gearbeitet zu haben, und ging zu Elton nach Hause. Es war fünf oder sechs Uhr nachmittags. Vielleicht auch später, es war Sommer, es kann auch sieben oder acht gewesen sein. Ich kam durch die Tür seines Londoner Hauses, hatte diese Kassette in der Hand und war völlig betrunken ... » – er macht vor, wie er schwankte und lallte – « Er bot mir was zu Trinken an, und ich antwortete: Zu der Zeit trank ich Schorle, wenn ich keinen Alkohol trinken wollte. Weil ich davon weniger fett wurde und Schorle praktisch alkoholfrei war. Elton hatte Tränen in den Augen, als er mich sah, und da musste ich auch heulen. Er sagte: Und ich: Er wieder: , und hängte sich ans Telefon. Während er telefonierte, sagte ich: Und er: Es gab dann ein langes Hin und Her und Geweine, und ich sagte immer: , und er: Dann brachte mich David Furnish in sein Auto, Elton stieg in seines, und wir fuhren nach Windsor. Ich bekam dort etwas zu essen, und dann wurde mir erst so richtig klar, dass das alles keine gute Idee war. Ich dachte mir, am nächsten Morgen würde ich aufwachen und sagen: Vielen Dank, ich habe einen schrecklichen
Kater, aber jetzt muss ich los und noch ein paar Dinge erledigen, bevor ich in die Entzugsklinik gehe. Ich legte mich ins Bett und dachte noch, dass ich mich am nächsten Morgen wahnsinnig bedanken muss. Auf einmal höre ich , mache ein Auge auf und sehe fünf Paar Beine, die vor meinem Bett stehen. Ich hatte einen wahnsinnigen Kater und keine Ahnung, wo ich war. Da standen David Furnish, Elton und drei Männer, die ich nicht kannte, und alle gucken mich an. Ich dachte: 0 Scheiße, jetzt ist es wirklich passiert. Mir wurde gesagt, das seien Dr. Soundso und Mr. Soundso und noch ein Mr. Soundso. Einer kam von einer Entgiftungsklinik namens Churchills. Wir gingen alle zusammen nach unten und saßen in Eltons Wohnzimmer auf diesen beiden riesigen Sofas, die einander gegenüberstehen. Ich auf dem einen, die anderen auf dem zweiten, nur Elton hockte an der Seite. Ich muss ihm zugute halten, dass er mir wirklich helfen wollte. Er hatte ja eigentlich auch Recht und dachte, er täte mir einen Gefallen. Aber ich sagte: Hört mal, ich kann heute nicht in eine Klinik gehen, ich muss meinen Gesang zu Ende aufnehmen. Und ich muss noch dies tun und das ...» — er macht vor, wie seine Finger die ganze Zeit auf seinen verschränkten Armen trommelten — «... und einer von denen sagt plötzlich: Langsam sah ich ein, dass es besser sei, mich sofort in eine Entziehungsklinik einweisen zu lassen, und fuhr los. Elton und David standen in der Haustür und winkten mir nach. Ich saß auf der Rückbank eines dunkel-roten Citröen zwischen zwei Männern, der dritte fuhr, und der Beifahrersitz blieb leer. Wahrscheinlich sollte verhindert werden, dass ich mich während der Fahrt umbringe oder abhaue. Wir fuhren nach London. Ich hatte keine Ahnung, wo es hinging, ich wusste nicht, was eine Entgiftungsklinik war. Mir war auch nicht klar, was ich da eigentlich sollte. Also ab nach London, ins Zentrum und über die Themse. Und dann fand ich mich in dieser riesigen Privatklinik wieder, gegenüber einem Kriegsdenkmal mit zwei Kanonen, das erinnere ich noch. Ich ging hinein, und die Empfangsdame sah mich an, als wäre ich der letzte Dreck. Wahnsinnig arrogant. Ich kann mich noch erinnern, dass ich irgendwas unterschreiben musste, und dann gingen wir die Treppe
hinauf. Mein Zimmer hatte Gitter vor dem Fenster, und vor dem Fenster war eine Mauer. Ich saß auf meinem Bett, das mit einer Plastikplane bespannt war, falls man reinpisste. In Wirklichkeit hatte ich nur einen gigantischen Kater. Ich musste nicht entgiftet werden, ich musste auch keine Tabletten nehmen, ich musste ja nicht von irgendetwas runter, ich hatte nur ein Alkoholproblem. Ich saß da und hatte schlicht viel zu viel getrunken. Eine Frau kam rein und behandelte mich, als wäre ich ein schlimmer Junge. Es gab kein Verständnis, keine Freundlichkeit oder . Nichts davon. Sie sagte: <Schreib auf, von was du alles abhängig bist>, also schrieb ich alles auf, was ich jemals genommen hatte — Heroin, Ecstasy, Marihuana, Kokain, Alkohol, Amylnitrat, Speed und so weiter. Auf der ganzen Station war nur ein einziger anderer Typ, und ich unterhielt mich ein bisschen mit ihm. Das Spiel England gegen Polen wurde an diesem Tag auf Channel 5 übertragen, aber es gab in diesem Krankenhaus keinen Channel 5. Spätestens jetzt war klar, dass ich da auf keinen Fall bleiben würde. Das hat das Fass zum Überlaufen gebracht.» Rob dreht sich zu David, der auf der anderen Seite des Ganges im Flugzeug sitzt, und fragt ihn: «Was passierte dann?» «Du hast mich angerufen und gebettelt. Ich wusste aber nicht, wie ich das tun sollte.» David fuhr zusammen mit Robs damaliger Therapeutin in die Entzugsklinik. Sie bestand darauf, dass er auf der Stelle entlassen wurde. Anschließend gingen Rob und David Sushi essen und sahen dann bei David Fußball, bis Rob einschlief. «Ich war so froh, dass ich bei Dave war, das Album beenden konnte und nicht sterben würde und danach in den Entzug gehen konnte», erinnert sich Rob. Das tat er in der Woche darauf. Nachdem er seine Arbeit beendet und noch ein unglaubliches Besäufnis im Studio hinter sich gebracht hatte, checkte er in Clouds in Wiltshire ein, der Klinik seiner Wahl. «Das war das erste Mal, dass ich meine Mutter so hilflos wie eine Siebenjährige erlebte», meint Rob. «Sie wusste, dass sie nichts tun konnte, und ich wusste, dass ich nichts tun konnte.» In Clouds wurde er langsam gesund. Dort gab es weder Radio noch Fernsehen oder Boulevardblätter, es gab nur Fotokopien einiger Artikel. Eines Tages
las er einen Text über sich, in dem die komplette Liste aller Drogen abgedruckt war, die er im Churchill Center aufgeschrieben hatte. «Ich kann nur sagen: Da draußen laufen eine Menge Scharlatane rum, die krank im Hirn sind. Und solche Leute arbeiten mit wirklich Kranken, die sich große Mühe geben, wieder gesund zu werden. Da könnte ich ausflippen», fasst Rob zusammen. «Ich bin mir sicher, dass so etwas auch anderen Leuten passiert, und die gehen dabei drauf.» «Die laufen weg und gehen dann drauf», meint David. «Elton meinte es nur gut und tat das, was er für richtig hielt. Aber mir kam das Ganze unglaublich unprofessionell vor, auch wenn Elton das alles aus Liebe machte.» Elton und er haben seitdem nicht wirklich mehr miteinander geredet. Etwa ein Jahr später fragte Elton an, ob er mit ihm ein Duett auf einem Album singen wolle, auf dem auch die Backstreet Boys und LeAnn Rimes waren, aber Rob lehnte ab. «Ich wollte nicht mehr mit irgendwelchen Boybands in Verbindung gebracht werden», erklärt er, «es hat lange genug gedauert, davon wegzukommen. Ich glaube, er war wirklich enttäuscht.»
Als wir im Hotel in Wien ankommen, geht er auf Toilette – «die haben hier Blütenblätter in der Kloschüssel, das ist vielleicht merkwürdig» – und legt sich dann aufs Bett. «Gwyneth Paltrow hat neulich in einem Interview etwas Interessantes gesagt», meint er. «Leute bleiben immer so alt, wie sie waren, als sie berühmt wurden. Was ungefähr das war, was ich gestern Abend meinte.» Das heißt, du bleibst immer 16? «Ja. <Es sei denn, es stößt einem irgendein Unglück zu>, hat sie gesagt. Also ich bin jetzt ungefähr 18.» Es gibt so viele seltsame Dinge in der Welt. Er erzählt, dass ihn kürzlich die Herzogin von York angerufen hat, weil sie wollte, dass Rob ihre kranke Tochter Beatrice anrufen sollte. «Verrückt, oder?», fragt er. «Ich habe nicht angerufen. Hatte deshalb auch ein schlechtes Gewissen.» Im Fernsehen läuft eine Anti-Raucher-Werbung. «Seid cool», sagt Sophie Ellis Bexter. «Raucht nicht.»
«Fuck off», sagt Rob. Etwas später wendet er sich an Pompey: «Ist mein Essen schon gekommen?» «Hast du welches bestellt?», fragt der. Rob sieht Josie an. «Du hast mich nicht darum gebeten», sagt sie. Rob sieht verärgert aus, weil es kein Essen gibt und niemanden, dem er das in die Schuhe schieben kann. Stattdessen gehen wir alle ins Hotelrestaurant, wo er ein Steak isst und sich anschließend zu Boden fallen lässt. «Ich bin müde», sagt er. «Du bist wie ein kleines Kind, das man ins Restaurant mitgenommen hat», entgegnet Josie. Er setzt sich wieder hin und schläft an Davids Schulter ein.
Gleich nach dem Aufwachen muss er einem deutschen Radiosender ein Interview geben. Er liegt auf dem Bett der Suite, die für seine Promotion-Tour gebucht wurde, der Interviewer hockt mit dem Mikrophon auf dem Boden. Rob redet über seine Karriere, seinen Körper («Ich wünschte, ich hätte sechs Kilo weniger»), Oasis («Noel hasst mich ...»), bis der Interviewer fragt, ob nicht die meisten Popstars das Gefühl hätten, etwas Besseres als «normale» Menschen zu sein. «Ich weiß nicht, ob das stimmt», meint Rob. «Ich halte das für Medienpropaganda. Viele Leute wollen einfach glauben, dass Popstars, Schauspieler oder Models sich für etwas Besseres halten oder unangenehm sind. Es steigert das Selbstwertgefühl der Menschen, wenn sie der Meinung sind, mit dem Star stimme was nicht. Ich finde das traurig.» Der Interviewer will wissen, ob Rob etwas dafür tun würde, damit er mit beiden Beinen auf dem Boden bleibt, und er antwortet: «Nein. Ich glaube auch nicht, dass ich auf dem Boden geblieben bin. Ich komme aus dem Arbeitermilieu und fliege heute in Privatjets durch die Gegend, wohne in wirklich schönen Hotels, lerne Mitglieder der Königsfamilie und der Regierung kennen. Das ist alles schon ziemlich verrückt und hinterlässt Spuren. Genauso wie die öffentliche Meinung über dich, bis einem klar wird, dass das überhaupt nichts zu bedeuten hat. Ich glaube aber nicht, dass ich mit
beiden Beinen fest auf dem Boden stehe. Mein Kopf steckt in den Wolken.» Zum Schluss will der Interviewer wissen, ob Rob irgendetwas bereut, und Rob ist schon nicht mehr bei der Sache, während er vom Bett aufsteht. «Nein, nein, ich bereue nichts wirklich ... abgesehen von ein paar Leuten, mit denen ich geschlafen habe. Manche waren wirklich ... Hör mal, ich muss jetzt gehen.» Dieses Interview erscheint zwei Wochen später über zwei volle Seiten in der Sun. «ROBBIE GANZ OFFEN» lautet die Schlagzeile. Angeblich war es ein «exklusives Interview» von Dominic Mohan mit Rob. Rob habe mit ihm «gesprochen, bevor er mit Kumpel Jonathan Wilkes über Weihnachten nach Los Angeles» geflogen sei. Auf einem Foto sind Rob und Jonny am Flughafen zu sehen, wie sie in die Kamera grinsen, wodurch die Lüge, das Gespräch habe vor dem Abflug stattgefunden, noch untermauert wird. Robs Worte werden ziemlich präzise wiedergegeben, dennoch sind sie aus dem Zusammenhang gerissen, und Wien wird kein einziges Mal erwähnt. In dem Artikel kommt dreimal «sagte er zu mir» vor, wodurch der Eindruck entstehen soll, die Unterhaltung hätte tatsächlich zwischen Rob und Dominic Mahon stattgefunden. Dabei haben sich die beiden das letzte Mal in Barcelona getroffen, als er ihn ganz bestimmt nicht interviewt hat.
12 Hinter der Bühne bei Wetten, dass ... ?, Rob spielt stundenlang auf seinem Notebook D J mit Hilfe von iTunes, eines Musikverwaltungsprogramms: ein Stück von Gary Nuttall, «Maybe I'm Amazed» von Paul McCartney, «A Boy Named Sue» von Johnny Cash, The Smiths' «Heaven Knows I'm Miserable Now», «All Over Again», ein Folk-Song von The Lilac Time – «Super-Text», sagt er und singt mit: «No one came so no one noticed, I shared a beer with the support band roadies ... tomorrow I'll be dropped by BMG ... girlfriends telephoned she said <don't come home>, I know your muse is on some motel mattress, misery will always be your mistress ... » — «Get Off» von Prince, «Nightswimming» von R.E.M, dann
ein paar von seinen eigenen: «Phoenix From The Flames», «Heaven From Here», «lt's Only Us», «Karma Killer». «Ich habe wirklich ein paar komische Songs gemacht, was?», sagt er. «Das waren eigentlich nie so richtig typische Pop-Songs. Kann mir keiner vorwerfen ... » Er spielt noch mehr Songs: «Pissing In The Wind» von Badly Drawn Boy, «In The Ghetto» von Elvis, Joy Divisions «Love Will Tear Us Apart», «Don't Tell Me» von Madonna, zwei Stücke von Divine Comedy, «Something For The Weekend» und «Frog Princess», zwei seiner unveröffentlichten Stücke, «Blasphemy» und «Chemical Devotion», dann «It's Only Natural» von Crowded House, Robs «Peace, Man» und «Summertime», Dr. Dres «California Love», «Kelly Watch The Stars» von Air, «God Only Knows» von den Beach Boys, «Narcolepsy» und «Army» von The Ben Folds Five. Dann fängt er mit seinen B-Seiten an. «Hast du schon <John's Gay> gehört?», will er wissen und singt seinen eigenen Song mit. «Martin grew out of his A-team vest, and nicked the paddles of my BMX, and he says that he's had sex with a girl for effect, I lost my virginity, the year above us had discovered E, and I said it weren't for me, 12,50 Pound, ... and we've written on the wall: John's gay. He's gay ... what'll we grow up to be? ... will you still be friends with me? ... 14 ... 15 ... 16... I know too much now to feel young.» Es ist wirklich so, wie er gestern Abend im Interview sagte: Seine Songs waren schon immer sehr persönlich. Wenn Journalisten wirklich etwas über ihn erfahren wollen, müssten sie nicht stundenlang in Hecken hocken, sondern einfach seine B-Seiten anhören. In diesem Song ist zum Beispiel jedes Wort wahr (der Schulfreund hieß allerdings nicht John, und vielleicht ist er auch nicht schwul, weil Rob auf der Internet-Seite von «Friends United» gelesen hat, dass er inzwischen verheiratet ist). «Ich habe hier nur auszudrücken versucht, worüber wir neulich nachts geredet haben», sagt er. «Wie traurig es ist, dass es damals so schön war, wie magisch alles war und wie die Verantwortung zunimmt, wenn man erwachsen wird.» Wir spielen Backgammon, und er findet noch andere Stücke, auch unveröffentlichte, die ich noch nie gehört habe. Es gibt eine sehr schöne, prächtige Ballade, «Snowblind», die er im vergangenen Jahr auf Tournee durch Australien und Asien geschrieben hat. «While the
world was looking at you», singt er, «you came and wrapped yourself around me.» Er spielt ein anderes Stück, das «If She Exists» heißt. «I know it will come in your own sweet time Lord and I don't like to ask but I'm lonely now. I don't want to make demands, but time and tide is in your hands, I never meant to ask for this, but God, send her now, if she exists.» «Daran siehst du, dass Guy brillant ist», sagt er, als er fertig ist. «Und ein dummes Arschloch.» Rob würfelt und setzt seine Steine. «Ich vermisse ihn.» Er spielt einen sarkastischen, unveröffentlichen Songs mit dem Titel «Big Beef», den er ganz alleine geschrieben hat. «I couldn't give a flying toss about the relatives you lost; I think it's better that your bloodline Stops from here on in ... », kräht er, munter und voller Hass. « You got under my radar ... you became my new best friends for a while. I should have guessed you were a psychopath ... » «Im Text geht es um jemand in L. A., der mich verraten hat», sagt er. Er spielt noch ein paar B-Seiten: «Come Take Me Over» («wahrscheinlich das erste Stück, für das ich je die Musik geschrieben habe. Guy hat das Ende geschrieben, aber das ist alles nicht besonders»), «Happy Song» («sehr stoned» ), «Talk To Me» («total zugedröhnt, als ich das geschrieben habe») und dann noch ein unveröffentlicher Song, «My Favourite American». «Die Zeile muss ich nochmal verwenden», murmelt er. «Use my empty head, it's advertising space ... » Er sagt zu Josie, dass er kein Exemplar mehr von Life Thru A Lens hat, seinem ersten Album, und bittet sie, ihm eines von der Plattenfirma zu besorgen. Er hat seine eigenen CDs nie zur Hand. Als er mal vergeblich Life Thru A Lens suchte, holte er sich einfach die Gold-CD, die gerahmt an der Wand hing, von der Wand. Dann stellte er allerdings fest, dass darauf gar nicht seine Musik, sondern die von irgendjemand anderem zu hören war.
Wenige Minuten vor seinem Auftritt bei Wetten, dass ... ? stellt er fest, dass seine Hosenbeine zu lang sind. Er steht an der Bühnenseite, direkt neben der Kamera, und zu seinen Füßen knien vier Menschen, die verzweifelt damit beschäftigt sind, seine Hosenbeine zu kürzen.
«... Robbie Williams mit !» Er ist gerade rechtzeitig fertig, singt und setzt sich dann zu Michael Schumacher und Thomas Gottschalk aufs Sofa. Es findet der verabredete Smalltalk statt, dann sagt er zu Schumacher: «Ich bin übrigens mit Jenson Button befreundet ... Der wird Ihnen ganz schön einheizen.» Schumacher scheint unsicher, wie er auf Robs Respektlosigkeit reagieren soll. Rob verliert seine Wette, dass ein Mann in der Lage ist, sich komplett auszuziehen, während er ein Tablett mit Champagnergläsern balanciert. Daraufhin muss er die heutigen Ergebnisse der Fußball-Bundesliga vorlesen. Das Publikum lacht sich halb tot, weil er Schwierigkeiten mit den deutschen Namen hat. Als er beim FC Schalke ankommt, die heute 1:1 gespielt haben, liest er «Schleik». «Schalke», verbessert ihn Gottschalk. Rob macht sich einen Scherz und liest «FC Scheiße». Das Publikum grölt, sogar die Kameraleute lachen. Hinter der Bühne wird ihm allerdings erklärt, dass er am 13. und 14. Juli 2003 im brandneuen Stadion des 1. FC Schalke zwei Konzerte geben soll. Sein Tourmanager Andy Franks hat bereits einen beleidigten Anruf vom örtlichen Veranstalter erhalten.
Am nächsten Tag endet seine europäische Promotion-Tour. Im Flugzeug nach London sinkt er in seinen Sessel. «Hat Spielberg schon angerufen?», fragt er. (Steven Spielberg ist die dritte berühmte Person, die in seinem Song «I Will Talk, And Hollywood Will Listen» vorkommt: «Mr. Spielberg, look just what you're missing».) «Wäre doch schade um mein Charisma, und die Amerikaner wissen nichts davon, oder?» Er isst einen Teller mit Huhn und Gemüse. Dabei blickt er auf meine Pasta, als ob er in ein anderes Universum sehen würde. «Ich habe seit Jahren keine Nudeln mehr gegessen», sagt er. Als wir Backgammon spielen, fällt ihm plötzlich ein: «Ich habe in Geschichte zwei Sachen gelernt: Die Renaissance begann in Florenz. Und es gab jemanden, der Isambard Kingdom Brunel hieß, einen Webstuhl, den man <Spinning Jenny> nannte, es gab den
Ludditismus und die Drei-Felder-Wirtschaft während der industriellen Revolution. Das war's.» Was hast du noch in der Schule gelernt? «Es gab da ein ziemliches Luder, das mich entjungfert hat. Sie hat mir gleich gesagt, dass sie mit mir Sex haben würde, wenn sie aus Liverpool nach Stoke-on-Trent auf meine Schule käme. Sie ließ keine Sekunde einen Zweifel daran, dass sie mich vögeln würde, wie sie es ausdrückte.» Wie alt warst du damals? «Fünfzehn.» Und was hast du gedacht? «Dass ich nichts dagegen habe.» Hattest du bei deinen Verabredungen damals im Kopf gehabt ... «... meine Jungfräulichkeit zu verlieren? Meine Bindungsunfähigkeit hat schon ziemlich früh angefangen. Wenn ich eine Freundin hatte, dann dauerte das nicht länger zwei Wochen.» Und was geschah in dieser großen Nacht? «Es war am Tag. Sie sagte: Sie kam vorbei — meine Mutter war bei der Arbeit —, und ich fing an, sie zu küssen. Ich hätte es beinahe nicht hingekriegt. Ich wollte sie schon bitten zu gehen, und dann stellte ich mir die Gesichter meiner Freunde vor, die mich ausgelacht hätten, wenn sie aus der Tür käme: » Was fällt dir sonst noch ein, wenn du an dieses Erlebnis denkst? «Dass es sehr, sehr schnell ging. Und roch. Sie würde wahrscheinlich dasselbe sagen. Ich meine, in dem Alter nimmt man Körperpflege ja nicht so wichtig ... Man wäscht wochenlang seine Haare nicht, weil sie nicht so gut liegen, wenn sie frisch gewaschen sind.» Was hast du dir hinterher gedacht? «Ich dachte, jetzt wäre ich endlich angekommen.» Hast du sie wiedergesehen? «Nein, es war wirklich nur ein kleiner Fick.» Hat es lange gedauert bis zu deinem nächsten? «Na ja, Zoe Callaghan hat immer gesagt, sie würde mich vögeln, hat sie aber nie. Sie wollte es eigentlich bei Samantha Banisters Party tun. Wir haben uns immer im Zeichenraum geküsst, da gab es eine
Ecke, in der man seine Pinsel waschen konnte. Da haben wir uns rein-geschlichen und rumgeknutscht. Geknutscht und gefummelt.» Wann warst du das erste Mal verliebt? «Ich war noch nie verliebt. Nie.» Hast du schon mal gedacht, du wärst es? «Nein.» Hast du schon mal behauptet, du wärst verliebt? «Ja klar, weil ich es mir so dringend gewünscht habe.» Hast du Zweifel daran, dich überhaupt verlieben zu können? «Als ich noch in meiner Selbstmitleids-Phase war, dachte ich so was. Aber jetzt nicht mehr.» Das heißt, die Liebe wird schon irgendwann kommen? «Ja. Ich habe das Gefühl, dass Gott im Moment eben andere Pläne mit mir hat. Ich habe keine Angst davor, mich zu verlieben ... Ich weiß nicht, ob ich im traditionellen Sinn einer Beziehung treu sein kann. Also, entweder gehe ich durch meine Zwanziger und mache eine echt kinetische Veränderung durch, oder ich habe mit irgendjemandem eine wirklich starke Beziehung. Davor habe ich ein bisschen Angst, weil ich wirklich gerne so sein möchte.» Er sitzt einen Moment lang still da. «Vielleicht sollte ich meinem nächsten Album einen richtig ernsten Titel geben.» Pause. «Something Really Serious ist allerdings ein Scheißtitel.» Dann nennt er den anderen, der ihm noch eingefallen ist: I´d Break My Heart To Make Things Right.
Rob fliegt über Weihnachten nach Los Angeles. Bei der Einreise wird er am Flughafen von einem Immigrations-Beamten befragt. «Was machen Sie beruflich?» «Ich bin Musiker», antwortet er. Einmal, als er die gleiche Antwort gab, wurde er gefragt, wo denn seine Instrumente seien. Der Beamte mustert ihn und seinen Pass sehr gründlich. «Sie müssen sehr gefragt sein», sagt er dann. «Das hier ist ein hervorragendes Visum. Der Letzte, der so ein Visum hatte, war Rod Stewart.»
Bis Weihnachten habe ich meinen Terminkalender so weit leergefegt, dass ich praktisch ausschließlich an diesem Buch arbeiten kann. Ich bin fast die ganze Zeit dabei gewesen, wenn Rob gearbeitet hat, aufgetreten ist, in Meetings war, Interviews gegeben, Songs geschrieben oder seine Zukunft geplant hat. Und auch die übrige Zeit habe ich mit ihm verbracht. Mit manchen Leuten kann das unangenehm sein, egal, wie gut man sich versteht, weil sie es anders als Rob gewohnt sind, viel mehr Zeit allein zu verbringen. So unwohl er sich in vielen Situationen fühlt, so gerne hat er es, wenn die Leute, die er mag, um ihn herum sind. Nachdem wir beschlossen hatten, zusammen ein Buch zu machen, besprachen wir bei ihm zu Hause in London einmal kurz die Grundstrukturen — nur um sicherzugehen, dass wir beide ungefähr das Gleiche vorhatten. Aber wir haben nie über die tieferen Gründe oder den Zweck des Ganzen gesprochen, und später spielt das Buch in unseren Unterhaltungen auch keine Rolle mehr. Nicht, dass wir es vergessen haben: Ich bin ja häufig da — von dem Moment, in dem er die Augen aufschlägt, bis zu dem Zeitpunkt, wenn er einschläft. Ich mache mir Notizen oder stelle den Kassettenrecorder in seiner Nähe auf. Aber es muss einfach nichts zu dem Buch gesagt werden. Manchmal zieht er mich in eine Unterhaltung oder Situation hinein, weil er denkt, dass es für unser Projekt wichtig sein könnte. Aber das sind die einzigen Momente, in denen das Buch eine Rolle zu spielen scheint. Noch seltener bittet er mich, ihn alleine zu lassen. Normalerweise nur, wenn jemand Drittes dabei ist, dessen Privatsphäre er schützen möchte. Bin ich Journalist? Oder eher ein Freund? Und kann daraus ein Konflikt entstehen? Weder Rob noch ich sehen darin ein Problem. Er fragt mich nie, was ich schreibe. Vielleicht weiß er es oder will es nicht wissen oder hat kein Interesse daran oder ist zufrieden damit, es rechtzeitig zu erfahren. Wir haben nie darüber gesprochen, aber es ist klar, dass im Buch nichts als die ungeschminkte Wahrheit stehen soll. Das Leben, wie es passiert, die Worte, wie sie fallen. Für viele mag das ungewohnt sein, vor allem wenn es um Stars geht, und ich möchte den Leser bitten, diese Tatsache in Betracht zu ziehen: Bei jedem unbeherrschten Ausbruch oder jeder flüchtig geäußerten Meinung überlegen Sie sich bitte kurz, wie Ihr eigenes Leben wirken
würde, wenn es auf diese Weise dokumentiert würde: Wenn jemand Sie auf Schritt und Tritt begleiten würde, Tag für Tag, während sie mit Menschen zu tun haben, die sie lieben, und anderen, die sie tolerieren, und wieder anderen, die Sie nicht leiden können, und solchen, die Sie fürchten, in guten und in schlechten Zeiten, in Momenten, in denen Sie schüchtern, und anderen, in denen Sie achtlos und überschwänglich sind, wenn Sie schläfrig oder hellwach sind, wenn Sie nachdenklich sind, und in den Momenten, wenn Ihnen wirklich alles egal ist.
Teil zwei
1 Über Weihnachten verkauft sich Escapology über drei Millionen Mal, Steven Spielberg schickt Rob ein Drehbuch für einen Kinofilm, und je näher 2003 rückt, desto mehr Zeit verbringt Rob im Schlafzimmer seines Hauses in Los Angeles, wo er auf einer riesigen Leinwand ein Tiger Woods-Computerspiel spielt. Sie hängt von der Decke vor der Balkontür und trennt ihn von der Außenwelt. Er hasst Weihnachten mit der gespielten Fröhlichkeit und den großen Erwartungen – und dieses Jahr erst recht. Bei einigen Freundschaften hat sich herausgestellt, dass sie doch nicht so eng sind, wie er gehofft hatte. Er ist deprimiert und hat Angst, in Los Angeles zu vereinsamen. Er macht sich Sorgen, dass seine Popularität sein ganzes Leben ruinieren könnte. Manchmal kommt es ihm so vor, als würden seinetwegen alle Leute früher oder später etwas seltsam. «Meine Popularität scheint die schlechten Eigenschaften anderer Menschen zutage zu fördern», sagt er. «Wie Tolkiens Ring.» Die amerikanischen Paparazzi gehen ihm mehr auf die Nerven als sonst. «Vielleicht könnte ich mit ihnen besser leben, wenn ich mit mir selbst zufriedener wäre», sagt er. Silvester geht er kurz auf die Party der Osbournes, wo er viel zu schnell zu viele Espressos trinkt und Justin Timberlake trifft. Noch vor Mitternacht kehrt er nach Hause zurück, um sich einen Film anzusehen. (Er kannte die Osbournes schon vor ihrem momentanen Erfolg. Er hatte sich ein paar Mal mit Ozzy im Sunset Marquis unterhalten. Eines Tages erhielt er einen Anruf. Am Apparat war Sharon Osbourne, die sich offensichtlich verwählt hatte. Jedenfalls fragte sie als Erstes: «Bist du nackt?» – «Ja», antwortete Rob, weil es stimmte. «Dann komme ich jetzt nach oben», kündigte sie an. «Sharon», sagte er, «hier ist Robbie Williams.» Anschließend hatten sie eine reizende Unterhaltung.)
Ein paar Tage später unterhält er sich mit Justin am Telefon. Rob hatte vorgeschlagen, dass sie bei den Brit Awards ein Duett singen sollten. Inzwischen ist alles organisiert worden, nur Robs Vorschlag, welchen Song sie singen sollen, wurde nicht akzeptiert. «Er war unglaublich verkatert», sagt Rob. «Ich glaube nicht, dass er schon mal von gehört hat. Aber es gibt ja noch andere Sachen, die wir zusammen singen können.» Sie einigten sich schließlich auf «Hold On, I'm Coming» von Sam & Dave, aber dann kam Rob etwas dazwischen. Er wurde gebeten, in einer Show für Rock The Vote in den USA aufzutreten, die in derselben Woche wie die Brit Awards stattfinden soll. Es wäre zwar möglich, beides zu machen, andererseits ist Rock The Vote eine gute Ausrede, um den Brit Awards fernzubleiben. Seine Pläne für «Comic Relief» funktionieren ebenfalls nicht. Steve Coogan möchte nicht mehr als Alan Partridge auftreten, nachdem die letzte Serie I'm Alan Partridge nur mäßig erfolgreich war. Stattdessen arbeitet Ricky Gervais an einem Office-Sketch, in dem Rob mitspielen soll. Rob will damit nichts zu tun haben, obwohl er The Office gut findet: Aber vor einiger Zeit hat er gehört, wie Ricky Gervais irgendetwas über ihn im Radio gesagt hat, was er ihm so schnell nicht verzeihen wird. Inzwischen hat er das Video für «Come Undone» geplant, die zweite Single-Auskopplung von Escapology. Regie führt der Schwede Jonas Ackerlund. Die meisten der Drehbuchentwürfe anderer Regisseure haben Rob nicht gefallen. Ackerlunds Vorschlag fand er am besten, obwohl das Video nur aus einer einzigen, großen Partyszene besteht. Rob war eigentlich der Meinung, das sei schon zu oft gemacht worden. Aber als er den Film Fear Factor sah, kam ihm die zündende Idee: Käfer. Schlangen. Frösche. Vielleicht Ameisen. «Ich mache mit einem Mädchen herum, und plötzlich kriecht eine Schlange unter ihren Minirock, und dann werden es immer mehr», sagt er. «Und zum Schluss ist das Ungeziefer überall.» Langsam entwickelt sich der Plan weiter. «Wir werden ein ziemlich krankes Video machen», grinst er nach einer Unterhaltung mit Jonas. «Und wir werden ziemlich viel Spaß haben.» Die neueste Idee ist, wie er Sex mit einem Mädchen hat, das sich dann in einen Mann
verwandelt und wieder zurück in ein Mädchen. «Nicht, dass jemand auf die Idee kommen könnte, ich sei schwul», feixt er. Er hat sich außerdem ein biblisches Gleichnis als Rahmenhandlung ausgedacht: «Ich will auf eine Party», beschreibt er, «und während ich die Straße entlanggehe, bemerke ich, dass alle Türen mit Blut verschmiert sind. Blut von Lämmern. Ich bin etwas beunruhigt, wie es wohl jeder wäre, und als ich bei der richtigen Haustür ankomme, hinter der man die Party hören kann, klopfe ich, aber es macht niemand auf. Auch diese Tür ist mit Lämmerblut verschmiert, und ich fange an, es abzuwischen, und bekomme ein bisschen davon an mein Hemd. Ich mache die Tür auf, und dahinter ist Sodom und Gomorrha. Die wildeste Party, die du je gesehen hast, und dann passieren merkwürdige Sachen. Ich will mir etwas zu essen holen, und plötzlich sind es Läuse, und ich mache mit dem Mädchen herum, und eine Riesenschlange kommt unter ihrem Rock hervor. Das ist die grundsätzliche Idee.»
Marvin Jarrett, ein Freund eines Freundes, der für die Zeitschrift Nylon arbeitet, kommt vorbei. Rob erklärt ihm seinen halbherzigen Plan, den Durchbruch in Amerika zu schaffen – «Ich will ihn deshalb, weil ich mal in irgendeinen Club nicht reingekommen bin, aber eigentlich finde ich, dass das als Grund nicht wichtig genug ist» –, und wir fahren zu Starbucks. Er würfelt darum, welches Getränk er wählen soll, und bekommt eine Haselnussmilch. Eine gute Wahl. «Ich sollte häufiger die Würfel entscheiden lassen», beschließt er. Er spricht über Verabredungen und seinen Wunsch, eine Frau zu finden. «Ich glaube ja nicht, dass Mrs. Williams eine Schauspielerin sein wird», sagt er. «Schauspielerinnen, Models und Musikerinnen haben einen Knall. Schauspielerinnen gehören zu der Staffelmannschaft, die die Idioten-Fackel ins Stadion der Wahnsinnigen trägt.» Er seufzt tief. «Ich werde bestimmt eine heiraten, ich bin mir sicher.» Sie reden über Strip-Bars, aber Rob hat keine besondere Lust. «Das Titten-Monster setzt sich mir in den Nacken», sagt er. «Dann muss ich sie mit nach Hause nehmen und vögeln. Und wenn ich dann mit ihr rede, tut mir ihre Situation Leid.»
Da fällt ihm eine Geschichte ein. Als er vor ungefähr fünf Jahren das erste Mal seit der Trennung von Take That nach Los Angeles kam, wohnte er im Hotel Shutters-on-the-Beach in Santa Monica. Ihm wurde klar, dass er seit Ewigkeiten endlich mal irgendwo war, wo ihn niemand erkannte. Er beschloss, sich eine Nutte zu bestellen, und rief einen Escort-Service aus dem Branchenbuch an. «Was wünschen Sie?» «Eine Frau ins Shutter-on-the-Beach, bitte.» «Möchten Sie wissen, wie sie aussieht?» «Oh, okay.» «Sie hat die Figur von Marilyn Monroe.» «Okay.» Sie war vielleicht nicht die attraktivste Frau, der er je begegnet ist, aber sie schien sehr nett zu sein. Damals war er nicht in Bestform, er wog zehn Kilo mehr bei einer strengen Diät aus Wodka und Zigaretten. Sie fragte ihn, was er in der Stadt zu tun hätte. Er nannte einen falschen Namen und behauptete, Fußballspieler aus Liverpool zu sein. Sein Wechsel nach Barcelona sei gerade an Knieproblemen gescheitert und er sei hier, um sich operieren zu lassen. «Sie zieht sich aus, und ich bin kein bisschen erregt», erinnert er sich. «Wir lagen da und unterhielten uns, und da wurde gerade das Video von <Millennium> im Fernsehen gespielt ...» Er dachte, sie könnte es vielleicht bemerken, und machte den Fernseher aus. Es passierte nichts von dem, was passieren sollte, also zahlte er ihr 300 Dollar, und sie ging wieder. Wahrscheinlich wäre es schlauer gewesen, die Angelegenheit dabei bewenden zu lassen, aber er hatte 300 Dollar ausgegeben und war noch immer nicht auf seine Kosten gekommen. Am nächsten Abend suchte er sich ein Mädchen aus einer Zeitschrift aus – diesmal mit Bild – und rief sie an. Das Mädchen erschien zusammen mit einer Freundin. «Sie ist neu, sie möchte zusehen», erklärte das Mädchen. Rob gab ihr wie verabredet 400 Dollar, und das erste Mädchen legte sich auf ihn drauf, wobei sie erklärte, diese 400 Dollar wären für ihre Agentur, und wenn er wolle, dass sie ein braves Mädchen sei, müsse er ihr noch etwas Geld für sie selbst geben. Er hatte aber nichts mehr dabei. Gleichzeitig konnte er das andere Mädchen im Bad hören und war sich plötzlich ganz sicher, dass er ein Klicken hörte – ein Ge-
räusch, das er aus Tausenden von Filmen kannte: Das Entsichern einer Pistole. «Ich sah das Mädchen, das auf mir lag, an und dachte: Jetzt werde ich sterben», erzählt er. Aber es passierte nichts, weder mit der Pistole noch mit dem Mädchen. Als sie begriffen, dass er wirklich nicht mehr Geld hatte, gingen die beiden wieder. «Das sind also meine Erfahrungen mit Nutten», sagt er. «Ich dachte mir: Gott will dir etwas sagen, also hörte ich zu.»
In der amerikanischen Zeitschrift Details erscheint ein Artikel, in dem behauptet wird, EMI habe nur deshalb 80 Millionen Pfund in Rob investiert, weil sie davon ausgehen, dass er den Durchbruch in den USA schafft. In diesem Tenor berichten viele Zeitschriften. Für sie ist es nicht vorstellbar, dass ein Künstler aufgrund der Umsätze, die er außerhalb der USA gemacht hat, so viel Geld wert sein kann. Anfang Januar gibt er ein paar Interviews, um das Erscheinen des Albums am 1. April vorzubereiten. Darunter für eine Titelgeschichte des größten amerikanischen Schwulen-und-Lesben-Magazins, The Advocate. Amerikanische Künstler gehen nur selten spielerisch mit dem Thema Sexualität um. Wenn sie es doch mal wagen, wird es meist als diskrete Anspielung dessen interpretiert, was sie nicht direkt aussprechen möchten. Es wäre gut zu verstehen, wenn ein Magazin wie The Advocate es nicht komisch fände, dass sich jemand über sexuelle Themen lustig macht – aber stattdessen machen sie mit. Obwohl sie seine Antworten auf ihre sehr offenen Fragen wörtlich abdrucken: «Also frage ich Sie direkt: Sind sie schon >bekehrt> worden?» – Rob lacht und sagt: «Bisher nicht. Es wäre sicher eine interessante Möglichkeit, aber ich denke nicht wirklich darüber nach» – amüsieren sie sich über seine Schlagfertigkeit. Mag sein, dass sie einfach jemanden interessant finden, der keine Angst davor hat, wie seine Sexualität aufgefasst werden könnte. Aber mir kommt es so vor, als würden sie immer noch denken, er sei vielleicht doch schwul. ROBBIE WILLIAMS HÄLT UNS ZUM NARREN: IST ER'S, ODER IST ER'S NICHT? steht schließlich auf dem Cover. Sicher, er hält einen zum Narren, bietet aber im selben Moment die Lösung an: dass er bisher hetero war und, soweit sich das für die Zukunft
voraussagen lässt, das wohl auch bleiben wird. Das hält ihn aber nicht davon ab, über den Vorzeigeschwulen Rupert Everett zu diskutieren oder über den Wrestler The Rock zu verkünden: «Ich hätte nichts dagegen, mich von ihm ein bisschen herumwerfen zu lassen.» Natürlich meint er das nicht ernst, sondern macht Witze. In einer Folge von Cribs auf MTV gibt es noch mehr zu diesem Thema. Cribs führt die Inneneinrichtung und den Lifestyle der Berühmten vor. Es gab bereits eine Folge über Rob, bei der er allerdings geschummelt hat: Er tat so, als wäre das Haus, in dem er und seine Band damals übten, tatsächlich sein Zuhause. In Wirklichkeit hatte er es von der Schauspielerin Jane Seymour gemietet, die einen Wutanfall bekam, als sie sah, wie Robs Keyboarderin Claire so tat, als hätte sie Sex in Seymours Hochzeitskleid (das ihr immerhin von deren Haushälterin angeboten worden war). Dieses Mal führt Rob durch sein eigenes Haus, wobei er sich die ganze Zeit lustig macht. Als er die Kameras in sein Fernsehzimmer führt, sitzen dort einige Freunde und sehen The Sound Of Music. Er zeigt MTV seinen riesigen Esstisch und behauptet, dass er hier Weihnachten mutterseelenallein sitzen musste, weil er keine Freunde hat. Draußen im Pool hockt sein Vater in einem Ruderboot.
2 Rob arbeitet sicherlich nicht so hart wie andere Entertainer. Er hat festgestellt, dass das, was er zu leisten bereit ist, auf ein bestimmtes Maß beschränkt bleiben muss, sonst hat er gleich wieder das Gefühl, alles aufgeben zu wollen. Um international erfolgreich zu sein, muss ein Album normalerweise über viele Monate intensiv promotet werden; er macht nur das Allernötigste. Wenn er arbeitet, weigert er sich, von morgens bis nachts für Interviews und Fernsehsendungen zur Verfügung zu stehen, wie es von anderen Künstlern erwartet wird. Hat er drei oder vier Wochen lang gearbeitet, besteht er darauf, anschließend eine ebenso lange Pause zu machen. Mitte Januar muss er zurück nach London. Den Frühling über soll er Escapology in Europa promoten und dann drei Länder in Angriff nehmen, in denen er bisher keine Chance hatte: USA, Japan und
Frankreich. In der Lounge des Flughafens von Los Angeles klingelt das Handy, und Pompey unterhält sich begeistert mit einem Mann, den er noch nie zuvor gesprochen hat. Die Nummer hat der von einem Autohändler bekommen, den sie beide kennen. «Hier ist John Lydon», stellt er sich vor, «oder Johnny Rotten. Ich weiß nicht, ob du schon mal von mir gehört hast.» «Ich dachte mir, so von einem großen Briten zum andern ...», sagt Lydon zu Rob, und spielt damit auf die Fernsehsendung Die 100 größten Briten an, zu denen beide gehörten. Sie wollen sich mal treffen, wenn Rob zurückkommt. Während Rob mit Lydon telefoniert, kommt Andrew Lloyd Webber auf ihn zu. Rob beendet das Gespräch. Er erzählt Webber, dass er ein Musical schreiben möchte, und Andrew Lloyd Webber erzählt Rob, dass er unbedingt den Durchbruch in Amerika schaffen muss, weil dort das meiste Geld zu holen ist. Sie tauschen sich gerade über Privatjets aus, als Trudi Styler, die Frau von Sting, in die Lounge kommt.
Bald darauf fährt er für die NRJ Award Show nach Schweden. Es gibt mittlerweile so viele Award-Shows, dass erfolgreiche Künstler Monate damit verbringen können, von einer Show zur nächsten zu reisen, und manche machen das auch. Mittlerweile sind diese Shows zu einem willkommen Promotioninstrument geworden. Sie haben hohe Einschaltquoten, geben dem Künstler die Möglichkeit, sich beim Publikum zu bedanken, und lockern das Geschäftsklima zwischen Künstler und Radio- oder Fernsehsendung auf. Rob spielt in seiner Garderobe ein bisschen Gitarre. «Ich habe seit einem Monat keinen Ton mehr gesungen», sagt er und erzählt anschließend Gina, dass er um zwei Uhr morgens aufgestanden sei und vier «Daim» gegessen habe. «Wo hattest du vier her?», fragt sie verwundert. «Ich habe drei Zimmer», meint er. Er sieht in den Spiegel und versucht, sich auf seinen Auftritt vorzubereiten. «Für diejenigen, die jetzt gleich platzen werden: Ich grüße euch!», sagt er.
Während er hinter der Bühne wartet, wird Mariah Carey von einem Mann durch die Menge geführt. Einen Arm hat er um sie gelegt, mit dem anderen stößt er das Publikum zur Seite. Rob beschließt, bei der Verleihung des Preises als «Bester Internationaler Männlicher Künstler» so zu tun, als sei er Eminem. Ohne eine weitere Erklärung abzugeben, dankt er seinem «kleinen Baby Hailie», rät dem Publikum, sich seinen Film 8 Mile anzusehen und auf seinen «neuen Rapper auf Shady Records, 50 Cent» zu achten, «der bald ein großer Star sein wird». Auf dem Flug nach Frankreich blättert er durch die Zeitschrift Heat und ist beleidigt, als er feststellt, dass Will Young zum zweitbestaussehenden Mann gewählt worden ist. «Ich bin bloß Dritter», sagt er. Ich frage, wer Erster geworden ist. «David Beckham natürlich», sagt er. «In einem Jet! Über Frankreich! Don't be fooled by the rocks that I rock. I'm still Robbie from the block», schreit er mit seiner Alan Partridge-Stimme herum. Nachdem er sich wieder etwas beruhigt hat, teilt er mir mit, dass er sich wirklich darüber ärgere, nie in einem Privatjet gekokst zu haben. Im Hotel in Paris findet ein Meeting zwischen David, Josie und ihm statt. Er findet, dass sie seine Weigerung, das neue Album in USA zu promoten, nicht ernst genug nehmen. «Warum machen wir uns das Leben nicht einfach leicht und lassen es?», fragt er. «Der Vorteil, Amerika zu erobern, besteht darin, dass man hinterher sagen kann, man habe Amerika erobert. Das ist alles. Ich brauche das Geld nicht. Ich habe musikalisch in meiner Karriere schon jetzt mehr erreicht als fast jeder andere auf diesem Planeten. Wir schaffen in Amerika nur die gleiche Situation, die mich schon in England krank gemacht hat. Ich mache mir in die Hosen, wenn ich daran denke, ein Star zu werden, und ich mache mir genauso in die Hosen, ganz klein zu sein. Ihr sagt, wir können nur gewinnen, ich sage, ich kann nur verlieren.» «Du solltest bedenken, dass dir ein Durchbruch in den USA noch ganz andere Türen öffnen kann», meint David. «Falls du irgendwelche Hollywood-Pläne haben solltest, wäre es sicher leichter ... » «Habe ich nicht», fällt Rob ihm ins Wort. «Interessiert mich überhaupt nicht.» «Wir werden dich zu nichts zwingen», sagt David.
«Ich bin total kindisch, was meine Plattenverkäufe betrifft», gibt Rob zu. «Das ist wie ein großes Spiel. Ich will noch ein paar mehr Nullen dahinter sehen. Ich weiß nicht ... doch ... das geht mir ein bisschen unter die Haut, muss ich zugeben. Aber trotzdem: Wenn ich in Amerika zum Star werde, gibt es keinen Ort mehr, an dem ich mich noch verstecken kann. Nirgendwo.» «Ich kann dir darauf keine Antwort geben», sagt David. «Ich stecke nicht in deiner Haut. Ich habe keine Ahnung ... Ich habe ja gesehen, was da los ist, und dass es für dich sehr schwer ist ... » «Ach, um ehrlich zu sein, ich habe einfach ein bisschen Angst vor », sagt Rob.
«Guten Morgen, Maestro», sagt David, als er in Robs Schlafzimmer kommt. «Wie spät ist es?», will Rob wissen. «Zehn nach zwei. Wir müssen in ungefähr 25 Minuten los. Möchtest du dein Frühstück hier?» Rob liegt auf dem Bauch, sein Gesicht ins Kissen gedrückt, ein halb geöffnetes Auge ist zu sehen. Er scheint über die Informationen nachzudenken, die ihm dieser neue Tag beschert. «Geh weg», sagt er. Schließlich schafft er es, aus seinem Bett hochzukommen. Als das Frühstück gebracht wird, starrt er es misstrauisch an und schiebt es zur Seite. Er verlangt nach seiner Sonnenbrille und äußert weitere Wünsche, die er verschlafen in der Melodie von «The Twelve Days Of Christmas» singt. «Sind wir so weit?», fragt David Josie. «Taschen? Ja», sagt sie. «Sicherheitsleute? Ja. Ein Popstar unter dem Einfluss von Arzneimitteln? Ja.» An diesem Tag behaupten die englischen Zeitungen, Rob würde beim Superbowl in Amerika singen. Reine Fiktion. Gleichzeitig kommt das «Comic Relief»-Thema auf ihn zu. Auf dem Weg ins Fernsehstudio wird Rob ausgerichtet, dass er da etwas falsch verstanden hat – Rick Gervais sei ein Riesenfan und habe einen Song für sie beide geschrieben.
«Nein», sagt Rob mit entschlossener Stimme. «Er wurde im Radio gefragt, was er von Robbie Williams hält. Und er hat geantwortet: Wenn das seine Meinung ist, werden wir nicht miteinander arbeiten.» The Office deprimiert ihn sowieso, obwohl er die Serie eigentlich gut findet. «Ich glaube, ich bin David Brent», sagt er.
Gegen Abend ist er in Cannes und zappt gelangweilt durch die Fernsehkanäle. Er bleibt bei einem lesbischen Pornofilm hängen, in dem drei Mädchen und ein großer rosa Dildo mitspielen, aber nur für einen Moment – bis Josie hereinkommt und erzählt, Dior habe ungefragt einen Anzug geschickt in der Hoffnung, dass er ihn bei der Preisverleihung tragen wird. Er sagt, sie sollten erst mal ein Baby aus Plastik besorgen, damit er es morgen aus dem Hotelfenster hängen kann – als Tribut an Michael Jacksons neueste Idiotie. Seine Band sitzt beim Essen in der Bar De Celebrity. «Gehen heute alle aus?», fragt er. «Ja», meint Chris, «zur Probe.» «Ist es live?», wundert sich Rob und meint die französische NRJPreisverleihung. Bei den meisten Award-Shows singt er live, während die Band zum Playback spielt. «Playback», sagt Franksy. «Eine Playback-Probe?», sagt Rob und schüttelt den Kopf, als würde er sich über den Wahnsinn der Welt wundern und gleichzeitig begreifen, wie viele Absurditäten und Mühen ihm normalerweise erspart bleiben.
In einem Club ganz in der Nähe treten Atomic Kitten auf, und Rob möchte sie sehen. Wir kommen während eines hirnrissigen Tanzwettbewerbs zu der Musik von Craig Davids «What's Your Flava?» an. Rob begrüßt Atomic Kitten in ihrem abgetrennten Separee, bleibt ein bisschen dort und setzt sich dann an einen Tisch, der mit Jack Daniel's- und Champagnerflaschen und Petits Fours voll gestellt ist. Neben ihm sitzt ein Typ, der sich mit «Jason» vorstellt. Er biedert
sich an und behauptet, mit Rob auf verschiedene Weise verbunden zu sein. Als ihm nach einer Weile klar wird, dass Rob keine Ahnung hat, wer er ist, nennt er seinen vollen Namen: Jason Fraser. Das hilft Rob auch nicht weiter. Hinterher sagt er: «Ich denke nicht darüber nach, wie Paparazzi heißen.» Jason Fraser ist vielleicht der Berühmteste einer Gattung, die sich auf Fotos von halb nackten Prominenten am Strand, Mitgliedern der Königshäuser beim Skifahren und solche Fotos spezialisiert hat, die wie Schnappschüsse aussehen sollen, in Wirklichkeit aber unter Mitwirkung der Stars gemacht werden. Man könnte es auch einen Verkauf nennen, der als Überfall getarnt wird. Stolz gibt sich Fraser als der zu erkennen, der damals die Fotos von Rob mit Geri Halliwell in Südfrankreich gemacht hat. Er verschweigt auch nicht, dass er mit einer der Klatschjournalistinnen vom Daily Mirror zusammen ist. «Du kannst die nicht besonders leiden, was?», fragt er. Rob antwortet mit zusammengebissenen Zähnen, dass sie auch nur ihren Job mache. Das Bezeichnende an dieser Unterhaltung ist nicht die Tatsache, dass Jason Fraser die Nerven hat, Rob überhaupt anzusprechen, sondern dass er auch noch glaubt, es sei für Rob okay. Es ist ein weiteres Indiz dafür, wie weit er und große Teile der modernen Entertainmentindustrie ein Wertesystem verinnerlicht haben, in dem alle Mitwirkenden – vor allem die Künstler, Boulevardblätter und Paparazzi – zusammengehören, weil sie trotz gelegentlicher Differenzen das gleiche Interesse haben. Eine Weltanschauung, in der der Satz gilt: Wir stehen das gemeinsam durch, und: Ist doch alles nur ein Spiel, oder? Eine Welt des Glanzes und der Verzweiflung, in der es einzig um Ruhm und Geld geht. In dieser neuen Popwelt sind Boulevardblätter und Paparazzi keine lästigen Nebenerscheinungen mehr, die man mit dem Erfolg in Kauf nehmen muss, sondern Kollegen der Celebrity-Zunft, und als solche möchten sie auch geachtet werden. Ich fürchte, dass diese Leute die Feindseligkeit, die Rob ihnen entgegenbringt, und die Verletzungen, die sie auslösen, nicht einmal ernst nehmen. Es scheint völlig außerhalb ihrer Vorstellung zu liegen, dass es etwas geben könnte, das Rob zu schützen versucht – sich selbst als Künstler, aber auch als Privatperson. Und selbst, wenn sie es täten,
würden sie diese Einstellung für exzentrisch, unrealistisch und altmodisch halten. Vielleicht ist es das, was auch Jason Fraser denkt, als Rob ihre Unterhaltung beendet. «Ehrlich gesagt», sagt er ganz ruhig zu Fraser, «läuft es mir kalt den Rücken runter, dass ich hier mit dir sitze. Mir wird wirklich schlecht.» Rob sucht seine Band, die sich langsam, aber sicher in einem anderen Teil des Clubs betrinkt. «Ich finde, ich bin mit der Situation hervorragend umgegangen», sagt er. Erst viel später beschreibt er sei-ne genauen Gefühle: «Ich hätte ihm gerne die Augen ausgestochen. Dann hätte ich ihm mit Rasierklingen die Füße aufgeschnitten und Tabasco draufgeschüttet. Ich hätte ihn gezwungen, Acid zu schlucken, hätte einen Helikopter gemietet, ihm die Augen verbunden und ihm erzählt, er wäre mindestens 2000 Meter über der Erde, obwohl er in Wirklichkeit nur einen Meter über dem Boden fliegen würde. Dann hätte ich ihn rausgestoßen und zugesehen, wie er sich vor Angst in die Hosen scheißt.» Er nickt. «Das hätte mir gefallen.»
«Weißt du überhaupt, wie viel Glück du hast?», fragt Josie. Sie versucht, ihn am nächsten Nachmittag in seinem Schlafzimmer zu wecken. «Nein», sagt er schlaftrunken. «Was denn für Glück?» «Dass du im Showbusiness bist», sagt sie. «Ach so», seufzt er. «Ich dachte, du würdest mir sagen, dass ich noch länger schlafen kann. Wie spät ist es?» «Zwei. Und in einer halben Stunde hast du eine Pressekonferenz.» «Du machst Scherze», sagt er. «Wofür?» «Medien weltweit.» «Du machst Scherze», wiederholt er. «Und dann werden Fotos gemacht.» «Nein», murmelt er schwach, während er unter den Laken seinen ersten Furz des Tages lässt. Josie hebt die Kleider auf, die am Bettende herumliegen.
«Weißt du noch, dass wir den Durchbruch in Frankreich schaffen wollen?», erinnert sie ihn. Er gibt keine Antwort. Er sagt, dass er gegen halb sechs Uhr früh eine halbe Schlaftablette genommen hat. Und die andere Hälfte um sieben. «Und eine kleine Hand voll von denen?», fragt Josie und deutet auf die Gummibärchen, die auf einem Tisch am Fenster verstreut sind.
Er blättert den Mirror durch. Darin steht eine kleine Meldung über ihn: «Armer Robbie Williams. Der Sänger stieg gestern in den Privatjet, der ihn nach Nizza bringen sollte, musste das Flugzeug aber schon Minuten später wieder verlassen: Technische Probleme ... » usw. Die Meldung ist so harmlos und nebensächlich, dass kein Leser auf die Idee kommen würde, sie könne nicht stimmen. In Wirklichkeit ist sie komplett erfunden. Er schlurft zur Tür. «Das wird ja eine interessante Pressekonferenz», sagt er. «Ich schlafe noch.» Er redet, als würde er sich an die Damen und Herren der Weltpresse wenden: «Tut mir Leid, ich muss leider meine Sonnenbrille aufsetzen ... » Vor der Pressekonferenz muss er noch dem französischen Fernsehen ein Interview geben. Sie fragen das, was man von ihnen erwartet, und Rob antwortet, was ihm gerade einfällt. Er sagt, dass er Escapology auf Crack, Kokain und Heroin aufgenommen und dass der Titel viele verschiedene Bedeutungen hat, er aber fünf davon weder weiß noch versteht. An der wachsenden Verzweiflung der Journalistin merkt er, dass sie hofft, er würde doch noch etwas Ernsthaftes und Substanzielles sagen. Sie fragt, was er mit dem Album ausdrücken wollte. «Keine Ahnung», sagt er. «Ich wollte mal zeigen, was sich so in meinem Kopf abspielt, und hoffte, die Leute würden zuhören und verstehen, was ich meine. Oder auch nicht. Ich weiß eigentlich nicht, was ich damit sagen wollte. Ich bin einfach manchmal traurig und manchmal fröhlich, manchmal ist mir alles egal, und manchmal bin ich verwirrt und verstehe viele Sachen nicht. So wie alle anderen auch. Und das ist gut so. Wenn ich nämlich Probleme hätte, die außer mir niemand versteht, könnte ich keine Platten verkaufen. Können Sie sich vorstellen, dass das eines meiner Probleme wäre?» Sie hat es nicht leicht. Mit ihrer nächsten Frage möchte sie in gebrochenem Englisch wissen, warum er «´aare wie ein Punk» habe. Er nickt. «Ich bin Arar wie ein Punk.» Während des Großteils des Interviews hat er seine Augen hinter der dunklen Sonnenbrille geschlossen. Er wird nach Amerika gefragt und erklärt, der einzige Grund, warum er dort Erfolg haben will, ist, dass er umsonst in Clubs hineingelassen wird. «Und weil Cameron Diaz nicht weiß, wer ich bin.» Pause. «Obwohl, mittlerweile weiß sie es. Seit der einstweiligen Verfügung.» «Sind Sie nach L. A. gegangen, um ihrem europäischen Star-Status zu entkommen?» Er nickt. «Darum», sagt er, «und wegen der Donuts.»
«Das dauert jetzt 25 Minuten», verspricht ihm Josie im Fahrstuhl auf dem Weg zur Pressekonferenz. «Wir holen dich da raus, wenn es sein muss.» «Oh», sagt Rob, und tut völlig entspannt, «gib ihnen doch eine halbe Stunde.» Rob sitzt vor den Journalisten auf einem Hocker. Er entschuldigt sich für seine Sonnenbrille, erklärt, dass er wenig geschlafen habe, und wartet auf Fragen. Es kommen keine. «Ziemlich schräg. Wassermann ... 29 Jahre alt ... » Noch immer keine Fragen. «Oder wir starren einander einfach 25 Minuten lang an», sagt er. Nervöses Lachen. «Ich würde gewinnen», nuschelt er. Endlich werden ein paar Fragen gestellt, wo er lebt und ob er in Amerika schon zur Ruhe gekommen ist. («Ich bin Robbie Williams», kontert er. «Ich komme nie zur Ruhe.») Dann wird er zu seiner Meinung über Piraterie gefragt. «Piraterie?», wiederholt er. «Ich besitze kein Boot.» Er schüttelt den Kopf. «Ich habe keine Ahnung, was Sie meinen.» Der Frager erklärt, dass er von Internet-Piraterie spricht. «Ach, Zeug herunterladen?», sagt er. «Ich finde das super.» Alle lachen. «Doch, wirklich», meint er. Was er als Nächstes sagt, geht im allgemeinen
Gelächter unter. Er redet nicht über illegale Fälschung im großen Stil, sondern ausschließlich über Privatmenschen, die sich illegal Musik aus dem Internet herunterladen. «Man kann nichts dagegen machen», sagt er. «Ich weiß nicht, ob Sie darüber gelesen haben, aber ich habe vergangenes Jahr einen neuen Plattenvertrag unterschrieben und mich in der Zeit mit den Geschäftsführern sämtlicher Plattenfirmen unterhalten. Jeder Einzelne von ihnen erwähnte Piraterie und die Downloads und das alles, und ich fragte nur mal so, aus reinem Interesse: Was wollen Sie dagegen tun? Da gab's aber eine Menge heißer Luft ... » – er wechselt in einen amerikanischen Akzent – «... <Wir werden uns hinsetzen und ein Referendum abhalten, und alle werden hier in diesem Raum sein, und wir werden uns überlegen, was man tun kann, und blablablabla.> Und ich sagte: Das ist nämlich eine Tatsache. Aber ich habe kein Problem damit.» Er lächelt. «Wer meine Musik haben will, kann sie sich gerne downloaden. Ich bin sicher, meine Plattenfirma hasst mich dafür, dass ich das sage. Und mein Management. Und mein Buchhalter. Aber die Platte hat sich vor Weihnachten ganz gut verkauft – also, an alle anderen: Ihr könnt sie umsonst haben. Ich weiß auch nicht, Mann. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Keiner weiß, was man dagegen tun soll. Ich werde jetzt keine Metallica-Einstellung vertreten und sagen, bloß nicht. Wahrscheinlich sollte ich das aber. Vielen Dank.» Anschließend wird er gefragt, ob er sich sein arrogantes Image absichtlich zugelegt hat. (Man könnte monatelang darüber nachdenken, ob das als Kompliment oder Beleidigung gemeint war.) «Ehrlich gesagt bin ich wahnsinnig langweilig», erwidert er todernst. «Wirklich, wirklich langweilig. Ich gebe mir alle Mühe, halbwegs zu wirken.» Er geht für ein Foto nach draußen und zieht sich dann in sein Hotelzimmer zurück. Er betrachtet sehnsüchtig das Fenster und stellt sich unten auf der Straße die Menge vor. «Das wäre jetzt der perfekte Moment, um das mit dem Baby über dem Balkongitter zu machen», sagt er. «Ich weiß», sagt Josie. «Aber das darfst du nicht.»
«Würde es ein Chaos auslösen?», fragte er. Er ist in der Stimmung, irgendetwas Verrücktes zu tun. «Es wäre furchtbar», sagt sie. «Schrecklich», stimmt Gina zu. Er lässt sich nur widerwillig umstimmen.
Josie erklärt, die Franzosen bitten darum, dass er entgegen seiner Abneigung bei den heutigen Awards den roten Teppich hinuntergehen möchte. Er hasst dieses Ritual, aber dieses Mal lässt er sich dazu überreden. Er sieht fern, während er sich umzieht, und schaut genauer hin, als er eine Frau mit einem Glas Orangensaft in der Hand sieht, die Werbung für eine Bank macht. «Ich glaube, mit der habe ich mal geschlafen», meint er. Sein Buchhalter kommt aus England mit einem Formular für Steuerrückzahlungen, das er unterschreiben soll, und Josie erzählt, was der vor Glück überwältigte Boss der französischen Plattenfirma sagte, als er erfuhr, dass Rob über den roten Teppich gehen wird: «Das ist phantastisch! Wir werden jetzt eine halbe Million Platten verkaufen.» Nachdem Rob den roten Teppich erfolgreich bewältigt hat, sieht er backstage, wie Mariah Carey den überfüllten Flur entlangkommt, gefolgt von einem Kamerateam. Er hat keine Lust auf dieses Spektakel und verzieht sich in seine Garderobe. Gegenüber entdeckt er Jason Fraser und überlegt, was wohl passieren würde, wenn er ihm auf die Fresse hauen würde. Stattdessen unterhält er sich kurz mit ihm, weil es da etwas gibt, was er schon immer wissen wollte. Es hat ihn immer geärgert, dass behauptet wurde, sein Foto mit Geri Halliwell in Südfrankreich sei aus PR-Gründen inszeniert worden. Er will von Fraser wissen, ob Geri damit etwas zu tun hatte. «Indirekt», antwortet er. Rob glaubt ihm und ist wütend. «... un star authentique ... », wird er vorgestellt, während sich die Plattform, auf der er steht, langsam auf die Bühne senkt. «L'inimitable Robbie Williams!» Während er singt, spaziert er durchs Publikum. Als er den Arm um ein Mädchen legt, kommt etwas Bewegung in das steife Publikum. Er geht einen Gang hinauf, weg von der Bühne, setzt sich auf den Schoß eines Mannes und zwinkert in die Kamera. Jetzt ist die Menge
– soweit er nicht gerade auf ihr sitzt – auf den Beinen. Ein großer Triumph. «Je m'appelle Robbie Williams», sagt er und verbeugt sich. «Merci beaucoup. Bonsoir.» Zwei Stunden später ist er schon wieder in London.
The Guardian, 20. Januar 2003: «Der umstrittene Kultusminister Kim Howells beschuldigte den Sänger Robbie Williams, internationale Verbrecherbanden zu unterstützen, indem er die Herstellung von illegalen CD-Kopien als bezeichnet. Mr. Howells' Vorwurf gegenüber dem ehemaligen Take That-Star bezieht sich auf Berichte, nach denen Williams auf einer Pressekonferenz in Cannes erklärte hatte: » Man beachte, was die eingefügte Klammer anrichtet. In seinen weiteren Kommentaren wirkt Howells so verwirrt wie alle anderen. Unabhängig davon, ob er Recht hat oder nicht, argumentiert er ganz vernünftig gegen Rob, der das illegale Downloaden verteidigt (oder zumindest akzeptiert). Er nennt es Diebstahl und verteidigt «alle Sänger, Songschreiber, Musiker und Teilhaber dieses Geschäfts, deren Einkommen vollständig vom ehrlichen Verkauf ihres Produkts abhängig sind». So weit, so gut. Dann allerdings verbindet Howells, ohne das irgendwie zu rechtfertigen, diese Art von Musikdiebstahl mit einer völlig anderen Kategorie von Kriminalität: «Ihm müsste klar sein, dass viele dieser privaten Organisationen in direktem Zusammenhang mit dem weltweit organisierten Verbrechen stehen. Wenn er behauptet, dass Piraterie eine <super Idee> ist, betätigt sich Williams als Wegbereiter für internationale Verbrecherbanden, die mit Drogenhandel und Prostitution ihr Geld verdienen und für die Musik-Piraterie eine hervorragende Möglichkeit ist, ihr Geldwäschegeschäft zu betreiben.» Das ist natürlich grotesk. (Um es einmal deutlich zu sagen: Es gibt bisher nicht einmal ansatzweise Hinweise, dass das Downloaden von Musik irgendetwas mit Geldwäsche zu tun haben könnte. Das Problem ist ja gerade – und deshalb fühlen sich die Plattenfirmen durch
die neue Technologie so bedroht –, dass Downloads schwer zu berechnen und die Konsumenten kaum zu erfassen sind.) Rob wurde plötzlich von einem Minister als Verteidiger internationaler Verbrecher-, Drogen- und Prostituiertenringe kritisiert, weil er sich weigert, Millionen von Musikfans zu verurteilen, die nichts anders tun, als in ihren eigenen vier Wänden ein juristisches und technologisches Vakuum zu nutzen. Rob kennt diesen Unsinn schon und nimmt ihn gar nicht mehr zur Kenntnis. «Irre», sagt er. «Das alles habe ich gestern gemacht? Obwohl ich nur ferngesehen habe?»
Cannes sorgt noch für weitere Schlagzeilen. Ein paar Tage später schreibt The Sun: «Mariah Carey hatte einen bösen Streit mit Robbie Williams bei einer Musikpreisverleihung. Während einer Auseinandersetzung hinter der Bühne beschimpfte ein tobender Robbie die Diva und sagte, sie solle sich verpissen, bis Sicherheitsleute ihn festhielten.» Das Merkwürdige ist, dass sich niemand von uns daran erinnern kann.
3 Rob sitzt in der Abflug-Lounge von Heathrow und wartet auf seinen Flug nach Singapur, wo er bei den MTV-Asia Awards auftreten und einen Preis entgegennehmen soll. Er telefoniert mit Justin Timberlake, um sich bei ihm zu entschuldigen, dass er ihn mit dem Duett bei den Brit Awards hängen gelassen hat, und zeigt mir seine Post von diesem Morgen: Eine Frau aus Worcester, die ihm sehr freundlich von ihrem Erfolg erzählt, seit einem Jahr trocken zu sein, und hofft, dass er mit ihr feiert; ein dänischer Fan, der ihm eine 5Pfund-Note an seinen Autogrammwunsch geklemmt hat («für Unkosten ... falls du das Geld nicht nötig hast, kannst du deinen Hunden davon ein paar Knochen kaufen»); und ein Treatment für ein Drehbuch über die britische Comedian-Legende Norman Wisdom. «Wenn der Film jemals gemacht wird», meint der Schreiber, «dann
wäre es wirklich ein hartes Drama — traurig/komisch, abgründig und sehr real ...» Dieser Vorschlag löst bei Rob unangenehme Gefühle aus; er weiß selbst, dass er manchmal ein bisschen wie Norman Wisdom wirkt, und das ist nicht der Teil seines Entertainment-Repertoires, auf den er besonders stolz ist. «Das brauch ich wie ein Loch im Kopf für mein Selbstvertrauen», meint er. «Das habe ich wirklich nicht gern gelesen. In meinem Hinterkopf geht es sowieso die ganze Zeit: Du bist Norman Wisdom du bist Norman Wisdom du bist Norman Wisdom, und ich sage dann immer: Nein, bin ich nicht!» Er verbessert sich. «Totaler Schwachsinn. Nicht, dass Norman Wisdom Schwachsinn wäre, ist er nicht – ich finde ihn fabelhaft, aber ich weiß nicht, ob man im Jahr 2003 unbedingt den Ehrgeiz entwickeln sollte, wie Norman Wisdom zu sein.»
«Falls Missy Elliot meine Suite bekommen hat ... », sorgt er sich, und ist jetzt schon wütend über diese Möglichkeit, die ihm gerade eingefallen ist. Wir fahren vom Flughafen in Singapur ins Hotel, und er freut sich auf sein Zimmer mit eigenem Pool in einer Suite, in der er schon früher einmal gewohnt hat. Josie fragt, was er tun würde, wenn er sie nicht haben kann. «Was ich tun würde?», wiederholt er, als sei die Frage völlig absurd. «Nach Hause fahren.» Josie erklärt ihm, dass er sich keine Sorgen machen muss – die anderen Künstler wohnen alle im Fullerton Hotel. Als er in der Bougainvillea-Suite ankommt, nimmt er sich einen Apfel aus der Obstschale, zieht sich bis auf die Unterhose aus und klettert, während er in den Apfel beißt, direkt in den Pool. Als er wie-der herauskommt, sucht er im Fernsehen nach dem Sportkanal. Zu-fällig sieht er das alte «Angie»-Video von den Rolling Stones mit einem zappelnden Mick Jagger. «Also, wenn ich Norman Wisdom bin», meint Rob, «dann ist er Charles Hawtrey.» «Summertime» von Will Smith wird gespielt, und wir reden darüber, wie genial das Video ist: dass man ganz sentimental wird in Erinnerung an die Sommer in der «Hood», die man nie hatte, nie haben konnte und sich wahrscheinlich auch nicht wünschen sollte. «Es ist
wie bei den Pet Shop Boys», meint er. «Die haben es auch fertig gebracht, dass Heteros wie ich gesungen haben ... Ich wusste natürlich, dass es um einen ganz anderen Jungen ging, aber es ist ein wunderschöner Song.» Ein Song, der seine eigene imaginäre Vergangenheit beschwört. «Genauso wäre es, wenn ich schwul gewesen wäre.» Das erinnert ihn an jemand anderen, der der Meinung war, Rob sei schwul. Während er auf dem Sofa seiner Suite in Singapur herumliegt, erzählt er mir von seiner ersten, unerfreulichen ManagementBeziehung nach Take That. Der Mann hieß Kevin Kinsella und wurde ihm von seiner Mutter vorgestellt. Er weiß noch, wie er in Südfrankreich an einem Pool mit Nellee Hooper, Lisa M., Michael Hutchence und Paula Yates saß. («Eine echte A-Promi-Party», meint er. «Elle McPherson und Kate Moss waren auch da – die saßen nicht am Pool, aber wir hingen zusammen rum. Und Dodi al-Fayed, den ich den ganzen Abend Scheich Myhandy nannte.») Seine Mutter rief ihn an und meinte, er solle sofort zurück nach Manchester kommen. «Mein Rücken tat weh, ich hatte kein Serotonin im Hirn, ein riesiges Alkohol-Problem, und jetzt traf ich auf diesen Riesenbär von einem Mann.» Kinsella meinte zu Rob, er solle ihm alles erzählen. Er wohnte drei oder vier Wochen lang im Haus von Kinsellas Frau, wo eine Menge geschlafen, Wodka getrunken und geweint wurde. Rob stellte schnell fest, dass er mit Kinsella nicht arbeiten wollte. In der Zwischenzeit rief Kinsellas Frau bei Robs Mutter an und verabredete sich mit ihr, um über ihren Sohn zu reden. «Sie kommt und sagt: <Sie wissen, dass Rob schwul ist, oder?>, und meine Mutter: Und sie machte so ...» Rob macht den Gesichtsausdruck vor, mit dem sie «Na, wenn Sie mir nicht glauben ... » sagen wollte. Vielleicht hat sie Rob für homosexuell gehalten, weil er ein paar Mal mit ihr und einem schwulen Freund von ihr in ein Kasino gegangen ist. «Ich habe nicht diesen nordischen heterosexuellen Mann gespielt, der mit so einem Spruch wie kam. Deshalb ist sie wohl davon ausgegangen, dass ich schwul bin.»
Das war nicht das einzige Mal. In einem Schwulenclub ist einmal ein Typ auf ihn zugekommen und sagte, er habe schon mal mit ihm geschlafen. «Das ist ja nett», sagt Rob. «War es gut? Hoffentlich hattest du Spaß...» Ihn amüsiert das alles. «Wie soll man beweisen, dass man nicht schwul ist?», fragt er. Er hat natürlich Recht – wenn es darum geht, dass er noch nie ein homosexuelles Erlebnis hatte, wird die Beweisführung eher zu einem wissenschaftlichen und logischen als zu einem sexuellen Problem. Er zuckt mit den Schultern. «Weißt du, scheiß drauf. Ich sage es nochmal: Bisher fand ich keinen Mann sexy genug, um es zu tun ... Und ich sage das nicht, um PC zu sein. Es ist die Wahrheit.» Wir reden darüber, woran es liegen könnte, dass immer wieder mit diesem Thema angefangen wird. «Ich bin Entertainer», sagt er. «Varieté-Künstler. Das hat was sehr Schwules. Aus traditioneller Sicht sind alle Unterhalter schwul. Sieh dir Mick Jagger an: Total tuntig. Jarvis Cocker: Tuntig. Wenn Mick Jagger heute auf die Welt käme, würden sich eine ganze Menge Leute fragen, ob er nicht schwul ist.» Vom Restaurant blickt man auf das Südchinesische Meer, überall dümpeln Tanker und Dschunken. Rob erwähnt, wie schön er es hier findet und wie unglaublich deprimiert er das letzte Mal hier war, und wie schwer es für ihn ist, diese negativen Gefühle wieder loszuwerden. Über unseren Köpfen dudelt der Soundtrack von Vangelis' Chariots Of Fire. Er beobachtet zwei alte Leute, die sich im hinteren Raum gegenübersitzen und kein einziges Wort wechseln. «Die haben sich schon alles gesagt, meinst du nicht?», sagt er. «Sie denkt sich gerade: » «Sie sollten in einem Orgasmatron sterben», schlägt Pompey vor. «So heißt Guys Firma», sagt Rob. «Danke, dass du mich daran erinnerst und mich noch mehr deprimierst. Was kommt als Nächstes? Soll ich etwas von dem Nigel-Martin-Smith-Buffet nehmen? Oder etwas Mr.-Shropshire-der-Chemielehrer-Wasser trinken?» Dann fügt er nachdenklich hinzu: «Ich glaube, wir haben noch nicht genug über
Guy geschimpft. Ich bin alles in allem doch sehr anständig gewesen.» «Ich glaube, der Teufel waren wir», sagt David und meint damit sich und Tim. «Es war alles unsere Schuld.» «Hatte wahrscheinlich überhaupt nichts mit mir zu tun», meint Rob. «Überhaupt nichts», stimmt David ihm zu. «Wir haben dein Hirn vergiftet.» «Nie bekomme ich irgendwelche Anerkennung», sagt Rob beleidigt. «Nie darf ich irgendwelche Entscheidungen treffen.» Manchmal hat Rob wirklich das Gefühl, als ob seine Rolle beim Songschreiben von fast allen — vielleicht selbst von Guy — unterschätzt wurde. Und jetzt kommt es ihm so vor, als ob Guy sogar bei der Auflösung der Partnerschaft nicht anerkennen würde, was Rob damit zu tun hatte. «Es ist wahrscheinlich leichter für ihn, sich das so zurechtzulegen», meint David. «Wenn wir die Schuld haben, dann muss er nicht darüber nachdenken, ob er sich dir gegenüber falsch verhalten hat.» «Ja», meint Rob. Andy Franks kommt herüber und erzählt, dass der Promoter angekündigt hat, am nächsten Tag mit ein paar Mädchen vorbeizukommen. Rob nickt. «Wasserspielchen im Pool», meint Josie. «Und dann ein paar Spielchen im Dunkeln», sagt David.
Als er am nächsten Tag aufwacht, erzählt ihm Josie, dass Matthew Vaughn angerufen und Rob eine Filmrolle angeboten hat. Er soll einen 30-jährigen Drogendealer spielen, der alles hinter sich lässt und sich in den Tropen zur Ruhe setzt. Rob meint, er würde sich das demnächst mal durchlesen, zeigt aber kein echtes Interesse. Es gibt noch ein paar Sachen, die er unterschreiben soll. In seiner Suite in Singapur unterzeichnet er sein Testament. Josie und ich sind die Zeugen. Das Telefon klingelt. «Hier sind ein paar Mädchen für dich im Foyer, von Michael», sagt Gary. «Das ist doch seltsam, oder?», fragt Rob, obwohl er die Idee am Tag zuvor noch halbherzig unterstützt hat.
«Du kannst doch mal hingehen und sie dir ansehen», meint David. «Okay», meint Rob, «ich sehe sie mir mal an.» Er zieht sein «Momentary Lack of Reason»-T-Shirt von Pink Floyd an und nimmt seine Gitarre mit. Er plaudert am Pool mit den Mädchen. Sie sind beide Models. (Sie scheinen tatsächlich richtige Models zu sein, ganz ohne Zweideutigkeit; als er später eine von ihnen halbherzig einlädt, mit ihm einen kleinen Mittagsschlaf zu machen, lehnt sie höflich ab.) Die eine ist Kroatin und zeigt ihm ein Foto ihrer Familie, während sie erzählt, dass ihre Schwester ganz dick ist. Sie unterhalten sich darüber, wie sehr das Gewicht das Leben von Teenagern beeinflussen kann. «Ich war ein ziemlicher Fettklops, als ich jünger war», gibt Rob zu. Er erzählt Pompey, dass er gestern Nacht ein Kit-Kat und eine Toblerone aus seinem Kühlschrank gegessen und sich anschließend noch über Pompeys Toblerone hergemacht hat. Er ist heute Abend zu zwei Konzerten eingeladen. Bei Avril Lavigne kommen wir gerade noch rechtzeitig zu den Zugaben. Sie spielt «Complicated» für ihr sehr, sehr junges Publikum. Er gibt sich einer Art entspannter Pop-Hysterie hin. «Wenn ihr der Erfolg bei den Kids mal nicht zu Kopf steigt», meint Rob. Nach einer Weile sagt er: «Wenn ich 13 wäre, würde ich mich in sie verlieben. Statt sie als 29-jähriger Perverser anzuglotzen.» Hinterher verschwindet er kurz in ihrer Garderobe, um mit ihr zu reden. «Sie hat auf spröde gemacht», teilt er uns später mit, «weil sie wusste, dass sie in der Nähe vom Schwanz der Gerechtigkeit war.» (Das sagt er natürlich nur zu unserer Belustigung. Man kann darauf wetten, dass er ihr gegenüber sehr viel respektvoller und weniger geil war.) Wir fahren quer durch die Stadt und kommen 15 Minuten später beim Konzert des zweiten Superstars 2003 an, Norah Jones. Die Stimmung ist wie bei einem Schulkonzert: Jones und ihre Band haben sich in der Mitte eines schlauchartigen Raums aufgebaut, das Publikum sitzt in Stuhlreihen direkt vor ihr. In der ersten Reihe sind vier Stühle für uns reserviert worden. Pompey muss mich mehrfach mit dem Ellenbogen anstoßen, damit ich nicht durch die Mischung aus beruhigendem Jazz und Jetlag sanft entschlummere.
Nachdem Norah Jones sehr schüchtern in ihrer Garderobe verschwunden ist, unterhält sich Rob mit ihrem Manager und erwähnt, dass er gerne mit Norah und Diana Krall auf seinem nächsten SwingAlbum arbeiten würde. Schließlich wird er in ihre Garderobe eingeladen. «Ich habe immer das Gefühl, dass Leute wie Avril Lavigne und Norah Jones gar nicht wissen, wer ich bin», sagt er hinterher. Begebenheiten wie diese verunsichern ihn meistens, weshalb er sie normalerweise meidet. Er ist froh, sogar stolz, wie dieser Abend für ihn gelaufen ist. «Ich habe die wirklich komplett eingewickelt mit allem Charme, den ich zur Verfügung hatte», sagt er. «Mein Jetlag hat dafür gesorgt, dass ich statt schüchtern und unbeholfen jetzt witzig und charmant bin.» Am nächsten Morgen erfährt er, dass Escapology in Frankreich nach seinem Auftritt bei den NRJ-Awards auf Platz zwei der Charts geklettert ist. «Da sieht man mal wieder, was man ausrichten kann, wenn man in der Menge badet», sagt er und meint seinen Spaziergang durchs Publikum. Er säubert seine Zähne mit Zahnseide beim Backgammonspielen und gibt zu, dass es ihm gefällt, wie sich die Dinge im Moment entwickeln. «Das ist etwas ganz Neues für mich: positive Anspannung.»
Rob erinnert sich an den Auftritt von Take That bei Spitting Image, dessen Pointe war, dass sie alle in hysterisches Hurra ausbrachen, als sie von ihrem Manager 50 Pence bekamen. Er erzählt, dass Spitting Image eigens eine Gary Barlow-Puppe anfertigen ließ, während sie für alle anderen einfach Masken über bereits existierende Puppen stülpten. «Und du fragst mich, wieso ich Probleme habe ... », sagt er.
Heute Abend findet die MTV Award Show statt. Die Organisatoren dieser Events machen einen Fehler, wenn sie darauf bestehen, dass Rob möglichst früh anwesend sein soll. Dann muss er lange warten und langweilt sich schnell. Er sitzt kurz in seiner Garderobe, guckt dann in die Garderobe von Blue (leer), geht wieder in seine eigene, wirft eine Apfelsine gegen die Trennwand, geht wieder spazieren,
trifft Atomic Kitten und sagt kurz «Hallo», geht wieder in seine Garderobe, wirft Obststücke über die Trennwand in der Hoffnung, dass sie in der Garderobe von Blue landen, die allerdings mehrere Garderoben weiter weg sind (er möchte jedes Mal, wenn er in eine Garderobe kommt, sofort mit Obst um sich werfen – eine Unsitte, die wahrscheinlich noch aus der Zeit stammt, als Gary Barlow damals in Italien den Rest von Take That mit den Worten beschimpfte: «Kommt schon, Jungs, das ist doch nicht richtig, seht euch mal an, was ihr für eine Unordnung gemacht habt ... Was sollen die Leute denn für einen Eindruck von uns bekommen ...»), geht auf den Balkon, von wo aus man die Bühne sehen kann, verkündet nach acht Sekunden: «Okay, jetzt bin ich aber lange genug hier draußen gewesen», kehrt in seine Garderobe zurück, nuschelt überflüssigerweise, dass er «echt unruhig» ist, überlegt, dass er womöglich «etwas sagen oder tun wird, was ich bereue — du weißt schon, wenn man dann verhaftet wird?», wirft mit noch mehr Obst in seiner Garderobe herum, bewertet seinen momentanen Zustand neu, indem er ihn als «zu Tode gelangweilt» bezeichnet, spaziert erneut über den Flur, kommt zurück in die Garderobe und klampft auf seiner Gitarre herum, zieht seine Hosen hoch über den Bauch und wird dann böse, als David versucht, diesen Anblick fotografisch festzuhalten, zieht andere Hosen an, verlässt seine Garderobe und findet endlich Blue ... «Ich habe ziemlich viel Obst in eure Garderobe gefeuert», erklärt er. «Ja», meint Lee, «die Melone ... » «Bist du der, der das gesagt hat ...?», fragt Rob und meint damit Lee, der nach dem Bekanntwerden von Robs Plattenvertrag gesagt hat, er solle mit dem Geld etwas Gutes machen, zum Beispiel für wohltätige Zwecke spenden. Rob hatte Josie gebeten, ihm in aller Stille ein Schreiben über Give It Sum zu senden und gleichzeitig zu fragen, ob er vielleicht nicht selbst eine kleine Spende machen wolle. «Ja», gibt Lee zu. Vielleicht denkt er an die Spenden-Aktion, vielleicht auch an andere bedeutungsvolle Dinge, die er gesagt hat. «Hast du meinen Brief bekommen?», will Rob wissen. «Nein.» Robs Briefe scheinen nie anzukommen.
«Der schämt sich nicht einmal», meint Rob. «Ich meine, das ist der Typ, der gesagt hat, » Die anderen Kandidaten für die Kategorie «Bester Internationaler Männlicher Künstler» sind Eminem (der Einzige außer ihm, dessen Erwähnung ein gewaltiges Geschrei beim Publikum auslöst), Enrique Iglesias, Moby und Ronan Keating. Rob weiß aber bereits, dass er gewonnen hat. Nach der Preisverleihung bietet er den Award dreimal den Fans in der ersten Reihe an, nur, um ihn im letzten Moment wieder zurückzunehmen. Beim vierten Mal gibt er ihn wirklich weg und geht mit leeren Händen von der Bühne.
Rob geht häufiger auf Toilette als jeder andere Mensch, den ich kenne. Er sagt, dass läge an der großen Menge Wasser, die er trinkt, und an seiner körperlichen Veranlagung. Ich werfe ein, dass dieses ständige Hin und Her zu seinen Drogenzeiten ja ziemlich verdächtig ausgesehen haben muss. «Ja», sagt er. «Aber meistens habe ich die Zeit auf dem Klo auch für eine Line genutzt.»
Nachdem er mehrfach erklärt hat, dass er nicht kommen würde, weil er erstens zu müde sei und zweitens seine «Bums-Stiefel» nicht dabeihabe, entschließt er sich doch, zur After-Show-Party zu gehen, eine schillernde, überfüllte Angelegenheit direkt am Wasser. In dem Moment, als er zur Tür hereinkommt, wird er von einem Patsy Kensit-Verschnitt aus «Absolutely Fabulous» angesprochen, die sich praktisch auf ihn wirft, mit ihm flirtet und ihn nicht zu Wort kommen lässt. Sie ist auf diese traurige Weise betrunken, die Leute an sich haben, wenn sie ein paar Jahre zu lange auf der Party geblieben sind. Mehrfach betont sie, dass sie kein Fan von ihm sei, als würde das ihre Aufrichtigkeit beweisen und nicht ihre Unhöflichkeit. Rob versucht, sie mit Charme abzuwehren, aber es klappt nicht. Daraufhin versucht er, sie zu ignorieren, was sie nur zusätzlich anstachelt. Irgendwann gibt er auf. Er ist viel geduldiger, als er sein müsste, aber als es ihm reicht, reicht es ihm richtig.
«Du bist total Scheiße», erklärt er ihr. «Du erniedrigst dich. Du hast keinen Charme. Hau ab.» Als Reaktion lallt sie ein paar unverständliche Worte. Er nickt. «Verpiss dich jetzt», sagt er. Sie bleibt, wo sie ist. «Pompey, kannst du die da wegräumen?», fragt er. 20 Sekunden später wird er dem Prinz von Brunei vorgestellt. Der Prinz scheint bescheiden und ganz nett, und Rob unterhält sich kurz, aber mit großer Herzlichkeit mit ihm. (Die freundliche Art, mit der alle westlichen Künstler die Königsfamilie von Brunei behandeln, hat wahrscheinlich mit der ungeheuren Großzügigkeit dieser Familie zu tun, wenn sie Künstler für Privatauftritte bei sich zu Hause bucht.) Wir gehen nach oben, auf einen Balkon mit Blick über den Fluss, wo es ruhiger ist. Alles ist gut. «Ich habe früher sehr viel Geld ausgegeben, um mich so zu fühlen wie jetzt gerade», meint Rob. «Um mich einfach in meinem Körper okay zu fühlen.» Pompey reicht ihm das Handy. Am Apparat ist David, der vom Hotel aus anruft, wo er aus dem Schlaf gerissen wurde. Es gibt ein Problem.
«David, das werden zwei Seiten in der Sonntagszeitung», sagt Rob ganz ruhig, «lass es einfach laufen ... Tschüs.» Er schaltet das Handy aus und erklärt: «News Of The World wollen einen Artikel veröffentlichen, dass ich spielsüchtig bin und im letzten Jahr angeblich mehr als eine Million verzockt habe.» Er hat viele Süchte, aber Spielsucht gehört nicht dazu. David ist stinkwütend und möchte die Geschichte verhindern. Rob regt sich gar nicht auf. Sein Ärger darüber, dass jemand etwas Unwahres drucken will, ist längst abgestumpft durch die Inflation an kleinen Lügen. Eigentlich ist er sogar ein bisschen erleichtert: News Of The World haben offenbar keine wahre Geschichte gefunden, aus der sie einen zweiseitigen Artikel machen können. Eigentlich scheint es ein unwichtiges Thema für ein Blatt wie News Of The World zu sein, andererseits haben sie gerade zum allgemeinen Erstaunen enthüllt, dass Fußballstar Michael Owen um hohe Einsätze bei Fußballwetten spielt. Die Zeitungen druckten ganze
Wettlisten, und vielleicht wittern sie bei Rob eine ähnliche Geschichte. Er sagt, dass er im vergangenen Jahr ein einziges Mal in einem Spielkasino war: Als er nämlich ein paar Freunde einlud, sich Jane's Addiction in Las Vegas anzusehen. Beim Blackjack-Spielen in seinem Haus betrug der Einsatz vielleicht ein paar hundert Dollar, und nach Dutzenden Backgammonspielen haben wir vielleicht 50 oder 100 Dollar zwischen uns aufgeteilt. «Ich habe in einem Kasino einmal 2000 Pfund in einer Nacht verloren», erzählt er. «Ich war die ganze Zeit im Plus und verlor dann in anderthalb Stunden 2000. Da hat sich mir wirklich der Magen umgedreht, und seitdem spiele ich nicht mehr in Kasinos.» Heute spielt er am liebsten Bank. Das hat er schon als Jugendlicher gemacht. «In der Schule war ich der Buchmacher», erinnert er sich. «Port Vale gegen Tottenham, da habe ich alle nass gemacht. Ich habe damals wahrscheinlich 17, 18 Pfund gewonnen. Es war sehr komisch, weil ich weder addieren noch subtrahieren konnte und keine Ahnung hatte, wie man Wettchancen verteilte. Vor allem hat mich gewundert, dass die anderen wirklich glaubten, ich würde sie auszahlen, falls sie gewinnen sollten.» Als Rob den Fluss entlang zum Bus geht, trifft er Shaggy, der gerade von der MTV-Show kommt. Er bittet seine weibliche Begleitung, ein Foto von ihm mit Rob zu machen. «Ich glaube, das ist das erste Mal, dass ich mit dem verdammten Robbie gemeinsam auf einem Foto bin», sagt Shaggy ganz erstaunt, als hätte er sich mit den meisten zeitgenössischen Popstars schon Dutzende Male fotografieren lassen. Was vielleicht sogar stimmt. So funktioniert das heute. Die Dame, die uns begleitet, warnt uns, dass Rob in dieser Richtung wahrscheinlich Leute auf dem Weg zum Bus treffen wird. «Das ist okay», tröstet Rob sie. «Ich habe schon mal Leute getroffen.»
4 Er raucht seine erste Zigarette noch im Bett und erzählt, dass er von Pamela Anderson geträumt hat. («Gott beschütze uns, falls sie hier je auftauchen sollte», murmelt Josie.) Pamela und er haben sich bei ihm zu Hause das Superbowl-Endspiel angesehen, ich war auch dabei,
und das Haus war so groß, dass ich in einem Zimmer wohnte, das Rob noch nie zuvor gesehen hatte. Ich ging weg, um ein Mitglied einer Gang zu interviewen, und dann fand Rob sich in Stoke in einer Straße wieder, in deren Nähe er gewohnt hat. Der Wind blies so stark, dass er auf einen Baum geweht wurde, und er versuchte noch, sich an einem Zaun festzuhalten, aber der Wind war einfach zu stark. Er geht aufs Klo und ruft, wir sollten mal kommen — Pompey, David, Josie und ich. Mitten auf dem Fußboden liegt eine riesige Kakerlake auf dem Rücken. Sie lebt noch und zappelt mit den Beinen, ist aber nicht in der Lage, sich umzudrehen, während sie schon von Ameisen-Armeen angeknabbert wird. David macht dem Leiden ein Ende. Jetzt fällt Rob noch etwas zu seinem Traum ein. Gary Barlow war auch da und sah genauso aus wie in den frühen Take That-Videos. «Wir haben uns umarmt», sagt Rob. «Ich fühlte mich wie ein Pharisäer.»
Nach Singapur kommt Japan. Auf dem Flughafen von Narita wird Rob von etwa 30 hysterischen Mädchen und Frauen empfangen, alle in totaler Panik und kurz vor dem Hyperventilieren. Viele drücken ihm Geschenke und Päckchen in die Arme. Es ist seine erste Reise nach Japan seit Life Thru A Lens. Damals waren alle überzeugt, das Album würde an den Erfolg von Take That in Japan einfach anknüpfen, aber dem war nicht so. Seitdem wurde das Land einfach ignoriert. Für die späteren Alben gab es ohnehin keine koordinierte Promotionarbeit mehr. Auf der langen Fahrt nach Tokio erinnert er sich daran, wie die Interviews für Sing When You're Winning im Fiasko endeten. Rob erschien zwar zu dem Pressetermin in einem Londoner Hotel, aber ungefähr da endete seine Kooperation auch schon. Er flirtete ausgiebig und unverschämt mit einer Journalistin, einer anderen beantwortete er alle Fragen so, als wäre er Darsteller in einem ganz anderen Film. «Ich weiß noch, wie ich ihr erzählte, dass ich in einer großen Familie aufgewachsen bin und eine Nonne sich um uns gekümmert hat. Eine Nonne, die uns allen das Singen beibrachte, und dann machten wir eine große Aufführung für die Nazis, und ich
redete und redete mindestens zehn Minuten lang, und dann sagte ich plötzlich, ach, das ist <Sound of Music>, oder? Ich verwechsel immer mein Leben mit Kino, tut mir sehr Leid. Daraufhin stellte sie mir eine andere Frage, und ich sagte, in dem Sommer gab es eine ganze Reihe von Hai-Attacken ... Und dann war da noch E. T.» Die Journalistin ging heulend nach Hause. Nachdem der halbe Tag vorüber war, beschloss das Management, es sei wohl besser, den Rest der Pressetermine abzusagen. Jetzt, sagt er, ist alles anders. «Ich bin ein Mann auf Mission. Bei Sing ... konnte ich die Platte nicht leiden; damals war ich ein Mann auf Zerstörungsmission.»
In seiner Suite im Four Seasons geht Rob direkt ins Schlafzimmer, nimmt das Telefon und redet los. «Ich komme dann gleich runter», sagt er. Niemand weiß, mit wem er spricht. «Wer zum Teufel war das?», fragt Pompey. «Das», grinst Rob, «ist meine Bettaffäre, wenn ich in Tokio bin.» Er hat sie noch nie irgendjemandem gegenüber erwähnt, weder in der Vergangenheit noch bei der Vorbereitung auf diese Reise. Er hatte auch keinerlei Kontakt mit ihr, bevor er nach Japan kam, aber sie war zum Flughafen gekommen – was er offenbar auch erwartet hatte — und hatte ihm in dem ganzen Trubel einen Zettel mit ihrer Telefonnummer zugesteckt. Wir gehen nach unten, um mit ihr und ihren beiden Freundinnen etwas zu trinken. Die anderen Mädchen kennt er auch schon aus Take That-Zeiten. «Wie war ich damals?», fragt er. «Sehr jung», sagt eine kichernd. «War ich nett?» Er will es wirklich wissen. «Ihr könnt ruhig die Wahrheit sagen.» «Sehr nett», antwortet sie. «Du hast dich an meinen Namen erinnert.» Sie holt ihr Tagebuch aus der Tasche und zeigt ihm Fotos von Rob und ihr im Laufe der Jahre: in einem Flugzeug, bei Konzerten, im Schlafzimmer. Die Take That-Phase mit längeren Haaren, dann die
späte Rebellen-Phase mit rasiertem Schädel, die kurzen Haare und die Tattoos aus den Anfängen seiner Solo-Karriere.
Es hat einige Gespräche zwischen Robs Management, seinen Anwälten und News Of The World gegeben. In der Flughafen-Lounge auf dem Weg nach Japan hatte David ihn gebeten, sich daran zu erinnern, wie viel Geld er höchstens verspielt hat. «In den letzten zwei Jahren vielleicht 10 000», meinte Rob. Als er in Japan aufwacht, teilt David Rob mit, dass News Of The World beschlossen habe, den Artikel nicht zu drucken. Er geht Turnschuhe kaufen und anschließend zu einem Radiointerview bei InterFM, wo er von einer Frau, die sich DJ Snoopy nennt, gefragt wird, ob er versuche, seine sensible Seite zu verstecken. «Nein, ich versuche nicht, sie zu verstecken», schüttelt er den Kopf. «Man sieht das ja an einer ganzen Menge meiner Songs. Aber als Künstler bin ich auch ein Showman, und ich glaube, wenn mein echtes Ich da jeden Abend auf der Bühne seine Show abziehen würde, wäre das ziemlich langweilig. Meine Kunst, wenn man so will, besteht darin, mich hundertfach größer zu machen, als ich bin, und die Leute dazu zu bringen, mir das abzunehmen. Glücklicherweise tun sie das auch. Aber ja, eigentlich bin ich viel zu sensibel. Wirklich. Ich verbeule ganz leicht.» Ich verbeule ganz leicht. Präziser wird er es nie wieder ausdrücken. DJ Snoopy nickt. Sie will jetzt in die Tiefenpsychologie einsteigen. Sie fragt ihn, ob es auf der Welt einen Ort gibt, an dem er sich am wohlsten fühlt. «Starbucks», antwortet er. Gegen Ende des Interviews soll er eine akustische Version von «Feel» singen, nur mit seinen beiden Gitarristen Gary Nuttal und Neil Taylor als Begleitung. Das Arrangement ist radikal anders, aber wunderschön. Das Erstaunlichste daran ist – ein weiteres Beispiel für Robs extremes Selbstvertrauen trotz aller Unsicherheiten –, dass er die neue Version, zu der er singt, jetzt selbst zum ersten Mal hört, live im japanischen Radio.
Beim Radiosender J-Wave stellt sich Sasha, der DJ, in perfektem Englisch vor. Sein deutscher Vater und seine japanische Mutter haben ihn englischsprachig erzogen. «Ist Japan für dich die letzte große Chinesische Mauer?», will er ohne erkennbare Ironie wissen. Dann fragt er, ob Rob anderen Leuten einen Tipp geben könnte, wie man erfolgreich wird, und Rob referiert seine Theorie, die er sich Ende vergangenen Jahres in Paris überlegt hat. «Es ist eigentlich ganz einfach: Entweder Gott möchte, dass du Erfolg hast oder nicht. Das ist alles. Das lässt sich nicht aufhalten. Ich glaube, man muss nur den richtigen Zeitpunkt erkennen können, an dem man aufgeben und nicht mehr seinen Träumen folgen sollte.» «Nicht seinen Träumen folgen?», fragt Sasha ungläubig nach. Vielleicht hat er sich ja verhört. «Ja. Nicht seinen Träumen folgen. Folge stattdessen den Träumen eines anderen», sagt Rob. «Immer aufgeben und sich nicht selbst treu bleiben — dann wird's was. Das ist genau das, was ich getan habe: Ich bin meinen eigenen Träumen nicht gefolgt, ich bin mir nicht treu geblieben, und ich habe schon immer sehr leicht aufgegeben. Und das ist der Grund, warum ich jetzt ganz oben bin. Wer etwas anderes behauptet, redet dummes Zeug.» Sasha übersetzt. Rob unterbricht ihn. «Und das ist die Wahrheit. Das ist mein Lebensmotto: Niemals mir selbst treu zu bleiben.» Er lacht. «Nein, bloß nicht deinen Träumen folgen, Mann. Ich wollte immer Buchhalter werden. Echt. Das hier war der Traum eines anderen.» «Was ist denn jetzt im Moment dein Traum?», fragt Sasha. «Ich habe im Augenblick keinen. Ich bleibe mir untreu. Ich will, dass es unrealistisch bleibt.» «Wirklich?», fragt Sasha. «Ja. Dieser ganze Quatsch: . Das hast du auch schon gehört, stimmt's? Sich treu bleiben ist langweilig. Sich treu bleiben ist zu real. Warum lassen wir es nicht mal eine Weile ganz unrealistisch? Was meinst du? Guck doch, wo uns das Sich-treuBleiben hingeführt hat ...» In diesen japanischen Interviews ist Rob ehrlicher und reflektierter als sonst. Vielleicht liegt es daran, dass er sich hier sicherer fühlt. Er
wird nicht ständig beobachtet und sofort beurteilt. In Japan muss er keine Angst haben, dass alles, was er sagt, am nächsten Tag als Schlagzeile erscheint. Er wird gefragt, warum er weltweit so erfolgreich ist. «Weiß ich auch nicht», meint Rob. «Offenbar kann ich irgendwie die Phantasie anderer Leute anregen. Vielleicht liegt es auch daran, dass die meisten Leute Angst haben, sich lächerlich zu machen, weil die Welt so irre cool ist im Moment. Und wenn ich andere Leute damit amüsieren kann, den Idioten zu spielen, mache ich das gerne. Entertainer sind eine vom Aussterben bedrohte Art, weil niemand mehr albern sein will. Niemand führt mehr seine Stücke heutzutage auf. Damit bin ich wahrscheinlich hoffnungslos altmodisch.» Sinn und Zweck, auf der Bühne zu stehen, sei für ihn, jemand anderes zu sein, erklärt er. «Mein Job ist es, die Leute anzulügen und dafür zu sorgen, dass sie mir glauben.» Dann fügt er hinzu: «Ich habe gerade erst angefangen, das alles zu genießen und an mich zu glauben. Ich musste fünf Alben machen, bevor das alles für mich angefangen hat — und ich freue mich endlich wirklich über die Welt und meinen Job. Ich wusste, dass das irgendwann kommen würde, aber es brauchte eben seine Zeit. Als Nächstes möchte ich eines der besten Alben herausbringen, das je geschrieben wurde.»
Im Bus hatte er verkündet: «Das ist ein richtiger Sonntag, was? So, als hätte ich Mittag gegessen und gerade Fußball geguckt, und Bullseye läuft gleich, und Cousin Tony ist eingeschlafen und Tante Claire hat das Essen aufgesetzt und macht mir Lammkoteletts. Ein sehr angenehmer Zustand.» Er setzt dieses Thema mit Sasha fort, indem er ihm erklärt, wie schön er es findet, dass dieser Sonntag sich wie ein richtiger Sonntag anfühlt. «Die Woche hat für mich in dem Moment an Bedeutung verloren, in dem ich die Schule verließ und Popstar wurde», sagt er. «Popstars kennen weder Wochen noch Wochenenden. Normale Leute betrinken sich samstags oder sonntags, Popstars betrinken sich immer. Egal wann. <Es ist Dienstagmorgen — komm, wir betrinken uns.> Und, um ganz ehrlich zu sein, meistens weiß ich nicht mal, welcher Tag gerade ist, weil das für mich gar keine Rolle spielt. Ich
werde abgeholt und irgendwohin gebracht und in ein Flugzeug gesetzt, und dann tauche ich irgendwo auf — ich wusste nicht einmal, dass ich nach Japan fliege.» Pause. «Aber ich habe mich sehr gefreut, als ich hier ankam.» «Wir haben es hier mit einem echten Superstar zu tun», sagt Sasha beeindruckt. Rob erzählt, wie sehr ihn Sonntage früher deprimiert haben, weil am nächsten Tag wieder Schule war. «Aber weißt du was? Ich habe morgen keine Schule mehr! Dummköpfe! Und ich bin echt reich. Ha! Damit können Sie sich Ihre Pfeife stopfen, Mr. Bannon.» Mr. Bannon war sein letzter Schuldirektor. Sasha übersetzt; Rob erzählt weiter. «Ich freue mich an manchen Sonntagen immer noch darüber, dass ich morgen nicht in die Schule muss. Wirklich wahr. Und manchmal bleibe ich absichtlich richtig lange auf. So erwachsen bin ich. Und wenn im Kühlschrank ein Kuchen steht, kann ich ihn bis zum letzten Krümel aufessen — das darf ich. Ha! Du hast keine Kontrolle mehr über mich, Mama...» Sasha übersetzt. «Und ich kenne Mädchen ... und die wollen mich küssen ... und ich küsse sie zurück. Ha. Und wir bleiben alle ganz lange auf. Meine Mutter lebt in England und ich in L. A., ich kann machen, was ich will ...» Sasha will ihn etwas anderes fragen, aber Rob unterbricht ihn. «Manchmal putze ich mir nicht meine Zähne», sagt er. Pause. «Oder wische mir nicht den Hintern ab.» Pause. «Entschuldigung. Ich gehe immer gerne zu weit. Tut mir Leid.» Sasha bittet ihn, ein paar Sätze für den Radiosender aufzunehmen. Mittendrin flüstert Rob leise, aber doch deutlich hörbar: «Ein Mädchen hat meinen Pimmel angefasst...»
Josie erzählt, dass Kevin Spacey erneut im Büro angerufen hat. Er möchte, dass Rob zusammen mit Elton John bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung auftritt, die er nächsten Monat im Old Vic gibt. Sie weiß schon, was Rob sagen wird. «Ich bin busy», sagt Rob. «Sag ihm, ich habe zu tun.»
Noch ein Interview, weitere Philosophien, die er mit dem japanischen Volk teilt: «Frauen mögen dich», wird ihm gesagt. «Gibt es ein besonderes Geheimnis, wie man sexy wird?» «Klar», meint er. «Werde reich und berühmt. Sobald man reich und berühmt ist, sieht man auch gleich viel besser aus. Man weiß ja auch, dass Rock 'n' Roll hässlichen Leuten dazu verhilft, Sex zu haben. Lang lebe Rock 'n' Roll. Ich meine, seht euch doch mal Linkin' Park an ... » Er hält gerade noch rechtzeitig inne. «Nein, ich mache Witze. Linkin' Park sind gut aussehende Männer, mir fiel nur gerade keine Band ein.» Auf dem Rest der Reise feilt er an dieser Antwort, damit sie in Zukunft noch raffinierter klingt. «50 Prozent von dem, was man wirklich hat, und 50 Prozent von dem, was Leute denken, was man hat, machen einen sexy ... Ja, ich bin reich. Das macht mich sexy. Sex liegt ja auch immer im Auge des Betrachters. Ich finde mich ja nicht so toll. Aber andere denken, ich wäre ziemlich wild, und ich glaube, manchen Leuten gefällt die Vorstellung, sie könnten mich zähmen. Und ich habe das ganz gern, wenn Leute versuchen, mich zu zähmen — macht Spaß. Zu einem Abend mit einer anständigen Zähmung würde ich nie nein sagen ...»
Am zweiten Interview-Tag in Japan, als er in einer Show auftritt, die Space Shower TV heißt und von einem Kameramann gefilmt wird, auf dessen T-Shirt zu Robs Entzücken «Overjoyed by the News» steht und nach einer Nacht, in der er von Heidi Klum geträumt hat, fällt ihm plötzlich auf, dass das Wort Escapology wiederum das Wort «Apology» — «Entschuldigung» — enthält. Es freut und verunsichert ihn gleichermaßen. «Das bin doch ich, durch und durch: Entschuldigung. Ich entschuldige mich für meine Flucht.» Von jetzt an wird das ein regulärer Teil seiner Erklärung. «Das ist ein großes Thema in meinem Leben», wird er sagen.
Er wird gefragt, was für ihn die ideale Show wäre. Gemeint ist ein Konzert. «Im Schlafzimmer Cameron Diaz beeindrucken», antwortet er. «Was für eine wunderbare Antwort», sagt die Interviewerin. «Das ist die Wahrheit», meint Rob. «Die glaubt langsam wahrscheinlich wirklich, dass du sie verfolgst», lacht Josie. «Wird sie wohl», gibt Rob zu. «Mir egal. Sie ist eigentlich nur eine Phantasie-Figur. Sie kann ohnehin niemals erfüllen, was ich mir vorstelle.»
Während der dritten Nacht in Japan träumt er von Gwyneth Paltrow. «In meinen Träumen findet ja eine echte Promi-Party statt», überlegt er. Um von seinem Traum wieder herunterzukommen, macht er sich Gedanken über das neue, verruchte Christina Aguilera-Image. «Sie sieht aus wie eine Mischung aus einer Pornomieze und einer, die Bäume schützen will», meint er. «Wie ein Rock-Öko-Krieger. Eine Kreuzung aus Swampy und den Village People.» Sein Arbeitstag beginnt. Er wird in einer Limousine von einem japanischen Popstar interviewt, Fay Ray. Nachdem sie ein paar Fragen gestellt hat und die beiden ein bisschen geflirtet haben, meint er: «Jetzt möchte ich einmal etwas fragen. Ich habe von diesen Automaten gehört, aus denen man Mädchenunterhosen ziehen kann ...» «Das stimmt», sagt sie. Als er beim Radiosender ankommt, sagt der weibliche DJ zu ihm: «Ich kann nur zur Hälfte glauben, dass du wirklich hier bist.» «Na, hier ist die andere Hälfte», sagt er. Er erzählt ihr, dass er sich diesen Erfolg nie erträumt hat. «Ich glaube, das Wort wäre noch untertrieben», meint er. Er zählt seine Schwächen auf. «Ich kann einfach nichts anderes. Ich bin ganz unsportlich. Ich kann überhaupt nicht rechnen. Ich kann weder addieren noch subtrahieren, ich kann nicht sehr gut schreiben, und ich bin nicht besonders talentiert mit meinen Händen. Ich habe mich ziemlich darauf verlassen, dass ich irgendwie als Angeber durchs Leben segeln müsste. Bisher lief das ganz gut.»
Den letzten Morgen hat man ihm freigegeben, damit er shoppen gehen kann. Im Bus erzählt er von den Partys, auf die er früher gegangen ist. Als er 17 oder 18 war, gab es eine Absolutely FabulousParty, auf der er Ade Edmonson mit dem Satz beleidigte: «Ich dachte, diese Serie wäre dazu da, sich über genau das hier lustig zu machen», und wo er völlig versagte, als Naomi Campbell zu ihm kam und sagte, Christy Turlington wolle gerne mit ihm tanzen und er steif und fest behauptete, dass wäre leider unmöglich, weil er sein Bein gebrochen habe. Ein andermal kam er nach London, um sich mit einem berühmten Model zu treffen — «keine Verabredung oder so, ich war nur eingeladen worden, zum Essen mitzukommen» —, und zufällig war Liam Gallagher im Zug und hing aus dem Fenster, als der in Stoke einfuhr. «Wir haben uns absolut zugeschüttet im Zug, und das ging den ganzen Abend so weiter. Und dann kam das Model mit einem von The Clash an. Die eine Gruppe nahm Heroin, die andere kokste», erinnert er sich. «Und ich saß in der Mitte und sang die ganze Zeit Lieder aus den Konzerten. When you see a guy, reach for stars in the sky, you can bet he's doing it for some doll ... » Er macht vor, wie die eine Seite bestens gelaunt war und völlig überdreht mitsang, während die andere Seite langsam einschlief. Nach einer Weile machte er sich davon.
Nachdem im Flieger die Zeichen für die Sicherheitsgurte erloschen sind, kommt Rob zu mir. «Ich habe meine Schlaftablette genommen und versuche jetzt, trotzdem wach zu bleiben. Ich will mal sehen, wie das ist.» Tatsächlich hat er zweieinhalb Ambien genommen. Er scheint jetzt schon ziemlich weggetreten zu sein. «Mit meinen Augen passieren komische Sachen», sagt er und meint dann, er werde versuchen, sich absolut normal zu verhalten. «Sehe ich normal aus?», fragt er, aber seine Augen sind ganz weit weg und seine Stimme auch. Es ist erschreckend, ihn so weggetreten zu sehen. Ich frage ihn, auf was er sich in Los Angeles freut. «Hunde ... Pool ... nix ... »
Plötzlich bricht er über mir zusammen, seine Muskeln völlig starr. Er liegt halb auf mir, halb auf dem leeren Sitz neben mir und ist besinnungslos. Ich brauche meine ganze Kraft, um ihn hochzuhieven und ihn auf den anderen Sitz zu rollen. Ein paar Sekunden später wacht er auf und sieht sich verwirrt um. Ich erkläre ihm, dass er gerade eingeschlafen ist. Er sieht so aus, als brauche er eine Weile, um das zu begreifen. «Ich gehe nach unten», sagt er. Er findet seinen Platz und schläft für den Rest des Fluges.
5 Während einer freien Woche in Los Angeles wird Martin Bashirs Sendung über Michael Jackson im Fernsehen gezeigt. Bashir fragt an, ob Rob mit ihm eine Sendung machen würde. Rob denkt nicht mal darüber nach. Stattdessen entspannt er und langweilt sich, sagt zwei Auftritte in großen amerikanischen Fernsehshows ab (Alias und Charmed) und geht für zehn Minuten auf Justin Timberlakes Geburtstagsparty. Eines nachmittags kommt Linda Perry vorbei. Sie gilt momentan als coole Songschreiberin, weil sie mit Pink und Christina Aguilera gearbeitet hat, zum Beispiel bei dem Aguilera-Hit «Beautiful». Rob hätte am liebsten auf der Stelle mit ihr einen Song geschrieben, stattdessen unterhalten sie sich zwei Stunden lang. «Völlig gaga», sagt er hinterher anerkennend. «Harter Schädel. Ich glaube, sie hat eine gute Einstellung. Sie wusste überhaupt nichts über mich. Die denkt, ich sei der -Mann.» Er spielt ihr «One Fine Day» vor (sie findet, man könne die Akkorde und die Melodie noch verbessern), «Come Undone» (das ihr wirklich gefällt) und «Feel» (das sie okay findet). «Habe ich mein Bewerbungsgespräch bestanden?», fragt er sie, bevor sie geht. «Das frage ich doch normalerweise», antwortet sie.
«Hast du Lust ...?», fragt er. Er beendet den Satz nicht, weil er sowieso Lust hat. «Ich weiß, es geht um michmichmich, aber was soll's, lass uns meine Websites angucken ... » Aus lauter Langeweile und Selbstverliebtheit hat er das Internet nach sich selbst durchsucht. «Ich habe eingegeben», sagt er. «Was völlig bescheuert war, weil ich mich eigentlich super gefühlt habe, bevor ich mir das alles angeguckt habe. Was ich gefunden habe, war im Grunde: <Ja, super, Robbie hat es wieder geschafft> , oder ich bin die Reinkarnation des Teufels. Mich überrascht nichts mehr. Ich dachte einfach: Lass uns mal sehen, wie viele giftige Menschen es heute da draußen gibt, und wie ich mich heute unglücklich machen kann...» Wir sitzen unten im Büro in seinem Haus in Los Angeles und beschäftigen uns mit den neuesten Meinungen seiner Fans. Einer sagt, Rob schriebe Songs, die man sich bis zum Ende anhören wolle, was ein «schlauer Marketing-Trick» sei. Ein anderer beschreibt «Feel» als einen Song, der wie Enrique Iglesias klingen will. Auf einer Website gibt es eine ausführliche Debatte darüber, wie Rob den Durchbruch in Amerika schaffen könne. Wir gucken uns diese Sachen etwa eine Stunde lang an. Ich finde, das wirklich Merkwürdige an diesen Foren ist, dass sie offenbar davon ausgehen, Rob sitze irgendwo und sehe sich das ganze Zeug an. «Hm», meint er, «wirklich merkwürdig.» Er gibt seinen Namen bei eBay ein, um mal zu sehen, was Robbie Williams-Sammlerstücke auf dem Markt momentan wert sind. Er findet eine signierte CD mit Foto für 100 Pfund. «Das ist nicht meine Unterschrift», sagt er. Dann ein signiertes Foto von ihm und Oasis in Glastonbury: 75 Pfund. «Das ist auch nicht meine Unterschrift.» Ein signiertes Foto von ihm mit Nicole Appleton. «Absolut falsch!», sagt er. «Meine Güte, dass ist nicht einmal eine anständige Fälschung.» (Zu diesem Foto gibt es sogar ein «Echtheits-Zertifikat», der Gipfel der blühenden Internet-Betrügereien.) Rob will jetzt unbedingt eine echte Unterschrift finden, und klickt einen Artikel nach dem anderen an: «Nein, absolut nein ... o mein Gott ... ganz bestimmt nicht ... nein ... nein ... nein, ganz sicher nicht ...» Er kann keine einzige echte Unterschrift von sich finden, obwohl er über die Jahre vieles unterschrieben hat. Das ganze Autogramm-
Business hat etwas ziemlich Deprimierendes: Sie sind von vorneherein völlig überflüssig, und dann wird auch noch die Gutgläubigkeit der Leute ausgenutzt, indem ihnen komplett sinnlose oder gefälschte Fetische angedreht werden.
Er hat eine Kostümprobe für das «Come Undone»-Video. Im Schlafzimmer hängen die ganzen Klamotten auf langen Kleiderstangen. Er probiert ein verdrecktes Smoking-Jackett an und tut so, als würde er an einem Morgen nach einer hemmungslosen Party betrunken durch die Gegend schwanken. «Wirkt das echt?», will er wissen. «Mach nicht auf besoffen», bittet ihn Josie. «Ich hasse das.» B, der Stylist, möchte über die Bettszene sprechen und wissen, ob Rob dabei Unterwäsche tragen will. Rob sagt, dass er keine Angst vor solchen Szenen hat. «Die meisten Leute erzählen nach Sexszenen immer, Ich sehe das ganz anders. Ich hatte bisher bei jeder Liebesszene, die ich gedreht habe, einen kräftigen Ständer. Deshalb ist es wahrscheinlich das Beste, ich habe meine Unterhose an.» Seine Mutter ruft aus seiner Londoner Wohnung an und erklärt, sie habe Schwierigkeiten, aus dem Videorekorder eine Kassette herauszuholen. Er versucht sicherzustellen, dass sie wirklich nur den Videorekorder unten benutzt, nicht den im Schlafzimmer — er weiß, was für eine Kassette er da drin gelassen hat. In dieser Nacht träumt er von Madonna. «Wir haben uns nur unterhalten», erzählt er. «Sie hatte eine Thermoskanne dabei, mit der sie Gespräche aufnehmen konnte.»
Es ist später Samstagnachmittag in Los Angeles, was in England bereits nach Mitternacht ist. Rob ist oben und macht einen Mittagsschlaf, ich bin in seinem Büro. Seit ich angefangen habe, an diesem Buch zu arbeiten, habe ich mir angewöhnt, jeden Tag die englischen Schlagzeilen zu lesen. Während Rob schläft, klicke ich auf die Website von News Of The World und lese die Schlagzeile auf der Titelseite: ROBBIES 2-MILLIONEN-PFUNDSPIELSUCHT.
Mit einwöchiger Verspätung haben sie den Artikel jetzt also doch noch gedruckt. Unter der Überschrift steht: «Bei einer einzigen Runde Poker verliert er 50 000 Pfund» und «Robbie hat Drogen, Alkohol und schmutzigen Sex besiegt ... jetzt kämpft er mit Spielsucht». Ich muss Rob nicht erst wecken, um zu wissen, dass die meisten Angaben völlig absurd sind. Zum Beispiel steht da: «Verließ die MTV Awards in Barcelona in größter Eile, um 10 000 Pfund in einem Kasino zu setzen.» An dem Abend waren wir die ganze Zeit zusammen, es war der, an dem er kurz Ms. Dynamite traf und wir direkt nach der Verleihung zum Flughafen fuhren.
Nach dem Aufwachen fährt Rob nach Hollywood, um sich mit Jonas Ackerlund zu einem abschließenden Meeting für das «Come Undone»-Video zu treffen. Im Foyer des Hotels Chateau Marmont erzählt ihm David kurz von News Of The World, aber er muss sich jetzt zunächst auf andere Dinge konzentrieren. Jonas, der die Rolling Stones-Zunge als Anhänger trägt und eine Gürtelschnalle, auf der «Flick you» steht, nimmt ihn mit in einen Raum im vierten Stock, in dem überall Film-Equipment herumsteht und ein Storyboard an der Wand hängt. Er fasst seine Ideen zusammen. «Das Video soll eine Haltung rüberbringen», sagt er. «Ich möchte, dass es gleichzeitig sehr schön, sehr merkwürdig und total abgefuckt ist.» Er zeigt Rob Polaroids von dem Haus, in dem sie drehen wollen – «Ich bin so glücklich damit; der Besitzer wollte es uns zunächst nicht geben, aber jetzt hat er zugesagt» – und von ein paar Mädchen. «Die hier hat keine Angst vor Schlangen», erklärt er, «und die ekelt sich nicht vor Käfern. Und mit der kannst du rummachen. Es sind sowieso alles richtige Porno-Mädchen. Sie sind bereit so weit zu gehen, wie es eben muss, vor allem in der Bettszene zum Schluss.» «Irre», meint Rob. Jonas zeigt ihm noch ein Polaroid. «Die da ist übrig», sagt er. «Unser Back-Up.» «Ein Porno-back-up?», fragt Rob. Jonas nickt. Er zeigt ihm die beiden Männer. «Sind die schwul?», will Rob wissen.
«Ich glaube nicht», meint Jonas, «aber für die ist das kein Problem. Ich meine, müssen sie ja auch. Ist ihr Job.» Jonas möchte noch weitere Details wie Close-ups für die Second Unit und Playback besprechen, aber Rob unterbricht ihn. Er muss jetzt unten einen Kaffee trinken. «Ich bin echt fertig», erklärt er. Im Foyer entdeckt er B mit ein paar Leuten und setzt sich zu ihnen. Rob unterhält sich kurz mit einem gut aussehenden Mann und fragt ihn, ob er einer der Models für das Video ist. Der Mann guckt irritiert. Er ist der Schauspieler Oliver Martinez. Jetzt erst erkundigt er sich bei David, ob der News Of The WorldArtikel auf der ersten Seite steht. «Allerdings», sagt David. «Irre», meint Rob. «Sehen wir mal, ob das Album nächste Woche nach oben geht. Falls ja, werde ich von jetzt an jede Woche ein Spiel-Problem haben. Dann komme ich aus einem Club und tue so, als wäre ich voll. Und bedrohe einen Paparazzi, der in Wirklichkeit Schauspieler ist.»
Das Ganze ist nur so lange lustig, wie er es sich als große, unwahre Schlagzeile vorstellt. Sobald er nach Hause kommt und liest, was tatsächlich über ihn geschrieben wurde, ändert sich seine Laune. Verwirrt und fassungslos liest er ein paar Passagen laut. «Robbie Williams stand in Jeans und Turnschuhen unter glitzernden Kronleuchtern auf dem goldenen Teppich eines Kasinos in Las Vegas und sehnte sich nach seiner neuesten Sucht – Kartenspiele ... Robbie, 28, hatte in seinem Leben schon einiges mitgemacht – Kokain, zwanghafte One-Night-Stands, quälende Beziehungen mit berühmten Superhasen wie Geri Halliwell ... endlose Alkohol- und Essensgelage, aber seine neueste Leidenschaft kostet ihn 100 000 pro Nacht. Seine Freunde sind zutiefst besorgt.» Seine «heimliche, seit drei Jahren bestehende Spiel-Sucht» hat angeblich angefangen, als er mit Freunden von den «Anonymen Alkoholikern» Karten spielte. In einem «wahnsinnigen, dreitägigen Spielrausch in Monte Carlo» habe er 60 000 Pfund verspielt (er sagt, er wäre ein einziges Mal mit Jonny und Geri Halliwell im Kasino gewesen und verlor vielleicht 500 Pfund), verlor 30 000 Pfund bei
einer Wette auf eine einzige Karte im Sahara-Kasino (reine Erfindung), verzockte 5000 Pfund in zwei Stunden beim Black-Jack im Victoria Kasino in London («nie da gewesen»), bettelte seine «Show-Biz-Freunde» Tom Jones und Kelly Jones an, bei ihm zu Hause in L. A. «um hohen Einsatz Poker zu spielen», lieh sich von Nicole Kidman Geld, nachdem ihm die 100-Pfund-Chips ausgegangen waren («das ist wirklich passiert», sagt er, «aber es waren keine 100-Pfund-Chips. Ich habe nur gesagt, hast du 100 Pfund?»), und dann, dass er eben 10 000 Pfund nach den MTVAwards verspielt habe. In dem Artikel beschreibt ein ungenannter «Freund» einen Abend im Mandalay Hotel in Vegas. Es heißt weiter, dass er innerhalb einer Nacht 100 000 Pfund verspielt habe und seitdem jeden Tag spielen würde. «Innerhalb von drei Wochen verliert er gut und gerne mal eine Million», sagt der Freund. Dann kommt die Stelle, die Rob wahrscheinlich am meisten trifft: «Sein Freund erklärt, dass Spielen für ehemalige Alkoholiker häufig die Art ist, sich zu entspannen. Er sagte: <Man wettet einfach um alles ... Robbie amüsierte sich großartig darüber, dass ein paar der Typen gewettet hatten, wer als Erster wieder rückfällig werden würde.> Für jemanden, der seine Sucht so ernst nimmt wie Rob, ist das eine obszöne Idee. Das ist noch nicht alles: «... er geht ins Kasino, wie andere ins Pub gehen. Innerhalb von zwei Jahren hat er mindestens zwei Millionen Pfund verspielt.» Schlicht gelogen. «Die Musikbosse gaben Robbie ein monatliches Taschengeld von 60 000 Pfund, um seine Ausgaben unter Kontrolle zu halten.» Gelogen. «Er scheint immer noch gerne einen Drink zu nehmen und war Donnerstagnacht in keinem guten Zustand, nachdem er mit Freunden in der Whiskey-Bar in L. A. getrunken hatte.» Gelogen. «Das ist widerlich», sagt Rob, als er mit Lesen fertig ist. Das Ganze ist ein besonders ekelhafter Angriff auf seine Person. Er ist halb amüsiert, halb wütend. Er erzählt, dass er in London eine Zeit lang ins Aspinalls gegangen ist, damit aber aufhörte, als die Mindestwetten auf 25 Pfund erhöht wurden. Er fand das zu hoch und nicht mehr lustig. Er sieht sich die Fotos genau an, die News Of The
World für den Artikel verwendet hat. Auf einem körnigen Bild sieht man ihn und ein paar Spielkumpels an einem Tisch, alle mit Karten in der Hand. Das Bild sieht aus wie ein Schnappschuss aus einer dunklen Spielhölle. Tatsächlich sind es Josie, Chris Sharrock, David, Filmregisseur Brian Hill und Rob. «Robbie, in Grün, und Arbeitskollegen, auf DVD», steht in der winzigen Bildunterschrift. Es wird aber nicht deutlich gesagt, dass es sich um ein Standfoto aus seinem Film Nobody Someday handelt. Damals spielten sie Uno, ein Kartenspiel für Kinder. Es ging nur um den Spaß am Gewinnen, manchmal spielten sie auch um einen Fünfer. Er selbst weiß das alles. Er weiß aber auch, dass morgen Abend mehrere Millionen Menschen in England glauben werden, was sie gelesen haben. Er ruft David an, um zu besprechen, wie sie reagieren sollen. Er ist überzeugt, eine Klage zu gewinnen, aber sie würde auch Nachteile bringen. Sollte es zu einem Prozess kommen, kann man sicher sein, dass News Of The World alles, was er jemals gemacht hat, gegen ihn verwenden wird. Aber soll er diese Geschichte deshalb einfach durchgehen lassen? Wenn er sie nicht dementiert, wird daraus Wahrheit. «Es geht ums Prinzip», sagt er. «Wenn sie damit durchkommen, was wird dann das Nächste sein?» «Ich finde, wir sollten sie verklagen», sagt Rob. «Und wenn wir gewinnen, setzen wir alles auf Schwarz.»
6 «Ach herrje», sagt Rob. «So fängt es also an.» Er begrüßt ein hübsches, knapp bekleidetes Mädchen, das in Kruzifix-Pose in einer Ecke des Schlafzimmers hängt, in dem ein Großteil des neuen Videos gedreht wird. Im Pool schwimmt eine aufblasbare Puppe mit dem Gesicht nach unten. Er sieht sich im Haus um. Der Hausbesitzer ist Erbe des Dole-Ananas-Vermögens. Auf einem Foto sieht man ihn zusammen mit seinem Vater. Sie lächeln. Zwischen ihnen steht George W. Bush. Er begrüßt alle Mitwirkenden – «Hallo, ich bin Rob, ich singe heute» – und geht dann den Hügel hinauf zu seinem Wohnwagen.
«Habe das Gefühl, als würden wir etwas Böses machen, findest du nicht?», fragt er. «Eine schwarze Frau an einem Kreuz.» David kommt in den Wohnwagen und erzählt, dass «Feel» irgendeinen merkwürdigen, zehn Jahre alten Rekord als «meistgewünschter Anrufer-Hit» in Holland gebrochen hat. «Ich verstehe nicht, was das heißen soll», sagt Rob. «Ich auch nicht», kichert David, versucht aber trotzdem, weiter darauf einzugehen. «Niemand hat bisher mehr als 7,5 erreicht, aber du hast 7,9 geschafft.» «Cool», sagt Rob erstaunt, und dann lachen beide über diese ziemlich unverständlichen Neuigkeiten.
Die erste Szene, die heute gedreht wird, ist der Morgen nach der Party. Rob wacht mit zwei Mädchen im Bett auf. Er legt sich zwischen sie, lehnt sich gegen das Kopfende, das mit Alligator-Leder bezogen ist, und plaudert mit ihnen. Die eine der beiden Darstellerinnen ist ein Porno-Star, die andere wird ihren ersten Porno am kommenden Wochenende drehen. Er fragt sie, was ihre Eltern davon halten. «Die reden nicht mit mir», sagt sie. Er spielt eine Szene vor der Kamera: Er wacht auf, betrachtet sich im Spiegel und wankt betrunken nach draußen. David beobachtet ihn auf dem Monitor und findet, dass Rob beim Schauspielern übertreibt. Er spricht leise mit ihm. Dies wird sich den ganzen Tag wieder-holen. «Viel zu betrunken und viel zu voll gekokst», meint auch Josie nach einer besonders übertriebenen Szene. Die Art, wie er heute spielt, ist eine Mischung aus Erinnerungen an die eigene Vergangenheit und dem Versuch, wie Hollywood-Star Colin Farrell zu wirken. («Ich hatte mich nicht mehr im Griff», entschuldigt er sich, als er wirklich total übertreibt, obwohl er eine gute Entschuldigung hat: «Ich habe mich zehn Jahre auf diese Rolle vorbereitet.») Zwischen den einzelnen Szenen macht Hamish Brown, der ihn immer bei solchen Gelegenheiten fotografiert, ein paar Aufnahmen von Rob mit den beiden Mädchen auf dem Bett. Sie kuscheln sich an ihn. «Wie sieht aus diesem Winkel mein Kinn aus?», will er von Hamish wissen. Der beruhigt ihn.
Während Hamish fotografiert, berührt Rob mit seiner Zunge die Zungenspitze der Blondine, und dann, schon aus Gerechtigkeitsgründen, macht er dasselbe mit dem schwarzhaarigen Mädchen. Beide haben ihre Hände locker auf seinem Schritt liegen. «Ich spiele hier nur meine Phantasien aus», sagt er und steckt seine Zunge in die Ohren der Dunkelhaarigen. Er lacht. «Das ist ja wie in einem deutschen Porno aus den Siebzigern, was? Jaaaa! Das ist gut, wir machen einen Dreier.» Die Mädchen lachen, und er sagt: «Warum komme ich mir auf einmal wie Ron Jeremy vor?» Dann erlaubt er den Mädchen, an seinen Brustwarzen zu ziehen. Jede an einer. «Ach, das mag er», stellt die Dunkelhaarige fest. «Nein, überhaupt nicht», sagt er und verfällt dann in seine PartridgeStimme: «Das ist nur für die Kunst.» Und dann küsst er die Blonde mit allem Drum und Dran, nur so. «Hamish», sagt er, «sag mir doch, dass ich beide küssen soll.» Hamish braucht einen Moment, bis er die Anspielung verstanden hat. «Was wolltest du, Hamish?», fragt Rob. «Einen Zungen-Dreier», schlägt Hamish vor, und die drei gehorchen artig. «Kommt, let's go crazy», meint die Blonde, und es wird geküsst und brustgekrault und niemand achtet mehr besonders auf die Fotos. «In diese Richtung», bittet Hamish, der immer noch versucht, seinen Job einigermaßen professionell zu erledigen. «Nee», meint Rob, der gerade zu tun hat. Hamish fotografiert noch ein bisschen und sagt dann «cool», was bedeutet, dass er jetzt fertig ist. Er weiß, dass Rob bei Fotosessions wenig Geduld hat. «Nee», bittet Rob, «noch einen Film.» Endlich sind sie fertig. «Danke, Mädels», sagt Rob. Sie hüpfen aus dem Bett, um ihr Make-up erneuern zu lassen. Er bleibt liegen. «Ich muss jetzt noch eine Weile im Bett bleiben», erklärt er. Ich frage, wie die beiden Mädchen eigentlich heißen. Er denkt kurz nach. «Keine Ahnung», sagt er und lacht.
Robs Leute befürchten, dass Jonas Ackerlund bei dem Video einen Aspekt über Bord geworfen hat, der Rob ursprünglich am
wichtigsten war – die religiösen Gleichnisse, das Blut auf den Türen. Ich bekomme eine Diskussion mit, ob man Rob noch darauf ansprechen solle: «Solange Rob zufrieden ist.» «Er hat ja seine Käfer.» «Das Problem ist, dass Rob den Sex entdeckt hat, und das war's. Damit sind alle Bibelideen hinfällig.»
Als er am Abend des ersten Drehtags nach Hause kommt, liest er über eine Sendung, in der versucht werden soll, Prinzessin Diana im Jenseits zu kontaktieren. Sie wird demnächst im amerikanischen Kabelfernsehen gezeigt. Rob findet die Idee ziemlich krank, ist aber gleichzeitig fasziniert. Er hat Lady Diana einmal kennen gelernt, als Take That im Kensington Palace eingeladen war. Sie schien besonders nett. «Eine sehr freundliche, warmherzige Frau», erinnert er sich. Einmal sagte er in einem Internetchat etwas gedankenlos, dass die Umstände ihres Todes doch wirklich merkwürdig seien. «Am nächsten Tag erhielt ich einen Brief von Mohammed al-Fayed: <Würde mich sehr gerne mit Ihnen unterhalten ... vielleicht könnten wir zusammen Tee trinken?>» Rob antwortete nicht.
Am nächsten Morgen steht Rob um 7.30 Uhr auf, bereit für seinen großen Tag. «Heute werde ich Sex haben», verkündet er, während wir durch den Nieselregen von Los Angeles fahren. «Ich denke mal, es wird ein bisschen abartig, Josie.» In dem Haus, in dem gedreht wird, sitzt er in Unterhose, Bademantel und rosa Socken auf dem Bett und bespricht mit David und Josie, wie sie juristisch gegen News Of The World vorgehen wollen. Sie gehen die Angelegenheit Punkt für Punkt durch. Josie erklärt, dass sie von ihm ein Statement zu dem Vorwurf brauchen, er leide unter «massiver Spielsucht». «Das Problem habe ich ganz sicher nicht», sagt er. «Ich liebe die gelegentliche Aufregung?», schlägt David vor. «Klar», stimmt er zu. «Wie jeder andere auch. Bei niedrigem Einsatz.»
Die nächste Unterstellung: «Robbies Verluste belaufen sich auf zwei Millionen Pfund.» «Kompletter Blödsinn», sagt er. «Angeblich hat er bei einem einzigen Pokerspiel 50 000 Pfund verloren ... >», zitiert David die Zeitung. «Ich habe nicht mal ansatzweise um solche Summen gespielt», sagt Rob. «<Es wird behauptet, dass Robbie bereits früher von Kokain, Alkohol und Sex abhängig war ... >», sagt David und beantwortet diesen Punkt gleich selbst. «Stimmt, bis auf Sex.» «Genau», meint Rob. «Was soll ich dazu sagen?» «Sag einfach, dass du das nie verheimlicht hast und alles längst bekannt ist», meint Josie. Auf diese Art gehen sie den ganzen Artikel durch. Rob kommentiert die kleinen, erfundenen Geschichten, widerlegt andere Behauptungen und vor allem den Teil der Geschichte, in dem unterstellt wird, Rob würde darauf wetten, ob und wie schnell andere Abhängige rückfällig würden. «», schreibt David. «Alkohol ist eine Sache auf Leben und Tod und nichts, worauf man wetten darf.> Gut so?», fragt er. «», fügt Rob hinzu.
Aus irgendeinem Grunde stehe ich mit David im Flur dieses Hauses und rede mit ihm über den Fluch, in zu viel Geld hineingeboren zu werden. «Das wäre eine Aufgabe für deine Kinder», meint David zu Rob. «Deshalb werde ich auch versuchen, bis dahin ganz arm zu sein», sagt Rob trotzig. Als Alternative schlägt er vor: «Ich werde mir eine Insel kaufen und dort in meiner eigenen Welt leben. Alle müssen so tun, als wüssten sie nicht, wer ich bin. Ich werde einfach ignoriert und das Gleiche würde dann auch meinen Kindern passieren.»
Zwischen zwei Einstellungen steht er gelangweilt in der Küche und guckt in den Regen. CNN sendet gerade die erste Botschaft seit dem Einmarsch der amerikanischen Truppen in Afghanistan, die angeblich von Osama Bin Laden stammt. «Wenn ich frech wäre und ein paar freie Tage haben wollte», sagt Rob zu Josie, «würde ich jetzt sagen, » «Ja», stimmt sie zu. «Das könntest du machen.» Stattdessen äußert er ein paar Wünsche, die sie ihm doch bitte umgehend erfüllen möge. «Ich brauche eine Masseuse», fängt er an. «Und einen Hundesitter. Nicht für die Hunde, sondern für mich. Irgendjemanden, der mit mir spazieren geht. Und ich brauche jemanden, der mir die Bäume zeigt, damit ich weiß, wo sie sind. Außerdem will ich, dass immer jemand vom Touristenbüro da ist, der mir die örtlichen Sehenswürdigkeiten erklärt. Der darf aber nicht direkt mit mir reden, sondern immer nur über dich. Ich darf ihn nie zu Gesicht bekommen. Außerdem möchte ich ein Superman-Kostüm und übernatürliche Kräfte ... » Josie nickt.
Die Frage liegt in der Luft, ob Rob wirklich Sex vor laufender Kamera haben möchte, und niemand hat ihn bis jetzt direkt darauf angesprochen. Bisher war nur klar, dass am Set ein paar Darsteller sein müssen, die im Falle eines Falles bereit sind, alles mitzumachen. Beim Mittagessen in seinem Wohnwagen macht er sich erst jetzt Gedanken darüber, wie weit er gehen sollte. «David», meint er, «ich glaube, bei dem Sex-Kram sollte auch ein bisschen richtiger Sex-Kram dabei sein.» «Geschlechtsverkehr?», fragt David entspannt. «Ich dachte eher an Oralsex», meint Rob. «Und ihr ... » – er lässt seinen Blick über die versammelte Entourage im Wohnwagen schweifen – «dürft nicht zugucken.» Ich frage ihn, warum er echten Sex haben will. Er zuckt mit den Schultern. «Ich würde Geschmacksgrenzen überschreiten», meint er. «Und es könnte grauenvoll schief gehen. Wie bei dem Swing-Album. Soweit ich mich erinnern kann, hat das noch niemand gemacht.»
Gibt es irgendetwas, was du nicht machen würdest? «Richtigen Verkehr, wahrscheinlich. » Er bittet darum, dass die Blonde zu ihm kommt, damit sie ihre gemeinsame Szene besprechen können. Vielleicht will er mit ihr auch schon mal proben. Sie ist allerdings noch beim Mittagessen. Als sie vorbeikommt, muss er schon wieder zum Set. Sie unterhalten sich kurz auf der Straße, sie grinst, dann geben sie sich die Hand. «Alles in Butter», sagt er. «Solange keine Schlangen mitwirken.» Zuerst muss er die Lippen-Synchronisation zu «Come Undone» machen. Eineinhalb Tage nach Drehbeginn ist der Song heute zum ersten Mal am Set zu hören. Normalerweise geht das jeweilige Stück den Mitwirkenden bei einem Video-Dreh ziemlich schnell auf die Nerven, weil es in 20-Sekunden-Schnipseln bei allen möglichen Szenen gespielt wird. Dieses Video wurde bisher ohne Musik gedreht, bis auf die Party-Szenen, für die Jonas allerdings etwas schnellere und härtere Musik als «Come Undone» benutzt hat (zum Beispiel «You Shook Me All Night Long» von AC/DC). Rob ist kein großer Freund von Synchronisations-Aufnahmen, wobei es ihm bei seinen harmloseren Texten etwas leichter fällt. «Ich bin besser, wenn es um Triviales geht», sagt er. Die Szene soll in einem rosafarbenen Zimmer gedreht werden, das Jonas gerade erst entdeckt hat. (Der Hausbesitzer lässt sich sofort weitere 5000 Dollar zahlen, weil das Zimmer nicht zur vertraglichen Vereinbarung gehört.) Rob sing das Stück sehr schön (er stellt sich währenddessen das Video Yellow von Coldplay vor), aber leider schwenkt die Kamera beim zweiten Take nach unten und erwischt Rob dabei, wie er gerade an seinen Zehnägeln herumpult. Als er nach dem dritten Take in die Küche kommt, ertönt schwacher Applaus. «Lasst das», wehrt er ab. «Das war immer noch nicht genug.» Auf CNN wird über die Möglichkeit diskutiert, Saddam Hussein zu stürzen. «Unter zwei Übeln wählt man besser das, was man schon kennt», sagt er zu mir. «Schreib auf, dass ich das gesagt habe.» Er beobachtet entsetzt, wie ich in mein Notizbuch kritzele, als wäre ich zu dämlich zu merken, dass er eben einen Scherz gemacht hat.
Ich erkläre ihm, dass ich nicht aufschreibe, was er gesagt hat, sondern dass er mir gesagt hat, ich solle es aufschreiben. «Oh», meint er.
«Rob, brauchst du irgendetwas?», will Josie wissen. «Die Liebe einer guten Frau», antwortet er. «Ich glaube, das kann ich arrangieren», meint sie. «Nein, eine gute Frau», sagt er. «In der Zwischenzeit vielleicht einen Kaffee?», schlägt sie vor. «Ja.»
Das blonde Mädchen erklärt Rob, ihr Agent habe ihr davon abgeraten, Sex mit ihm vor der Kamera zu haben. «Okay», sagt er. Er versucht nicht, sie zu überreden. Wie in anderen Situationen auch genügt manchmal eine Kleinigkeit, und er verliert das Interesse. Wahrscheinlich ist es ohnehin das Beste. «Dir wäre es lieber, wenn ich das nicht machen würde, oder, Josie?», fragt er. «Na ja, ich glaube kaum, dass wir das Material verwenden könnten», antwortet sie diplomatisch. «Mist», murmelt er und ist jetzt doch genervt. Ihm fällt ein, warum er überhaupt auf die Idee kam. «Kontroverse.» Sagt er. «Kontroverse, Kontroverse, Kontroverse ... » Die meisten Entertainer protestieren, wenn man ihnen unterstellt, provozieren zu wollen. Alles muss wie ein ernst gemeinter künstlerischer Impuls wirken, Robbie Williams dagegen will ganz absichtlich Kontroversen auslösen – als Teil seiner Strategie, hinter dem Spiel mit Oberflächlichkeiten etwas Ernstes und Ehrliches zu kommunizieren. Vielleicht ist es wirklich nicht nötig, dass er Sex hat. «Es kommen Ungeziefer vor, aufgeschnittene Pulsadern, Drogen und eine Sex-Szene», zählt Josie auf. «Das wird bestimmt nicht im Kinderfernsehen gezeigt.» Wie auch immer: Rob weiß, dass Jonas seinen Co-Star notfalls zwingen würde, sich an die getroffene Verabredung zu halten, aber inzwischen gefällt ihm die ganze Idee nicht mehr. «Ist mir, ehrlich gesagt,
wurscht», sagt er. «Lass uns jetzt fertig werden und nach Hause gehen.» Er geht in den Garten und steht an der perfekt geschnittenen Rasenkante. Er streckt seine Arme aus und beugt sie nach hinten. «Ich berühre Robbie Williams' Hintern», sagt er. Die Bettszene wird erst ganz zum Schluss gedreht. Rob bittet um etwas Deo und ein Pfefferminz. «Ich gehe jetzt», sagt er. Während er bei den Mädchen ist, sitze ich eine Tür weiter im Badezimmer mit Daniel, Robs Friseur, mit dem er auch befreundet ist, und den zwei Typen, die auf ihre Bettszene mit Rob warten. Sie scheinen schwer betrunken zu sein. Aus dem Schlafzimmer kann man Jonas hören, der Anweisungen und Ermunterungen brüllt, und jede Menge Gelächter. Die Zeit wird knapp. Die Vorgaben, bis wann gedreht werden darf und wann das Haus geräumt sein muss, sind streng. Die beiden Typen werden ins Zimmer gerufen. Noch mehr Gelächter dringt durch die Wand. «Hoch!», ruft Jonas. «Ich kann kein Gesicht sehen! Und wieder runter. Auf die Knie! Geh hoch auf die Knie!» Ich höre Robs Stimme. «Alle versuchen hier zu dominieren», sagt er. Ich bin nicht sicher, ob das eine Beschwerde ist, ein Kommentar oder ein Ausdruck des Jubels.
Er verabschiedet sich flüchtig und verlässt den Raum. Erst im Dunkel des Busses erzählt er, wie es war. «Muffige Muschi», sagt er und lässt das erst mal so stehen. Er erzählt zuerst von den Männern. «Der mit den weißen Haaren war absolut volltrunken», erzählt er. «Der wollte nur vögeln. Und ich so: » Er lacht in sich hinein. «Das wird ein Theater werden.» «Hatte er Pfefferminz?», fragt Josie. «Ich habe die Jungs nicht geküsst», sagt Rob. «Ich habe sie nur von hinten gefickt.» «Keine Zunge, nur Sex von hinten ... », fasst Josie zusammen, als würde sie mitschreiben. (Bisher bestand keine Notwendigkeit zu betonen, dass der Sex-Akt mit den Männern natürlich nur vorge-
täuscht wurde. Aber vielleicht sollte das einmal deutlich gesagt werden.) «Die beiden Mädchen sind absolut übergeschnappt», erzählt er. «Die haben mich völlig irre gemacht, aber es war cool, und wir wälzten uns so herum, bis die Jungs dazu kamen und der eine Besoffene mich wirklich vögeln wollte. Aber es war wirklich sehr komisch, und jeder wollte dominieren.» Ich frage, ob es Spaß gemacht hat. «Ich glaube schon. Die waren total albern und sehr jung und haben sich über Sachen kaputtgelacht, die überhaupt nicht lustig waren. Und ich habe einfach nur versucht, meine Rolle zu spielen. Nichts versucht oder so, nur die nackten Brüste angefasst, die beiden haben sich geküsst, dann haben wir uns alle drei geküsst. Und dann die Jungs.» Hast du deine Hosen anbehalten? «Ich schon, ja. Die anderen nicht. Aber das war auch nicht weiter schwierig. Es war auch nicht erotisch oder sexy. Sagen wir mal so: Erigiert bei den Mädels und verdammt winzig bei den Jungs. Ich würde es euch erzählen, wenn ich es sexy gefunden hätte.» Er kommt nochmal auf die seiner Meinung nach höchst unprofessionellen weiblichen Gerüche zurück. «Ich meine, man sollte seine Muschi doch für so was in Ordnung halten, oder?», fragt er. «Das ist so, als würde ein Klempner ohne seine Schraubenschlüssel auftauchen», meint Lee.
Wir gehen schnell noch etwas im Standard am Sunset Strip essen. Rob behauptet vor dem Kellner, er sei seit fast 24 Stunden auf den Beinen, und Josie meint, er solle mal nicht übertreiben. «Der weiß das doch nicht», sagt Rob. «Er hält mich jetzt für unheimlich cool.» Pause. «Er weiß nicht, dass ich bei Take That war.» Pause. «Der ist jetzt da drin und sagt: <Wer ist bloß dieser unheimlich coole Typ? Der ist ein bisschen wie Liam, aber auch ein bisschen wie Norman Wisdom.>» Während dieser Unterhaltung stellt sich heraus, dass Daniel, Robs Friseur, nur eine vage Vorstellung davon hat, wer Take That
eigentlich war, obwohl er Engländer ist und früher in London gelebt hat. Er hat auch sonst keine Ahnung, was in der Popkultur der letzten 15 Jahre los war. Rob nennt ihm ein paar Meilensteine: «New Kids on the Block. Pause. Grunge-Musik und Techno und Take That. Pause. N'Sync, Backstreet Boys.» (Die kennt Daniel, weil er Howies Haar damals abgeschnitten hat.) «Kennst du das noch?», fragt Rob und fängt mitten im Lokal an, «Pray» zu singen. «Was für ein bewegender Moment zwischen zwei Männern, nicht wahr?», sagt Lee. «Vier Wochen lang die Nummer eins», sagt Rob. «Sing noch ein anderes», bittet Daniel. Rob singt «Everything Changes». «Ja, das kenne ich», meint Daniel erleichtert, woraufhin Rob ihm noch «Gould It Be Magic?» und «Back For Good» vorsingt. Dabei fällt Daniel ein, dass er als Ordner gejobbt hat, als Take That in Wembley auftrat. Aber er stand damals mehr auf House-Music. «Ich bin nicht gekränkt, dass du nicht weißt, wer Take That war», meint Rob. «Ich bin nur fassungslos.» Daniel hat nie mit Rob über dessen Vergangenheit gesprochen, scheint jetzt aber plötzlich interessiert. «Und dann hast du einfach aufgehört?», fragt er. «Ja», meint Rob. «Das wurde einfach alles zu heftig, die Sache lief aus dem Ruder. In Deutschland beispielsweise mussten viele Fans psychologisch betreut werden. Ein Mädchen hat sich sogar umgebracht.» «Wie viele Fans hattest du?», will Daniel wissen. «Sagen wir mal so: Zum Valentinstag habe ich 80 000 Karten bekommen», meint Rob. Ich möchte wissen, wie viele er in dem Jahr verschickt hat. «Keine einzige», antwortet er.
Daniel will immer mehr wissen. Die Unterhaltung geht in Robs Haus weiter. Irgendwie ist es süß und interessant zu beobachten, wie Rob
versucht, jemandem seine Vergangenheit zu erklären, der nicht die geringste Ahnung hat, was damals los war. «Ich meine, es kannte doch nicht jeder Take That, oder?», fragt Daniel. «Nein», gibt Rob zu. «Du nicht und ein paar alte Leute auch nicht.» «Wie lang war die Band denn zusammen?» «Fünf Jahre.» «Habt ihr von Anfang an Erfolg gehabt?» «Ich glaube, wir waren dreieinhalb Jahre lang wirklich groß.» «War das toll, als ihr endlich bekannt wurdet?» «Manches war aufregend, ja. Wir mussten nur so wahnsinnig viel arbeiten, dass wir einfach zu müde waren, um es zu genießen.» «Wie waren denn die anderen in der Band?», fragt Daniel. «Super, Mann», antwortet Rob. «Arschgeigen?», fragt Daniel. «Nein, keine Arschgeigen. Sie waren sehr jung. Und unser Manager war der Teufel. Er hat versucht, uns gegeneinander auszuspielen.» Rob lacht. «Das ist die offizielle Version. Ehrlich gesagt war Barlow eine kleine Arschgeige.» «Hast du dann gleich deinen eigenen Kram gemacht, nachdem du aus der Band ausgestiegen bist?» «Nein, ich habe erst mal ... Ich habe damals schwer getrunken und massenhaft Drogen genommen und war ziemlich am Ende ... » «War das der Höhepunkt?» «Na ja, so gegen Ende ... Ich meine, ich war während der ganzen Zeit immer gut dabei, aber zum Schluss war ich einfach jeden Tag komplett dicht. Dann habe ich die Band verlassen und ein Jahr mit Drogen herumexperimentiert, sonst gar nichts. Dann verlor ich mein ganzes Geld bei Prozessen und unterschrieb einen neuen Plattenvertrag und hing mit dem ganzen Star-Klüngel in London herum. Ich suchte Freunde, ich wollte cool sein und so weiter. Und nach ungefähr einem Jahr sagte die Plattenfirma: <Wissen Sie was, wir müssen jetzt mal einen Song von Ihnen rausbringen.> Na gut, dachte ich. Die Plattenfirma wollte, dass ich von George Michael aufnehme. Das war für mich okay, solange es bedeutete, dass sie mich wieder eine Weile in Ruhe lassen. Also brachte ich von George Michael raus.»
«Echt?» «Ja.» «Wie lief das?» «Es wurde immerhin Nummer zwei der Charts, aber irgendwie ist das in der Geschichtsschreibung verloren gegangen. War ja auch ein Witz: Ich wollte unbedingt etwas machen, jemand anderes sein, ich selbst sein ... Und als Erstes bringe ich eine CoverVersion heraus.» «Und was dann?» «Dann wurde ich nach Miami geschickt, damit ich mit Desmond Child, der auch geschrieben hat, ein paar Songs komponiere.» «Ist das ein Typ?» «Ja. Und es war wieder so: Lasst mich bloß in Ruhe, ich geh schon. Ich habe eine Unmenge an Geld und Zeit in ein paar schlechte Songs investiert.» «Wessen Geld?» «Meins.» «Und woher hattest du das Geld?» «Vorschuss von der Plattenfirma.» «Und dann musst du es für so was ausgeben.» «Kann man wohl sagen. Aber wenigstens habe ich einen Song geschrieben, der ganz okay war, . In einer Art Rundumschlag habe ich mich erst mit Desmond und dann mit dem Boss der Plattenfirma gestritten, weil ich sagte, das andere Zeug singe ich nicht. Als ich nach Hause kam, gaben sie mir ein Stück Papier mit allen möglichen Songschreibern, von denen ich mir einen aussuchen sollte. Und ich sah diesen Namen, Guy Chambers, und der war's. Ich ging zu ihm, und am ersten Tag haben wir geschrieben, den Song, der meine Karriere in Gang gesetzt hat. Anschließend machten wir innerhalb einer Woche ein ganzes Album fertig.» «Mochtest du ihn?» Rob hält inne. «Ja. Ich fand ihn merkwürdig, aber ich mochte seine Verrücktheiten.» «Hast du damals noch getrunken?»
«Ja. Ich war fett. Weil ich so viel ... Kokain funktioniert bei mir andersherum: anstatt dünner zu werden, quoll ich auf. Außerdem habe ich phänomenale Mengen an Kuchen verdrückt.» «Wow. Und was passierte dann?» «Das Album kam heraus und ich merkte, dass ich ein Vollidiot war und einen Entzug machen musste. So, wie ich aussah, konnte ich unmöglich die Platte promoten. Außerdem wusste ich, dass ich nicht selbst in der Lage war, mit dem Trinken aufzuhören. Aber in Wirklichkeit machte ich den Entzug nur aus Eitelkeit, nicht, um wirklich mit dem Trinken aufzuhören. Ich wollte ein bisschen abnehmen und wieder besser aussehen und dann losgehen, um das Album zu promoten. Die Platte wurde gemischt, während ich auf Entzug war. Dann ließen sie mich einen Tag raus, um das Video zu drehen.» «Und du wurdest trocken? Das war's?» «Für eine Weile, ja.» «Und seitdem hast du nie wieder getrunken?» «Oh Gott, nein. Ich war für höchstens zwei Monate trocken.» «Oh.» «Aber ich ging in der Klinik zwischen 20 und 25 Kilometer am Tag spazieren und aß überhaupt nichts und nahm reichlich ab und sah wieder ganz schön gut aus, als ich rauskam. Dann erschien die Platte und verkaufte 23 000 Stück in drei Monaten.» «Ist das gut oder schlecht?» «Richtig schlecht. Aber dann brachten wir heraus, und es schoss sofort nach oben.» «Was hast du außer geschrieben?» Rob legt sich mit dem Rücken auf den Küchentresen und zählt ein paar auf: «, , <South Of The Border>, , , <Millennium>, , <She's The One>, <Strong>, , , <Supreme>, ... «Hast du die alle mit Guy geschrieben?» «Ja.» «Und jetzt redest du nicht mehr mit ihm, weil du ihn für ein Idioten hältst?» Noch eine Pause. «Ganz so einfach ist es nicht. Ich glaube, er ist einfach irgendwie durchgedreht ... »
Auch die Daily Mail schreibt jetzt über die Spielgeschichte: ROBBIES 2-MILLIONEN-GEWOHNHEIT. Aber am nächsten Tag gibt es größere Probleme. Gegen fünf Uhr nachmittags – ein Uhr morgens Londoner Zeit – können wir im Internet die Titelseite der Sun vom nächsten Tag lesen: RACHEL LÄSST ROBBIE FALLEN. Es ist ein böser Artikel, in dem behauptet wird, sie habe die Beziehung zu Robbie beendet, «weil sie nicht mehr mit seiner <Paranoia> umgehen kann». Weiter steht da: «Model/Schauspielerin Rachel Hunter, 33, erklärte dem megareichen Sänger gestern Abend, dass ihre Romanze beendet sei – am Vorabend seines 29. Geburtstages.» Das einzig Wahre daran ist, dass sie sich wirklich nicht mehr viel sehen, aber die Gründe haben nichts mit dem zu tun, worüber die Sun schreibt. Er schüttelt den Kopf. «Die Geschichte ist von vorne bis hinten ausgedacht», sagt er. «Ich mache mir etwas Sorgen, wie das auf die zukünftige Mrs. Williams wirken mag, verstehst du?» Er glaubt, dass die Zeitungen seine Depressionen, mit denen er offen und ehrlich umgegangen ist, als Erklärung für alles verwenden, wie es ihnen gerade passt. An der ganzen Sache ist noch etwas phänomenal Falsches: The Sun schreibt über «gestern Abend». Als wir die Geschichte lesen, ist es an dem Tag, von dem die Rede ist, gerade mal 17 Uhr. Abgesehen von allen anderen Lügen setzt die Zeitung die fundamentalen Gesetze des Universums außer Kraft: Sie beschreibt die Ereignisse eines Abends, der noch gar nicht stattgefunden hat.
7 Rob ist in New York, um Interviews zu geben und Ende der Woche beim «Rock The Vote»-Konzert teilzunehmen. Er fühlt sich hier nicht sehr wohl und ist einsam. Er sitzt in der Lobby des MercerHotels bei einem Cappuccino und fängt an, mit einem Mädchen zu reden. Während er mit ihr spricht, kommt ihr Freund herüber und legt schweigend den Arm um sie. Es ist so, als würde man sich einen Naturfilm ansehen. Kurz nach 21 Uhr erklärt Rob den Tag für beendet und geht ins Bett. Ich rede unten noch ein bisschen mit Pompey, als dessen Handy
klingelt. Es ist Rob. Er braucht Hilfe. Er kann die Fernbedienung des Fernsehers nicht finden. Am nächsten Morgen sitzen wir im Bus und fahren die Prince Street hinunter, als wir neben uns auf dem schneebedeckten Bürgersteig ein kleines Durcheinander bemerken: Kate Winslet geht die Straße entlang und wird dabei von Paparazzi verfolgt und fotografiert. «Kate!», schreit Rob und klopft an die Fensterscheibe des Busses, damit sie sich umdreht. Sie ignoriert ihn, weil sie offenbar davon ausgeht, dass wieder nur irgendjemand etwas von ihr will. «Ich bin's, Robbie!», brüllt er. Sie bleibt stehen und kommt ans Fenster, das nur ein paar Zentimeter aufgeht, also müssen sie sich durch einen schmalen Spalt unterhalten. «Hello, Darling», sagt er. «Wohin des Weges?» «Nach Hause», sagt sie. «Ich bin hier für vier Monate, ich drehe einen Film.» Er lädt sie ein, ihn jederzeit im Mercer zum Tee zu besuchen, und nennt ihr sein Pseudonym. «Sag ihnen, sie sollen machen, dass sie wegkommen», rät er ihr mit Blick auf die Paparazzi. Sie nickt. «Ich wünschte, die würden sich verpissen.» Wir fahren weiter. Rob schlürft seinen Kaffee und lächelt. «Wir Stars haben es doch wirklich gut, was?», sagt er. «Ooooh, she's made my tizzer go foo.» «Sie ist wirklich süß, oder?», meint Josie. «Ja», antwortet er. «Tizzer. Foo.» «Hat allerdings eine ernste Beziehung», erinnert ihn Josie. «Sam Mendes.» «Oh», sagt er und macht ein langes Gesicht. «Na, toll.» Wir plaudern eine Weile über andere Dinge, bis er, ungefähr 20 Häuserblocks weiter, plötzlich sagt: «Sam fucking Mendes.»
«Ich finde, ich sollte in einer Zwangsjacke auf die Bühne kommen», verkündet Rob. In seinem Zimmer findet ein Meeting statt, bei dem der Stand der Vorbereitungen für die Sommer-Tournee besprochen wird. Lee findet, sie müssten jetzt eine Entscheidung treffen, auf wel-
che Weise Rob auf die Bühne kommen soll. So, wie Rob die Idee mit der Zwangsjacke präsentiert, ist klar, dass er für bessere Vorschläge zu haben ist. «Wie wäre es, wenn ich als Astronaut auftrete?», schlägt er vor. Niemand reagiert. Er schüttelt den Kopf. «Der Helm würde meine Frisur ruinieren», meint er. «Ich glaube, die Zwangsjacke ist gut.» Lee nickt: «Ich finde auch, der Astronaut wäre zu kompliziert.» «Es könnte ganz lustig sein», sagt Rob, «wenn ich einen Haken hinten an der Zwangsjacke hätte und an einem Kran hängen würde, die Arme auf dem Rücken gefesselt.» Er macht die Pose vor. «Also beim Intro von hänge ich zweieinhalb Meter über dem Boden in meiner Zwangsjacke und weiß nicht, wie ich wieder runterkommen soll.» «Du würdest an einem Sicherheitsseil hängen», meint Lee. «Man müsste dich loshaken.» Auf einmal entwickelt sich die Idee: Wob Roberts, der Produktionsmanager, sagt: «Du kannst kopfüber anfangen wie auf dem Albumcover, und dann müsstest du dich drehen, damit du auf die Füße kommst.» Das Coverfoto nachzustellen, auf dem er kopfüber vom höchsten Gebäude in Los Angeles hängt, ist ein so logischer, offensichtlicher Show-Beginn, dass niemand darauf gekommen ist. «Escapology!», sagt Rob. «Ja. Das wäre cool. Ich muss dafür nicht mal eine Zwangsjacke tragen. Ja!» Die praktischen Seiten werden erörtert. «Es ist nur ein bisschen unsexy, wenn ich da rauswill», meint Rob. «Du müsstest für den Rest der Nummer Haltegurte tragen», sagt Wob. «Ich brauche keine Haltegurte, weil ich ja auf den Füßen lande», entgegnet Rob. Wob schlägt vor, Rob solle einen Hüftgurt tragen, damit er sich in der Luft drehen kann. Nein, meint Rob. Er will an den Füßen aufgehängt werden, wie für die Fotoproduktion. Außerdem kann er bei «Let Me Entertain You» kein Gurt tragen. «Damit kann ich nicht tanzen, ich will aber tanzen», sagt er. «Meinst du, du kannst das wirklich jeden Abend machen?», fragt Josie.
«Klar», sagt er. «Das ist so ein guter Anfang, findest du nicht?» «Du wirst das nicht länger als fünf Minuten aushalten», sagt David. «Fünf Minuten maximum.» Sie diskutieren, ob er wirklich mit einer Winde hochgezogen werden muss oder ob er sich, kurz bevor der Vorhang hochgeht, von der Treppe in die Luft schwingen kann. Aber die Grundidee ist bereits akzeptiert und Rob schon beim nächsten Thema. «Gibt es Songs, die du auf keinen Fall, und welche, die du unbedingt singen möchtest?», fragt Lee. «Ich will alle Singles außer <Eternity>», meint Rob. «<Eternity> wer-de ich nie wieder singen. Es sei denn, ich kann damit jemandem, den ich wirklich liebe, das Leben retten. Oder irgendein Scheich bietet mir eine Million.» Er rattert die Liste der Songs herunter, die er singen möchte. «Und <She's The One>?», fragt David. «Nein, verpiss dich», schimpft Rob. Er singt «She's The One» nur noch ungern, seit der Komponist, Karl Wallinger von World Party, seine Version kritisiert hat. «Ach ja: In Deutschland möchte ich covern», erklärt er. In der vergangenen Woche traf er Nena bei einer Preisverleihung in Deutschland und fragte sie, ob sie nicht mit ihm zusammen in diesem Sommer in Gelsenkirchen ihren großen Hit singen wolle. Er windet sich ein bisschen. «Ich sollte wahrscheinlich <She's the One> spielen», meint er. «Es war so ein gewaltiger Erfolg.» Er hat eine Idee, wie er das Stück singen kann, damit er es aushält. «Ich sollte es mal mit etwas Gefühl probieren.»
Nach einer Weile verliert er das Interesse an der Tournee-Besprechung, liegt auf dem Bauch auf seinem Bett und liest im Internet über sich selbst. Ich habe den Fehler gemacht, ihm zu zeigen, dass er bei Google nur «Robbie Williams» eingeben muss, um praktisch jeden englischsprachigen Artikel über sich zu finden. Im Moment liest er gerade einen australischen Artikel, in dem steht, dass Rachel die Unterhosen eines fremden Mädchens in seinem Bett gefunden hat. «Können wir sie dafür verklagen?», fragt er.
Er findet seinen Namen noch in einem anderen Zusammenhang: Auf einer Wettseite steht es 4:5, dass er zum besten männlichen Künstler bei den Brit Awards gewählt wird. Dann findet er einen Hinweis, er sei bei einer Leserumfrage des NME zum «Bösewicht des Jahres» gewählt worden. Osama Bin Laden liegt auf Platz zwei. «Ich habe diesen Preis bereits einmal gewonnen», sagt er mit einer Stimme, als wäre er bei einer Preisverleihung, «deswegen bin ich schon etwas ein-gebildet. Beim ersten Mal war ich außer mir vor Glück.» Ich erwähne, dass diesmal die Konkurrenz viel härter war, jetzt, wo Osama mitmacht. «Ja», stimmt er zu, «wenn allerdings Talente wie ich dabei sind, wenn es Böses wie mich gibt, dann bleibe ich konkurrenzlos.» Pause. «Außerdem hat Osama den großen Fehler gemacht, keine Ballade herauszubringen.» Er scheint auch keine Videos mehr zu machen, füge ich hinzu. «Ja», sagt Rob. «Der hält sich wohl für George Michael.»
Rob gibt der amerikanischen Musikzeitschrift Spin ein Interview. Er wird misstrauisch, als ihn Chuck Klosterman, der Interviewer, fragt, ob es nicht komisch sei, dass sich alle Interviews seit Unterzeichnung seines Plattenvertrages um Geld drehen. Das sei sicherlich auch für Spin einer der Gründe, sich für ein Interview mit ihm zu interessieren. Rob antwortet wahrheitsgemäß, dass er bis auf ein paar Mal bei Pressekonferenzen eigentlich kaum dazu befragt worden ist. «Tatsächlich?», fragt der Interviewer skeptisch. Die beiden scheinen nicht nur aus verschiedenen kulturellen Welten zu kommen, sie scheinen auch unterschiedlicher Auffassung darüber zu sein, wer die Figur Robbie Williams eigentlich ist. Die Gesprächssituation wird immer angespannter. Schließlich unterhalten sie sich darüber, ob er ein ernst zu nehmender Künstler sei — ein Aspekt, der vielleicht bestimmte Teile der amerikanischen Kulturindustrie interessieren mag, Rob aber völlig egal ist. «Es ist doch so», erklärt Rob schließlich mit wachsender Frustration, «ich nehme auch das <Weiße Album> der Beatles nicht ernst. Ich finde es phänomenal, aber was soll ich daran ernst nehmen? Mich berühren die Gefühle auf der Platte, und die Texte sind großartig. Wenn man mir dagegen sagen würde, Osama Bin Laden sei gerade in einem
Flugzeug auf dem Weg nach New York, um noch ein Gebäude zu zerstören – das würde ich ernst nehmen. Das <Weiße Album> höre ich mir an, und wenn ich damit fertig bin, gehe ich wahrscheinlich pinkeln. Oder ich esse etwas Gutes. Verstehst du, was ich meine?» Rob ist sich nicht sicher, ob ihn der Interviewer versteht. Nachdem er seinen leicht aggressiven Monolog beendet hat, wird er nach seinen Erfolgsaussichten in den USA gefragt. Nichts von dem, was er bisher erzählt hat, wird im Artikel als Zitat erscheinen, der Großteil der folgenden Antwort dagegen schon. Das Echo ist gewaltig. «Ich glaube nicht, dass ich den Durchbruch in Amerika schaffen werde», antwortet er. Ehrliche Antworten wie diese wirken schon in englischen Interviews etwas exzentrisch und gewagt; in den USA allerdings, wo Skepsis gegenüber Erfolg für Skepsis sorgt, wirkt so eine Antwort nicht nur kontraproduktiv, sondern beinahe beleidigend, weil sie zur Frage einlädt: Warum sollen wir in deinen Traum investieren, wenn du nicht einmal an dich selber glaubst? Rob scheint die Reaktion zu ahnen, als er weiterredet. «Ich weiß selbst nicht genau, wie ich dazu stehe», sagt er. «Ich will nicht den bedingungslosen Erfolg in Amerika. Warum gebe ich also ein Interview? Keine Ahnung. Die Termine werden für mich gemacht, und ich gehe da hin und mache die Interviews, aber innerhalb der letzten acht Monate habe ich meine Meinung darüber ständig geändert. Mein Ego sagt ... » – er flüstert wie zu sich selbst – «, und gleichzeitig sagt dieser andere Typ in mir, der Kinder und ein einigermaßen normales Leben führen möchte: Aber das Ego macht weiter: Aber um ehrlich zu sein: Ich glaube nicht, dass ich das schaffen werde.» Der Aspekt, der den Interviewer am meisten verblüfft, ist einer, an den Rob gar nicht denkt: Geld. Er scheint wie viele andere Journalisten der Meinung zu sein, dass sich der gigantische Vertrag für EMI nur dann bezahlt macht, wenn Rob auch in den USA erfolgreich ist.
Rob versucht ihm zu erklären, dass es darum nicht geht: «Sehen wir uns die Statistik an: Wenn EMI mir so viel Geld geben würde, weil sie mit meinem Durchbruch in Amerika rechnen, dann wären sie ziemlich bescheuert, weil die Statistik zeigt, dass es nicht passieren wird. Die Statistik zeigt auch, dass es bisher kein einziger britischer Künstler geschafft hat. Warum zum Teufel sollten sie es dann also machen?» Ein bisschen einfache Mathematik ist an dieser Stelle vielleicht hilfreich. Man kann davon ausgehen, dass eine Plattenfirma vier bis fünf Pfund netto an jeder verkauften CD verdient. (Das heißt, noch bevor irgendwelche Tantiemen ausgezahlt werden, was ohnehin erst fällig wird, wenn der Vorschuss wieder drin ist. Bereits berücksichtigt sind dabei einerseits die Marketing-Kosten und andererseits die Einkünfte, die sie voraussichtlich mit ihren Anteilen an Produktion und Vertrieb machen.) Wenn Rob also tatsächlich 80 Millionen Pfund bekommt, müsste EMI nicht mal 20 Millionen Stück von allen zukünftigen Alben verkaufen, um die Gewinnzone zu erreichen. Escapology hat sich außerhalb Amerikas bereits über sechs Millionen Mal verkauft, ebenso wie Swing When You're Winning, das Album, das vor dem Vertrag herauskam. Falls die Umsatzzahlen nicht dramatisch einbrechen – das einzige Risiko, das EMI wirklich eingeht –, scheint es ein sehr guter Deal zu sein, ohne dass auch nur eine einzige Platte in Amerika verkauft werden müsste. (Diese sehr grobe Rechnung klammert die EMI-Anteile an seinen sonstigen Erträgen aus, die beträchtlich sind, wenn man nur die diesjährige Tournee betrachtet.) Gegen Ende des Interviews wiederholt Rob, der mittlerweile einigermaßen verzweifelt ist, ob irgendetwas von dem, was er gesagt hat, verstanden wird, einfach seine Ausführungen. «Mit ein bisschen Glück kann ich in Amerika vielleicht 500 000 Alben verkaufen. Aber ich glaube nicht, dass es dazu kommt, weil ich dafür nicht hart genug arbeite. Ich bin nicht heiß genug drauf.»
«Das wird kein guter Artikel, David», sagt Rob hinterher und erzählt, dass sich alle Fragen nur um Geld drehten und darum, ob er nun ernst zu nehmen sei oder nicht. Er erwähnt nicht, dass ihm sein
Scheitern in Amerika prophezeit wurde. Unten bei der Band-Probe murmelt er leise zu mir: «Ich bin kurz davor, alles sein zu lassen.» Was sein zu lassen? frage ich. «Amerika.»
Er lädt ein Model ein, das er gestern Abend im Foyer kennen gelernt hat, mit ihm zusammen die neueste Michael Jackson-Dokumentation anzusehen. Anschließend gehen wir alle zu einem Auftritt von Fil Eisler, seinem früheren Gitarristen. Im Taxi entsteht zwischen Rob, dem Model und mir eine merkwürdige Unterhaltung über die Bedeutung des Wortes «demure» – was man mit bescheiden oder spröde übersetzen kann –, und ob es für Rob zutreffend ist. Der Club The Living Room ist unangenehm voll. Anfangs spielt noch eine Band, deren Sänger ein T-Shirt mit der Aufschrift «I'm In A Promising Local Band» trägt, dann kommt Fil. Gegen Ende ruft Rob dazwischen und Fil antwortet von der Bühne, und Rob singt lautstark bei den Stücken mit, die er kennt wie «My Fuck You To You». Hinterher gibt es größere Umarmungen. «Ich bin von manchen Stücken ganz gerührt», meint Rob hinterher draußen. «Vier davon würde ich gerne covern.» Auf dem Weg zurück vergleichen das Model und er ihre Fingernägel. «Meine sind Scheiße», sagt Rob. Die Nacht ist schön. Was er am besten an dem Model findet ist, dass sie Steven Wright zitiert: «Kennst du das Gefühl, wenn du mit deinem Stuhl kippelst und gleich umkippst – so fühle ich mich die ganze Zeit.» Als er am nächsten Morgen in die Lobby kommt, wird ihm von den Brit Awards erzählt. Höhepunkt muss das Duett mit anschließendem Dirty Dancing zwischen Justin Timberlake und Kylie Minogue, dem Ersatz für Rob, gewesen sein. The Sun zeigt einen Cartoon, in dem Justin Kylie in den Hintern kneift. In ihrer Wortblase steht: «Ich wünschte, es wäre Robbie», und in seiner: «Ja, ich auch.» Seinem Vater, der für eine Woche hier ist, erzählt Rob, dass er im Spiegel viele graue Haare bei sich entdeckt habe. «Erinnerst du Dich noch über die Dauerwelle, die ich hatte, als ich nach Scarborough kam?», fragt er.
«Ja», lacht Pete. «Die saß bombenfest.» «Und ich habe sie nie gewaschen. Ich muss unglaublich gestunken haben», meint Rob. «Wie alt warst du da?», fragt Josie. «14», antwortet er. «Ich habe mir die Dauerwelle am ersten Tag der Sommerferien machen lassen, und am Anfang des nächsten Schuljahres war ich der Erste, der ins Büro des Direktors gerufen und anschließend nach Hause geschickt wurde.» «Warst du die ganzen Sommerferien weg?», will Josie wissen. «Mmmm», nickt Rob. «War das nicht toll?», meint Pete. «Vier oder fünf Wochen.» «Great Yarmouth war das Beste», erinnert sich Rob. «Erinnerst du dich noch an die Nacht, als ich wegen dieses Mädchens nicht aus der Garderobe kommen wollte? Sie war böse auf mich, weil ich mit einer anderen herumgemacht hatte. Und dann gab sie mir eine Ohrfeige. Eine Ohrfeige! Ich kam mir vor wie James Bond.»
8 Diese Woche findet in New York die Grammy-Verleihung statt. Die Grammys sind das musikalische Gegenstück zur Oscar-Verleihung. «Rock The Vote» ist eine der vielen Veranstaltungen, die rund um die Grammys stattfinden. An diesem Morgen wird Rob zum Madison Square Garden gebracht, wo auf beiden Seiten des Laufstegs vor der Bühne Tische stehen. Am Kopfende jedes Tisches sitzt jeweils ein DJ der wichtigsten Radiosender Amerikas, nur wenige Schritte von einander entfernt. Dutzende Künstler werden heute von Tisch zu Tisch geschleppt, ein endloses Pop- und Promotion-Geplapper. Robs erster Radiosender ist Kiss 95 aus Charlotte, und die erste Frage dreht sich um seinen Durchbruch in Amerika. «Ich halte mich eigentlich für einen Scharlatan und denke immer, bald merken das alle anderen auch», erklärt er. «Vielleicht wissen das die Menschen in Amerika schon.» Die Interviews dauern vielleicht vier Minuten, dann wird er schnell zum nächsten gescheucht. «Jetzt kommt San Francisco!», wird ihm gesagt, als ob er tatsächlich auf dem Weg in diese Stadt sei. Er arbeitet sich im Zickzack durch den Raum, vorbei an Art Garfunkel
oder George Clinton, die ihrerseits wie Riesen in Sieben-MeilenStiefeln quer durch die USA gezerrt werden. In San Francisco wird Rob aufgefordert, die Hörer «mit einem Schwank aus seinem Leben zu beeindrucken». «Mein Penis ist nicht besonders lang, hat aber einen unglaublichen Durchmesser», sagt er. «Robbie Williams!», ruft der DJ. «Bestückt wie ein Baumstumpf!» «Wie der Arm eines Kleinkindes», verbessert Rob. Auf dem Highway-Teppich zwischen den einzelnen Städten läuft er John Mayer in die Arme und sagt ihm, er würde furchtbar gerne mit ihm zusammenarbeiten. John Mayer scheint sehr interessiert. «Ich werde meine Leute bitten, sich mit deinen Leuten in Verbindung zu setzen», verspricht Rob. Während er herumgeht, bekommt er lauter gute Ratschläge, die ihm Mut machen sollen, aber eigentlich nur unterstreichen, wie schwierig es sein kann, die amerikanischen Radiosender zu erobern. Die DJ´s erzählen ihm beispielsweise, dass sie «Feel» lieben und wirklich hoffen, ihr Sender wäre bald in der Lage, das Stück auch zu spielen – als wäre das ein mysteriöser, schwer zu berechnender Vorgang.
Es ist nicht einfach, die Dinge, die Rob sagt, in schriftlicher Form wiederzugeben, weil er genau wie auf der Bühne sehr oft zwischen Sarkasmus und Ernsthaftigkeit hin und her wechselt. Häufig imitiert er die Stimmen anderer Leute. Wenn er irgendetwas besonders Aufgeblasenes oder Idiotisches oder Prätentiöses von sich gibt, benutzt er seine Alan Partridge-Stimme. Er hat aber auch andere Stimmen im Repertoire. Er macht das vor allem in Gesprächen mit jungen Engländern, bei denen er davon ausgehen kann, dass sie ungefähr wissen, worauf er sich bezieht, aber auch — und genauso ohne Erklärung — mitten in einem japanischen Interview. Ich glaube, er versucht auf diese Weise, Ironie von ernst Gemeintem zu unterscheiden. Manchmal will er damit wohl auch andeuten, dass er sowieso nicht glaubt, verstanden zu werden. Manchmal macht er es auch nur, um selbst ein bisschen Spaß zu haben. Er kann sich nicht sehr lange konzentrieren, und ich glaube, manchmal findet er es einfach zu langweilig, einen
vollständigen Satz zu sagen, ohne ihn ein bisschen herumzudrehen und zu verfälschen und dadurch irgendwie zu einer anderen Perspektive zu gelangen. Sich mit Rob zu unterhalten ist ungefähr so, als würde man einen Film sehen und gleichzeitig den Kommentar des Regisseurs hören.
Im Roseland Ballroom macht Rob mit seiner Band den Soundcheck und singt eine etwas schlampige Version von «Get A Linie High». («Get A Little High» wurde zusammen mit «One Fine Day» der amerikanischen Ausgabe von Escapology hinzugefügt und wird als potenzielle Single-Auskopplung gehandelt. Dagegen fehlen «Song 3», «Hot Fudge» und «I Tried Love» — obwohl die englischen Kritiker der Meinung waren, gerade die beiden letzteren Songs könnten die Amerikaner beeindrucken.) In der Mitte einer Strophe klettert er auf einmal von der Bühne, um jemanden zu begrüßen, der ihm vom hinteren Teil des Saales aus zugesehen hat. «Ich habe in meinen Teenager-Zeiten ständig eure Musik gehört», sagt Rob. «Echt. Ich dachte, ich sage mal hallo.» «Ist mir ein Vergnügen», sagt Professor Griff von Public Enemy. «Nein», meint Rob und versucht irgendwie deutlich zu machen, dass es ihm nicht um irgendwelche Schmeicheleien zwischen Stars geht, sondern dass die Gruppe wirklich wichtig für ihn war. «Es ist mir ein echtes Vergnügen», betont er und sagt, dass Public Enemy eine fast mythische Bedeutung für ihn hatte. Dann fügt er noch hinzu, wie gut er Professor Griffs Solo-Album, Pawn In The Garne, fand, aber er hat den Eindruck, dass der alles, was Rob sagt, etwas merkwüdig findet. Er springt zurück auf die Bühne und geht sein Set durch. Bei der Rap-Kakophonie am Ende von «Millennium» geht Professor Griff mit dem Kopf mit und macht dann auf dem Boden Liegestütze. Ich habe den leisen Verdacht, dass es ein Stück gibt, das Rob nur ungern vor Public Enemy singen möchte. Wahrscheinlich habe ich Recht, denn als die Band mit «Rock DJ» beginnt, springt Rob von der Bühne und geht nach draußen zu dem wartenden Bus. Im Hotel sieht er im Fernsehen einem Stand-up-Comedian zu. «Sie sollten mich erst einmal live sehen», sagt der Comedian zum Publikum. «Ich bin wirklich hervorragend.»
Ein paar Stunden vor seinem Auftritt fährt er im gleichen Bus wieder zum Roseland Ballroom zurück. Auf dem Weg dorthin erklärt ihm Shelby, seine amerikanische Pressefrau, dass ihm auf dem roten Teppich vielleicht ein paar politische Fragen gestellt werden, und erzählt ihm, worum es bei «Rock the Vote» geht. «Sie sammeln Geld, um die Kids dazu zu bringen, wählen zu gehen», erklärt sie. «Die Teenager sollen lernen, dass sie politische Verantwortung haben und auch ihre Stimme zählt.» «Okay», sagt Rob. «Findest du es wichtig, dass jeder wählen geht?» «Allerdings», sagt Shelby. «Klar», murmelt Jason vom Beifahrersitz herüber. «Wählt Arschloch Nummer eins oder Arschloch Nummer zwei.» Jason ist einer der drei ständigen Bodyguards und ein kanadischer Ex-KickboxChampion. «Es zählt doch jede Stimme», argumentiert Shelby. «Na ja», sagt Rob, «ist mir eigentlich egal. Ich habe noch nie gewählt.» Shelby lacht nervös. Offensichtlich hat sie nicht mit dieser Debatte gerechnet, schon gar nicht fünf Minuten vor dem Veranstaltungsort. Rob überlegt einen Moment. «Ich könnte natürlich auch lügen», schlägt er vor. Ihm gefällt, was Jason gesagt hat. «Das ist es doch», meint er. «Das ist doch echt wichtig: Wähle Arschloch Nummer eins oder Arschloch Nummer zwei. Aber wenigstens ist es dein Arschloch. Na bitte. Das ist die Antwort. Ich denke tatsächlich, ich sollte auch mal wählen gehen. Werde ich auch. Wenn ich ein Arschloch gefunden habe, das ich mag.» «Ein sympathisches Arschloch», schlägt sein Vater vor. «Ein sauberes Arschloch», sagt Rob.
Der erste unangenehme Moment des Abends passiert, während wir noch im Bus sitzen. Als wir versuchen, vor dem Roseland Ballroom zu halten, winkt ein Polizist den Bus weiter, um unseren Parkplatz freizuhalten. Unser Fahrer versucht ihm etwas zu erklären, aber der Polizist schreit ihn an und verlangt immer wieder, er solle gefälligst weiterfahren. Als der Fahrer einfach nicht reagiert, verlangt der Polizist seine Papiere und kündigt an, ihn zu verhaften. Nur mit
Pompeys Hilfe gelingt es, die Situation zu entschärfen. Rob geht den roten Teppich entlang und gibt ein paar Kurzinterviews. «Das ist eine dieser Situationen, in der ich die Leute für mich gewinnen muss», sagt er in eine Kamera. «Hier sind lauter Leute, die nicht wissen, wer ich bin, und das beängstigt mich etwas.» Am Ende der Schlange steht Liquid News. «Robbie, komm her und sag hallo zu , wir haben hier Robbie Williams bei uns ... » «Ist das England?», fragt er. «Ja, ist es», sagt sie gut gelaunt. Liquid News ist eine Pop- und Klatsch-Sendung auf dem neuem Kabelsender der BBC. Ihre Haltung könnte man ungefähr so beschreiben: Wir kennen uns aus und wissen genauso gut wie die Stars, wie albern ihr Leben ist. «Deine Sendung ist Scheiße», sagt Rob. «Ich habe sie mir angesehen. Ihr stellt jeden Star ohne Ausnahme als Wichser dar. Ich persönlich finde das beleidigend.» Er sagt noch mehr, meint dann aber plötzlich: «Das reicht jetzt» und geht hinein. Ungefähr zehn Minuten lang ist er hochzufrieden, Liquid News die Meinung gesagt zu haben, dann bereut er es langsam. «Ich wünschte, ich hätte das nicht alles gesagt», meint er in seiner Garderobe. «Auch wenn ich das so meine ... Ich hätte einfach überhaupt nichts sagen sollen.» Rob wird in ein Zelt gebracht, in dem Iann Robinson von MTV Interviews macht. «Na, was führt dich denn heute Abend hierher?», fragt er Rob. «Meine Plattenfirma und mein Management, um ehrlich zu sein.» «Wirklich? Das ist alles?» «Ja.» «Wow.» «Ja. Die meinten, es wäre eine gute Veranstaltung, und ich sagte, okay.» Später meint er, er dachte, er höre nicht richtig, als ihm die nächste Frage gestellt wurde, aber er antwortet, ohne zu zögern. «Nachdem die ganze Welt darauf wartet, ob jetzt ein Krieg ausbricht», sagt Iann Robinson, «bedeutet das für dich, dass du dich jetzt stärker engagieren wirst?»
«Ähm, ich weiß nicht, was passieren wird, um ehrlich zu sein. Ich mache mir nur große Sorgen ... alles scheint so unsicher. Amerika und England und Bush sagen, <Ja ja ja ja>, und alle anderen sagen, ...» Es wirkt etwas seltsam, wie er in den MTV-News über einen drohenden Kriegsausbruch im Tonfall einer Comedy-Serie spricht. «... also bin ich einfach sehr verwirrt.» Er redet ein bisschen über Public Enemy und Peter Gabriel (dem hier ein Preis verliehen werden soll), anschließend wird er zu dem Feuer in einer Discothek in Rhode Island befragt, bei dem 100 Menschen ums Leben gekommen sind. Ob er jemals selber in einer gefährlichen Situation gewesen sei. «Nein», antwortet er. «Für mich wird es nur gefährlich, wenn mir andere Leute zu nahe kommen, und diese Art der Gefahr habe ich eigentlich ganz gerne. Normalerweise bin ich ein bisschen » Er merkt plötzlich, dass er unpassendes Zeug redet. «Aber das ist eine ernste Frage. Ich habe die Videoaufnahmen gesehen. Schrecklich, so etwas darf nicht passieren ...» «Wer, meinst du, trägt die größere Verantwortung in so einer Situation», insistiert der Interviewer: «Der Künstler, der aufgetreten ist, oder die Discothek?» «Keine Ahnung», sagt Rob. «Wahrscheinlich Gott.» Iann Robinson dreht sich zur Kamera. «Ihr habt es bei uns zuerst gehört ... », sagt er.
Zurück in der Garderobe, bringt ihm Josie sein Abendessen. «Josie, ich kann nichts essen», sagt er. «Ich finde es furchtbar hier. Wirklich.» Er sagt, er sei nervös und finde die Vorstellung unerträglich, vor einem Publikum aufzutreten, das seine Songs nicht kenne. Er wird zu einem Gruppenfoto gebeten. Peter Gabriel begrüßt ihn mit großer Herzlichkeit. Er schüttelt Lou Reed die Hand und sagt: «Sehr erfreut, Sie kennen zu lernen.» («Er hat mich angeguckt, als wolle er sagen: <Wer bist du denn?> Vielleicht auch: <Was bist du denn?>») Alanis Morissette guckt leicht amüsiert und nimmt seine Hand in
beide Hände. Dann lernt er Chuck D. kennen. «Robbie», sagt er. «Ich bin dir auf den Fersen, Mann. Ich lese überall über dich.» «Ich benehme mich immer schlecht», antwortet Rob. Sie stellen sich in Pose, von links nach rechts: Lou Reed, Rob, Alanis Morissette, Peter Gabriel. «Ich glaube, der NME wird bei einem Foto von Lou Reed und mir seinen Spaß haben», sagt er, als er wieder in seiner Garderobe ist. Er denkt über die Reaktion von Alanis Morissette nach. «Sie hat mich so angeguckt, als wolle sie sagen: Vielleicht habe ich irgendetwas Blödes gesagt.» Dann fällt ihm ein, dass er in Interviews eine Zeit lang über Dinge in ihrem Song «Ironic» geredet hat, die überhaupt nicht ironisch waren, und denkt darüber nach, ob das der Grund sein könnte. «Ich hätte gerne mit ihr darüber diskutiert», sagt er. «Ich meine, <eine schwarze Fliege im Chardonnay> ist doch nicht ironisch. Es ist eine tote Fliege.» Ich weise ihn darauf hin, dass es um Weißwein und eine schwarze Fliege ging. Er denkt kurz nach. «Ich habe Unrecht», sagt er und zuckt mit den Schultern. Im Flur lernt er Peter Gabriels Tochter kennen und erwähnt, dass ihr Vater und er am gleichen Tag Geburtstag haben. «Ist er auch so schwierig und unsicher?», erkundigt er sich. «Ja», sagt sie. «Wie gut. Ich bin froh, dass ich nicht der Einzige bin.» Vor ein paar Minuten hat er erfahren, dass Public Enemy gemeinsam mit ihm auftreten möchte. Er freut sich. Ihr Tour-Manager kommt und sagt, er könne entweder bei «Motherfucking President» oder «Shut 'em Down» mitsingen. «<Shut 'em Down>», sagt er. «Es wäre mir eine Ehre.» Sobald der Tour-Manager wieder draußen ist, kommen ihm Zweifel, weil er diese beiden neuen Songs nicht richtig kennt. Die frühen, berühmten Alben kann er dagegen auswendig mitsingen. «Ich mache das sowieso nicht», sagt er. «Nach meinem Auftritt hau ich gleich ab.» Nicht einmal Public Enemy können ihn aufhalten. Er geht in die Garderobe seiner Band, wo sein Management heftig miteinander diskutiert. Diese Veranstaltung hier läuft anders als
angekündigt. Das Publikum scheint ausschließlich aus Leuten der Plattenindustrie zu bestehen — grundsätzlich eine undankbare Klientel —, und außerdem ist der Ballroom halb leer. «Ich habe Angst», wiederholt Rob ganz nüchtern. Im Flur geht er an Vanessa Carlton vorbei, die gerade von der Bühne kommt. «Wie ist das Publikum?», fragt er sie. «Die haben einfach weitergeredet», meint sie. «Na, toll.» «Aber dir werden sie zuhören», spricht sie ihm Mut zu, «ich bin ja nur ein Mädchen am Klavier.» Hinter der Bühne kommt Wayne Coyne auf ihn zu. Er hält einen gefüllten Teller in der Hand. Rob sagt irgendwas Freundliches über die Flaming Lips, die er vom ersten Rang aus mitbekommen hat. «Wir werfen Luftballons ins Publikum», sagt Wayne. «Ich weiß», meint Rob. «Man darf nie etwas werfen, was sie zurückwerfen können», rät Wayne ihm. «Ein Ballon kommt zwar auch zurück, aber das macht nichts.» «Ich habe immer mit Beleidigungen um mich geworfen», sagt Rob. «Und die sind trotzdem zurückgekommen ... » Am Ende der Unterhaltung hält ihm Wayne die Hand hin, während er mit der anderen seinen Teller balanciert. «Nett, dich kennen gelernt zu haben. Ich bin Wayne von den Flaming Lips.»
Als Rob auf die Bühne kommt, entsteht in den ersten Reihen in bescheidenem Maße eine gewisse Aufregung. Im hinteren Teil des Saales, wo ich stehe, wirkt das Ganze wie die Filmszene eines HighSchool-Abschlussballs, wenn alle außer den ganz Einsamen längst gegangen sind. An der Seite ist ein erhöhter Bereich, wo auch Peter Gabriel sitzt, der Rob ermutigend zunickt, während das Publikum auf den Rängen so etwas ausstrahlt wie: «Okay, englischer Angeber, wer immer du bist, versuch mal, mich zu beeindrucken.» Mir gegenüber steht ein Catering-Wagen, wo dicke, krümelige Kekse in Servietten verteilt werden, als wäre das hier ein Dorffest.
Rob tobt während «Let Me Entertain You» über die Bühne, bleibt im Instrumental-Teil plötzlich stocksteif stehen, verschränkt die Arme und blickt herausfordernd in den Raum. Dann springt er wieder über die Bühne, besprüht die ersten Reihen mit Wasser und fängt nach dem Ende des Songs wie verrückt an zu reden. «Vielen Dank», sagt er, «es ist wirklich wichtig, dass ich mich ab und zu meinem Fan in Amerika zeige.» Er brabbelt mit einer Mischung aus «Ich-will-euchkriegen», ein bisschen Feindseligkeit und einer Menge «Ichwünschte-ich-wärewoanders» vor sich hin. Vor dem Refrain seines zweiten Songs, «Let Luve Be Your Energy», kopuliert er mit dem Mikrophon-Ständer. Vor dem dritten Stück, «Monsoon», sagt er: «Dieser Song stammt aus meinem neuen Album, Escapology. Und witzigerweise kann man das ab dem 1. April käuflich erwerben. Wenn das nichts ist.» Das vierte Stück, «Millennium», kommentiert er so: «Der nächste Song war ein weiterer großer Flop hier in Amerika.» Als er bei «Come Undone» zu der Textstelle «... so corporate suit ... » und «... so damn ugly ... » kommt, zeigt er nach oben auf die Ränge. Er lässt «Get A Little High» aus. Sein letztes Stück ist «Angels». Auf den Rängen schwenken inzwischen ungefähr fünf Leute Kerzen im Takt. Der Beifall ist bei jedem Stück etwas lauter geworden, und die meisten Leute hier sind wohl der Meinung, dass sein Auftritt ein mittlerer Erfolg sei. Während Rob singt, gibt er zwischendurch Kommentare ab wie «... Sie sollten mich mal live sehen – ich bin wirklich hervorragend...» Backstage entschuldigen sich Tim und David bei ihm. «Harte Arbeit», murmelt er. «Ich bin nicht besonders gut, solange die Leute nicht mitspielen. Und das war halt ein Auftritt vor der Industrie und ein eisiges Publikum, aber es war okay. Ich habe versucht, das Beste draus zu machen.» «Ich bin fast gestorben», sagt Tim. «Nie wieder», meint David. Rob geht schnell in den Bus. «Na, Rob, das tat doch nicht weh», meint sein Vater. «Doch, tat es», antwortet er.
Am Abend des nächsten Tages sieht er sich die Grammy-Verleihung im Fernsehen an, ohne sich wirklich zu konzentrieren. Er hatte eine Einladung erhalten, kam aber gar nicht auf die Idee zuzusagen. In einer Werbepause sagt er: «Wäre doch toll, wenn wir eine DVD von Knebworth herausbringen und sie nennen würden.» Nach einigem Zureden hat er sich breitschlagen lassen, auf die After-Grammy-Party von EMI am Times Square zu gehen. Als er dort ankommt, sieht er erneut das Liquid News-Team in der Schlange stehen und geht direkt hin. «Hallo, Darling», sagt er zu der Reporterin. «Bist du heute Abend nett zu mir?», fragt sie. «Glaubst du, dass du nächstes Jahr hier dabei sein wirst?» «Ich würde mal sagen, nein», antwortet er. «Nein? Ich muss aber mal sagen: Das war sehr eindrucksvoll, was du da gestern Abend geliefert hast.» «Was? Meine Show?» «Allerdings. Am Anfang hat keiner so richtig zugehört, und zum Schluss standen sie alle ganz vorne. Warst du von der Reaktion überrascht?» «Das war das schrecklichste Publikum, das ich je hatte», sagt er. «Wirklich? Warum denn?» «Weil ich normalerweise vor Gläubigen predige, und gestern ... ich war so wütend, als ich hinkam, weil ich mir wirklich in die Hosen gemacht habe.» Sie lacht. «Und du hast meine Wut abbekommen, und dafür möchte ich mich entschuldigen.» «Das ist sehr süß», sagt sie. Sie fragt ihn ein paar Dinge zu den Grammys und den Brit-Awards. «Du bist nur hier, um dich zu besaufen, oder?», fragt sie ihn und meint die Party. «Nein, ich bin hier wegen der EMI-Veranstaltung», sagt er. «Die haben sehr viel Geld für mich bezahlt, also muss ich hier mal ein paar Hände schütteln. Sonst wäre ich längst im Bett.» «Na, wenigstens bist du ehrlich. Viel Spaß und vielen Dank.» Er umarmt und küsst sie. Ein anderes Kamera-Team schnappt ihn sich: «Wie werden Sie sich nach dem Event entspannen?», wollen sie wissen.
«Ich war nicht bei dem Event», sagt er. «Das hier ist für mich der Event.» «Und später?» «Werde ich wahrscheinlich wichsen.» Sie stellen ihm keine weiteren Fragen. Die Party ist brechend voll. Kellner laufen herum und bieten Sushi und gefärbtes Mineralwasser an. Rob hält es 25 Minuten aus und fährt zurück ins Hotel. Im Foyer wimmelt es vor Prominenten, aber die Atmosphäre ist merkwürdig ruhig und entspannt. Die Stimmung wird ja immer erst dann überdreht, wenn Stars von Menschen umringt werden, die ihnen unbedingt näher kommen wollen. Hier, wo sowieso die meisten berühmt sind und alle einen langen Abend hinter sich haben, wirken sie ganz gelöst. Rob unterhält sich mit Lucy Liu von Charlies Engeln und trifft dann auf Linda Perry. Er fragt sie, ob sie denn nun zusammenarbeiten wollen, und sie antwortet, er müsse das entscheiden. «Du musst mich wollen», sagt sie. «Na gut», antwortet er, «ich will dich, verdammt nochmal.» «Du musst mich anrufen», erklärt sie ihm, «und mir sagen, wie toll du mich findest und dass du mit mir zusammenarbeiten willst.» Er nickt. «Ich werde dich anrufen und dir das sagen.» Er lässt sich ihre Nummer geben und redet dann kurz mit Mike Myers. Kylie kommt herüber, um sich zu verabschieden. «Ich bin heute fertig», sagt er zu ihr. «Heute ist schon vorbei», korrigiert Kylie ihn. «Es ist bereits Morgen.» «Von morgen habe ich auch schon genug», sagt er. «Was wirklich blöd ist, weil ich darin noch aufwachen muss.» Justin Timberlake sagt kurz hallo, bevor er verschwindet, und Rob plaudert mit Drew Barrymore und Fabrizio von The Strokes und dann mit einer Frau, die er gestern Abend schon mal gesehen hat. «Ich habe einen schlechten Geschmack im Mund», sagt er. Sie versteht ihn nicht richtig. «Karma?», fragt sie. «Geschmack», sagt er. «Oh. Ich dachte, du hättest <schlechtes Karma> gesagt.» Er seufzt. «Das auch.»
Kurz vor ein Uhr mittags am nächsten Mittag taucht Rob wieder im Foyer auf und bestellt sich sein Frühstück: Vollkorn-Cornflakes und Müsli. Ein paar Minuten später kommt Cameron Diaz vorbei. «Danke für die DVD», sagt sie und meint die DVD mit dem Royal Albert Hall-Konzert, auf der «I Will Talk, And Hollywood Will Listen» drauf ist. Er hat sie ihr vor einem Jahr geschickt. «Sie liegt in dem Stapel neben meinem Bett. Du weißt schon – der Stapel.» Er nickt. «In dem Stapel liegen bei mir alle meine Selbsthilfe-Bücher», sagt er. Cameron streckt ihren Bauch unter ihrem kurzen Top heraus und tut so, als sähe sie fett aus. Sie erzählt, dass sie gerade auf dem Weg zu einem FHM-Fotoshooting ist, wo sie zusammen mit den beiden anderen Charlie's Angels fotografiert werden soll. «Welche Posen würdest du gern sehen?», fragt sie. «Je offenherziger, desto besser», sagt Rob trocken. «Findest du Schamlippen wirklich sexy?», fragt sie. Ohne eine Antwort abzuwarten geht sie vor ihrem Fototermin auf eine kleine Shopping-Tour. Rob ist sehr zufrieden mit sich. «Ich war wirklich witzig», sagt er. Er grüßt Gwen Stefani und sinkt dann zurück aufs Sofa. «War Cameron nicht niedlich?» «Welche war das?», fragt Pete. «Das Mädchen eben», meint Rob. «Das war Cameron Diaz.» «Und wer ist das?» «Sie bekommt 20 Millionen Dollar pro Film», erklärt Rob. «», zitiert Pompey. «», sagt Rob. «Ach!», sagt Pete. «Die ist das? Ich dachte, Cameron Diaz ist irgendein Typ, der mit Steven Spielberg zusammenarbeitet.» Mike Myers setzt sich kurz zu uns. Er unterhält sich eine Weile mit Pete und erkundigt sich, aus welchem Teil Englands er stammt, und meint dann: «Ich laufe noch ein bisschen herum. Ich mag SoHo gerne, weil es mich an London erinnert. In Los Angeles hat man nie ein Ziel.» «Das kommt daher, weil du an der Crenshaw Ave. wohnst», sagt Rob.
Mike Myers zuckt theatralisch mit den Schultern und spielt das Spiel weiter. «Ich mache einfach, was mir die Immobilien-Tante sagt», meint er. Nachdem Myers gegangen ist, will Robs Vater wissen, wer das war. «Mike Myers. Austin Powers», erklärt Rob. «Schon mal gehört», sagt Pete unsicher. «Mike Myers!», ruft Rob, obwohl er es gleichzeitig offensichtlich genießt, dass seinem Vater das alles ganz egal ist. «Er ist der erfolgreichste Komödiant der Welt!» «Wow», sagt Pete, «schön für ihn.» Und fügt dann hinzu: «Ich war der erfolgreichste Komödiant, den Stoke-on-Trent je hervorgebracht hat.» Tim kommt vorbei und erzählt, dass News Of The World Schmerzensgeld angeboten hat für den Schaden, der durch die Spiel-Story entstanden ist. Der Betrag ist lächerlich und wurde abgelehnt, aber immerhin ist es ein Anfang. In einem ruhigen Moment erkundige ich mich bei Rob, wie ihm sein großes amerikanisches Abenteuer gefällt. «Ich fand die letzten Tage ein bisschen anstrengend», sagt er. «Ich habe mich beim Arbeiten noch nie so unwohl gefühlt. Ich frage mich, warum ich das eigentlich alles mache. Auf der anderen Seite bin ich froh, dass ich nicht gesagt habe: . Es ist mehr so: Jetzt habe ich diesen Teil erledigt, mal sehen, was als Nächstes passiert.»
Ein paar Tage später steht auf der ersten Seite des Wirtschaftsteils der New York Times folgender Artikel: «Schlingernde EMI setzt alle Hoffnungen auf britischen Sänger.» Der Artikel schreibt über die Absicht des amerikanischen EMI-Geschäftsführers, David Munn, vier Millionen Robbie Williams-CDs in die Geschäfte zu schaufeln. Würde die Geschichte stimmen, wäre das wirklich außergewöhnlich für einen Künstler, dessen bestverkauftes US-Album, The Ego Has Landed (eine Compilation seiner beiden ersten Alben), gerade mal eine halbe Million Mal verkauft wurde. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass David Munn diese Zahl genannt hat. Nur sehr wenige Superstars haben es in den USA jemals geschafft, mehr als
zwei Millionen Exemplare eines Albums innerhalb eines Monats zu verkaufen, ganz zu schweigen von jemandem, der hierzulande nicht etabliert ist. CDs lassen sich schnell produzieren, es gibt also keinen Grund, gleich vier Millionen Stück herzustellen. Der Artikel hinterlässt zumindest bei Leuten, die sich im Plattenbusiness auskennen, das ungute Gefühl, dass die meisten Robbie WilliamsCDs in den Kaufhäusern verstauben werden. Die New York Times druckt hinterher sogar eine Gegendarstellung, aber es ist bereits zu spät: Der Artikel wird immer wieder als Tatsache zitiert.
Rob sieht sich auf BBC World ein Interview mit Daniel Day-Lewis an. «Der gefällt mir», sagt Rob. «Wie alt war er, als er sich zu diesem Fünf-Jahres-Plan entschlossen hat?» Er meint Day-Lewis' stillen Rückzug für fünf Jahre aus dem Schauspiel-Geschäft, der mit einer Rolle in Gangs Of New York von Scorsese endete.
9 An einem Freitag im März gehen Rob, Max, Jonny und dessen Verlobte, Nikki Wheeler, nach Mitternacht ins Shamrock TattooStudio, um sich tätowieren zu lassen. Rob lässt sich drei Tattoos machen. Zunächst sagt er dem Tätowierer, er wolle als Erinnerung an seine Großmutter «Bertha» auf der Hand haben. Während der Tätowierer noch Entwürfe zeichnet, fällt Rob ein, dass sie ihren Namen nie leiden konnte. Er kann sie geradezu hören, wie sie zu ihm sagt: «Also, wenn es unbedingt sein muss, dann lass wenigstens weg und nimm ein .» Also lässt er sich ein «B» in Schreibschrift hinter sein linkes Ohr tätowieren. Danach kommen die Ziffern 1023 auf sein linkes Handgelenk – ein Tribut an seine Freundschaft mit Jonny. J und W sind der zehnte bzw. 23. Buchstabe im Alphabet. Die dritte und größte Tätowierung möchte er an seinem Hals haben: Aus einer Liste französischer Sprichwörter hat er sich in dem Buch Schott's Original Miscellany den Satz «Chacun á son Goút» –
«Jedem das Seine» – ausgesucht. Der Tätowierer meint, das seien zu viele Buchstaben für seinen Hals, also lässt Rob sich das Ganze in einem Bogen auf die Brust schreiben. Das «C» tut ziemlich weh, aber danach geht es. Nach der Hälfte, beim «á», macht er eine Zigarettenpause. Er überlegt noch, ob er sich ein viertes machen lassen soll – den Satz «It's your birthday» oberhalb seines Penis, aber er entscheidet sich dagegen.
Vor einer ganzen Weile hatte er zugesagt, seine Version von «Beyond The Sea» – ein Stück aus dem Swing-Album – als Titelsong für den Trickfilm Findet Nemo freizugeben. Er hat seitdem nicht mehr darüber nachgedacht, aber heute Abend ist er eingeladen, um sich den Rohschnitt des Films anzusehen. Zu acht nehmen wir an dem Screening teil, das eigens für ihn auf dem Disney-Gelände stattfindet. Am Eingang erklärt Rob, warum wir hier sind. «Kann ich Ihren Ausweis sehen?», fragt der Wächter. «Habe ich nicht dabei», meint Rob. «Oh», meint der Wächter. Er überlegt. «Na ja, nachdem Sie ja offenbar Bescheid wissen, sind Sie wohl der, der Sie zu sein behaupten», sagt er. Der Vorführraum ist gleich hinter einem Holzschild, auf dem «Puhund Ferkel-Ecke» steht. Wir sind alle fasziniert von dem Film, auch wenn noch niemand den Riesenerfolg ahnt. «Trickfilme sind einfach die besten Filme», sagt Rob, nachdem das Licht wieder angegangen ist. «Ich musste weinen», sagt eine Frau von Disney. «Ihr auch?» «Ja», meint Rob, «aber ich nehme Medikamente, also macht mir so was heutzutage nichts mehr aus.»
Er hat eine Tour durch amerikanische Radiosender vor sich. Auch wenn niemand genau weiß, wie ein Hit in Amerika entsteht, gilt es als sicher, dass man die lokalen Radiosender auf seiner Seite haben muss.
Um die Strapazen so gering wie möglich zu halten, hat ihm die Plattenfirma ein Privatflugzeug zur Verfügung gestellt, damit er während der ersten paar Tage immer wieder nach Los Angeles zurückfliegen kann. Er muss trotzdem jeden Morgen um sechs Uhr aufstehen und ist entsprechend müde. Im Bus zum Rollfeld verkündet er, dass er eine Idee für die SommerTournee hat. «Nichts Besonderes», sagt er. «Ist es ja nie.» Er hat sich überlegt, wie er das mühsame «She's The One» singen könnte. «Ich gehe eine Weile von der Bühne und sage dann von hinten: » «... und dann hat er gesagt: <Er ist ein bisschen teigig, oder?>» Robs Augen leuchten. Die Beleidigungen machen ihm nichts aus. Jetzt weiß er wenigstens Bescheid und hat ein paar Informationen, die er zum Schluss verwenden kann. «Ich muss mir das alles aufschreiben», sagt er. «Jen hat was gesagt ...?» «Jen hat gesagt, du hättest ihn einfach voll übersehen bei der Ozzy Osbourne-Party. Sie kam zu dir herüber, um dich zu begrüßen, und du hast einfach durch sie hindurchgesehen, obwohl du ganz allein mit John Lovitz warst ... » «Bei Party übersehen», wiederholt er beim Schreiben. «Okay. Ich bin ein <Mastschwein> – wer hat das gesagt?» «Jen.» «Und sie haben gesagt: <Er ist ja schließlich nicht Robin Williams.>» «Teigig – das hat Greg gesagt.»
«Der fette Typ?», fragt Rob, der die Moderatoren kurz kennen gelernt hat. Er lacht. «Okay. Was noch?» «Sie haben gesagt, du könntest gar nicht richtig singen.» Er nickt. « Noch was?» «... und du bist gar nicht so niedlich.» Dann erzählen sie ihm, dass Jen angeblich einen Quickie mit Johnny Rzeznik von den Goo Goo Dolls hatte. (Die beiden sollen im Sushi Roku, einem schicken japanischen Restaurant in Los Angeles, zusammen im Klo verschwunden sein.) «Wisst ihr was?», sagt er. «Ich wette, die werden wahnsinnig nett zu mir sein.» Er zieht sein Hemd hoch und reibt sich den Bauch. Er zeigt sein 10/23-Tattoo. «Das ist der Tag, an dem ich es habe machen lassen», lügt er. Eines der Mädchen fragt, wie sich seine Single in Amerika verkauft. «Ich weiß nicht», sagt er. «Es wird so viel geredet. Ich weiß gar nicht, was das bedeutet.» Sie unterhalten sich noch ein bisschen. Die Mädchen fangen an, über Ben Affleck und Jennifer Lopez herzuziehen, bis er eingreift. «Ihr kennt diese Leute überhaupt nicht», sagt er und erklärt ihnen, dass das, was in den Zeitungen geschrieben wird, oft nichts mit der Wahrheit zu tun hat. «Ich scheine ja ein ziemlicher Wichser zu sein», sagt er. «Wenn jemand behaupten würde, dass du Kinder frisst», sagt die Engländerin, «würde ich dich immer noch mögen.» «Das finde ich ein bisschen komisch», sagt er. «Aber danke.»
Gleich zu Anfang des Interviews zieht er sein Hemd hoch, und Jen sagt, «Hi, fox!» Es gibt drei Moderatoren, Jen, Greg und Sarah. Rob kommt gleich zur Sache. «Wie toll, dass du hier bist», sagt Jen. «Ja. Wisst ihr was, ich habe da ein paar Sachen gehört, die mich ziemlich irritiert haben.» «Was denn?», fragt Jen. «Jen – ich habe dich bei Ozzy Osbournes Party übersehen. War es das? Außerdem bin ich ein Mastschwein. Ist ja auch nicht so, als
wäre ich Robin Williams. Greg – ich bin ein bisschen teigig und kann nicht richtig singen, und wirklich niedlich bin ich auch nicht.» Es entsteht ein Durcheinander aus Dementis und Rechtfertigungen. Jen sagt, dass sie bei der Osbourne-Party ziemlich fertig war. «Baby, du musst das mal so sehen», sagt er, «ich bekomme Panikattacken in Gesellschaft ... das ist die Wahrheit ... Ich bin auf Medikamenten ... und zwar nicht zu knapp. Und wenn ich dann auf einer Party bin und mich fürchte, und irgendjemand kommt auf mich zu und will mit mir reden, bin ich: Hmmm, hallo, ich muss jetzt gehen ... Weißt du, Jen, manchmal geht es einfach nicht um dich.» «Das versucht mir mein Therapeut auch klar zu machen», gibt sie zu. «Verbring hier mal eine halbe Stunde mit dem Liebesdoktor, und dann wird das alles schon wieder», sagt Rob. Greg will wissen, wie man auf einer Party mit ihm ins Gespräch kommen kann. «Man könnte wahrscheinlich sagen: », sagt Max. «Kann ich Brando sein?», fragt Milica. «Nein», sagt Max eingeschnappt. «Ich bin Brando.» Dann liegen wir da, ohne zu reden. «Ich habe gerade den Sinn des Lebens begriffen», meint Rob. «Der da wäre?», fragt Max. Lange Pause. «Take That zu verlassen», sagt Rob. Langes Schweigen. «Ich würde gerne ein UFO sehen», sagt er.
Es ist noch zu früh, um zu beurteilen, ob sich Robs teure, schnelle Promotion-Offensive wirklich gelohnt hat. Falls sie funktioniert, tut sie es jedenfalls sehr langsam. Der Erfolg bei amerikanischen Radiosendern wird an der Zahl der Sender gemessen, die eine neue Single
in ihre Playlists aufnehmen. Singles, die zu Hits werden, entwickeln eine gewisse Eigendynamik. In der Regel haben sie zunächst nur regionalen Erfolg. Richtig ins Rollen kommt das Ding, wenn der Song bei einem wachsenden Publikum und mehreren Radiosendern immer beliebter wird (es werden ständig Marktforschungen betrieben), die Programm-Direktoren miteinander reden und die Fachpresse beschreibt, wie sich der Song entwickelt. «Feel» steht auf wenigen Playlists. Robs Radiobesuche scheinen zwar alte Fans bei der Stange zu halten, aber es kommen nur wenig neue dazu. «Feel» ist jedenfalls noch weit davon entfernt, ein Hit zu werden. In England darf «Come Undone» inzwischen auf Radio Two gespielt werden – wenn auch in einer Version, die nie erscheinen wird. Aus «so self aware so full of shit» wurde «so seif aware so fall of it», aus «so need your love so fuck you all» wurde «so need your love good luck you all» und aus «such a saint, such a whore» ist «such a saint, such a bore»geworden. Rob hatte keine Zeit, die geänderten Passagen neu aufzunehmen, und die einzelnen Wörter konnten auch nicht aus bereits existierenden Songs herausgeschnitten werden. Es gibt allerdings einen hervorragenden Robbie Williams-Imitator, den Studiosänger Paul Caitlin Birch. Er nahm kurzerhand die neuen Worte auf, und Radio One war zufrieden.
10 Rob hat sich entschlossen, nach einem neuen Haus zu suchen. Eigentlich mag er sein altes – es ist groß, luxuriös und hat genügend Schlafzimmer für den ständigen Strom an Gästen. Gleichzeitig ist es gemütlich und kompakt genug, um sich darin sicher zu fühlen. Er möchte aber einen größeren Garten für seine Hunde. Vielleicht gefällt ihm auch die Idee, in einem größeren, teureren Haus zu wohnen, weil er anderen Leuten damit imponieren kann; er kann es sich schließlich leisten, und er hat etwas zu tun. Heute will er sich ein paar Häuser in den schicksten Gegenden der Hollywood Hills ansehen. «Wir machen unseren Weg nach oben, Kinder», sagt er, als wir durch die Tore fahren.
Hier ist alles makellos, jeder Baum, jede Hecke oder Weg – irgendwie schön und irgendwie grässlich. «Viel besser instand gehalten, oder?», fragt David. «Schon», meint Rob, «aber es macht einen ziemlich sterilen Eindruck, findet ihr nicht? Ich komme mir hier etwas minderwertig vor.» «Ich würde sogar in den Laternenpfahl dort einziehen», sagt Max. «Wunderschön.» Wir halten vor dem ersten Haus. «Hier kommt die Arbeiterklasse!», verkündet Max. Das Grundstück hat 3600 Quadratmeter und gehört einem bekannten Filmproduzenten. Wir werden von einem Makler herumgeführt, der Rob wenig Hoffnung macht, hier ein zurückgezogenes Leben führen zu können. Vom Balkon aus zeigt er auf die Häuser der benachbarten Stars: «Das ist das Haus von Sylvester Stallone ... da ist Denzel Washington ... Rod Stewart ... » Während wir durch das Haus gehen, weist er auf die Besonderheiten hin, die Rob beeindrucken sollen. «Im Esszimmer können 30 bis 34 Gäste sitzen», sagt er. «Ich habe aber nur zwei Freunde», meint Rob. Das nächste Haus, das einem anderen berühmten Filmemacher gehört, ist für 14 Millionen Dollar auf dem Markt. Es liegt eingebettet in die Hügel und bietet keinerlei Blick auf irgendetwas, kann aber von verschiedenen Häusern eingesehen werden. Es gibt einen extra Kinderflügel mit Hunderten von Spielsachen. An der Wand hängt ein gerahmter Brief von Präsident Clinton an die Kinder. «War toll, so aufzuwachsen, oder?», meint Rob grinsend zu Max. «Bei uns gab es ein Buch pro Jahr», antworte Max. Ein paar Tage später sieht Rob sich ein paar andere Häuser an. Das eindrucksvollste Haus ist wahnwitzig gepflegt und gehört einem Motorrad-Champion. «Die Gartenarbeit», erklärt der Mann ernst, der Rob herumführt, «wird von einem Botaniker mit Nagelschere ausgeführt.» Der Mann deutet im Vorbeigehen auf jede Besonderheit hin — «das hier ist alles venezianischer Verputz», «der Kronleuchter ist Louis XV». Im Endeffekt besteht das Haus aus einer Ansammlung der besten Innendekorations-Ideen aus den vergangenen 1000 Jahren, umgesetzt auf Los Angeles-Art. Im Schlafzimmer kann man einen Gobelin
aus dem 15. Jahrhundert elektronisch verschwinden lassen, um den dahinter liegenden Dream Vision Plasma-Fernsehbildschirm freizulegen. Genau so hatten sich die Weber des Wandteppichs das damals wahrscheinlich vorgestellt. Botaniker mit Nagelschere. Rob lernt auf diesen Ausflügen etwas sehr Wertvolles: Wie sehr er das Haus schätzt, in dem er bereits wohnt.
Auf dem Flug nach Toronto — diesmal ein Linienflug — sitzt Rob neben mir. Ich lese die Zeitung, in der von einer mysteriösen Krankheit namens SARS die Rede ist, die man gerade entdeckt hat. In Toronto habe es ein paar Fälle gegeben, aber die seien unter Kontrolle und es gebe keinen Grund zur Besorgnis. Ich erwähne lieber nichts davon. Rob macht den Männlichkeitstest der Zeitschrift FHM. Hier ein paar seiner Antworten: Anzahl der Frauen, mit denen er geschlafen hat: 21+ (die höchste Zahl, die angeboten wird). Jemals einen Dreier gehabt: Ja. Jemals analen Sex gehabt: Ja. Die Anzahl von Frauen, mit denen er gleichzeitig etwas hatte, ohne dass sie voneinander wussten: zwei. («Das war noch, bevor ich berühmt wurde», sagt er.) Anzahl der unterschiedlichen Nationalitäten, mit denen er geschlafen hat: Er hakt die Kategorie «so ziemlich alle inklusive der Inuiten» an. (Aber keine richtigen Eskimos? «Nein. Aber dafür bekomme ich zehn Punkte.») Einer Frau multiple Orgasmen verschafft: Ja. Von einem Mädchen wegen schlechten Benehmens jemals eine gescheuert bekommen: Ja. Gibt es in seiner Vergangenheit Frauen, die sofort wieder mit ihm zusammen wären, wenn er es wollte? Ja. Hat er je ein Mädchen davon überzeugen können, Folgendes für ihn zu tun: Einen erotischen Tanz im Wohnzimmer zu veranstalten (ja), in einem privaten Pornofilm mitzumachen (no), mit ihm Sex an einem öffentlichen Ort zu haben («das fülle ich nicht aus»), sich für ihn in seinem Phantasie-Kostüm zu verkleiden (ja; er will das aber nicht weiter ausführen), seinen Anus zu lecken (ja). Er hat BungeeJumping gemacht, ist gesurft und hat geschossen, aber er ist noch nie mit einem Fallschirm gesprungen und hat kein Rafting gemacht. Er hat sich «etwas Kleineres gebrochen» (Nase, Finger, Rippe) und
einen Knöchel («Fußball»). Extremstes Experiment mit Gesichtsbehaarung: Er kreuzt «gewaltige Backenkoteletten» an. Anzahl der Freunde, die er als «echte Kumpel» bezeichnen würde: zwei bis fünf. Schlägereien in seinem Leben: sechs bis zehn. Davon gewonnen: «Mehr als die Hälfte». Anzahl der Verhaftungen: null. Was er verdient: 40 001 Pfund +. Warum er gekündigt hat: Er hakt «freigestellt», «abgeworben», «mehr Geld im neuen Job» und «schiere Langeweile» an, aber nicht «gefeuert» oder «umgezogen». Sonderzulagen seines Jobs: Er macht seine Kreuze bei «Firmenwagen», «regelmäßige Reisen in fremde Länder», «wenig Arbeit» und «attraktive Kolleginnen». Negativster Aspekt seiner Arbeit: «Stress» und «eigentlich nichts». Mit wie vielen seiner Kolleginnen hat er geschlafen? Er kreuzt die Option «fast alle» an. Wie lange wird er seinen momentanen Job machen? «Bis ich etwas Besseres finde». FHM meint, die durchschnittliche Punktzahl sollte bei 95 liegen, aber das überhitzte Leben eines Popstars ist so voller Versuchungen und Verpflichtungen, dass sich Robs Gesamtpunktzahl auf 199 beläuft.
Er gibt dem kanadischen Fernsehen ein Interview. Die Journalistin ist genau die richtige Mischung aus mütterlich, intelligent und mitfühlend, damit er sich ihr öffnet. «Sind Sie der Meinung, dass Sie sich Ihre Beziehungen unnötig schwer machen?», möchte sie wissen. «Nein, ich glaube nur, dass ich mir immer solche Frauen aussuche, die ich wieder verlassen kann. Aber ich bessere mich.» «Was ist für Sie leichter: zu lieben oder geliebt zu werden?» «Zu lieben. Eindeutig. Aber immer mit dem Fluchtweg im Hinterkopf. So ein bisschen wie: Wir sind im Flugzeug, es gibt nur einen Fallschirm, und den habe ich .... Aber das wird hoffentlich besser, je älter ich werde.» Gegen Ende des Interviews fragt sie, ob es irgendetwas bei ihm gibt, worüber sich die Leute falsche Vorstellungen machen. «Nein», sagt er. «Es gibt keine falschen Vorstellungen über mich. Ich bin 100 Prozent von dem, was die Leute glauben. Und ich bin zehn Prozent von dem, was die Leute glauben. Da gibt es keine falschen Vorstellungen.»
Später, nachdem er ein paar Episoden der «Sopranos» gesehen hat (HBO hat ihm freundlicherweise die Videos der kompletten vierten Staffel zur Verfügung gestellt), höre ich, wie er am Telefon mit jemandem redet, der gerade in großen Schwierigkeiten steckt. Manchmal ist es wirklich erstaunlich, wie erwachsen er sein kann, wenn er will: Seine Ratschläge sind geduldig, unterstützend und sensibel. Genau so einen Freund wünscht man sich in diesem Moment. Dann sieht er sich die letzte «Soprano»-Folge an. «Ich habe das Gefühl, ich sollte jetzt das Tischgebet sprechen», sagt er, als er die Kassette in das Videogerät schiebt. «Gibt es irgendetwas, das ich noch wissen müsste?», fragt David, der die letzten Episoden verpasst hat. Der Vorspann läuft. «Nein», meint Rob. Dann überlegt er. «Höchstens, dass ich plane, mich in zwei Jahren auf dem Musikgeschäft zurückzuziehen.»
Am Schluss sitzen wir alle schweigend da. «Die hätten Pussy nicht umbringen sollen», sagt Rob. Er, Pompey und ich gehen hinunter an die Bar. «Na, was kann man hier so machen, um sich in Toronto richtig toll zu amüsieren?», fragt er die Frau hinterm Tresen. «Ich persönlich gehe gerne in Discotheken», sagt sie. «Das ist ja richtig sadomasochistisch», sagt er, als brächte ihn das ganz aus der Fassung. Am Bartresen werden die unterschiedlichsten Geschichten erzählt, bis Rob sagt: «Das wäre ein gutes Buch – die falschen Vorstellungen, die man sich von Sex macht, bevor man weiß, worum es dabei wirklich geht.» Er denkt an die Zeit, als er sieben Jahre alt war. Damals hat er im Schultheater mitgespielt. «Das Stück hieß <Sean, der Narr, der Teufel und die Katzen>», erinnert er sich. «Ich war der Teufel. Ich habe nie meinen Text gelernt und habe mir drei Abende lang immer ausgedacht, was ich als Nächstes sagen musste. Dabei hatte ich einen ganz langen Monolog. Aber ich wollte mich nie hinsetzen und was lernen. Will ich bis heute nicht.»
Warum hast du gedacht, dass du damit durchkommen würdest? «Ich dachte gar nichts. Es war einfach so.» Es war dir völlig egal? «Nein, ich habe mich zu Tode gefürchtet, weil ich meinen Text nicht konnte. Und außerdem dachte Mr. Collis, ich hätte den Hut vom Teufel gestohlen. Der war schwarz mit zwei roten Hörnern. Ich hatte ihn aber nicht. Er tauchte dann ein paar Monate später irgendwo in der Schule wieder auf» (Er regt sich mindestens so sehr über Mr. Collis' falsche Beschuldigung auf wie über das Durcheinander bei «Rock The Vote». Er überlegt, ob er aus Rache in England eine Plakat-Kampagne starten soll. «Macht Mr. Collis fertig», ruft er. Dann überlegt er. «Ach nein, wir machen ihn doch nicht fertig. Schreib das ins Buch.») «Außerdem hat er mich gezwungen, Raupen zu essen», sagt er. Pompey und ich sehen ihn schockiert an. «Das mit den Raupen habe ich erfunden», lacht er. Ich wette, du hast trotzdem welche gegessen, sage ich. «Hab ich nicht», protestiert Rob. «Ich habe immer nur Fliegen gegessen.» «Du bist doch ein Kind des Teufels», lacht Pompey. «Das war eine Wette mit Adrian Tams. Die waren in Senf getunkt. Ich habe bloß geschluckt. Wie ein braver katholischer Junge.» Ihm fällt noch etwas ein. «Ich bin aus dem Chor geflogen», sagt er. Ich frage nach dem Grund. «Weiß ich nicht mehr», sagt er. «Wenn ich so darüber nachdenke – das war meine erste schlechte Kritik.» Später am Abend liegt er in seinem Hotelzimmer ohne Hemd auf dem Sofa und denkt darüber nach, welche Musik er nachahmen und welches Album er als Nächstes machen möchte. «Weißt du was?», sagt er auf einmal, als wäre ihm gerade eine Erleuchtung gekommen: «Ich vermisse Guy überhaupt nicht.»
Zurück in London ruft er mich eines Morgens an. «Ich habe Neuigkeiten», sagt er aufgeregt. «Auf Platz 43 in Amerika. 24 000 verkauft.»
Seine Anstrengungen scheinen endlich Früchte zu tragen. Die englische Presse hat so getan, als müsse es möglich sein, seinen Erfolg in die USA zu importieren, aber er selbst weiß nur zu gut, wie schwer es ist, Amerika für sich zu gewinnen. Dies ist ein ermutigender Anfang. Ein guter Tag.
Die Paparazzi machen ihn wieder wahnsinnig. Eine halbe Stunde, nachdem er in London angekommen ist, lauern sie wie immer vor seiner Haustür und folgen ihm auf Schritt und Tritt. Als einer von ihnen in einem Stau aus seinem Auto springt und anfängt, Rob durch das geschlossene Fenster zu fotografieren, schreit Rob ihn an: «Hoffentlich stirbst du!» «Ich dachte: Ich sollte so etwas nicht sagen», meint er. «Ich tue es aber.» Es sind nicht nur die Paparazzi. Innerhalb weniger Tage findet hier wieder der ganze Zirkus statt. Die Türklingel geht mehrmals am Abend – Besoffene auf dem Rückweg vom Pub finden es lustig, ihren ortsansässigen Popstar zu nerven. Einmal, nach Mitternacht, kommt Pompey und fragt, ob Rob ein Mädchen namens Becky kenne. Sie steht auf der Straße, klingelt Sturm und besteht darauf, hereingelassen zu werden. Rob guckt sie sich durch die Kamera an. Er hat sie noch nie gesehen. «Ich bin's, Becky», sagt das Mädchen durch die Sprechanlage. «Kannst du mich hereinlassen, ich muss dringend pinkeln?» Hinter ihr steht ein Mann, von dem sie behauptet, er sei Taxifahrer, aber Rob und Pompey wittern sofort einen Trick. Rob antwortet, dass es nicht möglich sei, sie hereinzulassen, dies sei ein Privathaus, und sie möge bitte gehen. «Warum lässt du ein Mädchen nicht zum Pinkeln rein?», fragt sie und klingelt weiter. Nach einer Weile geht er wieder an die Sprechanlage und fragt: «Wer ist der Mann hinter dir?» «Mein Taxifahrer – lass mich doch zum Pinkeln rein», wiederholt sie und setzt sich dann hin. Schließlich sagen sie ihr, dass sie die Polizei angerufen haben, und raten ihr, zu verschwinden, bevor sie eintrifft.
«Glaube ich nicht», sagt sie merkwürdigerweise. «Ich arbeite doch für die Polizei.» «Okay, dann versuche ich es jetzt mal so», meint Rob, mittlerweile ziemlich wütend über sie und Situationen wie diese, die sich ständig wiederholen. «Hau ab, du hässliche Scheißkuh. Du musst dich wohl selber voll pissen.» Sie bleibt, wo sie ist, bis die Polizei kommt. Auf der anderen Straßenseite taucht ein weiterer Mann auf, also war es offenbar tatsächlich ein Trick. «So was hat früher vielleicht funktioniert», meint Rob. «Aber nicht mit dem neuen Robbie.»
In seinem Haus findet ein Meeting wegen des Cole Porter-Films Just One Of Those Things statt, in dem Rob einen kurzen Auftritt haben soll. Die Verantwortlichen sitzen um seinen Küchentisch herum: Produzent Rob Cowan, Regisseur Irwin Winkler (besser bekannt als legendärer Hollywood-Produzent von Filmen wie Rocky, Raging Bull, Goodfellas oder They Shoot Horses, Don't They?), und der MusikKoordinator Peter Asher (der in den Sechzigern als Teil des Duos Peter & Gordon berühmt war und in den Siebzigern Robs geliebte James Taylor-Platten produziert hat). «Ich muss mich dafür entschuldigen, wie es hier aussieht», sagt Rob, obwohl es gar nicht besonders unordentlich ist. Das einzig Ungewöhnliche ist das Medikament Effexor, das in der Mitte des Tisches steht, wo es auch während des ganzen Meetings bleibt. Die etwas steife Gesprächssituation entspannt sich, indem alle ein bisschen über Immobilien in Malibu und Beverly Hills plaudern. «Wie viel Zeit verbringst du in L. A.?», fragt Irwin Winkler. «So viel ich kann», meint Rob. «Niemand kennt mich dort.» «Na ja», sagt Winkler, «dass könnte sich mit unserem Film ändern.» Rob nickt. «Ja, wenn wir uns wirklich Mühe geben, können wir vielleicht gemeinsam mein Leben ruinieren.» Nach weiterem Smalltalk kommt Rob zur Sache: «Also, worum geht's?» «Wir möchten gerne, dass du bei diesem Film mitmachst», sagt Irwin Winkler. Er erzählt Rob die Geschichte, und schon seine Schilderung
ist so bewegend, dass Rob sagt: «Wenn ich ein Herz hätte, würde ich jetzt weinen.» Er dreht sich zu Tim. «Hast du auch schon Tränen in den Augen? Ich wünschte, ich könnte meine Songs auch so gut verkaufen.» Er sagt, dass er Lust habe, in dem Film mitzuspielen. Nachdem sie gegangen sind, leihen wir uns Donnie Darko aus der Videothek. Als er in dem Film die Worte «They Made Me Do It» liest, sagt er zu sich selbst: «Albumtitel: They Made Me Do It.» Er macht sich Sorgen, ob der Film ein gutes Ende nimmt. Es ist eine typische Rob-Sorge: Er fürchtet sich, weil er sich so gut amüsiert, und weiß, dass er furchtbar enttäuscht sein wird, wenn ihm das Ende nicht gefällt.
Der bescheidene amerikanische Erfolg, den Rob verbuchen kann, wird von den britischen Medien ganz anders beurteilt. Die Wochenendausgaben der Tageszeitungen schreiben über «Robbie Williams' amerikanische Katastrophe». Dieselben Statistiken, die ihn Anfang der Woche noch begeistert haben, werden jetzt als desaströs beschrieben. ROBBIES NEUESTES DESASTER schreibt The People und behauptet, Teil des Problems sei, dass er dauernd mit Robin Williams verwechselt werde. GIB AUF, ROBBIE, DU WIRST DIE USA NIE KNACKEN lautet die Schlagzeile des Sunday Mirror. «Zu Hause Superstar, in den Staaten Superflop ... Wieder einmal flog der freche Kerl aus Stoke bei den Yankees auf die Nase, als er versuchte, seinen 80-Millionen-Pfund-Deal zu rechtfertigen», schreibt das Blatt. Neben dem Artikel steht eine Kolumne von Louis Walsh mit der Überschrift ER IST NICHT GUT GENUG, UM ES IN AMERIKA ZU SCHAFFEN. Walsh meint: «Ich war noch nie ein Fan von ihm. Ich finde nicht, dass er besonders talentiert ist. Er ist kein großer Sänger und kein besonders brillanter Songschreiber. Der einzige Song, den ich je mochte, war , und den hat sein früherer Partner Guy Chambers geschrieben .... Robbie ist einfach ein frecher kleiner Kerl aus einer Boyband, der Glück gehabt hat.» «Ach so, jetzt ist also -Saison, was?», meint Rob. «Diese Amerika-Sache ist ja ein Riesending für die. Mich beschäftigt das gar nicht so sehr.»
Eine andere Mediengeschichte hat sich in der Zwischenzeit wieder beruhigt. News Of The World hat einen ziemlich großen Betrag an sei-ne Wohltätigkeitsorganisation gespendet und sich für die Story über seine Spielsucht entschuldigt. Rob erfuhr von der Entschuldigung erst aus der Zeitung, wo immerhin deutlich stand, dass er nicht spielsüchtig ist, höchstens um kleine Beträge spielt und in den vergangenen zwei Jahren weder Alkohol noch Drogen zu sich genommen hat. Alle anderen Zeitungen, die auch über die Geschichte geschrieben haben, entschuldigen sich ebenfalls und zahlen Schadensersatz. The Observer berichtet, dass der News Of The World-Journalist, der die Geschichte ursprünglich geschrieben hat, in das Ressort für Nachrufe versetzt worden ist. Ihm wird geraten, gut aufzupassen, keine Toten zu verleumden.
11 Jahrelang hat Rob alles, was er aus den Take That-Jahren aufgehoben hat, auf dem Dachboden seiner Mutter verwahrt. Vor kurzem hat er beschlossen, die ganzen Sachen mal wieder hervorzuholen. Er bat seine Mutter, das ganze Zeug nach London zu schicken. Eines Tages, als ich auch gerade da bin, fängt er an, wahllos Sachen aus den Kartons herauszuziehen und sie mir zu zeigen. Ein Foto von ihm, als er noch ganz jung ist, mit Bruno Brookes. Ein Foto einer Freundin, Natasha: «Erste erwachsene Freundin», sagt er. Ein Foto vom Ende einer Take That-Tournee. Ein Foto, auf dem er mit Nigel Martin-Smith auf einem Sofa sitzt, den einen Arm um ihn gelegt. Auf der anderen Seite sitzt Gary Barlow. «Ich war völlig besoffen. Ich wollte unbedingt, dass er mich mag.» «Wer — Gary oder Nigel?», fragt Josie und beugt sich vor, um besser sehen zu können. «Nigel», sagt Rob. «Ich brauchte unbedingt seine Anerkennung. Und bekam sie nie.» Ich sage ihm, dass schon seine Haltung ausdrückt: «Ehrlich gesagt werde ich nicht für immer in einer Boyband singen. Ich sehe mich längst in einem anderen Universum.» «Genau», sagt er. «Ich werde aber viele, viele Drogen mit diesem Mann zusammen nehmen.» Er zeigt uns ein Foto von einem alten
Freund. «Wir haben unglaubliche Mengen konsumiert. Ich glaube, es gab keinen einzigen Tag, an dem ich mich nicht voll geknallt habe ... Wenn es kein Speed war, dann eben Koks, Ecstasy oder Diät-Pillen. Irgendetwas hatte ich immer im System.» Die Kuckucksuhr, die er von seiner Schwester bekommen hat, geht los. «Habe ich dir von der Peter Cunnah-Sache erzählt, die passierte, als ich im Bett war mit ... ?», fragt er. Nein, sage ich. «In diesem Brief steht irgendetwas darüber», sagt er und gibt mir einen Umschlag mit ein paar beschriebenen Seiten. «Ich gebe ihn dir nur, wenn ich ihn auch wieder bekomme.» Er nimmt mich mit nach oben und zeigt mir das Gary Barlow-Video, dass er vor einer Weile gefunden hat. Der Teil, der ihn am meisten beschäftigt, ist die Stelle, als sie in New York ankommen. Ein Teenager-Rob sieht am Flughafen in die Kamera, macht Unsinn und sagt: «Ich bin noch nicht erschossen worden, wirklich deprimierend.» Etwas später sieht man Nigel, wie er Rob mit ungeheurer Wut ansieht und seinen Kopf verächtlich schüttelt. «Ein Blick des Donners», sagt Rob. Ich frage ihn, was er glaubt, was Nigel Martin-Smith in diesem Moment gedacht hat. «Wie sehr er mich hasst», meint Rob. «Er konnte es nicht ertragen, wenn ich im Mittelpunkt stand.» Das Video läuft weiter und wir sehen Gary Barlow, wie er durch sein Haus führt und dann seine Kerzenhalter heranzoomt. «Wie ein 80Jähriger», sagt Rob. Mit den Kartons im Haus denkt Rob viel mehr über die Vergangenheit nach als normalerweise. Er fragt sich, wie viel Take That wohl verdient haben. «Ich weiß noch, dass ich mal einen Scheck über 500 Riesen bekam», erinnert er sich. «Damit habe ich Kokain geschnupft.»
Peter Cunnah war der schwule Sänger von Dream, eine Tanz-Popgruppe, an die man sich heute nur noch wegen ihres Stückes «Things Can Only Get Better» erinnert. Die Labour-Party hat es 1997 für ih-
ren Wahlkampf verwendet. Ein erschöpfter Rob war gerade nach London zurückgekehrt und lag mit Natasha im Bett. «Sie hat mir einen geblasen», erzählt er, «und ich dämmerte dabei weg, weil wir neun Konzerte hintereinander gegeben hatten. Ich träumte von Peter Cunnah, mit dem wir gerade auf Tournee gewesen waren. Im Traum habe ich mich mit ihm unterhalten, ob das heute Abend ein gutes Publikum war und ob wir gut angekommen seien, und ich sagte laut im Schlaf: Oh Peter ... » Diese Geschichte schreibt Natasha in einem der Briefe. Sie zeichnen die bekannten Phasen einer jungen Liebe nach, dann einer jungen Liebe, die kompliziert wird, und schließlich einer jungen Liebe, die nicht mehr funktioniert. Es gibt auch einen Brief, den Rob ihr in besseren Zeiten geschrieben hat, fünf handgeschriebene Seiten in Türkis, offenbar im Flugzeug; es ist nicht klar, ob sie diesen Brief jemals bekommen hat. Er sagt, dass ihm immer wieder eine Szene einfällt, in der sie ihn anruft und mit gedrückter Stimme erklärt, dass sie mit ihm Schluss machen muss, um eine Beziehung zu finden, auf die sie sich mehr verlassen kann. «Jesus!», schreibt er. «Ich glaube, das hier ist ein Flug mit Paranoid-Airlines!» Er schreibt noch über eine Menge anderer Ängste – «meine Paranoia ist wirklich mein Ruin» –, und dazwischen immer wieder, wie viel ihm Natasha bedeutet. «Es hat etwas Reinigendes für mich, dass ich diesen Brief schreibe. Ich hoffe, du verstehst das, weil ich es nämlich nicht tue.»
Vor seinem Haus wird Rob von einem Paparazzi fotografiert, wie er in sein Auto steigt. Er hat schlechte Laune. «Guter Job», sagt er sarkastisch. «Ich hasse das genauso wie du», erwidert der Paparazzi. «Ich wünschte, es gäbe keine Promis mehr auf der Welt, dann könnte ich einen richtigen Job machen.» Wir fahren weg. «Sehr seltsame Antwort», murmelt Rob.
«Wenn ich noch eine Woche hier sein müsste, würde ich verrückt werden», sagt er nach fünf Tagen in London. «Absolut durchgedreht. Ich sehe das so: Mein eigenes Haus ist ein Hotel, und das hier ist Arbeit, und ich habe gerade eine Single rausgebracht.» Heute fliegt er ohnehin nach Schweden. Noch eine Fernsehsendung. Als wir landen, erzählt Josie, dass sie gerade eine SMS von Mark Owen bekommen hat. Er habe gehört, dass Rob in London sei und würde sich sehr gerne mit ihm zum Tee treffen. Es ist sehr lange her, seit sie das letzte Mal miteinander gesprochen haben. Rob ruft sofort zurück und hinterlässt eine Nachricht, um Mark einzuladen. Vier Stunden später sitzt Rob wieder im Flugzeug und erkundigt sich bei David, wie das eigentlich damals war, als er immer mal wieder für 48 Stunden verschwunden ist. «Nicht sehr angenehm», sagt David, und sie erinnern sich an schlechtere Zeiten. «Es kommt mir so vor, als hätte ich drei Leben gelebt: Schule, Take That, totale Hemmungslosigkeit», meint Rob. «Jetzt bin ich im vierten: wieder trocken werden. Dann kommt das fünfte: trocken bleiben. Und dann folgen noch vier.» Welche? «Greatest Hits, Heiraten, Kinder, Scheidung ... » «Du planst deine Scheidung schon seit fünf Jahren, du Wahnsinniger», sagt Josie. «Mag sein, dass kommt eben davon, wenn man aus einer kaputten Familie stammt», sagt Rob. «Wahrscheinlich verändert sich mein Blickwinkel, wenn ich erst mal verliebt und mit dem richtigen Menschen zusammen bin. Aber im Moment ruiniere ich jede Beziehung.» «Muss ja nicht an dir liegen», sagt David. «Wenn man mit dem richtigen Menschen zusammen ist, merkt man das einfach», überlegt Rob. «Bisher gab es einfach niemanden, mit dem ich alle Schwierigkeiten überwinden wollte. Ich habe wirklich Zweifel, dass ich mich irgendwann mal verlieben werde.» «Dabei ist das ein sehr angenehmer Zustand», sagt David. «Irgendwas packt dich im Nacken, wenn du es überhaupt nicht erwartest.» «Ich bereite mich darauf vor», sagt Rob. «Und ich bereite mich auch darauf vor, dass mir das vielleicht nie passiert.»
Zu Hause beschließt er, sich die restlichen Take That-Kartons anzusehen. Er zieht seine Sammlung der «Smash Hits»-Preise von 1994 hervor: Beste LP (Take That And Party), Beste Gruppe der Welt, Beste Englische Gruppe, Beste Single («A Million Love Songs»), Bestes Video («I Found Heaven») und Beste Frisur (Robbie Williams). «Die Kids haben gesprochen», sagt er. Dann gräbt er seinen Beste-Frisur-Award vom Jahr davor aus. Er findet ein schwarzes «My Drug Shame»-T Shirt («das hatte ich gegen Ende von Take That immer an»; als er das nicht mehr tragen dufte, hatte er stattdessen ein T-Shirt, auf dem «My Booze Hell» stand), ein T-Shirt mit dem Schriftzug «True Fucking Star», das er von einem Fan bekommen und nie getragen hat und ein Versace-Hemd, das zu einem kompletten Outfit gehörte und ihm geschenkt wurde, als sie viel bei Gianni Versace waren. «Soll ich mal sehen, ob es noch passt?», fragt er. Er zieht es an und stolziert in seinem Teen-Pop-Hemd herum. Er gräbt tiefer. Er findet ein T-Shirt mit einem Take That-Foto ohne Rob, das er getragen hat, nachdem er die Gruppe verlassen hatte. Dann kramt er eine karierte Perversen-Mütze und eine Lederweste hervor. Eine Take That-Puppe («Keine Ahnung, warum ich die habe.»). Ein Take That-Kalender. Er betrachtet ihr erstes PromotionFoto und lacht: «Da waren wir erst ein kleines bisschen schwul.» Er trägt eine Lederjacke, offen bis zur Taille, Stiefel und Radfahrershorts. «Ich sehe so verdammt jung aus. Und sogar auf diesem Foto sauge ich meine Wangen ein.» «Hier ist es», sagt er, als er einen Artikel mit der offiziellen Take That-Biographie findet, und liest laut vor. «In der Zwischenzeit arbeitete ein junger Schulabgänger namens Mark Owen in einer kleinen Bank. Ihm gefiel die Arbeit, aber er entschloss sich, einen Abendjob zu machen, bei dem er in einem Plattenstudio Tee kochen konnte. Dort lernte er Gary kennen. Zwischen dampfenden Teetassen entstand eine Freundschaft. Auf der anderen Seite der Stadt tanzten zwei hoch gewachsene, gelenkige Jungs in rivalisierenden Breakdance-Gruppen. Howard Donald sah Jason Orange oft beim Tanzen zu und wäre eigentlich gerne zu ihm gegangen, um ihm zu sagen, wie gut er ihn fände. Jason erinnert sich noch gut an ihr erstes
Treffen: Einer nach dem anderen kam zu Nigels Agentur. Sie wussten, dass sie gut miteinander auskommen würden. Ein fünftes Mitglied wurde gecastet. Ein frecher Typ, frisch von der Schulbank, kam an und sang den Jason Donovan-Hit . Er hieß Robbie Williams. , sagt Mark, <weil wir uns ja alle schon kannten und er war neu. Aber er hatte den Mut, uns zu überzeugen. So entstand Take That!>» Rob schüttelt den Kopf. «Nigel hat sich die ganze Geschichte ausgedacht, damit nicht der Eindruck entsteht, die Gruppe wäre künstlich zusammengestellt worden», erzählt er. «In Wirklichkeit kannten wir uns alle nicht, wurden alle gleichzeitig gecastet und mussten alle vorsingen.» «Echt?», fragt Josie, die das nicht wusste. «Wow», sagt auch Chris Sharrock. (Er wohnt im Moment bei Rob wie meistens, wenn die Band in London arbeitet.) «Meine ganzen Illusionen sind dahin.» Er findet eine Girlande aus Weihnachtskarten. Eine von Elton und David. Eine von Frank Bruno («Für Robert, beste Grüße, Frank Bruno»). Eine von Nigel: «Rob, ich wünsche dir ein tolles Weihnachten. Love ya! Nigel.» Das hatte er auf die letzte Take That-Karte geschrieben, Weihnachten 1994, nur wenige Monate, bevor Rob ausschied. Es ist die gleiche Karte, die an alle im Verteiler verschickt wurde, inklusive die Medien, und auf der Vorderseite steht: «Wir haben Robbie gesagt, er solle dieses Weihnachten zu Hause bleiben. Wir denken, es ist besser so. Weniger Partys. Wir glauben, dass er jetzt mehr wie wir denkt ...» Wenn man die Karte aufmacht, liest man als erstes «gerade noch!», neben einem Foto von Rob, tobend in einer Zwangsjacke. «Ist doch ganz liebevoll», meint er. Rob liest einen anderen Artikel über Gary Barlow vor: «Außerdem mag er ganz besonders Pilsbury Croissants ...» — also, Guy — «Man nimmt sie aus ...» – ich meine, Gary – «...man nimmt sie aus der Verpackung und tut sie in den Ofen ... » Ich unterbreche ihn. Hat er gerade Guy gesagt?
«Ja.» Kleiner Freud'scher Versprecher? «Mmmm», sagt er. Er findet ein paar Zeitungsausschnitte aus dem Jahr, als seine SoloKarriere begann. Daily Express, 30. August 1995: TAKE THAT'S ROBBIE WEINT BEI WIEDERSEHEN. «Ich fühle mich ganz komisch», liest Rob vor, «aber ich weiß, dass ich ein neues Leben an-fangen muss. Es ist einfach schwer, die anderen wiederzusehen. Wir haben heute Abend nicht miteinander gesprochen, uns nur ein paar Handzeichen gegeben. Aber ich glaube, auf diese Weise haben wir schon immer miteinander kommuniziert.» «Tja», meint er. Das war bei den National Television Awards, und er war wirklich am Heulen. «Hinter mir stand Leslie Gantham», sagt er, «und legte mir die Hand auf die Schulter und meinte: Alles ist in diesen Kartons», über-legt er. «Aber es ist irgendwie genauso, als würde ich eine Biographie von Andrew Morton lesen.» Kommt es dir wirklich so weit weg vor? «Ja. Die einzigen Gefühle, an die ich mich erinnern kann, ist Traurigsein und Missachtung.» Wenn du dir heute die Fotos ansiehst: Gab es keine Momente, in denen du so etwas Ähnliches wie Triumph oder Spaß erlebt hast? «Nein. Weil man dafür immer bezahlen musste.» Dann räumt er ein: «Wir haben sehr viel zusammen gelacht. Wie in der Nacht in Madrid.»
In jener Nacht in Madrid probierte er Ecstasy aus. Take That waren zum ersten Mal in einer Fernsehsendung außerhalb Englands aufgetreten und sangen «Promises». Hinterher gingen sie in einen Club, und er bekam von jemandem ein rosa E. «Es war phänomenal», erinnert er diesen Abend in Spanien. «Wirklich phänomenal. Ich vermisste nur eines: Frauen. Wir waren in einem Schwulenclub. Aber ich fand es super. Das erste Mal, als ich gekokst habe ... » — das ist das echte «erste Mal», das andere Mal, von dem er mir erzählt hatte, kurz bevor er mit Take That auf die Bühne ging, war in Wirklichkeit schon das zweite Mal — «... war
in einem Nachtclub. Der Türsteher meinte: <Möchtest du einen kleinen Kick?> Ich wusste, was er meinte, und antwortete . Ich sagte auch, dass ich das noch nie gemacht hätte, und er: <Soso, tatsächlich.> Ich nahm also das Koks und ging zurück ins Hotel, und wir hatten noch ein paar Fernsehsendungen am nächsten Morgen. Ich hatte noch was übrig und saß im Garten auf dem Dach des Hotels, Kensington Roof Gardens, und schnupfte einfach immer weiter. Aber ich habe nichts gemerkt.» Die Wirkung des Ecstasy ließ nach, als er schließlich in sein Hotel in Madrid zurückging. «Ich war geil wie ein ... », erinnert er sich.«Und allein, niemand zum Vögeln.» Er wanderte im Hotel herum auf der Suche nach jemandem, der noch wach war, aber niemand war da. «Ich meine, der erste Comedown ist nicht so schlimm», sagt er. «Aber es reicht um zu denken: Scheiße, ich wünschte, ich könnte jetzt schlafen.»
Er sieht sich zum letzten Mal den Stapel mit seiner Vergangenheit an. «Ich bin froh, dass ich nicht mehr er bin», sagt er und geht ins Bett.
12 Eines Abends kommt Mark Owen vorbei und spielt Rob ein paar seiner neuen Songs vor. Rob ist beeindruckt. «Es hat mehr mit Ryan Adams und Radiohead als mit mir und Avril Lavigne zu tun», urteilt er. Er schlägt Mark vor, dass sie zum Spaß und um der alten Zeiten willen zusammen «Back For Good» an einem Abend in Knebworth singen könnten. Sie sehen sich das Gary Barlow-Video an und quatschen stundenlang. «Er sagt über niemanden auch nur ein schlechtes Wort», bewundert ihn Rob am nächsten Tag. «Und ich versuchte es dauernd. Wir haben über irgendjemanden geredet, und ich sagte, ach, den mag ich nicht, und er meinte: » Rob wird klar, dass an dieser Lebenseinstellung etwas dran ist. Von jetzt an — egal ob in lustigen Momenten oder schwierigen Zeiten — beherzigt er Marks Philosophie, um seinem natürlichen Reflex nach
Ressentiment und Rachlust zu begegnen. Es wird bald als «Tao des Owen» bekannt.
In einem Flugzeug nach Dänemark gibt Claire ihm Stephen Duffys neues Album, auf dem sie mitspielt und singt. Rob hört es sich über Kopfhörer an. «Genau, was ich mag», sagt er nach vier Stücken. «Er ist wieder depressiv.» Dann wendet er sich an David. «Ich möchte gerne eine Fotosession machen, in der ich Mickymaus bin», verkündet er. «Wir sollten dauernd interessante Fotosessions machen.» David nickt. «Und dann sollten wir schlafen gehen», fügt Rob hinzu. Er bittet Gary Nuttall, seine Gitarre zu stimmen, und spielt dann leise, während er sich einen Song ausdenkt. «Wäre das nicht toll, wenn ich ein Stück mit Stephen Duffy schreiben würde», sagt er plötzlich, «und der würde nur den Text machen?» Nachdem wir gelandet sind, bringt uns ein Van in die Stadt. Rob dreht heute einen Werbespot für den neuen Smart. Smart ist einer der Sponsoren der Sommer-Tournee. Rob sieht interessiert aus dem Fenster. «Das ist Dänemark», sagt er. «Irgendwie habe ich Holland erwartet.» Wir fahren an einem Fahrradfahrer vorbei, der auf dem Boden liegt. Offenbar ist er frontal gegen einen Pfosten geprallt. Der Spot wird in einer gesperrten Strasse im Zentrum von Kopenhagen gedreht. Ein junger Mann steht neben einem Smart und singt «Feel», um etwas Geld für die Parkuhr zu verdienen. Er beherrscht aber nicht den Text. Rob kommt zufällig vorbei, spricht ihm die richtige Textzeile vor und bemerkt nebenbei: «Nice car, mate.» An beiden Enden der Straße bildet sich eine Menschenmenge. Ein Mädchen starrt Rob die ganze Zeit an und versucht, irgendwie seine Aufmerksamkeit zu erregen. Er überlegt die ganze Zeit, ob er vielleicht mit ihr geschlafen hat. Paparazzi stehen an den Absperrungen und versuchen, Fotos zu machen. In dem Moment, in dem der Regisseur «Cut!» ruft, werden große schwarze Pappen hochgehalten, um Paparazzi-Bilder zu verhindern. Es geht allerdings nicht um Rob. Für ihn interessiert sich kaum jemand. Es geht um das Auto: Sein
neues Design ist bisher geheim, der Markt für Fotos der neuesten Modelle gewaltig. Dieses Modell, das man später in der Werbung sehen wird, ist ein handgebauter Prototyp, der etwa eine Million Pfund kostet und vor allem aus Holz besteht. Nachdem Rob fertig ist, muss er noch in eine dänische Fernsehsendung. In der Garderobe spielt er «One Fine Day» auf der Gitarre. «Don't rewrite my history ... », singt er, hört dann auf, um zu erklären, dass er diese Zeile schrieb, nachdem er sich bei «Friends United» im Internet eingeloggt hatte und feststellte, dass sich ungefähr vier oder fünf Leute als Robbie Williams ausgeben. Sie sagten Sachen wie «Ich bin's, Robbie – ihr wisst ja, was ich alles gemacht habe in letzter Zeit.» «Es hat mich wahnsinnig genervt», sagt er. «Und das ist »
«Sie meinte, sie hätte nicht das Geld für die Ausbildung ihrer Tochter und wolle ihr das nicht erzählen, damit sie sich nicht zu große Sorgen machen würde», sagt Josie. Und dann bittet man mal eben einen Popstar um Hilfe, was sonst. «Ich habe versucht, mich in ihre Situation zu versetzen», sagt Rob. «Aber irgendwie führte das immer nur zum gleichen Ergebnis: Ich bin doch nicht verrückt. Wie der Brief schon angefangen hat: Ich meinte das verdammt nochmal ironisch. Wahrscheinlich war es ein Fehler, das zu sagen, aber vor mir saß ein Rudel Journalisten. <Was wollt ihr von mir hören? Dass ich reicher bin, als ich es mir je erträumt habe?> Das war ein Witz, ihr Arschlöcher.» Und du hast dir bestimmt schon ganz andere Sachen erträumt, sage ich. «Allerdings.»
Er arbeitet weiter an dem Song, mit dem er im Flugzeug begonnen hat. Nachdem er den Tag gelangweilt in einem Rotterdamer Hotelzimmer verbracht hat, weiß er am Nachmittag schließlich, worum es in dem Stück gehen soll: um ihn selbst und die Teile seiner Vergangenheit, mit denen er sich auseinander setzen muss. Rohtext und Refrain sind jetzt fertig: When I was a kid, I didn't want to be an astronaut I wanted to live in Compton, because I heard on the records that I bought I feil into a boyband, they weren't big on rapping And I discovered that I could dance a little bit, so I stayed around to see what would happen Oh we were a phenomenon I was the cheeky one Sent to fill the void Now that the New Kids had gone
And when you´ve seen one screaming face you've seen them all All the promises they make well they break them all You said you´d love me forever Now you dig the Strokes and you dress in leather And you´ve forgotten all the words to our songs Your world moved on My work here is done Backstage bei den TMF-Awards liest er ein bisschen Fan-Post und gibt ein Interview, in dem er gefragt wird, ob er glaubt, dass er heute Abend in der Kategorie «Bester männlicher Sänger» gewinnen wird. «Also, ich weiß das genau», sagt er, «weil man mir das schon gesagt hat.» Die Interviewer sehen wirklich schockiert aus, als ob sie allen Ernstes glauben, dass in irgendeinem Raum um die Ecke noch mit Spannung die letzten Stimmzettel ausgezählt werden. Zwischen der ersten und der zweiten Preisverleihung arbeitet er in der Garderobe seiner Band an der zweiten Strophe. «... They set up helplines ... when I left the band ... teenagers in crisis ... they wouldn't understand ... without the cheeky one ... no phenomenon ... » Im Bus zum Flugzeug schreibt er weiter: «No more best haircut, now that Judas had gone ... when you've seen one screaming face, you 've seen them all ... well the promises they made I broke them all ... » Der nächste Teil fällt ihm im Flugzeug ein, und dann geht er direkt zur Band, um es ihr vorzuspielen. « We were never the Beatles, and I'm not Wings, but I've moved on to bigger better things ... and I've forgotten all the words to our songs ... » Er diktiert Josie den Text, bevor wir landen, und überlegt, ob er den Song in Knebworth spielen soll. Für ein oder zwei Wochen ist dies sein Lieblingssong, den er bei jeder Gelegenheit auf der Gitarre spielt. (Er schreibt auch noch einen Mittelteil, in dem verschiedene Take That-Texte vorkommen.) Aber wie schon zuvor bei anderen Songs, die er in den letzten Monaten geschrieben hat, verlässt ihn nach einer Weile der Mut. Er lässt sie zurück wie flüchtige Beziehungen, als würde ihm plötzlich klar, dass sie sind, was sie sind und nicht das, was er von ihnen erwartet. Wenn man rückblickend
einen dieser Songs lobt, guckt er einen entnervt an. Es wird immer deutlicher, dass er in Wirklichkeit nach etwas ganz anderem sucht. Ich glaube, er weiß selbst nicht wonach, er weiß nur, dass es irgendwo sein muss. In ihm oder außerhalb, jedenfalls hat er es bisher nicht gefunden.
13 «Rate mal, wer mich angerufen hat?», fragt er. Er ist erst seit ein paar Tagen wieder in Los Angeles. «Rate mal, wer sich entschuldigen will?» Guy hat ihn aus dem Beverly Hills Hotel angerufen. Nachdem er den ursprünglichen Anruf nicht angenommen hatte, weil er gerade weggehen wollte und sich außerdem erst einmal sammeln musste, rief Rob ihn schließlich zurück. Er spielt mir ihre Unterhaltung vor.
«Hallo», antwortet Guy. «Hi.» «Hi, Kumpel, wie geht's?» «Gut, ja, also ... » «Wie steht's?» «Also, ich wollte nur mal anrufen und mal hi sagen, weißt du ... und mich echt entschuldigen.» «Oh, das finde ich sehr mutig von dir. Ich bewundere dich.» «Na, einer von uns musste das ja tun ... und weißt du, mein großes Maul bringt mich immer in Schwierigkeiten und ich wollte mich echt entschuldigen, weil ich denke, wir waren beide ein bisschen albern.» «... beide ein bisschen albern?», wiederholt Rob und hört die Stille am anderen Ende der Leitung. «Wann war ich denn albern?» «Äh, oh ... da hast du mich aber erwischt – ich wollte das eigentlich von Angesicht zu Angesicht mit dir besprechen.» «Ehrlich gesagt möchte ich die Situation vermeiden, mich aufregen zu müssen. Deshalb wäre es mir ganz lieb, wenn du mir jetzt sagen könntest, wieso ich albern war. Damit ich es weiß.»
«Äh, hm ... » Lange Pause. «Mir fällt offen gestanden nichts ein.» Guy stottert herum, dass ihre mangelnde Kommunikation ein Problem war, sie hätten gegen Ende des Albums doch eine super Unterhaltung gehabt und dann wurde alles Scheiße, als sie nach Hause kamen. Er entschuldigt sich für «Come Undone» und sagt, dass er überhaupt nicht mehr verstehen kann, warum er ein Problem damit hatte. «Ich habe dich wahnsinnig gern, Guy», sagt Rob, «und bitte grüße Emma sehr von mir, weil ich sie sehr vermisse. Das alles kommt jetzt ein bisschen plötzlich, also gib mir ein paar Tage, darüber nachzudenken, und dann werde ich sehen, ob ich dich treffen möchte oder nicht.» Er denkt immer noch nach. «Ich weiß nicht, ob ich schon so weit bin, mich mit ihm wieder zu vertragen», sagt er. «Auf der anderen Seite denke ich sofort, weil ich ein zynischer Bastard bin: Knebworth steht vor der Tür.» Außerdem ist er sich nicht sicher, ob er mit Guy wieder etwas zu tun haben will, weil der in letzter Zeit mit so vielen verschiedenen Leuten zusammengearbeitet hat. «Der schreibt jetzt wirklich mit jedem», mault Rob. «Ich habe keine Lust, mich da einzureihen.» Er hatte zu Guy gesagt, dass er sich gar nicht mehr erinnern könnte, warum sie sich eigentlich zerstritten hätten, aber nachdem er den Hörer aufgelegt hatte, fiel es ihm langsam wieder ein. «Das Einzige, was mich interessiert, ist eine hundertprozentige Entschuldigung», sagt er. «Ich mache mir keine Gedanken mehr über meine Rolle in dem ganzen Schlamassel. Ich habe mir nicht wirklich etwas vorzuwerfen, abgesehen von den paar Malen, in denen ich ein echtes Arschloch war. Aber das war vor lauter Frust, weil er sich einfach beschissen benommen hat.» Ihm fällt noch etwas anderes ein. «Ich habe das Gefühl, er will, dass ich mich auch entschuldige. Aber das kann ich nicht.» Er will damit nicht sagen, dass er dazu nicht in der Lage ist, sondern dass er keinen Grund dafür sieht. Bei genauerem Nachdenken ist er sich nicht sicher, ob er Guy sehen will. «So wie es früher eine Erleichterung war, ihn dabeizuhaben», meint er, «so ist es jetzt eine Erleichterung, ihn nicht dabeizuhaben ... »
Seit er wieder in Los Angeles ist, hat er viel Sport gemacht, ist mit den Hunden spazieren gegangen und hat sich entspannt. Er fängt an, ein Drehbuch zu lesen, das Steven Spielbergs Leute ihm geschickt haben, The Disassociate, aber er kommt nur bis Seite 60. Es handelt von einem Mann, der einen langweiligen Job hat und dem Gott eine Post-karte schickt und ihn beauftragt, die universelle Sprache zu verbreiten, die er sich im College ausgedacht hat. Rob ist an der Rolle nicht interessiert. Um die Mittagszeit gehen wir hinunter ins Restaurant an der Ecke. Rod Stewart sitzt mit seiner Familie auf der Terrasse beim Mittagessen. Rob und Rod umarmen sich — ein Foto, das die Boulevardblätter sicher gerne drucken würden, wenn sie es hätten — und diskutieren kurz die englischen Fußballergebnisse und die Frage, ob West Ham es wohl schaffen wird, oben zu bleiben. Drinnen sitzt Rob unter einem Foto von Arbeitern, die ihre MittagsSandwiches auf einem Stahlträger im New Yorker Himmel essen — eine der Vorlagen für das Escapology-Cover. An einem Tisch in der Ecke sitzt die Baldwin-Familie. Als wir gerade gehen, kommt eine Frau auf uns zu und sagt, sie sei ein Riesenfan und eine enge Freundin von Brian Wilsons Frau und fragt, ob er nicht auf Brian Wilsons neuer Duett-Platte singen wolle. Später fahren Rob, Pompey, Daniel und ich zum Sunset, um bei Coffee Bean einen Kaffee zu trinken. Ein Choreograph kommt auf Rob zu und erzählt ihm, dass er gerade mit Michael Jackson und Ricky Martin gearbeitet habe, außerdem an der deutschen Version von «Pop Idol». «Es wäre mir eine Ehre, wenn ich dir mal meine Arbeit zeigen dürfte», sagt er. Rob unterhält sich mit einer blonden Frau, deren Freundin um die Ecke verschwindet, um mit jemandem rumzuknutschen, den sie gerade erst kennen gelernt hat. Sie reden über «Wunschschachteln»: Man schreibt abends sein Problem auf einen Zettel, steckt es in die Schachtel und überlässt das Ganze dem lieben Gott. «Ich habe stattdessen eine Wunschliste», sagt sie. Sie zieht sie aus der Tasche, und er fragt, ob er das mal lesen dürfe. Erster Punkt auf der Liste: eine erfüllte Liebesbeziehung. «Das steht bei mir auch ganz oben auf der Liste», sagt Rob. «Du bist der einzige Mensch auf der Welt, der diese Liste je gese-
hen hat», sagt sie. «Na, vielleicht bin ich ja auch der Einzige, der je gefragt hat, ob er sie mal lesen darf», erwidert Rob. Sie unterhalten sich weiter. «Ich liebe Autos», sagt sie. «Was für welche?» «Aston Martins.» «Ich habe einen», sagt Rob. Die küssende Freundin kommt zurück. Ihre Locken hängen etwas formlos in der Gegend herum. Daniel fragt, ob er das in Ordnung bringen soll. Als sie sein Angebot annimmt, geht er zum Auto, holt eine Schere und einen weißen Umhang und fängt an, ihre Haare auf dem Bürgersteig des Sunset Boulevard zu schneiden. «Ich arbeite mit Kindern, mach es also nicht zu verrückt», sagt sie. Die erste Frau erwähnt, dass sie gerade im Hustler-Sex-Superstore war, um ein bisschen zu recherchieren. Sie würde gerne Feuchtigkeitstücher auf den Markt bringen, die vor und nach dem Orgasmus benutzt werden. «Sinnliche Papiertücher», erklärt sie. «Sinnliche Papiertücher», wiederholt Rob. Eine Frau ruft aus einem vorbeifahrenden Jeep: «Robbie, ich liebe dich!» «Danke», sagt er. Der Haarschnitt ist fertig. «Na bitte», sagt Rob. «Du bist als Chewbacca gekommen und gehst als Audrey Hepburn.» Im Hotel Chateau Marmont treffen wir Max. Außerdem ist da eine einigermaßen bekannte Schauspielerin, die angeblich ein bisschen in Rob verknallt ist. Vergangene Woche hatte sie ihren Lebenslauf an sein Büro geschickt und angeboten, bei einem seiner Videos mitzumachen. Nachdem er fünf Minuten mit ihr gesprochen hat, sagt er zu ihr: «Du siehst sehr nach erster Frau aus.» «Erster Frau?», fragt sie irritiert. «Meine erste Frau», klärt er sie auf. Sie macht das Spiel mit. «Für wen ist das schmerzhafter — für dich oder für mich?», fragt sie im Scherz. «Oh, für mich», meint er. «Ich falle viel zu tief.»
Wir müssen auf eine Party, aber er fand dieses kleine Treffen sehr nett. «Sie sieht super aus», sagt er im Auto. «Aber sie ist Schauspielerin, also muss sie einen Knall haben.» Er hinterlässt ihr trotzdem eine Nachricht und schlägt vor, sich morgen Abend zu treffen. Wir gehen auf eine Maxim-Party, auf der Rob tanzt und der DJ Barry Whites «Ecstasy» spielt, was dann in «Rock DJ» übergeht. Bei «Emotional Rescue» von den Rolling Stones stolziert er wie Mick Jagger über die Tanzfläche. Bei «Everything She Wants» von Wham! gibt er Pompey seinen Comme des Garcons-Mantel, damit er sich besser bewegen kann. Als der DJ kurz die Musik unterbricht, hört man Rob laut «and now you tell me that you´re having my baby!», singen. Dann tanzt er zu «Let's Dance», «Into The Groove», «Kiss» und «Groove Is The Heart». «Ich habe noch nie in einem Club gehört», sagt er auf dem Weg nach Hause. «Aber ich gehe ja auch nicht in Clubs.» «In Table-Dance-Clubs schon», erinnert ihn Pompey. «In Table-Dance-Clubs spielen sie auch », meint Rob. «Das ist ein bisschen beunruhigend.»
In ein paar Tagen soll Rob erneut in New York auftreten, dieses Mal zusammen mit Norah Jones, The Roots und Jewel anlässlich des Tribeca Film Festivals bei einem Gratis-Konzert im Battery Park. Vergangenes Wochenende rief er Tim und David an, um ihnen zu sagen, dass er nicht singen will. Er erklärt ihnen, dass er so kurz vor der Sommer-Tournee keine Lust habe, ein erneutes Debakel wie bei «Rock The Vote» zu erleben und sein mühsam erarbeitetes Selbstvertrauen zu zerstören. «Ich habe gesagt, meine größte Stärke ist gleichzeitig meine größte Schwäche, und das ist meine Unsicherheit. hat mich einfach verunsichert.» Die beiden konnten ihn überreden, bei dem Konzert mitzumachen. Sollte es auch nur im Entferntesten wie «Rock The Vote» ablaufen, «bekommt ihr mich nie mehr dazu, irgendetwas zu tun, was ich nicht tun möchte», drohte er. «Nie mehr.» Und dann gibt es noch etwas, was ihm bevorsteht: die Veröffentlichung des Greatest Hits-Album. EMI würde es am liebsten Weih-
nachten 2003 herausbringen, doch Rob möchte noch ein Jahr warten. Zwei neue Singles müssen mindestens drauf sein, und er glaubt nicht daran, dass er sie bereits hat. Jetzt muss er sich auf die bevorstehende Sommer-Tournee konzentrieren, und anschließend ist die Zeit zu knapp, zwei neue Singles zu schreiben und aufzunehmen. Rob hat mittlerweile beschlossen, das große, gut gelegene Grundstück am Ende seines Gartens zu kaufen und darauf ein Haus zu bauen. Wir gehen zusammen mit einem Grundstücksmakler hinunter, um es uns anzusehen. Wir sehen ein kleines Rohr, das durch das Grundstück läuft, und Rob will von dem Makler wissen, was das sein könnte, aber der weiß es auch nicht. «Auf diesem Weg geht der ganze Klatsch aus meinem Haus direkt zu E! News>, sagt Rob. Er stapft über das grasbewachsene Grundstück und zeigt auf imaginäre Gebäude. «An dieser Stelle hätte ich gern ein Baumhaus», sagt er. «Und Josie, ich möchte einen Spielplatz haben. Und Affen. Gibt es noch welche von den Culkin-Brüdern?» Hinterher findet in seiner Küche eine Tourneebesprechung statt. David reicht ihm eine E-Mail seines neuen musikalischen Leiters, Mark Plati, der einen Vorschlag macht, wie man «Mr. Bojangles» arrangieren könnte: Er möchte, dass sich die Instrumentalbegleitung wie eine alte Platte anhört. Deshalb will er den Song aufnehmen, als Vinyl-Platte pressen lassen und sie anschließend so lange spielen, bis sie ordentlich zerkratzt klingt. Rob ist einverstanden. Sie sprechen über die Bühnenkostüme und Rob erklärt, er möchte als kleinen Gag am Rande zusammen mit Max in Vogel-Strauß-Kostümen den Sunset Boulevard entlanglaufen. (Max äußert sich dazu zurückhaltend. «Jonny würde das tun», stichelt Rob.) Rob schlägt vor, bei «Rock DJ» mit Barry Whites «Ecstasy» anzufangen. Später am Abend geht er ins Les Deux, eine angenehme Bar mit großer Terrasse. Dort unterhält er sich mit einem walisischen Schauspieler, den er flüchtig kennt, und erklärt ihm, warum seine Verabredung gestern Abend mit der Schauspielerin nicht geklappt hat. «Ich habe mir vorgestellt, wie sie sich bei meiner Beerdigung gegenüber anderen Leuten benehmen würde», sagt er. «Und ich fand, das machte sie nicht besonders gut, also lasse ich es lieber gleich.»
Nach etwa einer Stunde kommt der walisische Schauspieler nochmal zu ihm. «Ich habe darüber nachgedacht, was du gesagt hast», sagt er. «Vielleicht solltest du dir mal überlegen, wie du dich bei ihrer Beerdigung benehmen würdest.» «Danke für deine Mühe, mich darauf hinzuweisen, dass ich egoistisch bin», sagt Rob. «Das weiß ich ...» Auf dem Parkplatz kommt Tatum O'Neal auf ihn zu, die sich den ganzen Abend mit Vincent Gallo unterhalten hat, und meint zu Rob: «Ich möchte nur wissen, ob die Gerüchte stimmen.» Rob verschwindet ohne Bodyguard mit einer Frau, die er vorhin kennen gelernt hat, und kommt erst am nächsten Mittag wieder nach Hause. Er hatte seinen Spaß und hörte zum ersten Mal «Broken English» von Marianne Faithfull, aber es gab auch eine sehr merkwürdige Situation. Bevor sie einschliefen, wurde er plötzlich von der Frau gefragt, ob er mit einem Gewehr umgehen könne. Ja, antwortete er, wieso? «Neben dem Bett auf deiner Seite liegt ein geladenes Gewehr», sagt sie. «Die erste Kammer ist leer, die zweite geladen. Falls also jemand einbrechen sollte, musst du zweimal abdrücken.» «L. A. ist doch wirklich super, oder?», seufzt er, als er diese Geschichte erzählt. Er vergleicht seinen Abend mit Pompeys, der auch einen komischen Abend verbracht hat, und stellt fest, dass ihre Probleme genau entgegengesetzt sind. «Du kannst mit Frauen reden, wenn du nur mit ihnen ausgehst, aber nicht, wenn du mit ihnen ins Bett willst», fasst er zusammen. «Bei mir ist es genau umgekehrt.»
Eines Nachmittags sind alle ganz entspannt bei ihm zu Hause, als Rob zur versammelten Mannschaft sagt: «Wollt ihr einen Kaffee?» Pompey geht los und holt die Autoschlüssel. Er geht davon aus, dass wir alle gleich zu Starbucks fahren. «Nein», sagt Rob. «Ich werde selber einen kochen.» Sehr ungewöhnlich. «Wirklich?», fragt Pompey.
«Ja», sagt Rob und macht sich auf den Weg in die Küche. «Ich komme mit», sagt Pompey, «falls du ein Trauma erlebst.» Etwas später verteilt Rob Tassen mit sehr gutem Kaffee. «In ein paar Jahren mache ich euch wieder einen», verspricht er.Auf dem Weg nach New York muss er noch ein paar Radiosender besuchen. Er steht sehr früh auf und isst in Unterhose sein Müsli am Küchentisch, als ihm ein Gedanke kommt. «Josie», fragt er, «wenn die wollen, dass ich schon dieses Jahr die Greatest Hits rausbringe, was bedeutet das in Wirklichkeit für die Amerika-Planung?» Es ist wohl das Beste, heute darüber nicht zu viel nachzudenken. Stattdessen erzählt er gegen Mittag den Menschen in Denver, dass man besser aussieht, wenn man prominent ist. «Ich meine, sehen Sie sich doch mal Mick Jagger an», sagt er. «Verstehen Sie, was ich meine? Durch Berühmtsein kommt man an Sex. Rock 'n' Roll – der beste Weg für hässliche Menschen seit 1950, Sex zu haben.» Im Bus hört er sich auf seinem Handy eine Nachricht der Schauspielerin an. Er hatte sie angerufen, um ihr zu erklären, dass er im Moment zu einer Beziehung nicht in der Lage sei, obwohl er trotzdem an sie denken muss. «Was für eine furchtbar nette Nachricht», sagt er. «Wirklich ein schöner Gedanke.» «Ist sie nett?», fragt David. «Ich weiß es nicht», sagt Rob. «Sie ist Schauspielerin. Ich würde die Wahrheit frühestens in acht Monaten herausfinden.» Im Flugzeug sagt er: «Neulich hatte ich ein paar Songideen, die tatsächlich auf den Erfahrungen anderer Leute basieren.» Als er sie ausprobierte, machte er eine Entdeckung: «Sie klangen trotzdem, als seien es meine eigenen Erfahrungen.» Vielleicht gibt es also noch andere Möglichkeiten: «Beim nächsten Album werde ich über mich selber schreiben, aber behaupten, dass ich nichts damit zu tun habe.» Spät in der Nacht geraten wir kurz vor New York in einen Sturm, und der Flug wird unruhig. Rob schlägt vor, alle Lampen auszumachen. Wir landen im Dunkeln. 14 Er beschließt, Klamotten und Kunst einkaufen zu gehen. Im Foyer des Mercer-Hotels trifft er Mike Myers, der ihm erzählt, dass sie nächste Woche zusammen in der Tonight Show, Amerikas größter
Talkshow, auftreten werden. Draußen vor dem Haupteingang warten ein paar Fans. Einer schenkt ihm ein Elvis-Monopoly, ein anderer zeigt Fotos von Rob und fragt ihn, ob er davon welche haben möchte. «Schon gut», meint Rob, «ich weiß, wie ich aussehe. Aber vielen Dank.» In der Pop International Gallery bewundert er eine kleine Chicken Rice Box von Warhol, kauft aber nichts. Bei Ralph Lauren sieht er eine alte Lederjacke, die wohl aus den Vierzigern stammt. «Ein Stück aus Mr. Laurens Sammlung», wird ihm erklärt. Sie kostet 1295 Dollar. «Ich glaube, ich werde sie sehr viel tragen», meint er und kauft sie. Jetzt wird er jedes Mal, wenn er nicht sicher ist, was er tragen soll, nach dieser Jacke greifen. Zurück auf seinem Zimmer legt er sich auf sein Bett, um per Telefon das Vorgespräch für die Tonight Show zu machen. Vorgespräche werden von Redakteuren der Sendung geführt und dienen dazu, Informationen über den Gast für den Moderator zu sammeln. So kann es in solchen Sendungen zu so erstaunlichen Bemerkungen kommen wie: «Soviel ich weiß, sammelt Ihre Mutter Heißwasserkessel.» Rob guckt an die Decke und plappert ins Telefon: «... Ich bin gerade Mike Myers in die Arme gelaufen ... nein, ich bin kein Fan von der Art, wie englische Zähne vorgeführt werden ... Meine sind okay ... Ich habe einen Jaguar E-Type ... aber ich fahre nicht selbst, habe ich nie gelernt ... ich bin nicht aus der Schule geflogen, nein ... in England ist man mit 16 mit der Schule fertig, und nur ein geringer Prozentsatz macht dann auf dem College weiter ... eine Boyband ... wir haben dafür gesorgt, dass N'Sync wie Led Zeppelin aussah ...habe ich fünf Jahre lang mitgemacht ... nein, schreckliche Zeit ... mein Vater ist Komödiant und Sänger, und ich wuchs mit unglaublich schlechten Kabarett-Stücken auf ... und ein paar ganz guten ... mein Dad ist ein guter ... warum ich hierher gezogen bin? ... Das Wetter ist sehr schön ... Ich bin auf der Suche nach Mrs. Williams ... klar kann ich Mrs. One Night finden, aber offenbar nicht Mrs. Forever ...Ich habe einen Wolf ... Pets of Bel Air ... ja ... nein, ehrlich ... Es hätte Ihnen jetzt besser gefallen, wenn ich erzählt hätte, ich wäre in den kanadischen Wäldern gewesen und hätte dort ein Rudel Wölfe mit ihrer Mutter gerettet ... Ich könnte das erzählen und dann sagen, ehrlich gesagt, nein, ich habe ihn von Pets of Bel
Air ... nein, das ist nur ein Trick, um von meiner Homosexualität abzulenken ... nein, bleiben Sie bei Klatsch und Tratsch, fragen Sie mich bloß nicht nach Musik ... » Er hat ihnen gegeben, was sie brauchen. Er war schon mal in der Tonight Show, mit durchwachsenem Ergebnis. Er sang «Have You Met Miss Jones?» und plauderte mit Jay Leno, dem Moderator. Der Song gelang ihm phänomenal — «ich sang ihnen diesen Swing-Song in ihrem Hintergarten vor, mit großen Augen und echtem Charisma, das Publikum lag mir zu Füßen» —, und dann ging er hinüber, setzte sich auf das Sofa und hört plötzlich eine innere Stimme sagen: Hier und jetzt könnte alles zu Ende sein. Eine Weile sah es auch so aus. «Leno fragte, >Wie war die Zusammenarbeit mit Queen?>, und ich antwortete: Leno guckte mich mit versteinertem Gesicht an. Ich hatte das Gefühl, dass ich gerade ein paar Witze gemacht habe, die niemand verstand, so, als hätte ich gerade eine Charme-Granate losgeschickt, die in der Luft von komplett ironiefreien Gremlins abgefangen worden war, und niemand lacht und alle halten mich für seltsam. Es war schrecklich.» Heute ist es nicht mehr so schlimm, wenn er daran denkt, aber er hat immer noch ziemlich gemischte Gefühle, wenn er den Namen Tonight Show hört. Er geht nach unten. An der Rezeption nimmt er sich eine Ausgabe von Spin aus dem Zeitschriftenständer. Er liest gerade so viel, wie er muss, um zu sehen, dass er Recht hatte: Der Artikel ist nicht gut. Im Vorspann wird er «Englands lustiger Prinz des Pop» genannt, und das große Zitat auf der ersten Seite des Artikels lautet: «Um die Wahrheit zu sagen: Ich glaube nicht, dass ich den Durchbruch in Amerika schaffen werde.» Im Artikel heißt es: «Kurz gesagt: Williams sagt sein eigenes Scheitern voraus. Und kein potenzieller Versager hat sich darüber jemals weniger Gedanken gemacht.»
Am Morgen des Battery Park-Konzertes ist David Beckham auf der Titelseite von USA Today. Die Schlagzeile lautet: «Er ist der berühmteste Athlet der Welt (außer in Amerika)».
«Er hat Williams-itis», diagnostiziert Rob. Er geht ein bisschen shoppen und legt sich anschließend wieder schlafen, damit er nicht so viel an das morgige Konzert denken muss. Als er aufwacht, sagt er sich leise den Text von «Millennium» vor und stellt fest, dass er ihn nicht mehr weiß. Pompey findet den Text auf einer Fanseite im Internet, und Rob liest ihn sich schnell durch. «Run around in circles», wiederholt er und nickt. «Wenn die wüssten», meint Pompey. Wir fahren Richtung Downtown. Überall hängen gelbe Poster, auf denen ROBBIE WILLIAMS FREE CONCERT steht – seine Plattenfirma tut einfach so, als sei das Battery Park-Konzert sein eigenes. Er wandert nervös im Backstage-Bereich auf und ab. Ich höre, wie zwei New Yorker über ihn reden, als er an ihnen vorbeigeht. «Wer ist das denn?», fragt der eine. «Ich weiß nur, dass er mal mit Ginger Spice zusammen war», meint der andere achselzuckend. Die Frau von Liquid News ist hier und fragt ihn nach der «Strategie, wie das Amerika-Ding anzugehen ist», und er erklärt zum wiederholten Mal, dass der Erfolg in den USA nicht zu seinen Prioritäten zählt. «Aber komisch, wie England mit meinem angeblichen Angriff auf Amerika umgegangen ist: » Einer der Schauspieler fragt, ob es diese Art der Kameradschaft in Robs Business nicht auch gibt. «Doch, aber da geht es nur um mich. Ich bin nicht Teil eines Ensembles.» Er hört zu, wie zwei Maskenbildnerinnen darüber streiten, ob die eine Anspruch auf die Erfindung einer Methode zum Überschminken von Tätowierungen erheben kann, mit der sie das B hinter seinem linken Ohr hat verschwinden lassen. «Nein, das gab es schon», muss sie schließlich zugeben. «Dann erfinden Sie es neu!», mischt Robbie sich ein. «So mache ich es mit meinen Songs auch.» Heute gibt es neue Fotos in der Presse. Als wir vergangenen Freitag aus dem Nobu kamen, hatten Max und er die dämlichsten Gesichter aufgesetzt, in die Kameras gegrinst und gelacht. Komischerweise wirken die Fotos ziemlich normal. Die neue Pop-Kolumnistin der Sun, Victoria Newton, druckte einige davon ab und schrieb dazu: «Memo an Robbie — mach weiter so, du siehst viel besser aus, wenn du lächelst ... » Als Rob das sieht, sagt er spontan: «Memo an Victoria .» und lässt dann eine Tirade los, in der «Verpiss dich ... » noch das Harmloseste ist. Selbst auf der dreiminütigen Fahrt vom Schminkwagen zum Set nutzt Rob die Zeit, um sich den Song noch einmal auf dem Laptop anzuhören. «Na gut», sagt er beim Aussteigen. «Ich kann ihn nicht, und so ist es jetzt einfach.» Trotzdem kann man schon bei der ersten Klappe sehen, wie sich die gesamte Filmcrew im Raum erleichterte Blicke zuwirft. Er beherrscht den Text jetzt sogar so gut, dass es befreiend ist, endlich das zu tun, was er am besten kann, und als er fertig ist, wird er mit einer Runde Applaus belohnt. «Er ist ziemlich locker», grinst Irwin Winkler trocken. «Er sollte Filmstar werden.» Es gibt einige Gerüchte – sogar hier am Set –, dass Hollywood daran denkt, einen aus ihm zu machen, und das gegen seinen Willen. Die Geschichten, die seit zwei Wochen durch die Presse geistern – dass es Probeaufnahmen für einen neuen Superman-Streifen gegeben habe
und eine Gage von drei Millionen vereinbart worden sei oder dass er die Rechte für die Geschichte der Village People gekauft habe und einen Film daraus machen wolle, mit sich selbst in einer der schwulen Hauptrollen –, sind frei erfunden, doch hier am Set heißt es, dass man bei MGM, die «De-lovely» produzieren, mit dem Gedanken spielt, ihm die Rolle des Schurken in der Filmserie mit Halle Berry als Jinx anzubieten. Kein Mensch glaubt, dass ihm das wirklich egal ist und er tatsächlich keine Lust dazu hat; niemand in Hollywood scheint sich ernsthaft vorstellen zu können, dass man eine solche Chance ablehnen könnte, wenn sie einem geboten wird. Nach ein paar Durchläufen geht Rob eine Zigarette rauchen, während sie die Kameras neu aufbauen. «Ist es heute besser?», fragt Josie. «Ja. Diesmal geht es nur um mich, deshalb gefällt es mir. Gestern nicht.»
Um die Mittagszeit verkündet er: «Allmählich wird es mir zu langweilig.» Er fährt zurück zum Schminkwagen. Selbst da ist es jetzt anders. «Es macht nicht mehr so viel Spaß wie gestern, als wir uns alle begrüßten», beschwert er sich. «Eigentlich würde ich jetzt am liebsten gehen.» Als er sich mit Ashley Judd unterhält, erzählt sie, dass es immer wieder diese besonderen Augenblicke vor der Kamera sind, wenn man wirklich machen kann, was man am liebsten tut, für die sich die ganze Anstrengung lohnt. Darauf denkt er, dass er sich bloß für eine Fernsehshow buchen lassen muss, wenn er Aufregung und Erleichterung braucht oder das Gefühl hat, sich ausdrücken zu müssen. Viel schneller und viel weniger anstrengend. Er kehrt für ein paar weitere Aufnahmen zum Set zurück, alles Variationen derselben Szene. Rob singt, während Kevin Kline und Ashley Judd vor ihm auf die Tanzfläche treten. Am Nachmittag ist die Einstellung größer, und es gibt mehr Komparsen. «Alle bitte auf die Plätze», ruft der erste Regieassistent. «Ventilatoren aus.» Wenig später sind alle Szenen im Kasten. Am Abend trifft er sich mit der Schauspielerin. Am nächsten Morgen hat er einen Knutschfleck am Hals. «Das soll bedeuten: Diese Woche
ist er nicht mehr zu haben.» Er grinst. Einmal, als er noch bei Take That war, kam er mit einem riesigen Knutschfleck von einem Seitensprung zurück und hatte am gleichen Tag eine Verabredung mit seiner Freundin Natasha. Deshalb rief er sie vorher an, spielte den romantischen Liebhaber und bat sie, mit ausgeschalteter Lampe im Bett auf ihn zu warten. Dann brachte er sie dazu, ihn im Dunkeln auf den Hals zu küssen, damit sie nicht merkte, dass der Knutschfleck von einer anderen Frau stammte. Damit kam er tatsächlich durch.
Er sagt die erste Verabredung mit Stephen Duffy ab, weil er vergessen hat, dass an diesem Abend die englische Nationalmannschaft spielt. Jetzt hat er Zeit, an den Proben teilzunehmen. Wieder präsentiert er der Band einen neuen Song, singt mehr vom Programm als bisher, hört sich die neue, schnelle Version von «Supreme» an – die ihm jetzt zu schnell ist, sodass man sie wieder etwas verlangsamen muss – und macht einen Durchlauf von «99 Red Balloons». Er fährt echt drauf ab, hüpft während des Refrains auf der Bühne auf und ab, und dann am Ende, bei der Auflösung ... «If I could find a souvenir, just to prove the world was here, and here it is, a red balloon, I think of you and let it go» ... lässt er einen unsichtbaren Luftballon steigen – ein herzzerreißender Anblick, obwohl es unübersehbar eine Verarschung ist – und schaut ihm nach, als er davonschwebt, als nähme er alle Träume und Hoffnungen mit. Die Band findet den Song zum Kotzen. «Bin ich etwa pervers, weil er mir gefällt?» Sie finden ja. Max setzt sich an den Flügel, und sie probieren eine Version von «One For My Baby», das nur von Rob und Max gespielt wird. Der Text verselbständigt sich auf unerwartete Art. «And I've got a little film», singt Rob mit schmachtender Stimme. «I want you to see ... I think it went straight to DVD ... with Mariah Carey and Max Beesley ... it's Glitter you see ... look now at the box Office, and zip on DVD ... »
«Lass aus dem Spiel», sagt Max hinterher und tut so, als sei es ein Witz. Rob respektiert und bewundert Max' Schauspielertalent, solange Max nicht in der Nähe ist, doch in seiner Gegenwart kann er einfach nicht anders. Kein Wunder, dass er beim nächsten Durchlauf noch einen draufsetzt: «lt's a quarter to three ... I hear you can get Glitter on DVD ... Remember Ishtar the film? ... Well, neither will we ... you'll try and find it hard ... but it is on DVD ... at the back with the porn ... where the children don't go... Glitter's a film... just in case you didn't know.» Dann wird es Zeit für «Mr. Bojangles». Die zerkratzte, düstere Version, die Mark Plati wie verabredet aufgenommen hat, dringt aus den Lautsprechern. «Was ist denn das?», fragt Rob nach ein paar Sekunden. «Es gefällt mir nicht. Was ist es?» Mark Plati erinnert ihn. Rob lässt den Song anhalten. «Warum können wir es nicht so machen, wie es sich gehört? Soll ich dazu etwa singen? Es ist zu schnell und ... es ist irgendwie komisch. Wie können wir das besser machen?» Also wird die Band «Mr. Bojangles» spielen. Er hat sich nicht mal 30 Sekunden von Mark Platis Aufnahme angehört.
Die Schauspielerin hat eine Nachricht hinterlassen, doch er ruft nicht zurück. «Sie weiß schon, was das heißt», sagt er und meint, dass er diese Beziehung schon einmal im Keim erstickt hat und sich nicht wiederholen muss. «Es kümmert mich einen Dreck.»
4 Am Nachmittag des 12. Juni fährt er schließlich zum Air Studio, um mit Stephen Duffy zu arbeiten. Stephen spielt ihm in seinem winzigen Studio unter dem Dach etwas auf der akustischen Gitarre vor, doch Rob findet, dass es zu sehr den Erwartungen der Leute entsprechen würde. Er schlägt vor, stattdessen mit einem Rhythmus aus der Drum Machine anzufangen, und Stephen programmiert eine einfache 4/4-Kickdrum und eine ebenfalls einfache, pulsierende Sechzehntel-Bass-Sequenz.
Rob singt dazu. «Don't let your eyes tell the brain ... you should feel ashamed ... everyone needs it, babe ... I know you feel the same ... I didn't quite catch your name ... hush hush hush don't say a thing ... let's see what the night will bring ... it might be everything ... » Er singt anders als auf jeder Platte, die es von ihm gibt; so hat man ihn noch nie gehört. Nach einer Weile fahren sie zu Stephens Lieblingsjapaner, doch es ist kein Tisch frei. Rob wartet draußen, erregt aber zu viel Aufmerksamkeit und verzieht sich in ein nahe gelegenes chinesisches Restaurant. Schließlich wird beschlossen, dort zu essen. Es ist zwar erst ein halber Song geschafft, doch Rob skizziert bereits eine ganz neue Zukunft. Nach einer Weile taucht ein chinesischer Elvis-Imitator auf, um die Gäste zu unterhalten. Als sie aufbrechen, wetteifert Rob mit ihm, wer der bessere Elvis ist. Euphorisch angesichts der Leistungen des Tages geht er schlafen, doch beim Aufwachen merkt er, dass ihm nicht der neue Song im Kopf herumgeht, sondern die Musik von Take That, unterbrochen von dem einen oder anderen Robbie Williams-Fetzen. Komischer Traum, denkt er, doch als er sich zwingt, endgültig aufzuwachen, wird die Musik lauter statt leiser. Er kann zwei Stimmen unterscheiden, die die Songs singen. Keine davon ist in seinem Kopf, und keine davon ist er. Er versucht dahinter zu steigen; soweit er weiß, ist außer ihm nur Gary Marshall in der Wohnung. Warum um alles in der Welt sollte Gary Take That-Songs singen? «... a million love songs later... », hört er. Und dann wird ihm klar, dass der Song nicht aus dem Apartment kommt, sondern von draußen durch das Schlafzimmerfenster hereindringt. Was noch verrückter ist, denn sein Schlafzimmer befindet sich hoch über London. Er zieht die Jalousie auf. Einer der Fensterputzer entdeckt ihn und versucht hastig, die Plattform, auf der sie arbeiten, ein Stockwerk tiefer zu fahren, doch der andere hat nichts bemerkt und singt weiter. (In diesem Augenblick grinst Rob noch, später aber vergeht ihm das Lachen, als Chris Sharrock, der in einem anderen Zimmer auf der Rückseite des
Gebäudes schläft, ihm erzählt, wie einer der beiden dem anderen zurief: «Ich bin reicher als in meinen wildesten Träumen!») Während Rob sie noch anstarrt, merkt der zweite Fensterputzer, dass sein Partner verstummt ist. Als er aufschaut, weiß er, warum. Sein Gesicht wird aschfahl. «Hört mal zu, Leute», sagt Rob. «Wenn ihr schon unbedingt singen müsst, dann bitte keine Barlow-Songs. Außerdem habt ihr mich geweckt!»
Im Music Bank Studio sitzt er draußen auf dem Dach, raucht und schmiedet große Pläne. «Der Song, den wir geschrieben haben, klingt nicht nach mir. Ich möchte nichts so machen, wie Robbie Williams es machen würde. Ich denke also darüber nach, ob ich eine Figur erfinden soll, mit falscher Nase, Perücke und so weiter. Ich könnte das beste Album machen, das ich je produziert habe. Und wenn die Greatest Hits erscheinen, veröffentliche ich es unter einem anderen Namen. Ich mache den Sänger zum Alkoholiker. Zum Alkoholiker und zum Amerikaner. So eine Art Neil Diamond-Typ. Ich glaube, er stammt aus Orange County, zog dann nach West Hollywood und hatte nicht viel Glück im Leben — ich kenne seine Geschichte noch nicht, aber ich denke ernsthaft darüber nach, ob ich mich nicht eine Weile so anziehen sollte wie er, essen wie er und leben wie er. Im Augenblick heißt er Pure Francis und seine Platte .» Er dreht sich zu mir um. «Was meinst du?» Ich meine, dass man mit einer solchen Idee spielen und sich dafür begeistern kann, dass es eine ausgezeichnete, befreiende Methode ist, um Songs zu schreiben, dass es erfrischend ist, ihn so angekickt und inspiriert zu sehen, aber wenn es an die Umsetzung geht, der Plan vermutlich auf lange Sicht nicht aufgehen wird. Doch jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um diese Meinung auch zu äußern. «Es ist wirklich aufregend», sagt er. «Es muss gar nicht geheim bleiben, es soll nur Wirklichkeit werden: Ich rede nicht über ihn, und er redet nicht über Robbie Williams. Die Sache ist nämlich auch so: Wenn die Greatest Hits nächstes Jahr rauskommen, ist die Zeit für solche Alben für absehbare Zeit vorbei. Ich muss etwas machen, was mich echt begeistert. Denn in Amerika wird sich nichts tun, weil a)
ich es gar nicht will, b) es eine Menge Arbeit bedeuten würde und c) ich es wirklich gar nicht will, verstehst du. Damit stehe ich da und muss mir überlegen, was ich als Nächstes machen will. Denn ein neues Robbie Williams-Album würde mich zu Tode langweilen. Ich möchte was wirklich Aufregendes machen. Wir wissen, dass wir einer ganz heißen Sache auf der Spur sind. Es klingt ein bisschen so wie , und das ist genau das, was ich will – Elektronik mit dicken fetten Gitarrenakkorden, wie Neil Diamond ...» Wovon sollen die Songs handeln? «Liebe. Liebe und Liebeskummer.» Du meinst, er hat ein gebrochenes Herz? «Yeah. Er hat ein gebrochenes Herz und ist gescheitert. Ein gescheiterter Musiker. Es wird keine Figur á la Tony Ferrino. Und beim Songschreiben kriegt man sofort eine Vorstellung von jemand ganz anderem. Man muss sich keine Sorgen darüber machen, was für persönliche Dinge die Leute in die Texte reinlesen könnten und so weiter, weil man aus der Sicht eines anderen schreibt ... » Als die Proben weitergehen, stellt er der Band kurz den neuen Song vor und improvisiert schon mal den Text dazu: «I might be your saviour baby, despite what you've heard ... I might be a believer baby, de-spite what you've had heard.» Jeder, der ihm an diesem Nachmittag über den Weg läuft, muss sich seine neuen Ideen über seine neue Zukunft anhören. Falls die anderen es bescheuert finden, dass er sie damit zuquatscht, während sie ihr Bestes geben, damit der alte Robbie Williams in diesem Sommer als King durch Europa touren kann, lassen sie sich nichts anmerken. Seine Begeisterung und seine Freude sind ansteckend. Die Freiheit, nicht er selbst sein zu müssen, beflügelt ihn.
An diesem Abend hat er ein Abendessen im Nobu arrangiert, genau wie vor einer Woche, diesmal mit einer größeren Gruppe, darunter auch Ant, Dec, Jonny mit ihren jeweiligen Partnern, Max und Jerry. Da sie wissen, dass ein Haufen Paparazzi auf sie wartet, beschließen Rob und Max vor dem Aufbruch, die Lachnummer vom vergangenen Freitag zu wiederholen. Beim Rauskommen bleiben sie vor dem Ein-
gang stehen, zeigen mit dem Finger aufeinander und erfinden im Licht des Blitzlichtgewitters ein ganzes Repertoire völlig absurder Grimassen. Es endet damit, dass Rob sich fallen lässt und auf dem Rücken liegen bleibt, während er sich halb totkichert, weil alles so verrückt ist. Dummerweise verspäten sich die Wagen, die aus der Garage gerufen wurden, um sie abzuholen, und als die Jungs so lange gelacht haben, wie sie nur können, sind sie immer noch nicht aufgetaucht. Rob und Max stehen da wie zwei auf der Bühne gestrandete Schauspieler, nachdem die Lichter schon wieder angegangen sind. Also tun sie das einzig Vernünftige und ziehen sich in die Lobby des Restaurants zurück. Diesmal warten sie, bis die Wagen vorfahren, und machen dann den zweiten, weniger überschwänglichen Abgang. Die Fotos werden überall abgedruckt, begleitet von Artikeln, die das Lachen nur als Beweis für die Ausgelassenheit einiger prominenter Persönlichkeiten werten, die sich beim Ausgehen amüsieren. Auf dem Weg nach Hause kauft Rob vier Flaschen Weißwein für seine Gäste, und dann spielen alle Killer am Billardtisch. Rob gewinnt. Er lässt ein paar Songs von seinem Computer laufen und meint, jetzt sei es Zeit, das Obst aus dem Fenster in den Fluss zu werfen. Er fängt mit Pflaumen an, und als die alle sind, folgen Äpfel und Birnen. Als Jonny einen vor Anker liegenden Lastkahn trifft, wird die Aktion beendet.
Seit Monaten ist das Ereignis an diesem Samstag in Robs Terminkalender rot angestrichen: der North London College Ball. Es existiert überhaupt kein North London College Ball, aber jeder der Beteiligten hat seine Gründe, warum die Wahrheit nicht ans Licht kommen soll. Robbie Williams wird als Überraschungsstar für 10 000 Angestellte der alljährlichen Vodaphone-Party auftreten. Die Verantwortlichen bei Vodaphone wollen nicht, dass irgendwer davon erfährt, weil es eine Überraschung sein soll. Außerdem könnte es eine zweischneidige Sache für sie werden, falls es allzu sehr auffällt, wie verschwenderisch sie die Leute verwöhnen, die für sie arbeiten. Auf Robs Seite will niemand, dass es rauskommt, weil er den Auftritt als Warm-up für die Tour benutzt, abseits von Presse und öffentlicher
Aufmerksamkeit, aber auch, weil solche Konzern-Events mit einem Stigma behaftet sind. Häufig gelten sie als Zeichen dafür, dass ein Künstler seine Prinzipien verrät und nur abkassieren will. Das Argument, dass Entertainer im 21. Jahrhundert ihre reguläre künstlerische Arbeit in harter Opposition zu den Kräften des Marktes oder dem multinationalen Kapitalismus erledigen müssen, ist in den meisten Fällen absurd und falsch, aber trotzdem, sollte die Presse Wind davon kriegen, würde sie wahrscheinlich unangenehme Fragen stellen, Robs Motive in Zweifel ziehen und sich wundern, warum jemand, der so reich ist, den Hals einfach nicht voll kriegen kann. Tatsächlich hätte er eine sehr gute Antwort darauf, doch die will er lieber nicht preisgeben müssen. Es ist mehr als zwei Jahre her, dass er seine Songs das letzte Mal auf einem Konzert in England präsentiert hat, und deshalb ist er ziemlich still und nervös. Er verlässt die Wohnung kurz nach 21 Uhr, setzt sich mit Jonny auf den Rücksitz des Busses und blättert in einer Zeitung. «Schon wieder nicht in der Honor's List», seufzt er. «Das ist ja allmählich ein Witz.» Er möchte Eddie Murphys Comedy-CD hören, doch Jonny beschwert sich über die Lautstärke. «Warum setzt du dich nicht zur Ruhe und tust so, als wärst du schon 70?», zieht Rob ihn auf. «Dann könntest du jeden Tag Golf spielen.» «Eines Tages werde ich tatsächlich 70 sein!» «Das bist du jetzt schon!» «Dann wohnen wir in zwei Häusern nebeneinander ... », sagt Jonny und ignoriert ihn. «Du wirst einen von diesen Flügeln haben, die kein Mensch spielt», prophezeit Rob, «und einen Zweisitzer für Nikki und dich. Ein Pseudo-Tudorhaus.» «Ich mag Pseudo-Tudorhäuser», meint Jonny. «Die Kinder werden sagen: Ich wette, in zehn Jahren haben wir zwei Häuser nebeneinander. Aber dann müssen wir einen Durchbruch machen, damit wir immer direkten Zugang zum anderen haben.» Rob wechselt das Thema und erklärt, dass sein Pseudonym für die Hotels während der Tour William Wallace sein wird. «William Wallace ist Scheiße», sagt Jonny. «Nein, ist es nicht. Wieso ist William Wallace Scheiße?»
«Weil es das schon gab.» «Stimmt nicht.» «Du bist kein Schotte.» «Ein bisschen schon.» Pause. «Jedenfalls war ich schon mal da.» Die beiden sind Meister im Austragen alberner Diskussionen. Manchmal scheint es, als sei ein Streit überwunden, und dann flammt er wieder auf, wie ein Feuer, das erloschen war und dann noch einmal aufflackert. Jonny findet, dass Rob sich Captain Sid Rudy Duke nennen soll, nach seinen drei Hunden. (Nach mehreren Hundeproblemen in Los Angeles – einmal hatte er vier auf einen Schlag – wurde Sammys Platz von einer männlichen Dogge namens Duke eingenommen.) «William Wallace ist dämlich», fängt Jonny wieder an. «Warum ist William Wallace dämlich?» «Darum.» «Warum?» «Niemand kann Braveheart sein», sagt Jonny. «Es gibt nur einen Braveheart. Und das war Mel Gibson.» «Du musst wohl unbedingt einen beschissenen Schützengraben ausheben, was?» «Nein. Aber es kann trotzdem nur einen William Wallace geben.» «Ich bilde mir nicht ein, William Wallace zu sein, Jonny», sagt Rob mittlerweile angestachelt. «Es gibt einem nur den nötigen Mumm, um auf die Bühne zu gehen. Wenn man das beschissene Gefühl hat, dass man es nicht schafft. Verstehst du, was ich meine? Er hat es ohne jede fremde Hilfe mit den englischen Wichsern aufgenommen. Entweder das oder Rob Roy. Oder Michael Collins. Es geht nur um den inneren Mut, auf die Bühne zu gehen. Wenn man Captain Sid Rudy Duke ist, könnte man genauso gut der beschissene Hong Kong Phooey sein. Dann könnte man auch jede Nacht auf die Bühne gehen und <Jigabow Jigabow> machen ... » Jonny weist darauf hin, dass Rob früher den Namen Trixie Farrell benutzt hat (ein Hund aus seiner Kindheit und der Mädchenname seiner Mutter). «Ich war auch schon mal A. Gabriel, der Erzengel Gabriel. Oder Jack Farrell — der große Jack, der Riesentöter, mein Großvater. Und jetzt bin ich eben William Wallace», sagt Rob.
«Genauso gut könntest du dich Jason Orange nennen», stichelt Jonny weiter. «Ich könnte genauso gut der beschissene Jason mitsamt den Argonauten sein», antwortet Rob. Jonny führt ein weiteres Argument für Captain Sid Rudy Duke an, und Rob meint genervt, dass Jonny der Einzige ist, der diesen dämlichen Namen für eine gute Idee hält. Jonny sieht sich nach Unterstützung um. «Es klingt ein bisschen nach Carry On», meint Josie. «Wir sind aber nicht mehr Carry On. Das ist eine ernsthafte Angelegenheit. Es geht darum, Entertainment zu liefern.» Jonny fragt Pompey nach seinem Tour-Pseudonym. «Willie Recover», antwortet der. «Findest du das etwa ernsthaft?», höhnt Jonny. «Er muss nicht auf die Bühne», erklärt Rob. «Und außerdem hat er bereits Charakterstärke. Im Gegensatz zu mir.» Um des lieben Friedens willen verspricht er schließlich, sich an den Off-Days Captain Sid Rudy Duke nennen zu lassen, obwohl wir alle wissen, dass es dazu nicht kommen wird. Die Frotzelei hat ihren Hauptzweck erfüllt, nämlich Rob von dem bevorstehenden Auftritt abzulenken. Wir erreichen das Gelände, ein riesiges Zelt in der Nähe von Highclere Castle, über Landstraßen und ein dunkles Feld. Lulu, Liberty X und Bryan Adams haben ihren Auftritt bereits hinter sich, alle waren nicht angekündigt. Rob ist im Programmablauf als «Hot Legs» aufgeführt. Bevor sie auf die Bühne gehen, schart Rob die Band auf der Wiese um sich. «Also ... neulich dachte ich, dass es nirgendwo eine Band gibt, die es so macht wie wir, nirgendwo. Keine beschissene Band auf der Welt macht es so wie wir. Justin Timberlake, Beyonce, Christina Aguilera, wer auch immer, es gibt keinen, der es so bringt, wie wir es auf dieser beschissenen Tour bringen werden, und die Show heute Abend hat eine Million Pfund für wohltätige Zwecke eingebracht, deshalb gehen wir jetzt da raus und zeigen es ihnen, nehmen das Geld und stellen damit was Gutes auf die Beine. Aber ich wollte euch auch noch sagen, dass all meine anderen Touren immer damit angefangen haben, dass ich eigentlich nicht wollte. Dafür kriege ich es dann ziemlich super hin ... » — die Band applaudiert — «ja, echt. Ich
muss nämlich immer was beweisen, ich und wir alle zusammen, und deshalb gehen wir jetzt da raus und sind die Besten, die es derzeit auf der ganzen Welt gibt, denn wir können es.» Die Band geht auseinander, um ihre Plätze auf der Bühne einzunehmen. «Deine Gigs», meint Jonny, «ich liebe sie einfach.» Rob sagt nichts. Er scheint sich innerlich vorzubereiten. «Es ist immer so ... », fährt Jonny fort. «Wenn Rob versucht sich zu konzentrieren, und Josie und ich nicht wissen, was wir sagen sollen ...» Rob sagt immer noch nichts. «Es ist komisch», meint Jonny. «Ich bin genauso nervös wie er. Quatsche dummes Zeug. Weil ich denke, wenn ich irgendwas quatsche, ist es gut, es lenkt ihn ab. Deshalb mach ich es.» «Es nervt», sagt Rob todernst. «Ich fand es schon immer nervig.» Anderthalb Songs nach dem ekstatischen Gebrüll, mit dem die betrunkene Menge sein Erscheinen durch eine Falltür vorn auf der Bühne begrüßt hat, lässt er die Hose runter. Er muss den Aufzug wechseln, und das vor allen Leuten. «Eine Nacht, nur eine einzige, und ihr kriegt nicht mal alles zu sehen», sagt er. «Ich wette, das hatte der verdammte Bryan Adams nicht zu bieten. Oder Liberty X.» Viele in der Menge halten, wie nicht anders zu erwarten, ihre Handys in die Höhe und übertragen den Auftritt an ihre Freunde woanders. Rob scheint von Anfang an einen Riesenspaß zu haben – jedenfalls erzählt er das dem Publikum immer wieder. «Es ist ein wahnsinnig geiles Gefühl», sagt er etwa nach der Hälfte, gleich vor «Hot Fudge». «Ja, echt. Und ich wette, ihr denkt: <Jede Wette, das sagt er immer>.» Pause. «Tja, aber ich hab es nicht im verdammten Island gesagt, ich fand es grässlich da. Island ... und Schweden. Beschissen. Aber hier ist es super.» Bei «One For My Baby» erwähnt er Glitter nicht mehr, sondern schmachtet stattdessen schamlos: «One for my baby ... and ten for Vodaphone ... » «Supreme» wird zum ersten Mal in der manischen, hochtourigen Version gespielt, obwohl Rob später entscheidet, dass er es nicht wirklich gut findet, und so bleibt es die einzige öffentliche Vorstellung. Vor «Kids» tut er so, als kündigte er Kylie an. «Meine Damen und Herren, Miss Kylie Minogue! ... », lässt dann den Beifall
verhallen und sagt: «Nee, sie kommt nicht ... Kennt jemand den Text zu ... ?» Der Mann, der neben mir sitzt, dreht sich beeindruckt zu mir um und sagt: «Er hat wirklich recherchiert. Er wusste von Kylie im letzten Jahr ... » (Er wusste natürlich gar nichts. Es war bloß ein Zufallstreffer.) Obwohl das Publikum nicht ekstatischer hätte reagieren können, erklärt er am Schluss – und meint vermutlich mehr seine eigenen Ängste vor diesem Event als die Begeisterung der Menge: «Ich weiß, dass die meisten von euch wahrscheinlich keine Robbie WilliamsPlatte zu Hause haben und wahrscheinlich auch nicht besonders viel von mir wissen, deshalb möchte ich mich bedanken, dass ihr es heute Abend mit mir ausgehalten habt, und hoffe, dass ich euch ein kleines bisschen unterhalten konnte.» Gespielte Bescheidenheit, echte Bescheidenheit, publikumswirksames Auftreten und ein beachtlicher Schuss Unsicherheit — von allem etwas. Backstage stellt sich heraus, dass er riesige Probleme mit seinen InEar-Monitors hatte und es blöd fand, dass das Publikum so weit von der Bühne entfernt saß. Es hat ihm den Spaß verdorben. Aber er ist begeistert, wie fit er sich gefühlt hat. Gary Marshall, der das alles nicht mitgekriegt hat, kommt rein. «Hat Spaß gemacht, was?» Rob schüttelt den Kopf, als wollte er sagen: Wenn du länger mit mir gearbeitet hast, wirst du wissen, warum. «Du glaubst vielleicht, ich würde jeden Abend der Tour genießen», erklärt er. «Aber das wird nicht passieren.»
5 Am Sonntagnachmittag haben sich alle zum Fußballspielen auf einem Platz in der Nähe von Jonnys Wohnung verabredet. Ein Mann, den keiner kennt, steht hinter einem der Tore. Zuerst sieht er eine Weile einfach nur zu, doch dann fängt er an zu fotografieren, als wäre es die natürlichste und normalste Sache der Welt. Trotz entsprechender Aufforderung hört er nicht damit auf. In der Halbzeit platzt Rob der Kragen.
«Verdammt nochmal, schießen Sie endlich Ihre Fotos und machen Sie, dass Sie wegkommen!» Der Mann rechtfertigt sich gegen jede Logik damit, dass er kein Paparazzi sei, weil er für die Daily Mail arbeite. Er reicht Rob seine Visitenkarte. «Sie wollen die Fotos also der Daily Mail geben?» «Ja», nickt der Mann und wirkt beinahe erleichtert, dass Rob endlich verstanden hat. «Dann sind Sie doch ein beschissener Paparazzi, Sie Arschloch.» «Die Mail hat mich angerufen», verteidigt sich der Mann. «Wenn Sie was dagegen haben, dann lass ich es.» «Was wollen Sie dann noch hier?», tobt Rob. «Ich wollte nochmal fragen.» «Und ich sage nochmal nein.» Der Mann entgegnet, er hätte sich alle Mühe gegeben, Robs Freunde nicht auf die Fotos zu bekommen, weil er glaubte, gerade das hätte Rob gestört, als er sich das erste Mal wegen der Kamera beschwerte. Er kapiert es einfach nicht. (Und offensichtlich denkt er auch, dass Rob es nicht kapiert. Sie sind meilenweit voneinander entfernt. Er lebt in einer Welt, in der sein Verhalten vermutlich als Gipfel rücksichtsvoller Höflichkeit gilt.) «Hören Sie, Kumpel», sagt Rob schließlich, «Sie können sich Ihre verdammte Sichtweise sonst wohin stecken und obendrein den Arsch damit abwischen.» «Gehen Sie einfach», drängt Gary. «Drehen Sie sich um und verschwinden Sie. Bitte.» «Das ist unerhört, Freunde, echt.» «Sie sind unerhört», erklärt ihm Rob. «Sie verderben allen hier den Spaß.» «Ich habe Ihnen meine Karte gegeben», protestiert der Fotograf schwach, als hätte er damit sowohl seine Ehre als auch seine Legitimität bewiesen. «Ist mir scheißegal», sagt Rob und tut so, als würde er sie lesen. «Saddam Hussein – bitte sehr!»
An diesem Wochenende bringt News Of The World einen weiteren Vorabdruck aus der inoffiziellen Biographie. Wieder jede Menge Schwachsinn, verzapft von immer den gleichen Typen – hauptsächlich verbitterten Ex-Managern und gelegentlichen Mitarbeitern, die in all diesen Berichten auftauchen. An diesem Wochenende erleben wir die Wiederkehr von Raymond Heffernan, dem Mann, der behauptet, Co-Autor von «Angels» zu sein. («Der Text war von mir», wird er zitiert. «Es tut weh, dass Robbie mich nicht mal erwähnt. Ich war daran beteiligt.») Die wahre Geschichte von Raymond Heffernans kurzer Bekanntschaft mit Rob ist zumindest interessant, noch so ein unglaubliches Abenteuer auf den verschlungenen Pfaden, die ihn hierher gebracht hat. Es ist Weihnachten 1995, das erste nach seinem Ausstieg bei Take That. In dieser Zeit lässt Rob jede Menge freche und selbstbewusste Äußerungen über seine Zukunft los, was aber nicht viel mehr beweist, als dass er entschlossen ist, diesen Plan aus den Augen zu verlieren. Er nimmt eine Fähre nach Dublin, wo er die Weihnachtsferien verbringen will. Bei ihm sind seine Mutter, deren damaliger Freund und seine Schwester. Als sie am späten Nachmittag in dem Haus ankommen, das sie im Zentrum von Dublin gemietet haben, setzt Rob nicht mal einen Fuß hinein. Er überlässt das Auspacken den anderen und steuert direkt das nächste Pub an, allein, um sich zu betrinken. Ein Typ mit abstehendem ingwerfarbenem Haar fällt ihm auf, sie kommen ins Gespräch. Es ist Raymond Heffernan. Sie reden den ganzen Abend. Bald sind sie dicke Freunde und verbringen jede Minute zusammen. Rob schluckt eine Ecstasy nach der anderen und trinkt Unmengen Guinness. Manchmal übernachten sie in dem Haus, das Rob gemietet hat, und manchmal stolpern sie raus aus der Stadt zum Haus von Raymonds Eltern in einer Siedlung mit Sozialwohnungen und schlafen unterm Dach auf einer Matratze am Boden. Wenn sie dann mit einem gewaltigen Kater aufwachen, bietet Raymonds Mutter ihnen immer eine Tasse Tee an, und wenn Rob ablehnt, macht sie ihm trotzdem welchen. Für ihn fühlt es sich an, als sei er in einer liebevollen, warmherzigen irischen Familie gelandet, mit der er lieber zusammen ist als mit seiner eigenen. Hier gibt es keine Mutter, die ihn — mit
Recht — für einen Säufer hält, einen widerspenstigen Sohn, der sein Leben zum Fenster hinauswirft und sich vor ihren Augen zugrunde richtet. Außerdem ist ihm klar, dass seine Mutter in Raymond nicht denjenigen sieht, für den Rob ihn hält, aber er hat keinen Bock, sich das anzuhören. «Ich brauche jemand, der so ist wie ich. Ich will einfach, dass mich mögen», denkt er. Und diese Woche ist es Raymond. Er hat versucht, ein paar Songs für die Solo-Karriere zu schreiben, von der er dauernd erzählt. Eines Abends fallen ihm ein paar Zeilen für einen neuen Song ein, als er vor einem Dubliner Pub sitzt, den Raymond und er oft besuchen, mit einem schäbigen kleinen Wasserfall im Patio. Es ist nicht mal ein richtiger Wasserfall, nur eine kleines modernes Kunstobjekt, aus dem Wasser sprudelt. «And down the waterfall, whereever it may take me.» Aber es schwirren ihm noch andere Ideen durch den Kopf. Raymond hat ihm von einem entfernten Verwandten erzählt, der in St. Stephen's Green erschossen wurde, als er die Trikolore hisste. Er hieß Bobby Williams. Das scheint Rob etwas zu bedeuten. Er glaubt an Wiedergeburt. Seit einiger Zeit erzählt er jedem, der es hören will, dass er mit 32 sterben wird. «Ich bin nicht mehr lange da», sagt er. Außerdem ist er überzeugt, dass jemand ihm hilft. Er kann es spüren und ist sicher, dass es ein Engel ist. So fällt ihm der Refrain für seinen neuen Song ein, der sich mehrmals wiederholt: «I'm loving angels and angels and angels, oh-oh woah angels.» Eines Tages fahren Raymond und er in ein Studio in Temple Bar und machen ein paar Aufnahmen. Raymond steuert ein paar Noten zu Robs Melodie und dem Text über Engel und Wasserfälle bei. Rob nimmt die Kassette mit. Etwa um diese Zeit wird alles etwas seltsam. Als sie am Anfang zusammen ausgingen — und es fing ja erst vor ein paar Tagen an —, waren es immer Rob, Raymond und Raymonds Freunde. Rob erinnert sich an Nächte voller Drogen und Spaß. Wenn die Sonne aufging, wechselte er zu Poppers, und die Gedichtrezitationen begannen. Aber jetzt scheint es immer nur noch um Rob und Raymond zu gehen. Silvester gehen sie völlig zugeknallt ins Pod. Raymond erklärt, er müsse nochmal kurz weg und seine Freunde
sehen und kommt mit Schnitt-wunden im Gesicht, einem blauen Auge und einem zerrissenen Hemd zurück. «Meine Freunde haben mich verprügelt», sagt er. «Jetzt habe ich niemanden mehr, nur dich, Robbie.» Und Rob macht im Geist zum ersten Mal einen Schritt zurück und denkt: Egal, ob es stimmt oder nicht, ich weiß nicht, ob ich das wirklich will. Als der Tag seiner Abreise näher rückt, klammert sich Raymond immer mehr an ihn und nervt ihn damit, ob er ihn wiedersehen werde. Rob schenkt ihm seine warme StüssyJacke, um ihn zu beruhigen — eine Jacke, die er liebt. Er gibt ihm nicht seine Adresse, doch zwei Wochen später steht Raymond in Stoke auf der Matte. «Her», sagt er, als Rob aufmacht. «Was willst du?», fragt Rob und sieht, wie Raymond in sich zusammensackt, als er merkt, dass es nicht so läuft, wie er sich erhofft hat. Rob lässt ihn reinkommen und macht ihm klar, dass er nicht bleiben kann. Er gibt ihm Geld für ein billiges Hotel und die Fähre zu-rück nach Dublin und ruft ein Taxi. Sie unterhalten sich noch, bis das Taxi kommt, dann verabschieden sie sich. Seitdem hat Rob ihn nie wieder gesehen. Ein paar Monate später, am zweiten Tag der Zusammenarbeit mit Guy, singt er ihm die Melodie und den Text vor, die er schon eine Weile für einen Teil des Songs hatte. Guy komponiert eine neue Musik dazu, und wenig später haben sie auch den Rest fertig. Sofort ist klar, dass es etwas Besonderes ist, doch Guy fühlt sich nicht wohl und legt sich gleich anschließend ins Bett. Draußen schneit es. Rob muss eine Ewigkeit zu Fuß gehen, bis er ein Taxi findet. Er bittet den Fahrer, die Kassette zu spielen, die er in der Tasche hat, und dieser Taxifahrer ist der dritte Mensch auf der Welt, der «Angels» zu hören bekommt. Anschließend erklärt er Rob, dass es ein Hit werden wird. Ein paar Monate später versuchte Raymond Heffernan, als Co-Autor von «Angels» anerkannt zu werden. Rob hat den Anspruch stets zurückgewiesen, trotzdem zahlte er Heffernan eine bescheidene einmalige Geldsumme. Seitdem taucht dieser immer mal wieder in der Presse oder in Büchern auf, um seine Version unters Volk zu bringen.
Die Proben für die endgültige Tour-Produktion finden auf einer Fernsehbühne im Elstree Studio statt, etwa 30 Meter von dem Gelände entfernt, von wo die neueste Big Brother-Staffel live übertragen wird. Man hat in den letzten 14 Tagen viel darüber geredet, ob man die Tür des Proberaums aufmachen und Rob seine neue Single einfach am Stück singen lassen soll, sehr laut, damit man sie in der 24-stündigen Live-Übertragung von Big Brother hört, aber dazu kommt es nicht. Zum einen ist die neue Single inzwischen nicht mehr im Programm. Zum anderen ist Rob nicht der Mann, der ununterbrochen dasselbe machen könnte. Am ersten Tag seiner Anwesenheit setzt er sich ans Mischpult und beobachtet etwa die Hälfte der Show, ohne sich selbst zu beteiligen. Nur einmal erhebt er Einspruch gegen einen Film, der einen schwarzen, muskelbepackten männlichen Körper zeigt und zu «Strong» auf eine Leinwand hinter der Bühne projiziert werden soll. Eigentlich will Rob heute nur ausprobieren, ob er sich zu Beginn der Show kopfüber auf die Bühne abseilen kann. Dazu legt er sich auf eine Matte in der Mitte der Bühne und lässt sich die Fußknöchel aneinander schnallen. «Was man nicht alles macht, um eine Tour zu verkaufen», bemerkt Chris Sharrock. «Was man nicht alles macht, um der King zu bleiben», korrigiert ihn Rob. Dann wird er hochgezogen. «Wie fühlt sich das an?», fragt Josie. «Super.» Man lässt ihn wieder runter. «Ja, echt gut so», sagt er noch einmal. Dann erklärt er Josie, dass er jetzt gehen und ins Air Studio fahren will, um sich mit Stephen Duffy zu treffen. «Ich muss unbedingt was schreiben», erklärt er. «Das ist wie eine fixe Idee.» Er hat immer noch nicht die ganze Show in einem Durchlauf verfolgt und kaum auf die Teile reagiert, die er heute gesehen hat. Wahrscheinlich muss es für ihn so sein — dass er sich ganz allmählich einklinkt, ohne sich allzu viele Gedanken darüber zu machen. So, wie er es sieht, ist es seine Show, seine Verantwortung und seine Belastung. Doch für die Leute, die seit Wochen wie verrückt schuften, um all das zu etwas Besonderem zu machen, nicht nur, weil sie stolz auf ihre
Professionalität sind, sondern auch, weil sie ihm gefallen wollen, ist dieser Mangel an Engagement und Feedback frustrierend. Auf dem Weg in die Stadt überholt uns auf einer Landstraße ein Sportwagen mit einer hübschen jungen Frau am Steuer. Rob bittet Gary, Gas zu geben. Zuerst glaubt er, es sei Jordan, aber sie ist es nicht. «Hallo!», ruft er. «Warte mal .. wo fährst du hin?» Sie lächelt, als sie ihn erkennt, und zeigt auf eine Abzweigung, um anzudeuten, dass sie hier abbiegen muss, vielleicht auch, dass er folgen soll. Er tut es nicht. Heute muss er Songs schreiben.
Stephens Studio unter dem Dach ist ein winziger, voll gestopfter Raum, den man nur durch ein Büro erreicht. Mehr als vier Leute passen nicht hinein, aber selbst dann kann höchstens einer auf einmal aufstehen. An allen Wänden hängen Musikinstrumente und dazwischen Fotos, Postkarten und Zeitungsartikel. Jack Kerouac auf dem Cover des französischen Musikmagazins Les Inrockuptibles, ein Standfoto aus Easy Rider, ein Artikel über Patti Smith, ein Lilac Time-Plakat, ein Bild der Rolling Stones aus den 60er Jahren auf dem Cover von Uncut. Auf dem Schreibtisch steht ein Exemplar von Joni Mitchells The Hissing Of The Summer Lawns mit kommentierten Zeichnungen der Ansicht vom Central Park aus nach Süden. Mitchell selbst hat sie gemacht, als sie vor kurzem unten im Studio arbeitete, um Stephen die Bedeutung diverser Wahrzeichen zu erläutern. Die Twin Towers ganz hinten hat sie durchgestrichen und daneben gekritzelt: GONE. Rob möchte an dem Song arbeiten, den sie beim letzten Mal begonnen haben. Er glaubt, er heißt «Today». «Er heißt <Everyone Needs It>», sagt Stephen zu Andy Strange, der die Computer steuert und alles aufnimmt. Doch ehe sie anfangen, muss Rob noch die letzten aufregenden Ideen über Pure Francis loswerden und dass er vorhat, seine Frisur, seine Nase und die Augenfarbe dafür zu verändern. «Wie Neil Diamond, aber mit Kraftwerk – oder Depeche Mode ohne Angst vor einem eingängigen Refrain. Was hältst du davon?» «Super», sagt Stephen. «Das machen wir.»
Rob singt den Song mehrere Male und improvisiert jedes Mal neue Textteile und Melodien. Er sitzt neben dem Keyboard und benutzt ein Handmikrophon. Stephen schlägt vor, erst den Text zu schreiben und von da aus weiterzumachen, doch das wird einfach ignoriert. Stephen fragt, ob er schon weiß, was Pure Francis für eine Geschichte hat, denn das wird vermutlich zur Klärung dessen beitragen, wovon die Songs handeln sollen. «Nichts von der Komik des Albums», antworte Rob. «Die Leute sollen gefühlsmäßig auf die Songs reagieren.» «Tja», meint Stephen. «Für Komik bin ich ja auch nicht gerade bekannt.» Eher für seine Düsterkeit. In der neuesten Ausgabe der Zeitschrift Mojo steht er an 13. Stelle einer Liste der unglücklichsten Menschen im Rock-Business. «Das ist die beste Presse, die ich seit Jahren hatte.» Rob erzählt ein bisschen über die Figur Pure Francis, so wie er sie im Augenblick sieht. «Er war Session-Sänger für die verschiedensten Leute. Keine Ahnung, wir er es von Amerika nach England und da ins Fernsehen und Radio geschafft hat, aber das kommt noch. Auf alle Fälle geht es ihm miserabel. Es ist sozusagen <der letzte Versuch>, etwas in der Art.» «Glaubst du, da ist Platz für einen Song über das Imperial War Museum?», fragt Stephen hoffnungsvoll. «Es klingt so hübsch.» Diese verrückte Idee stößt auf eine erstaunlich positive Resonanz. «Neil Tennant hat immer gesagt, das war unsere imperiale Phase», erklärt Rob. «Und ich mache gerade meine imperiale Phase durch.» Er nickt. «So könnte das Imperial War Museum ... zu einer Art Ruhmeshalle des Rock werden.» «Hast du Neil Diamond schon gehört?», fragt Stephen. Sie hatten vereinbart, sich The Jazz Singer anzuhören, als Recherche für Pure Francis. «Nein, ich hab die CD gekauft, aber noch keine Zeit gehabt, reinzuhören.» «Vielleicht sollten wir drauf verzichten. Es läuft doch ganz gut.» «Ja, stimmt, du hast Recht.» Rob will auch nicht, dass Stephen sich «Get The Message» von Electronic anhört. Stephen meint, Scott Walker könnte nützlich sein. «Wegen seiner Denkweise?»
«Yeah, weil Scott eine interessante ... die Art, wie er verschwand ... und dann als Avantgarde-Künstler wieder auftauchte. Und kein Mensch wusste, was er machte. Die Leute sagten, er malt, aber keiner wusste etwas Genaues.» «Wir sollten eine Platte machen, die sich für jemand, der nicht weiß, was Avantgarde ist, so anhört, als wäre es Avantgarde. Du verstehst, was ich meine?»
Sie gehen zu einem neuen Song über. Stephen programmiert ein paar Drums, und Rob fängt sofort an zu singen. « Caught the last train to Paddington station, made my escape in the rain, still got your mascara in my bag ... » Doch schon wenige Sekunden, nachdem dieser Song das Licht der Welt erblickt hat, wird er wieder fallen gelassen. Rob meint, der Rhythmus würde ihn zu sehr an «Girl From Ipanema» erinnern. Stattdessen fängt er an, auf dem Synthesizer herumzuklimpern. Nach einer Weile fragt er, ob sie noch andere Beats haben. «Was brauchst du denn?», fragt Andy. «Das weiß ich erst, wenn ich es höre», sagt er. «Hast du vielleicht was richtig Fetziges?» Stephen greift in ein CD-Regal, das neben dem einzigen kleinen Fenster an der Wand aufgehängt ist und zieht ein Rolling StonesBootleg heraus, Taxile On Main Street. «Vielleicht klappt es mit einem Schuss Charlie Watts.» Andy findet auf einer Version von «Tumbling Dice» eine Stelle, die frei von Nebengeräuschen ist und loopt sie. Inzwischen erzählt Rob Stephen, dass er seinem Management noch nichts von Pure Francis erzählt hat. (Josie weiß natürlich, dass er hier ist, aber er rückt nicht richtig damit raus, woran sie arbeiten.) Wenn er es erzählt, wissen sie vielleicht nicht, ob sie ihm glauben sollen. Einmal hat er ihnen gesagt, dass er wüsste, wie man den amerikanischen Markt erobern könnte: als Ringer im WWF. «Ich meinte zu ihnen, dass ich jemand kenne, der Anabolika vertickt – es würde überhaupt kein Problem sein. Und wir würden sie kriegen, indem die Eingangsmusik immer eine von meinen Platten wäre. Sie lachten, aber ich machte ein todernstes Gesicht, da kriegten sie echt Angst.»
Rob erwähnt noch andere Leute, die Einfluss auf Pure Francis nehmen könnten. «Ich hab gerade die Smiths entdeckt.» «Na, das wird ja echt gefährlich», sagt Stephen. «Wahrscheinlich wird EMI versuchen, mich umzubringen.» «Ja, darüber denke ich ja die ganze Zeit nach. Wie kriegen wir eine Platte auf den Markt, während die Greatest Hits laufen? Man muss einfach jemand anders werden.» Stephen und Rob stimmen ihre Pläne für den Rest des Jahres ab: Wird es nach der Sommertour noch eine amerikanische Tour geben? «Ich glaube nicht, dass ich durch Amerika touren will. Aber ich muss es wohl bald mal jemand verklickern.» «Ich kann Tony Wadsworth für dich ausrichten, dass wir <Scott Walker goes electro> machen», schlägt Stephen vor, «und dass es viel wichtiger ist als den amerikanischen Markt zu erobern». Andy spielt ihnen den Drum-Loop vor – «Yeah!», ruft Rob begeistert —, aber genau in diesem Augenblick kommt Josie rein und er-innert Rob daran, dass es Zeit für das Interview mit dem australischen Fernsehteam ist. Charlie Watts muss warten.
«Josie», sagte Rob, als er für das Interview geschminkt wird. «Du weißt doch, dass ich Amerika sausen lasse, nicht?» «Ja. Wir touren nicht.» Der letzte Stand ist, dass sie statt auf Tour zu gehen im Oktober die Rundfunkanstalten abklappern, so wie vergangenen Monat. «Ich mache auch keine Radiosendung», sagt er. «Okay», antwortet sie und enttäuscht ihn, indem sie zustimmt. «Wie du willst.» «Ich will mehr Geld», sagt er schmollend, fest entschlossen, irgendwo auf Widerstand zu stoßen. «Mehr Geld kannst du unmöglich kriegen. Du hast schon alles. Mehr Geld gibt es auf der ganzen Welt nicht.» Der amerikanische Reporter macht Smalltalk, bevor es losgeht, und erzählt, dass er als Kind mit Nicole Kidman aufgewachsen ist. Sie wohnte nebenan. «Es war nur eine Gartenmauer zwischen uns.» «Mit Efeu?»
Der Interviewer drückt mächtig auf die Tränendrüse, doch Rob hält sich wacker. «Gefällt Ihnen der Ruhm eigentlich?», fragt der Reporter an einer Stelle. «Oder der ganze Rummel, der damit verbunden ist? Könnten Sie auch wieder zurück und ein glückliches Leben im industriellen Norden von England führen?» «Berühmt zu sein ist wie ein Baby zu kriegen», antwortet Rob. «Es ist wirklich toll und echt klasse, und dann macht es die ersten Schritte, und man ist dabei und verdrückt ein paar Tränen, und dann fängt es an zu tanzen, und man ist wieder dabei und weint wieder ein bisschen ... und dann scheißt es in die Hose, spuckt überall hin, macht dieses schreckliche Trotzalter durch, reißt ständig was runter, verbrennt sich und so weiter, und man will einfach nur noch weg. » Er spricht über die Zukunft und denkt dabei ganz offensichtlich daran, was er eben im Dachgeschoss gemacht hat. «Als Nächstes muss ich was riskieren. Es geht um ein Projekt, das die größte Katastrophe meines Lebens werden könnte. Oder gut ankommt und ein Bombenerfolg wird. Und ich glaube, so eine Art von Adrenalinstoß könnte ich gerade gut gebrauchen. Robbie Williams liegt hinter mir. Das ist Schnee von gestern.» «Tja, Robbie, Sie sind wirklich ein Prachtkerl», sagt der Reporter am Schluss. «Vielen Dank für Ihre Offenheit.» «Cool», meint Rob. «Dann geh ich jetzt mal und schreibe ein paar Hits, die junge Mädchen zum Weinen bringen.»
Oben hat Stephen unterdessen Charlie Watts auf 130 Takte pro Minute beschleunigt und eine blubbernde Kraftwerk-Passage drübergelegt. Rob fuhrwerkt ein paar Minuten am Keyboard herum und fängt dann an zu singen. «... fall fall fall into these arms, make me feel again, I can breathe again ...» Das wiederholt er ein paar Mal und kommt dabei auf immer neue Melodien und Textfetzen. Das Spektrum reicht von komplett unverständlich bis halbwegs logisch.
«... love is a bastard, love is the kind, love is the soul and driving me blind ... feel feel feel, feel free again, lost in the me again, taking over your heart ... love is a temple, love is a guide, love makes it thought to the other side, it's like a passenger falling free from your heart and soul ... I love you like angels, I love you like strangers, I love you in parts ... I feel like a freak, feel like a freak, only don't speak, it tears me apart ... » Stephen hat Angst, dass der Song zu rockig für Pure Francis werden könnte. Rob zuckt die Schultern. «Ach, mach dir darüber keine Gedanken.» Möglicherweise von dieser Antwort beflügelt, spielt Stephen ein paar kratzige, hymnisch angehauchte Akkorde auf der elektrischen Gitarre. «Find a place to crash ... » Stephen fragt ihn, ob er einen Refrain für den Song schreiben oder es lieber auf morgen verschieben und was Neues anfangen will. «Was Neues anfangen.» Stephen programmiert den nächsten Groove und schlägt Rob vor, das Stück auf dem Keyboard zu beginnen. Nach ein bisschen Rumgeklimper kommt er ziemlich schnell auf einen aus drei fallenden Noten bestehenden Riff. Andy nimmt ihn auf und loopt ihn, während Rob nach dem Mikro greift. Es ist nicht der geringste Vorsatz erkennbar. Welche Prozesse hier auch einfließen, welche Kalkulationen oder Erwägungen ihm im Kopf herumschwirren mögen, sie sind nicht ersichtlich, nicht mal, wenn man im gleichen Raum sitzt. Er tut es einfach. Trotzdem werden in den ersten Worten bereits Titel und Zentrum des Stücks deutlich: «You see the trouble with me ... Is that I love the song ... The trouble with me is, it's bound to go wrong ... the trouble with you, it passes you by ... the trouble with you is you love me, you love me ... » Rob bricht ab. «Ich habe noch nie wirklich ein Liebeslied geschrieben. Eigentlich habe ich überhaupt keine Liebeslieder geschrieben.» Dann korrigiert er sich. «Eins. Aber das ist noch nicht erschienen. <Snowblind>.» «Tja, ich dagegen habe nur Liebeslieder geschrieben, glaube ich», sagt Stephen.
«You see the trouble with me ... the other team is going to score ... the trouble with us ... you're in love with me ... » «Sollen wir noch am Refrain basteln?», drängt Stephen. «Yeah.» «Ich spiele Gitarre, und du fummelst so lange rum, bis du was gefunden hast», schlägt Stephen vor. «Ich bewundere deine Zuversicht, Stephen.» «Ich habe mit Nick Rhodes gearbeitet; ich weiß, wie es geht.» Und er hat Recht. Rob entwickelt am Synthesizer einen Bass, der für den neuen Teil bestimmt ist. «Ich glaube, das nennt man <experimentieren>, wie?», meint Rob mit affektierter Northern-Stimme. «Ich bin gerade dabei, mich neu zu erfinden.» Er singt ein paar Ideen, und dann nehmen sie den neuen Durchlauf auf. «You see the trouble with me, is I'm afraid to be bold, I'm afraid of getting old, and I'm afraid to be loved, loved, loved ... so she makes her last mistake ... woah oah yeah...» «Sehr gut», meint Stephen. «... Sollen wir damit für heute Schluss machen?» Sie haben ungefähr eine Dreiviertelstunde für den Song gebraucht. Er grinst. «Wenn das so weitergeht, haben wir Ende der Woche zehn Songs zusammen.» «Das ist das Schöne an Pure Francis.» Als wir die Treppe runtergehen, meint Rob aufgeregt: «Wir sind auf der richtigen Spur.» «Heißt das, dass ich jetzt meine Gary Numan-Platten spielen kann?», fragt Pompey.
6 Er hat zwar erklärt, nicht vor Ende der Woche zu den Proben zu erscheinen, lässt sich dann aber doch früher dazu überreden. Abgesehen von allem anderen muss er schon aus versicherungstechnischen Gründen üben, wie man kopfüber durch die Luft schwebt. Heute soll er es am Beginn einer Probe in voller Besetzung versuchen. Er liegt mit aneinander geschnallten Füßen hinter den Kulissen auf einer Matte am Boden, die Beine von dem Seil, das ihn gleich hochziehen wird, ein wenig angehoben. Dann geht es los. Er hat die verantwortlichen Mitglieder der Crew gebeten, bei dieser Probe unter ihm stehen zu bleiben, nur für alle Fälle – Owen Hart,
ein Ringer, der zu Tode stürzte, als er angeblich von der Decke herabgelassen werden sollte, spukt ihm noch durch den Kopf –, doch als er jetzt nach unten schaut, sind sie schon wieder mit was anderem beschäftigt. («Ich dachte, wenn das jetzt reißt, bin ich erledigt», sagt er später. «Und dann: Ehhhh, das ist Rodney, der traut sich was.») Nach dem Abseilen stürzt er sich gleich ins Programm. Er singt die ersten paar Stücke und spricht zu der beinahe leeren Halle so, als stünde er vor der Menschenmenge in Knebworth. (Das imaginäre Publikum ist ausdrücklich das von Knebworth, weil er es mehrmals beim Namen nennt. Zwar wird er vorher vor einer halben Million anderer Menschen auftreten, doch innerlich bereitet er sich schon jetzt auf Knebworth vor.) Nach ein paar Songs wirkt er lockerer. Am Ende von «Hot Fudge» erklärt er voller Überzeugung und Leidenschaft, dass Queen sich nicht trennen werden und die Presse ihn am Arsch lecken kann. Diese Rede macht hier allerdings weniger Sinn als auf der Queen Live At Wembley-DVD, die Lee ihm vor kurzem mitgebracht hat. Vor der Swing-Einlage sagt er: «Also, ich weiß, dass einige von euch wahrscheinlich meine Show in der Albert Hall gesehen haben.» Seufzer. «Das war ein großes Wagnis, echt. Eine Menge Leute haben es versucht und nicht geschafft.» Pause. «Ich nenne keine Namen.» Noch eine Pause. «Diana Ross ... » Pause. «... Robert Palmer ... » Pause. «... Rod Stewart ... » Pause. «... Sheena Easton ... » Pause. «... Harry Connick Jun. ...» Pause. «Aber ich nenne keine Namen.» Er hält immer noch nicht bis zum Ende des Programms durch. Mitten in «She's The One» verlässt er die Bühne, und als die Band«No Regrets» anstimmt, sitzt er bereits im Wagen auf dem Weg zurück nach London. Unterwegs sinniert er über Dates, Vögeln und Liebe. Er hat in letzter Zeit ein paar Dates gehabt, eine neue Erfahrung für ihn, und jetzt denkt er darüber nach, welche Erwartungen wohl jede Seite dabei mitbringt. «Ich bin sensibel und zurückhaltend ... aber der kleine Robbie übernimmt doch ziemlich oft die Kontrolle. Vermutlich denken das sowieso alle. Die Leute glauben, ich würde viel mehr rumvögeln, als ich es tatsächlich tue. So oft ist es gar nicht. Verstehst du, was ich meine?» Kommt drauf an, was man unter oft versteht.
«Nun ja, sie denken, ich kann jede Frau haben, die ich will, jede Frau bumsen, und dass ich das die ganze Zeit mache. Aber es passiert mir immer wieder, dass die interessanten oder netten Frauen gar nicht wollen. In meiner Jugend habe ich immer mit den Uninteressanten geschlafen. Deshalb glaube ich, dass man, wenn man etwas reifer wird, wenn man ein großer Junge ist, eigentlich nicht mehr so viel Lust dazu hat.» Er lacht und weiß, dass es doch höchstens ein Drittel der Wahrheit ist, egal wie ehrlich das klingen mag. «Und dann wieder doch.» Er kommt auf den Gedanken zurück, dass es wie ein beschissener Bonbonladen ist, während man selbst an Diabetes leidet. Seit wann er Diabetiker sei, will ich wissen. «Nun ja, es bekommt mir nicht.» Als ich einwende, dass seine Ernüchterung über das, was er haben kann, auch daher rühren könnte, dass er in einen Bonbonladen geht, nachdem er gerade eine riesige Mahlzeit verdrückt hat, lacht er nur.
Im Air Studio spielt Stephen ihm die rockigere Nummer vor, an denen sie vor zwei Tagen gearbeitet haben. Rob fängt spontan an zu singen. «I'm on a mission ... to abuse my position.» «Die ganze Richtung, die Francis Pure einschlägt, gefällt mir sehr», meint Stephen. Sie arbeiten am Mittelteil. Rob versucht es mit Pfeifen oder Summen, doch beides gefällt ihm nicht. Andy lässt den Groove noch einmal laufen, und plötzlich singt Rob: « Passt doch gut hier, oder?» Stephen nickt und legt eine Harmonie darunter. Was Rob hier gerade gemacht hat, nämlich den Text des Refrains von Stephen Duffys einzigem großen Pop-Hit der 80er Jahre auszuleihen, wird nicht weiter kommentiert. Das ist allerdings auch nicht nötig, denn wahrscheinlich erscheint er beiden aus mehreren Gründen passend. Nach einer Weile erwähnt Stephen, dass er ein paar Platten für Rob mitgebracht hat. Potenzielle Inspiration für Pure Francis' Texte. Die erste ist Bob Dylans Blood On The Tracks. «Wie er bei von einer Person zur anderen wechselt, zum Beispiel. Ein
tolles Beispiel für den Fall, dass man nicht in der ersten Person schreiben will.» Dann drückt er ihm auch The Hissing Of Summer Lawns und Nilsson Sings Newman von Harry Nilsson in die Hand. Rob schaut sich das Cover an – es ist eine Platte mit Randy Newman-Songs – und sagt, dass er ein paar davon kennt. «Es ist vor allem die Art, wie er von einer Sache zur nächsten kommt», meint Stephen. «Ich liebe », erklärt Rob und fängt an zu singen: «You and me, you and me, babe ... we'll have a kid, maybe we'll rent one ... it'll be have to be straight, we don't want a bent one ... » «Wenn wir solche Textideen mit dem Scott-Walker-meets-Kraftwerk-Mix verbinden könnten, hätten wir ... also, ich finde, das Konzept wird immer interessanter, je mehr man darüber nachdenkt.» «Es könnte ein Typ sein, aber auch eine Band», meint Rob. «Pure Francis könnte eine Band sein.» (Bei jedem neuen Projekt scheint es einen Punkt zu geben, wo Rob versucht, so viel Verantwortung und Belastung wie möglich abzuschieben, normalerweise, indem er es zu einer Band erklärt. Wenn er vernünftig ist, wird er es trotzdem nicht tun.) «Sehr praktische Schuhe, die du da anhast», sagt Stephen plötzlich. Rob hat jeden Tag hier im Studio seine Redwings getragen, weiche knöchelhohe Stiefel. «Yeah. Die Zeiten ändern sich.» Er erzählt, wie er Eric Clapton vor vier Jahren mit solchen Schuhen sah und dachte, ja, sie sind klasse, aber so praktisch. Doch dann sah er neulich welche in einem Schaufenster und sagte sich, jetzt wird es allmählich Zeit für so was ... Nach einer Weile holt Rob seinen Computer raus und spielt Stephen einige Songs vor, die ihnen weiterhelfen könnten. «Disappointed» (Electronic), «The Model» (Kraftwerk), «Massachusetts» (The Bee Gees), «Wichita Lineman» (Glen Campbell), «Ode To Billie Joe» (Bobbie Gentry), «I Don't Want To Hear It Anymore» (Dusty Springfield), «Short People» (Randy Newman), «Cannonball» (The Breeders), «Venus In Furs» (The Velvet Underground), «Can't Help Thinking About Me» (David Bowie), «The Family Coach» (The Lilac Time). «Wir sollten ein völlig übergeschnapptes Album machen», meint er. «Ich glaube, wir sind schon dabei.»
«Eins, das sonst keiner machen würde, weil niemand bereit wäre, so einen Unsinn zu singen.» In der Pause lassen sie ein paar Sushis kommen, sitzen im Büro vor dem Studio und reden über Elton John. «Er hat mich mal entführt», erinnert sich Rob. «Er hat mich nach Windsor mitgenommen. Eigentlich ist er ein echt netter Kerl. Hat das Herz auf dem rechten Fleck, nur eben manchmal Aussetzer.»
Am nächsten Tag fährt er wieder nach Elstree und unterhält sich im Kantinenzelt mit Chris Briggs. «Denkst du über einen neuen Song nach?», fragt Chris. «Mehrere», antwortet Rob, ohne zu verraten, dass sie schon Gestalt angenommen haben. Gary Marshall kommt dazu. «Geht es heute wieder zu Stephen Duffy?», fragt er und verrät dabei beinahe ein Geheimnis. Chris soll eigentlich nichts davon erfahren. «Stephen <Tintin> Duffy?», hakt er nach. «Yeah.» «Der früher The Lilac Time gemacht hat?» «Es gibt sie immer noch.» «Guter Songschreiber», blufft Chris. «Ach ja?», meint Rob beiläufig. Als Chris wegguckt, grinst er mir zu. Geheimnisse, die einen nicht umbringen, machen einen stärker. Schließlich geht er in die Halle, wo die Bühne aufgebaut ist. Rob tut immer noch so, als sei die Tour das Projekt von jemand anders, bei dem er ein unbeteiligter Investor ist, der hin und wieder vorbeischaut, um sich zu überzeugen, dass es vorangeht und das Geld gut angelegt ist. Heute muss Josie ihn zweimal in die Halle zurücklotsen, damit er die Tanzchoreographie für «Hot Fudge» begutachtet und absegnet. Bei der Swing-Einlage steigt er sogar eine Weile ein, wenn auch nur, um Max zu ärgern. «In diesem Sommer kommen sechs Filme mit ihm raus. So hat Boots wenigstens was zu tun.» Als er über ihren gemeinsamen Liebeskummer in der Weihnachtszeit spricht, sagt er: «Wir gehen nur mit Stars aus – habt ihr das bemerkt? Komisch. Aber im Knast vögelt man eben die Insassen.»
Er bleibt bis «Kids», und selbst das singt er auf einem Stuhl im hinteren Teil der Halle sitzend. «Bis später», sagt er zu David. «Bist du weg?» «Yeah. Hab noch was vor.» «Ah! Ein Date?» «Ja, Dave. Ein Date. Mit dem Schicksal.»
Im Studio komponiert Rob einen neuen Riff am Keyboard, ein monotones Motiv, das auf zwei Akkorden basiert. Stephen begleitet ihn auf der Gitarre und entwickelt eine fallende Akkordreihe, die aus den ersten beiden vier macht. Rob singt dazu. «Ganz gut, was? Wenn du mein Pete Waterman bist, bin ich deine Sonia.» Sie reden über Leute, die sie in früheren, wilderen Zeiten gekannt haben: den Schauspieler zum Beispiel, der nach einem Herzinfarkt einfach so weitermachte wie vorher. «Mich hätte es auch nicht abgehalten», sinniert Rob. «Tatsache ist, es hat mich nicht abgehalten. Ich hatte zwar keinen Herzinfarkt, aber ich war sehr krank. Nach den ersten MTV-Awards. Da kam mir schwarze Galle hoch. Es war irgend eine Geschlechtskrankheit. Ich rief meine Freundin an und sagte, dass ich eine Weile weg müsste. Am Ende landete ich bei Damien Hirst und sniefte Speed mit den Hell's Angels.» Er seufzt. «Verdammte Scheiße. Es gab ein Jahr, da konnte ich einfach nicht aufhören zu trinken. Jeden Tag, von morgens bis abends.» «Welches Jahr war das?» «95. Einmal wurde ich für die Sechs-Uhr-Nachrichten interviewt. Ich konnte mich nicht mal dran erinnern, dass ich da gewesen war.» «Worum ging's denn?» «Keine Ahnung. Wäre bestimmt interessant, es nochmal anzugucken ... » Er unterbricht sich. «Nein, wäre es nicht. Es wäre entsetzlich.» Er schüttelt den Kopf. «Ich fing an zu koksen, als ich merkte, wie die Wirkung von Ecstasy nachließ. Wenn man schon sieben intus hat, bringt es nicht viel, auch noch das achte einzuwerfen, und drei Gramm Koks brachten einen durch den Tag. Am nächsten Tag ist man völlig hinüber, und die folgenden zwei sind so schrecklich, wie
du es noch nie erlebt hast. Bei Koks dagegen bist du nur am nächsten Tag hinüber und am zweiten einfach nicht besonders gut drauf» Dazu kam die Paranoia. «Entweder sollte ich von einer Gang vergewaltigt werden, oder ich hatte mich mit Gangstern oder dem Geheimdienst angelegt. Sie kamen durch die Katzentür rein. Und die Mistkerle waren so schlau, dass sie sich im Sofa versteckten. Sie hatten es aufgemacht und wieder zugenäht. Und ich hatte das ganze Haus durchsucht, aber dann ging mir auf – o nein, sie sind im Sofa!» Stephen erzählt, wie er sich mal an heißem Kakao verschluckt hat und Angst hatte, er würde den schlimmsten Tod eines Rockstars aller Zeiten sterben. «0 Mann, da kommen nur jede Menge beschissener Gefühle hoch.» Sie machen mit dem Songschreiben weiter. Zeit für was Neues. Rob singt zu einem Groove, und nach einer Weile scheint der Text irgendein Eigenleben zu entwickeln: «Inside it's aching to be misunderstood ... be misunderstood ... that can only be good ... because while they're understanding things ... we find in many places ... » Er hält inne. «Ein Stück darüber, wie super es ist, missverstanden zu werden. Hauptsache, man redet über dich, dann ist alles gut.» Er singt zu fetten Orgelakkorden. « You´re misunderstood for ages ... bless for all eternity ... you needed me ... » Stephen nimmt eine akustische Gitarre von der Wand, sucht den entsprechenden Akkord, und der Song nimmt mehr und mehr Gestalt an. « Was für ein Glück, wenn man missverstanden wird», sagte er und macht weiter. «I hear you're a mean keepyupper ... but at least you've got your supper ... your Tupperware affair ... up your derriere ... by the beautiful and good, dear ... we're not all Robin Hoods here ... please don't look so austere when they try to shake your hand ... they try to understand ... when they try to shake your hand ...» Die Idee ist im Raum, und er hält sich an den Satz: «Please don't understand.» Es geht weiter. Erst viel später erzählt er, dass eine der Vorstellungen, die er dabei hat, von der Beziehung zwischen Woody Allen und seiner Adoptivtochter Soon Yi handelt. «When you try to shake my hand ... please don't understand ... I'm trying to be misunderstood here ... silent faces form your hands ... foreign faces understand ...
isn't it funny how they don't speak the language of love? ... Love the way they smiled at me ... held that face for eternity ... let them all fly out ... » Plötzlich klingt es wirklich schön, obwohl beide mit der Struktur des Songs beziehungsweise der fehlenden Struktur noch nicht zurechtkommen. Zum ersten Mal endet der Abend anders als sonst. Stephen bleibt noch und arbeitet weiter, während Rob schwungvoll die Treppe hinunterrennt. «Es eröffnet mir ein ganz neues Ventil für die Texte. Es hält mich davon ab, darüber nachzugrübeln, was die anderen denken, verstehst du, was ich meine?»
Am nächsten Nachmittag kommt er mit neuen praktischen Schuhen wieder – gleiche Marke, andere Farbe –, nachdem er den ganzen Tag mit Finanzbesprechungen und beim Friseur verbracht hat, wo er sich das Haar blauschwarz hat färben lassen. «Ich hoffe, du hast im September ein paar Wochen Zeit», begrüßt er Stephen. «Ich habe gerade Amerika abgesagt.» Er hat sich alles genau ausgedacht – sie können in seinem Haus in Los Angeles aufnehmen und das Schlagzeug ins Badezimmer stellen. Er hat sich endlich gegen eine Tour in Amerika entschieden, nachdem man ihn gestern Abend, als er ausging, noch mehr als üblich genervt hat. «Ich muss das nicht überall auf der Welt erleben, nein danke.» «Ist es in Amerika schlimmer?», fragt Andy. «Nein. England hat mittlerweile mit Italien gleichgezogen. Keine Frage. Aber hier geht es erheblich aggressiver zu.» «Die Engländer mögen die Leute nicht», meint Stephen. «Es ist wie der Mann, der in einem großen Haus auf dem Berg wohnt. Die Amerikaner sehen ihn und sagen: <Eines Tages wohne ich in diesem Haus.> Und die Engländer sehen ihn und sagen: <Eines Tages ist dieses Arschloch fällig.>»
«Jetzt muss ich nur noch die Fans vor den Kopf stoßen.» Er grinst und hebt zwei Daumen in die Luft, um anzudeuten, dass er bloß Quatsch macht, aber vielleicht ist es ihm auch tatsächlich ernst.
Stephen spielt ihm vor, was er mit «Misunderstood» gemacht hat. Er hat Teile von Robs Stimme geloopt und in eine neue Übergangsstelle eingesetzt, die Stephen singt. Rob wirkt verwirrt. «Ich kapiere es immer noch nicht», sagt er. «Was ist Refrain und was Strophe?» Er singt ein paar neue Worte, aber der Song ist ihm immer noch nicht klar. Schließlich begreift er, dass es ganz richtig ist, wenn er es nicht kapiert. «Na ja, Hauptsache, du verstehst es», meint er zu Stephen. «Ich komme auch noch dahinter.» Er singt weiter. «Hört sich an wie ein Klassiker», sagt er trotzdem konfus. «Wie viele Songs haben wir jetzt zusammen?» «Sechs», sagt Stephen. «Gar nicht schlecht.» «Es wäre schön, zehn zu haben, was meinst du?» Sie kehren zurück zu «The Trouble With Me» und versuchen rauszukriegen, was dahin passen könnte, wo normalerweise der Mittelteil ist. «Ob ein Cembalo es ruinieren würde?», überlegt Rob. «Keine Ahnung. Wir können es versuchen.» Abgesehen von dem unübersehbaren Fortschritt, den sie beim Songschreiben machen, ist es wohl dieser Austausch, den Rob am meisten genießt. Die Möglichkeit, eine solche Frage zu stellen, ohne dass einer lacht oder sofort versucht, es ihm auszureden, sondern einfach nur überlegt, wie genau ein Cembalo sich an dieser Stelle anhören und ob es zu dem, was sie gerade machen, passen würde. Es spielt überhaupt keine Rolle, dass von dem Cembalo bald keine Rede mehr ist, weil Rob sich mittlerweile auf irgendwelche Geräusche wie am Ende von U2s «Discotheque» oder ein fast manisches Keyboard wie in dem verrückten mittleren Teil von A-has «Take On Me» kapriziert hat. (Stephen muss zugeben, dass er sich mit der Musik von A-ha nicht besonders gut auskennt.) Dann versucht Rob ein paar tiefe, furzende Keyboardgeräusche zu produzieren. Sie lachen, als sie sich vorstellen, was seine Musiker sagen würden, wenn sie das je nachspielen müssten, aber auch dieser Einfall wird bald wieder verworfen. Rob bittet Andy, den Groove einfach pur laufen zu lassen, und greift nach dem Mikrophon. Er singt mit abgehackter Stimme, halb flüsternd, halb bellend: «- work – with – computers – in angels – for sing – more than – the angels – for being – unclean ... » Im Anschluss legt er eine höher gesprochene Stimme darüber, an
einige, aber nicht alle Worte angepasst. Es folgt der nächste Durchgang, diesmal erheblich schneller. Ein vierter, ein fünfter, beide schnell. Woher er weiß, was dabei herauskommen wird, ist ein Rätsel, und es hat auch nur ein paar Minuten gedauert, doch als es dann abgespielt wird, hört man einen faszinierenden Schwall von Geplapper, der an- und abschwillt. Rob spielt ein paar einfache Gitarrenakkorde. «Gut», meint Stephen. «Ist das was?» Rob schüttelt den Kopf. Stephen schnappt sich eine akustische Gitarre und begleitet Rob. Plötzlich schält sich etwas Neues heraus. Stephen spielt dieselben Akkorde weiter, und Rob entwickelt einen bestechenden Bass-Riff am Keyboard, ist aber frustriert, weil er ihn nicht fehlerfrei hinkriegt. Am Ende singt er ihn Stephen vor, damit er ihn spielt und sie ihn aufnehmen können. Jetzt sprudeln auch die Worte ohne jede Form aus ihm heraus: «lt Shows in my attic, it's all asiatic ... it lives in my basement ... I can feel the rodents ... it's in my confusion ... it's always on my brain ... he falls on my Oscars ... it makes all my engines go up uh! Uh! ... it loves in the ages ... and falling awake on the mismim line ... and do it for you ... do it for you heh heh ... it's like the fault in my reason ... summer's in the radio ... tune into the songs you know ... make it effervescent here ... and you can bring the song from here ... » Stephen applaudiert. «Vielleicht noch einen Akkord», schlägt er vor. «Das Ganze muss noch eine andere Richtung kriegen», meint Rob. Sie hören es sich noch einmal an, und dann singt Rob eine hohe Gegenmelodie: «Love's got the radio ... it falls in the things you know ... it moves me all the time ... tune into the darkness, it's the only way to find ... Sie loopen einen Großteil der Stimme – den Oscars-Teil – als Strophe, Robs Anweisungen folgend, und dann singt Rob eine Oktave tiefer: «fall and jump and shout at something ... », und wechselt zu einem Stück, das erst später kommt, «tune it to the radio and listen to the songs you know — make it effervescent here and you may have a job, my dear». Es hat eine Seele, die den fehlenden Sinn transzendiert. «Das gefällt mir.» Er singt es noch einmal und verändert es ein wenig, aber jetzt hat er genug. Er sieht aus, als wäre
er schon halb eingeschlafen. Er geht aufs Klo, kommt wieder und sagt: «Ich bin geschafft, Steve.» Stephen nickt. «Aber das hier ist gut.» In den nächsten Tagen bearbeitet er das Ganze, loopt die Stimme, fügt noch ein paar Teile hinzu und nennt es, als er es Rob schließlich auf einer CD schickt, «Radio».
Kurz vor dem Einschlafen telefoniert Rob nochmal mit Josie. «Dann bis morgen», sagt sie. «Wieso?» «Morgen fängt deine Tour an.» «Lieber Himmel», sagt er. «Das hatte ich glatt vergessen.»
Es ist nicht das volle Programm, das an diesem Wochenende in Paris startet, nur so was wie ein Vorlauf Veranstaltungsort ist das Olympia-Theater mit 2500 Plätzen, während ansonsten kaum eine Veranstaltung der geplanten Tour vor weniger als 40 000 Zuschauern stattfindet. In Paris wird auch noch nicht alles verraten – was vielleicht nicht schlecht ist, da Rob selbst noch nicht alles gesehen hat. Er ist zwar echt glücklich mit den Ergebnissen, die aus der Zusammenarbeit mit Stephen Duffy entstanden sind, doch die größte Anziehungskraft der Dachkammer im Air Studio während der letzten Tage bestand darin, dass sie eine Zuflucht bildete, um sich vor der Sommertour zurückzuziehen. Das Studio war eine alternative Realität, in der die Tour keine Rolle spielte. Die paar Mal, die er sie in letzter Zeit direkt erwähnte, hatten damit zu tun, ob er das Ganze diesmal genauso unerträglich finden würde wie zuvor oder ob die Tatsache, dass er jetzt allgemein besser drauf ist als früher, den Überschwang ebenso abmildert wie die Depression. «Die Euphorie, die man manchmal empfindet ... ich frage mich, ob ich sie überhaupt erleben werde.» Wenn im Innern weniger auf der Kippe steht, kann man vielleicht auch weniger gewinnen. «Aber ehrlich gesagt würde ich auf die Euphorie verzichten, wenn ich damit alles einigermaßen heil überstehe und mich nicht wieder gleich umbringen will.»
Das Flugzeug hebt in Luton ab, und wir fliegen über Luton Hoo hinweg, wo die De-lovely-Filmcrew deutlich zu sehen ist. Schauspieler und Filmleute scharen sich um die Kantinentische, die vor dem Haupteingang des Hauses aufgestellt sind. Es ist der Tag, an dem die Boulevardpresse zum ersten Mal berichtet, dass Cameron Diaz und Justin Timberlake beim Knutschen beobachtet wurden. Eminem ist mit seiner Tour diese Woche in Schottland. Sämtliche Zeitungen berichten darüber, wie er so tat, als ließe er ein Baby aus seinem Hotelfenster baumeln. Die Presse erfüllt mit gespielter, beinahe feierlicher Empörung brav ihre Rolle in diesem Spektakel. Im Flugzeug spielt Rob David zum ersten Mal einen Pure FrancisTitel vor, «The Trouble With Me», den einzigen, den er als RoughMix auf seinem Computer hat. «Er soll avantgardistisch klingen für Leute, die nicht wissen, was Avantgarde ist», erklärt er. «Avantgarde für die Massen.» Im Übrigen stellt er sich Pure Francis mit Hörnern und Reißzähnen vor. «Du hast dir schon immer verdammte Reißzähne gewünscht», seufzt Josie. «Ich glaube, ich lasse mir die Haare wachsen.» «Nein», meint Josie. «Kleine Hörner und kurzes Haar.» «Skinhead», schlägt er vor. «Voll fit und mit glatt rasiertem Schädel. Unschlagbar. Erwachsenenschuhe, Hörner. Keine Tanzerei, minimale Bewegungen, vielleicht den ganzen Gig im Sitzen.» «Nein, das bringst du nicht fertig», sagt David. «Du könntest nicht einen ganzen Gig über sitzen bleiben.» «Ich würde nicht für die Kameras auftreten. Und auch nicht fürs Publikum. Nichts von alledem. Eine Sache, die ich am Touren nicht ausstehen kann, ist, dass ich die ganze Zeit rumrennen muss wie ein Verrückter.» Er überlegt, ob oder wie Pure Francis Interviews geben oder auch nur normal kommunizieren könnte. Ich schlage vor, dass er sich vor die Journalisten setzen, ihnen zuhören und dann erklären soll, dass er all ihre Fragen auf dem nächsten Album beantworten wird.
Die Vorstellung ist verhalten, aber erfolgreich. Trotzdem regt sich Rob vor der Zugabe auf, weil ihn während der Swing-Einlage
anscheinend jemand beschimpft hat. «Hat da nicht einer Schwanzkopf gerufen, bevor wir mit anfingen?» «Robbie!», Chris Sharrock klärt ihn auf. «Er hat Schwachkopf gesagt!» «Ach ja, ich bringe die beiden immer durcheinander.»
Im Flugzeug versucht Max Rob dazu zu überreden, mit ihm Golf zu spielen, wenn sie nächste Woche in Schottland sind. Rob ist nicht scharf drauf. Er spielte Golf, als er noch ein Teenager war. Mit 15 war er Junior Captain in seinem Club. Sein bester Schläger war Eisen Fünf, und er fand es zum Kotzen, wie die älteren Golf-Damen die Jungen immer anmachten, weil sie mit ihren Golfschlägern den Rasen aufrissen. Manchmal spielte er sogar noch, als er bei Take That war, und bekiffte sich, während er mit seinen Freunden die Runde machte. Doch in den letzten Jahren kam es nur noch selten dazu. «Ich kann es nicht leiden, wenn ich schlecht spiele. Es macht mich fertig.» «Das sagt aber mehr über dich aus als über das Spiel.» «Ganz recht, Max», sagt Rob offensichtlich gelangweilt. Wozu sich die Mühe machen, etwas so Offensichtliches auszusprechen?
Im Queens Theatre auf der Shaftesbury Avenue läuft Jonny im Bademantel durch den Backstage-Bereich. Er trägt bereits sein Transvestiten-Make-up; Korsett, Netzstrümpfe und hochhackige Schuhe fehlen noch. Es ist seine Premiere im West End als Star der Rocky Horror Picture Show. «Ihr guckt mich alle so an, dass ihr mich ganz nervös macht», jammert Jonny. «Es sieht ein bisschen unheimlich aus», sagt Rob. Er hat schon immer gesagt, dass er es verwirrend findet, Jonny in dieser Aufmachung zu sehen. Ziemlich zu Anfang der Vorstellung, als Jonny seinen Sklaven herumzeigt und fragt: «Was meint ihr?», ruft jemand im Publikum: «Er ist kein Robbie Williams!» In der zweiten Hälfte, als Jonny so tun
muss, als schnupfe er Kokain, zuckt sein Gesicht zwei Mal heftig. Kleiner Privatscherz. Robs Kokszucken.
7 Drei Tage vor seinem ersten richtigen Auftritt fliegt Rob im Privatjet nach Edinburgh. Er ist müde und sagt, er hätte gestern vergessen, seine Tabletten zu nehmen, deshalb wäre er nicht gut drauf und hätte einen verkrampften Rücken. Vom Flughafen aus fährt er direkt zum Murrayfield-Stadion, wo die Band probt, während um sie herum an den letzten Details der Bühnenausstattung gefeilt wird. Rob steigt bei ein paar Songs ein, weigert sich aber, die Abseilnummer zu proben. Das Hotel liegt ein paar Meilen vom Stadion entfernt, mitten in der schottischen Landschaft. «Guck mal, wie die Bäume sich biegen», sagt er unterwegs. «Und die Kühe setzen sich tatsächlich hin.» Im Hotelzimmer schaltet er den Fernseher ein und sieht sich ein Interview an, das Cleo Rocca führt. «Einmal bin ich vor meinem Apartment eingeschlafen, und sie hat mich ins Bett gebracht», murmelt er. Es ist schon nach Mitternacht, als er die Hoteldirektion fragt, ob wir die Drivingrange benutzen dürfen und sie nur für ihn geöffnet wird. Dort schlagen wir bis zwei Uhr morgens Golfbälle in die Dunkelheit. Gegen fünf, als er immer noch nicht schlafen kann, macht er einen Spaziergang. Die Tür fällt hinter ihm zu. Da er keinen Schlüssel hat, muss er Jason wecken, damit er ihn reinlässt.
Um sich abzulenken, hat er sich die neue, vierte Auflage des Computerspiels Championship Manager gekauft. Beim letzten Mal war er wochenlang süchtig danach. Man sucht sich eins der echten Teams des englischen Fußballs aus und trifft sämtliche Entscheidungen, die ein Trainer sonst fällt: Taktik, Mannschaftsaufstellung, Training und so weiter, bis ins kleinste Detail, und dann sieht man zu, wie sich das Spiel am Computer entwickelt – 22 Punkte, die auf dem Bildschirm hin und her flitzen. Rob hat sich für Cardiff entschieden, weil er glaubt, dass sie eine Menge Potenzial und gute Aufstiegschancen haben. Er hat am Abend zuvor angefangen zu spielen und scheint
sich jetzt schon mehr darauf zu konzentrieren als auf die bevorstehende Tour. Wahrscheinlich ist genau das der Punkt. Außerdem lässt er seine Matratze auswechseln. Normalerweise ist er bei solchen Sachen nicht pingelig, aber sein Bett war wohl unglaublich hart und unbequem, wie jeder bestätigte, den er probieren ließ. Die neue Matratze ist nicht viel besser als die alte, doch er bringt es nicht fertig, erneut zu reklamieren. Er prophezeit, dass die Presse ohnehin Wind davon kriegen und ihm Primadonna- oder Popstar-Allüren anhängen wird. «Dabei geht es nur darum, dass ich wirklich gut schlafe, sonst ist die Show im Arsch.» «Ich glaube, das ist die dekadenteste Beschwerde, die wir je hatten», meint Josie. Noch zwei Tage. Heute soll wieder geprobt werden, also fahren wir in die Stadt. An den Mauern in der Nähe des Stadions wird für die neue inoffizielle Biographie geworben. «Kannst du dir vorstellen, ich wäre tatsächlich der Typ, der in dem Buch beschrieben wird? Oder der, über den die Boulevardpresse herzieht? Für die bin schon ein halber Hitler.» Josie kommt in die Garderobe, als er seine Dehnübungen absolviert. «Ich hab den Typ im Fitnesscenter gefragt, ob er mir beibringen kann, wie man einen Spagat macht. Er fragte, wie flexibel ich wäre, und ich sagte, also Samstag kann ich nicht ... » Er liegt auf dem Boden und spielt eine Partie Snooker auf seiner XBox. Er fühlt sich ausgepowert, sagt er. «Sobald es um Verantwortung geht, macht mein Körper einfach ...» Er demonstriert, wie sein Körper in sich zusammensackt, als würde ihn jeder Funke von Willen oder Kampfbereitschaft verlassen. Er hat sogar eine Theorie dazu. «Es ist meine DNA, die sich wehrt.» Er glaubt, dass die Urahnen seiner Eltern im Clinch mit ihm liegen. «Väterlicherseits gab es jahrhundertelang Männer, die keine Lust hatten. In vielen Familien ist das eine gute Eigenschaft. Mütterlicherseits gibt es eindeutig Männer und Frauen, die viel zu viel Lust hatten. Ebenfalls eine gute Eigenschaft. Aber wenn man beide in sich hat und sie gegeneinander kämpfen ... » Das gehört natürlich zu der Faszination, die Robbie Williams ausstrahlt: Lust und Unlust, der große innere Urkampf, der als
öffentliches Spektakel Melodrama.
ausgetragen
wird,
Entertainment
und
Auf der Bühne. «Wenn ich <eve> sage, antwortet ihr , brüllt er und wartet auf die erbetene Reaktion. «Wenn ich sage, antwortet ihr !» In letzter Zeit war er manchmal besorgt, dass seine Fähigkeit, zwischen den einzelnen Songs mit dem Publikum zu kommunizieren, nachlassen könnte, aber jetzt redet er wie ein Wasserfall. «Und ihr habt gedacht, ich wär einfach nur berühmt», erklärt er. «Tja, aber ich kann auch singen und tanzen ...» Dann, als spüre er irgendwelche Zweifel, setzt er hinzu: «Ja, echt. Ich bin ein Entertainer ... » Was er ihnen heute Abend präsentiert, ist wie ein riesiger Kuchen. «Er heißt Entertainment Pie. Nur für euch. Und jetzt serviere ich euch ein Stück -Crumble ... Falls irgendwas komisch daran ist, wie er das macht, dann nur die Tatsache, dass wieder mal keiner zuguckt. Es gibt kein «ihr» und «euch». Er spricht und agiert mit niemandem. Es sind heute Abend sogar weitere 8000 Pfund für die Sicherheitsmaßnahmen investiert worden, damit niemand zufällig sehen oder fotografieren kann, wie er am Anfang kopfüber auf der Bühne schwebt. Abgesehen von den wenigen Leuten, die an der Show mitarbeiten, ist das Stadion komplett leer. Doch bei der Probe tut er trotzdem so, als wäre es bis auf den letzten Platz besetzt. Vielleicht ist das vernünftig und realistisch — diese Sprüche muss er einfach proben, und zwar dringender als alles andere —, aber so macht er es immer, wenn er probt, egal unter welchen Umständen. Am einfachsten lässt es sich so sagen: Robbie Williams tritt stets so auf, als wäre das Publikum da, selbst wenn es nicht da ist. Und vielleicht ist das auch schon alles. Allerdings frage ich mich manchmal, ob nicht eher das Gegenteil zutrifft: dass er immer versucht, so aufzutreten — mitsamt Sprüchen, Bühnenerfahrung, Interaktion und Clownereien –, wie es in seinem Kopf Sinn macht. Als wäre das Publikum in Wirklichkeit nie da.
Die Probe geht weiter. Max setzt sich an den Flügel. Rob stellt «One For My Baby» vor. Er erklärt, dass sie diesen Song zum ersten Mal um Weihnachten gesungen haben, als sie beide einsame Herzen mit Liebeskummer waren. Nach dem Song ruft er: «Max Beesley! Er und ich können uns ein fast perfektes Spice Girl-Puzzle teilen ... es ist vollständig bis auf ein einziges Steinchen. 0 ja. Ich sagte, ein Steinchen fehlt noch. Ihr erledigt die Rechenaufgabe. Ihr kennt drei, aber es gibt noch ein viertes. Das wusstet ihr nicht.» Max verdreht die Augen. Rob stimmt «She's The One» an, mit lispelnder Stimme wie Mark Owen – jetzt ist er weniger Performer vor einer imaginären Menge als Entertainer für die wenigen Anwesenden, die ihm zusehen. Hin und wieder streut er eine Zeile aus dem Take That-Song «Babe» ein. «Ach, Scheiße», sagt er nach einer Weile und verlässt die Bühne. Er fragt Josie, wie spät es ist, und sagt den Song erneut an, als sie durch sind: «<She's The One.> Ein ansonsten unbekannter Popsong, <She's The One> ... geschrieben von Karl Wallinger, der mit World Party berühmt wurde. Robbie Williams nimmt den Song auf und macht ihn überall bekannt. Karl Wallinger – ist er glücklich? Ist er sauer? Er ist ein undankbarer Wichser – ein undankbarer fetter Wichser, was sonst? Ich wette, er war verdammt happy, als der Scheck für die Tantiemen bei ihm eintrudelte. Heute denke ich jedes beschissene Mal, wenn ich den Song singe, an dieses Arschloch. Stellt euch diesen beschissenen Wichser vor ... .» Am Beginn von «No Regrets» verlässt er die Bühne und kommt nicht wieder.
Einen Großteil der 48 Stunden vor seiner ersten Show verbringt er mit Championship Manager 4. Zurück im Hotel sucht er im Internet nach Tipps, hält Ausschau nach guten Spielern, die er billig einkaufen könnte und ruft Ant an, um sich bei ihm Rat zu holen. Ein anderer Zeitvertreib beim Warten auf das erste Konzert ist, sich immer wieder die halb fertigen Pure Francis-Songs anzuhören, seine zukünftige Rettung von alledem. Stephen hat ihm die Rough-Mixe von fünf Songs mitgegeben. (Alle anderen Songs, die er in den letzten neun Monaten geschrieben hat, sind jetzt vergessen und durch die neuen ersetzt.) Noch ein Tag. Auf dem Weg zur Generalprobe ruft er Stephen an, um zu hören, wann er die anderen Mixe bekommen kann. «Ein super Typ», sagt er anschließend. «Ich glaube zwar nicht, dass er eines Tages durchdreht, aber wenn, dann bestimmt mit mehr Stil ...» Dann zeigt er uns die neueste Verletzung, die ihm der VacunautAnzug zugefügt hat. Vielleicht will er was loswerden, vielleicht will er uns aber auch bloß schockieren oder unterhalten. «Meine linke Arschbacke ist geschwollen. Guckt euch das an.» Sie ist unnatürlich groß, wie er behauptet, und obendrein beunruhigend violett gefärbt. «Es gibt kaum was Hässlicheres als den Hintern eines Mannes, was?» Im Murrayfield-Stadion wartet er den Soundcheck von «Let Me Entertain You» ab, und das war's. Er hat immer noch nicht richtig geprobt, nicht mal gesehen, was bei den letzten paar Songs des Programms oder den Zugaben passiert, und so wird es bleiben, bis es vor 65000 Zuschauern morgen Abend um ihn herum so weit ist. Er sitzt im Umkleideraum und denkt an Pure Francis. «Vermutlich wird er so, wie ich gern wäre. Statt dass ich mich darüber auslassen muss, für wen man mich hält und wer ich tatsächlich bin. ist ein Stück, das man ganz offensichtlich mit mir in Verbindung bringt. Und handelt davon, wer ich sein möchte, aber Pure Francis ist nicht so verdammt sicher in allem. Er wird in seiner Selbsteinschätzung etwas kultivierter sein. Vermutlich weiß er einfach alles.» Pause. «Statt alles zu raten.»
Ist Pure Francis verletzt? «Und ob! Aber statt zu behaupten, dass er nichts fühlt, weil er weiß, dass klügere Burschen nie so weit gekommen wären, sagt er, ich fühle alles und ich weiß, dass weniger kluge Burschen viel weiter gekommen sind als ich. Ich glaube, man wird ganz gut sehen können, wie man Leute aus der Gosse verachtet.»
Weißt du eigentlich schon, wie deine Show endet? «Nein», grinst er. Ist das nicht komisch? «Nicht wirklich. Ich werd's im selben Augenblick erfahren wie die Zuschauer.»
Der Tag, an dem Robbie Williams seinen ersten Auftritt hat, ist, wie nicht anders zu erwarten, auch ein großer Robbie Williams-Tag in der Presse. Manches von dem, was geschrieben wird, ist banaler, harmloser Schwachsinn: THE B E D BOY OF POP tönt die Sun, und das einzige Körnchen Wahrheit darin, dass er seine Matratze hat auswechseln lassen, wird zu einer Riesenstory aufgebauscht, wie Robbie das Personal in seinem Hotel in Edinburgh nervte, als er eine Four Seasons-Matratze verlangte. Ärgerlicher ist ein zweiseitiger Artikel in der Daily Mail von der stellvertretenden Klatschkolumnistin Nicole Lampbert. Unter der Schlagzeile ROBBIES ANGEL erscheint unter anderem ein Foto von Jonny, aufgemacht als Frank N. Furter, der einen Arm um Robs Schultern gelegt hat. «Sie leben zusammen, reisen zusammen und sind einander so nahe wie ein Ehepaar», heißt es in der Bildunterschrift. «Was also ist die Wahrheit über Robbie Williams und seinen ständigen Begleiter Jonathan?» Obwohl Lampbert geschickt versucht, sich zu schützen, indem sie ganz am Ende einen gespielten Rückzieher macht, ist der Artikel ein Meisterwerk an indirekten, schleimigen Unterstellungen. Die Botschaft, die er verbreiten soll, ist völlig klar: Jeder weiß es, es ist ganz offensichtlich – wie lange wird dieses schwule Pärchen sein Geheimnis noch wahren können?
In Wirklichkeit ist das Verrückteste an der Beziehung zwischen Rob und Jonny ihre offensichtliche Unkompliziertheit, ihre Klarheit, Konstanz und Tiefe. Dass sie, obwohl der eine älter und berühmter ist, verschiedene Tiefpunkte ihres Lebens gemeinsam durchgestanden haben und sich eine Freundschaft gebildet hat, in der beide gleichberechtigt sind und die von keinem der beiden in Frage gestellt wird. So sieht die Daily Mail es natürlich nicht. Selten nutzt ein Artikel dieser Art so viele verschiedene Angriffspunkte, und vielleicht lohnt es sich, einmal im Detail zu analysieren, was er bewirkt.
Es beginnt mit einer Szene vom Anfang der Woche, als Rob bei der Premiere der Rocky Horror Picture Show im Parkett saß und Jonny Beifall klatschte. Der Artikel geht auf die ähnlichen Tattoos der beiden ein und erwähnt dann, dass Jonny sich nie so offen über seine «Verlobte mit der Engelsgeduld» auslässt wie über seine Freundschaft mit Rob. «Zwei Jahre nach der Verlobung wartet sie immer noch darauf, zum Altar geführt zu werden.» Dann werden die Anspielungen immer deutlicher, und der Tenor verändert sich ziemlich abrupt. Die Autorin benutzt eine Reihe von Robs eigenen Witzeleien so, als existierten sie nur, um das Thema zu verschleiern. Sie zitiert das Geplänkel, als Jonny und er «Me And My Shadow» in der Royal Albert Hall aufführten, bringt erneut die Anspielungen auf The Rock in der Zeitschrift Advocate und beschreibt die Szene der drei Männer in einem Bett aus dem Videoclip zu «Come Undone». (Eins der männlichen Modelle wird mit den Worten zitiert: «Robbie ist voll drauf abgefahren.») Dann beschäftigt sie sich mit Quellen aus der Vergangenheit. Sie zitiert Kevin Kinsella – wobei sie fälschlicherweise schreibt, dass er eng mit Take That zusammenarbeitete – mit den Worten: «Die Verwirrung über seine sexuellen Gefühle hat ihm sehr zu schaffen gemacht: » Schließlich tritt der zweite Zeuge auf, Raymond Heffernan: «Ray Heffernan, der Robbie bei einer frühen Version von geholfen hat, fügte hinzu: » Aber da ist noch einer. «Und ein Popmanager, der sich offen zu seiner Homosexualität bekennt, erzählt, wie er einmal mit Robbie in einem Hotel in Los Angeles übernachtet hat. Es war etwa die Zeit, als er sich von Take That trennte. <Wir haben nur ein bisschen rumgeknutscht. Es ging ihm sehr schlecht, er hatte zu viele Drogen genommen und brauchte einfach nur Trost. Ich würde sagen, er steht auf Männer und Frauen. Er kann sich nicht entscheiden und glaubt, dass er es müsste. Er ist ein Northern Boy und versteht nicht, wieso er Männer anziehend findet. Deshalb ist er meiner Meinung nach so unglücklich.>» Wer würde an dem Inhalt dessen, was er da erfährt, noch zweifeln, nachdem er einen Absatz nach dem anderen gelesen hat? Dann beschäftigt sich der Artikel mit Robs Beziehungen zu Frauen. Vorsichtig stellt er fest, dass Rob «Frauen wirklich mag», zeichnet dann jedoch ein provokantes Bild, das diese Feststellung gleich wieder abschwächt, erinnert kurz an Jacqui Hamilton Smith, Mel C., Nicole Appleton und Tania Strecker, als wären sie ein einziger kumulativer Beweis für seine Unfähigkeit, eine dauerhafte Beziehung mit einer Frau einzugehen. Anschließend kommt Lampbert auf Robs neueste Affären zu sprechen und lässt durchblicken, dass sie von einer anderen Art waren. Sie markieren – so soll dem Leser suggeriert werden – den Beginn einer Ära von Täuschung und Tarnung. Die Geschichte mit Geri Halliwell «wurde als Werbegag für die Öffentlichkeit angesehen, die Beziehung mit Nicole Kidman fiel glücklicherweise mit dem Erscheinungstermin ihres gemeinsamen Songs <Something Stupid> zusammen», und was Rachel Hunter angeht, so «waren sie so scharf darauf, die Welt von der Echtheit ihrer Romanze zu überzeugen, dass sie völlig nackt für ein paar widerliche Fotos posierten. Diese wurden anschließend so bearbeitet, dass sie wie Paparazzi-Fotos aussahen. <Sehen wir der Sache ins Auge – Robbie wird alles tun, um normal zu erscheinen>, erklärte Boy George bitter.» Auch hier liegt die unterschwellige Botschaft auf der Hand.
Am Ende kehrt der Artikel noch einmal zu Rob und Jonny zurück. Im allerletzten Moment, wie bei solchen mit Andeutungen gespickten Reportagen üblich, macht auch Lampbert einen Rückzieher, um sich nicht der Gefahr einer Verleumdungsklage auszusetzen. Nachdem man den Leser zuerst mit Macht darauf stößt, was er denken soll, zieht man sich anschließend aus der Affäre, indem man genau das Gegenteil behauptet. Lampbert zufolge behaupteten ihre Quellen, dass Rob und Jonny nicht auf diese Art zusammen wären, weil «Robbie zwar verwirrt», letzten Endes aber heterosexuell ist. Es ist das brillante, zynische Tüpfelchen auf dem i, das zum einen die fehlenden Beweise der Autorin zu rechtfertigen sucht und zugleich die Schuld dafür auf ihr Opfer abwälzt. «In einem derart konfusen Ambiente ist nichts normal – außer dass niemand, vielleicht nicht mal Robbie Williams selbst, die wahre Natur seiner Sexualität kennt.»
Rob, der vernünftig genug ist, sich nicht mit der Lektüre des Artikels zu belasten, geht seine Bedeutung erst allmählich auf, als ihm im Lauf des Nachmittags immer neue Teile daraus zitiert werden. In seiner Reaktion zeigt sich eine gewisse Erschöpfung – er ist es gewohnt, dass man alle möglichen Lügen über ihn verbreitet –, aber auch Verzweiflung. Als David Boy Georges Bemerkung zitiert, dass Robbie alles tun wird, um normal zu erscheinen, gibt er müde zurück: «Was? Indem ich ausschließlich heterosexuell bin? Mich in keinster Weise für Jungs interessiere?» Er sieht auch wenig Sinn in dem Versuch, herauszukriegen, ob Kevin Kinsella und Ray Heffernan, die beide erheblich mehr Zeit damit verbracht haben, über ihn zu reden als ihn tatsächlich zu kennen, wirklich glauben, dass er Probleme mit seiner Sexualität hatte oder hat. Haben sie etwas missverstanden, was er im besoffenen Zustand oder aus reinem Übermut gesagt haben könnte? Haben sie sich eingebildet, was sie sagen, weil es auf etwas basiert, was sie nachträglich für die Wahrheit hielten? Wurden sie falsch zitiert? Oder haben sie einfach gelogen, aus Effekthascherei, dem Bedürfnis nach Anerkennung oder Profitgier? Er weiß nur, dass es zwar einige
Verwirrungen in seinem Leben gegeben hat, doch Sex gehörte nicht dazu. Die dritte Geschichte über den schwulen Manager ist anders, und es dauert eine Weile, bis ihm klar wird, was da gedruckt wurde: Ein Mann behauptet allen Ernstes, eine Nacht mit ihm in Los Angeles verbracht, mit ihm geknutscht zu haben. Wäre seine Story wahr, müsste man eigentlich annehmen, dass sie nicht an derart versteckter Stelle auftauchen würde. Es ist darüber hinaus eine Behauptung, die Rob völlig entgeistert. Er hat keine Ahnung, wer sich so was ausdenken könnte. «Vor I've Been Expecting You bin ich nicht mal in Los Angeles gewesen. Ein solcher Schwachsinn müsste verboten werden. Wir haben also ?» Er lässt sich die Zitate erneut vorlesen. Zum ersten Mal wirkt er aufrichtig schockiert. «Es dürfte einfach nicht erlaubt sein, dass Leute ungestraft einen solchen Mist erzählen.» Er seufzt. «Okay, letztlich haben die bisexuellen Gerüchte David Bowie oder Mick Jagger ja auch nicht geschadet — sie machen die Leute interessanter —, aber generell sollte man einfach nicht zulassen, dass sich jemand so einen Schwachsinn komplett ausdenkt. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie daran gedacht, aus sexuellen Gründen mit einem Mann rumzuknutschen.» Aber was soll man tun außer die Achseln zucken und das Ganze ignorieren? Besonders bei einem solchen Thema. Wenn man laut protestiert, bloß weil die Geschichte nicht wahr ist und man sauer ist, dass Lügen über einen verbreitet werden, könnten viele Leute auf die Idee kommen, dass man sie nur deshalb abstreitet, weil man sich der Andeutungen in dem Artikel schämt. Es ist die Daily Mail, nicht Rob, die sich regelmäßig so verhält, als wäre Homosexualität etwas Verwerfliches, das man vertuschen muss, aber es ist auch schwierig, gegen eine solche Story vorzugehen, ohne dass deren Vorurteile auf einen selbst zurückprojiziert werden. Daher zuckt er nur die Achseln und wendet sich wieder dem Championship Manager zu. Cardiff hat sich über Nacht wacker geschlagen, geriet dann aber ins Straucheln. «So ist es eben manchmal im Fußballgeschäft», sagt er ernsthaft. Gegen fünf Uhr nachmittags
ist er dermaßen in das Spiel versunken, dass er sich die Zähne vor dem Computer putzt und gleichzeitig neue Spieler sucht, die er unter Vertrag nehmen könnte. In der Stadt machen sich jetzt Tausende von Menschen auf den Weg ins Murrayfield-Stadion und denken an Robbie Williams. In seinem Hotelzimmer im Dalmahoy Hotel & Country Club hingegen grübelt Robbie Williams darüber, ob Cardiff Matty Warner von den Wycombe Wanderers verpflichten soll.
Eine Polizeieskorte begleitet ihn vom Hotel zum Stadion. Auf dem Weg zur Stadt sehen wir immer mehr Menschen. Einige stehen vor den Pubs auf der Straße, doch die meisten haben das gleiche Ziel wie wir. Als sie den Kleinbus und die motorisierten Polizisten sehen, halten viele an, winken und applaudieren. Rob entdeckt Edinburgh Castle in der Skyline der Stadt und erinnert sich daran, wie er es zum ersten Mal sah. «Die ersten Gigs von Take That fanden in Edinburgh und Glasgow statt. Wir spielten jeden Abend in fünf verschiedenen Clubs, manchmal mussten wir von Edinburgh nach Glasgow und wieder zurück nach Edinburgh. Damals bekamen wir 175 Pfund für die ganze Tour.» Als er vor dem Backstage-Bereich aus dem Bus steigt, winkt er einigen Fans zu, die ihn durch den Zaun entdeckt haben, und hält dann seiner Mutter den Arm unter die Nase. «Guck mal, wie mir die Haare zu Berge stehen, Mum. Toll, was? Ich würde sogar heulen.» Pause. «Wenn ich ein Herz hätte.» Dann lässt er den Blick über die Rückseite des Stadions schweifen. «Mich laust der Affe! Seht euch das an!» Chris Briggs kommt hinzu, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist. «Hast du deinen Spaß?» «Halt dich lieber zurück», warnt Rob. «Ich bin kurz davor, Spaß zu haben. Das ist besser, als wäre ich kurz davor, durchzudrehen und alles hinzuschmeißen ... » Ein Hauch von Nervosität hat alle um ihn herum erfasst, ironischerweise ausgelöst durch die Ruhe, die Rob selbst ausstrahlt. Die anderen sind nervös, weil es nicht immer so war. Tatsächlich war es nur selten so.
Er marschiert im Gang vor der Künstlergarderobe auf und ab. «Ich hätte Lust, ein paar Leuten zu beweisen, dass sie Recht haben, und einer Menge anderen, dass sie auf dem Holzweg sind.» Er zeigt Josie den Ringfinger seiner rechten Hand. Er ist entzündet und geschwollen und sieht furchtbar aus. Er bittet sie, jemanden zu finden, der ihn sich ansehen kann. «Frag mal, ob man was gegen die Schmerzen tun kann.» Während er wartet, liest er die getippten Anweisungen, die Lee ihm hingelegt hat. Darin beschreibt er den Programmablauf, ermuntert ihn, Teile seiner Performance aus den wenigen Proben zu wiederholen, an denen er teilgenommen hat, und erinnert ihn an diverse andere Aspekte der Inszenierung. Nachdem Rob ein paar Minuten darin geblättert hat, legt er sie wieder weg und lacht. «Nach gibt es keine Anweisungen, sagt er, weil wir es nicht geprobt haben.» Der Arzt trifft ein und entfernt den Eiter aus der Wunde. «Sie haben an den Fingernägeln gekaut, deshalb hat sich der Finger entzündet.» Rob erzählt ihm, dass er es nicht schafft, damit aufzuhören. «Man muss wirklich aufhören wollen. Und ich will nicht.» Er inspiziert den Kleiderständer und sucht sich die passenden Klamotten für heute Abend aus. (Trotz aller Show während der Performance gehört er nicht zu den Künstlern, die eine Uniform haben. Und abgesehen von einem frischen T-Shirt bei der Zugabe und einem Kilt in Schottland neigt er auch nicht zu Kostümwechseln auf der Bühne.) Etwa eine halbe Stunde, bevor er auf die Bühne muss, hat er eine Bitte an seine Mutter. «Du gehst jetzt lieber. Solange du hier bist, kann ich nicht richtig losrocken. Dann fühle ich mich zu sehr wie ein Sohn.» «Wirklich?», sagt Jan und steht auf. «Na schön.» «Ich muss mich jetzt in den Mythos verwandeln.» Sie nickt. «Ich seh dich dann auf der Bühne.» «Danke, du bist ein Schatz.» Die Gurte werden um seine Knöchel geschnallt. Er singt ein paar Takte «Elevation» von U2 und läuft dann wieder im Gang auf und ab. In der Garderobe der Band spielt Mark Plati akustische Gitarre, und alle zusammen singen «Blackbird» von den Beatles, um sich ein letztes Mal in Stimmung zu bringen. «Hat hier vielleicht noch jemand das Gefühl, er könnte jeden Moment ins Koma fallen?», fragt
Rob, wehrt dann aber alle besorgten Fragen ab. In Stressmomenten hat er dieses Gefühl immer. Es ist so weit. Er steht mit der Band zusammen hinter den Kulissen, die ihn vor dem Publikum abschirmen, marschiert mit strengem Gesicht herum, drückt Hände. Dann legt er sich auf den Rücken und lässt sich an das Drahtseil anschließen, das ihn nach oben ziehen wird. So bleibt er eine Weile liegen, die Knöchel wenige Zentimeter über dem Boden, bis es losgeht. Während er nach oben gezogen wird, krümmt er sich, damit er nicht anfängt, sich um die eigene Achse zu drehen. Die Leinwand taucht vor ihm auf. Das Grölen des Publikums wird lauter und bleibt laut.
Im Publikum merkt es niemand, keine Kritik wird es am nächsten Tag erwähnen, aber die Katastrophe ist da: Während der ersten beiden Stücke herrscht absolute Panik, weil die Monitore und In-EarSysteme, die den Sound an die Musiker übertragen, komplett ausfallen. Sie kriegen kaum mit, was sie spielen, und Rob kann kaum hören, was er singt. Er schwimmt und kommt ganz schön ins Trudeln. Er behauptet immer, je mehr Angst er hat, umso selbstsicherer wirkt er, und wenn man diese Messlatte anlegt, muss der Schreck ganz schön tief sitzen. Nach etwa einer Stunde fängt er an auf der Bühne herumzurennen und ruft: «Ich habe keine Angst mehr. Ich habe keine Angst mehr! Ich hab nur zehn Songs gebraucht, um die Angst zu verlieren!» Vielleicht versucht er etwas Ehrliches über seine Gefühle da oben auszudrücken, aber ich bin sicher, dass die meisten Zuschauer ziemlich verwirrt sind, weil sie diese Information nicht mit der wunderbar großspurigen und selbstsicheren Performance in Zusammenhang bringen können, die sie gerade erlebt haben. Am Ende der Show springt er von der Bühne direkt in einen wartenden Wagen und wischt sich den Schweiß von der Stirn, als der Fahrer Gas gibt. So ist er raus aus dem Stadion, noch ehe die Scheinwerfer vor den Augen der Zuschauer erlöschen. Jetzt sitzt er da, verschwitzt, leicht keuchend. «Hat's Spaß gemacht?», fragt Josie.
«Es ging. Es ging.» Er beharrt darauf, dass er bis zum Ende nicht sicher war, ob das Publikum mitging. «Ich dachte, jetzt ist der Punkt in meinem Leben gekommen, wo alles anfängt, schief zu laufen.» Er kriegte Panik, als er zu Beginn von «Me And My Monkey» Leute zur Toilette gehen sah und wusste, dass der Song noch sieben Minuten dauern würde. «Oft frage ich mich auf der Bühne einfach, was den Leuten wohl so gefällt. Ich meine, ich stelle mir die Frage: Was ist Entertainment? Warum starren sie mich so an? Es ist nicht deprimierend oder so was, ich beobachte mich bloß und denke, was mache ich denn eigentlich? Ich kapier's nicht.» Wenn die Leute, die Murrayfield jetzt verlassen, wüssten, was Robbie Williams gerade im Kopf herumgeistert, wären sie bestimmt überrascht. Er bittet den Fahrer, das hintere Fenster zu öffnen und frische Luft hereinzulassen. Dann erzählt er, dass ihm auf der Bühne noch etwas klar wurde. Er wusste, dass alle Journalisten da waren und ihn beurteilten, und plötzlich hatte er keine Angst mehr. «Ich dachte, bitte sehr, ich kann auf dieser Tour jeden Scheiß machen, den ich will, weil ich weiß, dass Pure Francis schon auf dem Weg ist. Ich kann sein, wer ich will, so wie es mir gerade in den Sinn kommt, und brauche mir nicht die geringsten Sorgen deswegen zu machen.»
Im Hotel warten ein Buffet und eine diskrete Party in einer der privaten Lounges, inklusive Billardtisch, der speziell für die Tour-Mitglieder bereitgestellt wurde. Rob sitzt auf einem Sofa und schaut sich im Fernsehen ein paar Minuten Radiohead in Glaston an, bleibt aber nicht lange. Einen Augenblick packt ihn die Traurigkeit, dass er keine Freundin hat, aber Championship Manager winkt. Vielleicht wird er später noch einmal in der Bar vorbeischauen und in Begleitung wieder nach oben stolpern. Die Daily Mail könnte darin einen weiteren verzweifelten Versuch entdecken, seine Heterosexualität zu beweisen. (In seinem Hotelzimmer erzählt er seiner neuen vorübergehenden Begleitung beiläufig: Ich habe ständig ein Klingeln im Ohr. Wer ist denn dran?, fragt sie.)
Schließlich, als selbst Frauen, imaginäre Fußballmannschaften und eine Matratze, die immer noch zu hart ist, ihn nicht mehr daran hindern können, schläft er ein. Und fängt an zu träumen. Jonny, seine Mutter und er selbst schauen zum nächtlichen Himmel auf. Und dann – ist es plötzlich da! Genau das, was er immer sehen wollte – ein UFO! Und noch eins. Zwei riesige, umwerfende UFOs. Im Traum dreht er sich zu seiner Mutter um und sagt, leicht enttäuscht: «Oh ... das ist nur ein Traum, was?» «Nein», sagt sie. «Nein», sagt auch Jonny. Und er ist glücklich. Es war echt. Aber ... Aber ... Er fragt noch einmal, nur um ganz sicher zu sein. «Es ist ein Traum, nicht? Sag mir die Wahrheit.» «Ja», gibt sie zu.
9 Jonny erscheint am folgenden Nachmittag. Rob ist gerade erst aufgestanden. Er sitzt nackt, nur mit einem Handtuch bekleidet, in seinem Zimmer und kümmert sich um Cardiff, die gerade 3:0 gegen Liverpool gewinnen. Er starrt angestrengt auf den Bildschirm. «Wieder eine gute Kritik», sagt Jonny. «Es geht um Sex.» Eine Frau, die Rob vor ein paar Wochen in seine neue Wohnung abschleppte, hat ihre Geschichte an News Of The World verkauft. Es ist das übliche hechelnde Geschwätz: «Er starrte auf ihren Tanga. <Was hast du für einen süßen Pfirsicharsch> — <Er machte auf mich ganz sicher nicht den Eindruck, aus der Übung zu sein> — <Sie können mir glauben, Robbie ist zu hundert Prozent ein Mann. Und auf keinen Fall schwul ... >» Rob, der sich kaum dafür zu interessieren scheint, erzählt, dass sie ihn gefragt hatte, was er von Frauen hält, die ihre Geschichten verkaufen. «Ich finde, es sind Nutten – für Geld mit jemand zu schlafen bedeutet nichts anderes als Prostitution.» Er hatte ihr auch gesagt, dass es ihn traurig macht. «Dass Menschen sich über deine Genita-
lien, dein Kommen und Gehen unterhalten und dass alle Welt es lesen kann — das ist ekelhaft.» «Oh», hatte sie geantwortet.
In der Vergangenheit war er sicher gewesen, dass einzelne Boulevardblätter ihm Mädchen geschickt hatten, die mit ihm schlafen und dann ihre Geschichten verkaufen sollten. «Unglaublich, wie viele Mädchen sich für so was hergeben. Es kam beinahe jeden Sonntag vor. Einmal tauchten zwei auf einmal auf, Stripperinnen, und wenn sie nicht geschickt worden waren, spielten sie auf alle Fälle ein Spiel, bei dem es darum ging, den dicksten Fisch an Land zu ziehen, wo das meiste rauszuholen ist.» Es war Ende 2001. Sie klopften eines Nachts an seine Tür, und er ging runter, um ihnen aufzumachen. Sie hielten mit ihren Absichten keineswegs hinterm Berg. «Sie zeigten mir schon draußen, durch das Geländer, ihre Titten. Dann griffen sie nach meinem Schwanz.» Er sagte, sie sollten lieber reinkommen. Sie blieben etwas mehr als eine Stunde. Ich frage, was passiert war, und er sagt ganz nüchtern: «Ich habe mit ihnen geschlafen ... Nun, es war kalt. Es war Winter. Es war komisch, denn meine Co-Abhängigkeit ... weil ich mir Gedanken über diejenige machte, die nicht so gut aussah, verbrachte ich mehr Zeit mit ihr, und hob mir das Beste für den Schluss mit der anderen auf, der Gutaussehenden.» Während der Sache selbst fühlte er sich ganz toll, doch gleich als sie weg waren, fand er alles zum Kotzen. Am nächsten Wochenende konnte man in der Zeitung lesen, was sich abgespielt hatte. Er rief die Gutaussehende an und erklärte, was sie gemacht hätten, wäre Prostitution und beschimpfte sie als Flittchen. Sie saß neben ihrem Vater im Auto und versuchte sich irgendwie zu rechtfertigen. Zum Schluss erklärte er ihr, es wäre eine Schande, denn er hätte sie wirklich gemocht und sie eigentlich wiedersehen wollen, was auch tatsächlich stimmte. Wenn er heute von einer solchen Story in der Zeitung erfährt, fragt er nur, ob die betreffende Frau ihm ein gutes Zeugnis ausgestellt hat. «Ansonsten lässt es mich kalt.»
Das ist wirklich das Einzige, was dir wichtig ist?«Nun, ja.» Und wenn du schlechte Noten kriegst? Er zuckt die Achseln. «Du bist immer nur so gut wie deine letzte Single.»
In seiner Künstlergarderobe legt er sich hin und schaut sich bei Sky Sports die Fußballnachrichten an. Damit kann er Stunden verbringen, obgleich die meisten Nachrichten immer nur wiederholt werden und selten wirklich interessant sind. Er findet die Wiederholung beruhigend. Er behauptet, es ist dasselbe, als würde man einzelne Episoden aus The Simpsons nochmal ansehen: Jedes Mal entdeckt man was Neues. «Beim ersten Mal passe ich auf, was sie sagen, eine halbe Stunde später achte ich darauf, was sie anhaben und dann, was im Hintergrund abgeht – wie lange kann er den Ball in der Luft halten?» Er weiß, wie eintönig und banal andere das finden können, und manchmal stellt er sich vor, dass nur ganz wenige Leute zusehen – er selbst, Jonny, Ant, Dec und ein paar andere Gleichgesinnte. Doch dieser Kanal ist eine große Hilfe für ihn – nicht nur jetzt, es fing an, als seine Depression am größten war. «Ohne Fußball wäre es sehr schwer gewesen, diese Zeit durchzustehen», sagt er. «Fußball hat mir das Leben gerettet.» Er deutet auf die Gesichter auf dem Bildschirm, die über einen unbedeutenden Transfer spekulieren. «Die Leute, die hier die Nachrichten sprachen, habe ich geliebt. Sie haben mich durch meine schlimmste Zeit gebracht. Eine Weile waren sie meine Familie.»
«Habt ihr die Kritiken von heute gelesen?», fragte er sein Publikum im Murrayfield-Stadion. «Ich auch nicht, aber ich gehe davon aus, dass sie super waren ... » Von Anfang an findet die zweite Show in Murrayfield auf einem völlig anderen Niveau statt. Gestern konnte man häufig die Anstrengung hinter dem Entertainment bemerken, doch heute Abend läuft alles wie am Schnürchen. Rob ist fast so geschwätzig und indiskret, als ob er zu einem Publikum spricht, das gar nicht da ist. «Weihnachten war eine sehr schwierige Zeit für Max und mich, weil
wir beide von berühmten Stars verlassen wurden», erzählt er. «Und ich weiß nicht, wie es bei euch ist, aber ich habe die Nase voll von Stars.» (Die Zuschauer antworten mit riesigem Gebrüll. Manche vielleicht, weil sie jetzt hoffen, eine Chance bei ihm zu haben. Andere, weil es in diesen konfusen Zeiten vielleicht gut tut, wenn man hört, wie einer über Stars herzieht, selbst wenn man sich den Hals verrenken muss, um nur ja kein Wort zu verpassen, weil der da oben selbst ein Star ist.) «Offen gestanden finde ich sie dämlich. Und sowieso haben wir sie alle klein gekriegt... Doch Spaß beiseite, wir sind Menschen, und wir haben Gefühle. Wir saßen beide an Weihnachten herum wie zwei verlassene Möpse ... » Er bricht mitten in diesem Gedanken ab, um mit einer Frau in der ersten Reihe zu flirten. «Hör mal, junge Dame, ja, du da in der ersten Reihe – deinen Möpsen ist so was bestimmt noch nie passiert, oder?» Er seufzt. «Wenn Maxie dabei ist, fällt es mir echt schwer, keine Witze über die Spice Girls zu machen, ja, echt. Aber ich sage euch – wir müssen nur noch eins rumkriegen, dann haben wir beide alle vier vernascht ... Ja, so ist es, Leute! Ich sagte, nur noch eins. Diese Rechenaufgabe überlasse ich euch ... Jetzt habe ich aber die Katze echt aus dem Sack gelassen, oder?» Hätte er so etwas in einem anderen Kontext gesagt, hätte es am nächsten Tag in sämtlichen Zeitungen gestanden. Doch alle Journalisten waren schon gestern da, und die übrigen 65 000 Zuschauer hier, von denen viele vielleicht bei der Zeitung angerufen hätten, wenn sie zufällig einen Fetzen davon im Café mitgehört hätten, gehen davon aus, dass es ein alter Hut sein muss, wenn er es vor so vielen Leuten erzählt. «So make it one or Rachel Hunter», singt er am Ende der ersten Strophe, «and five for Scary Spice.» Bizarrerweise ist die sicherste Gelegenheit für einen Star, seine Geheimnisse auszuplaudern, ohne irgendwelchen Folgen befürchten zu müssen, die zweite Vorstellung in derselben Stadt. Jemand wie Rob gibt sehr wenige Interviews (außer wenn er gelegentlich in Ländern wie Amerika oder Japan seinen Charme spielen lassen muss, und dort werden, weil er nach wie vor um ein Publikum kämpft, diese Interviews weniger beachtet), doch auf der Bühne redet er eine ganze Menge. Es gibt kein Skript, nicht mal in seinem Kopf, aber ein paar Geschichten und Witze tauchen bei den meisten Vor-
stellungen wieder auf, andere verschwinden eine Woche und sind dann plötzlich wieder da. Manches fließt in die tägliche Routine ein, doch vieles entsteht erst in dem Moment, in dem er es sagt, und sprudelt einfach aus ihm heraus. Angesichts dieser Angewohnheit und der Tatsache, dass die Boulevardpresse mehrmals in der Woche über ihn berichtet, oft auf den fadenscheinigsten Grundlagen, und angesichts der ungeheuren Anstrengungen, die sie und diejenigen, die sie verkaufen, auf sich nehmen, erstaunt es mich immer wieder, dass die Presse sich nicht einmal die Mühe macht, jemanden mit einem Notizblock zu diesen Vorstellungen zu schicken. Aber das tut sie nicht. Abends macht Rob sich Sorgen darüber, was die heutigen Indiskretionen wieder für neue Gerüchte hervorbringen werden. Wie wird man ihm diesmal das Wort im Mund verdrehen? Wird man ihm unterstellen, dass er Rachel Hunter als dämlich bezeichnet hat? Oder dass Max und er eine vollständige Spice-Girl-Kollektion anstreben? Doch nichts davon passiert. Bevor er an diesem Abend «Feel» singt, weist er auf einen Umstand hin, den er mir gegenüber noch nie ausgesprochen hat und den er auch nie wieder erwähnen wird. «Diesen Song möchte ich meinem Neffen widmen», sagt er. «Er ist heute Abend hier, er heißt Freddie Robert und schläft vermutlich schon. Aber er ist zwei Jahre und neun Monate alt. Seinetwegen habe ich aufgehört zu trinken. Ich wollte nicht, dass er einen Trottel als Onkel hat. Hier kommt .» Und beim Refrain ruft er: «Singt es für Freddie!» Ich bin ziemlich sicher, dass er das Konzert genießt. Statt gleich zur letzten Zugabe, «Angels», überzugehen, singt er eine Reihe von Take That-Hits – «Babe», «I Found Heaven», «Everything Changes» – ohne Band und in freier Assoziation über seine Zeit in einer Boy Group. Dann sagt er zum ersten Mal etwas, das er in dieser Woche noch mehrmals aufgreift. Offensichtlich sagt er es sich selbst voller Entschlossenheit, Freude und Erleichterung ebenso wie dem Publikum. «Danke, dass ihr mir das Gefühl gebt, mein Job würde sich lohnen. Danke, dass ihr meiner Musik eine Bedeutung schenkt. Und wenn ihr in der Zeitung über mich lest oder mich in der Boulevardpresse seht, dann vergesst nicht: Hiermit verdiene ich meine Brötchen. Das ist mein Job. Ich bin Sänger. Songschreiber. Entertainer ... »
Als er in den Wagen gequetscht wird, meint er: «Das beste Konzert in meinem ganzen Leben.» «Wieso hast du noch eine Zugabe gegeben?», fragt Jonny. Nach «Angels» war Rob noch einmal auf die Bühne gekommen und hatte das nie geprobte «Back For Good» gesungen. «Weil es Spaß machte», antwortet er, als wäre das eine absolut ungewöhnliche und überraschende Wende. Er hatte sich wieder nicht hören können, aber diesmal lag es daran, dass die Menge so laut war. «Es war wie bei einem Take That-Konzert, aber eher ein dumpfes Brüllen als das hohe Kreischen.» Er will wissen, wie lange er auf der Bühne war. «Zwei Stunden und zehn Minuten», sagt Josie. «Er verwandelt sich in Ken Dodd», meint Jonny. «Bruce Springsteen», korrigiert Rob. «Du hättest noch eine Stunde dranhängen können.» «Immer langsam. Ich glaube, so ein euphorisches Gefühl hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht. Es war wie Ecstasy. Wie Elvis zu sein.» Pause. «Aber ein schlanker Elvis.»
Nach dem Konzert wartet der Jet auf der Rollbahn, um uns nach London zu bringen. «Besser als das kann es gar nicht werden», sagt Jonny, als wir zum Start rollen, und fügt dann hinzu, als hätte er lange darüber nachgedacht: «Um das zu toppen, fehlt nur noch Spiderman an Bord.» Nach dem Start sieht sich Jonny in der Kabine um und meint dann, sie erinnere ihn an einen Wohnwagen. Rob versteht nicht. «Ich hatte schließlich schon immer einen Privatjet.» Dann verbringen sie den größten Teil des Flugs damit, sich an gemeinsame Schulferien zu erinnern. «Weißt du noch, wie wir mit dem Wohnwagen unterwegs waren?», fragt Jonny. «Wo war das noch?» «Rhyl.» «Wie alt warst du da?», fragt Jonny. «Damals hast du mich ziemlich übel schikaniert. » Rob streitet vehement ab, ihn schikaniert zu haben, aber er weiß noch, dass er Jonny weisgemacht hat, er könnte Gott dazu bringen, es
donnern und blitzen zu lassen. Er hatte Glück, und das Gewitter kam tatsächlich, als er es bestellte. Jonny bekam Panik. «Wir rannten weg», erinnert er sich. «Du warst viel schneller als ich, und ich habe losgeheult, weil ich dich nicht mehr sehen konnte. Ich hab oft geheult, was?» Sie unterhalten sich über andere Ferien. Wie Rob mit seiner Tante Mary nach Wales fuhr, als er elf war und zum ersten Mal Dr. Hook und «Ode To Billie Joe» hörte. Die Ferien, als die Erwachsenen sich wegen Rounders in die Wolle kriegten («Ich fand das damals schrecklich kindisch und albern», sagt Rob, «und heute sehe ich, dass es mir selbst passieren kann.») oder Tarts 'n Vicar-Partys veranstalteten. Wie sie in die Brennnesseln gefallen waren. Wie Rob immer irgendwelche Leute imitieren sollte («... Frank Spencer, Ronald Reagan, Margaret Thatcher, Norman Wisdom, Sean Connery ... na, du weißt schon, Greatest Hits eben.») Jonny erzählt, wie er in Robs Zimmer ging und all die geklauten Leitkegel und Autoabzeichen bewunderte. Im Garten stand ein gestohlenes Bushalteschild. Rob fragt sich, ob Freddie Robert sich später an das Konzert erinnern wird. «Nee», meint Jonny. «Mit zweieinhalb erinnerst du dich an gar nichts.» «Ich weiß noch, dass ich einen Topf vom Herd gezogen und mich verbrüht habe», erzählt Rob. Seine Mutter kochte gerade Eier. «Ich zog dran, weil ich nachsehen wollte, ob sie schon fertig waren. Ich kann mich noch erinnern, dass es eine völlig logische Erklärung hatte.» Jonny erzählt, wie er vor kurzem jemand getroffen hat, der einen von ihnen beiden gehassten Regisseur kannte. Er arbeitete am Theater von Stoke. Rob spielte unter seiner Regie den Artful Dodger. «Ich habe allen die Show gestohlen. Bei der Premiere, das weiß ich noch genau, dachte ich: Au Mann, so was will ich später als Beruf machen. Ich kam pfeifend auf die Bühne, und schon lachten die Leute.» Derselbe Regisseur hatte Jonny eine Standpauke gehalten, als er mit sechs in einem Stück von Hans Christian Andersen über die Bühne gerannt war und sein Nachthemd hochgehoben hatte. «Es war deine
Schuld», erinnert er Rob, der zugibt, Jonny dazu überredet zu haben. «Wenn du damals zu mir gesagt hättest, spring von diesem verdammten Felsen, hätte ich es getan», grinst Jonny. «Nein, du hast das mit dem Nachthemd gemacht, weil du wolltest, dass wir dich mögen.» Rob lacht. «Und das bewundere ich. Es hat funktioniert.» Nach Oliver sprach Rob für «The Sound Of Music» vor und wurde abgelehnt. «Ich war total verzweifelt. Sieben Kids durften mitmachen, und ich war nicht dabei.» Er grinst. Es ist natürlich albern, nach so langer Zeit abrechnen zu wollen, aber er versucht gar nicht erst so zu tun, als sei er darüber erhaben. «Hallo! Privatjet! Ich nehme an, du verstehst, was ich meine.»
«Ich schlafe nicht gern», sagt Rob zu Jonny, als der Jet zur Landung in Luton ansetzt. «Du?» «Yeah.» «Wirklich? Ich nicht. Deswegen habe ich auch gekokst. Wenn ich die ganze Zeit wach bleiben könnte, würde ich es machen, glaube ich.» Als er heute Abend nach Hause kommt, ist an Schlaf nicht zu denken. Er hat noch viel zu tun. Um 6 Uhr morgens gewinnt Cardiff die Meisterschaft der zweiten Liga. Er entdeckt, dass das Spiel noch eine ganz neue Ebene hat, wo man Anmerkungen zu einzelnen Spielern findet und seine Taktik dementsprechend abstimmen kann. («Damit hat der Wahnsinn ein Ende», sage ich, als er mir davon erzählt, doch er schüttelt nur den Kopf. «Damit fängt der Wahnsinn erst an.») Als er am Nachmittag aufwacht, macht Paula, seine portugiesische Putzfrau, ihm Vorwürfe wegen der Unordnung im Schlafzimmer. In dem aufrichtigen Versuch, ihm zu einer aufgeräumten Wohnung zu gratulieren, hat sie ihm einmal einen Zettel mit folgender Nachricht hinterlassen: «Ich will Ihnen nur sagen, was für eine FREUDE es war, Sie diesmal hier bei sich zu Hause zu haben.» Oder sie hat Pompey erklärt: «Bitte richten Sie dem Junior aus, dass er die Waschmaschine nicht benutzen soll, weil sie undicht ist und weil er
ausrutschen und sich was brechen könnte, und dann wären wir alle am Arsch.»
Wer heutzutage jung und reich ist, kommt nicht daran vorbei, irgendeine Art von Personal einzustellen. Das kann eigentlich nicht schwer sein. Ich finde auch nicht, dass Rob besonders penibel ist oder zu viel von seinen Angestellten verlangt. Die einzigen Eigenschaften, die man bei einem solchen Job braucht, sind Kompetenz, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und eine gesunde Psyche. Paula ist eine echte Perle – sie folgt ihm seit sechs Jahren von einer Wohnung in die nächste –, während viele andere an dem einen oder anderen Hindernis scheiterten. Da war zum Beispiel der Koch, der Rob – seinem Arbeitgeber – eine SMS schrieb, um zu erklären, er könne nicht kommen, weil «ich einen klaren Kopf kriegen muss», und fragte: «Könnten Sie für mich einspringen?» Da war die Haushälterin, die fragte, ob sie ihren Sohn mit zur Arbeit bringen könne. Wie sich herausstellte, war der Sohn 27. (Sie war auch diejenige, die eine Unterhaltung über Klamotten mit den Worten unterbrach: «Wenn Sie etwas wegwerfen, nimmt es mein Sohn», oder einem von Robs Leibwächtern erklärte, er könne ihr ruhig mal zur Hand gehen, «schließlich sind Sie kein Ölgemälde».) Eine Köchin in Los Angeles machte mit Vorliebe rassistische Witze und erklärte, dass sie sich früher auch hätte herumchauffieren lassen. Sie war überzeugt, dass es einer von Robs Gästen war und nicht ein Hund, der ein Häufchen auf dem Teppich hinterlassen hatte («Kommt in den besten Familien vor»). Dann gab es eine Köchin, die als Beste beim Einstellungsgespräch abschnitt und dann starb. Eine andere wurde nackt bis auf den Slip in der Küche erwischt, während alle anderen im Pool herumplanschten – «Sorry, ich hätte wirklich das Badezimmer benutzen sollen, um mich umzuziehen», sagte sie als Entschuldigung. Oder die Putzfrau, die Sachen zerbrochen und Wäsche gebleicht hatte, die nicht gebleicht werden durfte – nicht besonders schlimm –, doch dann versteckte sie das Beweismaterial monatelang im Kofferraum von Robs Jaguar.
10 Er verbringt den einzigen freien Tag mit Stephen Duffy im Studio. Noch zwei Songs. Am folgenden Morgen beginnt der Hauptteil der Tour – fast ein Monat quer durch Europa ohne eine einzige Nacht zu Hause. In den nächsten Wochen wird die ganze Band, inklusive Tänzerinnen und Entourage, in einem größeren privaten Tourjet fliegen. Rob hat keine Ahnung von dem riesigen RW-Logo am Heck, bis er den Privatflughafen von Luton erreicht. Er sagt nichts. Einen Augenblick lang fragt selbst er sich, ob das nicht ein bisschen übertrieben ist. Im Warteraum scherzt er mit den Tänzerinnen, und prompt geht was schief. Als er mit Suzanne Mole am Kaffeeautomaten steht, fragt er, ob sie den Artikel in der heutigen Sun gesehen hätte, der von ihrer gemeinsamen Sexaffäre berichtet. Zufälligerweise war in der heutigen Ausgabe der Sun tatsächlich eine kleine Meldung über sie, was sie aber noch gar nicht weiß und vermutlich der Auslöser für Robs Witz war. Es ist nur eine ganz neutrale Meldung, die die Frage aufwirft, was ihr Freund Gareth Gates wohl davon hält, dass sie mit Robbie tanzt. «Das ist doch nicht dein Ernst, oder?», fragt sie. «Doch», meint er lässig. «Du hast gesagt, ich wäre super im Bett.» Was dann passiert, kommt völlig unerwartet. Sie bricht in Tränen aus. Rob ist verständlicherweise zerknirscht. «Es tut mir Leid», sagt er. «Es tut mir schrecklich Leid.» Sie fängt an zu lachen, kann aber trotzdem nicht aufhören zu weinen. «David Brent», murmelt einer aus der Gruppe. Als sie rausgeht, um Gareth von ihrem Handy aus anzurufen, kommt Djeneba, eine andere Tänzerin, zu Rob. Sie möchte sich bei ihm entschuldigen. Sie haben sich nicht mehr gesehen, seit sie in Edinburgh zusammen auf der Bühne waren, und sie hat Angst, dass eine ihrer improvisierten Tanzbewegungen zu weit ging. «Es tut mir echt Leid», sagt sie und erklärt, dass sie auf der Bühne und vor einem Publikum immer so abfährt, dass sie einfach alles vergisst. «Djeneba, lieber Himmel, ich bin's.» Sie hatte Angst, er würde sie feuern.
«Was? Weil du meinen Pimmel angefasst hast? Djeneba, ich bin's. Wenn es um meinen Penis geht, kannst du eigentlich nicht viel tun, was mich abstoßen würde.»
Wir landen auf dem Flughafen Le Bourget außerhalb von Paris. Rob greift nach seiner Gitarre und will sie aus dem Flugzeug tragen. Das verstößt gegen seine übliche Reiseroutine. Er hat zwar nicht ausgesprochen was dagegen, aber im Normalfall trägt er seine Sachen nicht selbst. «Schaffst du das?», fragt Andy Franks. «Na klar. Ich hab immerhin schon ein paar Songs geschrieben.» Wir fahren durch einen abgelegenen Bereich des Flughafens, wo eine eingemottete Concorde traurig auf der Rollbahn steht. Wir reden darüber, wie praktisch es wäre, eine zu kaufen und in den Garten zu stellen. Rob erzählt, dass er mal bei Vic Reeve zu Hause war, der seinen Morris Minor im Garten beerdigt hatte, sodass nur der Kotflügel aus dem Boden ragte. Josie erzählt, dass Teddy Sheringham angerufen und um Karten für die Show am nächsten Tag gebeten hat. Rob beschließt ihn in den Backstage-Bereich einzuladen, um hallo zu sagen. Er ruft die Nummer an, die Sheringham hinterlassen hat, und führt ein konfuses Gespräch, was er darauf zurückführt, dass Sheringham offenbar glaubte, jemand erlaubte sich einen Witz und gäbe sich als Robbie Williams aus. Als er noch einmal anruft, nimmt keiner mehr ab, daher hinterlässt er eine Nachricht. Wenig später ruft Sheringham zurück, und sie plaudern eine Weile. «Die Band ist in Form, ich bin in Form, und wir sind alle glücklich», sagt er. (Josie und David wechseln einen Blick und grinsen erleichtert; so was haben sie auf früheren Touren nicht oft gehört.) Rob lauscht, als Sheringham, der gerade von Tottenham nach Portsmouth gezogen ist, erzählt, was es bei ihm Neues gibt. «Meine Güte, er redet wie ein Wasserfall», meint er anschließend. Rob erzählt von den Jahren, in denen er mit den Fußballern herumgezogen ist. Einmal wurde er von British Airways um ein Haar rausgeworfen, als er mit der Truppe aus Liverpool unterwegs war. «Nur Halligalli, echt. Wir wollten nach Spanien. Robbie Fowler hatte
einer Stewardess ein Kondom an die Rückseite ihrer Schürze geheftet.» Er weiß noch, wie er mal mitkriegte, als sich zwei sehr bekannte Fußballer sturzbetrunken stritten. «Die Unterhaltung ging so: Der eine sagte, sechs und sieben sind zwölf. Quatsch, du Vollidiot, gab der andere zurück, sechs und sieben sind vierzehn.» «Als ich noch Fußballer war ...», seufzt Rob. Es ist eine von vielen Rollen, in die er mit Begeisterung geschlüpft ist und die er dann wieder aufgegeben hat. «Ich war Fußballer. Drogendealer. Student. Ohne zu spielen, zu dealen oder in die Uni zu gehen. Ich war Student, als ich zwischen 17 und 19 bei Take That war. Ich ging einfach hin und hab mich die ganze Zeit mit den anderen bekifft. Sie waren super Typen. Wir trafen uns immer an der Autobahnraststätte. Sie mieteten einen weißen Bus für die Veranstaltung. Als Erstes warfen wir ein paar Ecstasypillen ein ...» Er unterbricht sich. «Nein, halt, zuerst kam ein Gramm Speed. Dann gingen wir zu Miss Moneypenny und nahmen Ecstasy ... » Er war dick befreundet mit dem Studentenanführer, bis eines Tages irgendwas schief lief: «Wahrscheinlich hatte er was gegen mich, das kam irgendwie nach einer Weile raus. Er behauptete, ich wäre plötzlich so eingebildet und spielte mich auf. Und ich weiß genau, dass ich kein bisschen anders war als vorher. Er kam einfach nicht damit klar.»
Am nächsten Morgen meldet sich Teddy Sheringham bei Josie und erklärt, dass er es nun doch nicht schafft zu kommen, aber ein Freund von ihm mit Prostatakrebs wäre zufällig in der Stadt und würde die Karte übernehmen. Außerdem würde er Rob gerne kennen lernen. Der Groschen fällt. Vor einer Weile ist Josie mal von jemand, der behauptete, Sadie Frost und Jude Law zu vertreten, reingelegt worden. Weil sie keine Lust hat, sich erneut verschaukeln zu lassen, besorgt sie sich über einige Fußballkontakte Teddy Sheringhams richtige Handynummer und lässt sich bestätigen, dass unserer ein Hochstapler ist. Zwischendurch fragt sie sich, ob es die Mühe wert ist, ihn rauszuschmeißen, falls er tatsächlich kommt. Unterdessen spielt Rob Championship Manager in seiner üblichen Suite im Pariser George V Hotel. Er experimentiert mit einer
Fünferkette. Währenddessen gibt es unten Probleme mit den Autos. Die Hoteldirektion möchte, dass Robbies wartende Wagen die Einfahrt verlassen, damit Hilary Clinton vorfahren kann.
Backstage läuft er Kelly Osbourne über den Weg. Sie tritt den ganzen Sommer als seine Vorgruppe auf. Er zeigt ihr seine Tätowierungen, und sie zeigt ihm das tätowierte Herz am Finger. «Ich muss es wieder wegmachen lassen», sagt sie. Ihr früherer Freund. Es endete tragisch. Im Moment versucht er, sie zu verklagen, und sie fängt allmählich an, ihn zu hassen. «Wie gehst du damit um?», fragt Rob. «Ach, es geht mir ganz gut.» «Nein, ich meine, wie kommst du damit klar? Soll ich ihn mir vorknöpfen?» Bei Kelly verfällt er ganz schnell in die Rolle des großen Bruders. «Das mach ich schon selbst.» «Anthrax ist gut», schlägt er vor, als er zu seiner Garderobe weitergeht. «Und Kacke.»
Bei der heutigen Show, die seinen Durchbruch in Frankreich untermauert, obwohl das Publikum wirklich schwer rumzukriegen ist und er einen Song am Ende auslässt, erkennt er eine Frau im vorderen Teil der Menge, kann sie aber irgendwie nicht einordnen. Er bittet Jason, ihre Nummer zu besorgen. Im Bus versucht er immer noch, dahinter zu kommen. «Vielleicht habe ich sie mal in den Ferien getroffen, als ich 14 oder 15 war.» Nach einigem Hin- und Hertelefonieren erscheint sie tatsächlich beim Buffet. Rob war 16. «Carmarthen Bay Holiday Centre, 1989», sagt er. «1990», verbessert sie. «Mein Dad war Conferencier», erinnert er sich. «Die besten Ferien, die ich je hatte. Keine Drogen, jede Menge Bier, Spaß und billige Chips.»
Max mischt sich ein und sagt, Rob und er sollten bald mal schöne Ferien machen. Auf einem Boot. «Tiefseetauchen bei Nacht», meint er. «Mauritius.» «Siehst du?», sagt Rob an seine alte Flamme gewandt und tut so, als wäre es ein Witz. «Heute ist alles ganz anders.» Sie unterhalten sich über die Songs, zu denen sie tanzten. «The Number», «Tonight» von New Kids On The Block. Irgendwann sagt sie zu ihm, dass er sich überhaupt nicht verändert hat, seit er 16 war, und es gibt kaum etwas, das er lieber hören würde. Im Hotel stoßen sie auf ein Programm über Kylie Minogue im Fernsehen – perfekt. Es dauert eine Weile, bis man entdeckt, wie weit zwei Menschen voneinander entfernt sind, wenn der eine auf die Zukunft hofft und der andere nur versucht, einen kurzen, glücklichen Augenblick der Vergangenheit wiederzuerleben.
In dieser Nacht träumt er, dass er mit Anthony Hopkins ein Treffen der Anonymen Alkoholiker besucht. Anthony Hopkins ist wirklich nett, allerdings etwas angesäuert, weil das Treffen anderthalb Stunden dauern soll. Er wollte in einer Stunde wieder draußen sein.
Wien. Die Show verändert sich. Am Ende der Tour wird es so aussehen, als wäre die Art, wie ein oder zwei Minuten «We Will Rock You» von Queen zu «Monsoon» überleiten, sorgfältig geplant und in wochenlangen Proben ausgetüftelt worden, tatsächlich aber kam es Rob an diesem Abend in Wien ganz plötzlich in den Sinn. Nach dem zweiten Stück fängt er an, mit dem Fuß zu stampfen, Chris Sharrock nimmt den Takt an der Basstrommel auf und der Text von Queen — besser gesagt, eine vage Annäherung an den Text — sprudelt aus ihm heraus: «Johnny you're a man you're a poor boy sitting in a place gonna be a man some day blood on your face big disgrace wiping your banner all over the place ... », und die Menge singt mit. So entsteht ein neuer Teil der Show und so wird er von jetzt an wiederholt, allerdings weniger spontan.
Am Ende kommt er noch einmal auf die Bühne und singt «Feel» a capella, nur er und die Menge, voller Gefühl und ohne jedes Tamtam. Das hat er noch nie gemacht. «Ich habe geheult», erzählt er euphorisch, als der Wagen-Konvoi vorfährt. «Es war einfach großartig.» Wir fahren los. «Wisst ihr, was komisch ist? Jeden Abend denke ich ans Sterben. Immer gegen Ende der Vorstellung.» «Vielleicht heulst du, weil es sein könnte?» «Keine Ahnung. Es ist echt verrückt. Ich weiß es nicht.» Ich sage ihm, wie gut sich die Solo-Version von «Feel» anhört. Er grinst. «Ich habe gesehen, wie Radiohead es in Glastonbury gemacht hat. Nicht mit natürlich. » «.» So geht es: etwas aufnehmen, assimilieren, verinnerlichen, verändern und etwas Eigenes draus machen. Er beobachtete etwas, das gut war und funktionierte und vielleicht auch bei ihm funktionieren würde; er dachte, er würde es übernehmen, und er hat es getan. Auch das wird ein Teil der Show werden – nur er und die Menge, allein zu zweit, wie sie das letzte Echo von «Feel» oder «Angels» und manchmal auch von beiden singen. Als er wieder im Hotel ist, macht er einen Witz darüber, wie emotional er am Schluss war. «Ich wusste, dass mir die Tränen kamen», erzählt er den Tänzerinnen am Buffet, «und dachte an die Kameras und dachte, oh, das wird ihnen bestimmt gefallen, und dann dachte ich: Na los, komm schon, heul, du Wichser, mach endlich, heul! ... Ha! Da sind die Tränen! Gut gemacht!»
Er findet es super, dass es auf der Bühne so schwer ist, Augenblicke tiefen Gefühls von denen, die nur Show sind, zu unterscheiden. Seine größten Werte als Entertainer hat er einem Vorbild zu verdanken, das ihm in Prä-Rock 'n' Roll-Zeiten eingeflößt wurde – den Rat-PackPlatten, die er zu Hause hörte, dem altmodisch-publikumswirksamen Auftreten seines Vaters und dessen Kollegen. Als Performer hat er also ein Verhältnis zu Aufrichtigkeit, das für das heutige Empfinden möglicherweise verwirrend ist. Er begreift intuitiv, dass das, was
Rocksnobs als «die Wahrheit» verkaufen – ihre künstlichen, abgedroschenen Methoden, authentisch und ehrlich zu wirken – nur Rituale eines bigotten und trügerischen Zeitgeists sind. Möglich, dass sie sich selbst für Rebellen halten, die ausziehen, um für eine zweifelhafte Freiheit zu kämpfen. Er hingegen sieht, wie sie sich in Lügen oder dumpfen Gewohnheiten verstricken und von allen möglichen Regeln einschränken lassen, bis ihre Scheuklappen so groß sind, dass sie die Freude und das Wunder in dem Kanon, für den sie eintreten, gar nicht mehr sehen. In der modernen Tradition der Rockmusik wird Scheitern häufig als Beweis für die Authentizität eines Werkes gewertet – der Aufschrei war so wahrhaftig und radikal, dass die Welt noch nicht reif für ihn war. Aber es gibt noch eine andere Tradition, die unter Scheitern nichts weiter versteht als etwas, das keinen Erfolg hatte. Hier sind Aufrichtigkeit und tiefe Gefühle nicht so weit wie möglich entfernt von Flair, Melodrama, Falschheit, schlechten Reimen und kitschiger Musik, sondern stecken mittendrin. Tatsächlich scheint sie sagen zu wollen, dass «mittendrin» der einzig ehrliche Ort für die echten und wichtigen Dinge ist, denn genau da sind sie auch in der Wirklichkeit: mitten im hektischen alltäglichen Gewusel des Lebens. Obendrein ist es ein idealer Ort, um zu leugnen, dass man sein Herz öffnet, und jeder, der aufrichtig vorhat, die Hosen runterzulassen, braucht diese Option – zur Sicherheit. Rob wird behaupten, er mache leichtes Entertainment. Er wird grinsen, herumkaspern, dich veräppeln und sich selbst gleich mit, und während er all das tut, erzählt er dir seine ganze raue, zerbrechliche, ehrliche Geschichte, direkt vor deiner Nase versteckt.
11 Als Josie ihn am nächsten Nachmittag anruft, um zu fragen, ob er frühstücken will, ist er so müde, dass er sich in seinem Wiener Hotelzimmer umsieht und versucht herauszukriegen, wo die Stimme bloß herkommt. Er merkt gar nicht, dass er telefoniert. Ich frage, was er gestern Abend noch gemacht hat. «Ich hatte Sex.»
«Wie es sich für einen Popstar gehört», stellt Josie fest. «Noch 40 Minuten bis zum Aufbruch.» «In dieser sterblichen Hülle?», fragt er. «Ich gehe wieder ins Bett.» «Nein, das tust du nicht», sagt sie in einem Ton, der keine Widerrede zulässt. Im Bus ist er immer noch nicht richtig wach. David erzählt von den Vorverkäufen für den Herbstteil der Tour. «Ich bin so froh, dass ich so eine große Nummer bin», antwortet er. «Sonst wäre ich echt frustriert. Es ist einfach klasse. Man hat das Gefühl, es hätte eine Bedeutung. Das war früher nicht so.» Er lacht und stellt sich dann die Frage, die auf der Hand liegt. «Aber was bedeutet es? Es bedeutet nur, dass es klasse ist.» Durch seine dunkle Brille sieht er Wien vorbeihuschen. «Da ist schon wieder einer mit echt großen Füßen.» Er sagt, dass er aufhören muss zu rauchen. «Das Gefühl wird immer stärker. Ich glaube, an meinem 30. Geburtstag ist es so weit.» Er erzählt, wie er einmal mit Take That irgendwo in Europa auf dem Weg zum Flughafen war und völlig bekifft und hilflos mit ansehen musste, wie ein Wagen mit Fans auf der Böschung neben der Autobahn an ihnen vorbeiraste. Der Fahrer war am Steuer zusammengebrochen – sein Herzschrittmacher hatte schlappgemacht. «Die Mädchen schrien», erinnert er sich. Der Wagen raste auf eine Brücke zu, wo die Böschung endete. Es sah aus, als würde er dort einfach runterstürzen, aber aus irgendeinem Grund blieb er auf der Böschung und kam dann wieder zurück auf die Autobahn, wo er, ohne einen Wagen zu rammen, sämtliche Fahrspuren kreuzte, gegen die Leitplanke krachte, sich dreimal um die eigene Achse drehte und dann stehen blieb. Der Bus von Take That fuhr rechts ran. Wie durch ein Wunder war niemandem was passiert. Andere Take That-Fans, die ihnen folgten, hielten ebenfalls an. Manche nutzten die Gelegenheit, um Rob um ein Autogramm zu bitten.
Pompey erklärt, dass er im Münchner Hotel glücklicher ist als in Wien, weil sein Zimmer durch eine Tür mit dem von Rob verbunden ist. In Wien wohnte er mehrere Feuertüren entfernt auf der anderen Seite eines Gangs, denn Robs Suite war der einzige Raum in diesem
Flügel des Hotels gewesen – so weit entfernt, dass Pompey kein Auge zutat. Rob ist erstaunt, als er das hört. In Wien hatte er die ganze Zeit gedacht, dass Pompey das Zimmer rechts von ihm hätte. «Was war denn das für eine Tür in meinem Zimmer?» «Das war der Schrank.» «Ah! Deshalb hat keiner aufgemacht, als ich anklopfte.»
In München schafft es Cardiff nach Mitternacht mit Ach und Krach, sich auf dem sechsten Rang für die Ausscheidungsspiele zu qualifizieren, obwohl sie am letzten Spieltag der Saison 2:1 gegen Bradford verlieren. Rob liegt in einer Ecke seines Zimmers auf dem Boden und bereitet sich auf das Halbfinale der Ausscheidungsspiele gegen West Brom vor. Das Hinspiel endet 1:1. Im Auswärtsspiel ist zur Halbzeit noch kein Tor gefallen. Wenn es so bleibt, wird West Brom aufgrund des besseren Torverhältnisses gewinnen. Er versucht während der gesamten zweiten Halbzeit, irgendwas zu drehen, doch die Uhr tickt, und Cardiff bringt einfach kein Tor zustande. Sie müssen unbedingt in der ersten Liga bleiben. Das ist wichtiger als alles andere, egal, ob per se oder als Symbol für ein größeres Anliegen. Als ich ins Bett gehe, liegt er immer noch bäuchlings auf dem Teppich, und ich erkenne jenen nonchalant verzweifelten Blick, hinter dem sich ein Augenblick tiefer Depression verbirgt. Nachdem ich gegen drei Uhr morgens gegangen bin, fängt er an, den sommerlichen Transfer-Markt zu sondieren. Manchester United hat mysteriöserweise einen neuen Manager bekommen, der sich schlicht «f» nennt und unerwartet mehrere großzügige Angebote für unbedeutende Cardiff City-Spieler auf den Tisch legt. Rob fürchtet in seiner Paranoia, das Spiel könnte ihm plötzlich sagen, dass er schummelt, aber nichts passiert. Schließlich startet er die nächste Saison, gewinnt drei Spiele und verliert eins. Er dreht immer mehr auf. Als das Morgengrauen durchs Fenster sickert, stellt er das Sofa hochkant davor, um das Tageslicht auszusperren. Er geht ins Bett, entscheidet dann, dass er das Sofa noch besser hinstellen kann, und springt wieder auf. Als um acht die Glocken läuten, kauft er immer noch neue Spieler.
Er ist drauf und dran, David zu wecken und ihn zu bitten, an seinem Bett sitzen zu bleiben, bis er einschläft, nickt dann aber plötzlich doch von selbst ein. Seine Träume bringen keine Erleichterung. Er hat jemanden umgebracht, die Polizei ist hinter ihm her, und irgendwer hat mit seiner Freundin geschlafen, aber er ist ein Mörder und wird in Paris zu einem DNA-Test erwartet, die Polizei kommt immer näher und ... Am nächsten Nachmittag liegt er rauchend in seinem zerwühlten Bett. Das Sofa steht immer noch vor dem Fenster. «Ich hab den Überblick verloren. Bin ein bisschen ausgerastet. Ich muss aufhören zu spielen, sonst dreh ich wirklich durch.» Die heutige Show findet im Olympiastadion statt, wo Deutschland 1:5 gegen England verloren hat. «Heute singe ich <She's The Hun>, meint er. «<We Have Ways of Entertaining You>.» (Aber dann verzichtet er doch.) Kurz vor dem Auftritt muss er pinkeln. Diesmal stellt er sich einfach in eine abgelegene Ecke hinter der Bühne und fängt an zu urinieren. Die Pisse rinnt durch die Fugen im Boden und verschwindet. «Ist irgendwas da drunter?», fragt Josie. «Nur die Stromversorgung», antwortet Wob. «Nein, jetzt mal im Ernst ...» «Das ist Ernst. Da unten befindet sich die Stromversorgung.» Während der Vorstellung spaziere ich bis zum Ende des Stadions. Auf den Hügeln im Park dahinter sitzen Tausende deutscher Fans in der Abenddämmerung und hören Robbie Williams zu. «So berühmt war ich noch nie», sagt er, als er von der Bühne kommt.
Heute Abend ist er entschlossen, den Computer nicht anzurühren, deshalb sitzen wir nach dem Konzert nur in seinem Zimmer und reden. Er erzählt, dass es ein völlig anderes Gefühl ist, seine Songs zu singen, ohne sie zu hassen. «Ich fand es jedes Mal zum Kotzen, auf Tour zu gehen. Du würdest nicht glauben, dass ich heute derselbe bin wie damals.» Auch auf der letzten Tour? «Yeah. Und ob. Du kannst fragen, wen du willst. Ich habe es gehasst. Einfach gehasst. Ich war den ganzen Tag nervös, völlig kirre vor
Angst und Depression. Ich ging auf die Bühne und sang Stücke, die banal waren und nichts bedeuteten, die einfach Scheiße waren. Es war ein Zustand, der widerspiegelte, was ich von mir hielt. Oft war ich auch auf der Bühne und hatte keinen Funken Respekt vor meinen Zuhörern. Ich riss mir den Arsch auf, denn das ist ein natürlicher Instinkt bei mir, ich muss immer so tun, als hinge mein Leben davon ab, aber im Kopf war es ein bisschen so, dass ich dachte, was habt ihr bloß, warum kommt ihr her, um dieses Arschloch zu sehen? Ich hatte überhaupt keine Achtung vor mir selbst.» «Nicht mal die Tatsache, dass 60 000 Leute da waren, um dich zu sehen, konnte dich überzeugen?», fragt Gary Marshall belustigt. Rob schüttelt den Kopf. «Ich kann mich noch an den Abend erinnern, wo es losging. Ich fing mit kleinen Club-Gigs an, die wirklich anstrengend waren, echt laut und so, ich versuchte, mich als SoloPerformer durchzuschlagen und hatte irgendwie Spaß. Ich fand es klasse, wie die Leute reagierten, und alles nur für mich. Ich hatte das Gefühl, es war irgendwie unfertig, Rock 'n' Rollmäßig. Und dann war ich backstage beim Roskilde-Festival. Wir machten eine Art Testlauf für eine Tour durch große Stadien, glaube ich, und ich rutschte aus, als wir backstage Fußball spielten. Zum ersten Mal im Leben war es mir echt peinlich, dass ich vor anderen Leuten auf die Schnauze fiel. Es ist so, wie wenn man als Kind eine Tasse zerdeppert und weiß, dass man was zu hören kriegt. So ungefähr.» Dass man Angst hat, erwischt zu werden, und sich trotzdem wünscht, es so schnell wie möglich hinter sich zu bringen – ist es das? «Ja, genau. Und das war ein Gefühl, das ich nicht mehr gehabt hatte, seit ich ein Kind war. Von da an änderte sich was. Ich glaube nicht, dass es dieser Moment war, der es auslöste, ich glaube, es musste ganz einfach so kommen. Von da an habe ich jede Tour gehasst.» Aber nimm die Tour, wie sie in dem Dokumentarfilm Nobody Someday festgehalten ist. Der Film spannt einen Bogen: Am Anfang hasst du es, und am Ende findest du angeblich alles toll. Ist das alles Quatsch? «Yeah. Ziemlich. Ich fühlte mich wirklich sehr gut, als ich an diesem Abend von der Bühne kam. Aber wenn man in Prozenten ausdrücken wollte, wie häufig das der Fall war, würde ich sagen, fünf Prozent.» Und heute?
«100 Prozent. Na ja, sagen wir 95.» Aber wie groß ist die Chance, dass du in zwei Jahren zurückblickst und sagst, ja, damals habe ich das gesagt, aber im Nachhinein stelle ich fest, dass ich eigentlich gar nicht so glücklich war? «Auf keinen Fall. Auf gar keinen Fall.» Kannst du den Punkt bestimmen, ab wann diese Veränderung einsetzte? «Im Studio. Escapology. Alles, was ich für dieses Album tun musste, war eine echte Freude.» Pause. «Abgesehen von und .» Auf dem Weg zum Flughafen am nächsten Morgen erwähnt Rob David gegenüber, dass es einen Mitarbeiter gibt, der nur peripher an der Tour beteiligt ist, den er beim zweiten Teil nicht mehr dabeihaben will. «Es ist der falsche Mann.» David nimmt den Burschen in Schutz, verspricht dann aber, ihm zu kündigen, wenn Rob es wirklich so will. Rob nickt. «Josie mag ich übrigens auch nicht», fügt er hinzu. «Oder dich. Könnt ihr euch im Herbst bitte auch verziehen?» Beides, sowohl das Machtwort als auch die Blödelei, zeigt, wie gut alles läuft. Normalerweise hat Rob in diesem Stadium einer Tour bereits entschieden, dass der Einzige, den er nicht dabeihaben will, er selbst ist.
«Bitte, Robbie», bettelt ein Mann mit quengelnder Stimme. «Ich habe es schon so oft versucht.» Auf dem Weg durch den Flughafen von München muss Robbie mit einem aggressiven, schleimigen Autogrammjäger fertig werden, der ihn schon seit ein paar Tagen verfolgt. «Du bist echt verrückt, Mann», murmelt Rob. «Ich bin mehr als 1000 Kilometer gefahren.» Das ist natürlich genau die Basis vieler Auseinandersetzungen zwischen Prominenten und denjenigen, die ihnen ungebeten auf Schritt und Tritt folgen. Die Verfolger bringen Opfer, um die sie niemand gebeten hat und schieben dann die Schuld auf ihre Stars, als schuldeten die ihnen etwas für ihre Mühen. «Du machst mich wahnsinnig», sagt Rob.
«Bitte, Robbie. Warum bist du immer so unfreundlich?» Dann setzt er vorwurfsvoll hinzu: «Zu den Jungs?» Rob marschiert durch die Sicherheitskontrolle. «Es ist wirklich nur für mich selbst!», ruft der Autogrammjäger, als müsste er auf eine Beschuldigung reagieren, die gar nicht ausgesprochen wurde. Als er begreift, dass Robbie nicht stehen bleiben wird, rastet er einfach aus. «Das ist unglaublich!», kreischt er. «Das ist einfach nicht richtig!» Mittlerweile macht er uns alle wahnsinnig. «Wir kaufen dein Zeug, und du bist dermaßen unfreundlich ... » «Yeah, dann lass es doch einfach bleiben ... », meint Rob. «Du brauchst überhaupt nichts zu kaufen!», faucht David ihn etwas lauter an. «Aber ich liebe die Musik!», gibt der Mann hysterisch zurück. «Ich liebe die Konzerte. Sie sind großartig.» Dann fällt ihm noch ein letztes, verzweifeltes, vergebliches Argument ein. «Schließlich geben wir dir unser Geld!» Im Flugzeug liest Rob von dem 20-jährigen Fallschirmspringer Stephen Hilder, der offenbar absichtlich die Gurte seines Haupt- und Reservefallschirms gekappt hat und 4000 Meter tief in einem Kornfeld zu Tode gestürzt ist. Wenig später sind wir in Berlin.
Heute Abend ist frei, und jemand hat uns in einer Berliner GokartHalle eine Bahn für ein Wettrennen gebucht. Auf meinem Hotelzimmer erwartet mich eine Nachricht von Cameron Diaz, die ich von anderen Eskapaden her kenne. Die deutsche Premiere des neuen Charlies Engel-Streifens findet morgen in Berlin statt. Sie ist gerade aus Florida angekommen und wohnt im gleichen Hotel wie wir. Die übrigen Engel sitzen wegen eines kaputten Triebwerks auf einer italienischen Startbahn fest, daher schlage ich vor, dass Cameron uns zum Gokart-Rennen begleitet. Wir brechen im Konvoi zu der Bahn auf: Rob und Max in einem der beiden Busse, Cameron, ihre Assistentin Jessie und ich auf dem Rücksitz ihres Wagens, wobei die beiden immer wieder einen Song aus Ferris Bueller's Day Off schmettern. Die Paparazzi sind uns auf den Fersen. Vor einer roten Ampel parkt einer seinen Jeep schräg vor
uns, springt raus und versucht, Rob durch die Windschutzscheibe des Busses zu fotografieren. Cameron sagt, wenn er das noch einmal macht, würde sie aussteigen und seinen Autoschlüssel wegwerfen. Als wir ankommen, sprinten wir aus dem Chaos um uns herum direkt in die Halle. «Ruhm», meint Rob mit übertriebenem Achselzucken und grinst seinen Gästen zu, «was ist das?» «Eine Seifenblase», antwortet Cameron und spielt mit. Sie bewundert sein rosafarbenes Adidas-Top. «Hast du das umsonst bekommen?» (Er war heute im Adidas-Shop und kam mit acht Tüten Merchandise-Artikeln wieder raus.) Sie zeigt auf ihr rot und schwarz gestreiftes Top. «Das habe ich bei H&M für 20 Euro gekauft», sagt sie. Wir teilen uns in acht Gruppen zu je drei Leuten auf. Rob nimmt sofort Max in sein Team und als Dritten Adam Birch, den Gitarrentechniker, weil er weiß, dass er gut ist. Cameron kommt zu Jessie und mir und ist eindeutig die beste Fahrerin von uns dreien. Wir wechseln uns ab. Einmal sehe ich, wie Rob hinter Cameron herjagt, Runde um Runde, bis sein Wagen den Geist aufgibt, kurz bevor er sie eingeholt hatte. Er tobt, während ein neuer für ihn gestartet wird. Offensichtlich hatte er sich auf den Moment gefreut, was immer er sich davon erhofft hatte. Doch die meiste Zeit wirkt er eher gedämpft. Egal, ob seine Gefühle für sie noch da sind oder nicht, jedenfalls unternimmt er nichts, um darauf anzuspielen oder sich entsprechend zu verhalten. Robs Mannschaft gewinnt; er hält eine kurze Rede und nimmt eine Trophäe entgegen, die er später im Hotelzimmer zurücklässt. Als wir die Gokart-Bahn verlassen, erwartet uns eine völlig verrückte Meute von Paparazzi. Der erste Plan ist, dass wir alle mit Sturzhelmen auf dem Kopf rausgehen, sodass man Cameron und Rob nicht erkennen kann, doch die Logistik ist heikel. Stattdessen rauscht Camerons Wagen zuerst ab, während Rob und Max die Klamotten tauschen, sodass Max jetzt Robs neues rosafarbenes Adidas-Hemd trägt. Außerdem streifen sie und zwei andere sich Kapuzenmützen über den Kopf. Max geht raus, umringt von Robs Security, und die Kameras spielen verrückt. «Er ist der in Rosa!», schreien sie. «Der in Rosa!»
Als sie in den Bus steigen, lässt Max die Hose runter und streckt ihnen seinen nackten Hintern entgegen. Am nächsten Tag bilden mehrere deutsche Zeitungen ihn als den von Robbie Williams ab. Unterdessen schlendert Rob als Letzter raus und steigt unbemerkt in den Bus. «Es war echt komisch», sagt er später. «Ich war ganz allein. Und es fühlte sich an wie ... Ich gehe ... ich gehe ... » Frei von allen Fesseln? «Yeah.»
In der Lobby sehe ich am nächsten Tag um die Mittagszeit zu, wie Charlies Engel vor 200 Menschen einen Fototermin absolvieren, im Gang einen Wettbewerbsgewinner treffen und dann Platz nehmen, um weitere Interviewfragen zu beantworten. Sie arbeiten seit acht Uhr morgens und sind, abgesehen von einer Unterbrechung an diesem Wochenende, ständig in Europa unterwegs. Das machen sie Tag für Tag. Es ist ein Leben, für das Rob weder den Willen noch die Neigung oder Konstitution hätte; ein Triumph seiner Karriere ist es, dass er so viel Erfolg hat, ohne all diesen Rummel mitzumachen. Heute wacht er gegen drei Uhr auf und telefoniert mit Jonny. «Sie sieht ein bisschen aus wie Zippy», sagt er. «Die Verknalltheit ist weg. So kann ich mich wenigstens wieder dem Rest meines Lebens zuwenden.» Er spricht auch mit seinem Vater. «Cameron und ich gestern Abend, Gokart ... yeah, aber weißt du, das wird nicht passieren ... nein, sie ist echt süß, wirklich, sie ist toll, aber ich bin nicht mehr verrückt nach ihr ... eine tolle Frau ... sieht ein bisschen aus wie Zippy ... » Im Bus erzählt Josie, dass Guy angerufen hat und nach Stockholm kommen will, um sich das Konzert anzusehen. Vielleicht hat er im Gegensatz zu Rob dessen letztes Q -Interview gelesen und macht sich Hoffnungen, weil Rob gesagt hat, dass sie sicher wieder miteinander arbeiten werden. («Wir kommen bestimmt wieder zusammen, aber es wird anders sein als vorher.») Guy kann nicht wissen, dass dieses Gefühl inzwischen schon überholt ist. Zum einen existierte Pure Francis noch nicht, als Rob dieses Interview gab. Zum anderen hat er sich inzwischen erneut über Guy geärgert. «Ich finde
nicht, dass er kommen sollte», sagt er zu Josie. «Ich bin wirklich sauer auf ihn.» Weil er David beim Ivor Novello Award hat abblitzen lassen und wegen seines Anrufs. «Und das alles nur, weil er so ein Idiot ist. Er hat keinerlei Rechtfertigung für das, was er gesagt und getan hat. Also ich würde ihn jedenfalls lieber nicht sehen. Natürlich kann er kommen, nur zu, aber ich möchte ihn nicht in meiner Nähe haben. Oder in meinem Blickfeld, wenn ich auf der Bühne stehe.»
In Berlin gibt es im Moment kein brauchbares Stadion, deshalb hat Ian Huffam, Robs Booker, für diesen Besuch eine andere Strategie gewählt. Rob ist offenbar der erste Künstler, der an zwei aufeinander folgenden Abenden große Konzerte im ehemaligen Westteil und im früheren Ostberlin gibt. Heute Abend ist der Osten dran. Rob ist nicht in richtiger Konzertstimmung. Bevor es losgeht, erklärt er: «Hierfür werde ich bezahlt.» Wie immer ist es schwierig zu sagen, was in ihm vorgeht, aber es gibt auch ein paar merkwürdige Augenblicke. Mitten in der Show landet ein dickes Manuskript auf der Bühne. Er wirft nur einen kurzen Blick darauf. «Glaubt ihr wirklich, ich würde das auf der Bühne lesen?», fragt er. «Meine Güte! Ihr müsst ja verrückt sein.» Ich nehme es an mich. Es ist eine Dissertation von einer gewissen Anne Schumann am Institut für Musikgeschichte, philosophische Fakultät an der Uni Dresden. «I Did lt My Way – Zur De- und Rekonstruktion des Images von Robbie Williams bei seinem Konzert <Swing When You're Winning>». Es sind etwa 100 Seiten Text (auf Deutsch) mit Tabellen, Graphiken, Fußnoten, Anhängen und einer Bibliographie, wahrscheinlich der einzigen auf der Welt, in der «Morgan, Piers: » ebenso verzeichnet ist wie «Kriese, Konstanze: denkt, und der Grund, dass man die ganze Zeit <Super!> denkt, ist, dass das Serotonin in deinem Kopf sagt: Und dann brauchst du alles auf, und dein Hirn hat nichts mehr, worin es schwimmen kann. Genau das passiert, wenn du dich selbst zugrunde richtest.» Der größte Teil dieses Gesprächs wird in der Woche vor Knebworth in Radio One ausgestrahlt, und die Presse stürzt sich darauf, in der verständlichen Annahme, dass Rob seine Depressionen jetzt hauptsächlich auf den Missbrauch von Ecstasy zurückführt. Das stimmt allerdings so nicht. «Ich bin sicher, dass es dazu beigetragen hat», sinniert er später. «Doch wenn ich recht darüber nachdenke, nein. Ich war schon mit 14, 15, 16 deprimiert, und damals hatte ich
noch gar kein Ecstasy genommen.» Die Verbindung könnte darin bestehen, dass Ecstasy sich als Ausweg aus der Depression tarnt, in Wirklichkeit aber die natürlichen Ressourcen, die man hat, um damit umzugehen, weiter abbaut. Es ist ein bisschen so, als würde man unter seiner Armut leiden und sich gleichzeitig einbilden, die Lösung für alle Probleme wäre ein echt fetter Überziehungskredit.
Wenig später ist das Interview vorbei, Sara Cox verschwindet, und der Rest des Tages wartet. Es macht ihm immer mehr zu schaffen, dass ihn der Rummel um seine Person Tag für Tag zwingt, im Hotelzimmer herumzuhängen. Er langweilt sich. Kurz vor Anbruch der Dämmerung beschließt er dennoch, einen Spaziergang zu machen. Etwa ein Dutzend Fans umringt ihn, als er die Treppe herunterkommt. Es war klar, dass es so kommen würde. «Mädels, ich möchte einen Spaziergang machen, bitte lasst mich durch. Ich langweile mich und muss mich bewegen.» Aber natürlich werden sie ihm folgen. Wie üblich. Er geht die Straße hinunter, weg vom Kanal, und wir sind noch keine hundert Meter weit gekommen, als ihm etwas Merkwürdiges auffällt. Etwas, das auf wundervolle Art fehlt. Ich glaube, er nimmt das Theater auf sich und bittet sie jedes Mal, ihn in Ruhe zu lassen, obwohl er genau weiß, dass sie sich nicht daran halten werden, weil der Ausdruck einer derart vernünftigen Erwartung ihn menschlich bleiben lässt, selbst wenn sie immer wieder enttäuscht wird. Er geht nicht wirklich davon aus, dass seine Wünsche zur Kenntnis genommen oder gar erfüllt werden. Doch an diesem Abend gehen wir die Straße entlang, und nicht ein einziger Fan folgt uns. Um zu verstehen, was diese kleine Geste der Höflichkeit für ihn bedeutet und wie sehr es ihm den Tag verschönert, muss man sich nur die unzähligen Male vorstellen, bei denen sein Wohlbefinden durch das Gezerre an seiner Person beeinträchtigt wird. Und genau deshalb ist sein nächster Schritt logisch — obwohl es so scheint, als kehrte hier jemand, der endlich frei ist, geradewegs in sein Gefängnis zurück. «Scheiß drauf>, sagt er und geht zurück zu der Ecke, wo die Fans herumlungern.
«Es ist das erste Mal, dass sich Menschen, die ich gebeten habe, mir nicht zu folgen, sich tatsächlich daran gehalten haben. Deshalb möchte ich euch alle zu einem Drink einladen.» Es sind 13. Er führt sie zu dem Café auf der anderen Seite des Hotels, und wir sitzen alle an den Tischen draußen, zu denen er gestern runtergebrüllt hat. Sie stellen ihm Fragen, zuerst ein wenig zögernd. Sie wollen etwas über das Mädchen auf der Bühne wissen. Er bestellt ihnen Drinks und ein paar Snacks. Sie fragen, was er den ganzen Tag gemacht hat. «Nichts. Ich habe mir eine Partie Golf angeguckt und dann ein Interview für eine englische Radiostation gegeben.» «Gibt es einen Swimmingpool im Hotel?», fragt ein Mädchen. «Yeah», antwortet er verblüfft. «Aber da war ich noch nicht.» «Wie war die Fotosession?» «Es gab keine Fotosession.» «Aber wir haben ein Blitzlicht gesehen.» «Das war eine Hochzeit.» Sie haben das getan, was alle Fans tun: den ganzen Tag vor dem Hotel gesessen, die wenigen Ereignisse, die sie mitbekommen haben, aufgegriffen und sie mit dem verflochten, was sie sich unter dem Leben eines Popstars vorstellen. In ihrer Phantasie findet ein sehr viel glamouröseres Leben statt als in der Realität. Wie sollen sie sich die Langeweile, das Rumhängen, die unzähligen Kaffees vorstellen, ganz zu schweigen von der Möglichkeit, dass das Objekt ihrer Aufmerksamkeit zufrieden auf dem Hotelbett liegt und Kabel-TV guckt? Sie fragen nach Los Angeles, den Hunden, Justin Timberlake, Take That, erinnern sich, dass er «Mackie Messer» hier einmal als Karaoke gesungen hat und wie er sich mit 18 in Amsterdam zum ersten Mal tätowieren ließ. Einmal entdeckt er auf der anderen Straßenseite jemanden, der aussieht wie ein Paparazzo, springt auf und geht zwischen den Knien seiner Fans in Deckung. Als er sich wieder hinsetzt, fragen sie, warum Kelly Osbourne im Vorprogramm auftritt. Keiner von ihnen scheint das zu verstehen. «Sie ist ein interessanter Popstar. Nennt mir einen interessanten weiblichen Popstar. Christina Aguilera ist nicht interessant.» Einer schlägt Jewel vor. «Sie ist musikalisch, sie ist super und sehr schön,
aber sie ist nicht interessant. Kelly Osbourne ist extrem interessant. Und wir brauchen Leute wie sie, die sich nichts sagen lassen.» «Britney Spears?» «Ich mag Britney Spears auch, aber sie ist nicht interessant.» «Björk», sagt ein Mädchen entschieden. «Björk ist interessant», räumt er ein. «Aber sie ist kein Popstar. Sie ist ein Fremdling. Das meine ich als Kompliment.» Dann erklärt er, dass er jetzt nach oben gehen und sein Buch lesen will. (Es ist eins, das ich ihm geschenkt habe, Jon Ronson: Them: Adventures With Extremists.) «Verschwörungstheorien, UFOs, Zeug, von dem man paranoid werden kann», erklärt er ihnen. «Als hätte ich nicht genug davon.» Als er in sein Zimmer kommt, sieht er, dass sie immer noch draußen vor dem Café sitzen, und winkt ihnen zu, bevor er die Vorhänge für die Nacht zuzieht. Er liest bis um sechs Uhr morgens und kommt zu dem Schluss, dass die gruseligste Figur in dem Buch, das ansonsten von islamistischen Extremisten, Ku-Klux-Klan-Mitgliedern und Leuten bevölkert ist, die an die Weltherrschaft einer geheimen Echsensekte glauben, Reverend Ian Paisley ist. Kurz nach eins am nächsten Mittag versucht Josie, ihn sanft zu wecken. «Was für ein matter Krieger», neckt sie ihn. «Yeah», grunzt er schwach. Er stolpert in den Salon, starrt auf die Schale mit Müsli, die auf dem Tisch steht, nimmt sich ein paar Stücke Papaya und lässt sie auf eine Zeitung fallen. «Ich kann den Traum nicht abschütteln», sagt er. «Es ging um Kinder in einer Art Schwebezustand. Sie schaffen es nicht auf die andere Seite.» Stockend erzählt er mehr. «Ich war in meinem alten Haus in Tunstall. Sie wussten nicht, dass sie nicht richtig da waren. Sie fingen an, Dinge zu bewegen. Sie schliefen in meinem Bett. Max war da und Chris Sharrock und dann noch diese bei-den Geister in meinem Bett. Ich musste eine Möglichkeit finden, sie nach Hause zu bringen ... » Ich frage, ob er den Geistern gesagt hat, dass sie gar nicht da sind. «Na ja», meint er. «Als ich es erwähnte, wurden sie richtig verlegen.»
Sara Cox sitzt mit im Flugzeug, um den letzten Teil des Interviews zu machen. Aber vorher wirft Rob einen Blick in die britischen Zeitungen. Es gibt einen traurigen Bericht über Paul Gascoignes anhaltende Alkoholprobleme. «Ich hoffe, er schafft es. Früher hat er mich immer angerufen. Damals spielte ich sonntagmorgens in einer Mannschaft, und er rief um halb zehn an, stocksauer, kurz vor dem Anpfiff.» Kurz nach dem Start verschwindet er in der Toilette. Auf seine Bitte hin war Josie für ihn einkaufen. Sara Cox spricht in ihr Mikrophon. Sie beschreibt den Zuhörern die Szene und wie es ist, wenn man mit Robbie Williams im Flugzeug unterwegs ist. «Keine Duty-Free-Gaunereien ... kein Verkehr mit dem Abschaum ... kein Firlefanz am Zoll ... » Rob erscheint im Gang. Er trägt eine lockige schwarze Perücke, einen spitzenbesetzten schwarzen BH, eine Netzstrumpfhose, die hinten offen ist und den Arsch frei lässt, und einen glänzenden roten Sackhalter, in den er seine Männlichkeit gestopft hat. So stolziert er durchs Flugzeug. «Macht Robbie so was öfter?», fragt Sara Cox die Stewardess. «Normalerweise zeigt er nur den Hintern», erklärt sie hilfsbereit. Rob kommt zurück und setzt sich. «Sollen wir mit dem Interview anfangen?» «Gefällt es dir?», fragt Max lachend. Rob tut so, als sei er schockiert über diese Unterstellung. Es ist Entertainment, kein Vergnügen. «Keine Spur», antwortet er. «Es ist ziemlich seltsam. Ich habe Netzstrümpfe an.» Er bittet Josie, ihm seine richtigen Klamotten aus der Toilette zu holen. «Ich habe einen BH an.» «Nicht mal ein kleines bisschen?», drängt Max. «Nein, ganz und gar nicht», antwortete er entrüstet. «Es war schon auf der Toilette ein ziemlich komisches Gefühl, aber ich dachte, ich muss da durch.» Er streift die schwarze Hose über und zerreißt die Schnur des Sackhalters, sodass er ihn dezent entfernen kann. Sara Cox fragt, ob er die Netzstrumpfhose an die Zuhörer von Radio One verlosen will. «Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee wäre.»
Er träumt von Hunden, und dass er in Italien vor Gericht erscheinen muss. Das Ganze ist ein einziges Durcheinander, und Josie und er können sich nicht entscheiden, was er zu seinem Auftritt vor dem italienischen Gericht tragen soll. «Es geht nur ums Image», sagt er zu ihr. Er meinte, er sollte den Anzug wechseln, damit man die Tätowierungen nicht sieht. «Ich ziehe mich schnell um», sagt er. «Wie viel Zeit haben wir noch?» «Wir hatten zwei Minuten», antwortet Josie in seinem Traum, «vor zwei Minuten.»
13 Die Menschen in Robs Umgebung passen ihr Leben seinen wechselnden Rhythmen an. Je länger die Tour dauert, umso später wacht er auf, bis er genau dieselbe Routine hat, die er am Ende der letzten Asientour so gehasst hat. Aufstehen am späten Nachmittag, Vorbereitung auf das Konzert, Auftritt und anschließend die Suche nach Unterhaltung, Liebe oder Ablenkung bis in die Morgenstunden. Je mehr Zeit vergeht, umso unglücklicher scheint er mit dem zu sein, was er macht, bis man den Eindruck hat, dass er nur noch die Zähne zusammenbeißt und durchhält, von einem Tag zum nächsten. Man spürt, welche Mühe sich alle um ihn herum geben, um ihn zu unterstützen oder ihm zu helfen, sich erfolgreich die Zeit zu vertreiben – weniger aus pragmatischen Gründen (weil es ohne ihn gar keine Tour gäbe) oder professionellen (weil er ihr Arbeitgeber ist), sondern weil sie spüren, dass sich die Tour für ihn mehr und mehr zu einer Folter in Zeitlupe entwickelt. Er hat etwas an sich, was den Menschen in seiner Nähe das Gefühl gibt, sie müssten sich um ihn kümmern und ihm das Leben erleichtern. Die Zeiten nach dem Aufwachen und nach der Show verbringt er großteils zwischen seinem Hotelzimmer und den öffentlichen Bereichen eines Hotels – der Bar, dem Restaurant, der Lobby – in der Hoffnung, sich etwas ablenken zu können. Er pendelt nach einer eigentümlichen, individuellen Methode zwischen diesen Orten hin und her, auf eine Art, die jedem, der noch nicht daran gewöhnt ist, merkwürdig erscheinen muss. Zum Beispiel verlässt er einen Raum grundsätzlich in dem Augenblick, wenn es ihm passt, egal, was um
ihn herum passiert. Vielleicht ist diese Angewohnheit eine Folge des Bedürfnisses, sich den Ritualen einer höflichen Verabschiedung zu entziehen. (Für berühmte Menschen kann ein Abschied ziemlich anstrengend sein: Statt sich mit einem schlichten «Bis dann» aus dem Staub machen zu können, muss man sich mit Leuten abgeben, die ihre letzte und meist einzige Chance nutzen wollen, ein wichtiges Anliegen mit ihrem prominenten Gegenüber zu besprechen.) Vielleicht ist es auch nur ein Luxus, an den er sich gewöhnt hat, so wie die Tatsache, dass fast jeder Zigaretten zur Hand hat, wenn er eine rauchen will. Wie auch immer, wenn er aufbrechen will, geht er einfach, gewöhnlich ohne auch nur ein Kopfnicken und in einem ziemlichen Tempo. Wie viele charismatische Entertainer weiß er, wie man einen Raum so betritt, dass jeder es mitkriegt. Aber er hat auch die möglicherweise schwierigere Kunst erlernt, einen Raum zu verlassen, ohne dass jemand es merkt. Wenn man ihm folgen will, muss man bereit sein, jede seiner Bewegungen im Auge zu behalten und jede andere Unterhaltung auf der Stelle abzubrechen. Zu Beginn war mir nicht klar, was das zu bedeuten hat: Heißt die Tatsache, dass er den Raum verlassen hat, ohne mich zum Mitkommen aufzufordern, dass ich nicht erwünscht bin? Oder muss ich es als Unhöflichkeit, gar Anmaßung empfinden? Nein, sein Verhalten ist alles andere als respektlos gemeint: Außer bei seinen Leibwächtern geht er garantiert nicht davon aus, dass jeder ihm folgt, sich seinem Tempo unterordnet oder gar nach seiner Pfeife tanzt. Seine Haltung bedeutet eher: Ich gehe, weil ich jetzt Lust dazu habe, und du kannst bleiben oder mitkommen, wie du willst, ich aber ... bin schon weg. Besonders unterwegs und an Orten wie Hotelbars ist der unangenehmste und gelegentlich auch peinliche Aspekt daran, dass man häufig nicht zwischen seinem endgültigen Aufbruch und einem seiner ständigen Toilettenbesuche unterscheiden kann. Will man bei ihm bleiben, hetzt man ihm häufig nach, nur um dann mit Pompey, Gary oder Jason vor der Klotür herumzustehen und ihn Sekunden später zurück in die Bar zu begleiten.
In Antwerpen sitzt er im Backstage-Bereich und sieht sich Queen auf VH1 an. Dann spielt er Nancy Sinatras «These Boots Are Made For Walking» und erzählt, dass Britney Spears dieses Stück mit ihm auf Swing When You're Winning singen wollte. Es kam nicht dazu, weil ihm stattdessen das düstere «Some Velvet Morning» vorschwebte, wozu wiederum Britney keine Lust hatte. (Primal Scream setzte es dann mit Kate Moss um.) Bevor er auf die Bühne geht, heizt er seiner Band ein. Sie seien dem Publikum einfach eine gute Show schuldig. «Das ist mein voller Ernst – sie leben in Antwerpen, sie langweilen sich zu Tode. Wahrscheinlich sind es die gelangweiltesten Leute der Welt. Ja, bestimmt. Also gehen wir jetzt raus und bieten ihnen die ganze beschissene Palette: Spaß, Aufregung, Unterhaltung, Lachen und Weinen. Und vielleicht sogar einen nackten Arsch.» Obwohl mir die Abseilnummer zur Eröffnung seit der E-MailWarnung grässliche Sorgen macht, vergesse ich sie komischerweise ausgerechnet an dem Abend, für den die Warnung bestimmt war. Gott sei Dank, denn die Eröffnung grenzt auch schon so an ein Fiasko. Es gibt an diesem Ort nicht genügend Platz für die üblichen Leinwände am Bühnenrand, daher wird Rob zwischen zwei riesigen Laken hochgezogen, die anschließend eigentlich herunterfallen sollen, was sie aber nicht tun. Ein paar Sekunden lang ziehen die Mitarbeiter der Crew verzweifelt und immer stärker an ihnen, bis der am Seil baumelnde Rob in einer dreieckigen Öffnung zumindest teilweise sichtbar wird. Das Programm wurde in den vergangenen Tagen immer exzentrischer, je mehr sich seine Langeweile und Frustration steigerten, doch heute erreicht es einen vorläufigen Höhepunkt. Es gibt viele Fetzen fremder Songs, eine Schimpfkanonade gegen Zuschauer, die unbedingt sitzen wollen, eine Belehrung, dies sei kein Sting-Konzert und die Aufforderung: «Hoch das gute Bein! Hoch das böse Bein! Hoch das Bein dazwischen!» Am Ende des Abends, nach «Rock DJ», hält er die wahrscheinlich irrste Rede der ganzen Tour. Sie beginnt mit einer spontanen Interpretation von Nellys «Hot In Here». «Das ist der letzte Song. Yeah. Ich weiß. Ich weiß. Ich habe gesagt, ich würde mehr spielen, und sie sagten ... nein. Scheiß auf sie. Scheiß auf alle. Die Mächte, die uns alle kontrollieren. Ah. Geheime Mächte. Vier
Meter lange Echsen!» Pause. «Kleine Menschen mit Schnurrbärten.» Längere Pause. «Mittelgroße Frauen mit großen Brüsten. Die kontrollieren mich. Ich weiß nicht, wie es mit euch ist. Jedenfalls, ohne den nächsten Song wäre ich nirgends. Und ihr würdet auf eine leere Bühne gucken. Und ich wäre ... irgendwo anders, vermutlich.» Pause. «Uh, heute Abend habe ich scheinbar den Verstand verloren, in Antwerpen, tja. Also echt. Und er kommt wohl auch nicht wieder!» Er dagegen schon. Er singt «Back For Good». Es ist normal, dass er den Text durcheinander bringt, aus lauter Übermut und Respektlosigkeit, aber niemals so wie heute. «Singt es für Barlow!», ruft er. «I got lipstick marks a dingy dingy-bingy plinky plonky plinky plonk plinky-plonk I got a fist of pure emotion, I've got a head of battered beans ... » Die letzten Worte, die er den alles andere als gelangweilten, aber deutlich verblüfften Bewohnern von Antwerpen vorträgt, lauten folgendermaßen: «I want you back! I want you back! I want you back! I want you back-a! I want you-back-a! I want Chewbacca! I want Chewbacca! And R2D2!» Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass die Bewohner von Antwerpen daran irgendwas merkwürdig finden. Robs Talent besteht unter anderem darin, mindestens zwei Arten von Popmusik zu beherrschen, die sich eigentlich widersprechen: Musik voller Eleganz («Feel» und «Angels» zum Beispiel – das Zeug, das mir instinktiv am besten gefällt) und Musik, der auf glorreiche, grandiose Art jede Eleganz fehlt («Rock DJ» oder «Monsoon»). Genauso ist er in der Lage, innerhalb von Sekunden Frauen dazu zu bringen, ihre Titten zu zeigen oder ein Publikum zu Tränen zu rühren. Wie Religion und Wissenschaft existieren diese widersprüchlichen Kräfte, die sich eigentlich aneinander reiben müssten und nach irgendeiner Art von Lösung oder Kompromiss verlangen, nebeneinander und durcheinander. Die Zuschauer haben die Wahl, was und wie viel sie davon mitnehmen wollen.
Beim Buffet im Hotel zündet er sich eine Zigarette an. Seine Silk Cut-Packungen sind mit den neuen, sicheren und abwegigen Gesundheitshinweisen versehen, die Andy Franks im Internet entdeckt hat. «Nikotin schützt vor AIDS.» – «Tödliche Langeweile kann zum Rauchen führen.» – «Raucher sehen hart und cool aus.» – «Jesus raucht.» – «Zigaretten verhindern internationalen Terrorismus.» Rob hält eine Packung hoch: « Ich glaube, das ist mein Lieblingsspruch.» Am Tisch erwähnt er Max gegenüber, dass er «One For My Baby», einen der beiden Swing-Songs, aus dem Set streichen will. «Warum?», fragt Max und wird blass. Rob erklärt, dass es mit dem Tempo der Show zu tun hat. Max ist verzweifelt. Eine Mischung aus Selbstbewusstsein und Unsicherheit ist eigentlich nichts Ungewöhnliches, bei Max aber besonders ausgeprägt. «Geht dir das etwa nahe?», fragt Rob. «Meinst du das im Ernst?», fragt Max, der nicht glauben kann, dass Rob den Song wirklich streichen würde. «Ja, das tue ich.» « ist klasse.» «Seht ihn euch an», sagt Rob und macht einen Rückzieher: «Es war nur so eine Idee.» «Verdammt klasse Idee, du Blödmann», sagt Max. «Du willst mich verarschen, was?» Rob antwortet nicht. Er verarscht Max überhaupt nicht, doch der fasst sein Schweigen als Bestätigung auf. «Ganz schön gemein», sagt er. «Das hast du echt gut gemacht.» Rob beschließt mitzuspielen. «Treffer?» «Herzlichen Glückwunsch», sagt Max. «Danke.» «Ich könnte echt kotzen», sagt Max erleichtert. Der unangenehme Augenblick ist vorbei. Bis auf eine Kleinigkeit: Rob muss Max noch beibringen, dass er vorhat, «One For My Baby» zu streichen.
Am nächsten Morgen entdeckt Josie einen olivgrünen BH auf einem Stuhl im Salon von Robs Suite, der sich im Verlauf eines nicht näher erläuterten Ereignisses dorthin verirrt hat. Sie hebt ihn auf und wirft Rob einen fragenden Blick zu. Er zuckt die Achseln. «Manchmal trage ich eben gern BH s!»
«Das war ein grausamer Witz gestern Abend», sagt Max im Flugzeug zu Rob. «Du hast wirklich gut geschauspielert. Das hat gesessen. Es hätte mich wirklich traurig gemacht, wenn du gestrichen hättest.» Rob hält die Luft an. Er muss eine Entscheidung treffen. «Tja ...», sagt er. «Was denn?», schnaubt Max. «Meinst du es etwa doch ernst?» Er glaubt, dass Rob denselben Trick noch einmal versuchen will. «Diesmal zieht es nicht mehr, Alter.» «Nein», sagt Rob. «Ich habe es total ernst gemeint.» «Aber ...» Max kann es nicht glauben. «Die Leute jubeln, wenn du die erste Zeile singst ... » «Und danach langweilen sie sich.» Max erkennt, dass Rob es ernst meint, und diesmal akzeptiert er es sofort, traurig, aber mit Anstand.
Im Hotel D´Angleterre in Kopenhagen wird er in die Karen BlixenSuite geführt. Blixen, die unter dem Namen Isak Dinesen geschrieben hat und in Deutschland als Tanja Blixen bekannt ist, gehört zu den bekanntesten Schriftstellerinnen Dänemarks. Berühmt wurde sie mit Jenseits von Afrika, was vermutlich die Erklärung für das riesige Geweih im Salon ist. Rob scheint ein wenig beunruhigt, hängt dann jedoch seine RW-Baseballkappe über das linke Horn. Das Foto eines toten Löwen an der Wand irritiert ihn mehr. Doch im Moment macht er sich keine Gedanken darüber. Auf dem Weg ins Hotel hat er Pia entdeckt, die Frau, die ihn ansprach, als er bei seinem letzten Besuch gerade das dänische Fernsehstudio verließ, und ihm eine Schachtel mit einer «Soulmate»-Karte schenkte. Er
zieht los, um sie zu suchen. In ihrem Zimmer holt sie als Erstes ihre Engelkarten raus. (Sie weist ihn darauf hin, dass eine fehlt – Soulmate natürlich.) Dann erzählt sie ihm, dass sie einem bestimmten Gefühl gefolgt ist: «Geh und buche ein Zimmer in diesem Hotel, und er wird kommen.» Sie unterhalten sich eine Weile, allerdings behält er für sich, dass er einiges von dem, was sie sagt, ziemlich durchgeknallt findet. Am Ende liegen sie auf dem Bett, und es kommt, wie es kommen muss. Nachdem schon beide ihr Hemd ausgezogen haben, stoppt sie ihn. Daraufhin sagt er, dass er jetzt gehen muss. «Wir kommen aus zwei unterschiedlichen Welten», erklärt er. «Was meinst du damit?» «Na ja, weißt du, all das Zeug zu Anfang ... die Soulmate-Karte. So was ist unheimlich. Wenn man gesagt bekommt, dass dies deine zukünftige Frau und Seelenverwandte ist.» «Was meinst du damit?», wiederholt sie. «Tja, also, weißt du, ich habe auf dieser Tour mindestens fünf Mädchen kennen gelernt, die alle glauben, seelenverwandt mit mir zu sein.» Er sieht, wie bei ihr der Groschen fällt. Sie ist enttäuscht und sagt, dass sie nicht so sein will wie alle anderen, und er sagt, alle erzählen ihm, dass sie nicht so sein wollen wie alle anderen. Und dann unterhalten sie sich ausgiebig über Sex und wie jeder von beiden seine Urteile fällt. Er erklärt, er habe das Recht, die Vorschläge zu machen, die er gemacht hat, und sie sagt, sie habe das Recht, nein zu sagen. Aber er meint, schließlich ginge es nur um Sex. Das andere Zeug wäre unheimlich. «Versetz dich mal in meine Lage», fordert sie ihn auf. «Stell dir vor, du wärst ich, und ich wäre Robert. Jetzt sag mir, wie ich angeblich sein soll.» Sie erklärt, dass sie auf dem Land lebt und absolut sicher ist, dass er für sie bestimmt ist. «Was soll ich denn anderes sagen?» Angesichts der Situation ist es ein überraschend nachdenkliches Gespräch. Am Ende haben sie es geschafft, miteinander zu kommunizieren und eine Art Verbindung zwischen sich herzustellen, einfach indem sie einsahen, wie weit sie voneinander entfernt sind und wie unterschiedlich ihre Hoffnungen, Wünsche und Erwartungen an diesen Augenblick waren.
Schließlich kommt er wieder in sein Zimmer und erzählt mir davon. Ich finde die Vorstellungen, die Frauen wie sie haben, gar nicht so überraschend oder verrückt, wie sie ihm erscheinen. Sie sind das vorhersehbare Produkt der Zeit, in der wir leben, und der Träume, die uns Tag für Tag verkauft werden. Die Hälfte aller Filme, die jedes Jahr in die Kinos kommen, suggeriert uns, an das Schicksal oder eine unmögliche Liebe zu glauben. Häufig ermuntern sie uns sogar, dafür alles zu opfern – Vernunft, Gesundheit, Realitätssinn. Und genauso wie die scheinbar unmögliche und dann doch wahr gewordene Liebe zwischen Prinz und Bürgerlicher oder zwischen Mensch und Gott zur Grundausstattung der Mythologie gehört, so ist die unmögliche und dann doch wahr gewordene Liebe zwischen der Bürgerlichen und dem Star Teil moderner Mythen und Unterhaltung. Rob ist der Meinung, dass jeder Fan, egal, ob er mit 120 anderen vor seinem Hotel abhängt oder mit 60 000 anderen ein Konzert besucht, einsehen müsste, dass er nur einer von vielen ist, die alle dasselbe denken. Doch wenn man an diese Mythen glaubt, spielt das überhaupt keine Rolle. Der Mythos gaukelt einem vor, dass man zwar nur einer von vielen ist, sodass alle Erwartungen vergeblich erscheinen, aber dass man trotzdem eines Tages aus der Menge herausgehoben werden und seinen Prinzen, seine unmögliche Liebe finden kann – weil das Schicksal es so will. Er hört interessiert zu, denkt eine Weile darüber nach und räumt dann ein, dass ich Recht haben könnte. «Wie auch immer», sagt er, als er merkt, dass mir zu diesem Thema nicht mehr viel einfällt. «Anschließend haben wir gevögelt.»
Er hat eine schlimme Nacht vor sich. Ich glaube allerdings nicht, dass es irgendetwas mit dem vergangenen Tag zu tun hat, was ihn quält. Es ist nur das Hotel. Vielleicht die toten Löwen, die Geweihe und die hohen Decken; er aber entdeckt etwas Spezielleres. Er kann Gespenster hören. Zwei gehen im Salon herum, dann hört er einen Knall, und sie öffnen die Tür zum Schlafzimmer.
Das war's. Die Gespenster haben gewonnen. Sie können bleiben, er wird gehen. Er ruft Gary Marshall an, den diensthabenden Leibwächter, aber der meldet sich nicht. Daraufhin geht Rob um fünf Uhr morgens allein zur Rezeption. Gary, der mittlerweile realisiert, dass Rob angerufen hat, rennt zu dessen Suite und entdeckt, dass er nicht da ist. Schließlich finden sie sich. Rob bittet die Hoteldirektion um das kleinste Zimmer im ganzen Haus. Es ist ein Einzelzimmer im hinteren Teil des Hotels. Dort steckt er sich Ohrenstöpsel in die Ohren, um nichts mehr zu hören, und schläft gegen sieben Uhr morgens endlich ein.
Als er am Nachmittag aufwacht, hat er ein neues Problem. Diesmal sind es keine Gespenster, sondern die Ohrenstöpsel. Er hat aus Versehen einen davon so tief ins Ohr gestopft, dass man ihn nur mit Hilfe einer Taschenlampe sehen kann. Selbst Rob sieht ein, dass es zu gefährlich ist, um selbst dran rumzudoktern. Also wird ein Arzt gerufen. Während sie warten, erzählt Jason, wie er sich als Dreijähriger mal ein Stück Kreide in die Nase gesteckt hat. Zwei Monate lang glaubten seine Eltern, er hätte eine schlimme Erkältung, bis die Kreide schließlich entdeckt wurde. Auch Max schaut vorbei. «Rat mal, was ich gemacht habe», sagt Rob. «Dich voll geschissen?» Der Arzt kommt, untersucht ihn und sagt, er müsse das entsprechende Instrument holen. Rob geht nach nebenan und fragt grinsend: «Haben wir vielleicht noch zwei Tickets für das Konzert übrig?» «Das kriegen wir bestimmt hin», sagt Pompey mit zusammengebissenen Zähnen. Ärzte stellen fast immer irgendwelche Forderungen. Man sollte meinen, dass es sich um Berufe handelt, bei denen professioneller Stolz, Prinzipien, aber auch das Bedürfnis, Patienten in ihrer Verletzbarkeit zur Seite zu stehen, nicht vereinbar sind mit Dreistigkeit gegenüber Prominenten, aber das Gegenteil ist der Fall. Rob hat sich an Ärzte gewöhnt, die nach der Behandlung mit einem Stapel Kalender rausrücken, die er signieren soll. Oder er
sitzt bei einem Zahnarzt und wird gefragt, ob sein Name als Werbung für ein bestimmtes Mundwasser benutzt werden darf. Der Arzt taucht wieder auf, entfernt den zerdrückten, wächsernen Ohrenstöpsel und geht. Rob ist erleichtert, das Ding los zu sein, kann allerdings immer noch nichts hören. Ziemlich ernüchternd für jemanden, der am gleichen Abend vor Tausenden von Menschen singen soll. Ein anderer Arzt wird ins Stadion gerufen, um seine Ohren auszuspülen. Er träufelt heißes Wasser ein. Dann fischt er einen riesigen Klumpen Wachs aus dem einen und ein kleineres Stück aus dem anderen Ohr.
Ozzy Osbournes Tour-Manager, dem Kelly ihr Leben lang sehr nahe stand, ist in seinem Hotelzimmer in Amerika tot aufgefunden worden. Sie muss nach Hause fliegen und das Konzert in Schweden ausfallen lassen. David und Ian Huffam erklären Rob, dass sie einen Ersatz für die Vorgruppe brauchen.
«Ruft Noel Gallagher an», schlägt Rob boshaft vor. «Fragt ihn, ob er ein akustisches Programm spielen will.» Noch während er das sagt, erwärmt er sich für die Idee. «Na los, macht schon. Ruft ihn an.» «Fragen kostet schließlich nichts», gibt Ian schließlich nach. «Los, ruft ihn an», sagt Rob aufgeregt. «Bitte fragt ihn, tut mir den Gefallen.» «Er könnte mit Easyjet rüberkommen, oder?», lacht Ian. «Sag ihm, ich lasse ihn in meinem Jet abholen», erhöht Rob den Einsatz. «Bitte macht das.» «Das soll ich ihm wirklich sagen?», vergewissert sich Ian. «Ja», antwortet Rob. «Ich will ihn eine Woche vor Knebworth bloß ein bisschen auf die Palme bringen. Und die Sache mit dem Jet wird es realer klingen lassen. Wenn er ja sagt, schicken wir ihm den Jet.» Er geht zu Max, begeistert von seinem todsicheren Coup. «Es gibt nur zwei Möglichkeiten. Zu 98 Prozent wird er vor lauter Wut an die Decke gehen. Perfektes Futter für Knebworth. Und zu zwei Prozent macht er es. Man weiß nie.»
Ein paar Minuten später meldet Ian, dass Noel Gallaghers Agent den Vorschlag ernst genommen hat und das Angebot prüfen wird.
Rob ist bei den letzten Konzerten deutlich müder und verrückter geworden, als würde er sie jetzt nur noch mit letzter Kraft durchstehen. Heute Abend erklärt er, noch nie so viel Angst gehabt zu haben wie in dem Moment, als er kopfüber am Seil hing. «Ich war unglaublich müde, und die Psychose war wieder da.» Beim dritten Song hat er sein schwarzes Hemd und die weiße Krawatte in die Menge geworfen. Offenbar glauben die Zuschauer, dies sei ein fester Bestandteil der Show und er besitze jede Menge schwarzer Hemden und weißer Krawatten, aber das stimmt nicht. Auch mit seiner Stimme geht es bergab. Zwischen den Stücken sagt er, dies sei «das beste Publikum in Europa». Ich glaube, er wollte sagen, dass er ein so gutes Publikum braucht, um das Konzert durchstehen zu können. Während der Swing-Einlage erzählt er den Dänen: «Ich werd euch sagen, warum ich heute Abend traurig bin – weil als Nächstes Schweden ansteht.» Lautes Grölen. «Das letzte Mal waren die Schweden beschissen.» Während des akustischen Teils kommt er noch einmal auf dieses Klischee zu sprechen und improvisiert sogar einen kleinen Song darüber: «I'll go to Sweden, I don't know what for. When in Denmark I should have done more.» Es ist erstaunlich, wie oft er mit solchen Attacken durchkommt. Er spielt rivalisierende Nationen gegeneinander aus, nur für den Applaus. Natürlich ist es ungefährlicher, bei der Abreise auszuteilen als wenn man den Besuch noch vor sich hat. Diesmal hat er weniger Glück.
Abends bittet er Max, diese Nacht mit ihm im Doppelbett zu schlafen, als Schutz gegen die Hotelgespenster. «Die Untoten», seufzt er. «Es ist ein verfluchter Albtraum.» «Wie zwei Schwule?», fragt Max. «Wirst du mir auch einen abkauen?» «Na klar», gibt Rob todernst zurück.
Vielleicht würde es den Daily Mirror freuen, zu erfahren, dass Rob sehr entspannt ist, wenn es darum geht, mit seinen besten Freunden in einem Bett zu schlafen. Er mag die Gesellschaft, und es beruhigt ihn, nicht allein zu sein. Ganz zu Anfang schliefen Max und er in Los Angeles manchmal in einem Bett. Sie lagen da und redeten oder guckten Fernsehen, bis sie einschliefen, und beide haben ziemlich lustige Erinnerungen daran. Einmal wachte Max auf und merkte, dass Rob ihn eng umschlungen hielt, und als Rob die Augen aufschlug, starrte er in Max' entsetztes, starres Gesicht.
14 Im Grand Hotel von Stockholm kommen viele Erinnerungen hoch. «Da ist der Balkon, wo ich mich mit Nellee Hooper geprügelt habe», erzählt Rob, als wir die Treppe runtergehen. Oder in seiner Suite: «Ich weiß noch genau, wie ich in diese Ecke gepinkelt habe.» Am Ende eines Gangs gab es eine Tür, die er aufmachte, obwohl alle ihm davon abrieten. Und in einem anderen Gang war Victoria Beckhams Zimmer, an dessen Tür er gehämmert und verlangt hatte, «die Frau des englischen Mannschaftskapitäns» zu sprechen. Rob will nichts davon hören und auch nicht daran denken. «Aus Erfahrung wird man klug», sagt er.
Wochen später, an einem ruhigen Nachmittag in London, ist er in Jonnys Gegenwart bereit, darüber zu sprechen, was bei den MTV Awards in Schweden im November 2000 vorgefallen ist. Das war kurz bevor er mit dem Trinken aufhörte, und die Ärzte hatten ihm von der Reise abgeraten. Er hatte gerade eine Tour hinter sich, bei der er nur vor seinen freien Tagen getrunken hatte. Im Flugzeug nach Stockholm bestellten Jonny und er zwei Bier – eigentlich nur, um zu beweisen, dass er es schaffte, es bei ein paar Bier zu belassen, wie Jonny erzählt. «Yeah, aber es war nicht gut für mich, in Gesellschaft zu trinken. Es machte einfach keinen Sinn, verstehst du? Ich mag den Geschmack nicht. Wozu überhaupt in Gesellschaft trinken? Es ging mir
eigentlich nur darum, zu trinken, um betrunken zu sein – nicht, weil es Spaß machte.» Am nächsten Tag sang er auf der MTV-Veranstaltung «Kids» mit Kylie Minogue. Er war nicht gerade in bester Laune. Er weiß noch, wie er pinkeln ging und ein Typ sagte: «Endlich laufen wir uns auch mal über den Weg!» Er hatte keine Ahnung, wer es war, und fand es ziemlich nervig. (Es war einer von Dolce und Gabbana.) Rob war deprimiert und langweilte sich. Bono schleifte ihn in seine Garderobe, wo sie sich unterhielten, aber nicht mal das half. «Er machte mir Komplimente und war wirklich sehr, sehr nett, aber ich schaffte es einfach nicht, mit Bono zu reden. Alles, was ich den Leuten damals erzählen konnte, war, wie verdammt dreckig es mir ging.» Dann tauchte Nellee Hooper auf. Rob hatte sich in der Vergangenheit hin und wieder mit ihm getroffen, konnte aber letzten Endes nicht besonders viel mit ihm anfangen. Bei ihrem letzten Zusammentreffen in Südfrankreich hatte Rob ihn als beschissenes Arschloch bezeichnet. Und jetzt war er müde und betrunken und suchte nach irgendwas, um wach zu bleiben. «Ich ging einfach immer geradeaus, nur weil mein Gewicht mich trug», erinnert er sich. Dann sah er Nellee und lallte so etwas Ähnliches wie eine unfreundliche Entschuldigung: «Es tut nicht gut, im Streit mit Leuten zu leben, hörst du ... Lass uns damit aufhören ... Tut mir Leid, dass ich dich als Arschloch beschimpft habe – ich will keine Probleme mit dir.» Aber seine Einstellung gegenüber Nellee Hooper hatte sich nicht verändert. Es gehört zu Robs typischen Verhaltensmustern, eine Entschuldigung anzubieten, in Wirklichkeit aber kurz vor einem gewalttätigen Wutausbruch zu stehen. Hat er das Gefühl, seine Entschuldigung stößt auf Vorbehalte, kommt es unweigerlich zum Eklat. «Tja, Rob, das ist einfach nicht gut, weißt du», antwortete Nellee Hooper seiner Erinnerung zufolge. «Ich dachte, ich wäre dein Freund, ich habe immer nur Gutes für dich getan und es gut mir dir gemeint und...» Aber da hörte Rob schon gar nicht mehr zu. «Ich gehe jetzt nach unten», sagte er. «Und wenn ich wiederkomme, bin ich ganz anders.»
Er ging runter und trank sechs Sambucas, einen nach dem anderen, dann ging er wieder nach oben. Auf der Treppe folgten ihm die Spice Girls Mel B. und Emma Bunton. Sie fanden die übrigen Leute langweilig und suchten Robs Nähe. Doch innerhalb der nächsten paar Sekunden änderten sie ihre Meinung und erklärten, das wäre zu viel für sie. «Ich wollte ihn überhaupt nicht verprügeln, weißt du, aber ... ich tat es», erinnert sich Rob. «Besser gesagt, ich wollte ihn verprügeln, falls ich nicht das zu hören bekam, was ich hören wollte.» Er hörte es nicht. Wie auch immer, Nellee Hooper schlug zuerst zu und traf ihn in die Magengrube. Es war das Schlimmste, was er machen konnte. Jahre zuvor, als sie noch zusammen herumzogen, hatte Nellee die Angewohnheit gehabt, Rob am Ende einer Sauftour zu knuffen. Sozusagen aus Spaß, aber Rob hatte es trotzdem gehasst. Er krümmte sich zusammen, um möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten, und Hooper schlug zu. Vielleicht so wie ein Kumpel. Vielleicht aber auch so wie ein Schläger. Auf jeden Fall fühlte sich Rob durch Hoopers Attacke an alte Zeiten erinnert und schlug ihm ins Gesicht. Rob glaubt, dass er noch einmal zuschlagen konnte, bevor sie getrennt wurden. «Schlag mich nie wieder in die Magengrube!», rief er immer wieder und ließ Hoopers Hemd erst los, als es zerriss. Während alle versuchten, sich gegenseitig zu beruhigen, kroch Rob auf allen vieren davon. Ein paar Minuten später traf er Kevin von den Backstreet Boys. Offenbar hat er dann einen Blackout gehabt, jedenfalls mussten ihm später andere Leute erzählen, was noch passiert ist. Nach dem Kampf suchte er hektisch nach Kokain. Jonny erinnert sich noch, dass er dachte, wenn sie ihn ins Bett befördern könnten, bevor er welches fand, würde er seinen Rausch ausschlafen, und alles wäre okay. Sie schafften es, ihn in den Lift zu lotsen. «Jetzt reg dich ab, Rob.» Er sah Jonny und Josie an und rief dann, als hätten sie irgendwas missverstanden: «Ich bin auf eurer Seite!» Es war, als wollte er sie in seinem Rausch beruhigen. Anschließend fing er an, gegen Victoria Beckhams Tür zu hämmern. «Lass mich rein! Lass mich rein! Ich möchte mit Mrs. England Captain Man sprechen.»
Sie kam an die Tür. «Geh schlafen, Robbie», sagte sie sanft. Am Ende des Gangs führte eine Tür zu einem Ballsaal, wo die Aftershow-Party von MTV stattfand und Presseleute aus aller Welt versammelt waren. Sie sagten ihm, er könne machen, was er wolle, nur nicht durch diese Tür gehen. Natürlich fiel ihm daraufhin nichts Besseres ein, als genau das zu tun. Sobald er die Tür aufgemacht hatte, brach ein Blitzlichtgewitter über ihn herein. Sein Hemd war von der Schlägerei zerfetzt, sein weißes Unterhemd war mit Alkoholflecken übersät. Er brüllte die Fotografen an, während sie auf den Auslöser drückten. Auf der Bühne stand Wyclef Jean und rappte, und auch Richard Blackwood war da, also sprang Rob ganz selbstverständlich rauf und machte mit. Die Menge drehte vollkommen durch. Irgendwer aus dem Publikum reichte ihm ein großes Bier, das er in drei Zügen leerte, á la Chubby Browne. Wyclef wirkte amüsiert. Rob schnappte sich das Mikrophon von Richard Blackwood und fing an, selbst zu rappen: Teile von «Rock DJ» und alles, was ihm gerade einfiel. Jonny und Josie versuchten, an ihn ranzukommen.
«Wir haben Robbie Williams auf der Bühne!», rief Wyclef. «Wyclef!», rief Robbie zurück. Das Einzige, woran Robbie sich heute erinnern kann, ist, dass er auf der Bühne stand, Josie und Jonny sah und sich plötzlich fragte: «Was mache ich hier eigentlich?» Alles andere ist weg. Sie schafften es, ihn da rauszuholen, und tricksten ihn aus, indem sie ihm erklärten, sie gingen auf eine andere Party, wo es möglicherweise Koks gäbe. Stattdessen brachten sie ihn in sein Zimmer und schlossen die Tür ab. Er versuchte sich zu befreien. Eine Weile war er ruhig, dann fing er plötzlich an zu brüllen und stürzte sich auf die Tür. Sein Leibwächter Jonah stellte ihm ein Bein, um ihn daran zu hindern. Dann wieder fing er Streit mit Josie an und versuchte, betrunken, wie er war, mit ihr zu kämpfen, war jedoch so zugeknallt und schwach, dass sie leichtes Spiel mit ihm hatte. Trotzdem schaffte er es, sie zu beißen. Schließlich gab er auf, kippte sein Bett um, zog sämtliche Kleider aus, pfefferte seine Shorts durchs Zimmer und pinkelte aus lauter Protest gegen die Wand des
Hotelzimmers. Schließlich schlief er auf dem Boden ein, während Jonah neben ihm in einem Sessel saß und ihn im Auge behielt. Als er wach wurde, war Jonah von Marv, dem zweiten Leibwächter damals, abgelöst worden. Rob lag splitternackt und zusammengekrümmt auf dem Bauch. Als er die Augen aufschlug, fühlte er sich entsetzlich. Er sah sein umgekipptes Bett und entdeckte Marv, der hinter ihm saß und ihn beobachtete. «Hi», sagte Rob.
Jonny ist nach Stockholm gekommen und begrüßt Rob, als der gerade wach wird. «Rate mal, wer hinter mir im Flugzeug gesessen hat?», sagt Jonny. «Guy Chambers.» Ich bin Guy bereits in der Lobby über den Weg gelaufen. Er wirkte ein bisschen erstaunt, als ich zu ihm «Guten Tag» sagte. Als ich mich verabschiedete und «Bis später» sagte, bemerkte er nur, er würde wohl kaum da sein, wo ich wäre. «Ich wusste gar nicht, dass er kommt», sagt Rob mit vorwurfsvollem Unterton, als Josie in seinem Schlafzimmer erscheint. «Ich habe es dir aber gesagt.» David springt ihr bei. «Ich werde ihn nicht treffen», sagt Rob trotzig. «Ich weiß», meint Josie. «Er will dich auch nicht sehen.» Rob verzieht übertrieben beleidigt das Gesicht. «Und ob er das will.» Wir gehen in den Salon, damit Rob sich anziehen kann. Ein paar Minuten später erscheint er, völlig nackt bis auf ein um den Penis gewickeltes Handtuch, in der Tür und lässt sich fotografieren. Im Bus erzählt er, dass er sich nicht gut fühlt. «Es ist den Leuten nach einer Weile ganz egal, wenn ich sage, dass es mir nicht gut geht», fällt ihm auf. «Warum?», fragt Jonny. «Weil ich immer sage <Es geht mir echt schlecht und ich bin wirklich krank>, und dann gehe ich auf die Bühne und liefere ihnen eine verdammt tolle Vorstellung.»
Frida von Abba und ihre beiden Stieftöchter (sie sind Prinzessinnen von Liechtenstein) kommen in den Backstage-Bereich, um Rob zu begrüßen. «Du siehst phantastisch aus», sagt er zu Frida. Sie ist gegen jede Abba-Logik neuerdings blond. Rob hat sich mit ihnen angefreundet, seit sie sich beim Skifahren in der Schweiz kennen gelernt haben. (Er sagt, sie wären sehr nett. Das Schlimmste an diesem Skiurlaub war, dass er die Abba-Songs nicht mehr aus dem Kopf bekam und jedes Mal, wenn er neben Frida im Skilift saß, «Super Trouper» singen wollte.) Etwa nach der Hälfte des Konzerts erklärt er dem schwedischen Publikum: «Es könnte sein, dass ihr heute was in der Zeitung gelesen habt.» Seine herablassenden Bemerkungen über Schweden waren überall abgedruckt worden. Die Menge ist gespalten, einige johlen, andere buhen. «Ich hatte sehr, sehr Unrecht ... », fängt er an. Mehr braucht er gar nicht zu sagen, doch er untermauert seine Entschuldigung mit einem kleinen Gesang zur akustischen Gitarre: «Stockholm you are lovely, you really are very nice, sorry if l said something in the papers ... chicken and fried rice ... » «Es war das Einzige, was sich drauf reimte», entschuldigt er sich und dann gleich auch noch dafür, dass er so schlecht Gitarre spielt. «Aber darum geht es ja nicht. Es geht darum, sich auszudrücken, und zwar mit dem Herzen auszudrücken, und damit meine ich alles, was ich je geschrieben habe. Ich meine alle traurigen Stücke und alle fröhlichen und auch alle Liebeslieder.» Guy Chambers verfolgt die Vorstellung vom Mischpult in der Mitte des Stadions aus. Mittendrin schickt er Andy Franks eine S M S , um zu sagen, wie großartig ihm das Konzert gefällt. Josie leitet sie vor der Zugabe an Rob weiter. Ich frage mich, ob er Guy wenigstens erwähnen wird, wenn er «Angels» ankündigt. Irgendwie muss man einfach anerkennen, dass die meisten dieser Songs von ihnen beiden stammen, was immer sonst noch stimmen mag. Doch er sagt nichts.
15 Sentinel, die Lokalzeitung von Stoke, hat Rob das Leben im Lauf der Jahre nicht gerade leicht gemacht. Zwar ist nicht alles böse gemeint, was dort über ihn geschrieben wird — beispielsweise berichten sie durchaus mit Respekt über sein Engagement für Give-It-Sum —, doch häufig behandelt ihn die Zeitung mit derselben Ignoranz, Ungenauigkeit und Verachtung wie viele ihrer überregionalen Konkurrenten, allerdings mit einem zusätzlichen Schuss heimatlicher Gehässigkeit. Es scheint, als sei einfach jeder der Meinung, dass Rob einen Dämpfer verdient habe, und sähe sich in der privilegierten Position, dafür zu sorgen. Außerdem hat man den Eindruck, dass der Stolz darüber, dass Rob ein Sohn der Stadt ist, von der erheblich bedeutenderen Kränkung überlagert wird, dass er ihr den Rücken gekehrt hat. Seit Monaten versucht der Sentinel nun schon, drei Tatsachen miteinander zu verknüpfen: die finanziellen Schwierigkeiten beim Fußballclub Port Vale, Robs Unterstützung für das Team und sein Reichtum. Die Zeitung appelliert an den Lokalpatriotismus ihrer Leser: Wäre es nicht ein Klacks für den berühmtesten Fan und 80 Millionen Pfund schweren Mr. Williams, ein paar Millionen für den Verein lockerzumachen? Eine Zeit lang hatte Rob tatsächlich vorgehabt, einen Leserbrief zu schreiben, um seine Einstellung dazu zu erläutern: dass er den Verein liebt und seine Heimat auch und drauf und dran war, sich finanziell zu engagieren, dass es aber an diesem Punkt in seinem Leben genauso unvernünftig wäre, zu viel von ihm zu erwarten. (Es passiert immer wieder, dass er auf dieses Thema angesprochen wird. Vergangenen Winter genoss er in Malibu gerade die frische Pazifikbrise und seine relative Anonymität, als plötzlich ein Mann auf ihn zukam. «Na, Robbie», sagte er zur Begrüßung, «stimmt es, dass du Vale kaufen wirst?») In dieser Woche spitzt sich die Sache zu. Am Tag nach dem Stockholmer Konzert werden Rob und Jonny von Chelsea eingeladen und besichtigen eine Loge, die er als Geburtstagsgeschenk für David ausgesucht hat. Irgendwer gibt eine verzerrte Version dieses Besuchs an die Presse weiter; daraufhin wird berichtet, Rob sei von der Einrichtung in Chelsea so beeindruckt gewesen, dass er einen
Zehnjahresvertrag für eine Loge abschloss, die eine Million Pfund pro Jahr kostet. Angeblich hat er sein Scheckheft gezückt, um auf der Stelle die erste Rate zu zahlen. Die Story wurde vom Sentinel aufgegriffen und als «Schlag ins Gesicht» bezeichnet. «Jetzt reicht's mir», sagt er und greift zum Telefon. Sekunden später wird Samantha Lawton, Reporterin in der Nachrichtenredaktion des Sentinel, klar, dass sie gerade eins der beiden einzigen richtigen Interviews führt, die Rob in diesem Jahr der britischen Presse gibt.
Er erläutert die Sache mit der Loge in Chelsea: was sie kostet und dass sie nicht für ihn bestimmt ist, sondern ein Geburtstagsgeschenk für seinen Manager, einen lebenslangen Chelsea-Fan. Sie antwortet, dass die Leute in Stoke sich dermaßen über die finanziellen Probleme von Port Vale und deren Einfluss auf den lokalen Arbeitsmarkt aufregen, dass sie ihn bloß dazu bewegen möchten, zu kommen und sich selbst ein Bild von der Situation zu machen. Er weist darauf hin, dass er bereits drei Millionen aus eigener Tasche für Wohltätigkeitszwecke zur Verfügung gestellt hat. «Gehen Sie zum Donna Louise Trust und nehmen Sie die Vertreter des lokalen Arbeitsmarktes gleich mit», schlägt er vor. «Schauen Sie sich die sterbenden Kinder an. Was wollen Sie? Ist es wichtiger, jemandem das Leben zu retten oder einen neuen linken Verteidiger zu kaufen?» Er hat das Gefühl, dass sie einfach nicht kapiert, was er sagt. Er wird immer wütender und frustrierter. Er sagt, dass die Entwicklung in Port Vale sehr traurig sei und ihm zu Herzen gehe, noch trauriger aber sei es, als Kind fünf Pfund von der Rente seiner Großmutter bekommen zu haben, um an Samstagnachmittagen von Railway Paddock aus das Spiel zu verfolgen, später aber, als man berühmt war, erkennen zu müssen, dass der Club zwar von Großmüttern und den Fünf-Pfund-Spenden aus deren Rente finanziert wurde, auf der Leitungsebene aber viel egoistischere Prinzipien am Werk seien. Sie sollten nicht ihn, sondern diejenigen um Unterstützung bitten, die den Club in den letzten Jahren geführt hätten. «Ich habe das Gefühl, dass ich der Sündenbock für etwas sein soll, mit dem ich nicht das Geringste zu tun habe. Sie verlangen einen Haufen Geld von mir,
und in zwölf Monaten werden Sie es vermutlich wieder tun, obwohl ich nichts damit zu tun habe.» Es könnte sein, dass er sich eines Tages engagieren werde, jetzt allerdings nicht. Sie sagt, Teil des Problems sei, dass sie keine Telefonnummer von ihm hätten, um solche Dinge erfragen zu können. Als hätte ihm das gerade noch gefehlt – ein direkter Draht zur Redaktion des Sentinel. «Ehrlich gesagt traue ich Ihnen nicht über den Weg», erklärt er, «und alles andere ist mir egal. Verleumden Sie mich so oft und so lange Sie wollen. Aber lassen Sie Port Vale aus dem Spiel.» Der Artikel erscheint am Tag vor dem ersten Konzert in Knebworth; er liest ihn am Computer, bevor er die Wohnung verlässt. Es ist eine korrekte Wiedergabe ihres Gesprächs und beginnt mit der Feststellung, dass er mit «tränenerstickter Stimme» über all das gesprochen habe. «Ich komme aus Tunstall», erklärt er in dem Artikel. «Die Leute in Tunstall sind nicht blöd, wenn es um ihr Geld geht, und ich bin es auch nicht.»
Aber es gibt noch eine andere Geschichte in den Medien, die Rob geärgert hat. Es ist ein Artikel im Regionalblatt von Hertfordshire, dem Comet, den er mit Hilfe von Google im Internet gefunden hat. Dort steht, dass die örtlichen Geschäftsinhaber in der Ortschaft Knebworth sauer sind, weil Robs Konzerte, das damit verbundene Verkehrschaos und die eingeschränkten Parkmöglichkeiten ihnen das Wochenendgeschäft vermasseln. Die beeindruckendste Beschwerde stammt von einem gewissen Paul Elleston, Besitzer der Metzgerei Trussell auf der High Street. «All dieser Aufwand für einen Popstar... das ist doch absurd. Wir sind die Leidtragenden, uns wird niemand für den Verlust entschädigen.» Irgendwas daran bringt Rob wirklich auf die Palme. Im Großen und Ganzen werden seine Konzerte vielen Leuten in der Umgebung von Knebworth einen unerwarteten Geldregen bescheren. Er denkt daran, dem Metzger ein paar tausend Pfund zukommen zu lassen, was meiner Meinung nach weniger als Entschädigung denn als Hinweis auf die Blödheit des Mannes gemeint wäre. Wie es der Zufall will, kommen wir auf der Fahrt zum Veranstaltungsort an dem Laden vorbei.
«Das ist es!», ruft Rob, als er ihn entdeckt. «Metzgerei Trussell. Blöde Arschlöcher!» Die Konzertgelände sieht seltsam aus ohne die 125 000 Zuschauer, die es bald füllen werden – eine riesige Open-Air-Bühne in einer leichten natürlichen Mulde, überall umgeben von Gras. Rob schlendert umher. «Ich werde es uns hier richtig gemütlich machen», sagt er. Auf der Bühne probt er ein paar Songs. Die Leute, die auf dem Gelände und an den Verkaufsständen arbeiten, sammeln sich in einiger Entfernung an einer Absperrung auf dem Feld. «Vielen Dank, dass wir in eurer Stadt auftreten dürfen», sagt er. «Und außerdem möchte ich mich persönlich bei der Metzgerei Trussell auf der High Street entschuldigen, die es offenbar sehr ärgert, dass wir hier sind.» Er singt einen Fetzen aus «Hot Fudge», das ganze «Come Undone», den größten Teil aber in einer ungewohnten Stimmlage und mit verhunzter Melodie, das vollständige «Kids», ein Stück von «Better Man» mit erfundenem Text über die Leute von Knebworth, dann noch eine Strophe und den Refrain von «Nan's Song». Damit ist die Probe für die größte Veranstaltung seines Lebens beendet. «Ich versuche, nicht daran zu denken», sagt er im Bus zum Hotel. «Vermutlich ist es das Beste, was ich tun kann.» Stattdessen zankt er sich mit Jonny darüber, welcher Song der bessere ist: R. Kellys «Ignition» (Robs Wahl) oder Beyoncés «Crazy in Love» (Jonnys). Der Streit wird immer hitziger, und dummerweise mische ich mich mit der Bemerkung ein, dass die Frage nicht so wichtig sei, um sie unbedingt jetzt klären zu müssen. Jonny weist mich in die Schranken. «Und ob sie geklärt werden muss», faucht er mich an. «Sonst bringt sie uns um.» Dann fangen sie an, Songs aus ihrer Jugend zu singen. Erschreckenderweise können sie sich haargenau an «Agadoo» von Black Lace erinnern — nicht nur den Refrain, sondern alle Strophen und dazugehörigen Handbewegungen. Ebenso «Superman» von Black Lace. «Damals machte sich niemand Gedanken darüber, dass man wie ein Idiot aussehen könnte, was?», seufzt Rob. Das erste Mal, dass ihm Mode überhaupt aufgefallen ist oder wie die Leute aussehen, war in den Videos von Madness. Er sah sie immer bei Zak Bentley zu
Hause, denn die Bentleys hatten MTV. Rob sah sich Madness sehr aufmerksam an und dachte, dass sie genauso aussahen wie er und seine Freunde. «Du weißt schon, Fred Perry-Hemd und -Hose, rotwangige Achtjährige mit ungekämmtem Haar. Kleine Punks vom Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre.» Dann reden sie darüber, wo sie damals hingingen, um Alkohol zu trinken, obwohl sie noch unter 16 waren. Jonny erzählt, welche Angst er immer hatte, dass die Polizei sie verhaften und ins Gefängnis stecken könnte. «Ich kann mich erinnern, als ich neun war», erzählt Robbie. «Alle anderen tranken Apfelwein, eine große Flasche Scrumpy Jack, und ich wollte einfach nicht mitmachen, weil ich dachte, es wär nicht richtig. Ich war vollkommen gegen alles, bis ich ungefähr 13 war. Es muss sozusagen über Nacht passiert sein, jedenfalls verkündete ich plötzlich überall: » Er schweigt einen Augenblick. «Vermutlich hatte es etwas mit dem Tod meiner Tante Jo zu tun. Ich war auf der Beerdigung, und anschließend gingen alle direkt ins Pub. Ich blieb ganz allein am Grab und schluchzte so gotterbärmlich wie noch nie zuvor im Leben. Anschließend ging ich auch ins Pub. Und seitdem – nichts mehr, keinerlei Gefühle mehr wegen Tante Jo.» Ich frage ihn, warum er seiner Meinung nach so geweint hat. Er wirft mir einen seltsamen Blick zu. «Meine Tante Jo war gestorben.» Spät in der Nacht führt Rob auf dem Hotelgelände eine kleine Gruppe durch die Dunkelheit. Wir ducken uns wie Kommandotruppen, verstecken uns hinter dem Gebüsch und kriechen durchs Gras, um unser Opfer einzukreisen. Gleichzeitig geben wir uns Mühe, nicht auf die knirschenden Kieselsteine zu treten. Und ständig piepst Jonnys Handy. Kelly Osbourne und die Bassspielerin ihrer Band merken nichts von unseren Aktivitäten um sie herum. Vermutlich wäre es ihnen gar nicht in den Sinn gekommen, dass sie in Gefahr sein könnten, bei ihrem kleinen Verdauungsspaziergang durch den Garten des luxuriösen Hertfordshire Hotel. Da bläst Rob zum Überraschungsangriff. Lautes Gejohle, Kelly schreit «Du Mistkerl!», dann lachen wir über die herrliche Blödheit des ganzen Manövers. Kelly erklärt, dass sie gerade
zwei Leute hinter dem Glas des Gewächshauses gesehen haben, die unmöglich dort gewesen sein konnten, und als Rob und sie zusammen zum Hotel zurückschlendern, entdecken sie, dass sie beide dasselbe Medium konsultiert haben und tauschen ihre Erfahrungen aus. Kelly möchte noch nicht wieder zurück ins Hotel. Sie kommt auf die Idee, die hoteleigenen Golfcarts zu klauen und im Dunkeln damit herumzugurken. Das Hotel hat ihr die Schlüssel bereits verweigert. «Hat jemand ein Taschenmesser dabei?» «Es ist keine gute Idee, am ersten Abend die Golfcarts seines Hotels zu klauen», meint Pompey. «Die Stimme des Alters», zieht Rob ihn auf. «Das meine ich ernst, du klingst, als hätten wir Dad dabei.» Dann zieht er darüber her, wie Pompey neulich das Pflaumenwerfen vom Balkon seines Londoner Apartments beendet hat. «Wir sollten zum Empfang gehen», meint Kelly, die glaubt, eine Bitte von Robbie Williams könnte mehr bewirken als eine von Kelly Osbourne. «Nein, Vandalismus macht mehr Spaß», meint Rob. «Soll ich ein Messer aus der Küche besorgen?», schlägt sie vor. Rob findet es eine gute Idee, und schon ist sie weg. «Tolle Frau, muss man echt zugeben.» Kelly kommt mit einem Taschenmesser zurück, das sie sich von einem Kellner in der Bar geborgt hat, doch es stellt sich heraus, dass die Zündung der Golfcarts komplizierter ist, als sie dachte. Dreht man das Messer nur um, passiert überhaupt nichts. Daraufhin baut sie ungerührt die gesamte Zündung aus, um sie zu untersuchen. Pompey, der sicher in Sekundenschnelle herauskriegen würde, wie man sie startet, bietet weder seinen Rat noch praktische Hilfe an. Bald liegen überall Drähte frei. «Wir sind angeschmiert, was?», lacht Rob. «Ich mach es wieder zu», erklärt Kelly, stopft die Drähte zurück und baut die Zündung wieder ein. «So merken sie nicht, dass wir es waren.» Rob verspricht ihr, bis morgen Abend rauszufinden, wie man ein paar Carts stehlen kann. Pompey starrt ihn böse an.
«Irgendwas muss ich doch machen!», ruft Rob. «Ich darf nichts trinken, ich darf keine Drogen nehmen ... also fahren wir wenigstens einen Golfcart in den See. Verstehst du, was ich meine?»
In der Nacht vor dem ersten Konzert in Knebworth sitzt Rob mit Jonny und mir in seinem Hotelzimmer. Die beiden reden über ihre chaotische Vergangenheit, wie die Nacht, als Rob in Newcastle auf Sauftour ging. Um sieben Uhr morgens rief die Hoteldirektion bei David an und bat ihn runterzukommen. «Ich glaube, Mr. Williams braucht Hilfe», hatte es geheißen. Rob war bei Sonnenaufgang in Pyjama und Hausschuhen auf den Golfplatz gegangen, hatte dort eine ganze Weile herumgestanden und dann angefangen, Sambucas zu bestellen, immer drei auf einmal. «Hi, Dave», sagte er, als der ihn auf einer Bank sitzend entdeckte. «Alles in Ordnung?» Und dann heulte er los. Schließlich brachte David ihn zurück in sein Zimmer, in dem Glauben, ihm noch eine Weile gut zureden zu müssen, bevor er endlich einschlief. Doch als sie die Tür aufmachten, entdeckte Rob zu seiner Überraschung und Freude ein Mädchen in seinem Bett. Er hatte komplett vergessen, dass er sie in der Nacht zuvor irgendwo aufgegabelt hatte. Mit einer einzigen fließenden Bewegung knallte er David die Tür vor der Nase zu und sprang unter die Decke. Doch bevor er heute Abend zu Bett geht, gibt er noch ein paar weitere verrückte Geschichten seiner Exzesse zum Besten. Irgendwann war er mit Guy in Jamaika, um Songs für das spätere Album I've Been Expecting You zu schreiben. Eines Nachts war er ziemlich mies drauf, und Guy schlief schon, daher verließ er die Hotelanlage und wanderte zu einer einfachen Fischerkneipe am Ende der Straße. Es war eine ziemlich dunkle Gegend, die Kneipe war voll, und alle machten bo bo bo zu der abgehackten Musik, die im Hintergrund lief. «Hat hier vielleicht jemand Coke?», fragte er. «Suchst du Kokain, Rockstar?», antwortete jemand und führte ihn zu einem Mann namens Blacker. («Er hieß Blacker, weil er schwärzer
war als die anderen. Und er sah wirklich umwerfend aus. Ich weiß auch nicht, warum das zur Geschichte gehört.») «Was willst du?», fragte Blacker. «Coke.» «Was hast du zu bieten?» «Ich hab kein Geld, aber hier, diesen Reisescheck.» Blacker brachte ihn dazu, den Scheck über 100 Dollar zu unterschreiben, und reichte ihm dann ein Stück Alufolie. («Sie bewahren es in wasserdichter Alufolie auf, weil alle mit Jet-Skis unterwegs sind.») Er ging zurück in seine Hütte, hackte das Zeug klein und zog sich eine fette Linie rein. Dann merkte er, dass nichts passierte. Kreide. Er kochte vor Wut und marschierte zurück zu der Fischerkneipe. «Hör mal, Blacker, du hast mir gottverdammte Kreide angedreht!» Blacker ging mit ihm raus und hielt Rob eine Machete an die Kehle. «Also sagte ich: Kann ich vielleicht noch etwas mehr davon haben, bitte? Ich unterschrieb einen neuen Reisescheck für 100 Dollar, nahm das Zeug in Empfang, ging zurück, wusste, dass es Kreide war, und zog mir die ganze Ladung rein. Das ist Drogenlogik.»
Er kann immer noch nicht schlafen. Daher öffnet er ein Päckchen Déjá-vu-Karten, die ihm ein Fan geschickt hat, und breitet sie verdeckt auf dem weißen Teppich aus. Er lässt seine Hand darüber schweben und fährt Jonny an, den Mund zu halten, damit er sich konzentrieren kann. Jonny liest gerade eine Fußballzeitung. Rob bittet die Karten um Hilfe in Sachen Liebe. Die erste, die er umdreht, verheißt: «Der Reichtum, der sich am Horizont zeigt, wird Ihnen eine Atempause von Ihren finanziellen Problemen bescheren ...» Die nächsten beiden sind nicht viel aussagekräftiger. Er teilt immer weiter aus und dreht Karten um, bis er schließlich eine hat, die ihm passend erscheint, wenn auch nur indirekt. «Du hast 15 Mal gezogen», sagt Jonny. «Ich finde das alles ... wir haben nun mal keine telepathischen Fähigkeiten, verstehst du?» «Ich schon», antwortet Rob. «Nein, hast du nicht. Das glaubst du vielleicht, aber du irrst dich.» Sie fangen an zu streiten.
«Hab ich wohl.» «Hast du nicht, echt nicht.» «Und ob ich sie habe!» «Du kannst ja denken, was du willst, aber du hast trotzdem keine.» «Habe ich doch, verdammt nochmal», sagt Rob fest. «Hast du nicht», ruft Jonny. «Und ob!» «Du bist kein Medium, sondern Sänger. Songschreiber.» «Ich bin auch ein Medium», behauptet Rob dickköpfig. Es ist zwar in manchen Punkten ein echter Streit, aber er will Jonny auch einfach ärgern. «Ehrlich gesagt mache ich mir allmählich Sorgen um dich. Vielleicht hältst du dich inzwischen für Uri Geller. Du bist kein Medium ...» «In Ordnung», sagt Rob und wedelt mit den Karten. «Wie wär's damit: Werden wir beide, du und ich, uns in fünf Jahren noch kennen? Unser Leben miteinander teilen?» «Was für eine grässliche Frage», protestiert Jonny. «Das ist schrecklich. Eine schreckliche Frage!» «Warum macht es dir was aus, was die Karten sagen könnten?» «Weil man Freundschaft nicht anzweifeln sollte.» Rob hebt drei Karten auf. Keine von ihnen scheint die Frage zu beantworten. «Ich kann kein Medium sein, wenn ich müde bin», sagt Rob. Und weiter geht's. «Du bist überhaupt kein Medium.» «Bin ich wohl, du Arsch!» «Bist du nicht. Du bist kein Medium, sondern ein Schwachkopf» «Du meinst das wirklich ernst, was?», fragt Rob belustigt. «Ja. Du bist kein Medium», antwortet Jonny. «Du bist alles Mögliche, aber kein Medium. Wieso glaubst du das? Erzähl mal.» «Ich weiß es einfach.» «Aber es stimmt nicht. Was hast du je vollbracht, um zu beweisen, dass du ein Medium bist?» «Ich weiß es nun mal.» Er grinst. «Ich bin der Sohn Gottes.»
Letzteres war ein Witz. Aber ich unterbreche ihn und frage, ob er wirklich glaubt, ein Medium zu sein. «Ja, ja», sagt er ziemlich ernsthaft. «Wirklich.» «Ich glaube, diese Drogen und all der Alkohol haben dich ganz schön verkorkst», meint Jonny. «Es gibt einen Bereich, der darauf wartet, angezapft zu werden, ich muss bloß den Kontakt herstellen, das ist alles», sagt Rob. «Was für ein Quatsch», sagt Jonny. «Als Nächstes kommst du noch auf die Idee, bei Scientology mitzumachen.» «Ich kann es einfach nicht glauben», sagt Rob. «Es ist so respektlos.» «Was?» «Zu behaupten, ich wäre kein Medium.» «Du bist aber nun mal keins.» «Nun ja, respektlos ist falsch», berichtigt sich Rob. «Es macht mich einfach nur traurig, wenn du glaubst, ich wäre keins.» «Das macht nichts, Alter», tröstet ihn Johnny. «Du musst ja kein Medium sein. Du bist was viel Besseres. Du bist spirituell, aber kein Medium. Ich glaube an alle spirituellen Sachen, die du machst, sie sind klasse, aber ein Medium bist du nicht.» «Es ist sauschwer, etwas Positives zu beweisen», antwortet Rob. «Es ist viel leichter, etwas Negatives zu beweisen.» «Das Schicksal ist das Größte», sagt Jonny. «Ich glaube total ans Schicksal. Und ans Karma.» Pause. «Aber du bist kein Medium.» «DU BIST KEIN MEDIUM wäre ein gutes T-Shirt», sagt Rob. «Oder ein guter Titel für eine CD. You Are Not Psychic. Echt guter Titel. Wie The Man Who Suddenly Fell Over ... » «Hör mal», sagt Jonny ernst. «Glaubst du wirklich, du wärst ein Medium?» «Nein.» «Im Ernst?» «Ganz im Ernst, glaube ich nicht.» «Sei ehrlich!» «Okay. Ich glaube es nicht.» «Gut, ich dachte nämlich, du drehst allmählich durch.» Jonny sieht auf, entdeckt, wie Rob mit dem Mund die Worte «Ich auch» formt und mich dabei angrinst, und boxt ihn. «Definiere den Begriff Medium», sagt Rob.
«Jemand, der die Zukunft anderer Leute voraussehen kann.» «Ich will die Zukunft anderer Leute überhaupt nicht wissen.» «Oder seine eigene.» «Meine eigene interessiert mich auch nicht.» «Für welche Art Medium hältst du dich denn?», fragt Jonny. «Ich kann Scheiße hin und her rücken», sagt Rob im Spaß. «Nein, ich glaube, ich kann mit den Toten reden.» «Das ist spirituell.» «Das ist ein Medium.» «Yeah, okay, aber ich meine ein echtes Medium. Ein hundertprozentiges. Was die Zukunft vorhersagen kann.» Dann wechselt Rob das Thema. «Findet ihr nicht auch, dass Mädchen viel zu oft heulen?» Kurz nach drei Uhr morgens erklärt er, dass er jetzt ins Bett geht. «Ich hab völlig vergessen, dass ich morgen ein Konzert geben muss. Aber hin und wieder fällt es mir wieder ein.» «Ich freu mich jetzt schon drauf», sagt Jonny. Rob lächelt grimmig. «Weiß ich.»
16 Als er gegen vier Uhr nachmittags aufwacht, parkt der Hubschrauber mit dem RW am Heck bereits auf dem Rasen des Hotels, nicht weit vom Fenster seines Schlafzimmers entfernt. Er hört ihn im Schlaf kommen und fragt sich, wer um alles in der Welt hier in einem Hubschrauber herumfliegt. Er braucht eine Weile, bis ihm klar wird, dass er seinetwegen da ist. Er isst sein Müsli, wobei ihm die Milch übers Kinn läuft, und sagt, er wüsste nicht, ob er krank ist und erst recht nicht, ob er nervös ist. Jonny erzählt Josie und David von ihrem Streit vergangene Nacht über Robs mangelnde oder sonst was für telepathischen Fähigkeiten. «Er hat mich ziemlich genervt», beschwert sich Rob. «Nur weil er behauptet: », verteidigt sich Jonny. «Ich hab überhaupt nicht gesagt, dass ich ein Medium bin, bis du anfingst: , und dann habe ich gesagt: <Scheiß drauf, bin ich wohl!>»
«Er ist kein Medium», sagt Jonny. «Ich werde diese Diskussion mit dir nicht fortsetzen», sagt Rob. «Ich finde sie primitiv.»
Man hat uns berichtet, dass der gesamte Verkehr im Umkreis von 40 Meilen um Knebworth zum Erliegen gekommen ist, doch als der Hubschrauber startet, sieht man kaum etwas davon. Rob zeigt auf den Golfplatz unter uns, wo die Golfspieler eine typisch sommerliche, faule Freitagnachmittagspartie genießen. «Ich habe diesen Golfplatz zum Stillstand gebracht», sagt Rob. Er deutet auf ein leeres Feld. «Ich habe dieses Feld zum Stillstand gebracht. Ich habe diese Kühe zum Stillstand gebracht.» Dann taucht die Arena auf — wie eine irrsinnig große Stadt, die sich unter uns ausbreitet. «Lieber Himmel!», sagt Josie. Jonny klopft Rob aufs Knie. «Junge, Junge!» Rob sagt eine Weile gar nichts. Falls er überhaupt so etwas wie Staunen oder Verzückung bei diesem Anblick empfindet, so wird es von seiner Nervosität überdeckt. «Ihr habt es gut», sagt er schließlich. «Ihr müsst nicht vor all diesen Ärschen auf die Bühne.»
In der Garderobe erwartet ihn Fanpost auf dem Sofa. Zwei Frauen haben ihm geschrieben, dass sie am Sonntag später ankommen werden als ursprünglich geplant – ob er ihnen einen Parkplatz freihalten könnte? Chris Briggs trifft ein. Rob hat sich bislang sehr bedeckt gehalten, was die Pure Francis-Songs angeht, doch jetzt will er sie Chris das erste Mal vorspielen. Rob setzt ihn auf das Sofa in der Garderobe und sucht, Song für Song, im Computer aus, was er ihm vorstellen will. «Misunderstood», «Everyone Needs It», «Boom Boom», «The Trouble With Me». Schon nach dem zweiten Song strahlt Chris übers ganze Gesicht. Er ist unübersehbar glücklich und auch ein wenig überrascht darüber, was da so plötzlich entstanden ist.
«Diese Melodien», sagt er. «Wahnsinn! Unglaublich ... das hast du sehr, sehr gut gemacht.» Robin fängt aufgeregt an zu erzählen, wie er die Songs mit Stephen Duffy geschrieben hat. «Er vertraut mir einfach und urteilt nicht; er ist total geduldig, und dann sagt er plötzlich: <Setz dich ans Keyboard ... > Ich habe die Gitarrenmelodien für verschiedene Tracks gemacht ... es ist wie mein erstes Solo-Album.» Chris nickt. «Wenn ich mir zuerst eine Platte von Lilac Time und dann eine von Robbie Williams angehört hätte, wäre ich darauf nicht gekommen», bemerkt er sehr einleuchtend. Dann fragt er, wie viele Songs es schon gibt. «Zwölf», antwortet Rob. «In sieben Tagen.» «Wann war denn das?», fragt Chris verwundert. Abgesehen von dieser Ablenkung hat Rob Angst und fühlt sich mulmig. Alle Anwesenden geben sich Mühe, so zu tun, als sei Knebworth eine Vorstellung wie jede andere, nichts Besonderes. Man hat größten Wert darauf gelegt, dass bis auf den Hubschrauber vor dem Auftritt alles genauso abläuft wie immer: dass genügend Zeit bleibt, um zu entspannen, Musik zu hören (an den meisten Abenden ist es Robs eigene neue Musik), fernzusehen, sich massieren zu lassen, dieselbe Mahlzeit zu verdrücken wie jeden Tag (Thunfisch oder Steak, Kartoffeln und Baked Beans), sich auf dem Laufband in Schwung zu bringen, Lockerungsübungen zu machen (heute im Türrahmen der Garderobe) und sich umzuziehen, wobei er normalerweise ein paar alte Lieblinsstücke vom Computer spielt. Aber Knebworth ist kein Konzert wie jedes andere, und er weiß es. «Ich glaube, es ist ein ungeheurer Druck für mich, diese drei Gigs durchzustehen», sagt er. «Weil alles gefilmt wird und so weiter. Du weißt schon. Und auch, dass die Möglichkeit besteht, dass ich nach Knebworth so was nie wieder machen könnte. Die Möglichkeit besteht. Dies ist also wie ein Stück Film, das man mit Robbie Williams assoziiert. So wie man Freddie Mercury mit dem Wembley-Stadion assoziiert. Oder Bob Marley, den man immer mit seinen drei Sängerinnen im Hintergrund vor sich sieht bei diesem Gig ... Knebworth wird der, mit dem man mich in Verbindung bringen wird.»
Abgesehen von dem kurzen Blick, als der Hubschrauber Stunden zuvor landete, sieht er die Menge in Knebworth zum ersten Mal kopfüber: ein Himmel voller schreiender Gesichter und fuchtelnder Arme, der sich bis zum Horizont erstreckt. Nachdem er wieder auf den Beinen steht, wirkt er geradezu ehrfürchtig. Es ist ein bemerkenswerter Anblick. Das Feld, das relativ überschaubar wirkte, als es leer war, scheint jetzt gar nicht mehr aufzuhören. Als alle Zuschauer die Hände über den Kopf heben, um den Rhythmus von «We Will Rock You» zu klatschen, hört jeder Einzelne den Sound von der Bühne für den Bruchteil einer Sekunde später als die Person vor ihm, sodass sich auch ihre Hände diesen Bruchteil einer Sekunde später berühren. Von der Bühne aus sieht das kollektive Händeklatschen daher wie eine perfekt gekräuselte Welle aus, die sich in der Ferne verliert. Es ist wundervoll. «Knebworth, zum ersten Mal im Leben bin ich sprachlos», erklärt er dem Publikum, nachdem er wieder zu Atem gekommen ist, und es hört sich weniger nach Bühnenroutine als nach einem Ausdruck dessen an, was er wirklich empfindet. Wie immer zieht er die Zuschauer sofort in seinen Kosmos, wo Bescheidenheit, Überschwang und Arroganz problemlos im gleichen Satz nebeneinander existieren. «Ich hof-fe sehr, dass ich heute Abend eine Vorstellung bieten kann, auf die ihr alle stolz sein könnt. Denn bisher wart ihr besser als ich. Ich werde wahrscheinlich eine Weile brauchen, denn als ich euch heute Abend sah, Leute, da wusste ich, dass ich so was mein ganzes Leben lang noch nicht gesehen hatte. Noch nie. Und nach diesen drei Abenden wird auch England für lange Zeit nichts Ähnliches zu sehen kriegen.» Selbstverständlich ist es eine Welt, wo er auf dem größten Konzert seiner Karriere grandiose Gefühle und hochfliegende Ideen ebenso lässig abhandeln kann wie die Probleme der ansässigen Geschäftsleute. «Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um mich bei der Metzgerei Trussell auf der High Street von Knebworth für die Unannehmlichkeiten zu entschuldigen, die wir ihr beim Verkauf ihrer Schweinekoteletts bereitet haben. Das ist sehr, sehr wichtig. Aber ich hätte auch einen guten Rat für Mr. Trussell auf der High Street von Knebworth — warum stellen Sie sich nicht da draußen hin und verkaufen Hot Dogs an die reizenden Leute, die heute Abend zu
meinem Konzert gekommen sind? Hä? Es geht nicht um Verluste, sondern um innovative Ideen, stimmt's? Ahhhh ... » Mittlerweile hat er seinen Rhythmus gefunden. Er hangelt sich durch viele Tricks, die er auf der Tour benutzt hat, und ein paar neue obendrein. Am Ende einer besonders konzentrierten und gefühlvollen Version von «No Regrets» passiert etwas Ungewöhnliches. Die Intensität der brüllenden Zuschauer scheint ihn für einen Augenblick zu lähmen, und dieses Zögern wiederum scheint die Menge noch mehr anzuheizen. Er senkt den Kopf, steht ganz still, entweder um den Augenblick zu verlängern oder um sich zu sammeln, während der Beifall immer stärker wird. Dann schaut er auf. An seinem Gesicht ist abzulesen, dass er verwirrt und den Tränen nahe ist. Es wird noch lauter. Endlich spricht er. «Wisst ihr, während der Show heute Abend habe ich mich hin und wieder daran gewöhnt. Ich bin voller Zuversicht, ich sehe euch alle vor mir, es ist schön und ich fühle mich großartig ... Ich sehe euch, Leute, und ich blicke zurück bis ganz an den Anfang ... und weiß nicht, was ich getan habe.»
Von der Bühne aus läuft er direkt zu einem wartenden Jeep, der ihn die paar hundert Meter bis zum Hubschrauber bringt. Wir sind in der Luft, noch bevor die Zuschauer wissen, dass alles vorbei ist, und sitzen vor elf Uhr wieder im Hotelzimmer. «Hattest du deinen Spaß?», fragt David unsicher. «Na klar», antwortet Rob. «Ich bin ganz cool.» Als er sich dran gewöhnt hatte, war es super, doch er erlaubte sich nur bis zu einem gewissen Punkt, das Ganze auch zu genießen, denn innerlich war ihm klar, dass er seine Kräfte noch für die nächsten zwei Abende schonen musste. «Mein Körper schützt sich von selbst.» Er lässt sich ein heißes Bad ein und singt dabei Take Thats «Babe» vor sich hin. « Then a voice I once knew ... AUA!» Es muss doch kaltes Wasser her.
Er sitzt draußen im Innenhof des Hotels mit Jonny und dessen Freunden Brian und Julie. Sie erzählen von den Schwierigkeiten ihres Sohnes und dass er so ängstlich ist. «Ich war auch so, als ich noch klein war», erzählt Rob. «Aber es hört nie auf. Es kann einfach Angst vor der Angst sein. Er hat vielleicht auch eine blühende Phantasie. Ich meine, selbst heute, mit 29, dreht mein Kopf manchmal durch, und ich passe schließlich nicht dauernd drauf auf und schimpfe mit mir selbst: Das ist so gut wie unmöglich, und für einen Elfjährigen noch viel mehr.» Er grübelt, ob das mit Erfahrungen aus früherer Zeit zu tun haben könnte. «Als ich klein war, hättet ihr mir nichts angemerkt, auch wenn ich absolut beschissen drauf und frustriert war. Ich wollte es meinem Dad nicht zeigen, aus Angst, ihn zu enttäuschen. Und das heißt nur, euer Sohn will alles richtig für euch machen. Als ich damals Fußball spielte, war ich so unsicher, dass ich manchmal wie gelähmt war. Ich wollte den Ball nicht annehmen müssen. Versteht ihr, ich wollte mit den anderen Jungs zusammen sein und alles, aber ja, ich hatte Angst vor dem Versagen. Sie spielten mir den Ball zu, und ich wollte ihn nicht. Es machte mich verrückt. Es war grausam. Und ich bin es erst vor kurzem losgeworden. Ehrlich. Mit 27.» Julie sagt, wenn Brian nicht zu Hause und ihre Eltern in der Nähe wären, würde sie in ein Hotel ziehen. «Ist das nicht blöd?» «Nein», antwortet Rob. «Überhaupt nicht. Ich bin genauso. Ich habe seit drei oder vier Jahren keine Nacht allein geschlafen. Nein, halt, ich habe eigentlich nie eine Nacht allein verbracht. In meinem ganzen Leben nicht. Seit ich klein war.» Ohne jemanden in der Nähe, meint er. «Ich bleibe auf, weil ... Ich glaube, ich bleibe heute länger auf, weil es so schön ruhig ist, wenn alle anderen schlafen. Völlig ruhig. Außerdem will ich nicht schlafen gehen, solange ich noch wach bin. Und wenn ich ganz ehrlich sein soll, habe ich einfach keine Lust auf dieses Theater ... Licht ausmachen, hinlegen, und dann kommen die Gedanken. Ich will diese Gedanken nicht. Solange ich wach bin, kommt ein Gedanke nach dem anderen und alle drehen sich im Kreis — wozu? Ich habe keinen Bock darauf. Ich muss mich also tatsächlich dazu zwingen, schlafen zu gehen.»
Er behauptet, dass er gern früh schlafen und früh aufstehen würde. Wenn er mit jemandem zusammen wäre, glaubt er, könnte er es schaffen. «Ich denke jetzt daran, mir eine Frau zuzulegen, damit ich früher ins Bett komme.» Ich gebe ihm den guten Rat, das lieber nicht allzu sehr zu betonen, wenn er seiner zukünftigen Frau einen Heiratsantrag macht. «Yeah. Aber ich sage dir, was bei mir los ist. Ich habe das Gefühl, der Tag vergeht zu schnell, wenn ich früh aufstehe. Denn die Zeit von sieben bis zum Mittag zählt eigentlich nicht richtig. Aber es hat auch was damit zu tun ... Als ich meine erste Wohnung hatte und bei meiner Mutter auszog, da gab's diese riesigen Barn Cakes von Mr. Kipling, die ich mir immer gekauft habe. Ich dachte, Scheiß nochmal, den kann ich in einem Rutsch aufessen. Also tat ich es. Und dann kaufte ich mir noch einen. Und die Sache mit dem Schlafen muss immer ein bisschen übertrieben sein. Das ist das einzig Rock 'n' Roll-mäßige, was ich behalten habe.» Rob steht auf und pinkelt gegen die Hecke. Während er da steht, hat er das unheimliche Gefühl, jemand verstecke sich im Gebüsch und höre zu. Er schickt Gary los, um nachzusehen, doch niemand ist da.
Max setzt sich zu uns, und plötzlich erzählen alle irgendwelche peinlichen Geschichten. «Erzähl die mit der Spucke», schlägt er Rob vor. «Oder ist sie zu unanständig?» «Nein. Ich hatte damals noch nicht so viel Erfahrung im Bett ... » Er war noch keine 20; seine Freundin hatte ihn zu sich eingeladen. Er steckte seinen Kopf zwischen ihre Beine. «Du musst spucken», forderte sie ihn auf. Und er hatte keine Ahnung. Also — er demonstriert es uns — stand er auf und spuckte ihr ins Gesicht. «Noch so eine hübsche Geschichte für Parky», meint er, als das Gelächter langsam verebbt.
Bei der Landung des Hubschraubers am zweiten Tag in Knebworth entdeckt er einen See hinter dem Backstage-Bereich und beschließt, ihn zu suchen. Er ärgert sich, weil die Zeitungen bloß darüber berichten, wie viel Geld er verdient (The Sun) oder die Probleme seiner Vergangenheit ausgraben (Daily Mail), statt anzuerkennen, was er an diesem Wochenende leistet. Außerdem ist ihm sowieso alles zu viel. Auf der Suche nach dem See begegnet er Justin von The Darkness, die im Vorprogramm spielen. «Die Zeitungen schreiben, dass wir befreundet sind», sagt Justin. «Deshalb ist es ganz toll, dass wir uns endlich treffen — wir sind uns so ähnlich.» Wenig später macht jemand auf Justins Vorschlag hin ein Foto von ihnen beiden. Rob glaubt, dass es für Justins Privatsammlung bestimmt ist, in Wirklichkeit ist es für die Zeitschrift Word. Wir kommen nicht bis zum See. Dieselbe Umzäunung, die auch das Konzertgelände schützt, verhindert solche Expeditionen, deshalb setzen Rob, Jonny und ich uns in eine Waldlichtung an einen stillen kleinen Teich. «Weißt du noch, wie wir in Las Vegas waren und nach Mexiko durchbrennen wollten?», fragt Jonny. «Ich wollte zur Bank gehen, ein paar Tausender abheben und dann ab nach Mexiko», erzählt Rob. «Ohne einer Menschenseele was zu verraten.» «Nur er und ich», meint Jonny. «Wir hätten einfach irgendwo was abgehoben und wären weitergezogen.» Hast du denn überhaupt eine Scheckkarte? Pause. «Ich glaube ja», meint Rob. Kennst du ihre Nummer? Pause. «Nein», sagt er dann. «Ich hätte meinen Pass und die Karte gehabt – ich hätte in eine Bank gehen können.» Wie ernst war es dir damit? «Ziemlich. Ich wollte weg von allem.» «Was hättest du in Mexiko gemacht?»
«Keine Ahnung. Es wäre ein Abenteuer gewesen. Ziemlich ungezogen.» Vor wem wolltest du denn abhauen? «Niemand. Es hätte sich nur einfach nicht gehört. Und alle hätten uns suchen müssen.» «Man hätte uns ganz schön zur Sau gemacht», meint Jonny. «Am Abend vorher überlegten wir, wie wir es machen würden. Wir wollten um vier oder fünf aufstehen, wenn alle anderen schlafen ... » «... und dann mit dem Zug.» Warum habt ihr es nicht gemacht? Pause. «Wir hatten keinen Bock, glaube ich», sagt Rob.
In der Garderobe hört er Musik, guckt Fernsehen und schmort im Saft der eigenen Angst. Seine Mutter fragt ihn, als wäre es der banalste Gefallen der Welt, ob er «Nan's Song» zwei Kids in ihrem Bekanntenkreis in Stoke widmen könnte, die dort gerade eine schlimme Zeit durchmachen. Er gibt keine Antwort. Vermutlich kann er einfach nicht fassen, dass jemand ihn um so etwas bittet. Sie sagt, sie wird Josie daran erinnern. «Ich bin gerade ein bisschen gestresst, Mum», sagt er schließlich. Seine Laune bessert sich erst, als sein Cousin Richard, diverse andere Familienmitglieder und Freunde aus Stoke eintreffen. Alle gehen zusammen zur Kantine, wo er eine kleinere Portion Thunfisch, Kartoffeln und Baked Beans als sonst verlangt und dann wie ein kleiner Junge alles mit der Gabel zermatscht. Zusammen mit der Truppe aus Stoke erinnert er sich an alte Freunde. Einige sind auf der Strecke geblieben. Ein Name fällt, und Rob erzählt, wie er mal mit ihm auf einer Party war und der Typ 30 Ecstasy-Pillen in zwei Stunden einwarf. «Hast du Rob gesehen?», fragte er Rob. «Er ist unten», antwortete der. «Danke, Kumpel», sagte sein Freund, und das war das letzte Mal, dass Rob ihn gesehen hatte. Er versucht, seine Kumpels aus Stoke zu überreden, heute Abend zur Schuldisco ins Hotel zu kommen. Nach einigem Hin und Her – Richard hat morgen ein wichtiges Golfspiel vor sich – stimmen sie zu. «Aber bitte kommt auch wirklich», wiederholt Rob noch einmal.
Das heutige Konzert wird live auf Channel 4 übertragen. (In Wahrheit wird es zeitversetzt übertragen, damit Werbung eingeblendet und Robs Kommentare zwischen den Songs hin und wieder herausgeschnitten werden können. So erfährt das Fernsehpublikum nicht, dass die Metzgerei Trussell erneut ihr Fett wegbekommt.) Trotzdem breitet sich gegen Ende des Konzerts eine gewisse Panik im Backstage-Bereich aus. Vielleicht ist Rob ein wenig überdreht, jedenfalls rast er durch das Programm, und wenn es so weitergeht, wird er früher fertig sein, als es der Vertrag mit dem Fernsehsender vorsieht. Man heckt einen Plan aus. Als er sich für die Zugabe in einer winzigen Kabine direkt unter der Bühne umzieht, fragt Lee, ob er bereit wäre, «Millennium» anzuhängen, was im letzten Monat hin und wieder bei den Zugaben auftauchte. Lee erklärt ihm die Situation. «Können wir es einbauen?» «Ehrlich gesagt lieber nicht», antwortet Rob. Dann erklärt er, warum. «Ich hab keinen Mumm mehr. Mir klappern vor Angst die Zähne.» «Es sieht super aus, wirklich», sagt Lee. «Ja, ich weiß, ich weiß, aber mir geht's dreckig. Seit <Monkey> mach ich mir vor Angst in die Hose.» «Tja», meint David. «Dann hast du aber ...» «... geschauspielert wie einer, der ... », sagt Rob und braucht den Satz gar nicht zu beenden. Geschauspielert wie jemand, der sich anders fühlt, als er sich fühlt. Die beiden widersprüchlichen und doch so eng verflochtenen Talente, die von großen Entertainern verlangt werden, sind die Fähigkeit, Gefühle zu zeigen und die Fähigkeit, sie zu verbergen — und jede Robbie Williams-Show ist ein meisterhaftes, riskantes, unberechenbares Jonglieren mit beidem. «Auf dem Monitor sieht es großartig aus, Kumpel», beruhigt ihn Lee. «Ja, nein, das glaube ich. Aber ich habe solche Angst.» «Ich dachte, du hast einen Heidenspaß», meint Jonny. «Es ist eine deiner besten Vorstellungen», bekräftigt Josie. «Man würde im Leben nicht drauf kommen», sagt David. Ich selbst hätte es auch nicht gedacht. «Gut», sagt Rob und bestellt ein Gatorade. «Vermutlich ist es das Ding mit der Live-Übertragung. Und da draußen sitzen 125 000 Leute. Ich bin okay, aber schön ist es nicht. Trotzdem, ihr könnt auf mich zählen. Ich geh jetzt da raus und drehe nochmal voll auf.»
Er legt sich mit dem Bauch auf den Wagen, der ihn durch den Tunnel bis zur Spitze der Vorbühne fährt, wo er plötzlich herausklettern und zwischen den Tänzerinnen von «Rock D J» auftauchen wird. Während er durch die Dunkelheit gerollt wird, heben und senken sich seine Waden mit den überkreuzten Knöcheln wie ein zappelnder Fisch auf dem Trockenen.
«Da war der Wille stärker als das Bedürfnis», sagt Rob, als er seinen Platz im Hubschrauber einnimmt. «Eigentlich wollte ich schon am Ende von mitsamt dem Piano im Erdboden versinken.» Wegen der Zeitverschiebung bei der Übertragung und der Schnelligkeit des Hubschraubers wird Rob von dem ungewöhnlichen Anblick seines eigenen Live-Auftritts im Fernsehen begrüßt, als er ins Hotel zurückkommt. Er sitzt in der verlassenen Lounge eines Landhotels, doch wenn es nach den britischen Fernsehzuschauern ginge, steht er jetzt gerade vor 125 00o bewundernden Fans in Knebworth auf der Bühne und singt «Kids». «Ich will das gar nicht sehen», sagt er, rührt sich jedoch nicht vom Fleck, bis der Rap bei «Kids» ausklingt, dann geht er rauf in sein Zimmer und zieht sich um. Josie berichtet ihm von einem peinlichen Missverständnis backstage, während der Zugabe. Popsänger Gareth Gates wurde von dessen Sicherheitsleuten, die in ihren Kopfhörern irgendwas missverstanden hatten, gesagt, er werde auf der Bühne erwartet — was nie überlegt oder geplant gewesen war —, und Josie hatte die Aufgabe gehabt, dem höflichen und sich entschuldigenden Gareth klar zu machen, dass das nicht so gemeint gewesen war, während der Sicherheitsmann versuchte, sie alle beide zu überstimmen. «Es war furchtbar peinlich», sagt sie. «Gott segne ihn», meint Rob. «Er sieht ziemlich klasse aus, oder?» Rob beschließt, sich den akustischen Teil des Programms im Zimmer anzusehen. «Ich werde älter», sagt er im Fernseher zu seinem Publikum. «Und ich möchte, dass ihr mit mir zusammen älter werdet.» David klatscht Beifall. Die Kamera schweift über die Menge bis zu dem prächtigen Schloss von Knebworth. «Wow!», sagt Rob im Hotelzimmer. «Das sieht ja cool aus. Wow.» Er grinst und dreht sich zu Jonny um.
«Weißt du noch, wie wir daran dachten, nach Mexiko durchzubrennen ... ?» Der Rob im Fernsehen sagt, er sei «der glücklichste Mensch auf dem Planeten». Der Rob im Hotelzimmer nickt. «Ich hab nicht gesagt, auf welchem Planeten.»
Heute Abend findet in einigen öffentlichen Bereichen des Hotels und in einem extra aufgebauten Zelt eine Schuldisco statt. Es gibt Pusterohre für alle, die damit herumspielen wollen, traditionelles Schulkantinenfutter, und Rob trägt seine alte Schuluniform. Er zieht Jack Osbourne in eine ruhige Ecke, offenbar, um ihm sein Beileid auszusprechen und ihm Mut zu machen, und er trifft zum ersten Mal Gareth Gates. Als die Gruppe aus Stoke sich verabschiedet, geht er mit hinaus, um sie zum Wagen zu bringen. Die Zeit, die er heute mit ihnen verbracht hat, scheint ihn mehr zu berühren als alles andere, als böten sie ihm die Chance, wieder mit etwas Verbindung aufzunehmen, das er verloren hatte. Über Richard sagt er wehmütig: «Er ist so, wie ich war, bevor ich mit Drogen anfing.» Anschließend geht er auf die Tanzfläche und tobt sich mit Jonny und Kelly Osbourne bei «No Diggity» aus, während im Hintergrund ein St. Trinians-Video läuft. Ein bisschen später komme ich an Sharon Osbourne vorbei, die in der Tür steht und ihre Tochter ermahnt, sich anständig anzuziehen, wenn sie auf einer Bühne steht. Rob und Jonny sitzen draußen im Dunkeln, abseits der Party, und unterhalten sich. Hoch über dem improvisierten Hubschrauberlandeplatz sehen wir eine Sternschnuppe.
Als er aufwacht, späht er vorsichtig durch die Vorhänge, ohne sich zu zeigen. Draußen steht eine Frau auf der Wiese und starrt zu seinem Fenster hinauf, als wartete sie auf ein Zeichen von ihm. Sie rührt sich nicht. «Sieht aus, als wäre sie da festgewachsen», sagt er. Etwas später hat sich eine größere Menge versammelt. Er öffnet das Fenster und plaudert eine Weile mit den Fans, erzählt vom vergangenen Abend und wie beängstigend alles war. «So, und jetzt
macht euch einen schönen Tag», ruft er am Schluss, und alle klatschen Beifall. «Du bist nun mal ein Mann des Volkes», zieht Josie ihn auf. «Yeah», meint Jonny. «Und jetzt sollten wir deinen Hubschrauber nehmen und uns schleunigst verpissen.»
«Wie fühlen Sie sich heute, Mr. Williams?», fragt der Pilot über die Gegensprechanlage. «Ein bisschen steif, aber sonst geil», antwortet Rob. Pause. «Nicht steif und geil. Wenn Sie wissen, was ich meine.» «Durchaus», bestätigt der Pilot. Rob fängt an, «Hold Me Close» von David Essex zu singen und betrachtet den Golfplatz unter uns. «Ich muss anfangen, einen Lebensstil wie Dean Martin zu entwickeln», verkündet er. «Hat Dino Golf gespielt?», erkundigt sich Jonny hoffnungsvoll. «Jeden Tag», meint Rob. «Jeden Tag. Und er hat nie geprobt. Er ging einfach ins Studio, machte die erste Aufnahme und ciao! – das war's. Danach ist er gleich wieder zurück auf den Golfplatz. Genauso werd ich es auch machen.»
Dean Martin ist der Einzige des Rat Pack, den Rob immer bewundert hat. Nach der Veröffentlichung von Swing When You're Winning war er wie elektrisiert, als er einen Brief von Sammy Cahns Frau Tita erhielt, die ihm erzählte, dass sie das Album zusammen mit Dean Martins Frau Jeanne gehört hatte und beide es großartig fänden. «Frank Sinatra hat die beste Stimme, eine wirklich außergewöhnliche Stimme», meint er. «Dean ist relaxter. Lässiger. Bei ihm wirkte alles ganz einfach. Vermutlich war es das sogar – für ihn. Und er war lustiger als die anderen. Ich mag Sinatra, aber ich liebe Dean Martin.»
«Ich glaube, am Dienstag lasse ich mich einweisen», sagt er backstage zu Mark Owen. «Die Tour ist super gelaufen, und manchmal kam es mir sogar so vor wie ein Spaziergang im Park.
Aber jetzt bin ich hier und irgendwie nur noch ein Häufchen ... zerkrümelter Plätzchen.» «Ich mach mir vor Angst in die Hose», sagt Mark. Er beugt sich zu Rob vor. «Geht es weg, wenn du da oben stehst?» «Nein.» Sie proben zum ersten und einzigen Mal auf Plastikstühlen im Gras vor Robs Garderobe. Mark Plati spielt auf der akustischen Gitarre, die sie vor dem Hintergrund von Mobys Programm kaum hören können. Sie singen ein paar Takte von «Back For Good». Rob singt die erste Strophe, Mark die zweite, dann beide zusammen den Mittelteil. Plötzlich ist es ziemlich bewegend, zu sehen, wie sie ganz unbewusst in alte Gewohnheiten und Rollen zurückfallen. Rob sagt, Mark soll beim Refrain einfach machen, was er will. Das ist die ganze Probe. «Ich habe auf meine Harmonie geachtet», staunt Rob. «Und alles kommt von selbst, wie eine instinktive Reaktion. Verrückt, was?» «Wenn ein anderer Take That-Boy im Raum ist, kannst du gar nicht anders, als auf die alte Harmonie zurückgreifen», lacht Mark. Wayne Rooney, der neue englische Fußballstar, schaut vorbei, um guten Tag zu sagen. (Rob war insgeheim seit Wochen aufgeregt, dass Wayne Rooney kommen würde; er ist der Einzige, der ihren improvisierten Hubschrauberlandeplatz benutzen durfte.) Sie machen ein bisschen Small-Talk, und Rob bekommt zwei signierte ROONEYHemden geschenkt. Er denkt einen Augenblick nach. «Warte mal eben», sagt er und verschwindet in der Garderobe, findet jedoch nichts Passendes. Schließlich kommt er mit einem Kopfkissen zurück. «Ich habe ein Kissen für dich», sagt er.
Bei der zweiten Strophe von «Back For Good» steigt Mark Owen aus dem Loch in der Bühne, das sonst für den Flügel von Max benutzt wird. Sie strahlen eine wunderbare Freude aus, als sie beim Refrain zusammen Pogo auf der Bühne tanzen, sich dann gegenüberstehen und die Zeilen des Mittelteils singen und sprechen, während das Publikum vor Begeisterung tobt. «Das haben sie gestern Abend nicht gehabt», ruft Rob am Ende. «Die Erinnerung an TT lebt weiter.»
Beim akustischen Teil spielt er ein paar Töne, singt jedoch keinen Text dazu, und ich weiß nicht, wie viele Leute im Publikum die Bedeutung des nächsten Kommentars verstehen. «Nun, das ist die einzige Art, wie man es am dritten Abend hören kann, nicht?» Er spielte «Wonderwall» von Oasis, eine weitere gedämpfte Salve in dem kalten Krieg, der niemals endet.
Vor «Angels» wiederholt er, was er gestern Abend schon gesagt hat, vertieft es jedoch noch ein wenig. «Ich werde älter. Ich möchte euch mitnehmen. Ihr habt gesehen, wie ich groß geworden bin, jetzt möchte ich mit euch alt werden, Leute.» Und dann, kurz bevor der Song einsetzt, fügt er noch einen Satz hinzu, vielleicht den unerwartetsten vom ganzen Wochenende. Möglich, dass er nur den Gefühlsüberschwang des Augenblicks ausnutzen will und dabei einen Schritt zu weit geht, möglich, dass es eine verzweifelte, unsichere Bitte ist, ehrlicher, als er sie eigentlich meinte. «Bitte, bitte, lasst mich nicht allein.» Als sich der Helikopter über die Menge erhebt, winkt Rob – aus reinem Übermut. «Sie sehen dich sowieso nicht», meint Jonny. «Ich winke trotzdem. Wahllos. Es ist wie ein Pokalendspiel, weißt du.» Wir fliegen davon. «Heute bleibe ich die ganze Nacht auf», kündigt Rob an. «0 nein!», seufzt Jonny. «Warum? Was willst du denn machen?» «Weil es eine alte Gewohnheit ist. Du musst ja nicht aufbleiben, wenn du nicht willst.» Pause. Rob grinst. «Aber du könntest was verpassen.»
Nach der Vorstellung geht es wie immer zum Buffet im Hotel. Er sitzt eine Weile mit Mark Owen zusammen; sie erörtern die Vorzüge
einer bestimmten Herdsorte, bis Rob plötzlich meint: «Was rede ich für einen Quatsch! Als würde ich mich mit so was auskennen. Ich weiß ja nicht mal, wo bei mir zu Hause die Messer liegen.» Sie gehen nach draußen und lachen über ihre Eskapaden bei Take That. Als es für einen Augenblick ruhig wird, sagt Rob: «Na los, komm schon, erzähl weiter. Kannst du dich noch an alles erinnern? Weißt du noch, wie sich das anfühlte?» Mark grinst. «Erinnerst du dich an die Isle of Wight?», fragt Rob und erzählt eine lange, komplizierte Geschichte, in der er sich mit einem Mädchen in einem billigen Hotel traf, nachdem Nigel Martin-Smith seine Einwilligung für das Rendezvous zuerst gegeben und dann wieder zurückgenommen hatte, Mark sich in einem Schrank versteckte und Rob mit einem Bein hängen blieb, als er durchs Fenster kletterte. Jede Menge Angst und Panik, aber kein Sex. Während sie immer mehr Geschichten aus dieser Zeit zusammenstückeln, fällt mir vor allem auf, wie wenig gemeinsame Erinnerungen sie haben. Rob verbrachte fünf Jahre seines Lebens mit Take That, aber es ist so ziemlich das erste Mal, dass er seine Erinnerungen daran mit jemandem austauscht, der auch dabei war. Jeder der fünf Bandmitglieder blieb mit seinem eigenen Scherbenhaufen zurück. Die Scherben wurden nie gekittet, und die Band hat sich nie getroffen, um über das, was passiert war, zu reden und es zu einer gemeinsamen Geschichte zu machen. Aber irgendwo sind die Erinnerungen vergraben, und heute Abend kommen sie zum ersten Mal ans Licht. «Weißt du noch, wie Kurt Cobain starb und wir auf dem Dach in Dänemark saßen?», fragt Mark. «Yeah.» «Weißt du das noch? Der Tag, an dem er starb. Ich muss immer daran denken, wenn einer davon erzählt. Wie du und ich auf dem Dach saßen.» «Yeah.» «War es nicht dein Geburtstag, als du dir die Narbe geholt hast? Du erinnerst dich doch an deine Narbe, oder? Es war Howards Geburtstag. Und wir haben ihm lauter Pflanzen geschenkt, er kriegte jede Menge Pflanzen zum Geburtstag ...»
«Und dann hat Howard mich in den Pool gestoßen», meint Rob. «Na ja, gestoßen ist zu viel gesagt. Er hat mich nur geschubst, aber ich fiel rein und stieß mir den Kopf ... » «... und hast dir die Narbe geholt...» «Ich musste zum Arzt und die Wunde nähen lassen ... » «... wir haben uns alle totgelacht», sagt Mark. «... und dann gingen wir wieder raus, und überall tropfte Blut ... » Sie erinnern sich an die Klamotten und die verschiedenen Shows. «Einmal kamen wir auf die Bühne und hatten diese Stahlhelme auf», sagt Rob. «Sag ich doch», entgegnet Mark. «Stahlhelme und Brillen.» «Aber dann gab es eine Vorstellung, da kamen wir auf die Bühne, und ich war so müde», erzählt Rob. «Hundemüde. Wir mussten uns bücken, weißt du noch, und ich dachte, ich muss unbedingt ein Nickerchen machen. Die Band fing an zu spielen und alles, aber ich war dermaßen daneben, dass ich dachte, nur ein kleines Nickerchen, bevor das hier losgeht. Wir werden es schon schaffen, ich muss nur unbedingt mal ganz kurz ausruhen. Ahhh ... ich schlief einfach ein. Da war diese Stufe und ich ... » Er imitiert, wie er plötzlich aufwacht und hochschreckt. «Es war schrecklich. Ich wusste nicht, wo ich war, und plötzlich ging dieses unglaubliche Gekreische los ...» «Lieber Himmel», lacht Mark. «Kannst du dich an deine Lieblingsstellen erinnern?», fragt Rob. «Ich fand es super, wie wir in schwarzen Mänteln gespielt haben. Weißt du noch, einmal haben wir es geprobt und hatten darunter nichts an ... Und dann kamen wir an die Stelle, wo wir die Mäntel fallen ließen und waren alle nackt. Und Nigel machte ... » Er lässt ein halb entrüstetes, halb erschöpftes Stöhnen los. «Ich glaube, die Stellen, die ich am meisten mochte, waren die Balladen», meint Rob. «Im Sitzen.» Sie reden über alte Bekannte, Mark wie immer sehr positiv. «Das Tao von Owen», sagt Rob. «Was ist denn das nun wieder?», fragt Mark leicht irritiert. «Viele Sachen auf dieser Tour waren das Tao von Owen», erklärt Rob. «Spielt keine Rolle. Es hat mich nachdenklich gemacht. Ja, wirklich. Weil man eine Menge Zeit damit verbringen kann, sich an alte Bekannte zu erinnern, und dann sagt man sich: Ach, nee, ich
mag ihn nicht wegen x, y und z ... Was meinst du? Ich mag sie nicht, ich auch nicht. Und dann denkst du plötzlich: Egal. Spielt gar keine Rolle. Das ist das Tao von Owen.» «Gefällt mir.» «Einmal habe ich zu Nigel gesagt, kannst du dich erinnern?» «Ja, klar!» «Das war, als wir alle im Bus saßen und lachten. Da kam Nigel und sagte irgendwas, und ich fuhr ihn an: , und im ganzen Bus war es plötzlich totenstill. Und ich dachte, au weia ... » Er konnte nicht glauben, dass er das wirklich gesagt hatte. «Und Gaz machte ... » — einen Augenblick scheint er überrascht, dass er Gaz gesagt hat, aber damals war Gary Barlow eben Gaz, und Rob ist gerade in einer dankbaren Stimmung — «... und Gary hat mich gerettet. Er sagte: Damit hat er mich rausgeboxt.» Rob steht auf und pinkelt in die Hecke. «Mark, weißt du noch ... », ruft er zurück zum Tisch. «Fang bloß nicht vom Wichsen im Tourbus an.» «Oh, das hatte ich ganz vergessen», sagt Rob. «Ich habe gewonnen.» Pause. «Und gleichzeitig irgendwie auch verloren.»
Mark fragt, ob Rob sich noch erinnert, wie sie Prinzessin Diana getroffen haben. «Das war ein toller Abend, was?», sagt Rob. «War sie wirklich so süß? Wir gingen in der ganzen Wohnung herum. Sie war wirklich nett. Hast du darüber nachgedacht, ob du ihr gefallen könntest, als wir wieder nach Hause fuhren?» «Sie war ein bisschen groß für mich», antwortet Mark. «Zu groß.» «Sie war klasse.» «Sie war süß.» Glaubst du, dass du ihr gefallen hast?, frage ich. «Nein, nicht wirklich. Ich hätte eher gedacht, dass sie auf J. abfährt.» Jason. «Ja, so war es immer, nicht?», sagt Mark.
Mark hat eine Frage. «Was würdest du machen, wenn du Nigel wiedersehen würdest?» Pause. «Darf man so was überhaupt fragen?», will Mark wissen. «Yeah», meint Rob und denkt einen Augenblick nach. «Ich würde wahrscheinlich losheulen.» «Echt?» «Ich glaube, ich würde zusammenbrechen.» Mark und Jonathan haben ihn vor ein paar Jahren in seinem Club in Manchester getroffen. «Es ist sein Club, und er spielt die ganze Zeit deine Sachen», erzählt Mark. «Er hat sich verändert», sagt Jonathan. «Wirklich.» «Das glaube ich auch», nickt Mark. «Ich glaube, er ist ganz anders als früher.» «Wie sieht er denn heute aus?», will Rob wissen. «Er kann dich nicht ansehen», sagt Jonathan. «Er fängt an zu reden ...» «Die Sache mit Nigel war auch so. Ich wollte einfach nur, dass er mich liebt. Denn so sehr ich ihn hasste, so sehr liebte ich ihn auch. Was wirklich verrückt ist. Ich wollte bloß ... » «Du wolltest akzeptiert werden, stimmt's?», sagt Mark. «Darum ging es doch. Es ging darum, akzeptiert zu werden.» Sie erzählen, dass Nigel auch ein Beerdigungsinstitut aufgemacht hat. «Tja», seufzt Rob. «Leute, die sterben, gibt es immer.»
«Es war verrückt», sagt Mark. «Es war ...» «Es war so, wie es war», meint Rob. «... wie es war, ja. Und ich meine, guck heute mal zurück, es gibt so viele Dinge ... Ich weiß nicht, wie ich ...» Er will irgendetwas Wichtiges sagen. «Ich weiß nicht, wie ich mich hätte verhalten sollen, aber ich habe nie gesagt ... » Mark stockt. «Ich kann mich nicht erinnern, dass ich dich je gefragt habe, wie es dir geht», sagt er schließlich.
Es ist ein schwieriger Augenblick, schön und traurig zugleich. «Ja, weil du nicht konntest, weil ... » «Warum? Warum konnte ich nicht? Ich weiß nicht, warum ich es nicht konnte ... » «Weil damals alle ... », fängt Rob an. «Niemand war Schuld.» «Hatten alle einfach nur Angst oder ... ?» «Alle machten sich in die Hose vor Angst ... », sagt Rob. «Wirklich?» «... weil, es ist so, ich hatte den Punkt erreicht, von dem es kein Zurück mehr gibt, weißt du», sagt Rob. «Ich hätte diese Tour nie überlebt. Es ging mir beschissen. ...» «Nein, ich habe es neulich schon mal gesagt. Im Nachhinein betrachtet war es so, dass wir alle nach Hause gingen, und du gingst in ein Hotel ... » «Yeah.» «... und ist das nicht verdammt bescheuert?», fragt Mark. «Warum musstest du allein im Hotel bleiben? Ich weiß es nicht.» «Wir hatten mit der Band einen Punkt erreicht, wo ich glaube, dass wir alle furchtbaren Schiss hatten ... wir haben ja kaum noch miteinander geredet», sagt Rob. «Und ich habe nie gesagt, was ich damals schon dachte, denn was ich damals schon dachte, hätte alles kaputt gemacht. Niemand hatte wirklich Schuld. Jeder musste damals auf sich selbst aufpassen, denn das ist... weißt du, wenn es eine Situation gibt, wo einer anfängt, zu teilen und zu herrschen ... » «War es einfach so, dass es kochte und kochte und irgendwann einfach ... ?» «Nigel teilte und herrschte, verstehst du – sagte hier was, machte da eine Bemerkung.» «Ja, das haben wir alle gesehen.» «Und vermutlich wird da jeder einfach misstrauisch und zieht sich ein bisschen zurück», sagt Rob. «Niemand hat Schuld daran. Niemand hätte irgendwas dagegen tun können.» «Weil es so sein musste ... ?», fragt sich Mark. «Ich musste jedenfalls ... irgendwie durchdrehen.» Rob kichert in sich hinein. «Jeder hat seine Art, mit etwas fertig zu werden.» «Ja,
aber ich meine nicht nur, was mit dir war», sagt Mark. «Ich meine alles, auch, dass wir so lange zusammen waren ... die ersten paar Jahre standen wir uns wirklich sehr nahe. Du und ich besonders. Aber in den letzten Jahren, ich weiß nicht ... da wurde es ein bisschen verrückt, was? Es wurde einfach verrückt.» «Weil, na ja, es gab eben einfach keine Nachsorge», sagt Rob. «Ja, stimmt.» «Aber gleichzeitig wusste auch keiner, wie das gehen sollte», sagt Rob. «Nigel jedenfalls nicht. Und das Leben zu Hause war komisch, da kriegt man eine komische Perspektive von der Welt. Außerdem warteten hundert verdammte Mädchen draußen vor dem Haus, verstehst du. All das gepaart mit der bescheuerten Promotion, die wir machten. Wir haben uns den Arsch aufgerissen. All das zusammen ... wir waren müde und hatten Angst. Ich jedenfalls war müde und hatte Angst...» «Genau», meint Mark.
«Das war aber nett, was?», sagt Rob im Hotelzimmer, vor dem Schlafengehen. «Ich hatte den Eindruck, dass Mark der Sache wirklich auf den Grund gehen wollte», meint Jonny. Rob nickt. «Aber ich war noch nicht so weit ... Vielleicht hätte ich angefangen zu heulen. Ich wollte nicht mitgehen. Es ist nun mal so, ich bin einfach furchtbar empfindlich in den letzten drei Tagen. Ich wollte da einfach nicht hin. Aber es war nicht seine Schuld.»
17 Es dauert zwölf Minuten, um am Montag nach den drei KnebworthKonzerten mit dem Hubschrauber zurück nach London zu fliegen. Die Route führt über den Buckingham-Palast und Robs Haus. Wir können sogar die Stühle auf seinem Balkon erkennen. Im wartenden Wagen liegt die heutige Ausgabe der Sun. ER IST DER GRÖSSTE – ROBBIE IST KÖNIG DES POP, BEHAUPTEN SEINE FANS, lautet die Schlagzeile, und der wichtigste
Popkolumnist der Sun bezeichnet das Konzert als «zweifellos beste Live-Performance, die ich je gesehen habe». Zu Hause sitzt Rob ein paar Minuten ruhelos herum und ruft dann Stephen Duffy an, um zu fragen, ob er im Studio vorbeikommen kann. An einer roten Ampel kauft er den Evening Standard mit seinem Foto auf der Titelseite. ROBBIE – DER GRÖSSTE?, lautet die Schlagzeile. «Der Star brach in Tränen aus, nachdem er vor 375 000 Zuschauern gesungen hatte.» Einen Teil des Artikels liest er uns vor – «Man hatte den Eindruck, als wartete er verzweifelt auf Beifall und sei doch nicht sicher, ob er ihn verdient. Er schafft es nicht, sein vermeintliches Scheitern mit dem zusammenzubringen, was sich vor seinen Augen abspielt» – und lacht. Ich frage ihn, was er von dieser Analyse seiner Psyche hält. «Ich bin ein Schauspieler», antwortet er wegwerfend. «Und was etc. betrifft, das war vor zwei Jahren so. Heute weiß ich genau, was ich kann.» Und das «verzweifelte Warten auf möglicherweise unverdienten Beifall»? Das gehört zur Show, oder? «Yeah», sagt er. Es gibt noch eine andere analytische Passage, die ins Auge fällt: «So wie Oasis nach dem Wochenende hier nie wieder dieselben waren wie zuvor, wird man sich nach einer derartigen Meisterleistung jetzt wohl unausweichlich an einen selbstzufriedeneren Robbie gewöhnen müssen ... » «Unausweichliche Selbstzufriedenheit». Das kommt Rob vor wie ein Witz: Einen Tag nach den drei Konzerten ist er schon wieder auf dem Weg ins Aufnahmestudio, und bevor er heute Abend ins Bett geht, hat er einen weiteren neuen Song für seine nächste Karriere in der Schublade.
Nach einer halben Stunde im Studio klingelt das Telefon, und Stephen geht ran. George Michael arbeitet in einem der unteren Studios und fragt, ob er auf ein paar Minuten vorbeikommen kann. Wenig später klopft es, und George steht mit einem Kaffeebecher von Starbucks in der Tür. (Rob bemerkt als Erstes den Starbucks-Becher. Er
hatte keine Ahnung, dass es eine Starbucks-Filiale in der Nähe gibt. Er fragt nach der Adresse und schickt Pompey los, um Nachschub zu kaufen. Einen Mocha Frappucino für George Michael, Kokosnuss für Rob.) George setzt sich auf Andys Stuhl und dreht ihn so, dass er Rob, Stephen und mich ansehen kann. Er erzählt Rob von seinem neuen Album und wie schwer ihm das Schreiben immer fällt. «Du hast seit meiner letzten Platte eine ganze Karriere gemacht, oder?», lacht er. «Ich glaube, ich bringe nur deshalb eine Platte nach der anderen heraus, weil ich immer denke, das ist sie, die wird alles andere in den Schatten stellen», erklärt Rob. «Und dann ist sie raus, und mir fällt ein, nein, stimmt nicht ... das ist sie noch nicht. Schnell! Machen wir eine neue ... Und was jetzt hier entsteht, kommt mir vor wie meine allererste Solo-Platte.» «Dieses Wochenende war doch bestimmt Spitze, oder?», fragt George. «Yeah», meint Rob ohne jeden Überschwang. «Aber ich glaube, so richtig merke ich es erst in einem Jahr. Im Augenblick ist es eher so, als hätte jemand gesagt, wir nehmen jetzt mal deine Persönlichkeit und alles für eine Weile aus dir raus und legen sie hierhin, und wenn du nächstes Wochenende mit Irland fertig bist, kriegst du sie wieder. Ich bin ein bisschen geschafft.» Dann fragt er George, warum er nie auf Tour geht. «Weil ich es nicht aushalte», antwortet der. Er mag die Speichelleckerei nicht, immerzu von Leuten umgeben zu sein, die von ihm abhängig sind, die Sorge um seine Stimme. Selbst zu Wham!-Zeiten, als alle anderen ausgingen und sich amüsierten, saß er mit einem Luftbefeuchter im Hotelzimmer und trank heiße Zitrone. «Weißt du, wie ich es schaffe, selbstkritische Anwandlungen zu überleben?», fragt Rob. «Ich höre mir einfach nicht zu. Nie. Wenn ich es täte, könnten meine tiefsten und finstersten Befürchtungen wahr werden, und dann könnte ich nie wieder auf die Bühne.» Sie reden über Ruhm. «Je länger du in den Zeitungen, im Fernsehen und im Leben der Leute eine Rolle spielst, umso verrückter wird es», verspricht George. «Du bist jetzt etwa zehn Jahre dabei. Nochmal so lange, und es wird ziemlich unheimlich.» Seiner Erfahrung nach reagieren die Leute beim Anblick eines Stars mit der Zeit eher scho-
ckiert als aufgeregt, und das fand er schwierig. Für Rob müsste es anders sein, sagt er, weil er einerseits ein altmodischer Star ist, der sich als etwas Besonderes präsentiert, andererseits aber auch den Eindruck erweckt, über sich selbst lachen zu können, und das macht ihn wahrscheinlich viel zugänglicher. «Ich werde immer völlig verrückt sein und in keine Schublade passen», lacht Rob. George fragt nach Robs neuer Musik. Rob erwähnt Scott Walker und David Bowie und dass er manchmal wie Morrissey oder Neil Young singt. Eine Weile schwärmen sie von The Smiths und sprechen über das faszinierende Rätsel Morrissey. (Dessen nächstes Album soll gerade erscheinen; ich erzähle, dass es Irish Blood, English Heart heißen soll. Rob scheint das nicht weiter zu interessieren.) «Du bist an einem Punkt, an dem du dir mit einem neuen Album so viel Zeit lassen kannst wie du willst», meint George. «Ich meine, was kann schon passieren? Wer soll denn kommen und dir die Hölle heiß machen?» «Ich habe einen Plattenvertrag, den ich einhalten will», antwortet Rob. «Oh, das solltest du nie tun», rät George. «Lass sie schmoren.» «Bei diesem Album habe ich alles gern gemacht – die Promotion, die Tour, alles daran war Klasse.» «Und was ist der Unterschied zu früher?» «Effexor.» «Heißt das, dass du vorher ständig Depressionen hattest?» «Genau.» «Chronische leichte Depressionen?» «0 ja», sagt Rob. «Es war nicht so, dass ich ein Gewehr nehmen und mich erschießen wollte, aber ich konnte Leute verstehen, denen es so geht. Weißt du, was ich meine?» Er erzählt, wie er nach Los Angeles zog und dachte, er wäre den Ursachen entkommen, und dann merkte, dass es ihm immer noch nicht besser ging. «Es gab eigentlich keine Gründe für meine Depression. Und du fragst dich, was ist es dann? Ich hatte nichts mehr, was ich verantwortlich machen konnte. Ich hatte aufgehört zu trinken, nahm keine Drogen mehr und hatte 13 oder 14 Monate hinter mir, in denen ich ganz schön kämpfen musste, um damit aufzuhören, bis ich an einen Punkt kam, wo es mir
schlimmer ging als zu meinen Drogenzeiten. Und ich dachte, na schön, jetzt gibt es nur noch zwei Möglichkeiten – entweder ich fange wieder mit den Drogen an oder ich gehe zu einem Psychiater und lasse mir irgendwelche Pillen verschreiben. Das habe ich dann getan, und seitdem ist es wirklich cool.» Er lächelt. «Na ja, der Umgang mit anderen Menschen ist immer noch schwierig.» Später grübelt er über die freundschaftliche, aber distanzierte und ein wenig merkwürdige Beziehung nach, die George Michael und er auf ihren unterschiedlichen Wegen hatten. Es war George, der ihn kritisierte, als Rob, in bewusster Anspielung auf die allgemeine Annahme am Ende von Take That, Gary Barlow werde der neue George Michael sein, ankündigte, er selbst werde der neue Andrew Ridgeley werden. «Mach dich nicht lustig über Andrew», hatte George ihn ermahnt. Als Robs Erfolg wuchs, rief George gelegentlich vor einer Preisverleihung an, um Rob zu erzählen, dass er gewonnen hatte. «Als Erstes sagte er immer: », erzählt Rob. «Und ich konnte nicht verstehen, warum er das tat, denn ich wusste nicht mal, dass ich an diesem Tag zu einer Preisverleihung ging.»
Vor drei Wochen fiel Escapology schließlich aus den Top 75 der britischen Charts. Seitdem hat es, beflügelt von der aktuellen Single «Something Beautiful» und der Publicity im Vorfeld von Knebworth, wieder etwas angezogen, aber niemand hätte vorauszusagen gewagt, wie sich ein dreitägiges Konzert vor 375 000 Zuschauern und LiveÜbertragungen im Fernsehen und im Radio auswirken würden. Am Dienstag wird es bereits deutlich. Rob ruft mich, ganz aus dem Häuschen, an und erzählt mir die Neuigkeiten. In den Charts der nächsten Woche wird Escapology auf Platz 1 stehen. Und nicht nur das: Fast die ganze Woche über sieht es so aus, als könnten alle Williams-Alben wieder in die Top 75 zurückkehren. (Am Ende schaffen es einige nicht ganz.)
Am Mittwoch ist er wieder im Studio. Er improvisiert den Text zu einem Song, den er gerade um eine Bassstimme herum entwickelt hat.
«... white 74 ... white 74 ... when she waited, they said <What for?> ... you want some more ... white 74 ... into Dusty, into fame ... into working your silly games ... Friday's your payday ... white 74 ... talking on the phone ... sleeping all day ... getting it wrong ... the way it should be done white 74 ... white 74 ... ice cream in sand dunes ... magnifying ants ... white 74 ...» «Ich muss Musik machen, die zu meinen Tattoos passt», erklärt er. Er greift nach dem 1986 erschienenen Smash Hits Yearbook, das Stephen mitgebracht hat. Belustigt liest er ein Zitat von Simon le Bon vor: «Ich bin nicht unsterblich in mich selbst verliebt. Ich glaube nur, dass ich überhaupt keine schlechten Seiten habe.» Rob seufzt. «Popstars waren damals so viel interessanter», sagt er und liest weiter. (Dabei entdeckt er, dass Peter Hook und Peter Tork am gleichen Tag Geburtstag haben wie er, Peter Gabriel auch, aber das wusste er schon vorher. Alle Peters. «Eigentlich sollte ich Pete heißen», erzählt er.) «Lieber Himmel, Popstars waren damals wirklich großartig. Ich könnte echt heulen.» Er schüttelt den Kopf, als er an diese Zeit denkt, in der Popmusik und ihre Stars in erheblich größeren Dimensionen von Reichtum, Irrsinn, Dummheit und Cleverness aufeinander prallten. Für Teenager, die ihre Träume verwirklichen und ihren Platz in der Welt finden müssen, während sie versuchen, all die Wunder und all die Scheiße um sich herum zu begreifen und einen Sinn darin zu erkennen, boten Popstars eine höchst facettenreiche und provokante Inspiration. Jahrelang hatten Kritiker und Kulturexperten, die nicht so genau hinsahen, über die von Teenagern geliebte Popmusik gespottet und sie als banalen, bedeutungslosen Unsinn, als Fließbandware abgetan. Genau das war sie nicht. Das Traurige daran aber ist, dass sich in jüngster Zeit ein großer Teil genau dazu entwickelt: zu einer Farce, ganz nach dem Geschmack ihrer dämlichsten Kritiker. «Weil Popstars alle möglichen Vorstellungen von der Welt hatten, glaubten die Leute, sie müssten auch irgendwelche Vorstellungen von der Welt haben», sagt Stephen, der seinen kurzen Ruhm als Popmusiker unter dem Namen Stephen «Tintin» Duffy Mitte der 80er Jahre erlebte. «Und heute glaubt keiner mehr, dass er
irgendwelche Vorstellungen von irgendwas haben müsste, außer bei zu landen.» Rob blättert Seite um Seite um. «Ich erwarte immer, mich zu sehen», sagt er. «Ziemlich enttäuschend, dass ich nicht hier drin bin. Können wir irgendwas dagegen tun, dass ich 1986 noch nicht berühmt war?»
George Michael ruft von unten an und fragt, ob Rob Lust hat vorbeizuschauen. Er spielt ihm einen seiner neuen Songs vor, «Through», so was Ähnliches wie seine Ruhestandserklärung. Dann fragt er, ob Rob ihn im Fernsehen interviewen würde, wenn sein Album erscheint. Rob verspricht ihm, darüber nachzudenken. Der Song gefällt ihm, obwohl er sich ein bisschen geärgert hat, als George meinte: «Du machst wohl gerade deine Rock-Phase durch, was? Hör dir doch mal , das war es immer. Es macht mir nichts aus, dass wir Amerika nicht erobert haben. Was mir was ausmacht, sind abfällige Bemerkungen darüber. Es ist mir egal, dass ich es nicht geschafft habe, aber es ist mir nicht egal, wenn irgendwer glaubt, es würde mir jede Menge ausmachen. Ich habe noch viel Zeit, irgendwas zu bedauern, mir Gedanken oder Sorgen zu machen. Aber im Augenblick bedaure ich gar nichts. Ich scheiße einfach drauf. Im Übrigen glaube ich keinen Augenblick, dass es daran liegt, dass ich nicht gut genug bin. Ich finde eher, dass Amerika ...» — er stockt einen Augenblick — «... warte, ich suche nach einem besseren Ausdruck als . Ich glaube, dass Amerika, die amerikanische Unterhaltungsindustrie, von mir profitieren könnte.»
Auf dieser Tour hat er die Welt des iChat entdeckt. Mit Hilfe des Breitbandkanals im Hotel und einer kleinen Videokamera, die mit dem Laptop verbunden ist, kann er Videokonferenzen mit dem Rock Band Studio in Los Angeles abhalten, wo Stephen und Andy zurückgeblieben sind. Jede Nacht arbeiten die drei weiter an ihren Songs. Rob hört sich die Mixe in seinem Hotelzimmer an, gibt Kommentare und spielt ihnen manchmal sogar irgendwelche Ideen auf dem Computer vor. In den Pausen richten Andy oder Stephen die Kamera ins Tal, damit Rob sehen kann, wie das Wetter ist. Als einige seiner Möbel aus England ankommen, gehen sie mit der Kamera durchs Haus, damit er auch sie begutachten kann. Wir hören uns die neuen Songs auf dem Computer an. Einige von denen, die ihm am besten gefallen, sind sehr gelungen, und andere, die sie scheinbar übersehen haben, gefallen mir ebenfalls sehr. Mein Lieblingssong ist ein sehr reduziertes Stück namens «Cake», dessen Gesangsspur er nur einmal improvisiert hat, als er mit einem Lutscher in der Hand in seinem Schlafzimmer in Los Angeles saß und Ms. Pacman spielte. Er spricht es nicht aus, aber ich vermute, es hat etwas mit der Zeit zu tun, als er zum ersten Mal ein eigenes Zuhause hatte und machen konnte, was er wollte.
«... And I'm drowning slowly You'll be at home And I'll be here wired Because this is what we get For having our on Sense of identity When we leave our homes We get to do drugs We get to eat cake ... » Es klingt sehr ehrlich, verzweifelt, aber auch hoffnungsvoll, weil er das Ganze in einem Song verarbeiten kann.
Während wir die Songs anhören, zieht er die Schublade in seinem Hotelschreibtisch auf und entdeckt einen Bleistift und einen Bleistiftanspitzer. Der Bleistift ist bereits scharf, aber er spitzt ihn trotzdem nochmal an. Dann betrachtet er entzückt den gespitzten Bleistift. «Das habe ich seit fünfzehn Jahren nicht mehr gemacht.»
David kommt vorbei. Sie reden über die Absage von heute Morgen. «Bei uns muss es immer irgendwie dramatisch zugehen, was?», lacht David. «Für mich zählt nur eins», gibt Rob zurück. «Ich habe keine Lust, wieder einen Nervenzusammenbruch zu kriegen.» «Ist mir klar», meint David. «Dir ist wirklich klar, was das bedeutet?», hakt Rob nach. «Ja, sicher.» Dann reden sie über eine mögliche Trackliste für die Greatest Hits im kommenden Jahr. «Ich habe eine Idee für einen versteckten Track», sagt Rob. «Wir verstecken ihn in <Swindon>.»
Als Rob aufwacht, erwarten ihn eine Nachricht und ein Paar Fußballschuhe, die ihm Luis Figo ins Hotel hat schicken lassen. Real
Madrid muss heute Abend ein Heimspiel in der Champions League bestreiten, trotzdem haben einige Spieler bereits versucht, herauszukriegen, wie sie zu Robs Konzert kommen können. (Einer ihrer Manager kam auf die Idee, Rob könne das Konzert später anfangen lassen. Er antwortete, sie könnten doch stattdessen das Fußballspiel vorziehen.) «Wo sind meine Antidepressiva?», fragt Rob, als er aus dem Bett stolpert. «Heute brauche ich sie, verdammt.» In der Garderobe wird ein weiteres Geschenk abgegeben. Ein signiertes Trikot für Rob und eins für Freddie, beide von David Beckham. Auf dem für Rob steht: «Alles Gute Besos, David x» Daraufhin zerbricht er sich stundenlang den Kopf, was er auf das Robbie Williams-T-Shirt schreiben soll, mit dem er sich revanchieren will, und fragt die diversen Anwesenden um Rat. «Damit habe ich sie flachgelegt – stört dich der feuchte Fleck?», schlägt er vor. «Oder: Damit habe ich sie flachgelegt, und sie war echt süß.» «Er hat bloß geschrieben», betont Lee. «Yeah, aber auf Spanisch. Wie wär's mit Das sind die einzigen spanischen Worte, die ich kenne.» Die Debatte setzt sich noch eine Weile fort, und Rob wird immer nervöser. Schließlich schreibt er: «Für Mr. David Beckham, in Liebe und Bewunderung von Stoke-on-Trent.»
Bei diesem Teil der Tour wurde die Seilnummer gestrichen. Es ist ein abgespecktes Programm, und es gibt auch keine Leinwand mehr, hinter der er hätte hängen können. Stattdessen taucht er bei «Let Me Entertain You» in der hinteren Ecke der Bühne auf und bleibt dort erst mal stocksteif stehen. Während des heutigen Auftritts erwähnt er sowohl David Beckham als auch Figo in «Me And My Monkey», und als er hört, dass Figo, der nach dem 1:0-Sieg von Real Madrid
praktisch vom Platz direkt in den Wagen gesprungen sein muss, bereits da ist, verspricht er im Backstage-Bereich: «Dann drehe ich noch eine Spur auf», und genau das tut er. Er widmet ihm «Rock DJ» und beschließt dann, im Anschluss an «Angels», den Song «Come Undone» ein zweites Mal zu singen – «für alle Freunde, die zu Beginn des Konzerts noch nicht hier sein konnten». Im Bus telefoniert Josie mit David Beckhams neuem Assistenten Terry, und Rob bittet sie, ihm das Telefon zu geben. «Hier ist Rob», sagt er. Offenbar steht Terry direkt neben David Beckham, denn ohne weitere Diskussion beginnen die beiden jetzt das erste richtige Gespräch ihres Lebens. «Hi ya, Kumpel ... alles okay, ja, alles okay ... wie war euer Spiel? Ihr habt gewonnen ... Weißt du, genauso war es bei meinem Konzert auch. Ich habe schon besser gespielt, aber 1:0 gewonnen ... Es war verrückt, echt verrückt – bei den ersten fünf Songs hatte ich das Gefühl, sie hätten dafür bezahlt, jemand anderen zu sehen ... ehrlich ... am Ende hatte ich sie auf meiner Seite, aber es war harte Arbeit ... Wie läuft's bei dir? ... Wirklich ...» Die Verbindung bricht ab. «Er sagte, bei ihm wäre es genauso gewesen – zu Anfang hätte er nichts gespürt», erklärt Rob. David Beckham ruft zurück, und Rob verspricht, auf einer Party für seinen Mannschaftskollegen Michel Salgado vorbeizuschauen, um ihm guten Tag zu sagen. Rob stürzt ins Hotel, zieht sich um, trinkt einen Espresso auf die Schnelle und brennt seinen noch nicht veröffentlichten Song «Blasphemy» auf CD, als Geschenk für David Beckham. Der Club in der Calle Serrano 41 ist rammelvoll. Ein paar Meter weiter kann ich Ronaldos kahlen Schädel erkennen. Wir warten an der Bar, bis jemand David Beckham aufgetrieben hat. Als er kommt, stellen sich andere Leute rings um uns, und plötzlich bin ich zum inoffiziellen vierten Mitglied eines Sicherheitskordons um die beiden geworden. Sie stehen in der Mitte und unterhalten sich, die Köpfe zusammengesteckt. Das Einzige, was ich aus dem Partylärm heraushören kann, ist Robs Stimme, als er David Beckham von iChat erzählt, aber nach dem, was Rob später erzählt, haben sie sich nicht lange mit Smalltalk aufgehalten. Offensichtlich haben beide im anderen einen der
wenigen Menschen erkannt, denen sie bestimmte Erfahrungen anvertrauen können, in der Hoffnung, verstanden zu werden. In der Hotelbar wartet Figo mit Frau und Freunden. (Um der Fußballetikette zu entsprechen, musste Rob sich davonstehlen, um David Beckham zuerst zu sehen, ohne dass Figo es mitkriegte und gekränkt gewesen wäre. Jetzt sieht es so aus, als sei er gerade aus seinem Zimmer heruntergekommen.) Er erzählt Figo von den Problemen des heutigen Konzerts. Der verrückteste Augenblick war, als ein gigantisches Insekt mitten auf der Bühne um ihn herumsummte. Es dauerte eine Ewigkeit, bis es in einer lang gezogenen Kurve über das Publikum hinweg zum anderen Ende der Stierkampfarena segelte. «Ich habe kein Talent dafür, auf der Bühne gegen Heuschrecken zu kämpfen. Mit Fans komme ich klar, aber bei Heuschrecken bin ich verloren.» Wieder im Hotelzimmer, ruft er Jonny an und bringt ihn genüsslich auf die Palme, indem er zuerst von Figo erzählt und dann beiläufig David Beckham erwähnt. «Was sagst du jetzt?», fragt er. «Wir haben uns lange und sehr persönlich unterhalten, und er war supernett. Und ich habe gesagt, ich werde keinem davon erzählen, nichts wird je über meine ... » Er legt ein Video von dem heutigen Manchester United-Spiel ein; ein Freund von Figo hat es freundlicherweise für ihn aufgenommen und sich dann ins Auto gesetzt, um es ihm zu bringen. «Was für ein toller Abend», seufzt er. «Vom Wunsch, während der ersten fünf Stücke alles hinzuschmeißen, bis zum internationalen Sprecher für Popstars. Ich habe sämtliche Schranken gesellschaftlicher Unfähigkeit eingerissen.»
Die Tour zieht weiter, durch Osteuropa und Russland. Rob lässt sich die Haare wachsen, löst den Chatroom auf seiner Website auf, nachdem es ihm zu unheimlich wird (eines Nachts behauptet dort jemand, Rob sei soeben bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen), fängt an, Scrabble zu spielen, und streicht Woche für Woche mehr Songs aus dem Programm. Wir halten Kontakt via iChat.
Eines Nachts spielt er Morrisseys Songs, während er tippt. «Im Augenblick bin ich Morrissey für das ordinäre Großbritannien», schreibt er. Und ein paar Tage später: «Ich bin schon wieder im Vorruhestand. Habe so was wie einen Hänger ... hinsichtlich meiner gesamten bisherigen Karriere. Es ist ein bisschen melodramatisch in den letzten Tagen ... bilde mir ein, beschissen und falsch zu sein. Es macht mich traurig, dass so viel Zeug veröffentlicht wird, das nichts mit mir zu tun hat. Oder meiner Musik.» Als ich nachhake, stellt er klar, dass er nicht deprimiert ist. «Ich bin nicht Elliott Smith. Ich bin wirklich ganz cool. Ich will nur richtig stellen, was ich falsch finde, das ist alles.»
Mitte November fliege ich für die letzten beiden Konzerte in Europa nach Oslo. Am Abend meiner Ankunft spielen wir Scrabble und reden dabei lange darüber, was ihm in den letzten paar Monaten durch den Kopf gegangen ist und was er in nächster Zeit tun und nicht tun sollte. Er hat ein paar unerwartete Schlüsse gezogen. «Knebworth war kein wirklicher Genuss. Es war einfach nur Stress. Ich habe keinen Teil der Tour wirklich genossen, bis auf die zwei Stunden auf der Bühne, wo jeder an seinem Platz ist. Das macht mir Spaß. Ich habe Amerika abgesagt, weil es das letzte Steinchen des Puzzles ist, und es juckt mich nicht. Justin Timberlake gewinnt drei Preise bei den MTV Awards, und es macht mir nicht das Geringste aus ... ich glaube, all das trägt nur dazu bei, dass ich mich immer weniger aufrege. Ich habe genug Geld, vielen Dank. Ich frage mich ernsthaft, was muss ich mir eigentlich noch beweisen? Um sicher zu sein, dass alles okay ist mit mir?» «Glaubst du, Elton John geht es auch so?», unterbricht Pompey. «Nein, Elton John steht gern auf der Bühne, und Elton John verdient auch gerne Geld, vor allem aber gibt er es gern aus. Er geht wirklich gern auf Tour. Er steht drei Stunden auf der Bühne, nur er und sein Flügel, und es macht ihm Spaß. Ich schätze, wenn ich eines Tages Geld bräuchte, könnte ich auch wieder touren. Egal auf welchem Level, ob große Stadien oder sonst was. Ich will nichts anderes als mich darum kümmern, was mir wirklich Spaß macht, und was mir wirklich Spaß macht sind neue Songs.»
Die Frage ist nur, ob du dich nicht aufregen wirst, wenn du zwar die Platten machst, auf die du am meisten stolz bist, aber trotzdem weniger Erfolg hast und weniger Aufmerksamkeit bekommst, weil du dich aus dem ganzen Rummel zurückziehst, werfe ich ein. «Sehen wir es doch mal so», antwortet er. «Wenn ich nun mal keine Lust habe, auf Tournee zu gehen — und so ist es — und ich es nicht unbedingt machen muss, dann sollte ich es auch nicht tun. Genau wie die ganze USA-Nummer: <Stimmt, du wusstest schon vorher, dass du es eigentlich gar nicht wolltest, aber du hast es trotzdem probiert, nur um zu sehen, ob du Recht hattest.> So, und nun weiß ich es. Es macht keinen Spaß. Das Einzige, was mir zu schaffen machen würde, wenn ich das nächste Album nicht promote, wäre, dass Stephen Duffy nicht die Anerkennung bekommt, die er verdient. Das wäre das Einzige, das mir was ausmacht.» Ich spiele den Advocatus Diaboli: Aber wenn du eine Platte machen würdest, hinter der du komplett stehst, mit Haut und Haaren, und sie wäre erfolgreich, aber nicht so erfolgreich, weil sie nicht das riesige Tamtam drum herum hätte, wärst du dann immer noch so cool? Oder würdest du nicht doch ein bisschen Panik kriegen? «Ich wurde reich und unglücklich – das ist das Einzige, wozu dieses Leben geführt hat», sagt er mit einer solchen Leidenschaft und Kraft, als hätten diese Worte nur darauf gewartet, irgendwann herauszusprudeln. «Es hat mein Familienleben zerstört und dafür gesorgt, dass ich Probleme habe, Freundschaften zu schließen. Der ganze Rummel hat mich verkorkst und deprimiert. Erst in den letzten anderthalb Jahren habe ich einen anderen Weg entdeckt, mein Leben zu leben, und jetzt kann ich es mir auch leisten. Ich bin absolut überzeugt, dass ich zum Entertainer geboren bin. Daran zweifle ich überhaupt nicht mehr – ich mache es einfach, die Leute kommen, haben ihren Spaß, und am Ende klatschen sie Beifall. Aber genauso fest glaube ich, dass ich nicht hart bin, um das durchzuziehen. Ich meine, psychisch habe ich eine Menge aushalten müssen, einfach, weil ich nicht hart genug war. Und ich weiß, wenn eine Platte rauskommt und ich losziehen und alles Mögliche dafür tun muss, werde ich traurig. Das ist alles. Kapierst du das? Ich war überall auf der Welt. Und ich habe nicht viel mehr gesehen als Hotels.»
Aber was ist mit dem Teil von dir, der dabei erst aufblüht? Du hast nun mal auch ein riesiges Ego und eine Menge Stolz; diese Seite des Erfolgs hat dir viel bedeutet, die Bestätigung, die du dadurch erfahren hast. Das Spiel zu gewinnen. Du gewinnst nun mal gern. «Yeah», sagt er. «Aber ich habe schon gewonnen. Für mich ist es ... ist es wie ein Zehnkampf. Ich bin auf den 1500 Metern, bin Daley Thompson, und ich hab schon alles geschafft, also werfe ich einen Blick zurück. Ich bilde mir ein, dass ich glücklich wäre, Musik zu machen, Platten rauszubringen, und wenn sie dann jemand anhört und kauft – super! Inzwischen wird mein Bild in der Öffentlichkeit nicht untergehen, sondern nur um ein Hundertfaches abnehmen – das kann 18 Monate, fünf oder sechs Jahre dauern –, und in dieser Zeit kann ich mein Leben genießen, ein Musical und fünf Songs für andere Leute schreiben, Golf spielen, verdammt nochmal, irgendeine Art von Privatleben haben. Ein richtiges Leben haben. Denn sehr lange wird es nicht dauern, verdammt, ich meine das nicht sentimental ... aber wird es wirklich nicht. Ich fände es beschissen, 35 oder 36 zu sein, noch zweieinhalb oder drei oder vier Platten gemacht zu haben und immer noch zu jammern, dass ich das alles zum Kotzen finde. Verstehst du, jeder Teil von mir, alles an mir schreit die ganze Zeit: » Wirst du jetzt jeden Tag mit diesem Gedanken wach? «Es deprimiert mich nicht. Das liegt daran, dass ich es jetzt weiß ... vorher war es immer so: Jetzt ist es: » Fandest du es schon genauso schlimm, bevor du auf Tour gegangen bist? Er zögert und denkt nach, bevor er antwortet: «Ich meine, wenn man es sich genau anguckt, wo waren wir? Wir waren in Japan, das war interessant, aber außer interessant war es auch einsam und langweilig. Wer weiß? Ich könnte ein Album machen und es promoten, weil ich verheiratet bin und drei oder vier Wochen Pause von Frau und Kindern haben will. Aber Japan sorgte wenigstens für ... ein mildes Interesse. Und wo waren wir noch? In Amerika musste man früh aufstehen, um zu irgendeiner Radiosender zu fliegen, und das
war nur deshalb okay, weil es nicht wehtat. Aber es war gerade mal okay.» Pompey wirft ein, dass er vielleicht so wie andere Leute hauptsächlich als Songwriter bekannt werden könnte, wie die Bee Gees zum Beispiel. Ich sage, das Problem bei Rob ist, dass die Zuschauer zwar seine Songs lieben, aber alle nur von seinen Qualitäten als Performer sprechen. Im Grunde läuft es darauf hinaus: Wenn sie sehen, was er tut – egal, ob es drei Minuten im Fernsehen sind oder ob sie nach Knebworth fahren –, wenn sie es mit eigenen Augen sehen, glauben sie einfach nicht, dass es ihm selbst keine Befriedigung verschafft. Sie können es nicht glauben. «Yeah», nickt Rob. «Aber in Wirklichkeit ist es so: Gestern Abend hatten wir einen phänomenalen Gig. Wir haben das Publikum platt gemacht. Und das Publikum war begeistert. Ich weiß, dass es ein guter Gig war. Es macht mir nur keinen Spaß. Ich meine, alles in mir sagt nein. Und nichts in mir sagt ja.» Er lächelt in sich hinein. «Ich glaube, es wäre ein riskantes Spiel, wenn ich rauskriegen wollte, ob ich ohne den Rummel glücklich wäre. Denn was mache ich, wenn sie mich nicht mehr zurückhaben wollen? Aber rauskriegen muss ich es wohl.»
Josie ist in ihrem Hotelzimmer, als am nächsten Morgen das Telefon klingelt. Als der Anrufer seinen Namen nennt, ist sie misstrauisch. Sie glaubt, dass es vielleicht wieder der Teddy Sheringham-Imitator ist, der einen neuen Dreh versucht. Sie entschuldigt sich vorsichtig und erklärt, dass sie dieses Jahr mit jeder Menge Hochstaplern zu tun hatten. Der Anrufer sagt, das könne er sehr gut verstehen, aber er wolle trotzdem mit Rob persönlich sprechen. «Ich möchte nicht, dass noch ein Weihnachten vergeht, ohne dass wir miteinander geredet haben», sagt er. Sie notiert sich seine Telefonnummer. Als Nächstes ruft sie Mark Owen an und hinterlässt ihm eine Nachricht, in der sie die Situation erklärt. Er ruft zurück. Ja. Die Nummer, die sie überprüfen wollte, gehört tatsächlich dem Mann, der sie ihr gegeben hat. Es war Gary Barlow.
Rob erscheint am späten Nachmittag im Salon seiner Suite. Eine Frau, die er letzte Nacht auf dem Flur des Hotels aufgegabelt hat, liegt noch in seinem Bett. Josie zeigt Rob die Einladung zum Lunch mit Donny Osmond — irgendein größeres Ereignis mit offiziellem Programm, natürlich, kein Tisch für zwei, um sich gemütlich zu unterhalten. Rob redet nicht viel. Er isst sein Müsli. Dann erzählt sie ihm von Gary Barlow. Sein Ausdruck verrät, dass er den Anruf als absurd empfindet, allerhöchstens noch, dass die Leute jetzt irgendeine Reaktion von ihm erwarten und er ihnen diesen Gefallen nicht tun wird. Er sagt kein Wort. «Wie spät ist es?», fragt er schließlich. Halb fünf. Rob sagt, es wären zu viele Menschen im Zimmer, die Frau könnte nicht an allen vorbeigehen, und schlägt vor, dass sie allein gehen soll, wenn sie alle weg sind. Man rät ihm davon ab, und Jason bleibt da, um sie hinauszubringen. Pompey fragt, ob er ihr eine Karte für das Konzert besorgen soll. Rob nickt. Er starrt sein Spiegelbild im Fenster an. «Ich sehe aus wie Jack 'White von den Red Stripes», sagt er müde. Dann denkt er einen Augenblick nach. «Den White Stripes», korrigiert er sich.
«Ich bin bloß sauer», erklärt er im Bus. «Worüber?», fragt David besorgt. «Dass ich immer noch auf Tour bin.» David wirkt erleichtert, dass es nichts Schlimmeres ist. «Wir haben es ja fast geschafft», meint Josie. «Nein. Ich hatte gerade jede Menge Albträume. Sehr realistisch. Und dann wache ich auf, und du sagst, Gary Barlow hätte angerufen.» «Sorry», sagt sie. «Bestimmt steckt irgendwas dahinter», meint David.«Yeah, bestimmt.» «Wäre interessant rauszukriegen», sagt David. «Nein, wäre es nicht.» «Nein?» «Nein. Hat er das wirklich gesagt? ?» «Er hat angerufen und gesagt ... », erklärt Josie.
«Das ist sehr mutig von ihm. Die Sache ist nur, ich will keinen Kontakt zu ihm. Ich habe keine Lust, mich an alte Zeiten zu erinnern. Es gibt nichts, was ich ihm zu sagen hätte ... » «Hast du noch irgendeine alte Rechnung offen?», vergewissert sich David. «Nein», sagt Rob. Dann sieht er meinen Gesichtsausdruck. «Hau ab, Chris.» «Wenn nämlich ja, wäre es jetzt die beste Gelegenheit, ihn loszuwerden», meint David. «Die Sache ist, ich habe vergessen, warum ich so sauer auf ihn war.» Er wirft mir einen Blick zu. «Kannst du mich vielleicht erinnern?» Später kommt er nochmal auf das Thema zurück. «Ich dachte, will ich das? Und die Antwort heißt nein. Das ist alles. Ich wollte wissen, ob es irgendwas an ihm gibt, worauf ich anspringe und wo ich sagen würde: <Ja, es wäre wirklich nett, Kontakt zu ihm zu haben, einfach mal guten Tag sagen ... du weißt schon, wie geht's, wie steht's ... ?> Aber ich habe kein Interesse daran, zu erfahren, wie sein Leben läuft und was er heute macht. Ich habe einfach ... keine Lust.» Er zuckt die Achseln. «Du weißt schon. Furzerei. Noel Gallagher.»
«Wirklich schade, dass sie schon verheiratet ist», erzählt Rob dem Publikum in Oslo. «Stellt euch das vor! Robbie Williams, Prinz von Norwegen!» Er gibt zwei Konzerte in Oslo. Am ersten Abend ist die Prinzessin von Norwegen da, und auf der Party, die anschließend ihm zu Ehren veranstaltet wird, unterhält er sich kurz mit ihr. Am zweiten Abend spricht er über sie. «Aber wird sie halten, diese Ehe?», fragt er das Publikum. «Nein. Denn ich möchte Prinz von Norwegen werden ...» Ein paar Songs später kommt er noch einmal darauf zurück. «0 ja! Prinz Robbie. Ich sehe es förmlich vor mir. Wenn ich König werde, seid ihr alle frei! Keine Steuern mehr! Bier und Wodka umsonst! Was könnte ich noch einführen? Yeah! Plastische Brustvergrößerung obligatorisch! Es sei denn, sie ist bereits groß genug. Das ist das neue Gesetz.»
Und wieder ein paar Songs später: «Sie ist eine wunderschöne Prinzessin, jawohl. Ich meine, in England ... in England haben wir auch eine Königsfamilie, aber die sehen alle aus wie Bulldoggen, die gerade eine Wespe verschluckt haben ... » Pause. «Jetzt werde ich bestimmt nicht mehr zum Ritter geschlagen.» Die für das Ende einer Tour typische Ausgelassenheit schlägt erst bei der Zugabe durch, als er «We Will Rock You» zum zweiten Mal an diesem Abend anstimmt, dann zu «Bohemian Rhapsody» übergeht und die belustigte Band schließlich zu einem völlig ungeplanten, schiefen und holprigen Medley von «Another One Bites The Dust», «I Still Haven't Found What I'm Looking For» und «Suspicious Minds» animiert. Nach «Angels» entschuldigt er sich — «Hört mal, Leute, heute Abend war ich so verdammt müde, es ist unfassbar» — und erklärt dann, er würde noch einen Song drauflegen, den er seit einer Weile nicht mehr gespielt hätte. «Macht es für Barlow!», schreit er in den Refrain von «Back For Good» und fängt dann im Mittelteil plötzlich an, über den Text zu diskutieren. «We will never be uncovered again ... », singt er. «Was zum Teufel soll das denn bedeuten? Was bedeutet das?»
Normalerweise gibt es einen Hinterausgang, den der Bus beim Verlassen des Veranstaltungsorts nehmen kann, doch heute müssen wir durch den Parkplatz fahren und sind umringt von aufbrechenden Zuschauern und Verkaufsständen mit gefälschten MerchandiseArtikeln, als wir uns langsam von der Halle wegbewegen. Nur die verdunkelten Fenster verhindern, dass Rob erkannt wird. Er sitzt im Dunkeln und singt einen Song von Randy Newman vor sich hin, einen satirischen Song über Ruhm, der entstanden ist, als Newman selbst gerade nicht besonders berühmt war. Egal, ob Rob ihn an sich selbst richtet oder es einfach nur ein Song ist, der ihm gefällt, auf alle Fälle klingt seine Stimme erheblich rauer und facettenreicher, als er unerkannt durch einen Parkplatz voller zufriedener Fans entwischt.
«Listen all you fools out there Go ahead, love me, I don't care Woah ... it's lonely at the top»
Die Tour ist noch nicht ganz geschafft. Gleich nach der Show fährt er zum Flughafen, wo der Flieger wartet, um ihn nach Berlin zu bringen. Morgen wird er mit einem kurzen Swing-Set auf einer Party anlässlich der Deutschland-Premiere von Findet Nemo auftreten. Es ist zwei Nächte her, seit er methodisch, logisch und aufrichtig die Gründe und Gefühle dafür aufgezählt hat, warum er das alles nicht mehr will. Als wir im Bus vom Flughafen ins Zentrum von Berlin sitzen, unterhält er sich euphorisch mit David darüber, wie man eine Swing-Tour in seinen Terminplan einbauen könnte. «Ich weiß, was ich gesagt habe ... », wirft er mir unaufgefordert zu. Manchmal ist es eine grässliche Bürde, wenn man für frühere Äußerungen zur Rechenschaft gezogen wird. «Glaubst du, dass eine Swing-Tour weniger stressig wäre?», fragt Josie. Er nickt. «Weil ich nur da stehe. Es ist relaxter. Kein Hinundhergelaufe mehr. Und danach könnte ich sofort ins Bett gehen.» Wir nähern uns dem Hotel. «Ich sage euch was über diese Tourerei, sie kann einen ziemlich süchtig machen», meint er. «Einfach immer auf dem Weg irgendwohin, um irgendwas auf die Beine zu stellen. Ich meine, wenn wir es wieder so machen würden, mit großen Stadien und so weiter, vier Wochen Tour, zwei Wochen Pause, vier Wochen Tour, zwei Wochen Pause?» «Yeah», sagt David. «Glaubst du, wir könnten nochmal nach Prag und im Stadion spielen?» Mittlerweile bucht er eine Swing- und eine Stadion-Tour. Aber damit nicht genug. «Wir sollten das Pure Francis-Album richtig toll promoten», sagt er. «Überall auf der Welt, denn es wird großartig. Danach machen wir ein Swing-Album, das läuft garantiert. Wir bringen noch ein StudioAlbum raus; bis dahin sind wir raus aus dem Vertrag ...»
Er unterbricht sich. «Ach, ich mach das alles sowieso nicht», erklärt er nicht gerade überzeugend. «Ich bin im Vorruhestand.» Er lacht. «Das Tolle an mir ist, ich kann mich immer wieder neu entscheiden», sagt er. «Ist es nicht verrückt, dass ich hundertprozentig überzeugt bin, alles ist vorbei und genauso fest glauben kann, nein, ist es nicht?»
3 Das Ende des Jahres rückt näher, und nun, da er Südamerika und Südafrika abgesagt hat, schließt sich der Kreis, der mit Escapology begonnen hatte. Es liegen nur noch vier große Konzerte in Australien und Neuseeland vor ihm und dazwischen eine kurze Atempause in Los Angeles. Zunächst aber muss er in London bleiben, um noch ein paar Promotionverpflichtungen wahrzunehmen und für nächstes Jahr ein Haus auf dem Land zu suchen. Er plant, die Hunde mitzubringen und ein paar Monate hier zu bleiben. Josie sorgt für einen Besichtigungsflug per Helikopter, und er findet ein Anwesen, das ihm gefällt. Im Odeon am Leicester Square findet eine Galapremiere für die Knebworth-DVD What We Did Last Summer statt. Am gleichen Abend macht Michael Jacksons bevorstehende Verhaftung wegen Verdachts auf Kindesmissbrauch Schlagzeilen, weshalb einige Nachrichtenkameras im letzten Moment wieder von der Premiere abgezogen werden. Das einzige andere Mal, als er im Mittelpunkt einer ähnlichen Veranstaltung stand – der Premiere für die Dokumentation Nobody Somebody –, hat er ziemlich unangenehmer Erinnerung. Die erste Frage, die man ihm am Ende des roten Teppichs stellte, lautete: «Eindreiviertelstunde – ist das nicht ein bisschen viel Ego auf einmal?» «Keine Ahnung», antwortete er. Auch auf jede weitere Frage antwortete er mit: «Keine Ahnung» – und als er der Presse erklärte, dass er eigentlich gar keine Lust hätte, hier zu sein, zerrte man ihn weg. Heute Abend gibt er geduldig Autogramme auf dem Weg in den Saal und stellt sich einer Reihe von kurzen Fernsehinterviews. «Ich habe
die DVD noch gar nicht angeschaut», erklärt er einmal. Dann führt man ihn zu einer Pressekonferenz in einen kleinen Vorführraum voller Journalisten. Eine Frau aus Österreich fragt, ob er immer noch daran dächte, aufzuhören. «Yeah», sagt er. «Jeden Tag. Das tue ich jeden Tag. Und dann ... bin ich schizophren. Wissen Sie, es gab einen Abend während der letzten Tour, da wollte ich nie wieder auf Tour gehen, und am nächsten Tag, auf dem Weg zum Veranstaltungsort, redete ich von drei neuen Tourneen – eine Swing-, eine Dies- und eine Das-Tour. Daran sehen Sie, dass ich mir selbst nie völlig trauen kann.» Der erste Teil davon – «Robbie Williams: Ich denke jeden Tag ans Aufhören» – ist das Zitat des heutigen Abends, das für die meisten Schlagzeilen sorgt. Zeit für ein paar Fragen der britischen Boulevardpresse. «Hi, ich bin Nadia vom Star – ich wollte fragen, was Sie von George Bush und seinem aktuellen Besuch in England halten?» «Was ich von George Bush und seinem Besuch halte?», wiederholt Rob. «Das fragt der Star? Machen Sie Witze? Wirklich?» Sie nickt. «Na schön, äh ... ich hoffe, dass er sicher gelandet ist, sicher wieder abreisen wird und dass niemand zu Schaden kommt, solange er hier ist.» Pause. «Und ich liebe Titten und Bier.» Alles lacht, und es gibt vereinzelten Beifall. Als Nächstes muss er sich vor dem Publikum im Kino blicken lassen. Er steht mit Ralph Fiennes neben der Bühne; Fiennes stellt einen Unicef-Film über Kinderarbeit vor, den Rob im vergangenen April präsentiert hat, und dann Rob selbst, der wiederum ein paar einführende Worte zu dem Film über Knebworth spricht. Als auf der Leinwand zu sehen ist, wie Robbie Williams auf die Bühne schwebt, verlässt Rob das Kino durch den mittlerweile verlassenen Haupteingang und macht Pläne fürs Abendessen.
Beim Dinner unterhalten wir uns darüber, wie verrückt es ist, um Autogramme zu bitten. «Aber so geht das schon seit Jahren», meint Jan. Rob erzählt, einmal hätte eine Frau ihn im Park angesprochen, und er hatte sie gefragt, warum sie das Autogramm haben wollte. «Damit ich meinen Freunden zeigen kann, dass ich dich getroffen habe», sagte sie. Er fragte, warum sie das tun wollte. «Weil es toll
ist», sagte sie. Er fragte nach jeder neuen Antwort, warum, bis sie offenbar verstand, was er sagen wollte und ohne Autogramm abzog, weder böse noch enttäuscht. Er räumt ein, dass er sich als Kind selbst Autogramme von Bryan Robson und Paul Gascoigne besorgte, aber es ist anders, wenn man noch jung ist. Zwischen Kindern ist es so etwas wie eine Währung, sie zeigen sich gegenseitig ihre Autogramme. Erwachsene tun das nur selten, sie erzählen höchstens, dass sie von dem und dem eins haben. Warum reicht es dann nicht, zu sagen, dass man denjenigen gesehen oder begrüßt oder sonst was hat? «Wenn man jung ist, bedeutet es was anderes», sagt er. «Man möchte, dass etwas von dem Idol auf einen selbst abfärbt. Eine Unterschrift ist wie ein leibhaftiges Stück des Stars.» Er betont, dass er keineswegs immer ablehnend auf Autogrammwünsche reagiert. «Wenn man mich nicht schon dreißigmal an diesem Tag genervt hat, gebe ich eins. Es ist nur so, dass man ein bisschen von sich selbst behalten möchte, und eine Menge Leute denken, dass sie die Einzigen sind, die an diesem Tag fragen. Aber das stimmt nicht. Jeder normale Mensch macht Feierabend und geht nach Hause. Ich dagegen arbeite, sobald ich das Haus verlasse und höre nicht mehr auf. Die erste Reaktion, wenn Leute mich sehen, ist, sie gucken mich an und greifen im gleichen Augenblick zu Bleistift und Papier.» Wenn man sehr berühmt ist, addieren sich diese Minuten einfach so lange, bis man Stunden, Tage, Monate oder gar sein ganzes Leben damit verbringt, sich auf die sanfte Tour zu Tode nerven zu lassen. «Aber wie ich es auch sage und was ich auch tue, immer wird es als Meckerei aufgefasst.» Ich frage ihn, was er denkt, wenn er liest, dass Prominente behaupten, gerne Autogramme zu geben? Hat er das Gefühl, das sei alles Schwindel oder dass sie anders sind oder gar verrückt? Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: «Ich denke, dass sie nicht so berühmt sind wie ich.» Nach einer Weile erzählt Jan ihre eigene, unerwartete Geschichte als Autogrammjägerin. «Ich wollte auch mal eins haben, und zwar von Michael Holiday. Ich weiß nicht, ob irgend jemand von euch ihn gekannt hat. Es war in den Fünfzigern, und er war Sänger. Im Theatre Royal in Hanley. Ich
war da, um ihn zu sehen, und war so begeistert, dass ich ihn um ein Autogramm gebeten habe.» Vermutlich hat keiner der Anwesenden – nicht mal Rob – eine Ahnung, wo diese Geschichte hinführen soll. «Am nächsten Tag hat er sich im Grand Hotel umgebracht», er-zählt sie ungerührt weiter. 29. Oktober 1962. Überdosis. «Seitdem habe ich keine Autogramme mehr gesammelt.»
Eines Nachmittags, ein paar Tage vor dem geplanten Rückflug nach Los Angeles, versucht Pompey ihn zu wecken, aber er weigert sich aufzustehen. In unmissverständlichem Ton, der deutlich macht, dass er die Sache geregelt wissen will, bevor er das nächste Mal unter seinem Kissenberg auftaucht, erklärt er, dass er schon am nächsten Tag nach Los Angeles fliegen will. Während also diverse Pläne verändert und Flüge umgebucht werden, schläft er weiter. Als er endlich aufsteht, reden wir lange über die Vergangenheit. Jonny kommt mit ein paar neuen DVDs vorbei. Nachdem er schlagfertig seine Muppet-Einkäufe verteidigt hat, setzt er sich dazu, hört zu und mischt sich gelegentlich ein. Nach etwa einer Stunde, in der wir über schwierige Erfahrungen gesprochen haben, erklärt Rob, dass er mittlerweile wirklich glücklich sei. «Vielleicht kann man noch glücklicher sein, aber wenn ich etwas zu tun habe, fühlt es sich schon glücklich an. Wenn ich vergleiche, wie es früher war, weißt du. Jetzt bin ich höchstens mal müde – aber nicht mehr müde und deprimiert. Ich könnte den Rest meines Lebens so verbringen. Ich bin ganz zufrieden damit, verstehst du ... gestern war ich um halb fünf im Bett und dachte: – <Willst du jetzt schlafen?> – – – »
Ich finde sehr kompliziert, was du über deine Fans sagst. «Hmmm», antwortet er. «Ich mag das Wort Fans nicht. Wenn ich Songs schreibe, bin ich immer sehr aufgeregt deswegen, ganz egal,
was ich sage, und irgendwie steigert es meine Aufregung noch, wenn ich weiß, dass andere Leute Freude daran haben werden. Ich empfinde ganz ehrlich so. Und ich bin sehr dankbar, aus mehreren Gründen, dass ich ein Publikum habe. In einer perfekten Welt würde es diese Aufregung spüren, die Texte verstehen und dieselben Gefühle haben. Vielleicht können Leute, die meine Platten kaufen, sich nicht so ausdrücken, wie sie es gerne möchten, und ich mache es stellvertretend für sie. In einer perfekten Welt würden sie die Texte anhören, zu meinen Konzerten kommen, ihren Spaß haben und wieder nach Hause gehen, in der Woche danach die Platten anhören und dasselbe Gefühl dabei haben wie ich.» Aber leider sind nicht alle Fans so. «Was dazukommt, sind Leute, die ... » Er stockt und überlegt einen Augenblick. «Meine Texte sind Alkoholikertexte. Sie sind der ismus, der Alkohol auch ist. Sie sind agoraphobisch, die Worte eines Menschen, der unsicher ist, unsicher über sich, seinen Platz in der Welt, der nicht an sich glaubt. Alkoholismus ist ein psychisches Problem, verstehst du. Wie man es auch dreht oder wendet, wenn du ein Problem hast und du trinkst, weil du ein Problem hast, dann ist es eine psychische Krankheit, denn es geht dir nicht gut. Ich habe also eine psychische Krankheit. Das bedeutet, ich ziehe andere Menschen mit psychischen Krankheiten an.» Er geht ins Bad, und als er quer durch den Raum wieder zurückkommt, sagt er: «Vergessen wir nicht, dass Fan eine Abkürzung für ist. Oder dass ich ein Mensch bin, der sich nicht besonders gemocht hat. Groucho Marx hat gesagt, er hätte nicht Mitglied in einem Club sein wollen, der ihn als Mitglied aufgenommen hätte – deshalb konnte ich es eine Zeit lang nicht aushalten, dass Leute ihre Freude an mir hatten, weil ich mich selbst zum Kotzen fand.» Und deshalb warst du vermutlich besonders misstrauisch Leuten gegenüber, die besonders scharf auf dich waren? «Yeah. Verstehst du, was ich meine? Heute ist es nicht mehr so. Ich fühle mich anders. Aber es gibt noch einen winzigen Prozentsatz an Menschen ... sagen wir so, jeder, der uns von Hotel zu Hotel folgt und in der Lobby herumhängt, hat ein Problem mit seinem Leben. Ich habe
festgestellt, dass Leute, die in Hotellobbys herumhängen, in bestimmten Bereichen ihres Lebens Defizite haben. Oder psychisch krank sind. Ihnen ist dabei nicht mal bewusst, dass sie verrückt sind. Das macht mir Angst. Außerdem wurde der Begriff auch für die Hundertschaften von Mädchen benutzt, die vor dem Haus meiner Mutter herumlungerten. Ich habe sie gehasst. Ich hasste sie, weil sie da waren. Ich hasste sie, weil sie überhaupt keine Vorstellung davon hatten, dass das, was sie machten, mich oder meine Familie verletzen könnte. Die Tatsache, dass wir 24 Stunden am Tag unter Bewachung standen. Oder dass man 24 Stunden am Tag was von mir wollte. Besser gesagt, von der Person, für die sie mich hielten. Das war nicht ich. Und ich wusste es schon sehr früh.» Manche Leute machen so was – und immerhin hast du es ja auch ganz gern, dass Millionen von Leuten deine Platten kaufen und zu deinen Konzerten kommen wollen ... Er nickt. «Aber das habe ich auch gesagt.» ... trotzdem denken manche Leute so: Wenn du das eine willst, musst du eben auch mit dem anderen klarkommen. «Ja, das muss ich wohl. Aber es macht mir Angst. Weil diese Leute ... also vielen von ihnen geht es einfach nicht in den Schädel, dass ich nicht ihr Ehemann sein will. Alle anderen würde ich nicht als Fans bezeichnen, denn das, was ich darunter verstehe, ist eine einzige Pest. Nicht die Leute, die meine Platten kaufen oder die sie gern hören. Ich bin ein Verkäufer, ich sage: < Das ist mein Ding>, und die Leute sagen: Dann kaufen sie es, und wenn sie das tun, bin ich wirklich ganz aus dem Häuschen, weil ich etwas machen kann, was den Leuten gefällt. Aber es gibt immer auch einen Bruchteil von Leuten, die sagen: Nein. Ich sage: , und du sagst ja und kaufst es. Du kommst nur wieder, weil es dir gefällt. Wie viele Leute siehst du vor dem Haus von John Sainsbury stehen und um Äpfel betteln, nur weil sie Äpfel mögen? Vielleicht klingt das undankbar, aber ich biete eine Dienstleistung an. Wer damit nichts anfangen kann, soll sie nicht in Anspruch nehmen. Jederzeit. Ich schulde niemandem was.» Aber du wärst natürlich beleidigt, wenn sie keinen Wert mehr darauf legten.
«Der einzige Grund, warum sie keinen Wert mehr darauf legen könnten, wäre, dass es ihnen nicht mehr gefällt. Und dann würde ich sagen, das ist ihr gutes Recht.» Und diejenigen, die in den Hotellobbys herumlungern und dir auf Schritt und Tritt folgen — ist es nicht ein Widerspruch, wenn du in einem einsamen, langweiligen oder schwachen Moment die eine oder andere abschleppst, um sie zu vögeln? «Äh ... nein. Da ist kein Widerspruch. Wo ist der Widerspruch?» Nun, wenn du sie zu Recht kritisierst, weil sie sich einbilden, sie könnten die zukünftige Mrs. Williams sein, und gleichzeitig andeutest, dass die meisten von ihnen irgendwelche Probleme haben, könnte man einwenden, dass es nicht gerade die Leute sind, mit denen man ins Bett gehen sollte. «Ich glaube, es ist ziemlich herzlos von mir, also Robbie, und von mir, als Mensch, aber der Mythos des Rock 'n' Roll lautet nun mal Sex und Drogen. Okay? Das weißt du auch. Nun, ich nehme keine Drogen mehr. Und vielleicht gibt es in meinem Bauplan als Mensch an sich einen Fehler. Vielleicht ist es ... nein, es ist definitiv ein Fehler. Denn als vernünftiger Mensch würde ich sagen: Finger weg.» Egal, ob richtig oder falsch, trotzdem ist es so, als begäbe man sich in die Höhle des Löwen ... «Yeah, aber tu ich das nicht ständig?» Du meinst in deiner Karriere? «Yeah. Es ist nichts, worauf ich besonders stolz bin. Ich habe lange gebraucht, um mir klar zu machen, was für Menschen das eigentlich sind, und im Grunde hab ich es erst in den letzten drei Monaten richtig kapiert. In den letzten vier oder fünf Monaten. Ich bin noch ein junger Mann, und ich bin unverheiratet — niemand kann mir verbieten, Sex zu haben. Es gibt kein Gesetz dagegen, wenn beide Partner einverstanden sind. Wenn ich fünf Wochen lang in einem Hotelzimmer hocken muss, weil ich mich nicht vor die Tür wagen kann, dann gehe ich eben in die Hotelbar, und wenn dort eine ist, die mir gefällt ... verstehst du? Dann werde ich vermutlich meinen ganzen Charme spielen lassen, um sie rumzukriegen. Wie jeder andere unverheiratete Mann auf der Welt. Du verstehst. Und hey, immerhin sind sie meinetwegen da — warum also nicht? Du nimmst sie also mit auf dein Zimmer, unterhältst dich ein bisschen mit ihr, und dann
kommt das Übliche. Alle wollen anders sein als die anderen, keine will mit mir schlafen, also bist du ständig auf der Jagd nach einer, die anders ist. Es ist verrückt, und natürlich habe ich keinen göttlichen Anspruch auf Sex. Das ist mir klar. Ich behaupte nicht, dass es mein Vor-recht als Popstar wäre. Ich sage nur, dass es sehr, sehr interessant, bizarr und irgendwie auch unheimlich ist.»
Während es hier oben über der Themse langsam dämmert, sprechen wir über Ehrlichkeit. Er erzählt, dass es noch einen Augenblick in Portugal gab, wo er die Bühne um ein Haar verlassen hätte, bei «Come Undone». «If I stopped lying, I´d just disappoint you», heißt es im Text. «Und in diesem Moment dachte ich, ja, das ist eine Lüge. Ich muss aufhören damit. Ich fühle diesen Song nicht mehr. Ich spüre euch da draußen nicht.» Er hatte ein paar Tage zuvor Bob Geldof im Radio gehört, der über «I Don't Like Mondays» sprach. Es höre sich zwar banal an, hatte er gesagt, aber jedes Mal, wenn er «the lesson today is how to die» sänge, spüre er die Bedeutung bis ins Herz. Geldof sagte, das sei der Grund, warum er den Song immer noch singe – ansonsten würde er es nicht tun. Wenn er nichts dabei fühlte, wäre es nur Kabarett, und er wäre nun mal kein Kabarettkünstler. Rob hatte gemerkt, dass es bei ihm völlig anders ist. «Ich bin ein Kabarettkünstler, ziemlich oft sogar.» Als er Bono in Kalifornien fragte, wie er das schaffte, was er scheinbar jeden Abend auf der Bühne anstellte, hatte der geantwortet: «Ich sehe es gelegentlich als meinen Job an, zu schauspielern.» Ich bin also nicht der Einzige, hatte Rob gedacht. Ich frage mich, ob das nicht auf die meisten Performer zutrifft – für Rob ist eben nur typisch, dass er sich Gedanken darüber macht und dazu steht. «Die Sache ist, ich habe nun mal ein Talent zum Schauspielern. Eine Menge Leute würde man nie danach fragen oder sie dessen bezichtigen. Kein Mensch würde Bono vorwerfen, dass er auf der Bühne nicht glaubwürdig ist.» Aber Rob tut fast immer das Gegenteil von dem, was die meisten Leute in solchen Situationen tun würden – er zieht die Aufmerksam-
keit auf sich und dramatisiert potenzielle Schwindeleien noch. Er spielt immer hoch, was man als unglaubwürdig empfinden könnte, um zu kaschieren, wie ehrlich er einen Großteil dessen meint, was er tut. Während die meisten Entertainer ständig versuchen, das, was sie tun, wahrer erscheinen zu lassen, als es ist, versucht er normalerweise genau das Gegenteil. «Yeah, das ist eine Methode, mit bestimmten Dingen klarzukommen. Denn wenn du jeden Abend mit derselben Intensität singst, aus der heraus das Stück entstanden ist, und jemand wirft dir ... egal was vor, verletzt er dich. Um ihnen also den Wind aus den Segeln zu nehmen, setzt man sich ins selbe Boot, wenn man sie schon nicht schlagen kann. Verstehst du, was ich meine? Es ist – wenn ich wirklich mache, was du mir vorwirfst, dann kannst du mich nicht verletzen, hahaha.» Was du in mancherlei Hinsicht ja tatsächlich tust ... «Yeah, weißt du, es ist wie jemand, der dich anmacht: , und ich mache PENG!» Er schlägt sich ins Gesicht und lacht. «Ich bin eben in mancherlei Hinsicht noch ziemlich jung. Ich will nicht sagen, dass es unreif ist, es ist nur etwas, was ich noch nicht gelernt habe, damit es mir nicht so wichtig ist, was andere Leute von mir denken. Und es bedeutet schon erheblich weniger als vor zwölf Monaten, also mache ich Fortschritte. Aber eine von Misteeq hat gesagt: Ich musste lachen, weil mich natürlich alles umhaut. Wie übrigens Noel Gallagher auch, ganz tief drin. Mächtig umhaut. Es ist alles nur Fassade.» Mittlerweile ist es dunkel in seinem Londoner Apartment geworden. Wir sind nur zu dritt: Rob, Jonny und ich. Morgen um diese Zeit ist er schon auf dem Weg nach Los Angeles. Ich frage ihn, ob er als Kind gedacht hat, wenn er berühmt wird, wäre alles gut. «Ich dachte, wenn man berühmt ist — ich dachte es nicht mal, es war einfach so —, wenn du berühmt bist, ist alles okay», antwortet er. «Alles okay, verstehst du.» Welche Rolle beim Berühmt-werden-Wollen oder nicht Berühmtwerden-Wollen spielte dein immerhin recht bekannter Vater, als du noch ein Kind warst?
«Ich liebte alles daran, wenn du schon so fragst. Ich weiß noch, wie ich bereits ganz früh in einem Ferienlager in Perrenporth war. Mein Dad trat dort auf, und abends gab es Kabarett, das war lustig. Ich hörte die Sänger und fand sie super, und dann sah ich die Magier und fand sie genauso Klasse. Ich durfte im Backstage-Bereich ein und aus gehen, so oft ich wollte. Und ich weiß noch, dass ich mir sagte: Ich möchte nie im Publikum sitzen. Ich möchte immer dahinten hingehen können. Weil es mir ein Gefühl von Wichtigkeit gab.» «Du hast damit gerechnet, berühmt zu werden», unterstreicht Jonny. «Es war verrückt. Ich habe Rob immer als jemanden gesehen, der berühmt ist – seit wir elf waren. Er war der Junge von nebenan, der die ganze Zeit im Sentinel stand.» «Der Punkt ist der», sagt Rob. «Wenn man merkt, dass ein Fünfjähriger eine Begabung zum Golfspielen hat, wird man ihn anhalten, so viel Golf zu spielen wie nur möglich, bis er ein Profi ist. Und bei mir war es so, dass ich ein natürliches Talent hatte ... die Aufmerksamkeit der Leute auf mich zu ziehen.»
4 Es ist immer noch ungeklärt, ob Rob sich nach seiner Erklärung in Dublin für die vier letzten Shows in Australien und Neuseeland, wo das vollständige Sommerprogramm gezeigt werden soll, noch einmal breitschlagen und kopfüber auf die Bühne hieven lässt. Am Ende stimmt er ohne großes Hin und Her zu. Auf der Bühne zaubert er sogar wieder «Sexed Up» aus dem Hut, einen Song, den er den ganzen Sommer über nicht spielen wollte. Jenseits der Bühne gibt es einige letztlich unfruchtbare, aber doch lustige Vorsprechtermine für die Rolle von Mrs. Williams, und am Ende spielt er sogar wieder Golf – mit der manischen Konzentration, die er bei seinen jeweils neuesten Ticks so häufig an den Tag legt. An den meisten Tagen spielt er 36 Löcher, manchmal ist er auch dann noch nicht zufrieden und hängt neun weitere dran. Doch innerlich ist er nicht so ruhig, wie es scheint. «Es ist keine Rechtfertigung», sagt er später. «Es passierte eben. Es ging dem Ende einer Tour zu, einem Jahr mit unglaublichen Zuschauerzahlen und gruseligen Erfahrungen – es war so was Ähnliches wie ein
Dampfkochtopf. Es kam ein Punkt – es kam der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.» Es ist ein besonders frustrierender Tag in Neuseeland. Offensichtlich ist irgendwie durchgesickert, dass er heute auf dem Golfplatz sein wird, denn die Balkone einiger angrenzender Häuser sind mit dem Union Jack geschmückt, und ihre Besitzer erwarten nun so was wie eine Belohnung. «Du könntest wenigstens mit uns reden.» Kids folgen ihm auf Fahrrädern von Loch zu Loch. Am zehnten Tee schreien die Kids und einige dazugehörige Erwachsene «Hurra!», als er abschlägt, und stören seinen Vater beim Ausholen. «Bitte, wenn es euch nichts ausmacht ... », fleht Rob. Petes Ball landet im See. Daraufhin wendet sich sein Vater den lästigen Cheerleadern zu. «Auf einem Golfplatz geht so was einfach nicht», schimpft er. «Wir haben Sie zu dem gemacht, was Sie heute sind», erklärt einer der Erwachsenen Rob. «Sie könnten zumindest sagen.» «Ich bin auf einem Golfplatz – bitte entschuldigen Sie mich», antwortet Rob. «Das ist Freizeit für mich.» «Vergessen Sie nicht, wer Sie zu dem gemacht hat, was Sie sind», wiederholt einer von ihnen, und dann ziehen sie ab. Sie sind frustriert, er kocht vor Wut. Zurück im Hotel, lässt er sich fix und fertig aufs Bett fallen, als es an der Tür des Salons klopft. Er hört, wie Gary Marshall aufmacht. Eine kleine Gruppe steht da und erklärt: «Wir sind gekommen, um ihn zu sehen.» Sie wollen sich an Gary vorbeidrängen, doch er hält sie auf und erklärt, dass sie das nicht machen können. Schließlich gehen sie. Rob macht ein Nickerchen. Als er wach wird, wartet ein Briefumschlag auf ihn. Er stammt von der Gruppe, die in einem Zimmer im gleichen Gang wohnt. Im Umschlag befinden sich fünf seiner CDs, vier Eintrittskarten für die Show am nächsten Tag – zurückgegeben aus Protest gegen seine Unhöflichkeit – und ein Beschwerdebrief: «Wir sind diejenigen, denen Sie Ihren Erfolg verdanken ... wir haben bei Ihnen geklopft, um Sie zu besuchen, und Sie besaßen nicht mal den Anstand, uns guten Tag zu sagen ... einer Ihrer Lakaien hat uns gesagt ... » Und so weiter. Sarkastisch zitieren sie, was er in Knebworth und auf der Live-DVD gesagt hat: «Ich möchte euch mitnehmen» – und deuten an, dass sie ihn für ein mieses Arschloch halten.
Heute ist er nicht in der Stimmung, mit einem Achselzucken darüber hinwegzugehen. Er nimmt die CDs aus dem Umschlag, pinkelt rein und stellt ihn vor ihre Tür. Später hört er, wie sie sich bei den Sicherheitsleuten des Hotels beschweren, doch die halten das offensichtlich für einen Witz «... und dann hat Robbie Williams in den Umschlag gepisst und ihn vor die Tür gestellt ... ?» Ziemlich absurde Vorstellung, wie es scheint.
2003 wird langsam zu 2004. Rob ist in Los Angeles, lässt sich die Haare noch länger wachsen und spielt jeden Tag Golf. Wenn er nicht auf dem Golfplatz ist, dann in der Drivingrange. «Ich mache nichts anderes, aber es ist großartig», sagt er. «Ich gehe früh schlafen, das Einzige, was ich im Fernsehen gucke, ist der Golfkanal, ich wache früh auf und spiele Golf, kaufe Golfausrüstung und Golfklamotten, spiele Golf und habe entweder ein gutes Spiel oder ein schlechtes Spiel. Im Augenblick kann ich an nichts anderes denken. Aber ich lasse nicht zu, dass es mich fertig macht.» Seine beste Runde in Los Angeles war 14 über par. «Ich mache noch so lange weiter, bis ich ein einstelliges Handicap habe, dann höre ich auf» Seine manische Besessenheit sorgt für ein Problem. Stephen Duffy und Andy Strange sollen Anfang Januar in Los Angeles eintreffen, um weiter am Pure Francis-Projekt zu arbeiten. Dieser Monat war speziell dafür vorgesehen gewesen, Texte zu schreiben – der Gesang auf den existierenden Demos ist nur das, was Rob improvisiert hat, während die Songs entstanden. Manches von dem, was Stephen ausgesucht hat, ist bereits wunderschön und fertig, anderes aber auch im wahrsten Sinne des Wortes sinnlos. Das Letzte, was Rob im Moment interessiert, ist, sich damit beschäftigen zu müssen. «Ich weiß nicht, wie ich Steve in alldem unterbringen soll. Ich weiß es wirklich nicht. Ich bin ziemlich beunruhigt. Im Ernst. Ich spiele jeden Tag Golf, und dann gehe ich ins Bett.» Im Augenblick hat er nicht die geringste Lust, an der Musik zu arbeiten. Es ist offensichtlich, dass sich hinter der praktischen Hürde – Golf – ein fundamentaleres Problem verbirgt. Den ganzen Sommer und Herbst über, als jeder von ihm erwartete, dass er sich auf seine Tour konzentrierte, stellte Pure Francis seine Freiheit und eine Fluchtmög-
lichkeit aus alldem dar. Es war etwas, zu dem ihn niemand aufforderte, sein kostbares Geheimnis vor der übrigen Welt, seine Freiheit von Robbie Williams. Jetzt hat sich die Situation verändert. Während seiner Abwesenheit entwickelte sich Robbie Williams frühere Karriere sehr positiv – das Live-Album übertrifft alle Erwartungen, und von der KnebworthDVD wurden mehr Exemplare verkauft als von jeder anderen britischen Musik-DVD. Nun sollte man annehmen, dass er vorrangig daran interessiert sein müsste, die neuen Songs zu beenden. Zumindest zwei werden für das Greatest Hits-Album im Herbst 2004 gebraucht. So begeistert er nach wie vor von diesem Projekt ist, in der Praxis ist es mittlerweile wieder einmal etwas, vor dem er die Flucht ergreift. Es sind nicht nur die Songs. Häufig spricht er davon, nie wieder eine Platte zu machen oder das neue Leben, das er jetzt gefunden hat, aufzugeben.
Wie abzusehen war, zeigt der wichtigste Kunde des Rock Band Studio, als es im größten Schlafzimmer wieder eingerichtet wird, so gut wie kein Interesse, darin zu arbeiten. Er schaut nur selten vorbei, und man hat sich stillschweigend damit abgefunden, dass aus dem ursprünglichen Plan, jetzt die Texte zu schreiben, nicht viel werden wird. Stattdessen arbeiten Stephen und Andy selbst an einigen der zahlreichen Songs, die unterwegs auf der Strecke geblieben sind, in der Hoffnung, dass vielleicht einige den Weg zurück ins Rennen finden und auf diese Art auch ein paar B-Seiten fertig werden. Generell scheinen alle damit leben zu können, obwohl Stephen eines Tages beim Mittagessen murmelt: «Es ist schon komisch, an 80 Songs für einen Golfer im Ruhestand zu arbeiten.» Ende Januar wird Rob endlich klar, welch überwältigende Rolle das Golfspielen in seinem Leben eingenommen hat. Er sieht ein, dass es keine Lösung für seine Probleme ist, sondern nur dazu dient, sich von seiner eigentlichen Aufgabe abzulenken. Außerdem ist er allmählich erschöpft, einerseits von all dem Nachdenken auf dem Golfplatz, andererseits vom Spielen an sich. «Nach der Tour habe ich mir nicht die Möglichkeit gelassen, mich einfach hinzusetzen und
zwei Wochen überhaupt nichts zu tun. Stattdessen fing ich an, jeden Tag Golf zu spielen wie ein Idiot ... » Nach ein paar Wochen zeigt er wieder mehr Interesse daran, sich im Studio am Ende des Ganges blicken zu lassen. Stephen schenkt ihm Brian Enos und Peter Schmidts «Oblique Strategies», eine Schachtel mit lauter provokanten und kreativen Anweisungen. Die erste Karte, die Rob zieht, lautet: «Benutze Leute.» Eines Tages kommt er rein, setzt sich hin und erklärt Stephen: «Ich habe nur einen Monat gebraucht, um es mit der ganzen Musikindustrie aufnehmen zu wollen», bleibt aber nur kurz. An einem anderen Abend kommt er ein bisschen weggetreten ins Studio und spielt einen holprigen melodischen Riff auf der elektrischen Gitarre, aus dem mit Stephens Hilfe in kürzester Zeit ein neuer Song entsteht. Den ganzen Januar hat er darauf bestanden, dass diese Stücke unter dem Namen einer Band veröffentlicht werden sollen, doch jetzt gibt er nach. «Ich werde wieder Robbie Williams sein», sagt er. Ein paar Tage später kommt er abends ins Studio und bittet Stephen und Andy, zu unterbrechen, was sie gerade machen. Er schreibt einen Text und nimmt die Gesangsspur für einen neuen Song auf, «Ghost». «Es geht um die Theorie, dass all deine früheren Beziehungen jetzt Gespenster sind. Beziehungen, die einmal sehr schmerzhaft waren oder viel bedeuteten, sind jetzt nur noch ein Spuk.» Er kämpft sich durch diese Vorstellung, nimmt hin und wieder einen Vorschlag von einem der Anwesenden auf und kommt schließlich zu der Zeile: «I did what I could for one of us, I always thought it would be you.» Sie gefällt ihm, aber sie beunruhigt ihn auch. «Schreibst du auch manchmal Songs, die das komplette Gegenteil von dir selbst sind?», fragt er Stephen, und erklärt dann, dass er noch nie eine Beziehung hatte, in der er selbstlos war. Am Ende des Songs gibt es eine willkürliche Liste von Orten, wo uns solche Gespenster überfallen könnten: ghosts! ... in the restaurants and the cinemas ... ghosts! ... in the library and the coffee shop! ... ghosts! ... » «Ich finde in einem Song, den ich singe, sehr cool», sagt er und grinst.
Eines Tages liest er in L. A., dass er bei einer Umfrage der «Sexiest Men» auf Rang acht gelandet ist. Nur auf Rang acht. Er tut so, als wäre er auf übertrieben komische Art wütend. Die Komik daran soll vermitteln, dass ihm solche dämlichen und oberflächlichen Angelegenheiten nicht das Geringste ausmachen. Dahinter aber verbirgt sich die Tatsache – wie ihm völlig klar ist, so wie er weiß, dass es auch den anderen um ihn herum klar ist –, dass er tatsächlich ein bisschen gekränkt ist über diese schlechte Wertung. Er beschließt, für den Rest des Tages «sexy sein» zu üben, um diesen Mangel auszugleichen. Hin und wieder blicke ich von dem auf, was ich gerade mache und sehe Rob in der Tür stehen, mit nacktem Oberkörper, gesenktem Kopf und erhobenem Blick, der Körper angespannt, den Mund halb zu einem Lächeln, halb zu einem Knurren verzogen, eine Hand gegen den Türrahmen gestemmt, in der übertrieben sexy Pose, die er bei Auf-nahmen für Take ThatKalender perfektioniert hatte.
Ich ziehe ins Dachgeschoss seines Hauses in Los Angeles ein und arbeite an diesem Buch. Manchmal kommt er rauf, um mit mir Scrabble zu spielen. Er liest einige Kapitel. «Lieber Himmel, was rede ich für einen Scheiß», sagt er. «Aber das liegt bloß daran, dass ich die Stille im Kopf nicht ertragen kann und deshalb einfach losplappere.»
5 Vor über einem Jahr hat Rob die Rolle des Dougal für eine Filmversion des TV-Kinderprogramms Das Zauberkarussell gesprochen. Mittlerweile wurde der Regisseur ausgewechselt, die Hälfte der Rollen neu besetzt und ein großer Teil des Dialogs umgeschrieben. Rob hat die zweite Aufnahmesession seit Monaten verschoben. Ursprünglich war sie in London geplant gewesen, gleich nach dem letzten Konzert in Norwegen, doch in letzter Sekunde hatte er abgesagt. Jetzt soll sie an zwei Tagen im hauseigenen Studio des Plattenproduzenten Trevor Horn in Bel Air nachgeholt werden. Er selbst ist nicht anwesend, nur seine Frau und Managerin Jill Sinclair.
Rob steht in der Gesangskabine, sieht einen Teil der Handlung auf einer Leinwand vor sich und spricht dazu den Dialog. (Der größte Teil der Animationen ist noch nicht fertig; er sieht nur Animatics, rudimentär gezeichnete Versionen der Figuren, deren Ausdruck und Mund jedoch bereits auf den Dialog abgestimmt sind.) Seine DougalStimme klingt wie seine eigene, aber mit einem Northern-Akzent, etwas höher und quengeliger. «Ah, verstehe, das ist die stumme Fassung, oder? ... Ich, Dauerlutscher? 0 nein! Es ist nur noch einer übrig! ... Abgesehen von einem Strom kochendheißer Lava könnte mich nichts daran hindern, mir diesen Diamanten unter den Nagel zu reißen ... » Zwischendurch spricht Clive, der Regisseur, ihm über die Kopfhörer, macht Vorschläge oder gibt Anweisungen. «Könntest du mal drei Zebedee hintereinander sprechen, mit wachsender Unruhe ... Und jetzt ein paar wilde sugars ... ?» Während Rob seinen Text spricht, fuhrwerkt er an sich mit einer großen Büroklammer herum, klemmt sich die Haut ein und sorgt für vorübergehende Entstellungen im Gesicht. Von Stunde zu Stunde wird seine Stimme affektierter, bis man ihn bitten muss, seine Performance zu dämpfen, damit es nicht zu einer Eric Morecambe-Imitation wird. In der Pause werden Sushi serviert. «Das beste Essen der Welt, findet ihr nicht?», sagt der Regisseur. «Yeah», stimmt Rob zu. «Abgesehen von Süßigkeiten. Und gegen einen echten Brotauflauf kann das hier nicht anstinken.» Am nächsten Nachmittag kommt er wieder, um die Arbeit fortzusetzen. Auf dem Weg nach Bel Air erzählt er von einem Artikel über die 90er Jahre, den er gerade in der Zeitschrift Word gelesen hat. Dort wurde Robbie Williams ein Hauch von Avantgarde bescheinigt. «Juhu!», johlt er. «Ich bin Avantgarde und habe acht großartige Songs geschrieben! Ist das nicht super? Es ist zwar nur ein Hauch Avantgarde, aber Avantgarde. Nicht schlecht für den Juniorkapitän des Golfclubs von Burslem und Amateurmitglied der Theatergemeinde.» Josie fragt, ob die gestrige Session seinen Wunsch, Schauspieler zu werden, neu entfacht hätte.
«Dieser Wunsch ist gestorben, als ich 22 oder 23 war», sagt er. «Und, warte mal — ach, Quatsch. Was für ein Scheißberuf.» «Ich glaube, wir sollten mit dem schwierigen Zeug anfangen», sagt der Regisseur, als Rob ankommt. «Das schwierige Zeug klingt nach Panik, weil ich auf irgendwelchen Pillen bin», erklärt Rob. Er fängt an. «Ich kann nicht schlafen! ... Ich mache mir solche Sorgen um Florenz ... immerhin ist es die Geburtsstätte der Renaissance ... » Als der ganze Dialog fertig ist, wird er gebeten, eine lange Liste mit allen möglichen wilden Dougal-Geräuschen aufzunehmen, die im Film an den jeweils passenden Stellen eingesetzt werden können. Ich kann die Liste nicht sehen, aber ich beobachte, was er tut, und merke, dass sie alphabetisch geordnet ist: ängstlich, abgehackt, abwägend, angeekelt, angestrengt, beharrlich, beiläufig, beunruhigt, gähnend, glücklich, glucksend, hintergründig ... Er unterbricht sich bei «kichernd». Er meint, dass er das schon erledigt hat. «Was ist denn anderes als ? Scheiß drauf.» Er kommt zu . «Was soll ich bei machen?», fragt er. «Das ist ja wohl kein Geräusch.» Er weigert sich. « brauchen wir nicht», meint Clive hilfsbereit. «<Mobil>?», fragt Rob. «Scheiß drauf.» Dann kommen diverse Ohs. Pssssst. Reumütig. Schockiert. Taktierend. Uuuups. Wuff. Wow. Zähneklappernd. (Er versucht es. «Kann ich nicht.») Zynisch.
Auf dem Weg nach Hause sagt er: «Ich dachte gerade daran, dass ich schon eine ganze Weile nichts mehr gemacht habe, um zu beweisen, dass ich in etwas gut bin, von dem niemand weiß, dass ich gut darin bin.» «Yeah», meint Josie. «Bis jetzt.» «Nein, das meine ich nicht», winkt er ab. «Als es mit den Tourneen losging und ich ein ganzes Festivalpublikum überzeugen konnte und so weiter, da war es ...»
Aber was willst du denn jetzt beweisen? «Keine Ahnung.» Brauchst du das? «Ja.» Warum? «Um mich selbst zu überzeugen. Und weil es Spaß macht. Swing war so was.» War Knebworth und das alles halbwegs so was? «Nein. Nein.» Ist Pure Francis so was? «Nein.» Warum nicht? «Äh ... », sagt er, bleibt zwar bei seiner Meinung, findet aber auch keine Antwort. «Meinst du etwas, was dir eigentlich Angst macht?» «Yeah.» «Und bei Pure Francis bist du zuversichtlich, deshalb ist es nichts», sagt Josie. «Yeah», sagt er und gähnt. «Vielleicht könnte es ein Film sein.» «Klingt fast so, als wäre dir etwas wirklich Tolles über den Weg gelaufen ... und als könnte es verlockend sein, auch wenn du es abstreitest.» In diesem Augenblick sagt er nichts weiter dazu, doch ein paar Tage später, als wir uns unterhalten und er in seinem Schrank nach irgendwelchen Klamotten sucht, komme ich nochmal darauf zurück. Er hat jeden Interviewer ausgelacht, der ihn im letzten Jahr auf diese Möglichkeit angesprochen hat, doch jetzt sagt er: «Na ja, James Bond, das wär doch was, oder?»
«Seit ich 23 war, habe ich mich darauf gefreut, 30 zu werden», hat er mir vor einigen Monaten erzählt. «Ich glaube, es ist ein mythisches Alter. Wenn man es vorher schwer hatte, kommt man jetzt endlich auf seine Kosten. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass die Zeit zwischen 20 und 30 bei mir eine Wachstumsperiode war. Nicht dass ich unbedingt wachsen wollte, ich hatte nur das Gefühl, dass ich eine
Lektion lernen musste. Mit 30 würde ich dann wissen, worin sie bestanden hat und anfangen, ein bisschen abgeklärter zu werden.» Als der Tag näher rückt, scheint er seine Bedeutung herunterspielen zu wollen. Es ist vereinbart, den 30. erst richtig zu feiern, wenn er nach England zurückkehrt, wo die meisten seiner Freunde und Familienangehörigen leben, doch seine Mutter, seine Schwester, deren Freund und sein Neffe kommen trotzdem nach Los Angeles, um ihn zu überraschen. Am Morgen selbst weigert er sich aufzustehen, bis er seinen Kaffee hat, steht dann mit einem Starbucks in der Hand vor der Arbeitsfläche in der Küche und packt schlaftrunken Geschenke aus. Es ist nicht der Tag, an dem er das Rauchen aufgibt, und sein Entschluss, es an diesem Tag zu tun, wird nicht weiter erwähnt. Später sagt er, die wichtigste Erkenntnis des Tages war, dass er jetzt nie mehr Profifußballer werden kann. Am Abend gibt es ein Geburtstagsdinner bei Nobu in Malibu. Während des Essens drängt er seine Schwester und ihren Freund, bald zu heiraten. Sie stimmen zu. Zwei Tage später fliegen alle mit dem Privatflieger nach Las Vegas zur Hochzeit. Ein paar Tage später kommt er in das Zimmer, in dem ich schreibe, blättert im neuesten New Musical Express und überfliegt die Resultate der diesjährigen Leserbefragung. Er ist in ihrer Wertschätzung gesunken: nur drittgrößter Schurke des Jahres. Trotzdem auf seine Art immer noch beeindruckend. Er studiert die übrigen Plätze. «Ah, George Bush hat also unter falschem Vorwand einen Krieg angezettelt, und Pete Doherty ist heroinsüchtig und in die Wohnung eines Freundes eingebrochen, Michael Jackson wurde wegen Kindesmissbrauch angeklagt, Tony Blair wirft man dasselbe vor wie George Bush, abgesehen davon, dass er die UN und zehn Millionen demonstrierende Menschen auf der ganzen Welt einfach ignoriert ... und ich habe in Knebworth gespielt.»
Beim Klamottenkaufen in Los Angeles sucht er sich in einem sündhaft teuren Laden einen Outfit nach dem anderen aus. Als er dann bezahlen will, wird seine Kreditkarte nicht akzeptiert. Er muss Josie anrufen. «Wie viel ist es denn?», fragt sie.
Er brabbelt irgendwas Unverständliches in den Hörer. Sie versteht ihn trotzdem. Er will es nicht sagen. «Ich bin gleich da», sagt sie. Sie kommt und begleicht die Rechnung über 20 000 Dollar. Der größte Teil stammt von dem Designerlabel Libertine. Solche Neuigkeiten sprechen sich offensichtlich schnell herum. Noch am gleichen Nachmittag erhält sie einen Anruf mit einer Einladung zur LibertineFashion-Show in New York für Rob. (Natürlich geht er nicht hin.) Rob, seine Mutter und Lee Lodge besuchen die Premiere von Mel Gibsons Passion. «Es hat mir vor Augen geführt, über welch dämliche Sachen ich mich aufrege. Und wie bizarr es gewesen sein muss, bei den Dreharbeiten neben Jesus in der Kantine zu sitzen.» Als Jesus ans Kreuz genagelt wird, schießt ihm der Gedanke durch den Kopf: «Und so begannen ein paar tausend Jahre Schuld.» Bei der kurzen Einstellung der Wiederauferstehung hätte er am liebsten gerufen: «Weiter so, Jesus!» Dann schwört er, sich noch eine Vorstellung anzusehen, damit er es nachholen kann. Außerdem hat ihn der Film an seine Konfirmation erinnert. «Als Kind kriegt man eine gewisse Ahnung dessen, was da passiert ist, aber nichts deutet darauf hin, wie verdammt grausam es war.» Als Taufpaten hatte er sich Maximilian Colby ausgesucht. «Weil es der coolste Schutzpatron war, den ich finden konnte. Er war der letzte geweihte Heilige.» Maximilian Colby opferte sich im Krieg, indem er sich an Stelle des echten Bösewichts erschießen ließ, damit der seiner Frau und den Kindern erhalten blieb. Nach dem Kino gehen sie zu Book Soup, wo seine Mutter ein paar spirituelle Bücher und Rob Fotobände und Comedy-Autoren kauft – den kompletten Peter Cook und die neue «Onion»-Anthologie. «Damit ich mir eine Vorstellung davon machen kann, wie Francis aussehen wird», erklärt er. Ein altes Foto von Humphrey Bogart hat es ihm besonders angetan. «Vor allem wegen der Hosenträger.»
Eines Abends kommt Rachel Hunter vorbei. Wir sitzen alle zusammen, schlagen irgendeine Seite des Wörterbuchs auf und lesen dann den Begriff, auf den man mit dem Zeigefinger zufällig getippt hat. Zwar scheint der überwiegende Teil mit dem Koran zu tun zu haben,
aber wir machen uns nichts daraus. Davon abgesehen werden keine großen Wahrheiten enthüllt.
Am Tag der Oscar-Verleihung sitzt er mit ein paar Freunden in einem Feinkostgeschäft in der Nähe seines Hauses. Einmal sagt er, dass hinter uns gerade Demi Moore und Ashton Kutcher vorbeigegangen sind. Jack White verlässt den Laden und schießt Fotos von seinen Freunden vor dem Schaufenster des benachbarten Geschäfts. Rob bestellt sein übliches improvisiertes kalorien- und kohlehydratarmes Menü: einen Burger, Hüttenkäse und Tomatensauce. «Das esse ich jeden Tag.» «Wirst du es denn nie leid», fragt Alex, eine aufgeweckte 15-Jährige, die mit einem seiner Freunde gekommen ist. Ihre Frage provoziert eine Antwort, die nicht nur ehrlich ist, sondern auch eine größere Wahrheit über seine Einstellung zum Leben offenbart. «Irgendwann ja – und dann werde ich es nie wieder anrühren.» An einem anderen Abend will Rob Bowling spielen, und wir fahren zu Pinz Bowl – Rob, seine Mutter, Pompey, Greg, der Schauspieler und ich. Normalerweise findet man dort immer eine Bahn, doch heute sind alle belegt – irgendein Turnier findet statt. Nach einiger Zeit geht uns noch etwas auf. Rob entdeckt es als Erster und deutet auf die Rückseite des Hemds, das der Mann vor uns in der Schlange trägt, die sich vor dem Schalter gebildet hat. Gutter Queens. Wir sind auf einer schwulen Bowlingnacht gelandet. Hier wurde Rob heimlich fotografiert, als er zum ersten Mal mit Rachel Hunter ausging; vielleicht ist es unser Glück, dass ihn heute Abend niemand entdeckt. Hin und wieder tauchen irgendwelche Frauen auf und verschwinden wieder; für Rob ist keine interessant. Eine ruft ihn zwei Wochen lang jeden Tag an und hinterlässt immer aggressivere Nachrichten. Über den Daumen gepeilt, folgt er einer groben, aber relativ strengen Regel: Wenn jemand mehr als zweimal anruft, ohne dass er zurückruft, findet er das dermaßen daneben, dass sich jegliches Interesse verflüchtigt. Wie auch immer, in diesem Winter meldet sich der
Anrufbeantworter seines Handys mit folgender Nachricht: «Hey, Sie sind bei Rob gelandet. Ich bin ein ziemlich unberechenbarer Typ. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht, denn das ist immer unterhaltsam, auch wenn ich ehrlicherweise nicht verspreche zurückzurufen.»
6 Im März zieht er für eine Weile nach England. Noch bevor er eingezogen ist, drucken sämtliche Zeitungen Fotos des Anwesens, das er gemietet hat – nicht nur von außen, sondern auch von jedem einzelnen Zimmer. Sie stammen von einem Fotografen, der sich mit irgendwelchen Tricks Zutritt verschafft hat. Wie immer kommt die Wahrheit unterwegs abhanden – allgemeines Einvernehmen herrscht darüber, dass sein neues Zuhause 22 Zimmer hat; in Wirklichkeit sind es höchstens sieben, doch immerhin werden so viele Einzelheiten über die Lage ausgeplaudert, dass es nicht lange dauert, bis die ersten Waschkörbe mit Briefen eintreffen. Einer ist schlicht an «Robbie Williams, Schloss aus dem 18. Jahrhundert» adressiert. (Es ist kein Schloss aus dem 18. Jahrhundert, im Gegenteil, es ist brandneu, aber so wurde es in einer Zeitung beschrieben.) Ein anderer trägt folgende Adresse: «Robbie Williams, singender Superstar». In der ersten Woche überfliegt er einen Teil dieser Korrespondenz, ohne auch nur einen einzigen Brief zu beantworten. Viele Absender wollen natürlich etwas. Einer macht den Vorschlag, Rob solle einen 13 Kilo schweren Dinosaurierzahn kaufen, um ihrem Museum aus den roten Zahlen zu helfen. Ein Mann in Polen erwartet Robbies Autogramm für eine Wohltätigkeitsauktion mit Autogrammen prominenter Zeitgenossen. Eine 18-jährige Frau schickt eine Auflistung der Kosten, die sie für eine dreijährige Tanzausbildung braucht, und bittet um 27 000 Pfund. Eine 66-jährige Hausfrau aus Westmalaysia hat eine Kopie ihres Passfotos an den eng beschriebenen vierseitigen Brief getackert und braucht eine Weile, um auf den Punkt zu kommen. Nachdem sie sich mehr oder weniger unverschämt über seinen Geisteszustand, sein Glück und sein Familienleben ausgelassen hat («das Paradies liegt den Müttern zu
Füßen»), kommt sie beiläufig auf das Thema ihrer Schulden in Höhe von 13 000 Pfund zu sprechen, rückt allerdings nicht direkt mit ihrer Frage heraus, sondern schildert nur vage, wie ihr Leben ohne diese Last aussehen würde. Am Schluss schickt sie ihm ihren Segen. Eine 80-Jährige aus Sussex — «Ich sollte mich schämen, Ihnen zu schreiben» — ist weniger feinfühlig. Sie erwähnt, dass er ja daran gewöhnt ist, viel Geld auszugeben. «Ich sehe, dass Sie Tradition schätzen, daher nehme ich die Gelegenheit wahr; ich besitze eine 54 Jahre alte Frisierkommode, vielleicht möchten Sie sie kaufen; ich brauche Hilfe bei meiner Pension, und wenn Sie Walnussmöbel mögen ... vielleicht passt sie in eins Ihrer 22 Zimmer ... Ich brauche das Geld jetzt, nicht erst, wenn ich sterbe ... meine Freunde glauben, dass dieser Brief im Papierkorb landen wird, nun ja, vielleicht haben sie Recht ... » Es gibt andere Briefe mit weniger offensichtlichen Anliegen. Viele berichten ausführlich von Problemen mit Alkoholismus und Depressionen. Einige stammen von den Einwohnern des nahe gelegenen Dörfchens und sind geschwätzig und freundlich. Normalerweise beginnen sie mit einem gut gemeinten: «Ich hoffe, dass Sie während Ihres Aufenthalts ein wenig Frieden und Ruhe finden ... » und schließen mit einer Einladung zum Abendessen oder der Bitte, den örtlichen Fußballverein zu unterstützen, einmal sogar zu einem Hochzeitsempfang im Pub des Dorfes. Ein Mann meldet sich, um Rob wissen zu lassen, dass er einst ein Teleskop besaß, das irgendwelche Koordinaten nutzte, um UFOs an die Wand seines Hauses zu projizieren. («<Spielen Sie nicht mit dem Homo sapiens, dem gefährlichsten Geschöpf auf der ganzen Welt>», liest Rob vor. «Und ich soll mit den Swing-Songs weitermachen.») Andere sprechen Probleme an, die er vermeintlich hat, egal ob echte oder erfundene. Viele wurden von zwei Artikeln um die Zeit seines Geburtstags ausgelöst, einer in der Daily Mail, der andere in Hello. Beide schildern ihn als tragische Figur — reich, unglücklich, einsam. Vielleicht ist es überflüssig, an dieser Stelle darauf hinzuweisen, vielleicht aber auch nicht — jedenfalls ist er zwar unbestritten reich, hin und wieder unglücklich, so wie viele, wenn nicht die meisten anderen Leute auch, und fühlt sich trotz seiner zahlreichen Freunde gelegentlich einsam, wie viele, die einen Partner suchen, mit dem sie
ihr Leben und ihre Zeit verbringen können, und ihn noch nicht gefunden haben, doch sein tägliches Leben ist beinahe lachhaft weit von dem entfernt, was viele Leute sich darunter vorstellen, trotz aller Höhen und Tiefen. Trotzdem haben diese Artikel den Eindruck erweckt, dass er ein trauriger Mensch in einer Krise sei, der gerettet werden muss, und so melden sich unglaublich viele wildfremde Leute mit guten Ratschlägen und Vorschlägen. Zahlreiche Absender versichern – entweder Rob oder sich selbst – lang und breit, dass sie «nicht verrückt» sind. «Das letzte Mal, dass ich an jemanden geschrieben habe, nachdem ich einen so traurigen Artikel gelesen hatte», erklärt eine Briefschreiberin, um Rob zu beweisen, dass sie ein solches Verhalten nicht wahllos an den Tag legt, «war an Lord Brocket, als er im Gefängnis saß.» Häufig lassen sie durchblicken, dass sie genau der oder die Richtige für solche dunklen Stunden sein könnten. Selbstverständlich haben sie ausnahmslos das Gefühl, die Person und nicht nur den Popstar zu verstehen, und sind gern bereit, für ihn da zu sein, wenn er jemanden zum Reden braucht. (Einige beteuern beharrlich, dass sie sich für den echten, normalen Nicht-prominenten interessieren, den sie in Robs Innern vermuten. Es ist geradezu ein Wunder, dass sie keine anderen echten, normalen Nicht-prominenten in der großen weiten Welt gefunden haben, die ihre Aufmerksamkeiten mehr zu schätzen wissen.) Ein extrem hoher Prozentsatz dieser Briefe stammt von ledigen Müttern. Manche legen Fotos von sich und ihren Kindern bei. «Ich bin kein supertolles Model, aber attraktiv, mit einer Figur, die sich sehen lassen kann ... bin gesellig und beliebt ... wenn du einen Plausch am Telefon bevorzugst ...», so geht es ohne Ende. Eine schreibt mutig: «Meine vier-jährige Tochter wünscht sich dich als Daddy ...» (Es ist wirklich erstaunlich, wie schnell die Briefe, die mit der Beteuerung anfangen, ihn retten zu wollen, mit der Bitte enden, selbst gerettet zu werden.) Einer stammt von einer Mutter in Nordirland, die ein Foto ihrer Tochter beigelegt hat. (Auf die Rückseite hat sie gekritzelt: «Dieses Foto wird ihr nicht besonders gerecht, weil sie das Gesicht verzieht und nicht richtig lächelt – dabei hat sie ein wunderschönes Lächeln.») Die Mutter erklärt, er könne sich nicht leisten, seine potenzielle Seelenverwandte nicht kennen zu lernen. «Vergessen Sie
Geri Halliwell, Rachel Hunter oder Samantha Mumba und versuchen es mal mit meiner hübschen Tochter», drängt sie und zeigt, dass sie sich vernünftigerweise auch über die praktischen Seiten bereits Gedanken gemacht hat. «Wissen Sie, wenn Sie herkommen, können Sie bei Angie wohnen (in ihrem Gästezimmer, versteht sich). Ich bin sicher, dass es keine Probleme für Sie gäbe, weil niemand glauben würde, dass Sie es tatsächlich sind.» Nur um es klarzustellen, falls Sie glauben, dies wäre ein verzerrtes Bild davon, wie sich die schreibende Öffentlichkeit in der heutigen Zeit ihren Prominenten präsentiert: Das sind keine Beispiele außergewöhnlichen Irrsinns, die aus Bergen typischer Fanpost herausgefiltert wurden. Das ist typische Fanpost.
iChat, März 2004, während er mit dem Text für «Tripping Underwater» kämpft: «Bisher hat die Story noch keine Seele. Es hat irgendwas mit Gewalt und Schweigen zu tun. Beide liegen mir nicht besonders ... Heute hat mich der Jetlag voll erwischt. Stand um fünf auf. Oder wie ich es gern nenne, zur und einen, den wir noch nicht geschrieben haben.» Wir halten an einem Pub. (Er telefoniert gerade mit Jonny, als wir reingehen: «Ich bin in einem Pub ... Auf dem Land ... Vielleicht bringt mich hier einer um ... ») Zuerst sitzt er ruhig in einem Hinterzimmer, dann lädt ein lesbisches Pärchen ihn ein, nach vorn zu kommen, um eine Partie Pool zu spielen. Alle Gäste hier sind sensationell betrunken – die Tequilas werden in einem erschreckenden Tempo gekippt – und auf Furcht erregende Art freundlich. Jedes Mal, wenn sie mit einem reden, beugen sie sich so weit vor, dass man Angst bekommt, sie könnten einen erschlagen. Rob fängt an zu spielen. Der Einsatz beträgt zehn Pfund pro Spiel. Eine der Frauen fragt, ob er ein Feuerzeug hat. «Hab ich», sagt er. «Hast du?», fragt eine andere erstaunt. «Yeah», antwortet er verwundert. «Ich bin überrascht.» «Dass ich rauche?» «Nein, dass du ein Feuerzeug hast.» Sie drängen ihn immer wieder, einen Tequila zu trinken.
«Nein, ihr würdet mich nicht mögen, wenn ich trinke.» Er geht aufs Klo. Ein leicht schmieriger älterer Mann folgt ihm dorthin. Er möchte wissen, ob es Rob nicht wahnsinnig macht, wenn die Leute ihn nur kennen lernen wollen, weil er Robbie Williams ist. («Das alles, während ich mit meinem Schwanz in der Hand da stehe», erzählt Rob später.) Dann spielen sie «Nothing's Gonna Stop Us» von Starship. «Hat sich noch nie so gut angehört», sagt Rob, als er die schwarze Kugel versenkt. Nach «45 Minuten kompletten Wahnsinns» verlässt er den Pub – zehn Pfund reicher als zuvor.
Seit Monaten hat er sich die Haare wachsen lassen, doch jetzt geht er zum Friseur. «Ich dachte, neuer Schnitt, neue Gefahr», erklärt er. «Aber in Wirklichkeit war es bloß neuer Schnitt, und jetzt sehe ich aus wie ein Fußballspieler.»
Der Daily Mirror behauptet, Gary Barlow habe diese Woche auf einer Party erzählt, dass Take That sich Ende des Jahres zu einem besonderen Event noch einmal zusammentun würden und selbst Rob mitmacht. Es ist das erste Mal, dass Rob davon hört. Zuvor hat sein Management bereits ein Zitat an die Presse gegeben: «Da können sie warten, bis sie schwarz werden, fürchte ich. Eher friert die Hölle zu.» Rob findet den Inhalt des Zitats richtig, hätte es aber lieber etwas anders formuliert, weil es an den berühmtesten Vorfall erinnert, der in der Popmusik mit dieser Redewendung verbunden ist. Nachdem sich die Eagles im Streit getrennt hatten, gab es so viel Hass zwischen den ehemaligen Mitgliedern, dass einer von ihnen aus lauter Ärger darüber, zum hundertsten Mal nach einer eventuellen Wiedervereinigung gefragt zu werden, geäußert hatte, eher würde die Hölle zufrieren, als dass sie sich noch einmal zusammentun könnten. Aus diesem Grund hatten die Eagles mehrere Jahre später den Geistesblitz gehabt, ihre Wiedervereinigungstour und das Album Hell Freezes Over zu nennen.
Eines Abends bin ich bei Rob auf dem Land und will gerade einschlafen, als ich ein vertrautes Geräusch höre. Robs Schlafzimmer liegt direkt über meinem, und wenn er seinen Fernseher laut stellt, kann ich jedes Wort durch die Decke verstehen. Heute Nacht erkenne ich die Geräusche wieder. Ich bin verwundert über das, was ich höre, allerdings nicht genug, um mehr als ein paar Sekunden wach zu bleiben und mich zu fragen, warum um alles in der Welt Rob im Bett liegt und sich «Angels» anhört. Am nächsten Morgen ist er gerade aufgestanden, steht mit nacktem Oberkörper da und hat noch kein Wort gesagt, als man ihn ans Telefon ruft, Mark Owen ist dran. Bevor er abnimmt, sage ich ihm, was er vielleicht wissen muss – in der heutigen Ausgabe der Sun steht die Meldung, Take That würden ohne ihn auftreten und ein einziges Konzert um Weihnachten herum geben, als Teil einer Promotionkampagne zur Veröffentlichung einiger Take That-DVDs. Er sagt Mark kurz guten Tag, hört so lange zu, bis er weiß, dass er nicht vorhat, bei einer neu formierten Take That-Band einzusteigen, und verspricht, ihn zurückzurufen, wenn er richtig wach ist. Dann setzt er sich an den Tisch, um die Story zu lesen, und grinst. «Gefällt mir eigentlich», sagt er. Wirklich? «Yeah. Wenn ich nichts anderes zu Weihnachten vorhätte, würde ich mitmachen.» Selbst wenn Nigel dabei wäre? (Die Sun hat geschrieben, dass Nigel Martin-Smith die Verträge mit dem neuen Quartett aushandele.) «Ja», meint Rob. «Ich hab mir gestern Abend Everything Changes im Fernsehen angeschaut.» Erst jetzt erinnere ich mich wieder daran, «Angels» gehört zu haben. «Das lief auch», bestätigt er. «Davon habe ich einen Teil gesehen, und dann schaltete ich weiter, und da war Everything Changes. Ich zappte einfach so durch die Kanäle.» Er grinst. «Wäre es nicht verrückt, erst zu veröffentlichen und dann einen Take That-Gig zu machen? Na ja, ich weiß auch nicht ...» Warum würdest du es denn überhaupt wollen?, frage ich. Manchmal ignoriert er Fragen oder beantwortet sie einfach nicht, doch jetzt sitzt er am Esstisch, schaut aus dem Fenster und verzieht
den Mund. Offensichtlich denkt er nach. 78 Sekunden sagt er nichts. «Keine Ahnung», sagt er dann. «Ich fragte mich, warum würde ich es machen? Keine Ahnung. Es hat mir eben gefallen, die Dokumentation neulich wieder zu sehen und die Songs. Es war alles so unschuldig. Ich habe Everything Changes gestern Abend wirklich genossen ... » (Außerdem ist ihm aufgefallen, dass er einen Franz Ferdinand-Haarschnitt hatte.) Am liebsten würde er «Why Can't I Wake Up With You» singen, sagt er, und im Moment hätte er das Gefühl, dass er sich den Arsch dafür aufreißen würde, so etwas richtig gut vorzubereiten. Und was wäre es für ein Gefühl, mit Gary zu proben? Pause. «Okay.» Und wenn er zum ersten Mal etwas sagt, was dir gönnerhaft vorkommt ... ? «Dann würde ich sagen: Ich weiß, warum ich das hier mache, und du bist ein Trottel. Er ist einer von denen, die keinen blassen Schimmer haben, wovon du redest, wenn du ihn wegen irgendwas anrufst. Vermutlich fühlt er sich tatsächlich aufrichtig verletzt von allem, was ich gesagt habe.» Er hat Angst, dass er Nigel Martin-Smith umbringen könnte, wenn er ihn sieht — egal, wie kalt er ihn im Augenblick lässt. Er isst Fisch und Reis und ruft dann Josie an. «Weißt du was, ich hätte große Lust dazu ... ich bin ... yeah ... yeah ... » Ich kann hören, wie verwundert sie ist. «Yeah, nur aus Spaß, keine weiteren Pläne, nur zum Ausdruck bringen, dass es mal was Schönes gab und ich das gern feiern würde ... », sagt er. «Dann muss ich wohl meine Höllenvereisungsmaschine auspacken», antwortet sie. Er ruft Mark an. «Hiya, Kumpel ... mittlerweile bin ich richtig wach ...» Nach ein paar Minuten Smalltalk sagt er: «Eigentlich fände ich es ziemlich interessant, etwas ... mit Take That zu machen ... yeah ... » Diesmal ist Mark überrascht. Er hatte Gary gesagt, dass er nur mitmachen würde, wenn Rob zustimmt, allerdings nicht erwartet, dass der anspringen würde. «Ich möchte gern etwas anerkennen, was ich als verdammt gut in Erinnerung habe, falls du verstehst, was ich meine. Ich werde wahrscheinlich David und Tim drauf ansetzen ... »
Ich sage ihm, dass David eben auf der anderen Leitung angerufen hat. Er ruft ihn zurück. David ist nicht gerade glücklich. «Ich finde nicht, dass du alte Geschichten wieder aufwärmen solltest ... », sagt er streng, fast ein bisschen panisch. «Wir sollten die Finger davon lassen ... Du kannst ohnehin nicht wieder beleben, was du damals gemacht hast.» Rob verspricht ihm, darüber nachzudenken.
Man hat ihm die Hauptrolle in Boys From Oz am Broadway angeboten. Er soll Hugh Jackman ablösen. Drei Monate, acht Vorstellungen pro Woche. «Wie viel?», fragt er. Dann denkt er nach. «Drei Monate in New York. Es müsste aber nächstes Jahr sein. Ich sage nicht nein ... »
Eines Freitagmorgens sitzt er am Esstisch und bastelt eine CD für Matt Lucas, der ihn für die kommende Woche zu einer Geburtstagsparty eingeladen hat. Er wird 30. Rob schneidet Figuren aus der Zeitschrift Attitude aus, um damit das CD-Cover zu dekorieren. Seine Zusammenstellung nennt er Lonely At The Top. In der Stadt fährt er am Air Studio vorbei, wo gerade die Streicher aufgenommen werden, hauptsächlich für «Misunderstood». Er unterhält sich mit Chris Martin — Coldplay nimmt hier auch gerade auf — und erklärt Stephen dann wenige Minuten bevor die Session beginnt, dass er eine Gesangsspur aufnehmen, aber die dritte und vierte Zeile des Songs ändern möchte: «Love the way they smiled at me, held their face for eternity.» Er weiß schon, wie die neue vierte Zeile lauten wird: «I'd break my heart to make things right.» Es ist die Zeile von Scott Walker, die er falsch zitiert hatte und die ihm jetzt wieder eingefallen ist, als er die erste Fassung dieses Buches las. Er braucht eine dritte Zeile, sofort. Während er sich mit Stephen in ein Hinterzimmer verzieht und auf die Sushis wartet, fordert er Ideen. «Es könnte (you do> heißen ... irgendwas Schlimmes ... (and I'll break my heart to make things right>», sagt er. «Das ist es nicht. » «Es ist ziemlich schwer, von einem Text wegzukommen, der eigentlich keinen Sinn machte, sich aber klasse anhört», sagt Stephen. «Alles andere macht ihn irgendwie nur kleiner, findest du nicht?» «I always thought that you were right», singt er. «I always knew that you were right? ... I'm committed to the fight?» Schließlich entscheidet er sich für «I always seem to Start a fight». «Das ist gut», sagt er. «Yeah? Fertig. Okay?» Er zieht den Reißverschluss seines schwarzen Mantels hoch. Genau der richtige Outfit für diesen Text. «Nur einfache Zeilen», erklärt er. «Schwarz. Mit Hut. Staatsmännisch.» Er steht allein in der Gesangskabine. «I´m trying to be misunderstood. But it doesn't do me any good. I always seem to start a fight. I´d break my heart to make things right.» Der Mantel ist bis oben hin zugeknöpft, die Hände stecken in den Taschen. «I'll be misunderstood by the beautiful and good in this city. None of it was planned. Take me by the hand. Just don't try and understand.» Im größten Aufnahmestudio proben die Streicher Claires Orchestrierung. «Still I find myself outside. You can't say I haven't tried. Perhaps I tried too hard. No excuses. I won't apologise. Or justify your lies.» Gegen Ende nimmt er die Hände aus der Tasche und streckt sie vor sich aus. «Can't forgive, sorry to say. You don't know that you're guilty anyway. Isn't it funny how we don't speak the language of love?» Während der Song abgemischt wird, überzeugt Stephen ihn, dass die alte Doppelzeile «face for eternity» letztendlich doch besser funktioniert.
Es macht keinen Spaß, wildfremde Leute wie ein Magnet anzuziehen, aber manchmal ist es nicht einmal komisch. Eines Nachmittags fährt eine Frau in einem gelben Mini vor, nachdem sie bereits das Tor und einen Großteil des Grundstücks pas-
siert hat. Sie erklärt, sie werde von Rob erwartet, sie habe mit ihm gesprochen. Sie nennt Gary ihren Namen und gibt ihm ein Foto von sich und ihren Kindern, als wäre es die normalste Sache der Welt, sich so vorzustellen, wenn man unangemeldet bei einem Prominenten vor der Tür steht. Gary bringt es zu Rob, der sich nicht gut fühlt und gerade ein Mittagsschläfchen hält. Rob kennt sie nicht. Als Gary wieder rauskommt, erklärt sie, wie sie es gemeint hat. Sie ist ein Medium und hat bereits telepathischen Kontakt mit Rob gehabt. In den vergangenen Monaten hätten sie ziemlich viel miteinander kommuniziert, sagt sie ganz ruhig, ja, sie würde ihm sogar helfen. Schließlich kann Gary sie davon überzeugen, dass sein Telefon über einen sehr handfesten Mechanismus verfügt, mit dessen Hilfe er mit der Polizei kommunizieren kann, woraufhin sie sich bereit erklärt zu verschwinden. Später wird sie auf einer Straße in der Nähe in ihrem parkenden Wagen gesehen. Am nächsten Morgen um fünf wacht Gary vom Bellen der Hunde auf. Sie steht erneut vor dem Haus und wartet. Selbst als er die Polizei ruft, weigert sie sich wegzufahren. Schließlich trifft die Polizei ein. Unter Tränen verlässt sie das Grundstück, doch am Nachmittag ist sie wieder da. Den Wagen hat sie hinter einer Hecke auf dem Grundstück versteckt. Rob sagt sein Golfspiel ab und bleibt im Haus, während die Sache geregelt wird. Die Polizei kommt und muss sie schließlich festnehmen. Sie erzählt den Beamten, sie hätte letzte Nacht mit Rob geschlafen. Und diesen Nachmittag auch. «Hört auf den Gott in eurem Kopf», kreischt sie. Als die Polizei sie weder beruhigen noch ihr gut zureden kann, muss sie in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden.
Eine Woche nach dem Telefongespräch mit Mark Owen frage ich, wie es mit der Take That-Wiedervereinigung aussieht. Seine Antwort ist keine Überraschung. «Keinen Bock», sagt er und lacht verlegen.
Seit Monaten arbeitet er an der Bedeutung von «Misunderstood», jetzt scheint er sie gefunden zu haben.
«Ich glaube, es geht um dasselbe wie in diesem Buch», sagt er. «Etwas zu dokumentieren, was die eigentliche Geschichte erzählt.» Er beißt in einen Apfel. «Letztendlich ist es so: Wenn zwei Leute Zeugen eines Verbrechens werden und du nimmst sie beiseite, um sie getrennt zu befragen, kriegst du zwei unterschiedliche Versionen ... », beginnt er. Dann schlägt er auf den Tisch. «Es ist schon wieder autobiographisch» – als wäre dieses Eingeständnis der Grund für so manche Frustration. «Ich weiß, dass jede Menge unfairer Mist über mich geschrieben wurde, und ich glaube, deswegen halten mich Leute, die mich neu kennen lernen, für jemand, der ich gar nicht bin. Das regt mich auf, es macht mich krank. <Misunderstood> ist wie der ältere Bruder von <Strong>, ja wirklich, aber ein bisschen erwachsener, glaube ich.» Er seufzt. «Es ist trotzdem ziemlich zwecklos, weil Leute, die mich auf diese Weise wahrnehmen, mich keinesfalls anders sehen wollen. Lieber nageln sie mich auf einen Wichser fest, als anzuerkennen, dass ich nicht so berechnend oder zynisch bin, wie man mich darstellt. Ich habe nur gelernt, zynisch zu sein, weil ich ständig darauf aufmerksam gemacht werde, welche Stellen zynisch sind. Ich glaube, die zweite Zeile ist eher trotzig. Ich finde Bono oder Morrissey immer toll, wenn sie solche Texte schreiben: Es gibt so viel Zeug, das man einfach an sich abperlen lassen muss. Du hast eine Spielsucht, die dich zwei Millionen kostet, oder man hat gesehen, wie du sturzbesoffen aus einer Bar getorkelt bist ... oder Dokumentationen, die behaupten, ich wäre schwul. Es gibt überhaupt keinen Grund, irgendwas dazu zu sagen. Ich werde nichts rechtfertigen. Wenn ihr das glaubt, könnt ihr euch gleich verpissen.