Pascal Schumacher Effektivität von Ausgestaltungsformen des Product Placement
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
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Pascal Schumacher Effektivität von Ausgestaltungsformen des Product Placement
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Pascal Schumacher
Effektivität von Ausgestaltungsformen des Product Placement Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Bernd Helmig
Deutscher Universitäts-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität Freiburg, Schweiz, 2006
1. Auflage Juli 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Frauke Schindler / Nicole Schweitzer Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0787-1
Geleitwort des Doktorvaters
Die vorliegende Arbeit greift mit dem Product Placement ein spannendes und hochaktuelles Thema des Marketing auf, denn Product Placement erfreut sich in der derzeitigen unternehmerischen Kommunikationspolitik zunehmender Beliebtheit. Dabei wissen die involvierten Personen und Institutionen jedoch häufig nicht, was man dabei im Hinblick auf die effiziente Gestaltung einer solchen Werbemassnahme aus marketingtheoretischer Sicht beachten sollte. Die jüngst ans Lichte der Öffentlichkeit geratenen Skandale in Form von (in zahlreichen Ländern rechtlich verbotener) Schleichwerbung, also nicht als solchem gekennzeichnetem Product Placement, zeigen aber auch, dass es diesbezüglich rechtliche Probleme zu lösen gibt. Obwohl die von vielen Branchen getätigten Investitionen in Product Placement ständig zunehmen und man davon ausgeht, dass damit die angestrebten Kommunikationsziele erreicht werden können, existieren bisher praktisch keine zuverlässigen wissenschaftlichen Untersuchungen über die Wirksamkeit von Placement-Massnahmen. Es ist deshalb die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit herauszufinden, wie verschiedenartig ausgestaltete Placements auf das Gedächtnis sowie die Einstellung eines Konsumenten zur solchermassen beworbenen Marke wirken.
Pascal Schumacher beschäftigt sich zunächst intensiv mit der einschlägigen Literatur, die unter dem sehr heterogenen Forschungsfeld der „Konsumentenverhaltensforschung“ zusammengefasst werden kann. Die Abhandlungen über kognitive Erklärungsansätze zur Wirkung von Product Placement, insbesondere die Ansätze zur Erklärung automatischer bzw. unbewusster Informationsverarbeitung, bilden das Schwergewicht des theoretischen Teils der Arbeit. Auf dieser Basis werden auch die forschungsleitenden Hypothesen generiert, die anschliessend anhand einer empirischen Studie überprüft werden.
Der empirische Teil der Arbeit besteht aus verschiedenen Experimenten. Innerhalb derselben wurden einer Vielzahl Versuchspersonen verschiedenartig gestaltete bzw. – unter der Regie des Autors – systematisch variierte Filmausschnitte einer realen Folge einer so genannten „Seifenoper“ gezeigt, die jeweils mit unterschiedlichen Placements ausgestattet waren. Anschliessend mussten die Teilnehmer des Experiments einen Fragebogen ausfüllen, wodurch die Kommunikationswirksamkeit zum Vorschein gebracht werden sollte. Die solchermassen gewonnenen Daten wurden im Anschluss daran – v. a. mittels logistischer Regressionen – statistisch ausgewertet und es wurden Handlungsempfehlungen für die Praxis abgeleitet.
V
Pascal Schumacher ist bei der Bearbeitung seines Themas gelungen aus marketingtheoretischer, insbesondere kommunikationspolitischer Perspektive und unter Einbezug von Konzepten der Marketinglehre und der Psychologie die Wirksamkeit von Product Placements systematisch darzustellen. Auf der Basis der zugrunde gelegten psychologischen und Konsumentenverhaltenstheorien werden die relevanten Wirkungsfaktoren des Product Placement in einem vereinfachten zweistufigen Wirkungsmodell zusammengefasst. Der originelle Ansatz der Wirksamkeitsmessung auf der Ebene des impliziten Gedächtnisses, die aufwendige experimentelle Versuchsanordnung mit der exzellenten, realitätsnahen Stimulus-Gestaltung sowie die statistisch anspruchvolle Auswertung der Daten sind dabei besonders positiv hervorzuheben.
Pascal Schumacher kann aufzeigen, dass die Art der von ihm in seine Untersuchung einbezogenen formalen Ausgestaltungsvariablen von Placement-Massnahmen (nämlich „Modalität“, also physische Präsentation Marke, und „Plot Connection“, also Einbezug der Marke in die Handlung) einen nachweisbaren Einfluss auf die explizite Erinnerung und auf die Einstellung von Konsumenten zu den in den Filmen platzierten Marken hat. Interessanterweise stellte sich heraus, dass eine lediglich visuelle Platzierung einer Marke („Screen Placement“) keinen starken Einfluss auf die Erinnerung einer Versuchsperson hat, während dies bei einer rein verbalen („Script Placement“) oder einer verbal-visuell kombinierten Platzierung („Plot Placement“) umgekehrt ist. Letzteres gilt v. a. auch für die implizite Erinnerung, also die eher langfristige Wirkung im Gedächtnis von Konsumenten. Zudem wirken die Vertrautheit mit der Sendung sowie die Markenbekanntheit positiv auf die explizite Erinnerung. Eines der zentralen Ergebnisse der Arbeit ist ferner, dass Product Placements dann eine stärkere Wirkung auf die Einstellung eines Placement-Betrachters haben, wenn es zuvor gelungen ist, eine Gedächtniswirkung beim impliziten Gedächtnis zu bewirken.
Mit der vorliegenden Arbeit erhält der Forscher methodisch gesehen einen hervorragenden Einblick in den systematischen Aufbau von empirischen Tests theoriegeleitet entwickelter Forschungshypothesen. Zudem wird inhaltlich gesehen ein umfassender Einblick in die Literatur zum Product Placement gewährt und eine Systematik verschiedener Placement-Arten und -Methoden entwickelt. Schumacher vermittelt ausserdem ein tiefgreifendes Verständnis für die Einflussfaktoren der Wirksamkeit von Product Placement. Daher werden neben Wissenschaftlern auch Produktmanager als Zielgruppe der vorliegenden Arbeit angesprochen, für welche die empirischen Erkenntnisse über die Möglichkeiten des Product Placement sowie
VI
die von Schumacher abgeleiteten marketingpraktischen Handlungsempfehlungen von unmittelbarem Interesse sind. Möge diese Arbeit diejenige Aufmerksamkeit in Wissenschaft und Praxis erhalten, die sie verdient.
Prof. Dr. Bernd Helmig
VII
Vorwort des Autors
Gerne möchte ich allen Personen danken, die mich bei der Verfassung dieser Dissertation sowohl fachlich wie auch moralisch unterstützt haben. Einen besonderen Dank möchte ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Bernd Helmig, für die die fortwährende Unterstützung und das entgegengebrachte Vertrauen aussprechen. Des Weiteren möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Robert Purtschert, Herrn Prof. Dr. Joachim Trebbe, Herrn Prof. Dr. Louis Bosshart, Herrn Prof. Dr. Dick Wittink (†) sowie Frau MA in Management Patricia Lauper und Herrn Dr. Alexander Graf für die zahlreichen interessanten Gespräche und wertvollen Hinweise bedanken. Schliesslich möchte ich allen Angehörigen und Freunden danken; sie gaben mir die für die Verfassung der Dissertation notwendige Inspiration und Motivation.
Dr. Pascal Schumacher
IX
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis......................................................................................................... XI Abbildungsverzeichnis ................................................................................................ XV Tabellenverzeichnis..................................................................................................XVII Abkürzungsverzeichnis............................................................................................. XIX 1 Einleitung ......................................................................................................................1 1.1 Problemstellung.......................................................................................................1 1.2 Zielsetzung ..............................................................................................................3 1.3 Aufbau der Arbeit....................................................................................................6 2 Konzept des Product Placement .................................................................................8 2.1 Theoretische Grundlagen zu Product Placement ....................................................8 2.1.1 Definition von Product Placement ...................................................................8 2.1.2 Geschichte und Ausblick auf die zukünftige Entwicklung ............................10 2.1.3 Einordnung von Product Placement in den Marketing-Mix ..........................11 2.1.4 Ziele von Product Placement aus Sicht der Marketing-Manager...................12 2.1.5 Kategorisierung und grundlegende Formen von Product Placement.............16 2.1.6 Gründe für die zunehmende Popularität von Product Placement ..................22 2.2 State of the Art ......................................................................................................24 2.2.1 Marketing-wissenschaftliche Grundlagenforschung theoretischer und juristischer Provenienz ...................................................................................26 2.2.2 Deskriptiv-inhaltsanalytische Forschung .......................................................27 2.2.3 Forschung zur Einstellung von Rezipienten gegenüber Product Placementund bezüglich ethischen Aspekten ................................................29 2.2.4 Forschung zur Wirkung von Product Placement auf die Informationsverarbeitung und das Verhalten von Rezipienten......................33 2.2.5 Fazit und Forschungslücken im Bereich der Wirkungsforschung .................41 3 Kontroverse, rechtliche Grundlagen und Marktstruktur......................................43 3.1 Öffentliche Kontroverse um Product Placement...................................................43 3.2 Differenzierung zwischen Schleichwerbung und Product Placement...................43 3.3 Derzeitige und zukünftige rechtliche Grundlagen im internationalen Vergleich ...............................................................................................................45 3.3.1 EU-Fernsehrichtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“..........................................45 3.3.2 Rechtslage in Deutschland .............................................................................46 3.3.3 Rechtslage in Österreich.................................................................................48 3.3.4 Rechtslage in der Schweiz..............................................................................49 3.3.5 Rechtslage in den USA ..................................................................................51 3.4 Marktstruktur für Product Placement und die verschiedenen Anspruchsgruppen.................................................................................................52 4 Theoretische Grundlagen zur Wirkung von Product Placement auf Rezipienten..................................................................................................................56 4.1 Prozess der Kommunikation .................................................................................56
XI
4.2 Behavioristische Erklärungsansätze zur Wirkung von Product Placement auf Rezipienten......................................................................................................58 4.2.1 Klassische Konditionierung ...........................................................................58 4.2.2 Soziale Lerntheorie ........................................................................................59 4.3 Kognitive Erklärungsansätze zur Wirkung von Product Placement auf Rezipienten............................................................................................................61 4.3.1 S-O-R-Paradigma ...........................................................................................61 4.3.2 Hierarchische Stufenmodelle .........................................................................61 4.3.3 Stufenmodelle mit alternativen Hierarchien ..................................................63 4.3.4 Stufenmodelle mit dualen Prozessen..............................................................66 4.3.5 Einfluss von Kontrollvariablen auf die Informationsverarbeitung und das Rezipientenverhalten................................................................................67 4.3.5.1 Involvement.............................................................................................68 4.3.5.2 Träger von Product Placement ................................................................68 4.3.6 Integrierte Modelle der Werbewirkung..........................................................69 4.3.7 Ansätze zur Erklärung von automatischer bzw. unbewusster Informationsverarbeitung ...............................................................................70 4.3.7.1 Priming-Theorie ......................................................................................71 4.3.7.2 Mere Exposure Effekt .............................................................................72 4.3.7.3 Processing Fluency Modell .....................................................................73 4.3.7.4 Zusammenhang zwischen den verschiedenen Ansätzen zur Erklärung von automatischen bzw. unbewussten Informationsverarbeitungsprozessen ...........................................................................74 4.4 Unterscheidung zwischen impliziten und expliziten Messansätzen in der Konsumentenverhaltensforschung ........................................................................75 5 Wissenschaftliche Fragestellungen zur Gestaltung von PlacementMassnahmen sowie Generierung forschungsleitender Hypothesen ......................79 5.1 Überlegungen und Hypothesen zum Einfluss der formalen Ausgestaltungsvariablen von Product Placement auf die explizite Erinnerung....81 5.2 Überlegungen und Hypothesen zum Einfluss der formalen Ausgestaltungsvariablen von Product Placement auf die implizite Erinnerung ...83 5.2.1 Hypothesen zum Einfluss der formalen Ausgestaltungsvariablen auf das perzeptuelle Priming ......................................................................................84 5.2.2 Hypothesen zum Einfluss der formalen Ausgestaltungsvariablen auf das konzeptuelle Priming......................................................................................85 5.3 Überlegungen zum Einfluss von Kontrollvariablen auf die explizite und implizite Erinnerung........................................................................86 5.3.1 Überlegungen zu Effekten von Kontrollvariablen auf die explizite Erinnerung .......................................................................................86 5.3.2 Überlegungen zu Effekten von Kontrollvariablen auf das perzeptuelle Priming ......................................................................................90 5.3.3 Überlegungen zu Effekten von Kontrollvariablen auf das konzeptuelle Priming......................................................................................92 5.4 Überlegungen und Hypothesen zum Einfluss explizit und implizit erinnerter Informationen auf die Einstellung bezüglich einer Marke....................................93 5.5 Wirkungsmodell von Product Placement auf Rezipienten....................................94 6 Empirisches Untersuchungsdesign ...........................................................................96 6.1 Erhebungsmethode ................................................................................................96 6.2 Design der Stimuli.................................................................................................97 6.3 Manipulationscheck ..............................................................................................99 XII
6.4 Operationalisierung der interessierenden Variablen ...........................................100 6.4.1 Messansätze der expliziten Erinnerung........................................................100 6.4.2 Messansätze des perzeptuellen Priming .......................................................101 6.4.3 Messansätze des konzeptuellen Priming ......................................................103 6.4.4 Messansätze verschiedener Kontrollvariablen .............................................104 6.4.5 Messansätze für das Konstrukt Einstellung zur Marke................................106 6.5 Aufbau der Fragebögen.......................................................................................106 6.6 Stichprobe............................................................................................................107 6.7 Vorgehensweise bei der Datenerhebung .............................................................108 6.8 Datenanalyse .......................................................................................................110 7 Untersuchungsmodell und Ergebnisse ...................................................................111 7.1 Untersuchungsmodell und methodische Aspekte der Datenanalyse...................111 7.2 Empirische Befunde zur Wirkung von Product Placement auf Rezipienten ......118 7.2.1 Uni- und bivariate Ergebnisse bezüglich der expliziten und impliziten Erinnerung der platzierten Marken für die verschiedenen Stimuli ..............119 7.2.2 Multivariate und kausal-analytische Ergebnisse bezüglich der expliziten und impliziten Erinnerung der platzierten Marken für die verschiedenen Stimuli ..................................................................................124 7.2.2.1 Empirische Befunde zur Stärke des Einflusses von formalen Ausgestaltungs- und Kontrollvariablen auf die explizite Erinnerung von Product Placement.......................................................125 7.2.2.2 Empirische Befunde zur Stärke des Einflusses von formalen Ausgestaltungs- und Kontrollvariablen auf das perzeptuelle Priming von Product Placement............................................................129 7.2.2.3 Empirische Befunde zur Stärke des Einflusses von formalen Ausgestaltungs- und Kontrollvariablen auf das konzeptuelle Priming von Product Placement............................................................132 7.2.3 Empirische Befunde zum Einfluss explizit und implizit erinnerter Informationen bezüglich einer platzierten Marke auf deren Einstellung .....136 8 Zusammenfassung und Ausblick ............................................................................142 8.1 Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse................................................142 8.2 Handlungsempfehlungen für die Praxis ..............................................................144 8.2.1 Marketing-Manager......................................................................................144 8.2.2 Öffentliche Hand ..........................................................................................147 8.3 Kritische Betrachtung der durchgeführten Studie...............................................148 8.3.1 Theoretische Aspekte ...................................................................................148 8.3.2 Inhaltliche Aspekte.......................................................................................149 8.3.3 Methodische und datenanalytische Aspekte ................................................150 8.4 Anregungen für zukünftige Forschung ...............................................................151 8.4.1 Forschung bezüglich der Werbewirkung von Product Placement ...............151 8.4.2 Forschung bezüglich der Kenntnis und der Einstellung von Rezipienten bezüglich Product Placement .......................................................................154 Anhang .........................................................................................................................157 Literaturverzeichnis....................................................................................................169
XIII
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7: Abbildung 8: Abbildung 9: Abbildung 10: Abbildung 11: Abbildung 12: Abbildung 13: Abbildung 14: Abbildung 15:
Schema des Bezugsrahmens der vorliegenden Arbeit ...........................5 Kategorien von Sonderwerbeformen .....................................................8 Mittelwerte und Standardabweichungen der Aussagen der Marketing-Manager..............................................................................15 Kategorisierung von Product Placement nach Art des Objekts, der Gegenleistung und des Mediums .........................................................16 Gestaltungsvariablen von Product Placement ......................................20 Forschungszweige und wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Product Placement................................................................................25 Marktstruktur für Placement-Massnahmen und die Interaktion zwischen den verschiedenen Anspruchsgruppen .................................54 Modell des Kommunikationsprozesses................................................57 Wirkungskomponenten der Werbung ..................................................65 Zusammenhang zwischen Priming, Processing Fluency, Mere Exposure Effekt und der Einstellung gegenüber einem Stimulus........74 Wirkungskomponenten und -zusammenhänge von Product Placement und den abhängigen Messkonstrukten................................95 Ablaufschritte der Datenerhebung .....................................................109 Anteil an Probanden, die die Markennamen Nikon und Facts explizit erinnert haben........................................................................120 Anteil an Probanden, die die Markennamen Nikon und Facts perzeptuell geprimt haben ..................................................................121 Anteil an Probanden, die die Markennamen Nikon und Facts konzeptuell geprimt haben .................................................................122
XV
Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Tabelle 2:
Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5: Tabelle 6: Tabelle 7: Tabelle 8: Tabelle 9: Tabelle 10: Tabelle 11: Tabelle 12: Tabelle 13: Tabelle 14: Tabelle 15: Tabelle 16:
Tabelle 17:
Tabelle 18:
Tabelle 19:
Tabelle 20:
Tabelle 21:
Kategorisierung von Kommunikationsinstrumenten ...........................11 Überblick über die wichtigsten Befunde der Marketingwissenschaftlichen Grundlagenforschung zu Product Placement theoretischer und juristischer Provenienz ............................................27 Überblick über die wichtigsten Befunde der deskriptivinhaltsanalytischen Forschung .............................................................28 Überblick über die wichtigsten empirischen Befunde zur Einstellung gegenüber Product Placement und ethischen Aspekten....31 Überblick über die wichtigsten empirischen Befunde zur Wirkung von Product Placement.........................................................................38 Bedingungen, die im Rahmen von Product Placement in jedem Land gesetzlich eingehalten werden müssen .......................................52 Übersicht über die bekanntesten Stufenmodelle der Kommunikationswirkung.....................................................................62 Diagnostische Informationen bezüglich Modellannahmen und Gütekriterien.......................................................................................118 Masse bezüglich des Zusammenhangs zwischen der Ausgestaltung der Stimuli und den verschiedenen Erinnerungskonstrukten.............123 Logistisches Regressionsmodell von expliziter Erinnerung als Funktion von formalen Ausgestaltungs- und Kontrollvariablen........125 Toleranzwerte der unabhängigen Variablen in Bezug auf die explizite Erinnerung ...........................................................................128 Logistisches Regressionsmodell von perzeptuellem Priming als Funktion von formalen Ausgestaltungs- und Kontrollvariablen........130 Toleranzwerte der unabhängigen Variablen in Bezug auf das konzeptuelle Priming .........................................................................131 Logistisches Regressionsmodell von konzeptuellem Priming als Funktion von formalen Ausgestaltungs- und Kontrollvariablen........132 Toleranzwerte der unabhängigen Variablen in Bezug auf das konzeptuelle Priming .........................................................................134 Mittelwertunterschiede bezüglich der Einstellung zu verschiedenen Marken (Gruppierungsvariable perzeptuelles Priming der Marke Nikon).................................................................................................137 Mittelwertunterschiede bezüglich der Einstellung zu verschiedenen Marken (Gruppierungsvariable perzeptuelles Priming der Marke Facts) ..................................................................................................138 Mittelwertunterschiede bezüglich der Einstellung zu verschiedenen Marken (Gruppierungsvariable konzeptuelles Priming der Marke Nikon).................................................................................................139 Mittelwertunterschiede bezüglich der Einstellung zu verschiedenen Marken (Gruppierungsvariable konzeptuelles Priming der Marke Facts) ..................................................................................................140 Mittelwertunterschiede bezüglich der Einstellung zu verschiedenen Marken (Gruppierungsvariable explizite Erinnerung der Marke Nikon bzw. Facts) ..............................................................................141 Zusammenfassung der Ergebnisse bezüglich der durchgeführten Hypothesentests..................................................................................141
XVII
Abkürzungsverzeichnis Abs.
Absatz
AMI
Advertising Message Involvement
ARD
Arbeitsgemeinschaften der Rundfunkanstalten Deutschlands
BAKOM
Bundesamt für Kommunikation (Schweiz)
BKS
Bundeskommunikationssenat (Österreich)
bspw.
beispielsweise
EG
Europäische Gemeinschaft
EU
Europäische Union
FCC
Federal Communication Commission (USA)
ISPR
Intrinsic Sources of Personal Relevance
KMDD
Keine Macht den Drogen
LL
Loglikelihood
ML-Verfahren
Maximum-Likelihood Verfahren
ORF
Österreichischer Rundfunk
PrTV-G
Privatfernsehgesetz (Österreich)
RfStV
Staatsvertrag über den Rundfunk (Deutschland)
RTVG
Radio- und Fernsehgesetz (Schweiz)
RTVV
Radio- und Fernsehverordnung (Schweiz)
SF1
Schweizer Fernsehen 1
S-O-R
Stimulus-Organismus-Response
SPSS
Statistical Package for the Social Sciences
S-R
Stimulus-Response
UWG
Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb
Z. B.
Zum Beispiel
ZDF
Zweites deutsches Fernsehen
XIX
1 Einleitung 1.1 Problemstellung
Die Rahmenbedingungen und die Möglichkeiten der Kommunikationspolitik haben sich in den letzten Jahren entscheidend verändert. Marketing-Manager haben längst Alternativen zu den klassischen Instrumenten der absatzgerichteten Kommunikationspolitik entdeckt. Dieser Trend hat sich auch für den Werbeträger Fernsehen bestätigt. Hohe Kosten, gesättigte Werbemärkte, Einschränkungen bezüglich Werbezeit und -umfang, Fernsehwerbeverbote für gewisse Produkte1 wie zum Beispiel Tabakwaren, mangelnde Glaubwürdigkeit, fehlende Originalität der Werbefilme oder neue elektronische Medien sind nur einige Beispiele dafür, warum Unternehmen mittlerweile verstärkt alternative Werbeformen bevorzugen. So gehören beispielsweise Direkt-Marketing-Massnahmen, Sponsoring oder Product Placement heute zum Kommunikations-Mix zahlreicher Unternehmungen. Diese Instrumente erlauben es, viele Probleme bzw. Schwierigkeiten der klassischen Werbeinstrumente zu umgehen oder, wenn richtig eingesetzt, diese Instrumente so zu ergänzen, dass deren Werbewirkung verstärkt wird.
Product Placements werden immer häufiger von Marketing-Managern mit dem Ziel eingesetzt, die Gunst der Rezipienten in einem heterogenen und hart umkämpften Werbemarkt für sich zu gewinnen. Sie gehören zu den so genannten hybriden Werbeformen, bei denen eine Werbebotschaft in einem redaktionellen Teil eines Unterhaltungsprogramms übermittelt wird2. Die Integrierung der Werbebotschaft in den Programminhalt macht die Werbeabsicht der Marketing-Manager für die Rezipienten nicht klar erkenntlich. Der Zuschauer kann sich somit beim Konsum von audiovisuellen Medieninhalten dieser Werbebotschaft nur schwer entziehen3.
In den letzten Jahren hat der Markt für Placement-Massnahmen ein riesiges Wachstum verzeichnet und erreichte im Jahr 2004 ein Marktvolumen von 3.46 Milliarden US Dollar4. Dieser Trend in der Kommunikation hat dazu geführt, dass der Werbeform Product Placement verstärkte Bedeutung zugemessen wird. Volkswagen hat beispielsweise im Januar 2005 einen langfristigen Vertrag mit NBC Universal abgeschlossen, der es dem Autohersteller erlaubt, Product Placements in Filmen oder Fernsehsendungen, die von NBC Universal produziert 1
Unter einem Produkt wird ein Bündel von Eigenschaften verstanden, das auf die Schaffung von Kundennutzen abzielt; vgl. Homburg/Krohmer (2003), S. 459. 2 Vgl. Balasubramanian (1994), S. 30. 3 Vgl. Karrh (1998), S. 33. 4 Vgl. PQ Media (2005), S. 6.
1
werden, vorzunehmen5. Des Weiteren hat eine jüngst durchgeführte Befragung von Mitgliedern der Entertainment Resources and Marketing Association gezeigt, dass Experten künftig eine Zunahme an Placement-Massnahmen erwarten6. Obwohl die Preise für einzelne Product Placements teilweise enorme Höhen erreichen7 und das Thema schon öfters die Aufmerksamkeit der – insbesondere schreibenden – Presse auf sich gezogen hat, gibt es noch verhältnismässig wenig wissenschaftliche Erkenntnisse über die Wirkung von Placement-Massnahmen. Generell fehlt es an Erkenntnissen bezüglich der Wirkung verschiedener Faktoren auf die explizite und implizite Erinnerung an in Fernsehsendungen platzierte Marken8 sowie der damit einhergehenden Folgen auf die Einstellung bezüglich dieser Marken.
Je nachdem welche Ziele Marketing-Manager mit Product Placement verfolgen, müssen verschiedene Kriterien der Wirkungsmessung herangezogen werden9. Für ein neues Produkt kann eine Zielsetzung beispielsweise darin bestehen, möglichst viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, um so bewusste oder unbewusste kognitive Prozesse bei einem Konsumenten zu aktivieren. Ein geeignetes Messkriterium der Erfassung der Werbewirkung wäre in diesem Fall ein Mass der expliziten Erinnerung, wie beispielsweise die ungestützte oder gestützte Erinnerung. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass der Kontakt mit einer Marke deren Verfügbarkeit im Gedächtnis erhöht und somit die Wahrscheinlichkeit steigert, dass diese zum Consideration-Set des Konsumenten10 gehört und entsprechend sein Wahlverhalten bezüglich der Marke beeinflussen kann11. Law/Braun (2000) haben beispielsweise nachgewiesen, dass Probanden, die einem vergleichsweise auffälligen Product Placement ausgesetzt waren, im Rahmen eines im Anschluss an die Stimulus-Präsentation durchgeführten Tests das gezeigte Markenprodukt im Vergleich mit einer Kontrollgruppe häufiger auswählten.
Allerdings kann ein Marketing-Manager auch eine „diskretere“ Kommunikationsstrategie verfolgen, indem er beispielsweise sein Produkt eher im Hintergrund einer Filmszene plat5
Vgl. Ives (2005), Sektion C, S. 9. Vgl. Karrh/McKee/Pardun (2003), S. 145. Gemäss Gupta/Lord (1998) reichen typische Preise für Product Placements in Kinofilmen von US$ 25'000 bis US$ 225'000 oder sind sogar höher, wenn der Sponsor ein prominentes Product Placement wünscht. 8 Ein Marke ist ein Name, ein Ausdruck, ein Zeichen, ein Symbol, ein Design oder eine Kombination dieser Elemente, die es erlauben, die Produkte eines Anbieters identifizierbar zu machen; vgl. Homburg/Krohmer (2003), S. 516. 9 Vgl. Law/Braun (2000), S. 1071; Krishnan/Shapiro (1996), S. 148 ff. 10 Damit ist die individuell wahrgenommene bzw. spontan erinnerte, für relevant gehaltene Alternativenmenge (von Marken) gemeint, unter der zu entscheiden ist; vgl. Trommsdorff (2003), S. 96. 11 Vgl. Chattopadhyay/Alba (1988); Law/Braun (2000); Lee (2002); Nedugandi (1990). 6 7
2
ziert, dafür allerdings in häufigeren Abständen. Somit kann eine Marke temporär oder sogar langfristig im Gedächtnis des Konsumenten eine erhöhte Verfügbarkeit aufweisen und zu einer positiveren Einstellung gegenüber der platzierten Marke führen12.
Werbebotschaften bezüglich verschiedener Markenprodukte, die im Rahmen von redaktionellen Inhalten präsentiert werden, können von Rezipienten auf verschiedene Arten verarbeitet und im Gedächtnis gespeichert werden. Deshalb reicht es nicht aus, wenn man nur ein Messkonstrukt heranzieht, um die Wirksamkeit dieser Botschaft zu messen13. Srull (1989) schlägt beispielsweise vor, dass man verschiedene Konstrukte für die Messung der Wirkung verschiedener Werbemassnahmen anwenden sollte. Die Verwendung eines einzigen Messkonstruktes würde nur beschränkt Erkenntnisse über die Wirkung von Product Placement auf den Rezipienten geben. So können Erinnerungs- oder Wiedererkennungstests beispielsweise keinen Aufschluss über unbewusste Wirkungseffekte geben. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass indirekte bzw. implizite Messkonstrukte die Speicherung peripher wahrgenommener Stimuli besser widerspiegeln14. Deshalb ist es wichtig, dass verschiedene Erinnerungskonstrukte herangezogen werden, die die verschiedenen Wirkungseffekte erfassen.
1.2 Zielsetzung
In der vorliegenden Arbeit soll insbesondere die Wirkung von Placement-Massnahmen im Fernsehen näher erforscht werden, denn insgesamt wurde bislang nur in geringem Ausmass versucht, den Einfluss von Placement-Massnahmen auf das Rezipientenverhalten zu erforschen. Bis heute fehlen insbesondere Studien, die sich mit den unbewussten Einflüssen dieses Marketing-Instruments auf den Konsumenten auseinandersetzen. In der wissenschaftlichen Literatur liegen nach Kenntnis des Autors gerade mal drei wissenschaftliche Studien vor, die sich explizit mit dieser Thematik beschäftigt haben: Law/Braun (2000) prüften in ihrer Studie, inwiefern die Ausgestaltungsvariablen Modalität, d. h. die physische Darstellung eines Markennamen in der Handlung, und die Plot Connection, d. h. die Einbindung eines Markennamens in den Handlungsablauf, die explizite und implizite Erinnerung beeinflussen. Russell (2002) zeigte in ihrer Arbeit, dass nur in Bezug auf die Modalität und Plot Connection kongruente Product Placements die Markeneinstellung positiv beeinflussen. Auty/Lewis (2004) schliesslich wiesen mittels Experimenten einen Reminder-Effekt bei Kindern nach, der durch 12
Vgl. Seamon et al. (1995), S. 714 ff. Vgl. Krishnan/Chakravarti (1999), S. 27. 14 Vgl. Bornstein/Leone/Galley (1987); Mandler/Nakamura/Van Zandt (1987); Merikle/Reingold (1991). 13
3
Product Placements hervorgerufen werden kann und den sie, wie im übrigen Russell (2002) auch, auf den Mere-Exposure-Effekt zurückführen, d. h. eine Einstellungsverbesserung entsteht durch eine mehrfache, unverstärkte Darstellung eines Objekts.
Bargh (2002) erläutert in seinem Artikel, dass Einstellungen und Verhalten unbewusst erfolgen können. Fazio et al. (1986) haben des Weiteren in ihrer Untersuchung gezeigt, dass Einstellungen von Probanden ausserhalb der bewussten Aufmerksamkeit aktiviert bzw. verändert werden können. Diese Erkenntnisse können durch verschiedene Untersuchungen in der Konsumentenverhaltensforschung gestützt werden, die gezeigt haben, dass mentale und Verhaltens-Prozesse ohne bewusste Überlegungen und Wahlverhalten ablaufen können15.
Somit können kognitive Strukturen ohne Wissen seitens des Rezipienten durch äussere Einflüsse verändert werden. Erkenntnisse aus der Forschung zu automatisierten und unbewussten Prozessen in der Sozialpsychologie unterstreichen die Wichtigkeit weiterer Forschung in diese Richtung im Bereich des Konsumentenverhaltens16. Obwohl Product Placement zu den immer häufiger eingesetzten Kommunikationsinstrumenten gehört, ist noch nicht erkennbar, inwiefern die Informationsverarbeitung von Rezipienten durch solcherlei unbewusste Einflüsse angeregt wird.
Im Falle von Product Placements werden Rezipienten mit Markenprodukten in audiovisuellen Medien konfrontiert. Ihnen ist allerdings nicht unbedingt bewusst, dass eine Beeinflussung stattfindet. So kann beispielsweise eine Wirkung auf das Rezipientenverhalten aufgrund unbewusster oder automatisierter Prozesse resultieren. Eine Person kann ihre Aufmerksamkeit auf einen primären Verarbeitungsprozess richten, nämlich das Verständnis der Handlung, wenn sie eine Sendung konsumiert. Allerdings kann sie zusätzlich Informationen unabsichtlich verarbeiten, wie beispielsweise den peripheren Reiz in Form einer Darstellung eines Markenproduktes in einem Film.
Auf den Bedarf nach weiteren Erkenntnissen in Bezug auf die Wirkung von Gestaltungsvariablen von Placement-Massnahmen auf bewusste sowie unbewusste Prozesse der Informationsverarbeitung weisen denn auch Law/Braun (2000) hin. Sie schlagen beispielsweise vor,
15 16
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Für eine Übersicht siehe Trendel/Warlop (2005). Vgl. Bargh (2002), S. 280 ff; Trendel/Warlop (2005), S. 3 ff.
dass in diesem Zusammenhang der Einfluss von Modalität und Plot Connection genauer erforscht werden sollte17.
Auty/Lewis (2004) heben die Wichtigkeit unbewusster Prozesse bei der Markenwahl hervor. Sie empfehlen deshalb, dass der Zusammenhang zwischen Product Placement und Einstellungsveränderungen bei einer Informationsverarbeitung mit geringer Aufmerksamkeit analysiert werden sollte18.
Ein Hauptziel der vorliegenden Arbeit ist es somit, den Einfluss von Product Placements in Fernsehsendungen auf die bewusste und unbewusste Verarbeitung von Informationen zu untersuchen. Dabei soll vor allem die Wirkung von formalen Gestaltungsvariablen sowie von Kontrollvariablen auf die explizite und implizite Erinnerung und die nachfolgende Einstellung zur Marke untersucht werden. Entsprechend bezieht sich die vorliegende Arbeit auf das in Abbildung 1 dargestellte Schema.
Abbildung 1: Schema des Bezugsrahmens der vorliegenden Arbeit
Product Placement
Gedächtnis von Konsumenten
Einstellung von Konsumenten zum platzierten Produkt
Allerdings wird hier nicht auf den Ansatz der intraindividuellen Prozessdissoziation eingegangen, wie ihn Jacoby (1991) in seiner Arbeit vorschlägt. Mit diesem Ansatz können die bewussten und unbewussten Einflüsse in einem kognitiven Verarbeitungsprozess getrennt werden. Dieser Ansatz ist in der Psychologie allerdings sehr umstritten19. In dieser Arbeit wird daher die Wirkung formaler Aspekte von Product Placement, unter Miteinbezug von Kontrollvariablen, auf verschiedene Gedächtniskonstrukte untersucht. Anschliessend wird der Einfluss der verschiedenen Gedächtniskonstrukte auf die Einstellung zur Marke analysiert.
Dabei werden die Empfehlungen von Auty/Lewis (2004) und Russell (2002) hinsichtlich einer simultanen Erhöhung der internen und externen Validität befolgt: In Zusammenarbeit mit
17
Vgl. Law/Braun (2000), S. 1071. Vgl. Auty/Lewis (2004), S. 712; Russell (2002), S. 315. 19 Vgl. Graf/Komatsu (1994); Joordens/Merikle (1993). 18
5
einer real existierenden Fernseh-Soap20, die im Schweizer Fernsehen ausgestrahlt wird, wurden für die Datenerhebung mittels Experimenten eigens Stimuli produziert, bei denen die unabhängigen Variablen Modalität und Plot Connection, unter sonst gleichen Bedingungen (ceteris paribus), manipuliert wurden.
Aufgrund der wissenschaftlichen Durchdringung dieser Zielsetzung und den daraus gewonnen Erkenntnissen werden erste Implikationen für Marketing-Manager und Gesetzgeber abgeleitet. Dabei interessiert Marketing-Manager insbesondere, wie sie Placement-Massnahmen gestalten können, so dass sie ihre marktpsychologischen Ziele besser erreichen können. Für den Gesetzgeber sind die Ausführungen zu den unbewussten Einflüssen von Product Placements relevant, denn diese bilden einen der Hauptstreitpunkte in der derzeit intensiv geführten öffentlichen Diskussion um das Thema21.
1.3 Aufbau der Arbeit
Die Arbeit umfasst insgesamt acht Kapitel. Nach der Einleitung werden in Kapitel 2.1 zunächst die theoretischen Grundlagen zum Thema Product Placement präsentiert. Anschliessend werden die verschiedenen Forschungsrichtungen im Kapitel zum State-of-the-Art aufgezeigt und eingehend diskutiert. Diese Analyse mündet in ein abschliessendes Fazit zur bisherigen Forschung und eine Diskussion über mögliche Lücken innerhalb der Wirkungsforschung im Bereich des Product Placement.
Da es sich bei Product Placement um ein neuartiges und aufgrund seiner oft ungenügenden Abgrenzung zur Schleichwerbung umstrittenes Kommunikationsinstrument handelt, werden in Kapitel 3 die rechtlichen Grundlagen in Ländern des deutschsprachigen Raums und den USA, dem Vorreiter in der Verwendung von Product Placement schlechthin, präsentiert. Zu Beginn des dritten Kapitels erfolgt allerdings eine kurze Erläuterung über die Gründe, die die öffentliche Kontroverse um das Thema immer wieder anstossen.
In Kapitel vier wird in einem ersten Schritt ein grundlegendes Kommunikationsmodell erläutert (Kapitel 4.1), das aufzeigen soll, warum und wie Kommunikation generell stattfindet. Darauf aufbauend werden verschiedene in der Psychologie und der Werbewirkungsforschung 20
Die Bezeichnung Soap Opera wird im Deutschen wörtlich mit Seifenoper übersetzt; vgl. Bosshart/Steinmann (2002), S. 11. 21 Siehe dazu auch Kapitel 3.1.
6
entwickelte Wirkungsmodelle und -theorien, die das Rezipientenverhalten im Kontext von Product Placement beschreiben, diskutiert (Kapitel 4.2 und 4.3). In Kapitel 4.4 wird die Unterscheidung zwischen expliziten und impliziten Messansätzen in der Werbewirkungsforschung präsentiert.
In Kapitel 5 werden relevante Fragestellungen zur Wirkung von Product Placement auf Konsumenten diskutiert. In Kapitel 5.1 bis 5.4 werden auf der Basis des State-of-the-Art, der in Abschnitt 4.2 und 4.3 diskutierten Wirkungsmodelle und weiterer Erkenntnisse aus dem Bereich der Psychologie sowie der Werbewirkungsforschung theoriegeleitet forschungsleitende Hypothesen formuliert. Darauf aufbauend wird in Kapitel 5.5 ein für diese Arbeit relevantes Wirkungsmodell entwickelt, das sämtliche in Kapitel 5.1 bis 5.4 postulierte Wirkungszusammenhänge zwischen den verschiedenen Konstrukten nochmals zusammengefasst aufzeigen soll.
In Kapitel 6 wird das empirische Untersuchungsdesign beschrieben. Dabei werden insbesondere der Versuchsaufbau, das Design der Stimuli, der Manipulationscheck, die Operationalisierung der zu erhebenden Konstrukte, der Aufbau der Fragebögen, die Stichprobe, die Durchführung der einzelnen Schritte bei der Datenerhebung sowie bei der Datenanalyse erläutert.
Kapitel 7 bildet den eigentlichen Schwerpunkt der Arbeit. Hier werden die wichtigsten Erkenntnisse aus der empirischen Erhebung präsentiert.
Die Arbeit wird durch eine Abschlussbetrachtung in Kapitel 8 abgeschlossen. Dieses Kapitel umfasst eine Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse (Kapitel 8.1), Implikationen für Marketing-Manager und Gesetzgeber (Kapitel 8.2) sowie eine kritische Betrachtung der durchgeführten Studie (Kapitel 8.3) und Anregungen für die zukünftige Forschung auf dem Gebiet des Product Placement (Kapitel 8.4).
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2 Konzept des Product Placement 2.1 Theoretische Grundlagen zu Product Placement 2.1.1 Definition von Product Placement
Product Placement gehört zu den so genannten Sonderwerbeformen, die sich generell in die drei Kategorien formal, funktional und inhaltlich einteilen lassen (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2: Kategorien von Sonderwerbeformen Sonderwerbeformen
formal
funktional
inhaltlich
Gleichzeitige Ausstrahlung redaktioneller und werblicher Inhalte
Werbeinhalt = Sendungsinhalt
Werbebotschaft wird in Programminhalt integriert (z. B. Product Placement)
(z. B. Teleshopping) (z. B. Split-Screen)
Quelle: in Anlehnung an Grossenbacher (2006), S. 56.
So genannte Split-Screens sind ein Beispiel für die formale Integration von Werbeinhalten in den redaktionellen Teil einer Sendung. Dabei wird während einer laufenden Sendung für die Dauer des Werbespots der Bildschirm in zwei Teile halbiert, wobei in einem Teil die Sendung normal weiterläuft und im anderen Teil eine Werbebotschaft ausgestrahlt wird. Der Rezipient wird aber darauf hingewiesen, dass er mit Werbung konfrontiert wird. Bei der funktionalen Integration einer Werbebotschaft wird der Werbeinhalt zum eigentlichen Programminhalt wie dies beispielsweise bei Teleshopping-Sendungen der Fall ist. Wird die Werbebotschaft in den Programminhalt integriert, so handelt es sich um eine inhaltliche Einbeziehung von werblichen Absichten; ein typisches Beispiel hierfür ist Product Placement22.
In der Literatur existiert eine Vielzahl von Begriffsdefinitionen von Product Placement, die jeweils leicht voneinander abweichen. In vorliegender Arbeit wird unter Product Placement einer allgemeinen Definition folgend ein kommunikationspolitisches Instrument verstanden, 22
8
Vgl. Grossenbacher (2006), S. 56.
bei dem ein Markenprodukt oder ein Markenerkennungszeichen (wie z. B. ein Logo) gegen Bezahlung in ein Programm (z. B. in Fernsehen, Kino oder Hörfunk) integriert wird und von auditiven, visuellen und/oder audio-visuellen Medien verbreitet wird23. Es soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die Bezahlung auch in Form von Gegenleistungen – wie beispielsweise in Form eines Tauschgeschäfts (Barter-Agreement) – erfolgen kann24. Der englischsprachige Begriff des Product Placement wird meistens auch in der deutschsprachigen Marketing-Literatur so übernommen25, weil er quasi als Terminus Technicus (Fachausdruck) angesehen wird. Dieser terminologischen Vereinbarung soll auch in der vorliegenden Arbeit gefolgt werden26.
Weiter muss zwischen Markenprodukten bzw. Markenerkennungszeichen unterschieden werden, die in Medieninhalte bewusst „platziert“ bzw. aus künstlerischen oder informativen Gründen „eingebunden“ werden. Friedman (1991) benützt in diesem Zusammenhang die Begriffe „sponsored word-of-author advertising“ respektive „unsponsored word-of-mouth advertising“, wobei bei ersterem mit der Verwendung von Markenprodukten bzw. Markenerkennungszeichen die kommerziellen Absichten hervorgehoben werden und bei letzterem der künstlerische Gedanken im Vordergrund liegt.
An dieser Stelle soll bereits der Unterschied zwischen Schleichwerbung und Product Placement kurz erläutert werden27. Generell hängt die Unterscheidung, ob nun Product Placement oder aber Schleichwerbung vorliegt, von den jeweiligen rechtlichen Grundlagen in einem spezifischen Land ab: So kann ein bezahltes Product Placement, das gemäss den SponsoringRichtlinien des Bundesamtes für Kommunikation (BAKOM) in der Schweiz gesetzlich zulässig ist, in Deutschland als Schleichwerbung bezeichnet werden, da dort bezahlte Placements generell verboten sind.
23
Vgl. Karrh (1998), S. 33. Siehe dazu auch Kapitel 2.1.5. 25 Vgl. Bruhn (2003), S. 275; Schweiger/Schrattenecker (2001), S. 7. 26 In der vorliegenden Arbeit werden allerdings auch die Begriffe Brand Placement und Placement-Massnahmen als Synonyme für den Terminus Product Placement verwendet. 27 Diese Thematik wird in Kapitel 3.2 ausführlich diskutiert. 24
9
2.1.2 Geschichte und Ausblick auf die zukünftige Entwicklung
Die ersten Anfänge des Product Placement finden sich bereits in Spielfilmen aus den 1950er Jahren wie z. B. „African Queen“ (1951), in dem sich der Schauspieler Humphrey Bogart publikumswirksam eines „Gordon’s Dry Gin“ bedient. Als weiteres, frühes Beispiel ist der deutsche Heimatfilm „Und ewig rauschen die Wälder“ (1956) zu nennen, in dem eine Suchard-Schokolade 18 Sekunden lang Format füllend im Bild zu sehen ist. Als erster substanzieller Placement-Erfolg gilt jedoch die Integration der US-amerikanischen Konsumgütermarke „Reese’s Pieces“28 in dem Kino-Erfolg „E.T. der Ausserirdische“ (1982), nach dessen Ausstrahlung „Reese’s Pieces“ einen sprunghaften Verkaufsanstieg verzeichnen konnte29. Daraufhin folgten zahllose und in der breiten Öffentlichkeit zum Teil intensiv diskutierte Beispiele, wie z. B. die Platzierung des neuen Auto-Modells „Z 3“ der Marke BWM im James Bond-Film „Golden Eye“ (1995).
In 2004 betrugen, wie eingangs dieser Arbeit kurz angesprochen, die Zahlungen von Werbungtreibenden für die Integration von deren Marken in weltweit produzierten Spielfilmen, Fernsehsendungen und anderen Medien bereits geschätzte 3.46 Milliarden US Dollar30. Seit 1999 haben sich die Ausgaben für Product Placement somit mehr als verdoppelt31. Aber nicht nur in den USA, sondern auch in Europa bedient man sich vermehrt des Product Placement als Instrument des Marketing, wie ein Blick in die westeuropäischen Fernsehprogramme beweist.
Die Product Placement-Industrie wird gemäss Schätzungen in den nächsten Jahren weiterhin überdurchschnittlich wachsen. Bis 2009 wird eine durchschnittliche Wachstumsrate von 14.9 % erwartet und das gesamte Marktvolumen auf 6.94 Milliarden US$ geschätzt. Das Fernsehen soll gegenüber anderen Medien gemäss Schätzungen bis 2009 seinen Marktanteil am gesamten Markt für Product Placement um zirka 7 % auf 61.2 % steigern. Gleichzeitig wird der Marktanteil der Filme zu Lasten des Fernsehens um sechs Prozent zurückgehen, um 2009 einen Marktanteil von 30.2 % zu halten. Die Ausgaben für Product Placement in anderen Medien werden um ein Prozent auf 8.6 % sinken, wobei sie in den Segmenten der Videospiele und im Internet steigen werden32. 28
Schokoladenmarke. Vgl. Reed (1989), nach Nebenzahl/Secunda (1993), S. 1. 30 Vgl. PQ Media (2005), S. 6. 31 Vgl. PQ Media (2005), S. 6. 32 Vgl. PQ Media (2005), S. 8 ff. 29
10
2.1.3 Einordnung von Product Placement in den Marketing-Mix
Geht man von der Vierer-Systematik des Marketing von McCarthy (1960) aus, nämlich den vier P’s Product (Produktpolitik), Price (Preis), Place (Distributionspolitik) und Promotion (Kommunikationspolitik), so sind Placement-Massnahmen im vierten P, d. h. in der Promotion bzw. der Kommunikationspolitik, anzusiedeln. Dabei ist Product Placement der Marktkommunikation zuzuordnen, denn es handelt sich hierbei um Kommunikationsaktivitäten mit kommerziellen Absichten33.
Eine systematische Kategorisierung der verschiedenen kommunikationspolitischen Instrumente ist in Tabelle 1 abgebildet.
Tabelle 1: Kategorisierung von Kommunikationsinstrumenten Art Richtung
intern
extern
direkt einseitig
indirekt zweiseitig
einseitig
zweiseitig
• Internes Berichts- und Informationswesen • Mitarbeiterbezogene Verkaufsförderung
• Mitarbeitergespräche • Arbeitssitzungen • Betriebsversammlungen • Training, Schulungen
• Public Relations • Firmenbroschüren • Firmenzeitungen • Firmenvideos
• Direkt Mailing • Videokonferenzen • Computer Based Training
• Direktwerbung • Verbraucherbezogene Verkaufsförderung • Handelsbezogene Verkaufsförderung • POS-, POP-Werbung • Werbebriefe
• Persönlicher Verkauf • Event Marketing • Messen & Ausstellungen • Verbraucherbezogene Verkaufsförderung • Handelsbezogene Verkaufsförderung
• Mediawerbung • Sponsoring • Public relations • Product Placement • Product Publicity • Kioskterminals • Kundenzeitschriften • Werbebanner • CD-ROM
• Hotline • Antwortcoupons in Printmedien • Multimediapräsentationen • Online-Kommunikation • Website • Call Center • Direct-ResponseMassnahmen
Quelle: In Anlehnung an Bruhn (2003), S. 274.
Die direkte Kommunikation basiert auf einem direkten Kontakt zwischen dem Unternehmen und dem Empfänger und bei der indirekten Kommunikation erfolgt die Übermittlung einer Botschaft mit Hilfe eines Mediums. Dabei kann die Kommunikation ein- oder aber zweiseitig sein. Im Gegensatz zur zweiseitigen Kommunikation kann bei der einseitigen Kommunikation der Empfänger nicht umgehend in den Dialog mit dem Unternehmen treten, da kein direkter Kontakt hergestellt wird. Weiter wird nach der Richtung der Kommunikation unterschieden, wobei externe Kommunikation marktgerichtet und interne Kommunikation nach innen gerichtet ist, d. h. sie erfolgt innerhalb der Unternehmung34.
33 34
Vgl. Schweiger/Schrattenecker (2001), S. 7. Vgl. Bruhn (2003), S. 273 ff.
11
Product Placement ist ein Instrument der externen Kommunikation, das indirekt über audiovisuelle Medien übermittelt wird und einseitig erfolgt. Es soll und kann die klassische Werbung nicht vollständig ersetzen; es eignet sich viel mehr als ergänzendes Instrument im Rahmen einer integrierten Kommunikationspolitik, um beispielsweise das Image eines Unternehmens beim Verbraucher aufzubauen und zu festigen. Allgemein kann festgehalten werden, dass durch Product Placement für die Werbung treibende Industrie eine verbesserte Werbewirkung erreicht werden kann, während die Produktionsfirmen realitätsnahe Produktionen vornehmen und dabei gleichzeitig erhöhte Einnahmen verzeichnen können, wodurch eine „Win-winSituation“ beider Werbepartner erreicht wird35. Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass sich das Instrument des Product Placement zunehmender Beliebtheit erfreut36.
Aus juristischer Perspektive wird Product Placement in zahlreichen gesetzlichen Grundlagen – wie beispielsweise in der Schweiz – dem Sponsoring gleichgesetzt. Mit dem Sponsoring unterstützt ein Unternehmen „Aktivitäten zur Förderung von Personen oder Organisationen in den Bereichen Sport, Kultur, Soziales, Umwelt oder Medien“37, wobei generell eine Gegenleistung seitens des Gesponserten zur Erreichung der Kommunikationsziele des Unternehmens erfolgt. So kann ein Unternehmen auch TV-Programminhalte in Form eines Sponsorings finanziell unterstützen. Dabei wird meist am Anfang und am Ende einer Fernsehsendung der Sponsor explizit verbal erwähnt und das Logo der Marke eingeblendet. Beim Product Placement wird – je nach Land – allerdings meist nur am Anfang oder Ende der Sendung auf die platzierten Marken in schriftlicher Form, ohne Einblendung des Markenlogos, hingewiesen.
2.1.4 Ziele von Product Placement aus Sicht der Marketing-Manager
Obwohl die ursprüngliche Absicht von Filmproduzenten darin bestand, den Grad der Realität in den Handlungen eines Film zu erhöhen, haben Marketing-Manager die Eignung von Product Placement zur Übermittlung einer Werbebotschaft in den letzten zwei Jahrzehnten erkannt. Somit wurde Product Placement als Instrument im Kommunikations-Mix zunehmend wichtiger und sollte gemäss Expertenaussagen in Zukunft auch verstärkt eingesetzt werden38.
35
Vgl. Karrh/McKee/Pardun (2003), S. 2. Vgl. Schweiger/Schrattenecker (2001), S. 111. 37 Homburg/Krohmer (2003), S. 663. 38 Vgl. Karrh/McKee/Pardun (2003), S. 145. 36
12
Generell kann festgehalten werden, dass Placement-Massnahmen Marketing-Managern dazu dienen, verschiedene Werbebotschaften an Konsumenten zu übermitteln.
Je nachdem, welche Art der Werbewirkung erreicht werden soll, können die Kommunikationsziele, die Marketing-Manager mit Product Placement verfolgen, divergieren. Russell/Belch (2005) fanden in ihrer Studie heraus, dass Product Placement meist nicht integrierter Bestandteil einer strategischen Planung ist. Insbesondere kleinere Firmen sehen Vorteile in der auffallenden Medienpräsenz. Oftmals werden mit Placement-Massnahmen jedoch erstaunlicherweise keine konkreten Ziele verfolgt, was unter anderem auch zur Folge hat, dass Kunden häufig nicht aktiv in den Planungsprozess miteinbezogen werden39.
Um in einem ersten Forschungsschritt zur Verbesserung des grundlegenden Verständnisses der Problemstellung der vorliegenden Arbeit die Ziele von Marketing-Manager in der Schweiz, die Product Placement als Kommunikationsinstrument einsetzen, zu ermitteln, wurde eine telefonische Befragung von Marketing-Verantwortlichen in Unternehmen, die ihre Markenprodukte in der Soap „Lüthi und Blanc“ platzieren, mit Hilfe eines strukturierten Leitfadens40 durchgeführt. Die befragten Unternehmen sind in folgenden Branchen tätig: Food, Beverage, Bekleidung, Spielwaren, Gastronomie, Schmuckhandel und Kaffee. Bei den befragten Firmen handelt es sich, mit einer Ausnahme, von der Grösse her um kleine und mittlere Unternehmen.
Ziel dieser explorativen Befragung war es unter anderem, erste Erkenntnisse über die kommunikationspolitischen Absichten, die Marketing-Manager in der Schweiz mit Product Placement verfolgen, zu generieren. Insgesamt wurden im Frühjahr 2004 sieben MarketingVerantwortliche, drei Frauen und vier Männer, von Firmen mit Sitz in der Schweiz befragt, die anonym bleiben möchten. Bei der Stichprobe handelt es sich um ein Convenience-Sample, denn die Probanden wurden von der Produktionsfirma C-Films, die die schweizerische „Seifenoper“ „Lüthi und Blanc“41 produziert, vermittelt und haben ihre Marke in mindestens einer Folge der Soap platziert. Die Probanden sollten sowohl offene, als auch geschlossene Fragen beantworten. Der Fragebogen enthielt insgesamt drei Frageblöcke, wobei jeweils eine offene Frage und anschliessend die Wichtigkeit verschiedener Items auf einer Skala von 1 bis 10 (1 = überhaupt nicht wichtig; 10 = sehr wichtig) bewertet werden mussten. Beim Fragenblock 1 39
Vgl. Russell/Belch (2005), S. 81 ff. Siehe Anhang A. 41 Fernsehserie, die wöchentlich im nationalen öffentlichen Fernsehen ausgestrahlt wird. 40
13
ging es um die mit den Placement-Massnahmen verfolgten Ziele; beim Fragenblock 2 wurde die Wichtigkeit von Ausgestaltungsvariablen von Product Placements abgefragt; Fragenblock 3 enthielt schliesslich Items zu den Eigenschaften von Produkten, damit diese für PlacementMassnahmen geeignet sind. Die offene Frage hatte jeweils zum Ziel, die spontanen Äusserungen der Probanden zum jeweiligen Thema zu erfassen. In diesem Abschnitt wird hauptsächlich auf die Ergebnisse des ersten Frageblocks eingegangen. Denn es geht in einem ersten Schritt darum, die von Marketing-Managern mit Product Placement verfolgten Ziele zu kennen. Bevor mit der telefonischen Befragung begonnen werden konnte, wurde dem jeweiligen Proband der Hintergrund der Studie erklärt und ihm klare Anweisungen bezüglich der Vorgehensweise gegeben.
Wie bereits weiter oben erwähnt, wurden mit Hilfe des ersten Frageblocks die kommunikationspolitischen Ziele ermittelt, die von den einzelnen Firmen bzw. Marketing-Managern mit Product Placement verfolgt werden. Die erste offene Frage beantworteten die Probanden wie folgt: Zwei Probanden sagten aus, dass sie mit Product Placement prinzipiell den Bekanntheitsgrad ihrer Marke steigern wollen. Zwei weitere Probanden erklärten, dass Product Placement ihnen erlaube, ihr Produktsortiment dem Publikum zu präsentieren und dieses gleichzeitig in einem typischen Umfeld zu zeigen. Die Marketing-Verantwortliche eines Spielzeugwarenherstellers sagte aus, dass sie die Zielgruppe der 5- bis 14-Jährigen ansprechen will. Eine Person meinte, dass sie kein spezifisches Ziel mit Brand Placement verfolge; sie sei angefragt worden und habe gedacht, „es wäre eine gute Idee, das Produkt in einer […] Sendung präsentieren zu können“. Ein einziger Proband, Marketing-Verantwortlicher eines Getränkeherstellers, nannte konkret drei Ziele, die seine Firma mit Product Placement verfolgt, nämlich Medienpräsenz steigern, Markenbekanntheit fördern und dem Publikum neue Produkte vorstellen.
In einem weiteren Schritt mussten die Probanden die Wichtigkeit verschiedener marktpsychologischer Zielsetzungen angeben, die sie möglicherweise implizit mit Product Placement verfolgen. Dabei wurden sie mit insgesamt sieben Items konfrontiert und deren Wichtigkeit auf einer Skala von 1 bis 10 angeben. Die Mittelwerte und Standardabweichungen sind in Abbildung 3 dargestellt.
14
Abbildung 3: Mittelwerte und Standardabweichungen der Aussagen der Marketing-Manager (n=7) 8.57 (1.99)
8.00 (3.32)
Exklusivität im Träger
Imagetransfer Soap auf Produkt
Imagetransfer Schauspieler auf Produkt
Erhöhung Bekanntheitsgrad
Steigerung des Wissens
Schaffen von Vertrauen
7.00 (2.58) 6.36 (2.63) 6.71 (2.81)
6.21 (2.08) 5.86 (3.44)
Verstärkung Glaubwürdigkeit
10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0
Das Item mit dem höchsten Mittelwert (8.57) ist die Exklusivität der Marke im Träger. Die befragten Marketing-Manager sehen den Sachverhalt, ihre Marke in einem Umfeld ohne Einflüsse der Konkurrenz zu präsentieren, als am wichtigsten an. Ein weiteres wichtiges Ziel besteht darin, wie dies bereits aus Frage 1 zu erkennen war, den Bekanntheitsgrad eines Markenprodukts zu erhöhen (Mittelwert=8). Allerdings gilt hier zu beachten, dass ein Proband diesem Item einen Wert von 1 zugeteilt hat, was die Standardabweichung bei dem hier vorliegenden, sehr kleiner Stichprobenumfang entsprechend erhöht. Die restlichen Probanden beurteilten dieses Item mit Werten zwischen 7 bis 10. Die Items „Imagetransfer durch Soap“, „Imagetransfer durch Schauspieler“, „Schaffen von Vertrauen“ sowie „Verstärkung der Glaubwürdigkeit“ wurden im Schnitt als weniger wichtig erachtet. Die vergleichsweise hohe Standardabweichung der Variablen „Steigerung des Wissens über das Produkt/die Marke“ weist darauf hin, dass das Antwortverhalten zwischen den Probanden stark divergiert. Drei der sieben Probanden bewerteten dieses Item mit einem Wert zwischen 1 und 3; die restlichen Probanden gaben Werte zwischen 8 und 10 an.
Generell stützen die mittels Expertenbefragung generierten Ergebnisse die Erkenntnisse von Russell/Belch (2005). Es kann somit festgehalten werden, dass im Umgang mit Product Placements oft keine klaren Zielsetzungen verfolgt werden und eine systematische Planung bei der Umsetzung fehlt.
15
2.1.5 Kategorisierung und grundlegende Formen von Product Placement
Placement-Massnahmen existieren heute in den verschiedensten Formen und können nach verschiedenen Kriterien unterteilt werden. In der Literatur fehlt bisher eine umfangreiche und systematische Kategorisierung von Placement-Massnahmen.
Abbildung 4 zeigt eine Möglichkeit auf, wie Product Placement aufgrund verschiedener Kriterien charakterisiert werden können. Auf der Basis der bereits existierenden Literatur kann man insgesamt drei Kriterien definieren, anhand derer man Placement-Massnahmen kategorisieren kann. So können Product Placements nach der Art des platzierten Objekts, der Art der Gegenleistung und der Art des Mediums unterteilt werden. Im Folgenden wird auf diese drei Kriterien eingegangen.
Abbildung 4:
Kategorisierung von Product Placement nach Art des Objekts, der Gegenleistung und des Mediums Kriterien der Kategorisierung von Product Placement
Art des platzierten Objekts
Art der Gegenleistung
Art des Mediums
Product Placement
Program Tie-in
Fernsehen
Corporate Placement
Bartering
Radio
Generic Placement
Bezahltes Placement
Kinofilme
Location Placement
Advertising Tie-in
Schriftliche Medien
Innovation Placement
Gratis Placement
Computerspiele
Historisches Placement
Internet
Message Placement
Music Placement
In der wissenschaftlichen Literatur wurden bisher die nachfolgend präsentierten acht verschiedenen Arten von platzierten Objekten angeführt:
16
x
Bei Product Placements handelt es sich um die kreative Einbindung von Markenprodukten in die Handlung. Dies ist grundsätzlich die älteste Form von PlacementMassnahmen. Ist beispielsweise in einer Szene eine Flasche Coca-Cola auf einem Tisch zu sehen, so handelt sich um ein Product Placement. In diesem Zusammenhang wird auch oft der synonyme Begriff Brand Placement verwendet.
x
Wird ein Unternehmen selbst als Kulisse benützt, wenn beispielsweise sich ein Teil des Szenarios in der Filiale einer Bank abspielt, spricht man von einem Corporate Placement. Dabei wird kein spezifisches Produkt in der Handlung gezeigt, sondern ein Unternehmen als Ganzes bzw. als eine Art „Dachmarke“. Diese Art von Placement eignet sich insbesondere für Dienstleistungsunternehmen, da diese keine physisch wahrnehmbaren Produkte vertreiben.
x
Bei Generic Placements handelt es sich um die Darstellung von Produktkategorien, ohne dass man dabei eine Marke erkennen kann. „Schweizer Schokolade“ oder „Holländischer Käse“ wären prominente Beispiele von Generic Placements. Ein weiteres Beispiel dafür sind die Placements für kalifornischen Wein im Film Sideways, der im Jahr 2004 erschienen ist42.
x
Wenn für den Zuschauer bewusst erkennbare Ortschaften als Kulissen verwendet werden, handelt es sich um so genannte Location Placements. Vor allem für die Tourismus-Branche ist diese Placement-Variante interessant. So hat der bereits weiter oben erwähnte Film Sideways einen Boom im Bereich des Tourismus auf die Region um Santa Barbara in Kalifornien ausgelöst, da sich ein grosser Teil der Handlung in einer idyllischen Landschaft von Natur und Meeresküste abspielt43.
x
Wird ein Produkt erstmals in einer Sendung gezeigt und ist dieses auf dem Markt nicht erhältlich, handelt es sich um ein Innovation Placement. Typischerweise handelt es sich hier um Produkte die kurz vor der Markteinführung stehen. So war der BMW Z3 erst nach Ausstrahlung des Films James Bond, in welchem das Auto eine wichtige Rolle spielte, auf dem Markt erhältlich44. Allerdings kann es sich hierbei auch um ein speziell für einen Träger konzipiertes Produkt handeln, mit dem Ziel, ein innovatives Image zu fördern. So wurde beispielsweise für den Film i-robot ein spezielles, futuristisches Modell von Audi entwickelt, das in einer Handlung eingesetzt wurde, die sich in der Zukunft abspielt45.
42
Vgl. Palmeri (2005), S. 90. Vgl. Palmeri (2005), S. 90. 44 Vgl. Fournier/Dolan (1997), S. 2 ff. 45 Vgl. Halliday (2004), S. 152. 43
17
x
Bei historischen Placements werden Marken, die in der aktuellen Form nicht mehr existieren oder es als solche nicht mehr gibt, als Requisiten verwendet. So wurde beispielsweise im Film „Forrest Gump“ das alte Logo von Apple gezeigt46. Somit entspricht das Design der platzierten Marke der Epoche, in der sich die Handlung abspielt.
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Bei einem Message Placement dreht sich meist ein wichtiger Teil der Handlung um einen Slogan oder einen präventiven Kommunikationsinhalt. Slogans wie „Keine Macht den Drogen“47 oder „Stand Up Speak Up“48 sind Beispiele für Messages, die in einem Film platziert werden könnten. Ein weiteres Beispiel für diese Art von Placement ist das Harvard Alcohol Project (HAP). Dabei wurde das Fernsehen als Träger benützt, um den verantwortungsbewussten Konsum von Alkohol mittels eines „Message Placements“ zu kommunizieren.
x
Bei Music Placements handelt es sich um Musikstücke, die als Hintergrundmusik abgespielt und oftmals als Filmmusik im Fachhandel verkauft werden. So wurde beispielsweise im Jahr 1995 der Soundtrack „I’ll be there for you“ der Gruppe „The Rembrandts“ der Fernseh-Serie Friends zum Verkaufsschlager49.
Im Rahmen der Serie „Lüthi und Blanc“ wird auch der Begriff Requisiten-Placement verwendet50. Dieser weist darauf hin, dass die Handlung die zu integrierenden Produkte bestimmt, d. h. dem Drehbuch entsprechend werden geeignete Firmen angefragt, ob sie ihre Produkte in der Handlung platzieren möchten. Somit wird zu einem gewissen Teil auch verhindert, dass Firmen einen Einfluss auf den redaktionellen Inhalt der Sendung haben können. Dabei kann es sich, je nach Bedarf, gemäss oben stehender Abbildung 4 um verschiedene Arten von zu platzierenden Objekten handeln.
Wird die Art der Gegenleistung als Unterteilungskriterium von Placement-Massnahmen herangezogen, die insbesondere aus juristischer Perspektive relevant ist, kann zwischen folgenden Arten von Placement-Massnahmen unterschieden werden: Program Tie-in, Bartering, bezahltes Product Placement, Advertising Tie-in und Gratis Placement. Bei Program Tie-ins handelt es sich um ein Quid-pro-Quo Abkommen zwischen der Fernsehanstalt und der zu platzierenden Marke, wobei die Marke in einer Sendung platziert wird, der Markenträger aber 46
Vgl. Michaels (2001), S. 25. Kampagne gegen den Missbrauch von Drogen; vgl. KMDD (2006). 48 Kampagne von Nike gegen Rassismus im Fussball; vgl. Nike (2006). 49 Vgl. Bellafante/Ressner (1995), S. 93. 50 Vgl. Bosshart/Steinmann (2002), S. 26. 47
18
als Gegenleistung sich dazu verpflichtet, für einen gewissen Betrag Werbezeit beim Sender einzukaufen51. Beim Bartering stellt das Produkt an sich die Gegenleistung dar; d. h. es fliessen keine Gelder zwischen „Sponsor“ und Fernsehanstalt oder Produzent, sondern lediglich materielle Entschädigungen52; es handelt sich hierbei folglich um ein Tauschgeschäft. Bei der wohl gängigsten Form von Placement-Massnahmen, dem bezahlten Placement, zahlt der Auftraggeber dem Programmverantwortlichen einen finanziellen Betrag für die Darstellung der Marke im Programminhalt53. Eine weitere Möglichkeit, Placement-Massnahmen umzusetzen, besteht in der Variante des Advertising Tie-in. Bei dieser Form von Placement-Massnahmen kann entweder die Fernsehanstalt oder der Produzent vom „Sponsor“ fordern, dass er auf dem Packaging von seinen Produkten oder im Rahmen von klassischen Werbemassnahmen gleichzeitig Werbung für die Sendung bzw. den Film macht54. Umgekehrt besteht für den Sponsor die Möglichkeit, im Rahmen seiner weiteren Kommunikationsmassnahmen oder auf dem Packaging seiner Produkte eine Verbindung zur entsprechenden Sendung oder zum Film erkennen lassen, in denen die Marke in die Handlung integriert wurden. Die ursprüngliche Form von Placement-Massnahmen sind die Gratis Placements. Hier wird ein Produkt von einem Hersteller gratis zur Verfügung gestellt oder sogar vom Produzenten der Sendung eingekauft55.
Ein weiteres Unterteilungskriterium ist die Art des Mediums. So kann ein Markenname verbal in einer Radiosendung platziert werden. Es besteht des Weiteren die Möglichkeit, ein Product Placement in einem Kinofilm vorzunehmen. Man spricht ausserdem von Product Placement, wenn in schriftlichen Medien wie beispielsweise Büchern oder Zeitschriften Markennamen erwähnt werden. Weitere prominente Medien, in denen zunehmend auch Markennamen platziert werden, sind Computerspiele und Websiten auf dem Internet.
Bei der konkreten Umsetzung von Placement-Massnahmen kann des Weiteren nach den formalen und inhaltlichen Gestaltungsvariablen unterschieden werden (siehe Abbildung 5).
51
Vgl. Balasubramanian (1994), S. 31 ff. Vgl. Karrh (1995), S. 182. 53 Vgl. Balasubramanian (1994), S. 31. 54 Vgl. Balasubramanian (1994), S. 34. 55 Karrh (1995), S. 182. 52
19
Abbildung 5: Gestaltungsvariablen von Product Placement Gestaltungsvariablen von Product Placement
Inhaltliche Gestaltungsvariablen (Aufladung der Szene)
Formale Gestaltungsvariablen
Humor Plot Connection (Einbezug der Marke in die Handlung)
Modalität (physische Präsentation)
Spannung Erotik
Screen Placement (visuell) Einblendungszeit
Script Placement (verbal) Häufigkeit der Erwähnungen
Plot Placement (verbal & visuell) Einblendungszeit
Grösse der Marke
Grösse der Marke
Anzahl Szenenschnitte
Anzahl Szenenschnitte
Platzierung im Raum
Platzierung im Raum
Kamerawinkel
Kamerawinkel
Hoch
Tief
Wärme Actor Endorsement Inkongruenz
Häufigkeit der Erwähnungen
Bei den formalen Gestaltungsvariablen kann zwischen der Modalität der Darstellung einer Marke und der so genannten Plot Connection unterschieden werden. Bei der Modalität handelt es sich um die „physische Präsentation“ von Marken in audiovisuellen Medien. Dabei kann eine Marke in einer Handlung rein visuell (Screen-Placements), rein verbal (Script Placement) oder sowohl visuell als auch verbal (Plot Placement) erscheinen56. So können sich visuelle Placements untereinander aufgrund ihrer Einblendungszeit, der Grösse der Marke, der Anzahl Szenenschnitte, der Platzierung im Raum und des Kamerawinkels unterscheiden. Verbale Placements können nach Anzahl Erwähnungen charakterisiert werden. Gemischte Formen von Placement-Massnahmen hinsichtlich Modalität können aufgrund der Kombination der Kriterien von visuellen und verbalen Placements kategorisiert werden57.
56
Mittels einer Inhaltsanalyse über die Dauer von einer Woche, zur Hauptsendezeit der vier grössten amerikanischen Fernsehanstalten, haben Avery/Ferraro (2000) festgestellt, dass ungefähr 43 Prozent der Placements visuell, 39 Prozent verbal und 18 Prozent mittels einer gemischten Form in die Handlung integriert wurden. 57 Vgl. Russell (2002), S. 308 ff.
20
Mit Plot Connection ist hingegen die Stärke des Einbezugs der Marke in die Handlung gemeint58. In der Literatur wurden diesbezüglich bisher zwei Stufen definiert. Ein Markenprodukt kann dabei inhaltlich entweder eine zentrale (hohe Plot Connection) oder nebensächliche Rolle (tiefe Plot Connection) wahrnehmen59. So spielt beispielsweise bei einer Verfolgungsjagd ein Auto eine zentrale Rolle; wird dieses allerdings benützt, um die Kulisse im Rahmen eines Dialogs über das Wetter zwischen zwei Schauspielern darzustellen, nimmt es eher eine nebensächliche Rolle ein. Verschiedene Studien haben dabei gezeigt, dass Placements, die zentral in der Handlung vorkommen, tendenziell eine stärkere Erinnerungswirkung bei den Rezipienten auslösen60.
Inhaltliche Gestaltungsvariablen können aufgrund des punktuellen Programminhalts nach verschiedenen Kriterien wie Humor, Spannung, Erotik, Wärme, Actor Endorsement61 sowie Inkongruenz62 unterteilt werden. Placements werden in diese Programminhalte eingefügt. Im Vergleich zu Studien im Bereich der Werbewirkungsforschung63 wurden für PlacementMassnahmen hingegen die Wirkung von inhaltlichen Variablen, wie beispielsweise die Aufladung der Szene, auf Rezipienten noch nicht erforscht. Es dürfte potenziell der Fall sein, dass diese Variablen die Aufmerksamkeit und das Erinnerungsvermögen an die Handlung sowie an die integrierten Marken von Zuschauern steigern und somit das Kaufverhalten beeinflussen. Weiter könnte anhand dieser Variablen die Überzeugungskraft der beabsichtigten Werbenachricht unter Umständen durchaus gesteigert werden64.
Allgemein muss bei der Ausgestaltung von Placement-Massnahmen darauf geachtet werden, dass die Kombination der verschiedenen Variablen den intendierten Kommunikations- bzw. Werbeeffekten entspricht. Die oben aufgeführten Varianten von Arten und Gestaltungsdeterminanten von Placement-Massnahmen mögen verdeutlichen, dass deren konkrete Ausgestaltung keineswegs eine triviale Angelegenheit ist. So stellt sich bei der konkreten Planung einer
58
Vgl. Russell (2002), S. 308. In der Literatur werden diesbezüglich auch die Begriffe „On-Set Placement“ für eine hohe Plot Connection und „Creative Placement“ für eine tiefe Plot Connection (vgl. Brennan/Dubas/Babin 1999) respektive „Prominente Placements“ für eine hohe Plot Connection und „Subtile Placements“ für eine tiefe Plot Connection (vgl. Gupta/Lord 1998) verwendet. 60 Vgl. Gupta/Lord (1998), S. 53; D’Astous/Chartier (2000), S. 36. 61 Mit Actor Endorsement ist die durch den Schauspieler induzierte Werbewirkung gemeint; vgl. auch Karrh (1998). 62 Inkongruenz tritt auf, wenn Informationen nicht erwartet werden, da sie in Konflikt mit einem Schema geraten, das in der Psyche des Konsumenten bereits existiert; vgl. auch Heckler/Childers (1992). 63 Vgl. Madden/Weinberger (1984); Olney/Holbrook/Batra (1991); Scott/Klein/Bryant (1990); Stewart/Furse (2000). 64 Vgl. Nelson/Duncan/Frontczak (1985), S. 65. 59
21
Placement-Massnahme beispielsweise die Frage, ob eine Marke während der Platzierungssequenz eher im Vordergrund oder eher im Hintergrund sichtbar sein sollte65. Darüber hinaus sollten die platzierten Marken sowie deren „Träger“ (beispielsweise der Schauspieler, der die Marke im Film verwendet) jeweils möglichst gut zueinander passen, also einen grossen „Fit“ aufweisen66. Auch die Einblendungszeit der platzierten Marke sowie die „Aufladung der Szene“ (z. B. hinsichtlich Humor, Spannung, Erotik, Emotion, etc.), in die die Marke integriert ist, hat potenziell einen Einfluss auf den mit der Massnahme verbundenen Werbeeffekt67.
2.1.6 Gründe für die zunehmende Popularität von Product Placement
Marken werden im Falle von Product Placement nicht in Werbeblöcken, sondern vielmehr im regulären Programm „ins Bild gerückt“68. Damit wird einerseits versucht, das so genannte „Zapping“ („abknallen“) zu vermeiden, also das Phänomen, dass die Zuschauer noch während einer Werbeeinblendung in das Programmangebot anderer Sender umschalten, um zu sehen, welche Programme sonst noch laufen, wodurch die Werbereichweite reduziert wird69. Andererseits sollen mit Product Placement auch die zunehmend auftretenden Probleme mangelnder Werbeeffizienz, unter anderem aufgrund gesättigter Werbemärkte, vermindert werden, die durch das passive Meiden der Konsumenten von Werbung70, durch das Bezahl- (und damit werbefreie) Fernsehen („Pay-per-View“), durch Time-Shift-Fernsehkonsum mittels Festplattenrekorder und durch die so genannten Werbeblocker71, die inzwischen in zahlreichen Ländern erlaubt sind (so z. B. in der EU), entstehen. Die zum Teil fehlende Originalität der Werbefilme hat auch dazu geführt, dass diesen weniger Beachtung geschenkt wird72.
Mit der Einbindung von Markenprodukten in den Handlungsablauf eines Filmes oder einer Sendung nimmt der Zuschauer die Produkte zwar wahr, erkennt jedoch nicht zwingend den werbenden Charakter. Somit kann die Werbereaktanz von Rezipienten umgangen oder zumindest vermindert werden. Dies hat in den letzten Jahren zu einer öffentlichen Kontroverse zwischen Konsumentenschützern und der Werbebranche geführt73. Auch eine höhere Kon65
Vgl. Karrh (1998), S. 35. Vgl. D’Astous/Séguin (1999), S. 899. Vgl. D’Astous/Chartier (2000), S. 39. 68 Schmalen (1992), S. 27; Brockhoff/Dobberstein (1989), S. 30 ff. 69 Vgl. Olney/Holbrook/Batra (1991), S. 440. 70 Z. B. in dem Sinne, dass die Zuschauer einer Fernsehsendung in einer Werbepause in die Küche oder auf die Toilette gehen; vgl. Gupta/Balasubramanian/Klassen (2000), S. 44. 71 Vgl. Clement (2004), S. 761 ff. 72 Vgl. Karrh (1998), S. 34. 73 Siehe dazu auch Kapitel 3.1. 66 67
22
takthäufigkeit und eine ausgedehntere Reichweite zählen zu den Vorteilen des Product Placements aus Sicht der Marketing-Manager. Zudem ist Product Placement als Marketinginstrument heute im Vergleich zu konventioneller Fernsehwerbung immer noch sehr kostengünstig. Allerdings kann Product Placement im Gegensatz zur klassischen Werbung nur eingeschränkt kontrolliert wiederholt ausgestrahlt werden74.
Meist verfügt die werbende Marke im Rahmen von Placement-Massnahmen über eine Exklusivität bezüglich der Produktkategorie innerhalb des Trägers. Die Marke kann sich somit besser von Konkurrenzprodukten abheben und sich so auf dem Markt differenzieren. Ausserdem kann sich ein Markenprodukt, das in einem Film gezeigt wird, konsequent vom Durcheinander in der Fernsehwerbung, das durch längere Werbefenster und kürzere Werbefilme gekennzeichnet sein wird, abheben75.
Aufgrund der oben geschilderten Ausführungen dürfte das Instrument Product Placement, wie bereits angedeutet, eine immer wichtigere Rolle im Marketing-Mix von Managern einnehmen. Der Einsatz dieses Instruments dürfte ausserdem auf Kosten der klassischen Werbung wachsen, denn die Ausgaben für Product Placement wuchsen im Jahr 2004 um 30.5 %, während die Ausgaben für klassische Werbung nur um 7 % zunahmen. Der Placement-Markt soll gemäss Schätzungen, wie bereits weiter oben erwähnt, zwischen 2004 und 2009 durchschnittlich um 14.9 % wachsen76.
Allerdings ist der Einfluss des werbenden Unternehmens auf die Gestaltung und somit auf die Steuerung der Werbebotschaft oft nur sehr beschränkt. Die Art und Weise der Darstellung, deren Intensität und der Inhalt der Handlung tragen entscheidend zur Effektivität der Produktplatzierung bei77. So können durch die Darstellung des Produktes beim Zuschauer auch negative Assoziationen entstehen, wenn beispielsweise in einem negativen, emotional belastenden Umfeld geworben wird, was zu einer gegenteiligen Wirkung beim Zuschauer führen kann78. Insofern handelt es sich bei Placement-Massnahmen um potenziell effektive, jedoch keineswegs einfach anwendbare und teilweise auch gefährliche Marketing-Massnahmen, deren konkrete Ausgestaltung auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren und wohl überlegt sein sollte. 74
Vgl. Karrh (1998), S. 33 ff. Vgl. Kommission der europäischen Gemeinschaften (2005), S. 5. 76 Vgl. PQ Media (2005), S. 6. 77 Siehe dazu auch Kapitel 2.1.4. 78 Vgl. Balasubramanian (1994), S.38. 75
23
2.2 State of the Art
Wissenschaftliche Literatur zum Thema Placement-Massnahmen existiert aufgrund der noch nicht allzu lange zurückliegenden Entdeckung als Forschungsgegenstand bis dato in vergleichsweise bescheidenem Umfang. Anfangs hat sich die Wissenschaft auf die Akzeptanz von Placement-Massnahmen bei den Rezipienten konzentriert, bevor damit begonnen wurde, die Wirkung von diesem Instrument auf das Konsumentenverhalten zu erforschen79. Karrh (1998) präsentiert in seinem Artikel eine Übersicht, die Aufschluss darüber gibt, welche Forschungsrichtungen aufgegriffen wurden und wie weit der Stand der Forschung auf den einzelnen Gebieten fortgeschritten ist. Der Verfasser der vorliegenden Arbeit hat darüber hinausgehend in der wissenschaftlichen Literatur zum Thema Product Placement in Abhängigkeit des jeweiligen Untersuchungsgegenstands vier verschiedene Forschungsstränge bzw. Themenbereiche identifiziert (vgl. Abbildung 6)80. Allerdings muss hier ergänzt werden, dass diese systematische Einteilung keine vollständige Trennschärfe aufweist, da es Arbeiten gibt, die sowohl die Einstellung von Rezipienten gegenüber als auch die Wirkung von Product Placement untersuchen.
79 80
Vgl. Russell/Belch (2005), S. 74. Vgl. zu dieser Vorgehensweise Helmig (1997), S. 23.
24
Abbildung 6:
Forschungszweige und wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Product Placement Forschungszweige und wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Product Placement
Grundlagenforschung marketingtheoretischer und juristischer Provenienz
Deskriptivinhaltsanalytische Forschung
Balasubramanian (1991)
Diener (1993)
Russell (1998)
Englis/Solomon/ Olofsson (1993)
Russell/Belch (2005)
Forschung zur Einstellung gegenüber Product Placement und ethischen Aspekten
Avery/Ferraro (2000)
Wirkungsforschung
Nebenzahl/Secunda (1993) De Lorme/ Reid/ Zimmer (1994) Ong/Meri (1994)
Steortz (1987) Karrh (1994)
Pardun/Mc Kee (1996)
Ong/Meri (1994) Saberwahl/ Pokrywczynicki/ Griffin (1994) Vollmers/Mizerski (1994)
Gupta/Gould (1997)
Vollmers (1995)
D'Astous/Séguin (1999)
Babin/Thomson Carder (1996)
De Lorme/Reid (1999)
Gupta/Lord (1998)
Gould/Gupta/ Grabner-Krauter (2000) Gupta/Balasubramanian/ Klassen (2000)
Brennan/Dubas/ Babin (1999)
Karrh/Toland Frith/ Callison (2001) Morton/Friedman (2002) Karrh/McKee/ Pardun (2003) Tiwsakul/Hackley (2005)
Law/Braun (2000)
Karrh (1995)
D'Astous/Chartier (2000) Johnstone/Dodd (2000)
Fontaine (2002) Rössler/Bacher (2002) Russell (2002) Auty/Lewis (2004) Russell (2005) Gould/Gupta (2006) Russell/Stern (2006)
Der erste Themenbereich umfasst die Grundlagenforschung. Ein zweiter Forschungsstrang widmet sich deskriptiv-inhaltsanalytischen Ansätzen, die versuchen, die Häufigkeit und Charakteristika von Product Placements in audiovisuellen Medien zu erfassen. Ein dritter Forschungszweig setzt sich mit der Einstellung von Rezipienten gegenüber diesem Instrument und ethischen Problemstellungen auseinander. Schliesslich gibt es noch einen Forschungsbereich, der die Wirkung von Product Placement auf Rezipienten auf der kognitiven, konativen oder affektiven Ebene untersucht.
Im Weiteren werden in diesem Kapitel die bisher gewonnenen Erkenntnisse aus diesen vier verschiedenen Forschungssträngen strukturiert präsentiert. Dabei bezieht sich der Autor ausschliesslich auf Artikel, die in den einschlägigen wissenschaftlichen Zeitschriften erschienen sind.
25
2.2.1 Marketing-wissenschaftliche Grundlagenforschung theoretischer und juristischer Provenienz
Die Studien von Balasubramanian (1994) und Russell/Belch (2005) beschreiben den Markt für Product Placements und dessen Entwicklung respektive die rechtlichen Grundlagen in den USA, denen diese zugrunde liegen. Die Arbeit von Russell (1998) unterbreitet einen theoretischen Bezugsrahmen für die Untersuchung der Wirkung von Product Placement.
Gemäss Russell/Belch (2005) spielen im Markt für Placement-Massnahmen PlacementAgenturen als Intermediäre eine immer wichtigere Rolle. Die Verantwortlichkeit für die Umsetzung wird entsprechend häufig den Agenturen übertragen. Aber auch grössere Firmen sowie Unternehmen mit einem breiten Produkt-Portfolio verfügen im Markt für Product Placement über eine grosse Macht. Allerdings ist die Umsetzung von Placement-Massnahmen oftmals kein integraler Bestandteil einer strategischen Marketing-Planung seitens der Unternehmen. Aufgrund der Unsicherheit bezüglich des Schlussergebnisses, d. h. der Wirkung einer bestimmten Placement-Massnahme, ist das Vertrauensverhältnis zwischen Kunden und Agenturen bzw. Produktionsfirmen von besonderer Relevanz. Product Placements werden in den USA oftmals als Plattformen für PR-Kampagnen, Cross-Marketing-Kampagnen81 oder Neuprodukt-Lancierungen eingesetzt. Experten weisen allerdings generell auf die Gefahr hin, dass die Medien in Zukunft mit Product Placements überhäuft werden könnten82.
Balasubramanian (1994) beschreibt in seinem Artikel die rechtlichen Rahmenbedingungen in den USA für verschiedene hybride Werbeformen und diskutiert deren Vor- und Nachteile. Zudem erläutert er mögliche Forschungsrichtungen sowie Implikationen für Gesetzgeber.
Tabelle 2 gibt einen Überblick über die wichtigsten Erkenntnisse der Marketingwissenschaftlichen Grundlagenforschung theoretischer und juristischer Provinienz.
81
Das Ziel von Cross-Marketing-Kampagnen ist es, auf der Basis einer bereits bestehenden Geschäftsbeziehung, den Kunden zur Abnahme weiterer Produkte des gleichen Unternehmens zu bewegen; vgl. Homburg/Krohmer (2003), S. 795 ff. 82 Vgl. Russell/Belch (2005), S. 77 ff.
26
Tabelle 2:
Autoren
Überblick über die wichtigsten Befunde der Marketing-wissenschaftlichen Grundlagenforschung zu Product Placement theoretischer und juristischer Provenienz Ziel / Untersuchungsdesign
Systematische Beschreibung und Darlegung der Balasubramanian wichtigsten rechtlichen (1994) Grundlagen für "hybride" Kommunikationsinstrumente
Russell (1998)
Bezugsrahmen für empirische Untersuchungen im Rahmen von Product Placement
Russell/Belch (2005)
Mündliche Befragung zur Ermittlung der Struktur des Product Placement Markts in den USA; Ziele, die mit Product Placement verfolgt werden; Entwicklungsperspektiven
Stichprobe Wichtigste Resultate/Erkenntnisse
-
Die wichtigsten hybriden Kommunikationsinstrumente und deren rechtliche Grundlagen werden beschrieben; der Autor gibt zudem Handlungsempfehlungen hinsichtlich zukünftiger Forschung auf dem Gebiet
-
Erfolg liegt im bedingten Transfer von Beliebtheit auf das Produkt/Marke durch den Einfluss der Sendung oder des Films
56 Praktiker (Marketing Manager, Agenten, Kunden)
Die Rolle der Placement-Agenturen wird zunehmend wichtiger; Manager verfolgen meist keine klare Strategie mit dem Einsatz von Product Placements; Instrumente zur Messung der Werbewirkung werden kaum eingesetzt; Product Placement wird oft als Plattform für PRKampagnen, Cross-Marketing sowie Neuproduktlancierungen verwendet; es besteht die Gefahr, dass Produktionen mit Product Placements überhäuft werden
2.2.2 Deskriptiv-inhaltsanalytische Forschung
Ein weiterer Themenbereich in der Literatur zum Thema Product Placement betrifft Ergebnisse, die auf inhaltsanalytischen Forschungsmethoden basieren. Gegenstand ist dabei die Analyse von Medieninhalten in Bezug auf Product Placements, wobei jeweils versucht wird, die vorhandene Komplexität des Untersuchungsmaterials mittels einer schematischen Codierung vereinfacht zu dokumentieren. Der Vorteil dieser Vorgehensweise ist, dass der Forscher nicht auf die Kooperationsbereitschaft von Probanden angewiesen ist83. Im Rahmen der Forschung zu Product Placement lassen sich mit Hilfe der Inhaltsanalyse generelle Trends in der Anwendung aufdecken. Die wichtigsten Ergebnisse zu diesem Forschungsstrang sind in Tabelle 3 zusammengefasst.
Avery/Ferraro (2000) zeigten in Ihrer Untersuchung, dass 60.7 % aller Product Placements in dafür nicht geeigneten Sendungen84 und 39.3 % in dafür geeigneten Sendungen vorkamen. Diener (1993) verglich die Anzahl Placements für Tabakprodukte und Alkoholika mittels der 83 84
Vgl. Zikmund (2003), S. 258 ff. Damit sind Sendungen ohne ein Drehbuch wie beispielsweise Dokumentarfilme, Nachrichtensendungen, usw. gemeint, die gemäss Avery/Ferraro (2000) für Product Placement nicht geeignet sind.
27
Analyse von 40 Stunden Soaps85 für die Jahre 1986 und 1991. In beiden Jahren waren die Anzahl Placements für Alkoholika bedeutend grösser als für Tabakprodukte. 1986 wurden insgesamt 144 Placements für Alkoholika und vier für Tabakprodukte gezählt. Im Vergleich dazu wurden 1991 208 Placements für Alkoholika und deren 11 für Tabakprodukte erfasst.
Avery/Ferraro (2000) erfassten insgesamt 2'945 Placements in 154 Sendungen. Neben der Art der Sendung untersuchten sie Unterschiede in Bezug auf die Modalität. Insgesamt waren 43 % der gezählten Product Placements Screen-, 38.6 % Script- und 18.8 % Plot Placements86.
Tabelle 3:
Überblick über die wichtigsten Befunde der deskriptiv-inhaltsanalytischen Forschung Ziel / Untersuchungsdesign
Erkenntnisobjekt
Vergleichende Inhaltsanalyse (1986 vs. 1991) von Häufigkeit und Kontext von Alkoholund Tabakprodukten in Soaps
40 Stunden Soaps (jeweils August bis Oktober)
Generell ist die Anzahl Placements für Alkoholika grösser als für Tabakprodukte in beiden Jahren, zudem haben die Alkohol-Placements in fünf Jahren stärker zugenommen; bei den meisten Placements konnte man die Marke objektiv nicht erkennen
Inhaltsanalytische Studie, die die Häufigkeit und Gestaltung von Placement-Massnahmen Englis/Solomon/ in Musikvideos, mit Olofsson (1993) besonderer Beachtung der Musikstile, in zwei verschiedenen Ländern untersucht (USA und Schweden)
24 Musikvideos, die in beiden Ländern ausgestrahlt werden
Dance Music Videos enthielten am meisten modeorientierte Produkte, aber am wenigsten Marken; Rap Videos enthielten am meisten verbale und visuelle Darstellungen von Marken; Metal und New Wave Videos enthielten am häufigsten direkte Hinweise auf Markenprodukte von Musikinstrumenten; generell werden in den USA mehr Marken in Musikvideos platziert als in Schweden
Autoren
Diener (1993)
Avery/Ferraro (2000)
85 86
Inhaltsanalyse, um die Häufigkeit und die effektive Ausgestaltung bezüglich Modalität von Placement-Massnahmen zu untersuchen
Wichtigste Resultate/Erkenntnisse
Insgesamt wurden 2'945 Placements in 154 Sendungen gezählt; für Placements nicht geeignete Sendungen, d. h. Sendungen ohne Drehbuch (Do112 Stunden kumentarfilme, Unterhaltungssendungen, NachProgramm von richten und andere Sendungen) enthielten 60.7% den vier grössaller Placements; für Placements geeignete Senten US-Sendern dungen (Sendungen mit Drehbuch) enthielten 39.3% aller Placements; 43% waren Screen-, 38.6% Script- und 18.8% waren Plot Placements
Damit sind so genannte Seifenopern gemeint. Werden diese Zahlen aufsummiert, so erhält man einen Wert von 100.4 %. Der Autor geht davon aus, dass es sich hierbei um einen Rundungsfehler handelt.
28
2.2.3 Forschung zur Einstellung von Rezipienten gegenüber Product Placement und bezüglich ethischen Aspekten
Untersuchungen haben gezeigt, dass Probanden generell positiv gegenüber Product Placement eingestellt sind, auch wenn dieses nicht als Werbung gekennzeichnet ist87, wobei diese Einstellung je nach Land variieren kann88. So unterscheiden sich Probanden in den drei Ländern USA, Frankreich und Österreich im Antwortverhalten bezüglich der Akzeptanz von Product Placement und der anschliessenden Kaufintentionen hinsichtlich der platzierten Markenprodukte89. Weitere Untersuchungen stellten zudem fest, dass Rezipienten positiv gegenüber Product Placements eingestellt sind und sie der klassischen Werbung vorziehen90. Allerdings gibt des durchaus auch Probanden, die Placement-Massnahmen kritisch gegenüberstehen, da diese die Werbereaktanz des Publikums umgehen91. Ausserdem sind Rezipienten negativ bezüglich der Verwendung von Markenprodukten der Produktkategorien Zigaretten, Alkoholika und Waffen92 sowie fettreicher Markenprodukte93 eingestellt. Einen signifikant positiven Einfluss auf die Einstellung bezüglich Placement-Massnahmen haben des Weiteren Kontrollvariablen wie das Geschlecht, die Häufigkeit der Kinobesuche und die Haltung gegenüber Werbung im Allgemeinen94. De Lorme/Reid/Zimmer (1994) zeigten ihren Probanden einen 15minütigen Filmausschnitt. Diese gaben in der anschliessenden Befragung an, dass sie diskrete Product Placements bevorzugten. Nachgemachte bzw. unechte Markenprodukte (Imitate) lassen die Handlung allerdings realitätsverzerrend erscheinen. Eine in die Handlung passende Produktdarstellung wird gegenüber einer übertriebenen Integration in die Szene mit wiederholten Markeneinspielungen vorgezogen. Idealerweise sollten Rezipienten, nach Meinung der Probanden, mit den Markenprodukten bereits vertraut sein, d. h. es sollten Markenprodukte mit einem hohen Bekanntheitsgrad verwendet werden95.
Karrh (1995) sowie Karrh/McKee/Pardun (2003) befragten Praktiker, die der Entertainment Resources & Marketing Association angehörten, hinsichtlich der Ausgestaltungsmöglichkeiten von Product Placement und ihrer Meinung zu diesem Instrument. Als wichtigster Aspekt 87
Vgl. Gupta/Balasubramanian/Klassen (2000), S. 46 ff; Gupta/Gould (1997), S. 44; Nebenzahl/Secunda (1993), S. 9. Vgl. Gupta/Gould/Grabner-Krauter (2000), S. 51; Karrh/Toland Frith/Callsion (2001), S. 17; McKechnie/Zhou (2003), S. 362. 89 Vgl. Gupta/Gould/Grabner-Krauter (2000), S. 50 ff. 90 Vgl. Nebenzahl/Secunda (1993), S. 9. 91 Vgl. Gupta/Gould (1997), S. 44. 92 Vgl. Gupta/Gould (1997), S. 41; McKechnie/Zhou (2003), S. 363. 93 Vgl. McKechnie/Zhou (2003), S. 363. 94 Vgl. Gupta/Gould (1997), S. 45. 95 Vgl. De Lorme/Reid (1999), S. 78 ff. 88
29
bei der Ausgestaltung von Placement-Massnahmen zeigt sich dabei, dass das Produkt in einem positiven Kontext gezeigt wird. Zudem sollte das gezeigte Markenprodukt eine leicht erkennbare Verpackung oder ein ansprechendes Design haben. Die Auskunft gebenden Praxis-Experten bezeichneten ausserdem die ungestützte Erinnerung, die Wiedererkennung sowie die Kaufabsichten als die wichtigsten Instrumente zur Messung der Wirksamkeit von Product Placements. Darüber hinaus stimmten die Probanden im Fragenteil zur Einstellung bezüglich dieses Instruments dem Item, dass Markenprodukte in audiovisuellen Medien eine gewisse Vertrautheit in eine Szene einbringen können, am stärksten zu96.
D’Astous/Séguin (1999) fanden in ihrer Studie heraus, dass der Fit zwischen der platzierten Marke und der Sendung für alle Arten von Sendungen, mit Ausnahme von Mini-Serien bzw. Dramen, die Bewertung bezüglich ethischer Toleranz positiv beeinflusst. Morton/Friedman (2002) zeigten in ihrer Studie, dass eine Mehrheit der Kinozuschauer gegen ein Verbot von Placement-Massnahmen ist und zudem nicht bereit ist, einen Preisaufschlag für Filme ohne Product Placement zu bezahlen97. Die Befragten sind weiter der Meinung, dass Product Placements den Filmproduzenten weiter als Finanzierungshilfe nützen sollten98.
Die nachfolgende tabellarische Darstellung (Tabelle 4) gibt einen umfassenden Überblick über die wichtigsten Untersuchungen, die die Einstellung von Rezipienten gegenüber dem Instrument des Product Placement und dessen ethische Aspekte erforscht haben.
96
Vgl. Karrh/McKee/Pardun (2003), S. 144 ff. Vgl. Morton/Friedman (2002), S. 38. 98 Vgl. Balasubramanian (1994), S.29 ff. 97
30
Focus Group-Gespräche nach Besichtigung eines 29 Studenten (häufige selbst zusammengestellten, 15-minütigen Videos Meinung Kinogänger) mit Placement-Ausschnitten
Gupta/Gould (1997)
Konsumentenreaktionen bezüglich 3 verschiedenen Placement-Strategien (implizit, explizit, nicht-integriert explizit); Zudem Erstellung eines faktoriellen Designs (3*2*2*3) D'Astous/Séguin (1999) 93 Studenten mit folgenden Faktoren: Placement Typ, Image vom Sponsor, Art der Sendung, SponsorProgramm Fit; schriftliche Vignetten mit insgesamt 36 Möglichkeiten
1012 Studenten
Schriftliche Befragung, mit dem Ziel herauszufinden, wie die Kinogänger zur ethischen Vertretbarkeit von PP stehen und ob diese toleriert werden
Je aufdringlicher das Placement, umso negativer die Reaktionen der Rezipienten; Placement-Massnahmen hängen vom Programmtyp ab (am wenigsten beliebt in Meinung gegenüber Serien/Dramen); versteckte Placements werdem am negativsten in Quiz Shows Instrument und über die und Informationssendungen wahrgenommen; implizite Placements werden am Ausgestaltung negativsten wahrgenommen; Übereinstimmung zwischen Sendung und Sponsor wird positiv bewertet; ein positives Image vom Sponsor bringt nicht eine positivere Konsumenteneinstellung mit sich
Einstellung allgemein und bzgl. der Verwendung gewisser Produktkategorien
Generell positive Einstellung gegenüber Placement-Massnahmen; ethisch nicht vertretbare Produktkategorien wie Alkohol, Zigaretten und Waffen werden weniger toleriert; moderierende Effekte wie Fernsehkonsum können einen Einfluss auf die Einstellung gegenüber Product Placements haben; Männer stehen Product Placements positiver gegenüber als Frauen
Die befragten Personen waren dem Instrument gegenüber positiv eingestellt und waren gut darüber informiert; sie unterstreichen den langfristigen Effekt; sie haben die Absicht, dieses Instrument in Zukunft vermehrt zu verwenden
445 Direktoren von Werbeagenturen
Nationale Befragung von den bekanntesten Werbeagenturen der USA, um herauszufinden, inwiefern Product Placement in die allgemeine Kommunikationsstrategie passt
Pardun/McKee (1996)
Meinung bzgl. diesem Instrument
Die meisten Spezialisten antworteten, dass Product Placement dann erfolgreich ist, wenn das Produkt ein erkennbares Packaging/Design hat, es in einem positiven Kontext gezeigt wird und es durch andere Kommunikationsmassnahmen unterstützt wird; die besten Masse um Wirkung zu messen, sind ungestützte Erinnerung und Wiedererkennung
22 ERMA-Mitglieder Befragung, die darauf abzielte, die Meinung von (Entertainment Praktikern gegenüber diesem Instrument zu Resources & kennen Marketing Association)
Karrh (1995)
Schwache ungestützte Erinnerung an Marken; starke Unterschiede bei den Erinnerungswerten und Antworten der Probanden; Probanden, die sich an Marke erinnern konnten, wiesen keine erhöhte Kaufabsicht auf; Probanden waren grundsätzlich positiv gegenüber Placement-Massnahmen eingestellt
Befragung am Ausgang des Kinos nach zwei in voller Länge gezeigten Filme (Falling Down/Point of No Return)
Ungestützte Erinnerung, Kaufabsicht, ethische Einstellung zum Instrument
Probanden ziehen diskrete Product Placements vor, da sie den Film realistischer erscheinen lassen; Teilnehmer fielen vor allem ihnen bekannte Marken auf und bevorzugten diese; nachgemachte Produkte sind verwirrend, da sie die Wirklichkeit verzerren
Viele Probanden waren generell nicht gegen Placement-Massnahmen und befanden, dass letzteres erlaubt sein sollte; sie waren positiver eingestellt als gegenüber anderen Marketing-Kommunikations-Instrumenten; eine minoritäre Gruppe war gegen Placement-Massnahmen vor allem aus ethischen Gründen
Wichtigste Resultate/Erkenntnisse
Ong/Meri (1994)
75 Kinobesucher
Einstellung
De Lorme/ Reid/Zimmer (1994)
171 Studenten
Befragung von Kinobesuchern bezüglich ihrer Meinung zu Placements in Filmen
Abhängige Variable
Nebenzahl/Secunda (1993)
Stichprobe
Ziel / Untersuchungsdesign
Autoren
Tabelle 4: Überblick über die wichtigsten empirischen Befunde zur Einstellung gegenüber Product Placement und ethischen Aspekten
31
32
Ziel / Untersuchungsdesign
Stichprobe
1012 College Studenten in den USA, 204 in Frankreich, 240 in Österreich
Tiwsakul/Hackley (2005)
McKechnie/Zhou (2003)
Befragung in Form von Tiefeninterviews und standardisierten Fragebögen
50 Personen (Studenten und Angestellte einer Universtiät)
Cross-kulturelle Studie, die Unterschiede zwischen Chinesen & Amerikanern hinsichtlich 108 Studenten der Einstellung gegenüber Product Placement ermitteln soll
Wichtigste Resultate/Erkenntnisse
Probanden denken positiv über Product Placement, denn sie machen Filme realistischer; Befragte, die Werbung positiv gegenüber stehen, sind auch gegenüber Product Placements positiver eingestellt
US-Bürger, Franzosen und Österreicher haben unterschiedliche Einstellungen zu diesem Instrument; gewisse Produktkategorien wurden in allen 3 Ländern als unerwünscht angegeben; signifikante Unterschiede bei der Variable Geschlecht (Frauen sind negativer eingestellt in allen Ländern); es gibt zahlreiche Unterschiede, die Manager bei der Benützung dieses Kommunikationsinstrumentes zu beachten haben
Einstellung gegenüber PlacementMassnahmen, Kaufabsicht
Die Probanden sind positiv bezüglich Product Placement eingestellt und Einstellung allgemein bevorzugen dieses Instrument gegenüber der Werbung; es gibt Bedenken und Wiedererkennung bezüglich der unterbewussten Beeinflussung und ethisch nicht verantwortbaren von Product Placements Produktkategorien
Unterschiede bezüglich US-Konsumenten sind positiver gegenüber Placement-Massnahmen eingestellt; Chinesen sind ebenfalls negativ gegenüber der Platzierung von Waffen, Alkohol Einstellung zu Placement-Massnahmen und Zigaretten sowie zusätzlich gegenüber fetthaltigen Produkten eingestellt
Die sinnvollste Darstellung einer Marke besteht darin, das Produkt im Gebrauch zu zeigen; ein wiedererkennbares Packaging und eine bereits etablierte Marke sind vorteilhaft; ungestützte Erinnerung und Wiedererkennung sind die beliebtesten Messvariablen zur Messung der Wirksamkeit von PlacementMassnahmen; die Experten meinten zudem, dass die Anzahl Placements in Zukunft ansteigen wird
Probanden sind generell gegen ein Verbot von Placement-Massnahmen und nicht bereit, höhere Preise für Filme ohne Placements zu bezahlen; Kaufabsicht hängt hauptsächlich von zwei Variablen ab: Der Einstellung bezüglich Placement-Massnahmen und ethischen Bedenken
Unterschiede bezüglich Die Probanden aus Singapur nehmen Placement-Massnahmen weniger stark als bezahlte Werbung wahr, hatten grössere ethische Bedenken und befanden, dass Einstellung zu Placement-Massnahmen der Staat Gesetze erlassen muss
Meinung gegenüber Instrument
Dreiländervergleich bzgl. Meinung
Placements lassen Film realistischer erscheinen; Produkte sollten zum Inhalt passen und die Zuschauer mit Produkten schon vertraut sein; PlacementMeinung gegenüber Instrument und über die Massnahmen können nach Meinung der Probanden gegebenfalls auf die Kaufabsicht der Rezipienten wirken, Vertrauen schaffen und dazu beitragen, Ausgestaltung dass sich Kinogänger mit Produkten identifizieren
Abhängige Variable
Meinung hinsichtlich der künftigen 28 ERMA-Mitglieder Verwendung von Placement-Massnahmen
Explorative Studie mittels eines standardisierten 132 Studenten Fragebogens
Morton/Friedman (2002)
Karrh/McKee/ Pardun Befragung von Mitgliedern der Entertainment (2003) Resources and Marketing Association
194 Studenten Cross-kulturelle Studie, die die Einstellung von (jeweils 97 aus Rezipienten gegenüber Placement-Massnahmen Singapur und den in den Ländern Singapur und USA vergleicht USA)
Karrh/Toland Frith/ Callison (2001)
Follow-up von Gupta/Gould (1997) mit dem Ziel Gupta/ 1012 College herauszufinden, was Konsumenten über Balasubramanian/Klas Placement-Massnahmen meinen und Erarbeitung Studenten sen (2000) von Handlungsempfehlungen
Follow-up von Gupta/Gould (1997) in Form einer cross-kulturellen Studie; Messung anhand Gould/Gupta/ Grabner- des schriftlichen Fragebogens von Gupta / Gold (1997); Messung länderspezifischer Krauter (2000) Unterschiede in Bezug auf die Akzeptanz von Product Placement bei Kinobesuchern
8 Focus Groups und 30 persönliche Einzelinterviews nach Besichtigung eines selbst De Lorme/Reid (1999) zusammengestellten, 15-minütigen Videos mit 99 Kinobesucher Placement-Ausschnitten; Einstellung bez. diesem Instrument sollte gemessen werden
Autoren
2.2.4 Forschung zur Wirkung von Product Placement auf die Informationsverarbeitung und das Verhalten von Rezipienten
Bei der Ermittlung der Wirkung von Placement-Massnahmen in der wissenschaftlichen Literatur wurde bisher hauptsächlich experimentell, aber teilweise auch mit Hilfe von Befragungen, vorgegangen. Die häufigsten Untersuchungen hinsichtlich der Wirkung von Product Placement haben dabei den Einfluss der Ausgestaltungsvariablen „Modalität“ und „Plot Connection“ auf das Rezipientenverhalten erforscht. So wirken Plot Placements stärker als Script Placements99, und diese wiederum stärker als Screen Placements, auf die ungestützte Erinnerung100. Im Gegensatz dazu hat die Forschung im Bereich der Print-Werbung gezeigt, dass visuelle Informationen jeweils besser als verbale Informationen erinnert werden101. Allerdings ist in audiovisuellen Medienprogrammen, wie beispielsweise bei Fernsehsendungen, die Erinnerung an den Stimulus höher, wenn dieser verbal erwähnt, als wenn er physisch gezeigt wird102. Auty/Lewis (2004) fanden in ihrer Studie indes heraus, dass bei Kindern ein positiver Mediationseffekt von Alter auf die Erinnerungsleistung vorliegt. Hingegen besteht kein Zusammenhang zwischen ungestützter Erinnerung und anschliessendem Wahlverhalten. Allerdings kann vorheriges Ausgesetztsein zusammen mit einem Reminder in Form eines Product Placements beispielsweise das Wahlverhalten von Kindern beeinflussen103.
Eine hohe Plot Connection wirkt ebenfalls positiver auf die bewusste Wahrnehmung von Product Placements als eine tiefe Plot Connection104. Die Studie von Gupta/Lord (1998) belegt ferner, dass Product Placements mit einer hohen Plot Connection stärker auf die gestützte und ungestützte Erinnerung wirken als klassische Fernsehwerbung und Product Placements mit einer tiefen Plot Connection105. Die Einblendungszeit hat nur bei Product Placements mit einer hohen Plot Connection einen Einfluss auf die Wiedererkennung, allerdings nur wenn die Marke nicht länger als 10 Sekunden gezeigt wird106. Eine explizite Einblendung von Markenprodukten in der Handlung erhöht die Brand Salience107 nicht108. Gemäss einer Studie von 99
Vgl. Steortz (1987), nach Saberwahl/Pokrywczynicki/Griffin (1994), S. 1. Vgl. Law/Braun (2000), S. 1068; Russell (2002), S. 308; Saberwahl/Pokrywczynicki/Griffin (1994), S. 16. Vgl. Childers/Houston/Heckler (1985), S. 129 102 Vgl. Russell (2002), S. 314. 103 Vgl. Auty/Lewis (2004), S. 710. 104 Vgl. Brennan/Dubas/Babin (1999), S. 333; D’Astous/Chartier (2000), S. 37; Fontaine (2002), S. 19; Russell (2002), S. 308. 105 Vgl. Gupta/Lord (1998), S. 53 ff. 106 Vgl. Brennan/Dubas/Babin (1999), S. 331. 107 Mit Brand Salience ist das „Hervorstechen“ einer Marke im Gedächtnis bzw. in der Wahrnehmung eines Konsumenten gemeint. 108 Vgl. Karrh (1994), S. 95. 100 101
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Rössler/Bacher (2002) können sich amerikanische Zuschauer, im Vergleich mit deutschen Zuschauern generell schlechter an Product Placements erinnern, allerdings verändert sich die Einstellung zur platzierten Marke bei amerikanischen Zuschauern stärker als beim deutschen Publikum. Verschiedene Untersuchungen haben darüber hinaus gezeigt, dass moderierende Variablen109 die Wirkung von Product Placements auf das Rezipientenverhalten beeinflussen können. So führt gemäss Karrh (1994) ein tieferes Involvement mit einer Produktkategorie zu durchschnittlich höherer Brand Salience. Allerdings wird dieses Ergebnis durch die Studie von Johnstone/Dodd (2000) widerlegt, denn sie fanden heraus, dass die Vertrautheit mit einer Produktkategorie die Brand Salience positiv beeinflusst. Ausserdem konnten die letztgenannten Autoren nachweisen, dass die Beliebtheit des Films einen positiven Einfluss auf die Brand Salience hat110.
Ferner belegten D’Astous/Chartier (2000) in ihrer Untersuchung, dass die Präsenz eines Hauptrollenträgers in einem Film die Erinnerung an das gezeigte Markenprodukt steigern kann 111. Eine parasoziale Beziehung zwischen Rezipient und Schauspieler und die Einstellung der Rezipienten gegenüber einem Schauspieler können zudem die Einstellung gegenüber einer Marke positiv beeinflussen112. So genannte Produkt-Charakter-Assoziationen (PCA’s)113, d. h. wenn eine Beziehung zwischen Schauspielern und platzierten Produkten gemacht wird, werden häufiger mit Stamm- als mit Gastschauspielern gemacht114. „SelfMonitoring“, d. h. die Tendenz einer Person, sich von sozialen Reizen (in Form von gezeigten Markenprodukten) beeinflussen zu lassen, kann ebenfalls positiv mediierend auf die Brand Salience einwirken115.
Wie aus weiter oben erhobenen Ausführungen deutlich wird, wurden bisher fast ausschliesslich so genannte explizite Erinnerungstests, die einen direkten Bezug zum vorherigen Ereignis herstellen, für die Messung der Wirkung von Placement-Massnahmen verwendet. Allerdings sind die Erkenntnisse über die Auswirkungen von Product Placement auf die unbewuss109
Von einem moderierenden Effekt einer Variable wird dann gesprochen, wenn die Wirkungsintensität einer unabhängigen Variablen auf eine abhängige Variable von der Ausprägung einer zweiten unabhängigen Variablen abhängt; vgl. Müller (2006), S. 257. 110 Vgl. Johnstone/Dodd (2002), S. 152. 111 Vgl. D’Astous/Chartier (2000), S. 38. 112 Vgl. Russell/Stern (2006), S. 13 ff. 113 Vgl. Russell (2005), S. 233. 114 Vgl. Russell (2005), S. 234. 115 Vgl. Johnstone/Dodd (2002), S. 153.
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te Informationsverarbeitung und somit die implizite Erinnerung (Implicit Memory) sehr bescheiden. Die Unterscheidung zwischen expliziter und impliziter Erinnerung ist insofern wichtig, als in der Werbewirkungsforschung nachgewiesen wurde, dass diese zwei Konstrukte unabhängig voneinander sind116. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll deshalb die Wirkung von Product Placement auf die bewusste und unbewusste Informationsverarbeitung bzw. Erinnerung untersucht werden. Aus diesem Grund sind im Folgenden insbesondere die Untersuchungen interessant, die sich mit der Wirkung von Product Placement auf die unbewusste Wahrnehmung bzw. Informationsverarbeitung von Rezipienten bereits auseinandergesetzt haben117.
Law/Braun (2000) untersuchten mittels eines experimentellen Untersuchungsdesigns, wie die Ausgestaltungsvariablen Modalität und Plot Connection die explizite und implizite Erinnerung beeinflussen. Die explizite Erinnerung wurde dabei mittels klassischer Wiedererkennungs- bzw. Erinnerungstests gemessen. Die implizite Messung der Erinnerung erfolgte indirekt mittels einer konkreten Produktwahl, nachdem die Probanden einem Stimulus ausgesetzt waren. Die insgesamt 111 Studenten wurden in zwei Gruppen eingeteilt und mussten jeweils einen ungleichen Ausschnitt aus einer Episode der US-amerikanischen Comedy-Serie Seinfeld anschauen, der verschieden gestaltete Product Placements enthielt. Beide Probandengruppen waren jeweils Experimentiergruppe und gleichzeitig Kontrollgruppe für die andere Experimentiergruppe. Der interessierende Effekt wurde aus der Wahl des Markenprodukts, das im Film gezeigt wurde, der Experimentiergruppe relativ zur Produktwahl der Kontrollgruppe, die einen anderen Filmausschnitt gesehen hatte, berechnet. Insgesamt wurden Markenprodukte, die im Filmausschnitt gezeigt wurden, besser wieder erkannt, erinnert und häufiger gewählt. Allerdings ergaben die Analysen keinen Zusammenhang zwischen den expliziten (Wiedererkennung und ungestützte Erinnerung, kognitive Ebene) und den impliziten Messwerten (Wahlverhalten, konative Ebene). Die Ausgestaltungsvariable Plot Connection hatte darüber hinaus einen positiven Einfluss auf die explizite Erinnerungsleistungsleistung der Probanden, wirkte sich allerdings nicht auf das Wahlverhalten aus. Hinsichtlich Modalität ergaben die Analysen, dass Plot Placements die Erinnerungsleistung am stärksten beeinflussen. Im Gegensatz dazu wählte die Mehrheit der Probanden am häufigsten die Markenprodukte, die sie vorher in Form eines Screen Placements gesehen hatten, gefolgt von Script und Plot Placements118. 116
Vgl. Shapiro/MacInnis/Heckler (1997), S. 102; Holden/Vanhuele (1999), S. 482 Vgl. Auty/Lewis (2004); Law/Braun (2000); Russell (2002). 118 Vgl. Law/Braun (2000), S. 1067 ff. 117
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Russell (2002) benützte bei ihrer experimentellen Datenerhebung selbst produzierte Kurzfilme119, um so die interne Validität der Ergebnisse zu erhöhen. Mittels eines faktoriellen 2 (Modalität: visuell-verbal) u 2 (Plot Connection: hoch-tief) Untersuchungsdesigns wurde die Erinnerung und die Einstellung bezüglich der gezeigten Marken gemessen, wobei jede Kombination der Ausgestaltungsvariablen anhand eines jeweils unterschiedlichen Markenprodukts dargestellt wurde. Product Placements mit einer Modalität und einer Plot Connection, die nicht aufeinander abgestimmt sind, d. h. inkongruent sind, erhöhen die Aufmerksamkeit und können so die Erinnerung an die platzierte Marke erhöhen. Allerdings beeinflussen nur hinsichtlich Modalität und Plot Connection kongruente Product Placements die Markeneinstellung positiv120. Dieses Ergebnis begründet die Autorin unter anderem mit dem Mere Exposure Effect121.
Bei der Studie von Auty/Lewis (2004) ging es darum, den Einfluss von Product Placement auf Kinder zu erforschen. Dabei wurden die Probanden in zwei Gruppen eingeteilt: Die eine Gruppe musste einen Filmausschnitt (aus dem Film „Home Alone“) mit, und die andere Gruppe ohne platzierte Marken anschauen. Dabei interessierte die Forscher, inwiefern Product Placement sowie die intervenierenden Variablen Alter und Vertrautheit mit dem Film die Erinnerung bzw. das Wahlverhalten der Kinder beeinflussen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Probanden in der Experimentiergruppe häufiger das gezeigte Markenprodukt gewählt haben, als die Probanden in der Kontrollgruppe. Die Analysen ergaben zudem, dass die Probanden, die den Film schon einmal gesehen hatten, keine wesentliche Unterschiede im Wahlverhalten im Verglich zu den restlichen Probanden aufwiesen. In einem weiteren Schritt prüften die Autoren Unterschiede im Wahlverhalten für die Experimentier- und Kontrollgruppe, allerdings nur für diejenigen Probanden, die den Film schon einmal gesehen hatten. Dabei stellte sich heraus, dass die Probanden in der Experimentiergruppe häufiger das Zielprodukt wählten. Somit kann Product Placement bei bereits gesehenen Filmen einen so genannten Reminder-Effekt bewirken. Die Autoren führen dieses Ergebnis ebenfalls auf den Mere Exposure Effect zurück122.
Zusammenfassend kann bezüglich der unbewussten Informationsverarbeitung im Rahmen von Product Placement festgehalten werden, dass dieses Instrument unbewusst auf das kon119
Russell (2002) nennt diese Vorgehensweise „Theater Methodology”. Vgl. Russell (2002), S. 313. 121 Bei wiederholter Präsentation eines Stimulus kann eine verbesserte Einstellung gegenüber diesem hervorrufen; siehe dazu auch Kapitel 4.3.7.2. 122 Vgl. Auty/Lewis (2004), S. 708 ff. 120
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krete Wahlverhalten123 und die Einstellung124 von Markenprodukten der Rezipienten wirken kann. Es bleibt zu erforschen, inwiefern die Ausgestaltung von Product Placement und Kontrollvariablen die explizite sowie implizite Erinnerung konkret beeinflussen und wie diese Konstrukte die Präferenz bezüglich einer Marke begünstigen. Tabelle 5 stellt ausgewählte wichtige Studien übersichtlich dar.
123 124
Vgl. Auty/Lewis (2004), S. 708; Law/Braun (2002), S. 1068. Vgl. Russell (2002), S. 314.
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38 Ungestützte Erinnerung, Hohe ungestützte Erinnerung, aber keine Unterschiede zwischen der ExperimentierEinstellung bzgl. der Marke und der Kontrollgruppe bzgl. Einstellung gegenüber Produkten
Die Marken, die im Film Film Rocky III gezeigt wurden, weisen höhere Wiedererkennungswerte auf (über 50 % der Marken von über 30 % der Probanden erkannt); für die Marken, die in beiden Filmen gezeigt wurden, gibt es keine Unterschiede Placements mit hoher Plot Connection wirken am stärksten, gefolgt von klassischer Werbung und Placements mit tiefer Plot Connection; prominente Script Placements wirken stärker als subtile Screen Placements
Ungestützte Erinnerung
Befragung am Ausgang des Kinos nach zwei in voller Länge gezeigten Filme (Falling Down/Point 75 Kinobesucher of No Return)
Experiment mit dem Ziel, die Wirkung von Screen und Plot Placements in einem 10-minütigen 62 Studenten Filmausschnitt (Days of Thunder) zu vergleichen
Experiment mit dem Ziel, die Wirkung von Product Placement zu messen, die eine Marke in einem 6minütigen Filmausschnitt (Gorillas in the Mist) und 71 Studenten eine andere in einem anderen 6-minütigen Filmausschnitt (Mr and Mrs Bridge) zeigt, zu messen
Experiment, mit dem Ziel, die Wirksamkeit von 8 Product Placements in einem Lassie-Film (1994) auf Kinder zu messen
Klassenzimmerexperiment, bei dem die Probanden 98 Studenten (davon in zwei verschiedenen Gruppen eingeteilt wurden, sahen 54 Rocky III Wiedererkennung wobei die Filme Rocky III oder Rocky V in ganzer und 44 Rocky V) Länge gezeigt wurden
Vergleich der Wirksamkeit von PlacementMassnahmen mit hoher bzw. tiefer Plot Connection 274 Studenten und klassischer Fernsehwerbung; Probanden sahen 30-minütige Filmausschnitte
Karrh (1994)
Ong/Meri (1994)
Saberwahl/ Pokrywczynicki/ Griffin (1994)
Vollmers/Mizerski (1994)
Vollmers (1995)
Babin/Thomson Carder (1996)
Gupta/Lord (1998)
140 Primarschüler
Ungestützte und gestützte Erinnerung bzgl. Produkte und Marken
Wiedererkennung, Einstellung bezüglich der Marke
Wiedererkennungsraten hängen von der Art des Placements ab; keine Änderungen bezüglich Einstellungen oder Präferenzen bzgl. eines Produkts; das Alter der Kinder hat einen Einfluss auf die Wiedererkennung
Probanden konnten sich besser an Plot Placements (65 %) als Screen Placements (43 %) erinnern; eine grössere Anzahl an Hinweisen fördert die Informationsverarbeitung und somit die Wirkung von Placement-Massnahmen
Schwache ungestützte Erinnerung an Marken; starke Unterschiede bei den Ungestützte Erinnerung, Erinnerungswerten und Antworten der Probanden; Probanden, die sich an Marke Kaufabsicht, ethische erinnern konnten, wiesen keine erhöhte Kaufabsicht auf; Probanden waren Einstellung zum Instrument grundsätzlich positiv gegenüber Placement-Massnahmen eingestellt
Brand Salience ist nicht signifikant höher mit Ausnahme einer Marke, die explizit in der Handlung vorkam; keine signifikanten Unterschiede in der Bewertung der gezeigten Marken; das Involvement mit der Produktkategorie kann die Wirkung Brand Salience, Einstellung bezüglich Markeneinstellung beeinflussen; ob der Film bereits gesehen wurde, hat zu Marken keinen Einfluss auf das Rezipientenverhalten; Product Placements können Bekanntheitsgrad unbekannterer Marken steigern, wenn diese im Mittelpunkt einer Szene stehen oder integrierter Teil des Films sind
Experiment, um Wirksamkeit von fünf Product Placements und den Einfluss moderierender Variablen (Vertrautheit mit Produktkategorie, Bezug zum Film, Aufmerksamkeit, Einstellung bzgl. Film) in einem 33-minütigen Filmausschnitt von Raising Arizona (1987) zu messen 76 Studenten
Gestütze Erinnerung (ein Tag danach)
Wichtigste Resultate/Erkenntnisse Allgemeine gestützte Erinnerungsrate 38 %; Erinnerung abhängig von der Modalität: visuelle/verbale Placements 57 %, verbales Placement 51%, visuelles Placement 33 %; Placements mit hoher Plot Connection wurden besser erinnert als solche mit tiefer Plot Connection
Steortz (1987)
Abhängige Variable
Mündliche Befragung am Ausgang des Kinos; telefonische Befragung; 29 Marken in 6 vollständig 304 Kinobesucher ausgestrahlten Filmen
Stichprobe
Erhebungsdesign / -instrument
Autoren
Tabelle 5: Überblick über die wichtigsten empirischen Befunde zur Wirkung von Product Placement
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Abhängige Variable
Brand Salience
Ungestützte Erinnerung, Wiedererkennung, Wahlverhalten
Erinnerung/Veränderung der Einstellung bezüglich der Marke
Ungestützte Erinnerung, Veränderung der Einstellung gegenüber Marken und Product Placement
Wirksamkeit von Product Placement in einem 33minütigem Filmausschnitt (Spice Girls, 1997) 53 Schüler anhand eines explorativen Untersuchungsverfahren
111 Studenten
Die implizite Wirkung von PlacementMassnahmen wird mittels eines Experiments gemessen; die Probanden mussten einen Filmausschnitt aus Seinfeld (Sitcom USA) anschauen
Einfluss von Plot Connection auf die Wirkung von Rezipienten; Experimentelle Versuchsanordnung 232 Studenten mit selbst produziertem Kurzfilm
Befragung, um Meinung zu diesem Kommunikationsinstrument zu erfassen; Experiment, um Unterschiede bezüglich 174 Studenten Wahrnehmung und Einstellungsveränderungen bei amerikanischen & europäischen Zuschauern festzustellen
Johnstone/Dodd (2000)
Law/Braun (2000)
Fontaine (2002)
Rössler/Bacher (2002)
103 Studenten
Ungestützte Erinnerung, Wiedererkennung, Einstellung gegenüber Marke
98 Studenten (davon sahen 54 Rocky III Wiedererkennung und 44 Rocky V)
Stichprobe
D'Astous/Chartier (2000)
Erhebungsdesign / -instrument Messung der Wirksamkeit von PlacementMassnahmen anhand der Plot Connection und der Einblendungszeit; Experiment in einem Kino, bei dem insgesamt 36 Marken in den Filmen Rocky III und Rocky V platziert waren; Filme wurden in ganzer Länge gezeigt
Messung der Wirkung von 6 verschiedenen Eigenschaften von Placement-Massnahmen [Sichtbarkeit, Erwähnung der Marke von (mehreren) Schauspielern, Einblendungszeit, Plot Connection, Actor Endorsement, Präsenz Hauptrollenträger] auf die Einstellung gegenüber den gezeigten Marken
Brennan/Dubas/ Babin (1999)
Autoren
Amerikanische Zuschauer weisen generell tiefere Erinnerungswerte auf als deutsche Zuschauer; die Veränderung bzgl. der Einstellung gegenüber Marken war bei den amerikanischen Zuschauern stärker; amerikanische Zuschauer sind zudem positiver gegenüber dem Gebrauch von Placement-Massnahmen eingestellt
Hohe Plot Connection erhöht die Erinnerung an Marken; die Einstellung gegenüber der Marke verändert sich insbesondere bei Probanden mit anfänglich negativer Einstellung positiv; die Vertrautheit mit der Marke und der Produktkategorie haben einen positiven Einfluss auf die Veränderung hinsichtlich der Einstellung zur Marke
Product Placements wirken generell positiv auf ungestützte Erinnerung, Wiedererkennung und Wahlverhalten; Plot Connection hat positiven Einfluss auf ungestützte Erinnerung und Wiedererkennung, aber nicht auf Wahlverhalten; Screen Placements wirken am geringsten auf die ungestützte Erinnerung, haben aber einen positiven Einfluss auf das Wahlverhalten
Salience von Marken kann anhand von Product Placement gesteigert werden; Vertrautheit mit Produktkategorie hat positiven Einfluss auf Salience; Probanden, die den Film bereits gesehen hatten, wiesen keine höheren Werte für Salience auf; Probanden mit hohem "Self-Monitoring" wiesen durchschnittlich höhere SalienceWerte auf
Placements wirken positiv, wenn Hauptrollenträger präsent ist, wenn diese offensichtlich (hohe Plot Connection) und gut in die Szene integriert sind; Placements wirken negativ, wenn diese gut in die Szene integriert sind; ein "prominentes" Placement hat positiven Einfluss auf Wiedererkennung, wirkt sich jedoch negativ auf die ungestützte Erinnerung aus; offensichtliche Product Placements wirken positiv auf Einstellung gegenüber Produkt, werden jedoch weniger geduldet
Plot Connection hat entscheidenden Einfluss auf Wiedererkennung; der Faktor Einblendungszeit hat nur bei hoher Plot Connection einen positiven Einfluss auf die Wiedererkennung
Wichtigste Resultate/Erkenntnisse
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Messung des Einflusses von Product Placement in 261 Probanden Sitcoms auf die Einstellung zu Marken
Russell/Stern (2006)
Einstellung zu Marken
Wahrnehmung und Bedeutung von Spielshows und darin platzierter Marken
101 Studenten (Studie 1) / 23 Probanden im Alter von 31 bis 77 Jahren (Studie 2)
Messung der Einstellung von Rezipienten bezüglich Spielshows und den darin platzierten Produkten mit Hilfe eines semi-strukturierten Protokolls und persönlichen Interviews
Gould/Gupta (2006)
Einstellung zu Marke
Russell (2005)
176 Studenten
PCA's (Product-Character Association)
Messung der Wirkung von Placement-Massnahmen anhand von PCA's (Product-Character Associations) auf Rezipienten mittels eines 106 Studenten Experiments, bei dem sich die Probanden einen kurzen Filmausschnitt anschauen mussten; Anwendung der "Theater Methodology"
Messung der Einstellung von Rezipienten Sheehan/Guo (2005) bezüglich einer spezifischen Marke im Rahmen einer existierenden Reality Show
Markenwahl
Inkongruenz zwischen Modalität und Plot Connection erhöht die Wiedererkennung; Kongruenz zwischen diesen beiden Variablen hat einen positiven Einfluss auf die Einstellung bezüglich der Marke
Wiedererkennung, Veränderung der Einstellung bezüglich der Marke
Eine parasoziale Beziehung zwischen Rezipient und Schauspieler hat einen Einfluss auf die Einstellung zur platzierten Marke; allerdings sind die Effekte unterschiedlich, je nachdem wie stark die Product-Character Assoziationen sind und wie diese evaluiert werden; die Einstellung zum Schauspieler kann, je nachdem wie stark dessen Beziehung zum Produkt ist, positiv auf die Einstellung bezüglich der platzierten Marke wirken
Spielshows werden unterschiedlich wahrgenommen, je nachdem welche Kultur (Lernen vs. Unterhaltung) diese innehaben; es wird generell zwischen zentralen (Produkte tragen zum Spielverlauf bei) und eher unbedeutenden Placements (Produkte als Preise) unterschieden
Bei Probanden, die die Show gesehen haben, war die Einstellung zur Marke positiver; dieser Effekt war am ausgrägtesten bei Individuen, die mit der Marke noch keine Erfahrung hatten
Zuschauer machen Assoziationen zwischen Schauspielern und Produkten; die Zuschauer machten häufiger PCA's mit Stamm- als mit Gastschauspielern; die Einstellung gegenüber dem Schauspieler beeinflusst die Einstellung gegenüber dem Produkt
Product Placements wirken generell positiv auf ungestützte Erinnerung, allerdings besteht kein Zusammenhang mit dem Wahlverhalten; vorheriges Ausgesetztsein zusammen mit einem Reminder in Form eines Product Placements kann das Wahlverhalten beeinflussen; das Alter hat keinen Einfluss auf die abhängige Variable
Wichtigste Resultate/Erkenntnisse
Abhängige Variable
Auty/Lewis (2004)
Erhebungsdesign / -instrument Stichprobe Messung der Wirkung von Placement-Massnahmen und der Einfluss der formalen Ausgestaltungsvariablen auf die Veränderung 107 Studenten hinsichtlich der Markeneinstellung im Rahmen eines Experiments; Anwendung der "Theater Methodology", d. h. mit Hilfe eines eigens dafür produzierten Film
Wirkung von Placement-Massnahmen auf Kinder mittels eines Experiments, bei dem sich die 105 Kinder Probanden einen kurzen Filmausschnitt anschauen mussten
Russell (2002)
Autoren
2.2.5 Fazit und Forschungslücken im Bereich der Wirkungsforschung
Trotz zahlreich vorhandener Studien zur Wirkungsweise verschiedener Ausgestaltungsformen von Placement-Massnahmen in der – insbesondere US-amerikanischen – werbe- bzw. marketingwissenschaftlichen Literatur, die in Kapitel 2.2 („State-of-the-Art“) präsentiert wurden, bestehen immer noch erhebliche Lücken hinsichtlich der Werbeeffektivität unterschiedlicher Gestaltungsvariablen.
Bisher wurden einzig in zwei Studien implizite Messansätze für die Messung der Werbewirkung von Product Placement verwendet125. Allerdings wurde dabei der Einfluss auf die konative Ebene mittels Produktwahl gemessen. Es wurde jedoch bisher nach Kenntnis des Verfassers noch keine einzige Studie durchgeführt, die den Einfluss verschiedener Ausgestaltungsvariablen von Product Placements auf Rezipienten mittels impliziter Messansätze der unbewussten Informationsverarbeitung und dem daraus resultierenden Einfluss auf die Einstellung bezüglich einer Marke untersucht. Zudem fehlen Erkenntnisse bezüglich des Einflusses von Kontrollvariablen wie beispielsweise Involvement oder Quellenfaktoren auf die bewusste und unbewusste Informationsverarbeitung. Solche Variablen können die Aufmerksamkeit einer Person auf oder von einem peripheren Reiz weg lenken und so auf die Wirkung formaler Ausgestaltungsvariablen einwirken126.
Ein Defizit der meisten US-amerikanischen Publikationen manifestiert sich darüber hinaus in der ungenügenden internen Validität in zahlreichen Studien, da oftmals bereits bestehende Stimuli für die Untersuchungen verwendet wurden und so die unabhängigen Variablen nicht beliebig manipuliert werden konnten. Andere Studien, in denen Markenprodukte als Stimuli verwendet wurden, die in selbst produzierten Kurzfilmen platziert waren127, weisen nicht zuletzt aufgrund des fehlenden Realitätsbezugs eine reduzierte externe Validität auf. Russell (2002) schlägt deshalb vor, real existierende Fernsehsendungen für die Experimente zu benützen.
Im anschliessenden Kapitel sollen nun zunächst die rechtlichen Grundlagen von Product Placements diskutiert werden, so dass der Leser ein besseres Verständnis bezüglich der zum Teil konfusen gesetzlichen Vorschriften erhält, die dazu führen, dass Product Placement noch im125
Vgl. Auty/Lewis (2004); Law/Braun (2000). Vgl. Russell (2002), S. 314. 127 Vgl. Fontaine (2002), S. 10; Russell (2002), S. 309. 126
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mer häufig mit Schleichwerbung gleichgesetzt wird. Vorerst werden allerdings die verschiedenen Streitpunkte diskutiert, die immer wieder zu öffentlichen Kontroversen führen.
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3 Kontroverse, rechtliche Grundlagen und Marktstruktur 3.1 Öffentliche Kontroverse um Product Placement
Mit der Zunahme der Anzahl Product Placements in den verschiedenen Medien hat auch die öffentliche Kontroverse um dieses Thema zugenommen. Zahlreiche Beiträge in den Medien zu diesem Thema zeugen davon. So sehen beispielsweise Konsumentenschützer Product Placements als versteckte Werbung bzw. Schleichwerbung128, denn oftmals sind die platzierten Produkte nicht entsprechend gekennzeichnet, dass man sie als solche erkennen kann129. Somit besteht die Gefahr, dass die Werbereaktanz der Rezipienten umgangen wird. Kritisiert wird beispielsweise auch, dass Kinder von Werbeeinflüssen durch Product Placement zu wenig geschützt sind130, da sie über die Absichten der Marketing-Manager nicht informiert sind. Gupta/Gould (1997) und McKechnie/Zhou (2003) haben des Weiteren in ihrer Studie gezeigt, dass Konsumenten ethisch umstrittene Produktkategorien wie Zigaretten, Alkoholika, Waffen und fettreiche Nahrungsmittel in Filminhalten als weniger akzeptabel befinden. Zudem besteht die Befürchtung, Product Placements könnten den Konsumenten auf subliminale Art und Weise, also unterhalb der Bewusstseinsschwelle, beeinflussen131.
Andere Gegner sehen im Product Placement eine Einschränkung der gestalterischen Freiheit von Filmschaffenden. So sehen sich Filmschaffende dem Druck von Marketing-Managern ausgesetzt, denn diese könnten in Zukunft vermehrt auf redaktionelle Filminhalte Einfluss nehmen132. Allerdings werden gleichzeitig reale Markenprodukte in Filmen sowohl von Filmschaffenden wie auch von Konsumenten gewünscht, denn damit wird die Realitätsnähe der Handlung gesteigert133.
3.2 Differenzierung zwischen Schleichwerbung und Product Placement
Product Placement bewegt sich in einem Spannungsfeld zwischen gesetzlichen Vorschriften und der praktischen Anwendung. Aufgrund der in vielen Ländern nicht eindeutigen Rechtslage befindet sich Product Placement aus medienrechtlicher Perspektive in einer Art Grauzone.
128
Vgl. Balasubramanian (1994), S. 33. Vgl. Gupta/Balasubramanian/Klassen (2000), S. 44. 130 Vgl. Auty/Lewis (2004), S. 700. 131 Vgl. Morton/Friedman (2002), S. 35. 132 Vgl. Babin/Thomson Carder (1996), S. 36. 133 Vgl. Gupta/Gould (1997), S. 42 ff; Karrh (1998), S. 38. 129
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Die Unterscheidung zwischen Schleichwerbung und Product Placement hängt jeweils von den rechtlichen Grundlagen in einem Land ab.
Je nach Gesetzgebung können die Grenzen zwischen erlaubtem Product Placement einerseits und der so genannten Schleichwerbung fliessend sein. Bei der Schleichwerbung „geht es vor allem darum, die werbliche Absicht gegenüber dem Umworbenen zu tarnen“134. Mit dem Einsatz dieser beiden Instrumente werden prinzipiell aber die gleichen Ziele verfolgt, nämlich seitens des Markenträgers eine Werbebotschaft an den Konsumenten zu überbringen und seitens der Produktionsfirma die entsprechende Sendung mitzufinanzieren.
In der Literatur werden die beiden Begriffe oft synonym verwendet. Diese „Grauzone“ ist insofern ein Problem, als Schleichwerbung in der Regel rechtlich untersagt ist135. Dieser Verbots-Passus findet sich beispielsweise auch in den „ARD Grundsätzen zur Trennung von Werbung und Programm“136, der im Spätsommer 2005 durch den „Marienhof-Skandal“ einer breiteren Öffenlichkeit bekannt geworden ist137. Dort kassierte die Produktionsfirma der in der ARD ausgestrahlten Fernsehserie bzw. Seifenoper „Marienhof“ über zehn Jahre hinweg Geldbeträge in Millionenhöhe für die gezielte Platzierung von Marken sowie deren Hervorhebung durch die Schauspieler138. Entsprechend umfangreich und intensiv präsentiert sich derzeit das rechtswissenschaftliche Schrifttum, das sich mit dem hier interessierenden Thema befasst139.
So wäre beispielsweise die Einbindung eines Markenprodukts gegen Bezahlung in der Schweiz, unter Einhaltung gewisser Richtlinien, durchaus erlaubt; die gleiche Vorgehensweise würde in Deutschland als Schleichwerbung gelten. Deshalb werden im folgenden Kapitel die derzeitigen und zukünftigen rechtlichen Grundlagen der EU, der deutschsprachigen Länder sowie den USA, dem Pionierland für Product Placement schlechthin, in ihren Grundzügen diskutiert, um so ein besseres Verständnis zu schaffen, in welchem Fall in einem spezifischen Land Schleichwerbung bzw. Product Placement vorliegt.
134
Schweiger/Schrattenecker (2001), S. 325. Siehe dazu auch Kapitel 3.3. 136 ARD = Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands. 137 Vgl. Hanfeld (2005a), S. 38. 138 Vgl. Hanfeld (2005b), S. 40. 139 Siehe dazu auch Kapitel 3.3. 135
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3.3 Derzeitige und zukünftige rechtliche Grundlagen im internationalen Vergleich
Im Vergleich zur Filmindustrie und anderen elektronischen Medien wie beispielsweise Computerspielen, bei denen eine eindeutige gesetzliche Regelung fehlt, gibt es in vielen Ländern für Product Placements in der Fernsehpraxis bereits rechtliche Grundlagen140. Diese werden nun weiter unten für die Europäische Union, die wichtigsten deutschsprachigen Länder sowie die USA erläutert.
3.3.1 EU-Fernsehrichtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“
Im Jahre 1989 wurde innerhalb der EG (Europäische Gemeinschaft) erstmals eine gesamteuropäische Rechtsgrundlage erstellt, mit welcher in erster Linie bestimmte Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Ausübung der Fernsehtätigkeit in der EG amtlich geregelt wurden141. Die unter dem Namen „Fernsehen ohne Grenzen“ lautende Richtlinie ist der eigentliche Ausgangspunkt der rechtlichen Regelung im europäischen Raum und wurde mit der am 30. Juni 1997 verabschiedeten Richtlinie 97/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates überarbeitet. Diese Richtlinie gilt, wie der Name besagt, ausschliesslich für das Fernsehen. Gemäss diesen Richtlinien kann Product Placement mit Schleichwerbung gleichgesetzt werden.
Am 13. Dezember 2005 hat die Europäische Kommission in Anbetracht der neuen Übertragungs- und Werbetechniken einen Reformvorschlag für die Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ vorgelegt. Die neue Richtlinie würde auch neue Formen der Werbung und Product Placements zulassen. Der Reformvorschlag sieht vor, einen klaren rechtlichen Rahmen für Placement-Massnahmen zu schaffen. Mit Ausnahmen von Nachrichten- und Kindersendungen sowie Sendungen zum aktuellen Zeitgeschehen würde das Product Placement folglich künftig erlaubt. Allerdings müssten die Rezipienten zu Beginn einer Sendung auf die platzierten Marken hingewiesen werden. Darüber hinaus sind Placements für Zigaretten, Tabakwaren, bestimmte Arzneimittel sowie medizinische Behandlungen vollständig verboten. Des Weiteren dürften Sponsoren keinen Einfluss auf die Programmplanung und Inhalte von Mediendiensten
140
Es soll im Rahmen dieser Arbeit nicht auf rechtliche Grundlagen bzgl. anderer Medien wie beispielsweise Kinofilme, Internet, Video Spiele, usw. eingegangen werden, weil hier zum einen eine marketingwissenschaftliche, nicht aber eine rechtswissenschaftliche Arbeit vorgelegt wird. Zum anderen bezieht sich der empirische Teil der Arbeit auf das Medium Fernsehen, weshalb die Berücksichtigung anderer Medien nicht Ziel führend wäre und den Rahmen der Arbeit sprengen würde. 141 Europäische Gemeinschaft (1989): Richtlinie 89/552/EWG.
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haben, so dass deren Unabhängigkeit gewährleistet ist. Auch dürfen keine verkaufsfördernden Bezugnahmen auf Markenprodukte und Dienstleistungen gemacht werden. Wie diese Richtlinie von den Sendeanstalten eingehalten werden müsste, ist in den jeweiligen nationalen Gesetzgebungen festzuhalten142.
Allerdings muss an dieser Stelle nochmals verdeutlicht werden, dass es sich hierbei um einen Reformvorschlag handelt, der vom Ministerrat und dem Parlament der Europäischen Union noch genehmigt werden muss. Die gesetzlichen Grundlagen bezüglich Product Placement würden, wenn genehmigt, am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten. Da dies allerdings noch nicht der Fall ist, sollen im Folgenden die aktuellen rechtlichen Grundlagen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA erläutert werden.
3.3.2 Rechtslage in Deutschland
In Deutschland ist Product Placement im Fernsehen – der Begriff wird auch hier häufig synonym mit Schleichwerbung verwendet – neben der Richtlinie 97/36/EG „Fernsehen ohne Grenzen“, auf zwei weiteren Ebenen geregelt: Der Staatsvertrag über den Rundfunk (RfStV) und die jeweiligen Mediengesetze der einzelnen Bundesländer. Weiter verfügen die jeweiligen Fernsehanstalten zum Teil auch noch über ihre eigenen Richtlinien. Der RfStV verbietet gemäss § 7 Abs. 6 S. 1 die Schleichwerbung und somit auch das Product Placement. Dieses Verbot akzentuiert das bereits in § 7 Abs. 3 enthaltene Trennungsgebot zwischen Werbung und dem übrigen Programm. Wenn in gewöhnlichen Fernsehsendungen Marken platziert werden und das Publikum über den Werbezweck nicht eindeutig informiert wird, so gilt dies als Schleichwerbung und ist demnach verboten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Platzierungen gegen Bezahlung oder sonstige Gegenleistungen mit finanziellem Charakter erfolgen. So schreibt der RfStV eine eindeutige Trennung von Werbung und Programm vor und verlangt die Bekanntgabe von Werbung, was beim Product Placement nicht gegeben ist. Es liegt allerdings kein Verstoss gegen das Gesetz vor, wenn künstlerische oder dramaturgische Gründe das Erscheinen eines Markenproduktes im Programm erfordern. Der „Werbende“ darf aber auf die Programmgestaltung keinen Einfluss nehmen.
142
46
Vgl. Kommission der europäischen Gemeinschaften (2004), S. 13 ff.
Die Tätigkeit der öffentlich-rechtlichen und der privaten Rundfunkanstalten wird folglich im Wesentlichen durch den RfStV geregelt, wobei dieser in der Bundesrepublik Deutschland, ähnlich der EU-Richtlinie, als übergeordnetes Werk gilt, das eine Leitbildfunktion übernimmt und in den einzelnen Richtlinien der jeweiligen Fernsehanstalten konkretisiert wird. Für die privaten Sender sind die „Gemeinsamen Richtlinien der Landesmedienanstalten für die Werbung, zur Durchführung der Trennung von Werbung und Programm und Sponsoring vom 26. 01. 1993" verbindlich. Die ARD und das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) als öffentlichrechtliche Sendeanstalten haben hingegen eigene Richtlinien erstellt: Das ZDF mit den „ZDFRichtlinien für Werbung und Sponsoring vom 22. September 2000“ und die ARD mit den „ARD-Richtlinien für die Werbung, zur Durchführung der Trennung von Werbung und Programm und für das Sponsoring in der Fassung vom 6. Juni 2000." In allen drei Richtlinien ist die Platzierung von Produkten, „soweit sie aus journalistischen oder künstlerischen Gründen (insbesondere für die Darstellung der realen Umwelt) zwingend erforderlich ist“143 ausdrücklich erlaubt. Allerdings sollten sie „aus überwiegend programmlich-dramaturgischen Gründen sowie zur Wahrnehmung von Informationspflichten erfolgen“144. Unabhängig davon ist die Darstellung von Produkten gegen Entgelt oder eine sonstige Dienstleistung verboten145. Als Entscheidungskriterium für die werbliche Absicht gilt folglich die Entgeltlichkeit, also die Frage, ob Bargeld oder eine geldwerte Leistung an den Programmveranstalter geflossen ist. So wurde in Deutschland im Jahr 2005 neben der Sendung „Marienhof“ auch im „Tatort“ beispielsweise ein Fall von Schleichwerbung aufgedeckt,
d. h. die Produktionsfirma hat
ein Honorar für verdeckte Werbung erhalten, ohne dies jedoch während der Ausstrahlung des Films zu erwähnen146.
Ergänzend soll noch angefügt werden, dass für Kinofilme in Deutschland Regelungen aus dem Wettbewerbsrecht herangezogen wurden, beispielsweise in einem Rechtsstreit um den Kinofilm „Feuer, Eis und Dynamit“ aus dem Jahre 1995. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und vor allem dessen Generalklausel § 1, kam in diesem Zusammenhang zur Anwendung. Der erste Paragraph des UWG sagt aus, dass wenn ein Handeln im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs vorliegt, das einen Verstoss gegen die guten Sitten darstellt. „Im Rahmen der Klagen wurde geltend gemacht, dass das Angebot eines so weitgehend auf Werbung angelegten Films im normalen Kinoprogramm wettbewerbswidrig
143
ARD (2000), Abs. 8.3; ZDF (2000), Abs. 8.3. Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten in der Bundesrepublik Deutschland (2000), Abs. 7(1). 145 ARD (2000), Abs. 8.5; ZDF (2000), Abs. 8.5; Gemeinsame Richtlinien der Landesmedienanstalten, 14 (2). 146 Vgl. Hanfeld (2005a), S. 38. 144
47
sei. Das Publikum werde – sofern es nicht vorher über den Werbecharakter aufgeklärt – in seiner Erwartung, einen Spielfilm üblicher Art vorgeführt zu bekommen, getäuscht und könne sich demgemäss nicht auf die mit der Werbung beabsichtigte Beeinflussung einstellen“147. Das Fehlen einer klaren Grenze zwischen Erlaubtem und Unerlaubtem ist somit auch im Bereich der Kinofilme offensichtlich.
3.3.3 Rechtslage in Österreich
In Österreich ist Product Placement relativ eindeutig geregelt. So gilt für den Österreichischen Rundfunk (ORF) das Bundesgesetz über den Österreichischen Rundfunk148 und die vom Bundeskommunikationssenat (BKS) daraus abgeleiteten Entscheide. Für Privatsender gilt das Privatfernsehgesetz PrTV-G. Im österreichischen öffentlich-rechtlichen Fernsehen muss die Trennung von Werbung und Programm eindeutig sein149. Schleichwerbung ist klar verboten150. Dieses Verbot umfasst die Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Marken oder Tätigkeiten eines Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen in Programmen, wenn sie dem Werbezweck dient und die Rezipienten hinsichtlich des eigentlichen Zweckes der Darstellung täuscht. Eine Erwähnung oder Darstellung gilt insbesondere dann als beabsichtigt, wenn sie gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erfolgt. Product Placement ist ausserhalb von Werbesendungen eigentlich insofern unzulässig, der österreichische Gesetzgeber erlaubt aber bewusst genau definierte Ausnahmen. In Kinofilmen, Fernsehfilmen und Fernsehserien ist Product Placement, unter der Bedingung ausdrücklich erlaubt, sogar fast erwünscht, sofern die Gegenleistungen geringfügig sind151. Diese liberale Gesetzgebung hat zum Ziel, einheimisches Filmschaffen zu fördern. Abgesehen von Kinder- und Jugendsendungen ist Product Placement auch im Weiteren erlaubt, wenn es für die Übertragung oder Berichterstattung über Sport-, Kultur- oder Wohltätigkeitsveranstaltungen notwendig ist152. Prinzipiell darf für Werbung ausserhalb der Werbeblöcke keine Bezahlung erfolgen, jedoch sind geringfügige Gegenleistungen, wie beispielsweise eine Aufwandsentschädigung, zulässig. Auf keinen Fall zulässig ist jedoch, wenn ein Werbetreibender redaktionellen Einfluss auf den Programminhalt auszuüben versucht153. Eine weitere Eigenheit der österreichischen öffentlich-rechtlichen Mediengesetzgebung ist, dass zwischen dem 147
Schultze (2001), S. 18 ff. ORF-Gesetz oder ORF-G. 149 Vgl. ORF-G (2002), § 14 Abs. 3. 150 Vgl. ORF-G (2002), § 14 Abs. 2. 151 Vgl. ORF-G (2002), § 14 Abs. 5. 152 Vgl. ORF-G (2002), § 14 Abs. 6. 153 Vgl. ORF-G (2002), § 14 Abs. 4. 148
48
Sponsoring (im Gesetz: Patronatsendung) und Product Placement vom juristischen Standpunkt klar unterschieden wird. In anderen Ländern wie beispielsweise der Schweiz und den USA wird Product Placement rechtlich meist dem Sponsoring gleichgesetzt.
Im PrTV-G wird nicht mehr zwischen Sponsoring und Product Placement unterschieden. Die Regelung zu den Patronatssendungen ist jener des ORF-G sehr ähnlich. So wird unter einer Patronatssendung im privaten Fernsehen verstanden, „wenn ein nicht im Bereich der Produktion von audiovisuellen Werken oder Hörfunkprogrammen tätiges öffentliches oder privates Unternehmen einen Beitrag zur Finanzierung solcher Werke oder Programme mit dem Ziel leistet, den Namen, die Marke, das Erscheinungsbild, die Tätigkeit oder die Leistungen des Unternehmens zu fördern“154. Somit fallen Placement-Massnahmen unter die Bedingungen der Patronatssendungen, d. h. dass der entsprechende Name oder das Firmenemblem am Programmanfang oder -ende eindeutig gekennzeichnet wird.
3.3.4 Rechtslage in der Schweiz
In der Schweiz finden sich gesetzliche Bestimmungen zum Product Placement im Bundesgesetz über Radio und Fernsehen (RTVG), in der Radio- und Fernsehverordnung (RTVV) sowie in den Sponsoring-Richtlinien des Bundesamts für Kommunikation (Bakom). Grundsätzlich gilt auch hier, dass Werbung vom übrigen Programm deutlich getrennt und als solche eindeutig erkennbar sein muss155. Schleichwerbung ist grundsätzlich verboten156. Weiter besagt das RTVV, dass redaktionelle und kommerzielle Informationen getrennt sein müssen, „soweit dies künstlerische Interessen nicht rechtfertigen, bzw. dies für das Publikum nicht transparent gemacht wird“157. Die Sponsoring-Richtlinien halten fest, dass Product Placement den Sponsoringbedingungen unterliegt.
154
Vgl. PrTV-G (2001), § 46 Abs. 1. Vgl. RTVG (2006), Art. 9. 156 Vgl. RTVG (2006), Art. 10. 157 RTVV (1997), Grundsatz 3.12, Ab. 5. 155
49
Generell kann Product Placement von Schleichwerbung in der Schweiz aufgrund folgender Kriterien bzw. gesetzlicher Grundlagen unterschieden werden:158
x
Generell muss eine Quellenangabe bezüglich eines Sponsors erfolgen159. Eine Sponsorennennung muss zudem zu Beginn und am Ende einer Sendung gemacht werden, wenn diese mit Product Placements versehen ist160, wobei das Sponsoring durch einen geeigneten Hinweis deklariert werden muss161. Bei der Schleichwerbung erfolgen keine unmittelbaren Angaben über den Sponsor am Anfang sowie am Ende der gesponserten Sendung. Somit wird keine Transparenz für den Konsumenten geschaffen und dessen Werbereaktanz systematisch umgangen.
x
Beim Product Placement wird dem Zuschauer ein eindeutiger Hinweis gegeben, dass eine Art Sponsoring vorliegt. Die Sponsorennennung kann in der Schweiz beispielsweise wie folgt gestaltet werden: „Diese Sendung wird gesponsert von…….“.
x
Wenn Markenprodukte in Nachrichtensendungen oder in nachrichtenbezogenen Sendungen zum politischen Geschehen gezeigt werden und damit eine Werbeabsicht verfolgt wird, handelt es sich um Schleichwerbung162. Product Placement ist in diesen Sendungen grundsätzlich verboten.
x
Generell herrscht für Produktkategorien, die mit einem Werbeverbot versehen sind, wie beispielsweise Zigaretten und Alkoholika, auch ein Placement-Verbot163.
x
Gemäss Art. 15, Abs. 2 der schweizerischen RTVV gilt Product Placement nur dann als Sponsoring, „wenn Art und Weise der Platzierung in der Sendung die Grenzen des Zulässigen einhält“. Konkret heisst dies, dass Product Placement eigentlich nur gestattet ist, „wenn die Ware oder Dienstleistung und die Art ihrer Präsentation dem dramaturgischen Ablauf der Sendung entsprechen und keine unnötigen Erwähnungen, Hervorhebungen, etc. vorgenommen werden“164. Ausserdem darf keine werbemässige Produktdarstellung vorgenommen werden165. Sollte die Darstellung eines Markenprodukts übertrieben bzw. überspitzt sein, würde Schleichwerbung vorliegen. Allerdings ist hier der hohe Subjektivitätsgrad der Einschätzung, ob nun die Grenzen des Zulässigen in einem speziellen Fall eingehalten wurden oder nicht, hervorzuheben.
158
Vgl. Bakom Sponsoring-Richtlinien (1999); Kommission der europäischen Gemeinschaften (2004). Vgl. Bakom Sponsoring-Richtlinien (1999), Ziffer 4. 160 Vgl. Bakom Sponsoring-Richtlinien (1999), Ziffer 9. 161 Vgl. Bakom Sponsoring-Richtlinien (1999), Ziffer 10. 162 Vgl. Bakom Sponsoring-Richtlinien (1999), Ziffer 27. 163 Vgl. Bakom Sponsoring-Richtlinien (1999), Ziffer 26. 164 RTVV (1997), Art. 15, Abs. 2. 165 Vgl. Bakom Sponsoring-Richtlinien (1999), Ziffern 21-22. 159
50
x
Werden während einer Sendung „werbende Hinweise auf die platzierte Ware oder Dienstleistung gemacht“166 liegt ebenfalls Schleichwerbung vor. Kommt es z. B. in einer Handlung vor, dass ein Schauspieler in einem Auto vorfährt und der Zuschauer die Marke erkennt, so ist dies zulässig. Würde er allerdings die Vorteile167 des Autos, wie beispielsweise ein tiefer Preis oder die Motorleistung, erwähnen, würde es sich um werbende Hinweise handeln, die nicht zulässig sind.
3.3.5 Rechtslage in den USA Sektion 317 des Communications Act168 von 1934 verlangt von den Fernsehsendern, die Zuhörer und Zuschauer zu informieren, wenn Programminhalte ausgestrahlt werden, für die sie als Gegenleistung Geld, Dienstleistungen oder andere Entgelte erhalten haben. In den USA wurde, ähnlich wie in Europa, von der Federal Communications Commission (FCC) für Placement-Massnahmen diesbezüglich eine Art Sponsoringgesetz erlassen. Marken, die absichtlich in Fernsehsendungen platziert werden, müssen während der Sendung explizit genannt werden. Die Marken sollten nicht “beyond an identification which is reasonably related to the use of such service or property on the broadcast”169 dargestellt werden. Verschiedene Sonderfreigaben erlauben es, in Filmen Markenprodukte zu zeigen, wenn diese wiederholt ausgestrahlt werden.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die rechtlichen Grundlagen der verschiedenen Länder bezüglich der Platzierung von Markenprodukten in Programminhalten divergieren. Die wichtigsten Bedingungen, die in jedem Land respektiert werden müssen, damit Product Placement juristisch nicht als Schleichwerbung bezeichnet wird, sind in Tabelle 6 festgehalten.
166
RTVV (1997), Art. 15, Abs. 2. Im Marketing wird in diesem Zusammenhang häufig der Ausdruck „Unique Selling Propositions“ verwendet. 168 Vgl. Federal Communications Commission (2006b). 169 Vgl Federal Communications Commission (2006a), Title 47, 73.1212. 167
51
Tabelle 6: Bedingungen, die im Rahmen von Product Placement in jedem Land gesetzlich eingehalten werden müssen Bedingungen Dramaturgische Notwendigkeit liegt vor Expliziter Hinweis auf die platzierten Marken EU (gemäss Nicht in Nachrichten-/Kindersendungen, Sendungen zum aktuellen Zeitgeschehen Reformvorschlag) Keine Product Placements für Zigaretten, Tabakwaren, Arzneimittel, medizinische Behandlungen Kein Einfluss der Sponsoren auf Programminhalt Dramaturgische Notwendigkeit liegt vor Keine Bezahlung Keine vertragliche oder sonstige Verpflichtung für Einblendung der Werbeembleme oder Produkte Deutschland Kein Einfluss der Sponsoren auf Inhalt Übertragungsrechte von Veranstaltungen werden nicht erkennbar verbilligt Dramaturgische Notwendigkeit liegt vor Erlaubt in Kinofilmen, Fernsehfilmen und Fernsehserien Österreich Geringfügige Gegenleistung des Sponsors In Kinder-/Jugendsendungen nicht erlaubt Product Placement wird deklariert Sponsorennennung Dramaturgische Notwendigkeit liegt vor Schweiz Keine unnötigen Erwähnungen, Hervorhebungen oder werblichen Aussagen In Nachrichtensendungen nicht erlaubt Für gewisse Produktkategorien wie bspw. Zigaretten und Alkoholika verboten Dramaturgische Notwendigkeit liegt vor USA Explizite Nennung der platzierten Marken
Land/Region
Diese Ausführungen verdeutlichen, dass sich bereits innerhalb des deutschsprachigen Raums die gesetzlichen Grundlagen zum Teil stark unterscheiden.
3.4 Marktstruktur für Product Placement und die verschiedenen Anspruchsgruppen
Bis in die 1980er Jahre wurden Placement-Massnahmen noch sehr rudimentär gehandhabt bzw. umgesetzt. Die Markenprodukte wurden den Produktionsfirmen jeweils zur Verfügung gestellt oder einfach geschenkt. Dabei wurde der Verwendung der Produkte innerhalb der Handlung kaum Beachtung geschenkt. Allerdings werden Product Placements in Zukunft voraussichtlich immer mehr Teil einer strukturierten und integrierten Kommunikationspolitik und ihre Realisierung entsprechend minutiös geplant170.
170
Vgl. Karrh (1998), S. 35.
52
Der Markt für Placement-Massnahmen im Fernsehen verfügt über eine spezifische Struktur. Die verschiedenen Interessengruppen bei Placement-Massnahmen verfolgen, unter Umständen auch in Abstimmung miteinander, verschiedene Ziele:
x
Die Marketing-Manager beabsichtigen, Marken bzw. Produkte in verschiedenen Programminhalten zu platzieren, um so eine Werbebotschaft an den Konsumenten zu überbringen. Die mit der Werbebotschaft verfolgten Ziele können dabei unterschiedlich sein171. Dabei kann die Unternehmung direkt oder mittels einer Placement-Agentur mit der entsprechenden Produktionsfirma Kontakt aufnehmen und ihre Interessen darlegen, wobei diese Kontaktaufnahme auch in umgekehrter Richtung erfolgen kann. Dabei können die Ziele zwischen einer Agentur und einer Firma divergieren, da die von der Firma verfolgten Ziele in deren Markenstrategie passen müssen172. Gewisse Firmen verfügen sogar über strukturierte Vorgehensweisen bei der Auswahl der Sendungen, in denen sie ihre Produkte platzieren möchten173. Je nachdem, welche Arten von Produkten oder Dienstleistungen im Drehbuch vorkommen, werden entsprechend Firmen angefragt, die solche Produkte oder Dienstleistungen anbieten, ob sie Interesse daran hätten, ein Product Placement vorzunehmen. Bei der schweizerischen Produktionsfirma C-Films, die die Soap „Lüthi und Blanc“ produziert, die auf dem Schweizer Sender SF1 ausgestrahlt wird, spricht man in diesem Zusammenhang bewusst von Requisiten-Placement, d. h. der Inhalt des Drehbuchs soll die Wahl der benötigten Produkte als Requisiten bestimmen.
x
Die Produktionsfirmen von Fernsehsendungen oder Filmen, wie beispielsweise Universal Studios und Disney in den USA oder C-Films in der Schweiz, verfolgen mit Product Placements zwei unterschiedliche Ziele. Zum einen wollen sie für ihre Sendungen möglichst reale Requisiten zur Verfügung haben, die die Handlung realitätsnah erscheinen lassen. Zum anderen sind die Einnahmen aus Verträgen mit Unternehmen, die ein Interesse daran haben, ihre Marken zu platzieren, eine willkommene Finanzierungsquelle, die die Kosten der Produktion zu einem gewissen Teil decken174. Als Grundlage für die Einbindung von Markenprodukten dienen die Drehbücher, wobei die Produktionsfirmen auch selber entscheiden können, welche Marken sie verwenden wollen.
171
Vgl. dazu auch Kapitel 2.1.4. Vgl. Russell/Belch (2005), S. 77. 173 Vgl. Russell/Belch (2005), S. 77. 174 Vgl. Russell/Belch (2005), S. 76. 172
53
x
Für die Radio- und Fernsehanstalten bedeuten Placement-Massnahmen tiefere Beschaffungskosten und glaubwürdigere Settings in ihren Programmen. Bei Nichteinhaltung von Gesetzen interveniert die im entsprechenden Land verantwortliche Aufsichtsbehörde und überprüft, ob die rechtlichen Bestimmungen bezüglich PlacementMassnahmen eingehalten werden. Meist liegt es in der Verantwortung der Radio- und Fernsehanstalten, dass diese Bestimmungen eingehalten werden, denn sie haften für den Inhalt der von ihnen selbst oder im Auftrag produzierten Sendungen.
x
Der Rezipient konsumiert Fernsehsendungen und darin verwendete Markenprodukte lassen die Szenerie realistischer erscheinen. Somit können sich Personen besser mit dem Inhalt identifizieren175. Product Placements werden entweder bewusst oder unbewusst wahrgenommen; allerdings darf der Rezipient nicht das Gefühl haben, dass er irregeführt wird. Konsumenten können bei allfälligen Rechtsverletzungen die zuständige Aufsichtsbehörde informieren, damit dieses allenfalls ein Aufsichtsverfahren in die Wege leiten kann.
Abbildung 7 zeigt auf, wie die einzelnen Anspruchsgruppen miteinander interagieren.
Abbildung 7: Marktstruktur für Placement-Massnahmen und die Interaktion zwischen den verschiedenen Anspruchsgruppen
MarketingManager
Agentur
Produktions -firmen
Radio- & Fernsehans talten
Visuelle, auditive oder audiovisuelle Medien Placement-Massnahmen
Konsumenten
175
54
Vgl. DeLorme/Reid (1999), S. 77.
A u f s i c h t s b e h ö r d e
Nach einer detaillierten Betrachtung und Analyse der bislang erschienen Arbeiten sowie einer Erläuterung der rechtlichen Grundlagen, müssen, bevor forschungsleitende Hypothesen abgeleitet werden können, die theoretischen Grundlagen der Werbewirkung von Product Placement auf den Rezipienten erarbeitet werden. Im folgenden Kapitel werden die die dafür erforderlichen verhaltenswissenschaftlichen Grundlagen erläutert, um so anschliessend die Formulierung der forschungsleitenden Hypothesen und die Überprüfung selbiger vorzunehmen.
55
4 Theoretische Grundlagen zur Wirkung von Product Placement auf Rezipienten Konsumenten reagieren unterschiedlich auf verschiedene Kommunikationsinstrumente und inhalte. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit gilt es zu verstehen, welche Folgen der Einsatz von Product Placement auf Konsumenten haben kann, insbesondere auf unbewusste Prozesse der Informationsverarbeitung hinsichtlich wahrgenommener Marken in audiovisuellen Medien. In diesem Kapitel wird zuerst der Prozess der Kommunikation betrachtet. Anschliessend werden theoretische Ansätze erläutert, die die Wirkung von Product Placement auf Rezipienten erklären können. Diese Erklärungsansätze haben ihren Ursprung in der Psychologie und in der Werbewirkungsforschung. Darauf aufbauend sollen im folgenden Kapitel 5 forschungsleitende Hypothesen und daraus ein für diese Arbeit relevantes Wirkungsmodell, das sämtliche Wirkungszusammenhänge zwischen den interessierenden Konstrukten zusammenfassend aufzeigt, abgeleitet werden.
4.1 Prozess der Kommunikation
Marketing-Manager benützen Product Placement, um bestehende oder potentielle Konsumenten anzusprechen. Es ist deshalb umso wichtiger, den Kommunikationsprozess zwischen einem Unternehmen und einem Konsumenten genau zu verstehen, denn dieser kann oftmals sehr komplex sein. Marketing-Manager müssen abschätzen können, wie übermittelte Botschaften wahrgenommen und verarbeitet werden und wie diese Prozesse das Konsumentenverhalten bezüglich eines Produktes oder einer Dienstleistung beeinflussen. Die Wirksamkeit einer Botschaft hängt dabei unter anderem von Faktoren wie der Art der Botschaft oder der Interpretation durch den Rezipienten ab. Auch der Adressant (Quelle/Sender) sowie die Einstellung des Adressaten bezüglich des Informationsträgers können die Übermittlung einer Botschaft beeinflussen.
Mittlerweile hat sich in der Kommunikationsforschung ein in der Wissenschaft weitgehend anerkanntes Kommunikationsmodell mit verschiedenen Elementen etabliert, das in Abbildung 8 abgebildet ist.
56
Abbildung 8: Modell des Kommunikationsprozesses
Kanal Quelle/ Sender
Verschlüsselung
Botschaft
Entschlüsselung
Empfänger
Störung Feedback
Verhalten
Quelle: in Anlehnung an Belch/Belch (1998), S. 140
Damit Kommunikation überhaupt stattfinden kann, müssen ein Sender bzw. eine Quelle, der bzw. die eine Botschaft übermittelt, und ein Empfänger, der diese aufnimmt, vorhanden sein. Eine Botschaft wird mittels eines Kanals bzw. eines Trägers befördert. Im Fall von Product Placement kann eine Information bezüglich eines Markenprodukts von einem Unternehmen (Quelle/Sender) beispielsweise mit Hilfe einer Fernsehsendung (Kanal) an einen bestehenden oder potentiellen Konsumenten (Empfänger) übermittelt werden. Dabei muss der Sender die Nachricht verschlüsseln, d. h. er muss Informationen oder Gedanken in eine symbolische Form bringen. Dabei können zum Beispiel Bilder, Sprache, Symbole oder Zeichen verwendet werden, so dass eine Botschaft durch den Empfänger verstanden wird. Bei Product Placements kann man grundsätzlich zwischen formalen und inhaltlichen Gestaltungsvariablen unterscheiden176. Der Rezipient verarbeitet die Informationen und wandelt dabei die aufgenommene Botschaft in Gedanken um (Entschlüsselung). Diese wiederum erzeugen ein bestimmtes Verhalten. Dieses Verhalten kann beobachtbar sein, wenn beispielsweise ein Konsument nach der Verarbeitung der Information bezüglich einer Marke die Website des Senders besucht. Ein Verhalten kann auch nicht-beobachtbar sein; dies ist zum Beispiel der Fall, wenn eine Information durch den Rezipienten im Gedächtnis gespeichert wird. Ein wichtiges Element, das den Kommunikationsprozess beeinflussen kann, sind externe Faktoren, die den Empfang verfälschen oder sonst störend auf diesen einwirken. So können Störungen, wie beispielsweise Ablenkung vor dem Fernseher, die Übermittlung einer Botschaft beeinträchtigen.
Die Modellkomponenten Empfänger und Verhalten sind in vorliegender Arbeit von primärem Interesse, denn Ziel der empirischen Untersuchung wird es sein, mehr über die bewusste und unbewusste Verarbeitung von Informationen bezüglich Marken, die mittels Placement176
Siehe Kapitel 2.1.5.
57
Massnahmen übermittelt werden, zu erfahren sowie deren Einfluss auf die Einstellung zu diesen Marken zu analysieren.
4.2 Behavioristische Erklärungsansätze zur Wirkung von Product Placement auf Rezipienten
Behavioristische Ansätze bauen auf dem so genannten S-R-Paradigma (Stimulus-ResponseParadigma) auf und gehen davon aus, dass Lernen als Folge einer Reaktion auf einen externen Stimulus in der Umwelt erfolgt. Anhänger der behavioristischen Psychologie vertreten die Ansicht, dass Lernen durch einen Zusammenhang zwischen einem Stimulus und einer Reaktion erklärt wird177. Im Rahmen des Marketing geht es darum, Kausalbeziehungen zwischen Marketing-Aktivitäten und Konsumentenverhalten nachzuweisen. S-R-Modelle bauen zur Erklärung von Medienwirkungen auf der Annahme auf, dass Massenkommunikation direkt, unvermittelt und monokausal auf den Rezipienten wirkt178. Das heisst, dass jeder Rezipient Stimuli in den Massenmedien identisch wahrnimmt und diese bei allen Individuen die gleiche Reaktion hervorruft. Obwohl Modelle, die alleine auf dem S-R Paradigma aufbauen, mit all ihren Implikationen heute kaum mehr relevant sind, können diese trotzdem eine adäquate Beschreibung der grundsätzlichen Richtung des Kommunikationswirkung geben. Behavioristische Ansätze haben nämlich offenbart, dass mentale und Verhaltens-Prozesse ohne bewusste Überlegungen und Wahlverhalten geschehen können179. Dieser Tatbestand spielt im Rahmen dieser Arbeit insofern eine wichtige Rolle, als dass auch die unbewusste Beeinflussung des Konsumenten durch Product Placement untersucht werden soll.
4.2.1 Klassische Konditionierung
Der in der Lerntheorie angesiedelte Ansatz der klassischen Konditionierung ist ein möglicher Erklärungsansatz für die Wirkung von Product Placement auf das Rezipientenverhalten. Dieser besagt, dass ein Lerneffekt durch Assoziation eines Stimulus und dem Verhalten eines Subjekts beschrieben werden kann180. Ein neutraler, unkonditionierter Stimulus wird in Verbindung mit einem biologisch bedeutenden Stimulus gebracht, der anschliessend ein gewisses, unkonditioniertes Verhalten erzeugt. Dieses Verhalten wird als unkonditionierter Reflex
177
Vgl. Bruhn (2003), S. 37. Vgl. Bonfadelli (2004), S. 29. 179 Vgl. Bargh/Ferguson (2000), S. 925. 180 Vgl. Medin/Ross/Markman (2001), S. 60. 178
58
bezeichnet. Diese fundamentale Art des Lernens kann in Experimenten der Konditionierung nachgewiesen werden, die auf den russischen Physiologen Iwan Pawlow zurückgehen. Pawlow fand in seinen Experimenten mit Hunden heraus, dass deren Speichelsekretion nicht erst mit dem Fressvorgang anfängt; bereits bei Betrachtung der Nahrung wird diese aktiviert. Wenn zudem ein anderer, neutraler Reiz (konditionierter Stimulus) wie beispielsweise der Klingelton einer Glocke, regelmässig der Fütterung vorangeht, so kann dieser bereits eine Speichelsekretion auslösen. Ursprünglich ist der Klingelton neutral und sollte eigentlich keinen unkonditionierten Reflex auslösen. Bei regelmässiger Wiederholung entsteht allerdings mit der Speichelsekretion ein durch den konditionierten Stimulus (die Glocke) hervorgerufenes konditioniertes Verhalten und somit ein Lerneffekt. Die Konditionierung ist dabei nicht von der Anzahl des gemeinsamen Auftretens eines konditionierten mit einem unkonditionierten Stimulus abhängig, sondern vom Informationsgehalt des konditionierten Stimulus in Zusammenhang mit dem unkonditionierten Stimulus181.
Im Kontext von Product Placement ist besonders die emotionale Konditionierung relevant. Ein unbekanntes Markenprodukt kann bei einem Rezipienten langfristig mit einem positiven Gefühl verbunden werden, wenn der entsprechende Stimulus immer in Zusammenhang mit einem positiven Sinneseindruck präsentiert wird. Objekt der Konditionierung ist nicht die gezeigte Marke an sich, sondern das damit verbundene symbolische Konzept. Eine eher unbekannte Marke kann sich beispielsweise bei Rezipienten mit tiefem Involvement langfristig profilieren und so eine positive Einstellung generieren, um dadurch die Kaufwahrscheinlichkeit des Konsumenten hinsichtlich dieser Marke zu steigern182.
4.2.2 Soziale Lerntheorie
Die soziale Lerntheorie von Bandura (1977) besagt, dass durch Beobachtung des Verhaltens anderer Personen, so genanntes Modellernen, neue Reaktionen erlernt oder alte Reaktionen verändert werden können. Nord/Peter (1980) verwenden in diesem Zusammenhang auch den Begriff „Vicarious Learning“, so genanntes „stellvertretendes“ Lernen. Wichtig ist demnach die durch den Beobachter wahrgenommene Verstärkung des Modellverhaltens, wobei das Verhalten vom Beobachter gar nicht selbst ausgeübt werden muss, sondern es ausreicht, wenn
181 182
Vgl. Belch/Belch (1998), S. 123 ff. Vgl. Janiszewski/Warlop (1993), S 171 ff.
59
dieses lediglich mental repräsentiert wird. Vier Teilprozesse bilden die Grundlage der sozialen Lerntheorie183:
x
Aufmerksamkeitsprozess in der Beobachtungsphase: Bei diesem Prozess geht es um die Aktivierung der Aufmerksamkeit der lernenden Person. Diese Aktivierung hängt beispielsweise von sensorischen Fähigkeiten, vom Niveau der Erregbarkeit, von Modellierungsreizen usw. ab, die die sensorische Wahrnehmung modellierter Handlungen steuern.
x
Behaltensprozess zur Speicherung und Verarbeitung: Dieser Prozess wandelt
episo-
dische Erfahrungen zur Gedächtnisrepräsentation in dauerhafte Direktiven um, so dass diese entsprechend ausgeführt werden können. x
Motorische Reproduktionsprozesse: Diese Prozesse beinhalten die physische Reproduktion des beobachteten Verhaltens in neue Reaktionsmuster.
x
Motivation zur Verhaltensausführung: Dieser Prozess bestimmt, inwieweit durch Beobachtung erlernte Verhaltensweisen auch ausgeführt werden.
Im Weiteren können eine Reihe zusätzlicher Faktoren das Nachahmen des Modellverhaltens begünstigen. So können persönliche Eigenschaften der lernenden Person und der Modellperson sowie die Beziehung zwischen diesen Personen imitatorisches Verhalten fördern. Diese so genannte positive Assoziierung184 eines Rezipienten mit einer Modellperson, also eine Art Endorser185, kann ein entsprechendes Nachahmen fördern.
Das Modellernen ist insofern komplexer als das Modell der klassischen Konditionierung (siehe Kapitel 4.1), als dass ein Vorbild bzw. ein Modell erst entdeckt, ein kognitives Abbild im Gehirn gespeichert werden und dieses Abbild für späteres eigenes Verhalten wieder zur Verfügung stehen muss.
Der Ansatz der sozialen Lerntheorie ist im Rahmen der Erklärung der Wirkung von Product Placement relevant, denn das soziale Lernen des Rezipienten kann dessen Verhalten beeinflussen. So kann nämlich das bezüglich des Markenprodukts erlernte Wissen in einem audiovisuellen Medium auf die Einstellung bezüglich eines Produkts oder direkt das Kaufverhalten von Konsumenten wirken. 183
Vgl. Mayer/Illmann (2000), S. 459 ff. Vgl. Balasubramanian (1994), S. 38. 185 Vgl. Karrh (1998), S. 34. 184
60
4.3 Kognitive Erklärungsansätze zur Wirkung von Product Placement auf Rezipienten
Der behavioristische Ansatz vertritt für die Belange der vorliegenden Arbeit eine zu mechanistische Perspektive des Rezipientenverhaltens, da intraindividuelle Vorgänge bei Rezipienten nicht berücksichtigt werden. Im Gegensatz dazu versuchen kognitive Ansätze, Prozesse im Organismus des Konsumenten zu erforschen und zu erklären.
4.3.1 S-O-R-Paradigma
Das S-O-R-Paradigma (Stimulus-Organismus-Response-Paradigma) besagt, dass zwischen Reizsituation und der Reaktion einer Person weitere grundsätzlich nicht direkt beobachtbare Prozesse liegen, die im Individuum selbst stattfinden186. Diese so genannten intervenierenden Variablen wirken auf die durch die Reizsituation ausgelöste Verhaltensänderung ein. Somit wird im S-O-R-Paradigma das Verhalten eines Konsumenten sowohl als Funktion von Reizvariablen als auch von intervenierenden Variablen (Prozesse im Organismus) verstanden. Zu den häufig angenommenen intervenierenden Variablen gehören beispielsweise Motive, Einstellungen, Wahrnehmungsprozesse, aber auch Variablen wie Kaufinteresse. Bei der Messung intraindividueller Vorgänge muss man entsprechend auf so genannte hypothetische Konstrukte zurückgreifen.
4.3.2 Hierarchische Stufenmodelle
In der Medienwirkungs- und Werbewirkungsforschung wurden in den letzten Jahrzehnten verschiedene Modelle entwickelt, die Aufschluss über die Informationsverarbeitung von Rezipienten und die Wirkung von Medieninhalten und Werbung auf Rezipienten geben sollen. Sie versuchen somit, verschiedene Ursachen und Wirkungszusammenhänge zu erkennen und diese zu analysieren. Diese Modelle haben alle gemeinsam, dass sie den Verhaltensprozess eines Rezipienten vom Stadium der Unkenntnis eines Produkts bis zum aktuellen Verhalten in Form eines Stufenmodells darstellen. Einige der bekanntesten Stufenmodelle der Kommunikationswirkung sind in Tabelle 7 abgebildet. Die Auswahl wurde auf die für den vorliegenden Kontext wichtigsten Modelle begrenzt, denn es wäre an dieser Stelle nicht sinnvoll, auf alle entwickelten Stufenmodelle einzugehen, da dies den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde.
186
Vgl. Helmig (2001), S. 728; Tscheulin/Helmig (1999), S. 561.
61
Tabelle 7: Übersicht über die bekanntesten Stufenmodelle der Kommunikationswirkung Kognitive Ebene Affektive Ebene Konative Ebene AIDA-Regel AufInteresse Wunsch Handlung (1925) merksamkeit Lavidge/Steiner KaufBewusstsein Wissen Schätzen Präferenz Kaufabsicht (1961) verhalten AufRogers (1962) Interesse Evaluation Versuch Adoption merksamkeit WahrEinMcGuire Präsentation Verständnis Speicherung Abrufen Entscheidung Handlung (1976) nehmung verständnis
Das AIDA-Modell ist das älteste Stufenmodell und wurde ursprünglich für die Darstellung der verschiedenen Stufen im Verkaufsförderungsgespräch entwickelt und von Strong (1925) für eine konzeptionelle Darstellung der Werbewirkung auf das Konsumentenverhalten angepasst. Dabei durchgeht der Käufer sukzessive die vier folgenden Phasen: Aufmerksamkeit, Interesse (am Produkt), Wunsch (das Produkt zu besitzen) und Handlung (Kauf des Produkts). Dieses Modell bildet den Ursprung aller Stufenmodelle und wird heute vor allem in der Praxis noch häufig zitiert. Das Modell besagt, dass Werbung die Aufmerksamkeit für das Produkt zu erhöhen vermag und das Interesse dafür seitens des Konsumenten steigern kann.
Ein weiteres, häufig zitiertes Stufenmodell innerhalb der Werbewirkungsforschung ist das „Hierarchy of Effects Modell“ von Lavidge/Steiner (1961), das insgesamt sechs Stufen vorsieht (siehe Tabelle 7), die als Folge des Kontakts mit einer Werbung vom Rezipienten durchlaufen werden. Von der Struktur her ist es dem AIDA-Modell sehr ähnlich, allerdings ist es ein wenig ausführlicher.
Das „Innovations-Adoptions-Modell“ von Rogers (1962) ist aus der Forschung zur Innovationsdiffusion entstanden. Wie die anderen Stufenmodelle besagt es, dass potentielle Adopter verschiedene Stufen durchlaufen bis sie ein neues Produkt bzw. eine Innovation adoptieren.
Das Informationsverarbeitungsmodell von McGuire (1976) geht schliesslich davon aus, dass der Rezipient ein „Informationsverarbeiter“ bzw. ein „Problemlöser“ ist. Im Vergleich zu den vorherigen Stufenmodellen hat McGuire (1976) eine neue Komponente eingefügt, nämlich die Speicherung einer Information. Diese Stufe ist deshalb wichtig, da Marketing-Manager mit Werbung nicht unmittelbar das Ziel verfolgen, eine sofortige Kaufhandlung zu bewirken, sondern dass Konsumenten Produktinformationen in ihrem Gedächtnis speichern, die sie bei einer allfälligen Kaufentscheidung abrufen.
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Die in diesem Kapitel präsentierten Stufenmodelle haben sich wegen ihrer einfachen Verständlichkeit und ihrer leichten Handhabung im Marketing-Bereich schnell verbreitet. Die Modelle beschreiben das Rezipientenverhalten dabei als Ergebnis eines sequentiellen Prozesses durch drei grundlegende Ebenen, die eine Person durchgeht, nämlich die kognitive (die Erkenntnis betreffende), die affektive (das Gefühl betreffende) und die konative (die Handlung betreffende) Ebene. Mit diesen Modellen könnten auch Erklärungsansätze für die Wirkung von Product Placement auf Konsumenten beschrieben werden. Allerdings sind diese Stufenmodelle konzeptionell aufgrund des starren, hierarchischen Wirkungsverlaufs, der im Übrigen empirisch nicht konsequent nachgewiesen werden konnte, und der zu starken Gewichtung der Erinnerung sowie der Wiedererkennung ein wenig überholt187. Sie spielen dennoch im Rahmen der Kommunikation insofern eine Rolle, als dass sie die Basis der weiter entwickelten Stufenmodelle bilden, die nachfolgend diskutiert werden.
4.3.3 Stufenmodelle mit alternativen Hierarchien
Ray (1973) hat ein Informationsverarbeitungsmodell mit drei sequentiell verschiedenen Wirkungsverläufen entwickelt. Unter Beachtung der Produktdifferenzierung und des ProduktInvolvements hat er hinsichtlich der drei Ebenen Lernen, Fühlen und Handeln drei verschiedene Modelle mit jeweils unterschiedlichen Wirkungshierarchien entwickelt, die nachfolgend diskutiert werden.
x
Lernhierarchie,
x
Dissonanz-Attributions-Hierarchie und die
x
Geringes-Involvement-Hierarchie.
Die Standard-Lernhierarchie geht von der Annahme aus, dass der Konsument den gleichen Informationsverarbeitungsprozess durchläuft, wie dies bei den hierarchischen Stufenmodellen der Fall ist (Lernen -> Fühlen -> Handeln). Dieses Modell trifft nach Ray (1973) zu, wenn ein Konsument stark in den Kaufprozess involviert ist und Alternativen klar unterscheidbar sind.
Die Dissonanz-Attributions-Hierarchie geht von einer anderen Wirkungshierarchie aus: Handeln -> Fühlen -> Lernen. Diese Konstellation trifft eher für Situationen zu, in denen Alternativen kaum unterscheidbar und Rezipienten weniger in den Kaufprozess involviert sind. Ein 187
Vgl. Vakratsas/Ambler (1999), S. 32.
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Konsument kann sich beispielsweise ein Markenprodukt kaufen und je nach Zufriedenheit mit diesem ergibt sich daraus eine Einstellung zu der Marke. Kommunikative Massnahmen seitens des Unternehmens können dazu verhelfen, die kognitive Dissonanz des Konsumenten nach dem Kauf zu reduzieren und zusätzlich einen Lerneffekt zu erzielen.
Die Geringes-Involvement-Hierarchie trifft hingegen zu, wenn Rezipienten wenig in den Kaufprozess involviert sind und Alternativen kaum unterscheidbar sind. Somit wird folgende Wirkungshierarchie postuliert: Lernen -> Handeln -> Fühlen. Das Geringes-InvolvementModell geht, unter der Annahme, dass Rezipienten wenig involviert sind, Alternativen kaum unterscheidbar sind und die Werbung für ein Markenprodukt intensiv ist, von einer Lernen -> Handeln -> Fühlen-Hierarchie aus.
Krugman (1965) zeigte in seiner Untersuchung, dass Werbung in Situationen mit geringem Involvement, wie dies beispielsweise beim Fernsehen der Fall ist, kleine Änderungen in der Wissensstruktur über das beworbene Produkt hervorrufen kann. Eine solche Information kann nach Krugman (1965) ausreichen, um in einer Kaufsituation eine Kaufhandlung zu erzeugen. Die Hierarchie mit geringem Involvement sieht den Konsumenten als passiven Lerner, dem Informationen eher zufällig zukommen.
Kroeber-Riel/Weinberg (2003) haben ein Wirkungsmodell entwickelt, bei dem sie drei Konzepte unterscheiden: Wirkungskomponenten („Bausteine“), Wirkungsdeterminanten (Bedingungen) sowie das Wirkungsmuster. Letzteres wird dabei durch die Wirkungskomponenten und der Wirkungsdeterminanten bestimmt und führt zur entsprechenden Werbewirkung. So können verschiedene Wirkungsmuster der Werbung aufgezeigt werden. Abbildung 9 zeigt die verschiedenen Wirkungskomponenten mit potentiell möglichen Wirkungsverläufen auf.
64
Abbildung 9: Wirkungskomponenten der Werbung Werbekontakt
Schwache Aufmerksamkeit
Starke Aufmerksamkeit
Kognitive Vorgänge
Emotionale Vorgänge
Einstellung Kaufabsicht
Verhalten Quelle: Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 614.
Die Wirkungsverläufe hängen dabei entscheidend von folgenden Determinanten ab: von der Art der Werbung (emotional, informativ oder gemischt) und dem Involvement des Konsumenten (geringes oder hohes Involvement). Die Kombination dieser Determinanten ergibt insgesamt sechs mögliche Verknüpfungen der Wirkungskomponenten bzw. Wirkungsverläufe. Allerdings soll in vorliegender Arbeit nicht auf die verschiedenen Verknüpfungsmöglichkeiten eingegangen werden, da eine ausführliche Diskussion dieser Verknüpfungsmöglichkeiten den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen würde. So berücksichtigt das Modell verschiedene Stufen der Aufmerksamkeit, die entsprechend kognitive sowie emotionale Vorgänge bei Rezipienten auslösen und zu Einstellungsveränderungen bzw. Kaufhandlungen führen können. Es kann mit oben stehender Grafik einfach dargestellt werden, welche Wirkungsverläufe erfolgen können188. Das Wirkungsmodell ist für diese Arbeit insofern relevant, als dass es veranschaulicht, dass eine Beeinflussung des Konsumenten durch Werbung auch bei geringer Aufmerksamkeit stattfinden kann.
188
Für eine detaillierte Beschreibung der verschiedenen Wirkungsverläufe, siehe Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 614.
65
4.3.4 Stufenmodelle mit dualen Prozessen
Das Elaboration-Likelihood-Modell (ELM-Modell) von Petty/Cacioppo (1983) zeigt, wie Rezipienten persuasive Kommunikation, wie beispielsweise Werbung, verarbeiten und wie dabei Einstellungsänderungen entstehen. Die Motivationen und Fähigkeiten bestimmen dabei die Auseinandersetzung sowie das Nachdenken (Elaboration) über Kommunikationsinhalte.
Dabei werden zwei verschiedene Wege postuliert, daher auch der Ausdruck „duale Prozesse“, die Einstellungsveränderungen bewirken können:
x
Zentraler Weg: Die Einstellungsveränderung erfolgt aufgrund der Güte der präsentierten Kommunikationsargumente und der Überzeugungskraft der Information, nachdem sich der Rezipient intensiv damit auseinandergesetzt hat (hohes Involvement).
x
Peripherer Weg: Eine Einstellungsveränderung erfolgt durch Reize (wie beispielsweise Attraktivität des Kommunikators oder Musik im Hintergrund), die in einer Koppelung mit positiven Gefühlen resultieren kann. Die Motivation oder die Fähigkeiten der Informationsverarbeitung sind dabei reduziert (tiefes Involvement).
Gemäss Chaiken/Trope (1999) liegt der Ursprung der Modelle der dualen Prozesse in der Unterscheidung zwischen automatisierten bzw. unbewussten und bewussten kognitiven Prozessen. Ein Individuum kann somit eine Werbebotschaft in Form eines Product Placements unterschiedlich verarbeiten, je nachdem wie hoch die Wahrscheinlichkeit der Elaboration ist. Wenn also ein Rezipient bezüglich der Verarbeitung einer Werbebotschaft motiviert und stark involviert ist, wird bei ihm der zentrale Weg aktiviert. Beim peripheren Weg hingegen, wenn Individuen weniger involviert sind, werden eher periphere Reize einer Werbebotschaft wie beispielsweise die Musik im Hintergrund verarbeitet.
Batra/Ray (1985) haben ein alternatives Modell zum ELM von Petty/Cacioppo (1983) formuliert. Sie gehen dabei davon aus, dass sich Einstellungen von Rezipienten auch aufgrund von so genannten „hedonischen“ Effekten verändern können, die nicht nur auf der Basis einer kognitiven Evaluation von physischen Produktattributen geschieht. Mit diesem Modell wird die Multidimensionalität des Rezipientenverhaltens hervorgehoben, denn Einstellungen können auf verschiedene Arten entstehen. Batra/Ray (1985) benützen in diesem Zusammenhang die Ausdrücke „hedonisch“ versus „utilitaristisch“. Dementsprechend besagt ihr Modell, dass
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die Messung von Einstellungen mittels hedonischer als auch utilitaristischer Konstrukte erhoben werden sollten anstatt nur auf die Elaboration zu achten.
4.3.5 Einfluss von Kontrollvariablen auf die Informationsverarbeitung und das Rezipientenverhalten
In der Psychologie wird im Rahmen der Informationsverarbeitung generell zwischen so genannten Bottom-Up- und Top-Down-Prozessen unterschieden. Bei Bottom-Up-Prozessen werden sensorische Informationen vom Rezipienten wahrgenommen und registriert. BottomUp-Prozesse übermitteln entsprechend Informationen über einen Stimulus wie z. B. Farben oder Formen eines bestimmten Objekts. So können beispielsweise formal verschieden gestaltete Product Placements unterschiedlich wahrgenommen und kognitiv verarbeitet werden. Top-Down-Prozesse erlauben es Individuen, bereits existierende Informationen über einen Stimulus in die kognitive Verarbeitung einfliessen zu lassen189. Im Rahmen der Werbewirkungsforschung spricht man in diesem Zusammenhang auch von Kontrollvariablen, moderierenden190 oder intervenierenden191 Variablen, Antecedents192 oder individuellen Zustandsmerkmalen von Zielpersonen193. Diese sind bei der Informationsverarbeitung deshalb wichtig, da sie auf die Bottom-Up-Prozesse einwirken können194 und somit die Wirkung eines Stimulus auf einen Rezipienten signifikant beeinflussen können. Sie werden entsprechend in ein Modell aufgenommen um zu überprüfen, ob ein weiteres, dem vermuteten Zusammenhang vorgelagertes Konstrukt die Beziehung zwischen der abhängigen und unabhängigen Variable beeinflusst. Deshalb müssen auch im Rahmen der Wirkungsmessung von Product Placement Kontrollvariablen von solchen Top-Down-Prozessen beachtet werden.
In den folgenden drei Abschnitten werden kurz zwei wichtige psychologische Zustandsmerkmale beschrieben, die die Top-Down Prozesse aktivieren und den Wirkungsprozess von Product Placement entsprechend entscheidend beeinflussen können.
189
Vgl. Gray (1994), S. 288; Yantis (2000), S. 93 ff. Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 417. 191 Vgl. Leeflang et al. (2000), S. 42. 192 Vgl. MacInnis/Jaworski (1989), S. 3. Im angelsächsischen Fachjargon wird oftmals der Begriff „Antecedents“ benützt. Die deutsche Übersetzung für diesen Terminus ist das aus dem Lateinischen abgeleitete Wort „Antezedenz“, das als Grund oder Vorangeganges zu verstehen ist. 193 Vgl. Balasubramanian/Karrh/Patwardhan (2006), S. 117; Mayer/Illmann (2000), S. 611. 194 Vgl. Gray (1994), S. 288. 190
67
4.3.5.1 Involvement Involvement stellt in der Werbewirkungsforschung kein für sich stehendes Modell dar. Es handelt sich dabei eher um ein Konstrukt, das in Modelle integriert wird, um verschiedene Informationsverarbeitungsprozesse beim Rezipienten zu charakterisieren. Dem InvolvementKonstrukt wurde in der Werbewirkungsforschung in den letzten drei Jahrzehnten viel Beachtung geschenkt. „Involvement kann als eine Variable verstanden werden, die dazu beitragen kann, zu erklären, wie Konsumenten Informationen aus der Werbung verarbeiten und wie diese Informationen das Rezipientenverhalten beeinflussen.“195 Mitchell (1979) definiert Involvement als „an individual level, internal state variable whose motivational properties are evoked by a particular stimulus or situation“196. Obwohl es nach Zaichkowsky (1986) noch keine allgemein gültige Definition von Involvement gibt, hat er festgestellt, dass Involvement in der wissenschaftlichen Literatur häufig mit persönlicher Relevanz in Verbindung gebracht wird. Bruhn (2003) versteht unter dem Konstrukt Involvement „die innere Beteiligung bzw. das Engagement […], mit dem sich ein Individuum einem Objekt zuwendet.“197 Allerdings herrscht in der wissenschaftlichen Community noch Uneinigkeit bezüglich der Konzeptualisierung und der Messung von Involvement. In dieser Arbeit soll das Konzept des „Involvement als Stimulus Salience“ verwendet werden, d. h. Involvement wird hier als persönlich empfundene Wichtigkeit eines Objekts bzw. eines Sachverhalts interpretiert198.
Die Motivation von Rezipienten zur Elaboration in Bezug auf einen bestimmten Kommunikationsinhalt kann somit zu einem grossen Teil durch das Involvement beeinflusst werden, insbesondere wenn ein Thema oder ein Objekt für einen Probanden persönlich relevant ist.
4.3.5.2 Träger von Product Placement
Eine weitere wichtige Variable im Kommunikationsprozess kann der Träger bzw. das Medium sein, mit dem eine Werbebotschaft überbracht wird. Product Placements beispielsweise werden indirekt mittels eines audiovisuellen Mediums übermittelt199. Im Bereich der medienwissenschaftlichen Forschung wurde nachgewiesen, dass regelmässige Zuschauer von Fernsehsendungen sich oft sehr stark mit deren Handlung identifizieren und so zu treuen Zuschau195
Belch/Belch (1998), S. 155. Mitchell (1979), S. 195. 197 Bruhn (2003), S. 358. 198 Vgl. Schenk (2002), S. 265 ff. 199 Siehe dazu auch Kapitel 2.1.3. 196
68
ern werden200. Massenmedien spielen hiermit bei der persönlichen Entwicklung von Individuen und bei der Sozialisierung eine nicht zu unterschätzende Rolle201: Es kann bei Rezipienten zudem soweit kommen, dass sie die Handlung in einer Sendung als Lebensstil anderer Leute wahrnehmen202. So orientieren sich die Leute beispielsweise auch an Musikvideos, um Trends zu verfolgen203. Fernsehen kann somit kulturelle Werte beeinflussen oder sogar bis zu einem gewissen Grad erzeugen204. Entsprechend kann auch davon ausgegangen werden, dass der individuelle Bekanntheitsgrad bzw. die Vertrautheit bezüglich eines Trägers den Informationsverarbeitungsprozess im Rahmen von Placement-Massnahmen beeinflussen kann.
4.3.6 Integrierte Modelle der Werbewirkung
Die in Kapitel 4 bisher erläuterten theoretischen Erklärungsansätze geben einen Überblick über mögliche Wirkungsmechanismen von Kommunikationsmassnahmen auf das Rezipientenverhalten. Allerdings kann es, je nach Problemstellung bzw. Untersuchungsgegenstand, durchaus sein, dass das Rezipientenverhalten durch keinen der oben genannten theoretischen Erklärungsansätze adäquat erklärt werden kann, da es möglich ist, dass gewisse Elemente fehlen. Aus diesem Grund wurden verschiedene integrierte Werbewirkungsmodelle entwickelt, die unterschiedliche theoretische Ansätze miteinander vereinen. Smith/Swinyard (1982) haben beispielsweise ein Werbewirkungsmodell entwickelt, das sowohl Konzepte der klassischen Stufenmodelle, als auch der Geringes-Involvement-Hierarchien beinhaltet. Dieses Modell sieht sechs verschiedene mögliche Pfade in Bezug auf das Antwortverhalten von Rezipienten vor205.
MacInnis/Jaworski (1989) haben einen integrierten Bezugsrahmen für die Informationsverarbeitung in Bezug auf die Werbewirkung erarbeitet. Dieser umfasst verschiedene theoretische Ansätze bezüglich der Informationsverarbeitung und des daraus resultierenden Rezipientenverhaltens im Rahmen von Werbung. Das Modell ist im Rahmen dieser Arbeit insbesondere relevant, als es versucht, Mechanismen der Informationsverarbeitung im Hinblick auf potentielle Veränderungen der Einstellungen bezüglich einer Marke genauer zu erklären.
200
Vgl. Diener (1993), S. 253 ff. Vgl. Englis/Solomon/Olofsson (1993), S. 22. 202 Vgl. Englis/Solomon/Olofsson (1993), S. 22. 203 Vgl. Diener (1993), S. 253. 204 Vgl. Gerbner et al. (1984), S. 293. 205 Es soll im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter auf diese Pfade eingegangen werden. Für weitere Details, siehe Smith/Swinyard (1982). 201
69
Allerdings gibt es noch kein umfassendes Modell, das auch automatisierte kognitive Prozesse, die die Informationsverarbeitung und das Rezipientenverhalten beeinflussen können, berücksichtigt. Deshalb soll im folgenden Kapitel auf diese Erklärungsansätze eingegangen werden.
4.3.7 Ansätze zur Erklärung von automatischer bzw. unbewusster Informationsverarbeitung
Die Forschung innerhalb der kognitiven Psychologie hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten wieder intensiv mit dem behavioristischen Ansatz, dass eine Verhaltensänderung von Menschen direkt durch einen Stimulus hervorgerufen werden kann (das S-R Paradigma), auseinandergesetzt. Allerdings werden im Vergleich zum behavioristischen Ansatz interne psychologische Prozesse zur Erklärung der Wirkungszusammenhänge beigezogen. Obwohl dieser Forschungsstrang ähnliche Ziele wie jener der Behavoristen verfolgt, nämlich die Berücksichtigung von Prozessen höherer Ordnung (higher order processes) ohne Bezugnahme auf bewusstes Verhalten, ist dieser Strang keine Renaissance des Gewohnheitskonzepts oder der S-R Psychologie206. Generell aber haben sowohl behavioristische als auch kognitive Ansätze gezeigt, dass mentale und Verhaltens-Prozesse ohne bewusste Überlegungen und Wahlverhalten ablaufen können207. Hasher/Zacks (1979) haben automatische mentale Prozesse daher als mühelos, unbewusst und ungewollt definiert.
Wie bereits weiter oben erwähnt, bildet die Unterscheidung zwischen automatisierten bzw. unbewussten und bewussten kognitiven Prozessen den Ursprung der Modelle der so genannten dualen Prozesse: Dabei geht man von der Annahme aus, dass Absichtlichkeit dem Bewussten zugeordnet werden kann und ein Mangel an bewusstem Involvement in einem Prozess unterstellt, dass dieser nicht gewollt war208. Eine weitere, in der psychologischen Literatur häufig anzutreffende Unterscheidung ist jene der präattentiven und attentiven Prozesse. Präattentive Prozesse geschehen innerhalb von Sekundenbruchteilen automatisch ohne die Einwirkung des Bewusstseins, laufen oftmals parallel ab und können mehrere Stimuli gleichzeitig verarbeiten. Attentive Prozesse verlaufen im Gegensatz dazu mit einem höheren geistigen Aufwand, laufen in Serien ab und können meist nur wenige Stimuli gleichzeitig verarbeiten209. Eine Person kann beispielsweise eine Werbebotschaft beiläufig wahrnehmen, d. h. oh-
206
Vgl. Bargh/Ferguson (2000), S. 928. Vgl. Bargh/Ferguson (2000), S. 925. 208 Vgl. Bargh/Ferguson (2000), S. 926. 209 Vgl. Gray (1994), S. 324. 207
70
ne gerichtete Aufmerksamkeit. Dies könnte zu einer unbewussten mentalen Darstellung eines Markennamens führen und eine spätere Wahrnehmung des Markennamens erleichtern210.
In den folgenden drei Abschnitten werden nun einige Ansätze erläutert, die die Wirkung automatisierter Prozesse auf das Rezipientenverhalten beschreiben. Diese sind für die Erklärung der Wirkung von Product Placement insofern relevant, als dass Rezipienten mit Markenprodukten in audiovisuellen Medien offensichtlich konfrontiert werden, ihnen allerdings nicht bewusst ist, dass eine Beeinflussung stattfindet. Bargh (2002) verwendet in diesem Zusammenhang unter anderem auch den Begriff „supraliminale Beeinflussung“, d. h. eine Beeinflussung an der oberen oder über der Schwelle des Bewusstseins, wodurch eine bewusste Wahrnehmung eines Stimulus möglich wird. Die Präsentation eines Reizes gibt dabei Rezipienten generell die Möglichkeit, eine Werbebotschaft durch aufmerksames Verhalten bewusst aufzunehmen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Stimulus bewusst kognitiv verarbeitet wird211.
4.3.7.1 Priming-Theorie
In der Psychologie versteht man unter Priming die Aktivierung von Konzepten oder Zusammenhängen im Gedächtnis bevor eine Handlung ausgeführt wird. Gemäss der Priming Theorie kann so ein zuvor präsentierter Stimulus ein Konzept im Gedächtnis aktivieren und es so besser verfügbar machen212. Das neuropsycholgische Verständnis veranschaulicht das Konzept des Priming am besten. Neuronen werden dabei als kleine Informationsspeicher verstanden und sind in verschiedenen Cluster gruppiert. Wenn ein solcher Cluster aktiviert wird, beispielsweise durch den Input von sensorischen Neuronen, werden benachbarte Cluster, die aufgrund ähnlicher Informationen eher miteinander verbunden sind, ebenfalls angeregt. So werden diese Cluster im Gedächtnis besser verfügbar.
Im Bereich der kognitiven Psychologie und der Konsumentenverhaltensforschung wird Priming als eine Art des impliziten Gedächtnisses verstanden213 und kann als „Aktivierung eines oder mehrerer Gedächtnisse mittels eines Stimulus (der Priming-Stimulus)“214 definiert wer-
210
Vgl. Janiszewski (1993), S. 390. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei einer subliminalen Beeinflussung um eine Beeinflussung unter der Wahrnehmungsschwelle, so dass Individuen einen Stimulus nicht bewusst wahrnehmen können. 212 Vgl. Gray (1994), S. 361. 213 Vgl. Lee (2002), S. 441. 214 Gray (1994), S. 361. 211
71
den. Diese Aktivierung geschieht jedoch nicht bewusst und kann eine nachfolgende bewusste Wahrnehmung und Gedanken beeinflussen, denn die mentale Verfügbarkeit von gewissen Informationen wird gesteigert. Indem Zuschauer mit spezifischen Bildern oder Wörtern während einer Werbebotschaft „geprimt“ werden, kann die Wahrscheinlichkeit gesteigert werden, dass Gedanken mit ähnlichem Sinngehalt aktiviert werden. Die aktivierten Gedanken können nach dem Priming entsprechend schneller abgerufen werden.
4.3.7.2 Mere Exposure Effekt
Mittels des Mere Exposure Effekt kann man die Werbewirkung auf den Rezipienten bei reduzierter Aufmerksamkeit und wiederholtem Kontakt mit dem Stimulus erklären. Zuschauer können beispielsweise ein Markenprodukt in einer Sendung wahrnehmen und sich anschliessend nicht bewusst daran erinnern, dass dieses in der Sendung vorkam. Der Konsument lernt in diesem Fall zwar nichts über die „objektiven“ Eigenschaften des Produkts, allerdings kann sich dadurch die Einstellung zu einer gezeigten Marke positiv verändern. Zajonc (1968) konnte anhand von Experimenten belegen, dass eine wiederholte, beiläufige Wahrnehmung von einem Stimulus eine verbesserte Einstellung gegenüber diesem hervorrufen kann. Eine positive Einstellungsänderung beim Rezipienten kann somit erreicht werden, indem dieser einem Stimulus wiederholt ausgesetzt wird. Beim Mere Exposure Effekt wird eine vereinfachte Verarbeitung eines Stimulus durch den Konsumenten (z. B. Markendarstellung) fälschlicherweise den positiven Eigenschaften vom Stimulus zugeordnet.
Dieser Erklärungsansatz ist für den Themenbereich Product Placement insofern relevant, als dass Markenprodukte in audiovisuellen Medien oft nur unbewusst oder peripher wahrgenommen und verarbeitet werden. Somit kann die Einstellung oder das Kaufverhalten eines Konsumenten bezüglich eines Markenprodukts unbewusst beeinflusst werden. Zur Überprüfung der Wirkung reicht es somit nicht aus, ausschliesslich die bewusste Erinnerungsleistung von Rezipienten für deren Messung anzuwenden, denn die affektiven und konativen Ebenen der Konsumenten werden offensichtlich in entscheidendem Masse von unbewussten Prozessen beeinflusst215.
215
72
Vgl. Bargh (2002), S. 281 ff.
4.3.7.3 Processing Fluency Modell
Das Processing Fluency Modell kann zur Erklärung des „Mere Exposure Effekts“ herangezogen werden216. Dieses besagt, dass der “Mere Exposure Effekt” das Ergebnis einer kognitiven Informationsverarbeitung ist, das auf impliziten Gedächtniseffekten, nämlich der impliziten Erinnerung, basiert. Dieses Modell beschreibt, dass ein Kontakt mit einem Stimulus die Leichtigkeit erhöht, mit der Personen Informationen bezüglich eines gleichen oder ähnlichen Stimulus zu einem späteren Zeitpunkt wahrnehmen, verschlüsseln und verarbeiten217. Diese Leichtigkeit wiederum führt zu einer höheren Präferenz hinsichtlich des Stimulus218. Dieses Modell wird in der Konsumentenverhaltensforschung immer häufiger als theoretische Grundlage zur Erklärung verschiedener Phänomene herangezogen219 und spielt in der Beschreibung des Mere Exposure Effekts220 eine zentrale Rolle.
Generell wird im Processing Fluency Modell zwischen perzeptueller Geläufigkeit (Perceptual Fluency) und konzeptueller Geläufigkeit (Conceptual Fluency) unterschieden. Die perzeptuelle Geläufigkeit umfasst die erhöhte Verfügbarkeit physischer Eigenschaften eines zuvor wahrgenommenen Stimulus (Reiz) im Gedächtnis bei wiederholten Kontakten mit diesem221. Dies geschieht dadurch, dass eine Art Wiedererkennungseffekt auftritt, der die Wahrnehmung und die Verarbeitung des Stimulus im Gedächtnis begünstigt. Je mehr der Reiz in seiner Modalität und physischen Form über die Zeit konsistent ist, umso stärker ist die perzeptuelle Geläufigkeit. Letztere kann folglich durch Veränderungen der physischen Präsentationsform beeinträchtigt werden.
Wenn einem Individuum ein Stimulus aufgrund der semantischen Verknüpfung seines Sinngehaltes im Gedächtnis unmittelbar verfügbar ist, spricht man von konzeptueller Geläufigkeit222. Diese erhöhte Verfügbarkeit kann ebenfalls zu einer positiveren Einstellung gegenüber einem Stimulus führen. Lee/Labroo (2004) haben beispielsweise in ihrer Studie belegt, dass konzeptuell geläufige Markenprodukte im Vergleich zu anderen Markenprodukten positiver bewertet werden. Die konzeptuelle Geläufigkeit ist im Vergleich mit der perzeptuellen 216
Vgl. Janiszewski/Meyvis (2001), S. 19. Vgl. Seamon et al. (1995), S. 719. 218 Vgl. Nordhielm (2002), S. 373. 219 Vgl. Janiszewski/Meyvis (2001); Lee (2004); Lee/Labroo (2004); Mishra/Mishra/Nayakankuppam (2006); Petrova/Cialdini (2005); Schwarz (2004); Shapiro (1999). 220 Siehe dazu auch Kapitel 4.3.7.2. 221 Vgl. Lee/Labroo (2004), S. 151. 222 Vgl. Lee/Labroo (2004), S. 151; Tversky/Kahnemann (1973), S. 208. 217
73
Geläufigkeit gegenüber Veränderungen der physischen Präsentationsform robust, jedoch abhängig vom Sinngehalt des Stimulus223. Je stärker dieser Sinngehalt ist, umso grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieser mit anderen Informationen semantisch verknüpft wird. Die konzeptuelle Geläufigkeit ist von der Intensität der Informationsverarbeitung während des Kontaktes mit dem Stimulus abhängig. Sie kann zudem aufgrund der Verfügbarkeit im Gedächtnis eines Stimulus dessen Zugehörigkeit zum Consideration-Set und entsprechend gedächtnisbasiertes Wahlverhalten fördern224.
Die perzeptuelle und konzeptuelle Geläufigkeit können unter Umständen zwar gleichzeitig gesteigert werden, sind jedoch stochastisch unabhängig voneinander225. Ein Markenname kann sowohl konzeptuell wie auch perzeptuell verfügbar und im Gedächtnis geläufig (fluent) sein, wobei konzeptuelles und perzeptuelles Priming die Steigerung der Verfügbarkeit in den beiden Gedächtnisarten widerspiegeln226.
4.3.7.4 Zusammenhang zwischen den verschiedenen Ansätzen zur Erklärung von automatischen bzw. unbewussten Informationsverarbeitungsprozessen
Aus den weiter oben notierten theoretischen Auslegungen lässt sich erkennen, dass die verschiedenen Ansätze miteinander verknüpft sind. Der Zusammenhang zwischen den verschiedenen theoretischen Ansätzen zur Erklärung von automatischen bzw. unbewussten Informationsverarbeitung wird in Abbildung 10 dargestellt.
Abbildung 10: Zusammenhang zwischen Priming, Processing Fluency, Mere Exposure Effekt und der Einstellung gegenüber einem Stimulus (Mehrfache) Präsentation Stimulus
+
Priming
+
Processing Fluency
Mere Exposure Effekt
223
Vgl. Hamman (1990), S. 971. Vgl. Lee (2002), S. 447; Shapiro/MacInnis/Heckler (1997), S. 98 ff. 225 Vgl. Cabeza/Ohta (1993), S. 48 ff. 226 Vgl. Lee (2002), S. 443; Reber/Schwarz/Winkielmann (2004), S. 364. 224
74
+
Einstellung gegenüber Stimulus
+
Kommt ein Proband bei reduzierter Aufmerksamkeit mit einem Stimulus in Kontakt, so wird das entsprechende Konzept im Gedächtnis aktiviert und wird so besser verfügbar; es entsteht somit ein Priming-Effekt. Wird der Stimulus zu einem späteren Zeitpunkt wieder präsentiert, ist dieser im Gedächtnis aufgrund des Priming-Effekts besser verfügbar, was zu einer erhöhten Geläufigkeit führt, die wiederum eine positivere Einstellung gegenüber diesem mit sich bringt. Im Vergleich dazu, erwägt der Mere Exposure Effekt einen direkten Zusammenhang zwischen wiederholtem Kontakt mit dem Stimulus und der daraus resultierenden, positiveren Einstellung.
4.4 Unterscheidung zwischen impliziten und expliziten Messansätzen in der Konsumentenverhaltensforschung
Forscher haben in den letzten Jahrzehnten herausgefunden, dass das explizite Gedächtnis nur ein kleiner Teil unseres Gedächtnisses ist, der unser tägliches Handeln bestimmt und somit nur den bewussten Anteil unseres Wissens darstellt. Das explizite Gedächtnis bestimmt somit das bewusste Denken227. Der weitaus grössere Teil unseres Wissens liegt jedoch im Bereich des impliziten Gedächtnisses228. Das Gedächtnis kann somit auch nach Inhalten anstelle von zeitabhängigen Strukturen wie zum Beispiel dem Kurz- und Langzeitgedächtnis unterteilt werden229.
Wenn Individuen ein Ereignis erleben, kann dieses verschiedenartig verarbeitet und im Gedächtnis gespeichert werden. Aus folgenden Gründen sollten, komplementär zu den expliziten Messansätzen, neue zusätzliche Messansätze herangezogen werden, die darauf abzielen, anders gespeicherte Informationen erfassen zu können:
x
die explizite Erinnerung ist an das bewusste Abrufen von Informationen aus dem Gedächtnis gebunden;
x
explizite Messansätze können nur bewusst gespeicherte Informationen abrufen;
x
Individuen müssen die Fähigkeiten haben, Informationen abzurufen;
x
Individuen müssen stark in eine Aufgabe involviert sein.
227
Vgl. Gray (1994), S. 358. Vgl. Graf/Masson (1993), S. 8. 229 Vgl. Gray (1994), S. S. 359. 228
75
Theorien der impliziten Erinnerung besagen, dass eine Person unbewusst gespeicherte Informationen abrufen kann, die vorher wahrgenommen wurden230. Graf/Schacter (1985) benützen den Ausdruck des impliziten Gedächtnisses um Situationen zu beschreiben, bei denen ein vorangehendes Ereignis die Ausführung einer Aufgabe vereinfacht, wobei sich das Individuum an das vorangegangene Ereignis nicht bewusst erinnern muss.
In den letzten beiden Jahrzehnten wurden auch in der Marktforschung vermehrt implizite Messansätze verwendet, denn diese berücksichtigen im Gedächtnis nicht bewusst gespeicherte Informationen, die die Einstellungen oder das Verhalten von Konsumenten beeinflussen können. So haben beispielsweise die Messung von impliziter Erinnerung oder so genannte Implicit Association Tests in den letzten Jahren an Wichtigkeit gewonnen.231
Generell wird zwischen impliziten Messansätzen unterschieden, die entweder die implizite Erinnerung eines Konzepts oder den Zusammenhang im Gedächtnis zwischen verschiedenen Konzepten untersuchen232. In vorliegender Arbeit interessieren insbesondere die unbewusst verarbeiteten Informationen, die von Rezipienten implizit im Gedächtnis gespeichert werden. Allerdings soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass es inzwischen eine Vielzahl an impliziten Messansätzen gibt, die man, je nach Problemstellung, im Marketing bzw. in der Konsumentenverhaltensforschung einsetzen kann233. So werden in vorliegender Arbeit beispielsweise Testverfahren angewendet, die die implizite Erinnerung und somit die Processing Fluency von wahrgenommenen Marken nachweisen sollen.
Ein wichtiger Aspekt bei der Unterscheidung zwischen expliziten und impliziten Messansätzen ist deshalb die Absicht des Individuums: Bei expliziten Messansätzen, wie beispielsweise der ungestützten Erinnerung oder Wiedererkennung, bemüht sich eine Person, sich bewusst an ein vorangeganges Ereignis zu erinnern. Um dieses Ziel zu erreichen, kann sie verschiedene Strategien und vorhandene Hinweise benützen. Häufig benutzte Instrumente zur Messung von expliziter Erinnerung sind ungestützte Erinnerung, gestützte Erinnerung sowie Wiedererkennung234. Die explizite Erinnerung ist durch die bewusste Erinnerung an ein Ereignis, und was eine Person von diesem Ereignis erinnern kann, gekennzeichnet. Konkret werden Probanden meist gefragt, an welche Vorkommnisse bezüglich eines Ereignisses sie sich erinnern 230
Vgl. Bargh (2002), S. 280 ff; Shapiro/Krishnan (2001) S. 2 ff; Trendel/Warlop (2005), S. 5 ff. Vgl. Fazio/Olson (2003); Trendel/Warlop (2005). 232 Vgl. Trendel/Warlop (2005), S. 5. 233 Vgl. Trendel/Warlop (2005). 234 Vgl. Krishnan/Chakravarti (1999), S. 3 ff. 231
76
können235. Shapiro/Krishnan (2001) haben in ihrer Studie gezeigt, dass die Messung der Werbewirkung mittels impliziter und expliziter Messansätze stochastisch unabhängige Ergebnisse ergeben kann.
Bei der Messung des impliziten Gedächtnisses, wie beispielsweise Wortergänzungs- oder Wortstammvervollständigungstests, deckt sich ein vorangegangenes Ereignis mit der gegenwärtigen Situation bezüglich verschiedener Gegebenheiten und erleichtert somit die Informationsverarbeitung. Gemäss dem Processing Fluency Modell sollte ein Ereignis geprimt werden bzw. diesbezügliche Informationen im Gedächtnis besser und schneller verfügbar sein, auch wenn die Individuen nicht versuchen, sich an vergangene Ereignisse zu erinnern. Bei einer impliziten Gedächtnisabfrage werden somit enkodierte Informationen ohne eine bewusste Bezugnahme auf ein Ereignis reproduziert236. Bei einer direkten Suche können Spuren der Erinnerung zu wenig stark sein, so dass die Informationen bewusst aus dem Gedächtnis abrufbar sind237. Allerdings können Spuren eines Ereignisses im Gedächtnis einer Person aufgrund der Verbesserung bei der Ausführung einer nachfolgenden Aufgabe nachgewiesen werden, auch wenn dieser nicht bewusst ist, dass sie einer bestimmten Information ausgesetzt wurde238.
Graf/Schacter (1985) bezeichnen das Abrufen von Informationen, die im Gedächtnis gespeichert sind, bei Aufgabenstellungen, die eine bewusste Erinnerung nicht ausdrücklich verlangen, als Priming-Effekt, der die implizite Erinnerung widerspiegelt. Dabei handelt es sich genauer um überschwelliges bzw. supraliminales Priming, denn der Stimulus wird vom Probanden bewusst wahrgenommen, allerdings können sowohl automatische bzw. unbewusste als auch strategische Prozesse an der Stimulusverarbeitung beteiligt sein239. Kriterien der expliziten Erinnerung sind für die Messung der impliziten Erinnerung nicht angebracht, da nachgewiesen werden konnte, dass diese Konstrukte unterschiedlich und unabhängig voneinander sind240.
In der Literatur zum impliziten Gedächtnis im Bereich der Konsumentenverhaltensforschung wird weiter zwischen dem so genannten perzeptuellen Priming und dem konzeptuellen Pri-
235
Vgl. Lee (2002), S. 441. Vgl. Fazio/Olsen (2003), S: 30 5ff. 237 Vgl. Shapiro/MacInnis/Heckler (1997), S. 94. 238 Vgl. Trendel/Warlop (2005), S. 3 ff. 239 Vgl. Jacoby (1991), S. 515 ff. 240 Vgl. Lee (2002), S. 441. 236
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ming unterschieden, die von perzeptuellen respektive konzeptuellen Prozessen beeinflusst werden. McDermott/Roediger (1994) wiesen in ihrer Untersuchung nach, dass ein „ImageryEffekt“241 nur für bildliche Stimuli erfolgt242. Perzeptuelles Priming geschieht somit auf einer pre-semantischen Stufe sobald perzeptuelle bzw. physische Eigenschaften eines Stimulus aktiviert werden und so die perzeptuelle Geläufigkeit erhöht wird243. Die damit verbundene implizite Erinnerung kann nachgewiesen werden, wenn ein Proband eine Verbesserung bei der Ausführung einer nachfolgenden Aufgabe stattfindet244. Dieser Sachverhalt setzt nicht zwingend eine bewusste Informationsverarbeitung voraus.
Konzeptuelles Priming beeinflusst das semantische Gedächtnis und widerspiegelt das gesteigerte Erinnerungsvermögen für konzeptuell vertraute Informationen. Das semantische Gedächtnis stellt dabei das vorhandene Wissen bezüglich der Sprache und anderen konzeptuellen Informationen dar245. Wie bei der perzeptuellen Geläufigkeit wird das Erinnerungsvermögen für ein Ereignis ersichtlich, wenn beim Proband eine Verbesserung bei der Ausführung einer nachfolgenden Aufgabe stattfindet.
Verschiedene Studien verweisen denn auch auf die Wichtigkeit der Verwendung von impliziten Messansätzen, um die Werbewirkung zu messen246. Im Rahmen dieser Arbeit interessiert insbesondere, inwiefern Product Placement bewusste und unbewusste kognitive Prozesse aktiviert und wie diese zu einer Speicherung von Informationen bezüglich Markenprodukten im Gedächtnis führen. Ferner wird untersucht, durch welche Variablen diese Prozesse beeinflusst werden und wie diese auf die Einstellung in Bezug auf Markenprodukte wirken. Somit sollen im Rahmen dieser Arbeit sowohl Messansätze der expliziten wie auch der impliziten Erinnerung verwendet werden.
241
Damit ist das perzeptuelle Priming von Bildmaterial gemeint. Vgl. McDermott/Roediger (1994), S. 1382. 243 Vgl. Jacoby/Dallas (1981), S. 331. 244 Vgl. Lee (2002), S. 441. 245 Vgl. Lee (2002), S. 441. 246 Vgl. Bargh (2002); Coates/Butler/Berry (2004); Lee (2002); Mitchell (2004); Russell (2002); Shapiro/Krishnan (2001); Trendel/Warlop (2005); Wänke/Plessner/Gärtner (2002). 242
78
5 Wissenschaftliche Fragestellungen zur Gestaltung von Placement-Massnahmen sowie Generierung forschungsleitender Hypothesen Marketing-Manager interessiert unter anderem, wie Kaufentscheidungsprozesse erklärt und wie diese mit Kommunikationsinstrumenten optimal beeinflusst werden können. Je nachdem um welche Produktkategorie es sich handelt, sind damit extensive Kaufentscheidungen verbunden, d. h. der Konsument informiert sich eingehend und nimmt sich somit bei der Entscheidung, welche Marke zu kaufen, verhältnismässig viel Zeit247. Dabei werden in erster Linie Informationen bei der Evaluation eines Produkts verwendet, die im expliziten Gedächtnis gespeichert sind248. Bei anderen Produktkategorien hingegen werden beim Kaufentscheidungsprozess häufig auch unbewusst gespeicherte Informationen aus dem impliziten Gedächtnis abgerufen. Dabei handelt es sich eher um impulsive Kaufentscheidungen wie dies beispielsweise bei preisgünstigeren Konsumgütern der Fall ist. Bei dieser Situationskonstellation sind implizite Messverfahren sinnvoller, um die Wirkung von Product Placement auf das Konsumentenverhalten zu messen, denn nur so kann gezeigt werden, welche unbewussten kognitiven Prozesse das Konsumentenverhalten beeinflussen.
Product Placements setzen sich hauptsächlich aus zwei formalen Gestaltungsvariablen zusammen, nämlich der Modalität und der Plot Connection249. Meist entscheidet die Produktionsfirma bzw. der Regisseur in Absprache mit dem Marketing-Manager von Unternehmen, die ihre Markenprodukte im entsprechenden Träger platzieren, in welcher Form die Placements diesbezüglich ausgestaltet werden sollen. Bei Ausstrahlung der Sendung werden die entsprechenden Markenprodukte sensorisch von den Zuschauern wahrgenommen, d. h. es werden so genannte Bottom-Up-Prozesse250 aktiviert. Formal unterschiedlich gestaltete Product Placements können dabei verschiedenartig von Rezipienten wahrgenommen und kognitiv verarbeitet werden. Die Informationsverarbeitung kann zudem von Kontroll- oder Mediatorvariablen beeinflusst werden. So kann beispielsweise ein Mediationseffekt eine Art Mittlerposition in einer Wirkungsbeziehung zwischen einer Prädiktor- und einer Prognosevariable einnehmen251.
247
Vgl. Trommsdorff (2003), S. 292 ff. Vgl. Lynch/Marmorstein/Weigold (1988), S. 180. 249 Siehe dazu auch Kapitel 2.1.5. 250 Siehe dazu auch Kapitel 4.3.5. 251 Vgl. Baron/Kenny (1986), S. 1176; Müller (2006), S. 257. 248
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Rezipienten sind Product Placements ausgesetzt, wenn diese beispielsweise ein audiovisuelles Programm in den Massenmedien konsumieren. Dabei kann die Aufmerksamkeit der Rezipienten, und somit deren attentive Prozesse, auf das Verständnis der Handlung gerichtet sein. Parallel verlaufende, präattentive Prozesse können dann zusätzliche Informationen automatisch, also mit reduzierter Aufmerksamkeit bzw. ohne die Einwirkung des Bewusstseins, verarbeiten252. Solche Informationen können beispielsweise Werbebotschaften in Form von Product Placements sein. Daher erstaunt es nicht, dass sich Konsumenten oftmals nicht explizit an gezeigte Markenprodukte in Filmen erinnern können253. Somit kann es durchaus sein, dass parallel wahrgenommene Informationen in geringerem Ausmass verarbeitet und auf unterschiedliche Art und Weise im Gedächtnis gespeichert werden. Lewicki (1986) zeigte beispielsweise auf, dass Rezipienten Informationen im Langzeitgedächtnis unbewusst speichern, ohne dass diese sich bewusst sind, dass sie einem Stimulus ausgesetzt wurden.
Diese Prozesse können allerdings auch umgekehrt ablaufen, d. h. attentive Prozesse sind auf das Markenprodukt und präattentive Prozesse auf das Verständnis der Handlung gerichtet. Auch wenn Informationen bewusst verarbeitet werden, heisst dies noch nicht, dass die Wirkung der Verarbeitung bewusst geschieht254. Es ist also wichtig, zwischen verschiedenen Kriterien der Erinnerung zu unterscheiden, wenn man diese als Messvariable der Werbewirkung von Product Placement heranziehen will, da Ereignisse auf verschiedene Arten im Gedächtnis gespeichert werden. Des Weiteren interessiert Marketing-Manager, inwiefern explizit und implizit gespeicherte Informationen einer Marke die Einstellung bezüglich dieser beeinflusst, da die Einstellung eines Konsumenten potenziell einen Einfluss auf dessen Konsum- bzw. Kaufverhalten hat255.
252
Siehe dazu auch Kapitel 4.3.7. Vgl. Karrh (1998), S. 41. 254 Vgl. Bargh (2002), S. 281 ff. 255 Das entspricht der so genannten Einstellungs-Verhaltenshypothese; vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 172. 253
80
5.1 Überlegungen und Hypothesen zum Einfluss der formalen Ausgestaltungsvariablen von Product Placement auf die explizite Erinnerung
Da es zwischen dem Moment, an dem Rezipienten Product Placements ausgesetzt sind, und dem eigentlichen Kaufakt meist ein ausgedehntes Zeitintervall liegt, haben sowohl Praktiker wie auch Wissenschaftler Faktoren untersucht, die die Erinnerung von Konsumenten an Marken steigern. Diese Perspektive geht allerdings davon aus, dass die Konsumenten kognitive “Informationsspeicher” sind. Die Studie von Chattopadhyay/Alba (1988) hat beispielsweise gezeigt, dass es einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Erinnerung an eine Marke und dem anschliessendem Kaufverhalten gibt. Im Bereich der Werbewirkungsforschung wurde zudem nachgewiesen, dass wenn Konsumenten mit Marken konfrontiert werden, die Erinnerung an diese und auch die Wahrscheinlichkeit, dass die entsprechende Marke zum Consideration Set eines Konsumenten gehört256, gesteigert werden. Somit kann unter Umständen die Bereitschaft, ein bestimmtes Produkt zum Kaufzeitpunkt zu erwerben, gesteigert werden. Diese Überlegung scheint angebracht, wenn man bedenkt, dass Kommunikationsinstrumente oft dazu eingesetzt werden, um die Erinnerung an bekannte Marken zu erhöhen und die Zielgruppe daran zu erinnern, dass sie die gezeigten Marken kaufen sollen257.
In vorliegender Studie geht es in erster Linie darum, Faktoren zu ermitteln, die die Erinnerung an Marken steigern, die in Programminhalten platziert werden. In einer Fernsehsendung enthalten die verbal übermittelten Informationen den Handlungsinhalt und visuelle Informationen lassen den Rahmen der Handlung realistischer erscheinen. Dementsprechend sind verbale Informationen relevanter und meist auch anregender, was wiederum die Informationsspeicherung zu steigern vermag258. Denn konsumieren Rezipienten eine Sendung innerhalb der Massenmedien, sind diese mit einer primären Aufgabe beschäftigt, d. h. sie versuchen in erster Linie, den dramaturgischen Ablauf der Handlung zu verstehen. So muss der Zuschauer den Dialogen in einer Handlung folgen können, damit er den Inhalt überhaupt begreifen kann.
Olsen/Johnson (2002) haben gezeigt, dass im Hintergrund gesprochene Texte in der Werbung die Informationsverarbeitung im Gedächtnis im Rahmen einer zufälligen Lernaufgabe zu steigern vermögen.
256
Vgl. Lee (2002), S. 442; Shapiro/MacInnis/Heckler (1997), S. 102. Vgl. Belch/Belch (1998), S. 142. 258 Vgl. Lowrey/Shrum/Dubitsky (2003), S. 8. 257
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Zahlreiche Studien haben in verschiedenen Kontexten den Einfluss von Modalität auf die Wahrnehmung von Product Placement bereits untersucht259, deshalb sollen in dieser Studie auch die bereits vorher geprüften Hypothesen nach Möglichkeit unterstützt werden (konvergierende Validität). Die genannten früheren Arbeiten haben dabei unter anderem gezeigt, dass die verbale Präsentation eines Stimulus im Rahmen einer Placement-Massnahme relativ gesehen stärker auf das Erinnerungsvermögen von Probanden wirkt, als eine rein visuelle Präsentation eines Markenprodukts260. Russell (2002) nennt dieses Phänomen den verbalen Superioritätseffekt. Erstaunlich ist indes, dass dieses Ergebnis den Erkenntnissen aus der Psychologie und dem Konsumentenverhalten bezüglich des statischen Bildmaterials widerspricht, denn diese besagen, dass in diesem Kontext Bilder stärker wirken als abgebildete Wörter261. So kann die Wichtigkeit von visuellen und verbalen Informationen je nach Präsentationsform divergieren und hängt vom jeweiligen Medium und Format ab.
Es kann zusammenfassend festgehalten werden, dass verbal übermittelte Markeninformationen im Rahmen von Placement-Massnahmen besser im Gedächtnis gespeichert werden als visuelle Darstellungen von Markenprodukten. Dies ergibt folgende Hypothese:
H1: Plot Placements und Script Placements haben einen messbaren, positiven Einfluss auf die explizite Erinnerung der platzierten Marke. Dabei ist der Einfluss von Plot Placements stärker als derjenige von Script Placements (plot>script>screen).
Eine Marke kann innerhalb einer Handlung sowohl subtil wie auch im Mittelpunkt der Handlung platziert werden. Die so genannte Plot Connection definiert, wie stark die Marke in den Handlungsablauf integriert ist. Stimuli, die visuell zentraler im Handlungsablauf einer Sendung erscheinen, generieren mehr Aufmerksamkeit262. In audiovisuellen Medien werden in narrativen Strukturen primäre Informationen besser erinnert als sekundäre Informationen263. So wurde in verschiedenen Studien nachgewiesen, dass zentral platzierte Marken die Erinnerung an diese positiv beeinflussen264. Folglich ergibt sich folgende Hypothese:
259
Siehe dazu auch Kapitel 3. Vgl. Russell (2002), S. 308; Saberwahl/Pokrywczynicki/Griffin (1994), S. 16. 261 Vgl. Childers/Houston/Heckler (1985), S. 129; MacInnis/Price (1987), S. 474; Tscheulin/Helmig (1998), S. 40 ff. 262 Vgl. Russell (2002), S. 308. 263 Vgl. Roberts/Cowen/MacDonald (1996), S. 36. 264 Vgl. D’Astous/Chartier (2000); Fontaine (2002); Russell (2002). 260
82
H2: Eine hohe Plot Connection hat einen messbaren, positiven Einfluss auf die explizite Erinnerung einer platzierten Marke.
5.2 Überlegungen und Hypothesen zum Einfluss der formalen Ausgestaltungsvariablen von Product Placement auf die implizite Erinnerung
Wie bereits in der Problemstellung dieser Arbeit (Kapitel 1.1) erwähnt, würde die Verwendung nur eines einzigen Messkonstruktes beschränkte Erkenntnisse über die Wirkung von Product Placement geben. Explizite Messansätze wie beispielsweise die Erinnerung (Recall) oder die Wiedererkennung (Recognition) sind zwar sinnvoll, allerdings kann es durchaus sein, dass anders im Gedächtnis gespeicherte Information bezüglich eines Ereignisses damit nicht erfasst werden. Menschen verfügen über verschiedene Informationsverarbeitungsstrategien, die unter anderem auch automatische bzw. unbewusste Prozesse beinhalten. Diese erlauben es ihnen, zusätzliche Informationen aus der Umwelt zu verarbeiten, die mit dem eingeschränkten Filter des Bewusstseins nicht hätten verarbeitet werden können265. So können Spuren eines Ereignisses im Gedächtnis unter Umständen nicht stark genug sein, damit diese bewusst aus dem Gedächtnis abgerufen werden können266.
Täglich werden Konsumenten mit unzähligen Werbebotschaften konfrontiert. Solche und noch viele andere Stimuli werden oft nur beiläufig wahrgenommen, aber viele Leute sind sich nicht bewusst, dass eine Beeinflussung stattfinden kann267 oder sind davon überzeugt, dass sie solche Einflüsse kontrollieren268. Wilson/Brekke (1994) bezeichnen dieses Phänomen als “mentale Kontamination”; darunter verstehen sie „ungewollte Einstellungen, Emotionen oder Verhalten, die aufgrund unbewusster oder unkontrollierter mentaler Prozesse zustande kommen“269. Der Kontakt mit einem Markenprodukt in einer Fernsehsendung kann entweder gewollt oder unbeabsichtigt sein, wobei eine Informationsverarbeitung bewusst oder unbewusst ablaufen kann270. Der Kontakt mit einem Objekt erhöht somit die Fähigkeit, das gleiche Objekt bei einem späteren Kontakt zu verarbeiten. Gemäss der Priming-Theorie wird nämlich so die mentale Verfügbarkeit von gewissen Informationen gesteigert. So werden Zuschauer im
265
Vgl. Wilson/Brekke (1994), S. 126. Vgl. Shapiro/MacInnis/Heckler (1997), S. 94. 267 Vgl. Wilson/Brekke (1994), S. 125. 268 Vgl. Bargh (2002), S 280 ff. 269 Wilson/Brekke (1994), S. 117. 270 Vgl. Shapiro (1999), S. 16. 266
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Kontext von Product Placement mit Bildern oder Wörtern in Bezug auf eine Marke „geprimt“.
5.2.1 Hypothesen zum Einfluss der formalen Ausgestaltungsvariablen auf das perzeptuelle Priming
Die perzeptuelle Geläufigkeit bewirkt, dass ein Kontakt mit einem Stimulus zu einer Spur im Gedächtnis für die perzeptuellen Eigenschaften des Stimulus führt und diese Eigenschaften zu einem späteren Zeitpunkt einfacher verarbeitet werden können271. Eine Marke kann, wenn ein Konsument mit ihr konfrontiert wurde, für diesen schneller verfügbar und im Gedächtnis geläufiger (fluent) sein, wobei das Priming die erhöhte implizite Erinnerung widerspiegelt272. Die perzeptuelle Geläufigkeit scheint sich auch bei reduzierter Aufmerksamkeit oder bei geringem Nachdenken zu erhöhen273; sie basiert auf einem vorherigen Kontakt mit einem Stimulus, der ein anschliessendes Verarbeiten der physischen Eigenschaften erleichtert. Perzeptuelles Priming findet folglich auf einer pre-semantischen Stufe statt274. Dieser Effekt ist umso stärker, wenn die enkodierten physischen Eigenschaften des Stimulus bei der anfänglichen Präsentation mit denjenigen Eigenschaften übereinstimmen, die bei der zweiten Präsentation des Stimulus dargeboten werden275.
Die Erinnerung an ein Ereignis wird nachgewiesen, wenn bei einem Proband eine Verbesserung bei der Ausführung einer nachfolgenden Aufgabe stattfindet276. Somit kann davon ausgegangen werden, dass, wenn ein Proband ein Markenprodukt beiläufig visuell wahrnimmt, die Wahrscheinlichkeit steigt, dass dieses für ihn im Nachhinein perzeptuell geläufiger ist.
Obwohl gemäss der Transfer-Appropriate-Processing Theorie implizite Messverfahren sensitiv bezüglich der formalen Darstellung eines Stimulus sind, kann es durchaus zu Cross-Form Priming kommen277. Beim Cross-Form Priming ist das Format des Stimulus während der Experimentier- und der Testphase jeweils unterschiedlich278. So kann es beispielsweise sein, dass die Präsentation eines Bildes oder die verbale Erwähnung eines Wortes zu erhöhtem 271
Vgl. Shapiro (1999), S. 17; Tulving/Schacter (1990), S. 303. Vgl. Lee (2002), S. 443. 273 Vgl. Roediger/McDermott (1993), S. 63 ff. 274 Vgl. Jacoby/Dallas (1981), S. 331. 275 Vgl. McDermott/Roediger (1994), S. 1379 ff.; Roediger (1990), S. 1051; Weldon/Roediger (1987), S. 163. 276 Vgl. Lee (2002), S. 441. 277 Vgl. McDermott/Roediger (1994), S. 1380; Rajaram/Roediger (1993), S. 765 ff. 278 Vgl. Roediger/Blaxton (1987), S. 377 ff. 272
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Priming von Wortfragmenten führen kann. Deshalb kann erwartet werden, dass eine verbale und mündliche Präsentation einer Marke in der Handlung (Plot Placement) noch stärker auf das perzeptuelle Priming wirkt, als eine rein visuelle Darstellung (Screen Placement). Allerdings sollte der Umfang des Cross-Form Priming sehr bescheiden sein279. Somit ergibt sich die nächste Hypothese:
H3: Screen Placements und Plot Placements haben einen messbaren, positiven Einfluss auf das perzeptuelle Priming der platzierten Marke. Dabei ist der Einfluss von Plot Placements mindestens so stark wie derjenige von Screen Placements (plot screen > script).
5.2.2 Hypothesen zum Einfluss der formalen Ausgestaltungsvariablen auf das konzeptuelle Priming
Das konzeptuelle Priming reflektiert die temporär verstärkte Verfügbarkeit der konzeptuellen Geläufigkeit semantisch gespeicherter Informationen, die durch den Kontakt mit einem Stimulus verstärkt werden können280. Konstrukte, die das konzeptuelle Priming messen, verbinden Merkmale, die mit dem Zielstimulus konzeptuell verwandt sind, allerdings keine physischen Ähnlichkeiten mit diesem aufweisen281. Im semantischen Gedächtnis werden Wissen über Wortbedeutungen und andere konzeptuelle Informationen wie verschiedene Fakten und Ideen gespeichert, die das allgemeine Verständnis der Welt bestimmen282. Ein auditiver Kontakt mit einem Markennamen kann aufgrund der semantischen Verarbeitung dessen Verfügbarkeit im Gedächtnis temporär steigern283. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Schauspieler einen Markennamen in einer Filmhandlung erwähnt. Whittlesea (1993) hat in seiner Studie aufgezeigt, dass die semantische Verarbeitung von Informationen zu konzeptueller Geläufigkeit führen kann. Lee (2002) und Lee/Labroo (2004) wiesen in ihren wissenschaftlichen Studien darüber hinaus nach, dass Probanden, die verschiedenen schriftlich präsentierten Markennamen ausgesetzt waren, diese öfters konzeptuell primen. Dieser Effekt ist dann umso stärker, wenn der entsprechende Markenname in einem Satz präsentiert wird, als wenn der Markenname „isoliert“ ausgesprochen wird. Dies deshalb, weil ein Satz in der Wahrnehmung
279
Vgl. Weldon/Roediger (1987), S. 272 ff. Vgl. Lee (2002), S. 441 ff.; Shapiro (1999), S. 23; Trendel/Warlop (2005), S. 8. 281 Vgl. Trendel/Warlop (2005), S. 8. 282 Vgl. Gray (1994), S. 359. 283 Vgl. Hamann (1990), S. 974 ff. 280
85
eines Rezipienten den „natürlichen“ Kontext bildet, der es erlaubt, den Markennamen kognitiv zu verarbeiten284.
Auch in diesem Zusammenhang kann es zu Cross-Form Priming kommen, weshalb man davon ausgehen kann, dass Plot Placements mindestens so stark auf das konzeptuelle Priming wirken wie Script Placements.
Aus oben notierten Sachverhalten lässt sich die nächste Forschungshypothese ableiten:
H4: Script Placements und Plot Placements haben einen messbaren, positiven Einfluss auf das konzeptuelle Priming der platzierten Marke. Dabei ist der Einfluss von Plot Placements mindestens so stark wie derjenige von Script Placements (plot script > screen).
5.3 Überlegungen zum Einfluss von Kontrollvariablen auf die explizite und implizite Erinnerung
Kontrollvariablen in Form von individuellen psychologischen Merkmalen, die je nach interessierenden Kriterien der Wirkung von Placement-Massnahmen Top-Down-Prozesse fördern können, erlauben es Individuen, im Gedächtnis bereits vorhandene Informationen über einen Stimulus in die kognitive Verarbeitung einfliessen zu lassen und können so einen entscheidenden Einfluss auf den Werbewirkungsprozess haben.
5.3.1 Überlegungen zu Effekten von Kontrollvariablen auf die explizite Erinnerung
Dem Konstrukt Involvement wurde in der Werbewirkungsforschung in den letzten drei Jahrzehnten viel Beachtung geschenkt. „Involvement kann als eine Variable verstanden werden, die dazu beitragen kann, zu erklären, wie Konsumenten Informationen aus der Werbung verarbeiten und wie diese Informationen das Rezipientenverhalten beeinflussen.“285 Im Rahmen dieser Arbeit interessiert vor allem, inwiefern Involvement den vermuteten Zusammenhang zwischen Product Placement und den verschiedenen Erinnerungskonstrukten beeinflusst.
In der Konsumentenverhaltensforschung wurde seit längerem erkannt, dass Konsumenten bezüglich ihrer Motivation, Botschaften Aufmerksamkeit zu schenken und zu verarbeiten, 284 285
86
Vgl. Lee (2002), S. 445 ff. Belch/Belch (1998), S. 155.
divergieren: Einige Botschaften werden sorgfältig verarbeitet; andere wiederum werden immerzu ignoriert286. Wie stark eine Information verarbeitet wird, hängt somit vom Involvement bzw. von der Motivation der Person ab, diese zu verarbeiten287. Das Elaboration-Likelihood Modell von Petty/Cacioppo (1983)288 und das integrierte Werbewirkungsmodell von MacInnis/Jaworski (1989)289 erläutern beispielsweise, wie die Motivation und bestimmte mentale Fähigkeiten das Verständnis von sowie das Nachdenken (Elaboration) über Kommunikationsinhalte bestimmen. Greenwald/Leavitt (1984) haben im Kontext der Werbewirkungsforschung vier Ebenen von Involvement mit einer Werbebotschaft definiert: präattentive Aufmerksamkeit, fokale Aufmerksamkeit, Verständnis und Nachdenken (Elaboration). Je höher die Ebene, umso mehr Aufmerksamkeit wird einer Botschaft geschenkt290.
Involvement mit einer Werbebotschaft, das so genannte Advertising Message Involvement (AMI), kann Aufmerksamkeits- und Informationsverarbeitungs-Prozesse signifikant beeinflussen. Erkenntnisse aus der Werbewirkungsforschung haben gezeigt, dass, wenn das empfundene Involvement mit einer Werbung steigt, Rezipienten dieser umso mehr Aufmerksamkeit schenken291. In vorliegender Arbeit interessiert insbesondere, inwiefern Involvement292 die Werbewirkung von Product Placement beeinflussen kann. Aufgrund der Zielsetzung und des Untersuchungsdesigns ist es allerdings nicht möglich, die Variable Involvement mit der Werbebotschaft bzw. mit dem Product Placement zu manipulieren. Allerdings kann diese Art von Involvement durch ihm vorgelagerte Konstrukte (Antecedents) oder individuellen Zustandsmerkmalen von Zielpersonen beeinflusst werden293. Die Effekte dieser Konstrukte im Zusammenhang mit der Wirkung von Product Placement auf den Rezipienten sollen im nächsten Abschnitt näher erläutert werden.
Wie bereits weiter oben erwähnt kann die Variable Involvement mit der Werbebotschaft bzw. mit dem Product Placement nicht manipuliert werden. Allerdings haben wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt, dass das „gefühlte“ Involvement und die damit einhergehende kog286
Vgl. Obermiller (1985), S. 19. Vgl. Batra/Ray (1986), S. 441; MacInnis/Jaworski (1989), S. 4. 288 Siehe auch Kapitel 4.3.4. 289 Siehe auch Kapitel 4.3.6. 290 Vgl. Greenwald/Leavitt (1984), S. 584. 291 Vgl. Petty/Cacioppo/Schumann (1983), S. 140 ff. 292 Siehe dazu auch Kapitel 4.3.5.1. 293 Vgl Celsi/Olson (1988), S. 211; Laczniak/Kempf/Muehling (1999), S. 52; MacInnis/Jaworski (1989), S. 4. 287
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nitive Verarbeitung einer Werbebotschaft unter anderem durch eher langfristige, stimulusoder personenbezogene Variablen beeinflusst werden294. Celsi/Olson (1988) verwenden in diesem Zusammenhang auch den Ausdruck der „Intrinsic Sources of Personal Relevance“ (ISPR), wobei es sich um andauernde Strukturen von persönlich relevantem Wissen handelt, das im Langzeit-Gedächtnis gespeichert ist. Dieses Wissen widerspiegelt wahrgenommene Assoziationen zwischen Objekten und wichtigen, persönlich relevanten Zielen295. Im Kontext von Product Placement gehören unter anderem Involvement mit der Produktkategorie und Wissen über ein Produkt zu diesen Variablen. Das Produkt-Involvement charakterisiert dabei das Involvement, das Konsumenten bezüglich einer Produktkategorie über einen längeren Zeitraum haben296.
Die Motivation, Informationen wahrzunehmen und zu verarbeiten, kann somit vom Wissen bezüglich einer Produktkategorie oder eines spezifischen Produkts bzw. einer Marke, das in einer gegebenen Situation aktiviert wird, abhängen. Diese Argumentation wird insbesondere durch die Studie von Laczniak/Kempf/Muehling (1999) gestützt, die einen direkten Zusammenhang zwischen Involvement mit einer Produktkategorie und Wissen über ein Produkt mit dem Involvement mit einer Werbebotschaft nachgewiesen haben. Celsi/Olson (1988) zeigten ausserdem, dass Wissen über eine bestimmte Produktkategorie oder ein Produkt die Aufmerksamkeit des Konsumenten und somit auch die kognitive Auseinandersetzung mit dem Bezugsobjekt, also der Produktkategorie bzw. dem Markennamen, positiv beeinflussen. Informationen bezüglich einer bestimmten Produktkategorie oder einer bestimmten Marke, die einem Rezipienten vertraut sind, könnten für diesen relevanter erscheinen, als wenn er damit nicht vertraut ist297.
So ist oftmals ein hohes Produkt-Involvement mit einem hohen Situations-Involvement anzutreffen, die gemeinsam auf das Kommunikationsinvolvement einwirken298. Wright (1973) zeigte des Weiteren in seiner Untersuchung auf, dass ein hohes Involvement mit dem Produkt, das in der Werbebotschaft enthalten ist, zu mehr Nachdenken (Elaboration) führt. Gardner/Mitchell/Russo (1985) haben ermittelt, dass ein hohes Produkt-Involvement die Werbewirkung (Erinnerung, Wiedererkennung) positiv beeinflusst. 294
Vgl. Andrews/Durvasula/Akhter (1990); Celsi/Olson (1988); Gardner/Mitchell/Russo (1985); Higie/Feick/Price (1991); Laczniak/Kempf/Muehling (1999); Laczniak/Muehling (1993); MacInnis/Jaworski (1989); MacKenzie (1986), Mitchell (1979); Wright (1973); Zaichkowsky (1986). 295 Vgl. Celsi/Olson (1988), S. 212. 296 Vgl. Zaichkowsky (1985), S. 344. 297 Vgl. Zaichkowsky (1986), S. 5. 298 Vgl, Bruhn (2003), S. 360.
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Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass persönlich relevantes Wissen bezüglich Produkten oder Marken in einer bestimmten Situation im Gedächtnis aktiviert werden und so das Involvement mit der Werbebotschaft steigern kann. Das Produkt-Involvement und das Wissen bezüglich einer Marke beziehen sich somit auf einen produktbezogenen Aktivierungszustand, der bewirken kann, dass dieses Wissen in die Informationsverarbeitung einfliesst. Dieses Konzept kann auch im Rahmen von Product Placement angewendet werden, da es dabei, wie bei der Werbung, um die Übermittlung einer Werbebotschaft geht. Aus diesem Grund können das Involvement mit einer Produktkategorie und das Wissen über ein Produkt die explizite Erinnerung an eine platzierte Marke positiv beeinflussen. Entsprechend kann ein positiver Zusammenhang zwischen dem Involvement mit einer Produktkategorie und dem Wissen über ein Produkt mit der expliziten Erinnerung erwartet werden.
Da es sich beim Stimulusmaterial zudem um manipulierte Ausschnitte einer Soap handelt, die auf einem öffentlichen Sender ausgestrahlt wird, kann die Vertrautheit mit einer Sendung das Involvement mit dem Inhalt verstärken.
Je stärker nämlich eine Beziehung eines Rezipienten mit einer Fernsehsendung ist, umso stärker wird dieser normativ und informativ beeinflusst und umso ausgeprägter sind die Effekte auf sein Verhalten299. Dies kann sogar soweit gehen, dass die Sendung und die darin vorkommenden Figuren zur Besessenheit werden, so dass die Rezipienten sich an deren Lebensstil orientieren300. Fiske (1992) argumentiert sogar, dass die fiktiven Figuren von Zuschauern wie reale Personen wahrgenommen werden. Dies kann dazu führen, dass sich Rezipienten mit der Handlung identifizieren können und sich in die Rolle der Figuren hineinversetzen. Diese Aussage kann auch durch die soziale Lerntheorie von Bandura (1977) gestützt werden.
Wie bereits zu Beginn dieses Abschnitts erwähnt, kann Fernsehen durch das Interesse an der Handlung und die Wertschätzung der Sendung Rezipienten beeinflussen301. Ein Rezipient kann sich im Verlaufe der Zeit zunehmend mit einer bestimmten Sendung identifizieren, wobei dadurch auch seine Bekenntnis und die emotionale Bindung zur Sendung gesteigert werden302. Bei einem starken Involvement mit einer Sendung bzw. mit einer Handlung könnten Zuschauern somit inhaltliche Aspekte der Handlung somit stärker auffallen und diese könnten
299
Vgl. Nord/Peter (1980), S. 37. Vgl. Russell/Norman/Heckler (2004), S. 151. 301 Vgl. Diener (1993), S. 253. 302 Vgl. Fournier (1998), S. 344 ff. 300
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Zuschauern somit inhaltliche Aspekte der Handlung somit stärker auffallen und diese könnten sich entsprechend intensiver mit deren Inhalt auseinandersetzen. Die wahrgenommene Qualität, die Glaubwürdigkeit oder die individuelle Vertrautheit mit einer Sendung bzw. mit einem Kommunikationsträger303 könnten zum Beispiel die Wahrnehmung einer PlacementMassnahme durch Rezipienten entscheidend beeinflussen. Des Weiteren kann das Image eines Kommunikationsträgers oder eines bestimmten Mediums sich in der Wirkung einer Werbebotschaft niederschlagen304.
Wenn ein Kommunikationsträger von einem Zuschauer präferiert wird, so können
übermit-
telte Informationen überzeugender wirken, als wenn diese mittels anderer Kommunikationsträger oder Massenmedien kommuniziert werden305. So kann die wahrgenommene Art des Mediums, in dem eine Botschaft platziert ist, die Wahrscheinlichkeit des Elaborierens erhöhen. Eine positivere Einstellung zur Sendung bzw. zum Träger kann zudem, wie dies im Rahmen von klassischer Werbung auch der Fall ist306, auf die Kanalisierung der wahrgenommenen Informationen bezüglich verschiedener Markenprodukte und das Erinnerungsvermögen an diese im Gedächtnis einwirken. Nord/Peter (1980) zeigten beispielsweise, dass je mehr ein Rezipient sich mit einer Sendung identifiziert, dieser umso stärker durch darin wahrgenommene Informationen beeinflusst werden kann. Eine hohe Beliebtheit einer Sendung kann somit zum Elaborieren anregen. Die Einstellung bezüglich einer Sendung sollte somit einen Einfluss auf den Informationsverarbeitungsprozess haben. Es kann somit ein positiver Zusammenhang zwischen der Vertrautheit mit einer Sendung und der expliziten Erinnerung erwartet werden.
5.3.2 Überlegungen zu Effekten von Kontrollvariablen auf das perzeptuelle Priming
Bowers (1994), Tulving/Schacter (1990) und Weldon (1991) argumentieren, dass perzeptuelles Priming durch „perzeptuelle Prozesse höherer Ordnung“ (higher level perceptual processes), wie beispielsweise den lexikalischen Zugang (lexical access) zu gespeicherten Informationen, beeinflusst werden kann. Somit kann die These, dass perzeptuelles Priming einzig durch so genannte „Data-driven-“ oder „Bottom-Up-Prozesse“ beeinflusst wird, relativiert
303
Russell/Norman/Heckler (2004) benützen in diesem Zusammenhang auch den Begriff „Connectedness“; dieser charakterisiert die Intensität der Beziehung eines Rezipienten mit einer Fernsehsendung und den darin vorkommenden fiktiven Personen. 304 Vgl. Belch/Belch (1998), S. 190. 305 Vgl. Bruhn (2003), S. 358. 306 Vgl. MacInnis/Jaworski (1989), S. 4.
90
werden. Es kommt allerdings die Frage auf, inwiefern solche Prozesse höherer Ordnung auf das perzeptuelle Priming von visuell präsentierten Stimuli wirken. Roediger/Blaxton (1987) zeigten beispielsweise, dass bei Probanden, die mit Wörtern konfrontiert wurden und die Anweisung erhielten, sie sollen sich die dazu gehörende bildliche Darstellung vorstellen, ein Priming-Effekt auf der Basis eines Wortergänzungstest nachgewiesen werden konnte. Nun kann es durchaus sein, dass die Probanden in vorliegender Untersuchung im Rahmen der Testsituation perzeptuelle Prozesse höherer Ordnung aktivieren. Dabei kann der lexikalische Zugang zu Marktwissen die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass das Wortfragment bezüglich des Zielstimulus (Markennamen) richtig ausgefüllt wird. Somit kann davon ausgegangen werden, dass der erhöhte lexikalische Zugang zu Marktwissen einen positiven Effekt auf das perzeptuelle Priming einer platzierten Marke hat.
91
5.3.3 Überlegungen zu Effekten von Kontrollvariablen auf das konzeptuelle Priming
Das konzeptuelle Priming kann, wie dies bei der expliziten Erinnerung der Fall ist, ebenfalls von Top-Down Prozessen beeinflusst werden307. Ist einem Probanden beispielsweise ein bestimmter Markenname bereits vertraut, so kann man davon ausgehen, dass er über ein bestimmtes Wissen bezüglich des Markennamens verfügt. Entsprechend besitzt dieser auch im Gedächtnis semantisch gespeicherte Informationen bezüglich des Markennamens308, die bei einem Kontakt mit einem Stimulus im Gedächtnis schneller aktiviert werden können und somit die semantische Verknüpfung des Sinngehaltes, sprachliche Elemente und andere konzeptuellen Informationen im Gedächtnis noch schneller verfügbar werden309. Dies kann entsprechend zu einer intensiveren konzeptuellen Informationsverarbeitung (Elaboration) führen und so auf den kategorialen Assoziationstest wirken310. Deshalb kann man davon ausgehen, dass Wissen über eine bestimmte Marke auch auf das konzeptuelle Priming wirken kann, wenn dieses mittels eines kategorialen Assoziationstests erhoben wird.
Es gibt des Weiteren Kundensegmente, die zwar über kein spezifisches Wissen bezüglich einer Marke oder einer Produktkategorie verfügen, im Gegensatz dazu allerdings über ein eher ausgedehntes Wissen bezüglich der verschiedenen Märkte haben311. Feick/Price (1987) verwenden in diesem Zusammenhang den Begriff „Market Maven“; dieser gilt als Bezeichnung von Individuen, die über Wissen bezüglich vieler Produktkategorien verfügen und dieses Wissen auf Anfrage auch an Dritte weitergeben. Ein weiteres Kennzeichen des „Market Maven“ ist, dass dieser ständig nach neuen Informationen in verschiedenen Märkten sucht312. Diese Individuen grenzen sich insofern von den so genannten Meinungsführern (Opinion Leaders) ab, als dass ihr Wissen nicht tiefgehend produkt- bzw. kategorienspezifisch, sondern breit über verschiedene Kategorien ausgerichtet ist313. Somit können sich diese Individuen Informationen bezüglich des Marktes aneignen und diese an Dritte weitergeben, ohne stark in eine Produktkategorie involviert zu sein. Ein möglicher Grund für die ständige Aufnahme von Marktinformationen könnte das so genannte Markt-Involvement sein314, das unabhängig vom weiter oben beschriebenen Produkt-Involvement ist. Gemäss Kassarjian (1981) empfinden es 307
Vgl. Lee (2002), S. 442. Vgl. Celsi/Olson (1988), S. 213. 309 Vgl. Lee/Labroo (2004), S. 151; Tversky/Kahnemann (1973), S. 208. 310 Vgl. Srinivas/Roediger (1990), S. 391 ff. 311 Vgl. Feick/Price (1987), S. 83. 312 Vgl. Slama/Williams (1990), S. 48. 313 Vgl. Feick/Price (1987), S. 85; Price/Feick/Higie (1987), S. 332. 314 Vgl. Feick/Price (1987), S. 85. 308
92
gewisse Konsumenten sogar als ihre Pflicht, „informierte Konsumenten“ (knowledgeable consumers) zu sein, um andere bei ihren Kaufentscheidungen beratend zur Seite zu stehen.
Aufgrund seines Pflichtgefühls, Informationen weitergeben zu müssen, kann es durchaus sein, dass in vorliegender Untersuchung ein „Market Maven“ ein hohes Involvement mit der eigentlichen Testsituation an den Tag legen wird. Wenn für die Messung des konzeptuellen Primings ein kategorialer Assoziationstest herangezogen wird, kann deshalb davon ausgegangen werden, dass ein „Market Maven“ insgesamt über die Assoziationstests für die vier Kategorien in vorliegender Untersuchung, aufgrund seines Marktinvolvements sowie seiner Motivation, Anfragen bezüglich Marktinformationen zu beantworten, ein überdurchschnittlich grosses Marktwissen hat. Je grösser das Marktwissen ist, umso grösser ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Zielmarke bei einem kategorialen Assoziationstest miteinbezogen wird, sofern es sich, wie im vorliegenden Experiment, um eine reell existierende Marke handelt. Ein positiver Zusammenhang kann folglich zwischen Marktwissen und dem konzeptuellen Priming einer platzierten Marke erwartet werden.
5.4 Überlegungen und Hypothesen zum Einfluss explizit und implizit erinnerter Informationen auf die Einstellung bezüglich einer Marke
Janiszewski (1993) zeigt in seiner Untersuchung, dass ein unbeabsichtigter Kontakt mit Logos oder Markennamen zu einer positiveren Bewertung von Markenprodukten führen kann. Zieht man die soziale Lerntheorie von Bandura (1977) als theoretische Grundlage für dieses Phänomen heran, so kann festgehalten werden, dass die Einstellungen durch Modellernen verändert werden können.
Jacoby/Dallas (1981) zeigten in ihrer Studie dass perzeptuelles Priming auf eine erhöhte perzeptuelle Geläufigkeit schliessen lässt, also dass ein Stimulus in der Zukunft bei einer entsprechenden Aufgabe schneller identifiziert werden kann. Im Gegensatz dazu reflektiert konzeptuelles Priming eine temporäre Steigerung der konzeptuellen Geläufigkeit, so dass ein Stimulus schneller aus dem Gedächtnis abrufbar ist315. Daraus lässt sich generell ableiten, dass Priming zu erhöhter Geläufigkeit führt. Eine erhöhte Processing Fluency macht die Marke im Gedächtnis besser verfügbar und bewirkt so ihr gegenüber eine positivere Einstel-
315
Vgl. Lee (2002), S. 441; Reber/Schwartz/Winkielmann (2004), S. 368.
93
lung316. Bornstein/D’Agostino (1994) führen diesen Effekt auf eine Missattribution zurück, d. h. die Individuen merken nicht, dass die vereinfachte Verarbeitung eines Stimulus das Ergebnis einer vorherigen Konfrontation ist und schreiben diese Fluency fälschlicherweise Präferenzen oder positiveren Einstellungen gegenüber einem Stimulus zu. Whittlesea (1993) fand beispielsweise heraus, dass die konzeptuelle Geläufigkeit eines Stimulus affektive Einschätzungen bezüglich dieses Stimulus, der auf konzeptuellen Informationsverarbeitungsprozessen basiert, beeinflussen kann.
Im Unterschied zu oben genannten Ausführungen würde die Theorie der klassischen Konditionierung eine direkte, unvermittelte und monokausale Wirkung auf den Rezipienten postulieren, ohne intraindividuelle Vorgänge bei Rezipienten zu berücksichtigen.
Unter Beachtung solcher unbewusster, intraindividueller Vorgänge lassen sich folgende Hypothesen ableiten:
H5a: Die Einstellung eines Rezipienten zu einer Marke ist signifikant positiver, wenn diese vorher perzeptuell geprimt (erhöhte perzeptuelle Geläufigkeit) wurde.
H5b: Die Einstellung eines Rezipienten zu einer Marke ist signifikant positiver, wenn diese vorher konzeptuell geprimt (erhöhte konzeptuelle Geläufigkeit) wurde.
5.5 Wirkungsmodell von Product Placement auf Rezipienten
Auf der Basis der oben abgeleiteten Hypothesen zur Wirkung von Product Placement, werden die wichtigsten Kausalzusammenhänge in untenstehendem Wirkungsmodell dargestellt. Abbildung 11 stellt dabei ein integriertes, duales Stufenmodell317 der Wirkung von Product Placement auf Rezipienten dar, das den konzeptionellen Bezugsrahmen für die Problemstellung dieser Arbeit bildet. Die Pfeile weisen auf einen Kausalzusammenhang zwischen den entsprechenden Variablen hin.
316
Vgl. Jacoby/Kelley/Dywan (1989), S. 411 ff; Janiszewski/Meyvis (2001), S. 18; Lee/Labroo (2004), S. 155 ff.; Seamon et al. (1995), S. 714 ff; Whittlesea (1993), S. 1245 ff. 317 Vgl. Kapitel 4.3.4 und 4.3.6.
94
Abbildung 11: Wirkungskomponenten und -zusammenhänge von Product Placement und den abhängigen Messkonstrukten Formale Ausgestaltungsvariablen
Informationsverarbeitung
Kontrollvariablen
Einstellung
H2 +
Plot Connection
Modalität
ent mit Involvem gorie kate Produkt Marke über eine Wissen p der Soa theit mit Vertrau
Lexikalischer Zugang zu Marktwissen
Explizites Gedächtnis H1 +
Einstellung zur Marke Implizites Gedächtnis H3 +
Perzeptuelles Priming
H4+
Konzeptuelles Priming
Wisse n über e Marktw ine Marke issen
+ H5a
+ H5b
Das Modell zeigt, dass die bewusste und unbewusste Informationsverarbeitung von Product Placement durch formale Ausgestaltungsvariablen beeinflusst werden kann. Die Wirkung von Product Placement kann, je nach interessierendem Erinnerungskonstrukt, zusätzlich durch verschiedene Einflüsse von Kontrollvariablen beeinflusst werden. Wird ein Markenname perzeptuell oder konzeptuell geprimt, so wird dieser im Gedächtnis entsprechend geläufiger und sollte eine positivere Einstellung bezüglich einer platzierten Marke mit sich bringen.
95
6 Empirisches Untersuchungsdesign Um die in Kapitel 1.2 formulierten Zielsetzungen zu erreichen, musste bei der Umsetzung der empirischen Untersuchung auf ein strukturiertes und methodisch fundiertes Vorgehen geachtet werden. Dabei hat sich eine experimentelle, stufenmässige Vorgehensweise als am sinnvollsten erwiesen. Für die Durchführung der Experimente wurden in Zusammenarbeit mit einer real existierenden Soap Stimuli produziert, die den Probanden gezeigt wurden, wobei sie im Anschluss daran, nachdem sie eine Ablenkungsaufgabe verrichten mussten, verschiedene Fragen bezüglich der interessierenden Konstrukte beantworten mussten. Damit der Versuchszweck der Studie unerkannt blieb, musste für die verschiedenen Untersuchungsschritte ein entsprechender Vorwand gefunden werden, damit quasi-biotische Versuchsbedingungen gewährleistet waren, um so beobachtungsbedingte Verzerrungen weitgehend zu vermeiden. Bei quasi-biotischen Versuchsbedingungen weiss der Proband zwar um die Versuchssituation, allerdings ist er über die Aufgabe und den Versuchszweck nicht informiert318.
Im folgenden Kapitel wird die Konzeption der durchgeführten empirischen Studie eingehend beschrieben. Die mit den Experimenten generierten Daten dienen als Grundlage für die Überprüfung der in Kapitel 5 postulierten Hypothesen. In den folgenden Kapiteln werden die Erhebungsmethode, das Design der Stimuli, der Manipulationscheck, die Operationalisierung der interessierenden Variablen, der Aufbau des Fragebogens, die Stichprobe sowie der Ablauf der Datengewinnung erläutert.
6.1 Erhebungsmethode
Um die Wirksamkeit von Product Placement zu messen, wurde im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ein experimentelles Vorgehen, unter besonderer Berücksichtigung der internen und externen Validität, gewählt. Diese Vorgehensweise hat es erlaubt, die Versuchsbedingungen fast vollständig zu kontrollieren. Das Problem der bisher durchgeführten Studien zur Wirkung von formalen Gestaltungsvariablen von Product Placement liegt in der häufig reduzierten internen Validität der erhobenen Daten. Ein wesentlicher Nachteil besteht darin, dass die unabhängigen bzw. die Design-Variablen nicht unter sonst gleichen Bedingungen (ceteris paribus) manipuliert wurden. Somit lassen sich die damit generierten Ergebnisse nur in beschränkter Weise verallgemeinern. Bei den Untersuchungen, in denen Kurzfilme selbst pro318
96
Berekhoven/Eckert/Ellenrieder (2004), S. 152.
duziert und die unabhängigen Variablen manipuliert wurden319, sind die Ergebnisse aufgrund der reduzierten externen Validität ebenfalls nur beschränkt verallgemeinerbar320. Deshalb musste bei der Gestaltung des Untersuchungsdesigns darauf geachtet werden, dass die beiden weiter oben genannten Defizite auf ein Minimum reduziert werden.
Die interne und externe Validität wurden in dieser Studie optimiert, indem in Zusammenarbeit mit einer real existierenden Fernseh-Soap, die in der Schweiz auf dem öffentlichen Kanal SF 1 ausgestrahlt wird, Stimuli in Form von kurzen Filmausschnitten produziert wurden. Auf diese Weise konnten die unabhängigen Variablen gemäss den vorgegebenen Forschungshypothesen passend manipuliert werden. Ausserdem erlaubt dieses Vorgehen, die postulierten Kausalbeziehungen zwischen den verschiedenen Variablen zu überprüfen, indem alle anderen Variablen eliminiert bzw. kontrolliert werden. Das Design der entwickelten Stimuli wird im folgenden Kapitel beschrieben.
Bei der gewählten Vorgehensweise handelt sich um ein Experiment mit einem so genannten After-Only-Design mit Kontrollgruppe321, d. h. die Messung der Variablen erfolgte nachdem die Experimentiergruppe dem Zielreiz ausgesetzt wurde, um so einen Testing-Effekt322 und eine Konditionierung des Probanden durch eine vorherige Befragung zu vermeiden. Gleichzeitig wird auch die Messung der gleichen Variablen bei einer Kontrollgruppe vorgenommen, die dem Zielreiz nicht ausgesetzt worden ist. Bei der Datenanalyse kann so ein Vergleich zwischen der Experimentier- und der Kontrollgruppe vorgenommen werden, um so unter anderem den Effekt der Manipulationen zu schätzen.
6.2 Design der Stimuli
Die gleiche Szene einer Folge der Serie „Lüthi und Blanc“ wurde sechs Mal gedreht, wobei die Darstellung von zwei verschiedenen Markenprodukten systematisch variiert wurde. Jedes Placement besteht aus einer Kombination der Variablen Modalität und Plot Connection. Dies ergibt ein 3 (Modalität: Visuell - Verbal - Visuell & Verbal) * 2 (Plot Connection: Hoch Tief) komplettes, faktorielles Design. Zwei Markenprodukte, die bereits im ursprünglichen Drehbuch vorgesehen waren, wurden jeweils im gleichen Handlungsabschnitt gemäss dem 319
Russell (2002) bezeichnet dieses Vorgehen mit Theater Methodologie. Vgl. Russell (2002), S. 314. 321 Vgl. Zikmund (2003), S. 292. 322 Ein Testing-Effekt tritt bei einer Vorher-Nachher-Befragung auf, wenn die erste Befragung das Ziel des Experiments erkennen lässt; vgl. Zikmund (2003), S. 286. 320
97
weiter oben definierten faktoriellen Design in die Szene integriert. Es muss allerdings an dieser Stelle festgehalten werden, dass die Product Placements zu zwei verschiedenen Zeitpunkten in der Handlung vorkommen und somit inhaltlich in Bezug auf die narrative Struktur unabhängig voneinander sind. Die erste Marke ist eine bedeutende Schweizer Zeitschrift (Facts) und die zweite eine weltweit bekannte Kamera-Marke (Nikon). Die verschiedenen Szenen wurden wie folgt gestaltet323:
x
Stimulus 1 (Script Placement/tiefe Plot Connection): Die beiden Markenprodukte werden im Ablauf der Handlung einmal beiläufig namentlich erwähnt. Sie sind nicht ein wesentlicher Bestandteil der Handlung.
x
Stimulus 2 (Screen Placement/hohe Plot Connection): Die beiden Markenprodukte sind im Ablauf der Handlung sehr gut sichtbar. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil der Handlung.
x
Stimulus 3 (Script Placement/hohe Plot Connection): Die beiden Markenprodukte werden im Ablauf der Handlung einmal offensichtlich namentlich erwähnt. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil der Handlung.
x
Stimulus 4 (Plot Placement/hohe Plot Connection): Die beiden Markenprodukte werden im Ablauf der Handlung einmal offensichtlich namentlich erwähnt und sind sehr gut sichtbar. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil der Handlung.
x
Stimulus 5 (Screen Placement/tiefe Plot Connection): Die beiden Markenprodukte sind im Ablauf der Handlung im Hintergrund sichtbar. Sie sind nicht ein wesentlicher Bestandteil der Handlung.
x
Stimulus 6 (Plot Placement/tiefe Plot Connection): Die beiden Markenprodukte werden im Ablauf der Handlung einmal beiläufig namentlich erwähnt und sind im Hintergrund sichtbar. Sie sind nicht ein wesentlicher Bestandteil der Handlung.
Die narrative Struktur der Handlung hat im Filmausschnitt einen pyramidenförmigen Verlauf mit einem Spannungsaufbau, einem Höhepunkt und einem Spannungsabfall, wie dies häufig in der Unterhaltungsliteratur der Fall ist324. Meyer (2003) beschreibt den Höhepunkt als den Moment mit der grössten Spannung und der den Wendepunkt von Spannungsaufbau zu Spannungsabfall darstellt. Die Szenen, die die Placements enthalten, wurden in den jeweils gleichen, vierminütigen Filmausschnitt integriert.
323 324
98
Siehe Anhang B. Vgl. Bosshart/Steinmann (2002), S. 34; Meyer (2003), S. 65 ff.
Ein 20-sekündiger Vorspann sollte den Probanden dazu verhelfen, die in der Handlung vorkommenden Personen kennen zu lernen sowie die wichtigsten Inhalte des dramaturgischen Ablaufs zu verstehen. Bei letzterem geht es darum, dass ein Journalist und ein Fotograf eine geheime Affäre eines berühmten Geschäftsmanns aufdecken wollen. Der Geschäftsmann trifft sich heimlich mit seiner Liebhaberin und der Fotograf sollte Fotos von den beiden in flagranti machen. Allerdings kommt dieser mit leeren Händen zurück, denn er hat den entscheidenden Moment, das Pärchen zu fotografieren, verpasst. Anschliessend muss er sich vor der Journalistin rechtfertigen, warum es nicht geschafft, das gewünschte Foto zu schiessen.
6.3 Manipulationscheck
Der Manipulationscheck gibt Auskunft darüber, ob die Manipulation der unabhängigen Variablen richtig vorgenommen wurde, damit die Ergebnisse eines Experiments adäquat interpretiert werden können325. Aufgrund des faktoriellen Designs der Studie, muss die Ausgestaltung der Stimuli zuverlässig sein, damit die entsprechenden Effekte gemessen werden können. Der Manipulationscheck wird meist direkt ins das Untersuchungsdesign eingebaut. In vorliegender Studie wurde der Manipulationscheck vor der Durchführung der eigentlichen Experimente mit einer kleinen Gruppe von Probanden, die mit der Hauptstudie nichts zu tun hatten, bewerkstelligt.
Es galt insbesondere die Manipulation der Variable Plot Connection, deren Umsetzung einer gewissen Subjektivität unterliegt und somit nicht ganz trennscharf sein kann, auf die Unterschiedlichkeit bezüglich der Ausprägungen (hoch/tief) zu überprüfen. Zu diesem Zweck wurden in einer Vorstudie verschiedene Probanden befragt, wie stark ihrer Wahrnehmung nach die verschiedenen Markenprodukte in die Handlung eingebunden wurden. Insgesamt zwölf Probanden eines Convenience Samples wurde die Frage gestellt, ob das Produkt in der Handlung eine zentrale oder eher eine nebensächliche Rolle einnimmt. Dabei wurde den einzelnen Probanden jeweils ein zufällig ausgewählter Stimulus mit hoher und als Vergleich dazu einer mit tiefer Plot Connection gezeigt. Anschliessend mussten sie ihr Urteil bezüglich der Einbindung des Produkts in die Handlung („Das Produkt „X“ nimmt in der Handlung im so eben gezeigten Ausschnitt der Soap „Lüthi und Blanc“ eine entscheidende Rolle ein.“) auf einer 5er-Skala abgeben. Die Ergebnisse des gepaarten T-Test (t = 7.28, df = 11, p < 0.001 für Nikon und t = 3.31, df = 11, p < 0.001 für Facts) zeigen, dass die Szenen mit einer hohen Plot 325
Vgl. Zikmund (2003), S. 274 ff.
99
Connection einen signifikant höheren Mittelwert (3.33 für Nikon bzw. 3.85 für Facts) aufweisen als die Szenen mit tiefer Plot Connection (2.58 für Nikon bzw. 2.33 für Facts).
6.4 Operationalisierung der interessierenden Variablen
In diesem Abschnitt werden die verschiedenen Messansätze erläutert, mit denen die interessierenden Konstrukte erhoben werden.
6.4.1 Messansätze der expliziten Erinnerung
Generell können für die Messung der expliziten Erinnerung verschiedene Messkriterien herangezogen werden. Testkonstrukte, die in der Werbewirkungsforschung oft angewendet werden, sind die Erinnerung (Recall) und die Wiedererkennung (Recognition). In einem typischen Wiedererkennungstest müssen Probanden angeben, ob sie einen Stimulus in einem bestimmten Kontext wahrgenommen haben. Dabei wird dem Probanden sowohl der Kontext angegeben wie auch der entsprechende Stimulus präsentiert. Wird allerdings die explizite Erinnerung mittels ungestützter bzw. gestützter Erinnerung abgefragt, so muss der Proband die Information direkt respektive mit Hilfe einer Informationsstütze aus dem Gedächtnis abrufen326. Das Testkonstrukt der expliziten Erinnerung reflektiert somit das Wissen von Konsumenten bezüglich verschiedener Marken oder Produkte327. Dabei bestimmt die Gedächtnisstruktur, inwiefern Marken erinnert werden und diese zum Consideration Set eines Konsumenten gehören, so dass diese Marken die letztliche Markenwahl in einer Kaufsituation beeinflussen328. In vorliegender Studie wird dieses Wissen in Beziehung mit einem vorherigen Ereignis (Filmausschnitt) abgefragt.
In der vorliegenden Untersuchung wird als abhängige Variable die gestützte Erinnerung (aided recall) verwendet, um die Wirksamkeit von Placement-Massnahmen zu messen. Dieses Instrument misst somit die explizite Erinnerung in Bezug auf ein bestimmtes Ereignis. Die Befragten müssen dabei angeben, an welche bestimmten Einzelheiten sie sich erinnern können. In dieser Arbeit wird jeweils der Name des zu überprüfenden Markennamens und zwei weitere Markennamen aus der gleichen Produktkategorie zur Stützung vorgegeben329. Somit
326
Vgl. Krishnan/Chakravarti (1999), S. 4. Vgl. Trommsdorff (2003), S. 109 ff. 328 Vgl. Costley/Brucks (1992), S. 464; Nedungadi (1990), S. 264. 329 Vgl. Bruhn (2003), S. 401. 327
100
muss sich der Proband an das im Filmausschnitt gezeigte Markenprodukt, mit Hilfe einer Liste von Produkten aus derselben Produktkategorie, erinnern. Er muss sich auf den in der Testsituation gezeigten Film beziehen und diesbezüglich im Gedächtnis gespeicherte Informationen abrufen330.
6.4.2 Messansätze des perzeptuellen Priming
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie man bei der Messung von perzeptuellem Priming vorgehen kann. In vorliegender Arbeit interessiert unter anderem das Priming von visuellen Wörtern331, wenn Rezipienten einen visuell präsentierten Markennamen wahrnehmen. Dabei kann man auf verschiedene experimentelle Paradigmen zurückgreifen, um das Priming von visuellen Wörtern zu untersuchen. Fünf der in der Psychologie am häufigsten angewandten Paradigmen sollen nun kurz erläutert werden. Dabei handelt es sich um folgende Testverfahren:
x
Wortergänzungstest,
x
Wortstammtest,
x
die perzeptuelle Identifikation,
x
lexikalische Entscheidungen und
x
„Forced-Choice Entscheidungen“ aus einem Angebot von verschiedenen Marken332.
Bei den Wortergänzungstests müssen Probanden verschiedene Wörterfragmente mit mindestens einer möglichen Vervollständigung ausfüllen wie beispielsweise L_st_ _g_n für Lastwagen, wobei 40 bis 50 % der fehlenden Buchstaben nach dem Zufallsprinzip gelöscht werden333. Beim Wortstammtest werden den Probanden die ersten drei Buchstaben eines Wortes vorgegeben, die sie mit dem ersten Wort vervollständigen müssen, das ihnen in den Sinn kommt (Beispiel: Las__________ für Lastwagen). Bei der perzeptuellen Identifikation werden den Probanden in der Testphase während kurzen Zeitabschnitten Wörter oder Objekte gezeigt, die sie anschliessend identifizieren müssen. Bei lexikalischen Entscheidungen werden schliesslich die Probanden mit Buchstabenfolgen konfrontiert, die entweder existierende
330
Vgl. Bruhn (2003), S. 401. Schacter/Chiu/Ochsner (1993) benützen in diesem Zusammenhang den Terminus „Visual Word Priming“. 332 Vgl. Schacter/Chiu/Ochsner (1993), S. 162; Trendel/Warlop (2005), S. 10. 333 Vgl. Rajaram/Roediger (1993), S. 768. 331
101
oder fiktive Wörter darstellen, wobei sie sich schnell entscheiden müssen, ob es sich um ein existierendes Wort handelt oder nicht.
Bei den ersten zwei Vorgehensweisen wird Priming nachgewiesen, wenn Probanden die Wörter richtig ergänzen, die vorhergehend in einer Experimentierphase gezeigt werden. Die Anzahl richtig ergänzter Wortfragmente oder -stämme werden dabei meistens mit der Anzahl richtig ausgefüllter Wortfragmente oder -stämme für Wörter verglichen, die zuvor nicht präsentiert wurden. Bei der dritten Vorgehensweise wird Priming aufgezeigt, wenn studierte Objekte oder Wörter öfters richtig identifiziert werden als nicht studierte Wörter. Bei lexikalischen Entscheidungen lässt eine schnellere Entscheidungszeit bezüglich studierten Wörtern im Vergleich zu nicht-studierten Wörtern auf ein Priming schliessen334. Bei „Forced-Choice Entscheidungen“ müssen Probanden ihre Präferenzen bezüglich einer Marke für mehrere Produktpaare angeben. So werden Probanden beispielsweise gefragt, ihre Präferenz für eine der beiden Marken Pepsi-Cola oder Coca-Cola anzugeben335.
Das Priming von visuellen Wörtern, in vorliegender Arbeit von Markennamen, hängt stark von der Modalität der Präsentationsform eines Stimulus und dem anschliessenden Testverfahren ab336. Jacoby (1983) hat beispielsweise gezeigt, dass gelesene Wörter mittels eines Wortergänzungstests signifikant geprimt werden. Bei verbal präsentierten Zielwörtern kann nur ein reduziertes Priming mit Hilfe von Wortstamm- und Wortergänzungstest nachgewiesen werden337. Dieses Ergebnis kann mittels des Prinzips des „Transfer Appropriate Processing“ erklärt werden: Dieses besagt, dass verschiedene Experimentiersituationen und Testmöglichkeiten unterschiedliche Arten der Informationsverarbeitung auslösen. Deshalb hängt die Güte des Tests von der Überlappung der Art der Informationsverarbeitung während der Experimentierund der Testphase ab338. Da es in letzterer unter anderem darum geht, den Einfluss der visuellen Präsentation eines Markennamens auf das perzeptuelle Priming zu untersuchen, wird gemäss den Empfehlungen von Roediger et al. (1992) ein Wortergänzungstest für den Nachweis von “perzeptuellem Priming” verwendet339. Dabei ist das Zielwort der Markenname, der im Filmausschnitt gezeigt wird und entsprechend als „Prime“ fungiert.
334
Vgl. Schacter (1987), S. 507. Vgl. Schacter (1987), S. 506. 336 Vgl. McDermott/Roediger (1994), S. 1387; Roediger/Srinivas (1993), S. 21 ff.; Tulving/Schacter (1990), S. 102 ff.; Weldon/Roediger (1987), S. 272 ff. 337 Vgl. Graf/Shimamura/Squire (1985), S. 390; Roediger/Blaxton (1987), S. 357 ff. 338 Vgl. Rajaram/Srinivas/Roediger (1998), S. 997; Roediger/Blaxton (1987), S. 354. 339 Vgl. Roediger et al. (1992), S. 1264. 335
102
Die Wortfragmente wurden so konstruiert, dass 40 bis 50 % Prozent der Buchstaben gelöscht wurden340. Neben den Wortfragmenten für die zwei interessierenden Markennamen wurden noch sechs weitere Wortfragmente für sechs andere Markennamen aus unterschiedlichen Produktkategorien, die den Probanden nicht in Form eines Product Placements präsentiert wurden, als Filler-Items in den Fragebogen eingefügt341. Allerdings gab es für die interessierenden Wortfragmente neben dem interessierenden Markennamen auch noch mindestens eine andere Möglichkeit, die fehlenden Buchstaben so zu ergänzen, dass ein anderer Markenname damit gebildet werden konnte. So konnte beispielsweise das Wortfragment für den interessierenden Markennamen Facts (F _ C _ S) nicht nur mit den Buchstaben A und T vervollständigt werden, sondern auch mit den Buchstaben O und U, so dass sich die Marke einer anderen bekannten Publikumszeitschrift (Focus) ergibt.
6.4.3 Messansätze des konzeptuellen Priming
Konzeptuelles Priming wurde in der Psychologie und der Konsumentenverhaltensforschung bisher auf verschiedene Arten gemessen. Dabei kann bei der Testphase eine verbale oder schriftliche Vorgehensweise gewählt werden.
Vier bereits angewandte Messansätze werden im Folgenden kurz beschrieben:
x
Perzeptuelle Identifikation,
x
auditive Wortstammtests,
x
kategoriale Assoziationen und
x
„Forced-Choice Entscheidungen“ aus dem Gedächtnis342.
Beim Test der perzeptuellen Identifikation wird vom Probanden verlangt, dass er gesprochene Wörter, die von einem Geräuschpegel umgeben werden, erkennt. Beim auditiven Wortstammtest müssen Probanden verbal erwähnte Wortstämme mündlich ergänzen. Beim kategorialen Assoziationstest müssen die Probanden Markennamen von verschiedenen Produktkategorien angeben. Bei einer „Forced-Choice Entscheidung“ aus dem Gedächtnis schliesslich müssen Personen ihre Markenwahl bezüglich verschiedener Produktkategorien angeben. Bei sämtli-
340
Vgl. Rajaram/Roediger (1993), S. 768. Siehe Anhang D2. 342 Vgl. Roediger/McDermott (1993), S. 66 ff; Schacter/Chiu/Ochsner (1993), S. 162; Trendel/Warlop (2005), S. 10. 341
103
chen soeben beschriebenen Testvorgehen werden semantisch gespeicherte Informationen aus dem Gedächtnis abgerufen, dies jedoch ohne einen Bezug zu einem Ereignis herzustellen343.
Beim Testen auf konzeptuelles Priming muss ebenfalls auf das Prinzip des „Transfer Appropriate Processing“ geachtet werden, nämlich dass die Art der Informationsverarbeitung während der Experimentier- und der Testphase sich bestmöglich überdeckt. Als Messinstrument für das konzeptuelle Priming wird in dieser Untersuchung ein kategorialer Assoziationstest angewendet, bei dem Probanden eine Produktkategorie vorgegeben wird und diese so viele Markennamen, wie ihnen in den Sinn kommen, in einem vorgegebenen Zeitrahmen notieren müssen344. Entsprechend wurden in vorliegender Arbeit vier Produktkategorien vorgegeben345, für die die Probanden so viele Markennamen nennen mussten, wie ihnen in den Sinn kamen.
6.4.4 Messansätze verschiedener Kontrollvariablen
In diesem Kapitel soll kurz erläutert werden, wie die Messansätze zur Operationalisierung der verschiedenen Konstrukte Involvement, Wissen über eine Marke, Vertrautheit, lexikalischer Zugang zu Marktwissen und Marktwissen konzipiert werden können. Involvement kann auf verschiedene Arten gemessen werden346. In vorliegender Arbeit orientiert sich der Autor an der Perspektive von Bloch (1981), der Produkt-Involvement als ein Konstrukt charakterisiert, das das Konsumentenverhalten fortlaufend beeinflusst und von Individuum zu Individuum verschieden ist347. Produkt-Involvement wird somit als ein Konstrukt verstanden, das je nach Individuum für eine bestimmte Produktkategorie unterschiedlich sein kann. In dieser Arbeit wird Involvement mit dem Produkt mittels des Konzepts des gefühlten Involvements348 gemessen. Dieses bezieht sich auf das globale, subjektive Gefühl der persönlichen Relevanz eines Konsumenten hinsichtlich eines bestimmten Untersuchungsgegenstandes. Das gefühlte Involvement enthält Aspekte der Motivation, die nicht nur kognitive Prozesse, sondern auch Präferenzen oder Verhalten beeinflussen können349. Aus Gründen der zeitlichen Einschränkung bei der Datenerhebung und der Einfachheit wird in der Erhe343
Vgl. Schacter/Chiu/Ochsner (1993), S. 162; Trendel/Warlop (2005), S. 10. Vgl. Trendel/Warlop (2005), S. 10. 345 Siehe Anhang D3. 346 Für eine Übersicht, siehe Bearden/Netemeyer (1999). 347 Involvement kann dabei zwischen einem minimalen bis zu einem maximalen Niveau variieren. 348 Vgl. Zaichkowsky (1985); Richins/Bloch (1986). 349 Vgl. Celsi/Olson (1988), S. 211. 344
104
bung das Involvement eindimensional abgefragt, d. h. anhand eines einzigen Items („Mit folgenden Produktkategorien kenne ich mich gut aus, d. h. ich kenne einen Grossteil der wichtigsten Markenprodukte in diesen Produktkategorien gut?“), und auf einer 5-Punkte LikertSkala gemessen350.
Ebenfalls aus Gründen der zeitlichen Restriktion bei der Durchführung der Experimente sowie der Einfachheit werden die Variablen „Wissen bezüglich einer Marke“ und „Vertrautheit mit einer Sendung“ mittels eines einzigen Items („Wie gut vertraut sind Sie mit folgenden Markenprodukten, d. h. wie gut kennen Sie die folgenden Markenprodukte?“351 bzw. „Wie gut war Ihnen die Serie „Lüthi und Blanc“ vor dem gezeigten Filmausschnitt bekannt?“)352, d. h. eindimensional erhoben. Die verschiedenen Konstrukte wurden mittels einer 5-Punkte Likert-Skala gemessen, wobei die niedrigste und höchste Ausprägung als Ankerpunkte fungieren.
Bei der Messung des perzeptuellen Primings kann davon ausgegangen werden, dass ein Proband, der überdurchschnittlich viele Wortfragmente von Markennamen, die zuvor nicht in Form eines Product Placements präsentiert wurden, richtig ergänzen kann, über einen erhöhten lexikalischen Zugang zu Marktwissen verfügt und somit in der Testsituation prompter perzeptuelle Prozesse höherer Ordnung aktivieren kann. Je grösser die Anzahl der richtig ausgefüllten Wortfragmente von Filler-Marken ist, umso grösser ist der lexikalische Zugang zu Marktwissen. Entsprechend wurde lexikalischer Zugang zu Marktwissen anhand der Anzahl richtig ausgefüllter Wortfragmente von Filler-Marken gemessen353; d. h. je höher die Anzahl richtig ausgefüllter Wortfragmente von Filler-Marken, umso prompter ist der lexikalische Zugang zu Marktwissen.
Marktwissen wurde in vorliegender Arbeit direkt mittels der Anzahl genannter Markennamen über alle vier Produktkategorien im kategorialen Assoziationstest gemessen354. Dies entspricht dem von Feick/Price (1987) vorgeschlagenen Konzepts des „Market Maven“, also von Personen, die generell ein höheres Interesse als durchschnittliche Konsumenten am Markt
350
Siehe Anhang E. Siehe Anhang E. 352 Siehe Anhang C. 353 Siehe Anhang D2. 354 Siehe Anhang D3. 351
105
haben und entsprechend über ein eher ausgedehntes Wissen bezüglich verschiedener Märkte verfügen355.
6.4.5 Messansätze für das Konstrukt Einstellung zur Marke
Das Konstrukt der Einstellung zählt im Bereich der Marktforschung zu den am häufigsten gemessenen Konstrukten des Konsumentenverhaltens356. Einstellungen können sich dabei auf verschiedene Bezugspunkte wie beispielsweise Objekte, Personen oder Sachgegenstände beziehen und sind über die Zeit relativ stabile Konstrukte357. So kann die Einstellung auf zahlreiche verschiedene Arten gemessen werden358. Die Messung der Einstellung kann mittels einer eindimensionalen Konzeptualisierung erfolgen und beschreibt damit ausschliesslich die affektive Komponente. Es handelt sich hierbei um ein globales Evaluationsmass und reflektiert reaktive Auffassungen bezüglich eines Objekts als Ganzes359. Die Einstellung ist somit ein andauerndes positives oder negatives Gefühl gegenüber einem Bezugspunkt360. In dieser Arbeit wird das Konstrukt Einstellung somit eindimensional anhand der affektiven Komponente gemessen. Diese Variable wurde ebenfalls eindimensional („Wie ist Ihre Einstellung bezüglich der folgenden Markenprodukte, d. h. wie gut mögen Sie die folgenden Markenprodukte?“) und mittels einer 5-Punkte Likert-Skala erhoben mit jeweils der niedrigsten und höchsten Ausprägung als Ankerpunkte361.
6.5 Aufbau der Fragebögen
Für diese Studie sind insbesondere vier abhängige Variablen bzw. Konstrukte von Interesse, nämlich die explizite Erinnerung, das perzeptuelle Priming, das konzeptuelle Priming sowie die Einstellung zur Marke. Um die drei erst genannten Variablen für jeden Stimulus des faktoriellen Designs zu erheben, wurden jeweils vor dem Beginn mit der Durchführung des Experiments drei Gruppen von Probanden gebildet, so dass diese jeweils zu einem Erinnerungskonstrukt befragt werden konnten. Denn für die Messung dieser Konstrukte mussten verschiedene Messansätze verwendet werden362. Allerdings wurde das Konstrukt „Einstellung 355
Vgl. Feick/Price (1987), S. 83. Vgl. Homburg/Krohmer (2003), S. 39. 357 Vgl. Ajzen (2001), S. 38. 358 Für eine Übersicht, siehe Bearden/Netemeyer (1999). 359 Vgl. Chattopadhyay/Alba (1988), S. 3. 360 Vgl. Petty/Cacioppo (1981), S. 7. 361 Siehe Anhang E. 362 Siehe dazu auch Kapitel 4.4 und 6.4. 356
106
zur Marke“ bei allen drei Gruppen gleich gemessen. Die auf die Werbewirkung mediieredn einwirkenden Variablen wurden, je nachdem welchen Sachverhalt es betraf, auf einem der beiden Fragebögen abgefragt. Dabei wurde auch stets darauf geachtet, dass die Reihenfolge der Fragen logisch strukturiert blieb.
Der erste Fragebogen nach der Besichtigung des Filmausschnitts war für alle drei Gruppen gleich gestaltet363. Ziel der ersten Befragung war es insbesondere, Daten hinsichtlich relevanter Kontrollvariablen zu erheben und die Probanden mittels Filler-Fragen gleichzeitig vom eigentlichen Zweck des Experiments abzulenken. Das für die Datenanalyse relevante Item ist Frage 1 bezüglich der Vertrautheit der Soap („Wie gut war Ihnen die Serie „Lüthi und Blanc“ vor dem gezeigten Filmausschnitt bekannt?“). Der zweite Fragebogen364 wurde auf der ersten Seite, je nach interessierendem Konstrukt, für die drei Gruppen unterschiedlich gestaltet, die Rückseite hingegen war für alle drei Probandengruppen gleich gestaltet365. Es musste darauf geachtet werden, dass die Probanden nach Ausfüllen und Wenden der ersten Seite des zweiten Fragebogens, diesen nicht mehr umdrehten. Denn auf der zweiten Seite wurden die Zielmarken, zusammen mit Filler-Marken, bei der Abfrage nach der Einstellung zur Marke beispielsweise, aufgelistet. Dies hätte dazu führen können, dass die Probanden, die bezüglich der impliziten Erinnerung befragt wurden, gewisse Markennamen wieder erkannt hätten.
6.6 Stichprobe
Das folgende Kapitel beschreibt die Stichprobe der Datenerhebung, wobei es sich hier um ein Convenience Sample handelt. Die Nettostichprobe besteht aus insgesamt 404 Probanden, die hauptsächlich Studenten des Bachelor- und Master-Programms der Universität Freiburg (Schweiz) und der Berner Fachhochschule HSW sind. Allerdings waren insgesamt 16 Probanden keine Studenten und haben in erster Linie dazu gedient, eine möglichst ausgeglichene Zellenbesetzung für die verschiedenen Stimuli zu erreichen. Insgesamt 193 Frauen und 211 Männer haben an den Experimenten teilgenommen. Das Durchschnittsalter über alle Probanden beträgt 24.2 Jahre. Die Daten für diese Untersuchung wurden im Laufe der Monate April und Mai 2005 gesammelt. Dabei wurden jeweils nach dem Zufallsprinzip ungefähr 60 Pro363
Siehe Anhang C. Siehe Anhänge D1, D2 und D3. 365 Siehe Anhang E. 364
107
banden einem der sechs möglichen Stimuli ausgesetzt und 40 Probanden jeweils einer der beiden Kontrollgruppen bezüglich des perzeptuellen respektive konzeptuellen Primings zugeteilt366. Die Experimente wurden jeweils am Ende einer Vorlesung oder eines Seminars durchgeführt. Nicht-studentische Probanden wurden ausserhalb der Universität dem Experiment ausgesetzt. Allerdings mussten für die detaillierten Analysen zum Teil Fälle aufgrund unvollständiger Informationen aus der Stichprobe entfernt werden.
6.7 Vorgehensweise bei der Datenerhebung
Jeder Proband bekam jeweils nur eine Art von Placement für zwei verschiedene Markenprodukte zu sehen; es wurde somit ein Between-Subjects Design angewendet. Wie bereits in Kapitel 6.2 erwähnt, mussten deshalb sechs verschiedene Filmausschnitte produziert werden.
Beim gewählten Untersuchungsdesign war es zudem nicht möglich, sämtliche Probanden zu allen drei abhängigen Konstrukten zu befragen, denn das Abfragen eines bestimmten Erinnerungskonstruktes hätte die Antwort bezüglich der beiden anderen Erinnerungskonstrukte beeinflussen können. Insbesondere das Abfragen der beiden Konstrukte des perzeptuellen und konzeptuellen Primings hätte die Antworten zum jeweiligen anderen Konstrukt beeinflussen können. Wenn beispielsweise ein Proband in der Testphase einem kategorialen Assoziationstest unterzogen worden wäre, hätte sein Antwortverhalten unmittelbar einen Einfluss auf einen späteren Wortergänzungstest haben können.
Die verschiedenen Schritte des Experiments wurden wie folgt durchgeführt: Nachdem die Probanden durch den Untersuchungsleiter begrüsst wurden, wurde ihnen erzählt, dass zwei verschiedene, voneinander unabhängige Studien durchgeführt werden, nämlich eine Rezeptions- und eine Marktforschungsstudie. Allerdings wurden an dieser Stelle noch keine genaueren Angaben über den Hintergrund der beiden Studien gesagt. Die Probanden wurden anschliessend in drei ungefähr gleich grosse Gruppen eingeteilt.
Bezüglich der Rezeptionsstudie wurde den Teilnehmern erklärt, dass Ihnen ein kurzer (4minütiger) Filmausschnitt, der im Übrigen die platzierten Markenprodukte enthielt, gezeigt würde und dass sie anschliessend einige Fragen mittels eines Fragebogens zu ihrem Medienverhalten beantworten müssten. Dabei wurde ihnen eine Version der insgesamt sechs mögli366
Die exakten Zellenbesetzungen wurden im Rahmen der Darstellung der Datenauswertungen jeweils dezidiert angegeben.
108
chen Varianten des Kurzfilms gezeigt. Der erste Fragebogen367, der inhaltlich für alle gleich war, wurde nach dem Ende des Films ausgeteilt. Dieser war mit Fragen bezüglich verschiedener interessierender Konstrukten sowie Filler-Fragen versehen, die unter anderem auch zum Ziel hatten, vom wahren Hintergrund der Studie zusätzlich abzulenken.
In einem weiteren Schritt mussten die Probanden eine Ablenkungsaufgabe verrichten, indem sie einen Wettbewerbscoupon ausfüllen mussten. Dieser Schritt diente im Rahmen der empirischen Erhebung, wie bereits weiter oben erwähnt, dazu, die Probanden gedanklich abzulenken, bevor sie den zweiten Fragebogen beantworten mussten. Nachdem die Probanden den Coupon ausgefüllt hatten, wurde ihnen der zweite Fragebogen ausgeteilt, der Fragen zu den interessierenden abhängigen Konstrukte enthielt. Dabei wurde als Vorwand angegeben, dass es sich um eine Marktforschungsstudie handelt, bei dem das Wissen von Studenten über Markenprodukte ermittelt werden soll. Die verschiedenen Schritte der Datenerhebung sind in Abbildung 12 zusammengefasst.
Abbildung 12: Ablaufschritte der Datenerhebung Gruppenbildung Einführung/Erklärungen 1. Studie Filmausschnitt 1. Fragebogen Ablenkungsaufgabe (Wettbewerb) Einführung/Erklärungen 2. Studie 2. Fragebogen
367
Siehe Anhang C.
109
6.8 Datenanalyse
In einer ersten Phase werden mittels einfacher Häufigkeitsanalysen die deskriptiven Ergebnisse für die einzelnen Stimuli berechnet. Im Anschluss daran werden für die Analyse der in den Hypothesen 1 bis 5 postulierten Kausalzusammenhänge mittels eines logistischen Regressionsmodells überprüft. Diese multivariate Analysemethode erlaubt es, die Wirkung mehrerer erklärender metrischer sowie nicht-metrischer Variablen auf eine binäre, oder dichotome, abhängige Variable statistisch zu schätzen368. Abschliessend wird mittels t-Tests bei unabhängigen Stichproben die Wirkung der Erinnerung auf die Einstellung bezüglich einer Marke berechnet.
368
In vorliegender Studie handelt es sich bei den abhängigen Variablen „Erinnerung“ um ein 0/1 Ereignis, das durch die formalen und Kontrollvariablen erklärt werden soll.
110
7 Untersuchungsmodell und Ergebnisse In diesem Abschnitt werden in einem ersten Schritt die Datengewinnung und die Ergebnisse der Datenanalyse erläutert. Anschliessend werden die Ergebnisse der Untersuchung dargestellt und diskutiert sowie die Modellgüte beurteilt und die Modellannahmen geprüft.
7.1 Untersuchungsmodell und methodische Aspekte der Datenanalyse
Bei vorliegender Problemstellung handelt es sich bei der abhängigen Variable „Erinnerung“ um eine binäre (dichotome) Variable oder um ein so genanntes 0/1-Ereignis. Somit sind die Daten der abhängigen Variablen nominal skaliert. Es kann folglich keine herkömmliche Regressionsanalyse für die Analyse der Wirkungszusammenhänge angewendet werden, denn dies würde verschiedene Prämissen bezüglich der Residuen verletzen und somit die Schätzung der Parameter verfälschen369. Aufgrund vorher genannter Gründe und unter Beachtung der zahlreichen erklärenden Variablen erweist sich ein logistischer Regressionsansatz als Analysemethode für die Datenanalyse am zweckmässigsten, denn dieser kann den nicht-linearen Einfluss mehrerer erklärender Variablen auf eine dichotome, abhängige Variable schätzen370. Während eine klassische Regression eine konkrete Ausprägung von Y prognostizieren kann, berechnet die logistische Regression die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer bestimmten Ausprägung von Y. So können Wahrscheinlichkeiten, dass ein bestimmtes Ereignis eintritt, trotzdem anhand eines Regressionsmodells funktional beschrieben werden. Ein weiterer Vorteil dieser Analysemethode besteht darin, dass die erklärenden Variablen sowohl metrisch wie auch kategorial skaliert sein können. Dieses Schätzverfahren hat sich ausserdem als sehr robust erwiesen371.
Der theoretische Rahmen für das logistische Regressionsmodell soll nun kurz erklärt werden. Grundsätzlich ergeben sich in vorliegender Untersuchung für die drei Erinnerungskonstrukte jeweils folgende zwei Ereignisse:
y ik
^
1 wenn Pr oband i sich an Marke k erinnert, 0 sonst.
(1)
369
Vgl. Leeflang et al. (2000), S. 332. Vgl. Backhaus et al. (2006), S. 426. 371 Vgl. Hosmer/Lemeshow (2000), S. 18 ff. 370
111
Die Ausprägung yik = 1 bedeutet, dass das Ereignis „Proband i kann sich an gezeigte Marke k erinnern“ eintritt bzw. yki = 0, dass das Ereignis „Proband i kann sich an gezeigte Marke k erinnern“ nicht eintritt. Aus der Summe aller Antworten der Probanden lässt sich für die einzelnen Stimuli jeweils der relative Anteil an Probanden ermitteln, der sich entweder implizit oder explizit an eine im Filmausschnitt gezeigte Marke erinnern kann. Die Ereignisse für die drei Erinnerungskonstrukte und die jeweiligen Marken werden jeweils separat betrachtet, d. h. es soll jeweils für jedes Erinnerungskonstrukt, Bezug nehmend auf die abgefragt Marke, ein separates logistisches Regressionsmodell geschätzt werden.
Mit der logistischen Regression wird beabsichtigt, einen Zusammenhang zwischen der abhängigen Variablen p(y = 1), also der Eintrittswahrscheinlichkeit des Ereignisses y = 1, und den erklärenden Variablen x zu modellieren. Diesen Zusammenhang mittels der Gleichung p=ȕ0 + ȕ1x darzustellen, würde keinen Sinn ergeben, denn wenn ȕ1 ungleich 0 wäre, würden
extreme Werte für x nicht konsistente Ergebnisse aufgrund der Restriktion 0 d p d 1 ergeben. Um dieses Problem zu beheben, werden im Kontext der logistischen Regression so genannte Odds verwendet; diese widerspiegeln das Wahrscheinlichkeits- oder Chancenverhältnis von der Eintrittswahrscheinlichkeit p(yik = 1) zur Gegenwahrscheinlichkeit (yik = 0)372:
Odds( y 1)
p( y 1) 1 p( y 1)
(2)
Der Wertebereich des Ereignisses y = 1 wird mit Hilfe der Odds somit auf das Intervall [0;+ f ] erweitert373. So wäre beispielsweise das Ereignis y = 1 mit p = 0.7 als Chancenverhältnis von 2.33 (0.7/0.3) zu interpretieren, dass das Ereignis y = 1 eintritt und das Ereignis y = 0 nicht eintritt. Somit wäre die Chance bei einer Odd von 2.33, dass das Ereignis y = 1 eintritt, 2.33 mal höher als für das Ereignis y = 0.
Die Odds können zwar Werte, die grösser als 1 sind, annehmen, doch ist ihr Wertebereich nach unten limitiert. In einem weiteren Schritt muss deshalb ein unbeschränkter Wertebereich geschaffen werden. Eine Lösung dieses Problems besteht darin, die Odds zu logarithmieren, üblicherweise mit dem Logarithmus naturalis (ln), wobei diese Odds dann als Funktion der erklärenden Variablen fungieren. Somit ergibt sich folgende Regressionsgleichung374: 372
Vgl. Collett (1991), S. 35. Vgl. Backhaus et al. (2006), S. 443. 374 Vgl. Backhaus et al. (2006), S. 443. 373
112
Logit (Y1 / 0 X)
§ p · ln ¨¨ ¸¸ ©1 p ¹
K
E0 ¦ Ek * X k
Z ,
(3)
k 1
für i = 1,………….., n.
Die so genannten Logits, also die logarithmierten Odds, können so Werte im Intervall [-
f ;+ f ] annehmen und dementsprechend in eine sinnvolle Relation mit den unabhängigen Variablen gesetzt werden. Sie entsprechen zudem der aggregierten Einflussstärke Z der unabhängigen Variablen.
Auf diese Weise können die verschiedenen Regressionskoeffizienten aus Gleichung (3) geschätzt und so die Logits für eine gegebene Matrix von unabhängigen Variablen X berechnet werden. Im Vergleich mit einer klassischen Regression sind die Regressionskoeffizienten der Gleichung (3) allerdings schwieriger zu interpretieren, denn es besteht kein linearer Zusammenhang zwischen den unabhängigen und der abhängigen Variablen. Die logistische Regression verfügt nämlich über eine Logit Link-Funktion, d. h. sie berechnet Veränderungen in den logarithmierten Odds. Zur Vereinfachung kann man durch Bildung des Antilogarithmus die Regressionsgleichung wiederum auf die Odds beziehen:
K
E 0 ¦E k * X k § p · ¸¸ e k 1 Odds (Y1/ 0 X) ¨¨ eZ 1 p © ¹
(4)
Die geschätzten Parameter (ȕ-Koeffizienten) repräsentieren die Logits der unabhängigen Variablen innerhalb der logistischen Regressionsfunktion mit denen die logarithmierten Odds, dass die abhängige Variable y = 1 ist, berechnet werden können. e steht in Gleichung (4) für die Eulersche Zahl, die 2,7182818284... beträgt. Beträgt der Logit einer erklärenden Variablen beispielsweise ȕ1, dann erhöht sich der Wert der logarithmierten Odds der erklärten Variablen um ȕ1, wenn sich die erklärende Variable um eine Einheit verändert. Die Koeffizienten exp(ȕ) kleiner als 1 haben einen negativen Einfluss auf die Odds; wenn allerdings exp(ȕ) > 1 beträgt, ist ein positiver Einfluss vorhanden.
Bei der vorliegenden Arbeit resultiert für jeden Probanden entweder die Beobachtung y = 1 oder y = 0. Die Parameterschätzung erlaubt es, die Wahrscheinlichkeit p (y = 1) bzw. p (y = 0) für jeden Probanden zu berechnen, indem man folgende Transformation vornimmt375: 375
Vgl. Backhaus et al. (2006), S. 431.
113
K
P (Y 1 X)
e
E0 ¦ Ek * X k K
1 e
1
k 1
bzw.
E0 ¦ Ek * X k
(5)
K
1 e
k 1
(E 0 ¦ E k * X k ) k 1
Zur Schätzung der Parameter wird bei der logistischen Regression meist das MaximumLikelihood-Verfahren (ML-Verfahren) verwendet376. Dabei werden die in Gleichung (5) notierten Wahrscheinlichkeiten über alle Beobachtungen N gleichzeitig maximiert. Im Vergleich zum Kleinste-Quadrate-Schätzer soll mit diesem Verfahren erreicht werden, dass die Parameter so geschätzt werden, die geschätzten Variablen den Beobachtungen in der Stichprobe am ähnlichsten sind (Likelihood)377. Für grosse Stichproben sind Maximum-Likelihood-Schätzer asymptotisch effizient und konvergieren somit gegen eine normalverteilte Zufallsvariable378.
y
L
i N 1 · § 1 · § 3¨ ¸ ¨1 z z ¸ i 1 1 e i © ¹ © 1 e i ¹
1 y i
o MAX!
(6)
Dieses Maximierungsproblem kann auch anders formuliert werden, indem der natürliche Logarithmus der Likelihoodfunktion (6) analysiert wird379:
K
LL
¦ i 1
ª § 1 « y i * ln¨ 1 e zi © ¬
1 ·º ª § ¸» «(1 y i ) * ln¨1 z ¹¼ ¬ © 1 e i
·º ¸» ¹¼
(7)
Der ML-Schätzer maximiert den so genannten Loglikelihood, LL, der angibt, wie gross die Wahrscheinlichkeit (die Odds) ist, dass die beobachteten Werte der abhängigen Variablen von den beobachteten Werten der unabhängigen Variablen erklärt werden. Häufig angewendete iterative Vorgehensweisen zur Lösung des Maximierungsproblems zur Schätzung der verschiedenen Koeffizienten der Gleichungen (6) bzw. (7) sind der Newton-RaphsonAlgorithmus380 oder Fisher-Scoring-Algorithmus381. Mit den statistischen Programmpaketen SPSS und R kann die Extremwertbestimmung mittels dieser beiden iterativen Verfahren vorgenommen werden382.
376
Vgl. Hosmer/Lemeshow (2000), S. 8 ff. Vgl. Aldrich/Nelson (1984), S. 50; Collett (1991), S. 57; Harrell (2001), S. 228. 378 Vgl. Aldrich/Nelson (1984), S. 53. 379 Vgl. Harrell (2001), S. 228. 380 Vgl. Harrell (2001), S. 228. 381 Vgl. Collett (1991), S. 57 ff. 382 Vgl. Baltes-Götz (2005), S. 16; Dalgaard (2002), S. 201 ff. 377
114
Für die Schätzung des Einflusses der formalen Ausgestaltungsvariablen von Product Placements und der Kontrollvariablen auf die verschiedenen Erinnerungskonstrukte, wird auf der Basis der in Kapitel 5.1 bis 5.3 hergeleiteten Hypothesen folgendes, logistisches Regressionsmodell (8) formuliert:
Pb (Yb
1 , 1 e ( Z b )
1)
(8)
wobei:
Zb
K
J
k 1
j 1
E 0 ¦ E k X bk ¦ E j X bj H b
mit folgenden Einflussgrössen: 1) Wahrscheinlichkeit, dass der im Filmausschnitt präsentierte Markenname b implizit oder explizit erinnert wird, E0 = Konstante, Ek = Koeffizient für Markenname b, der die Stärke des Einflusses der jeweiligen formalen Ausgestaltungsvariable k angibt, Ej = Koeffizient für Markenname b, der die Stärke des Einflusses der jeweiligen Kontrollvariable j angibt, X bk = Ausprägung der k-ten formalen Ausgestaltungsvariable für den Markennamen b, X bj = Ausprägung der j-ten Kontrollvariable für Markenname b, Pb (Yb
Hb =
Fehlerterm für Marke b.
Wie bereits weiter oben in diesem Kapitel erwähnt soll für jedes Erinnerungskonstrukt, unter Beachtung der platzierten Marke, ein separates logistisches Regressionsmodell geschätzt werden. Die Ausprägungen der Gestaltungsvariablen Modalität werden dabei als Indikatorvariablen kodiert, deren geschätzten Koeffizienten jeweils mit dem gewählten Referenzniveau verglichen werden383.
Bevor jeweils die Schätz- und Testergebnisse präsentiert werden, werden die Modelle jeweils auf lokale Anpassungsschwächen überprüft. Zu diesem Zweck werden die standardisierten Residuen von Ausreissern analysiert und wenn nötig einflussreiche Fälle entfernt. Im Anschluss an die Präsentation der jeweiligen Ergebnisse werden die geschätzten Modelle auf die 383
Vgl. Agresti (2002), S. 177 ff.
115
ihnen jeweils zu Grunde liegenden Annahmen sowie auf ihre Güte überprüft. Dabei werden folgende diagnostische Informationen analysiert384:
x
Linearitätsannahme: Das oben formulierte logistische Modell unterstellt einen linearen Zusammenhang zwischen den Logits der unabhängigen und abhängigen Variablen. Wenn diese Annahme verletzt ist, dann kann das Modell die Stärke des Zusammenhangs unterschätzen. Deshalb wird mittels der Box-Tidwell Transformation diese Annahme überprüft. Dabei wird das logistische Regressionsmodell mit Interaktionstermen ergänzt, die das Produkt jeder unabhängigen Variablen mit ihrem natürlichen Logarithmus darstellt [(X)ln(X)]. Sollten diese Werte signifikant sein, so liegt NichtLinearität vor, wobei hervorzuheben ist, dass diese Methode nicht sensitiv bezüglich kleinerer Abweichungen ist.
x
Multikollinearität: Bei Multikollinearität besteht die Gefahr, dass die Standardfehler der Logit-Koeffizienten ansteigen und somit deren Reliabilität beeinträchtigt wird. In vorliegender Arbeit soll Multikollinearität aufgedeckt werden, indem jede unabhängige auf die übrigen unabhängigen Variablen regressiert und so die Toleranz berechnet wird.
x
Likelihood-Quotiententest zur globalen Nullhypothese: der Likelihood-Quotiententest, auch Modell F 2 -Test genannt, vergleicht den maximierten LL-Wert des geschätzten Modells mit dem LL-Wert des so genannten Null-Modells, bei dem alle Regressionskoeffizienten gleich Null gesetzt werden und nur die Konstante berücksichtigt wird. Eine grosse Differenz zwischen diesen beiden Werten lässt darauf schliessen, dass die unabhängigen Variablen die abhängige Variable unzureichend erklären.
x
Hosmer-Lemeshow Statistik: Die Hosmer-Lemeshow Statistik ergibt sich aus dem Vergleich der erwarteten mit den beobachteten Häufigkeiten und ist ein robusterer Goodness-of-Fit-Indikator. Dabei werden die Fälle auf der Basis der vorhergesagten Wahrscheinlichkeit in Dezile eingeteilt. Anschliessend wird auf der Basis der erwarteten und beobachteten Werte eine F 2 -Statistik berechnet. Diese gibt Auskunft darüber, wie gut die durch das Modell geschätzten Werte zu den beobachteten Werten passen. Dabei sollte das Signifikanzniveau für diese Statistik p > 0.05 sein, so dass die Nullhypothese, dass ein signifikanter Unterschied besteht, nicht verworfen werden kann.
384
Vgl. Backhaus et al. (2006), S. 445 ff; Baltes-Götz (2005), S. 18 ff; Collett (1991), S. 120 ff; Hosmer/Lemeshow (2002), S. 143 ff; Urban (1993), S. 62 ff.
116
x
Pseudo-R2 Statistik nach Nagelkerke: Diese Statistik versucht zu messen, wie stark der Zusammenhang zwischen den unabhängigen und der abhängigen Variablen ist. Dieser Wert ist dem traditionellen R2 der linearen Regression sehr ähnlich, allerdings ist er kein geeignetes Mass, um den Fit des logistischen Regressionsmodells zu bestimmen. Werte ab 0.2 werden in der Literatur als akzeptabel, ab 0.4 als gut und ab 0.5 als sehr gut eingeschätzt.
x
Prädiktive Effizienz: Eine zusätzliche Möglichkeit, den Modellfit zu überprüfen, kann mittels der Analyse der Klassifikationsergebnisse erreicht werden. Die Ausprägungen der beobachteten Werte werden dabei mit den Eintrittswahrscheinlichkeiten auf der Basis des geschätzten Regressionsmodells verglichen. Dabei wird meist als Trennwert für die Zuordnung der Trennwert von p(y) = 0.5 gewählt.
Die zu überprüfenden Modellannahmen und Gütekriterien werden in Tabelle 8 zusammengefasst.
117
Tabelle 8: Diagnostische Informationen bezüglich Modellannahmen und Gütekriterien Modellannahmen Annahme Beschreibung
Akzeptable Wertebereiche
Linearität
Modell wird auf Linearität überprüft
Box-Tidwell-Transformation sollte keine signifikanten Koeffizienten für Interaktionsterme ergeben
Multikollinearität
Keine lineare Abhängigkeit der Regressoren
Toleranzwerte sollten grösser als 0.1 sein
Gütekriterien Gütekriterium
Beschreibung
Akzeptable Wertebereiche
LikelihoodQuotiententest
Betrachtet Signifikanz des gesamten Modells
Möglichst hoher Chi Quadrat-Wert mit Signifikanzniveau < 0.05
HosmerLemeshow Statistik
Prüft Differenz zwischen geschätzten und beobachteten Werten
Möglichst kleiner Chi QuadratWert mit Signifikanzniveau > 0.1
Nagelkerke R2
Prüft Stärke des ZusammenAb 0.2 akzeptabel; ab 0.4 gut; ab hangs zwischen unabhängigen 0.5 sehr gut und abhängigen Variablen
Prädiktive Effizienz
Vergleicht beobachtete Werte Höher als Eintrittswahrscheinlichmit den geschätzten Eintrittskeit von p(y)=0.5 wahrscheinlichkeiten
Quelle: In Anlehnung an Backhaus et al. (2006), S. 456
Um den gemäss Hypothesen 11a und 11b postulierten Einfluss explizit und implizit erinnerter Informationen bezüglich einer platzierten Marke auf deren Einstellung statistisch zu schätzen, werden t-Test bei unabhängigen Stichproben durchgeführt, wobei jeweils die Probanden, Bezug nehmend auf die einzelnen Erinnerungskonstrukte explizite Erinnerung, perzeptuelles Priming und konzeptuelles Priming, einer der beiden Gruppen „erinnert“ bzw. „nicht erinnert“ zugeteilt werden.
7.2 Empirische Befunde zur Wirkung von Product Placement auf Rezipienten
Im vorhergehenden Kapitel 7.2 wurden die methodischen Aspekte der Datenanalyse erläutert. Darauf aufbauend sollen nun in diesem Gliederungsabschnitt auf der Basis der generierten Daten erste deskriptive Ergebnisse präsentiert sowie die Überprüfung der postulierten For118
schungshypothesen vorgenommen werden. Einleitend werden die deskriptiven Ergebnisse zu den drei Konstrukten „explizite Erinnerung“, „perzeptuelles Priming“ sowie „konzeptuelles Priming“ für die sechs unterschiedlich gestalteten Stimuli präsentiert, um so einen ersten Einblick in die empirischen Befunde zu erhalten und erste potentielle Zusammenhänge zu erkennen. Im Anschluss daran erfolgt die Analyse der postulierten Kausalzusammenhänge der Wirkungsbeziehung von formalen Ausgestaltungsvariablen und Effekten von Kontrollvariablen auf die verschiedenen Erinnerungskonstrukte. Ein weiterer Schritt in der Datenanalyse sieht vor, die Wirkung explizit und implizit erinnerter Marken auf die Einstellung zu den Marken zu eruieren. Den Abschluss der empirischen Analyse bilden die Beurteilung der Güte der geschätzten Modelle sowie die Überprüfung der jeweiligen Modellannahmen.
7.2.1 Uni- und bivariate Ergebnisse bezüglich der expliziten und impliziten Erinnerung der platzierten Marken für die verschiedenen Stimuli
Die Werte für die explizite Erinnerung, das perzeptuelle Priming und das konzeptuelle Priming für die sechs verschiedenen Stimuli, die die Zielreize bzw. Markennamen Nikon und Facts enthalten, werden in Abbildung 13, Abbildung 14 respektive Abbildung 15 präsentiert. Auf der Ordinate sind jeweils die relative Anzahl Probanden angegeben, die sich explizit an die im Filmausschnitt platzierten Markennamen erinnert haben respektive die platzierten Marken perzeptuell bzw. konzeptuell geprimt haben. Die Erläuterung der deskriptiven Ergebnisse hat zum Ziel, erste Tendenzen bezüglich des Antwortverhaltens der Rezipienten aufzudecken.
Aus Abbildung 13 ist zu erkennen, dass wenn ein Markenname sowohl visuell als auch verbal (Plot Placement) präsentiert und darüber hinaus zentral in die Handlung miteinbezogen wird (hohe Plot Connection), sich Rezipienten am häufigsten an diesen explizit erinnern können. Insgesamt haben 85 % (Nikon) bzw. 95 % (Facts) aller Probanden, die zu diesem Konstrukt befragt wurden, sich an die beiden platzierten Markennamen erinnert. Im Gegensatz dazu werden Screen Placements, im Zusammenhang mit einer tiefen Plot Connection, am schlechtesten erinnert. Allgemein ist aus untenstehender Grafik zu erkennen, dass Markennamen, die verbal in der Handlung erwähnt werden, dazu gehören die Plot und Script Placements, grundsätzlich besser erinnert werden als Screen Placements. Es lässt sich des Weiteren feststellen, dass eine hohe Plot Connection zu einer höheren expliziten Erinnerung führt.
119
Abbildung 13: Anteil an Probanden, die die Markennamen Nikon und Facts explizit erinnert haben Facts
0.95 0.84 (n=20) 0.76 (n=19) 0.65 (n=19) (n=23)
0.82 (n=19)
0.31 (n=19)
Stimulus 1 (Script/tief) Stimulus 2 (Screen/hoch) Stimulus 3 (Script/hoch) Stimulus 4 (Plot/hoch) Stimulus 5 (Screen/tief) Stimulus 6 (Plot/tief)
Nikon 0.85 1 0.78 0.79 (n=20) 0.9 (n=23) 0.70 (n=19) 0.65 0.8 (n=19) (n=19) 0.7 0.6 0.5 0.26; 0.4 (n=19) 0.3 0.2 0.1 0
Stimulus 1 (Script/tief) Stimulus 2 (Screen/hoch) Stimulus 3 (Script/hoch) Stimulus 4 (Plot/hoch) Stimulus 5 (Screen/tief) Stimulus 6 (Plot/tief)
Anteil an Probanden
Ein weiterer interessierender Wirkungszusammenhang in vorliegender Arbeit ist jener zwischen den formalen Gestaltungsvariablen von Product Placement und dem perzeptuellen Priming der Zuschauer. Bevor dieser allerdings betrachtet wird, sollen zuerst die relativen Häufigkeiten der perzeptuell geprimten Markennamen diskutiert werden, nachdem die Probanden dem Filmausschnitt ausgesetzt wurden.
Abbildung 14 zeigt die relative Anzahl an Probanden auf, die die in den Filmausschnitten platzierten Markennamen perzeptuell geprimt haben. Als Vergleichsbasis dient hier für jeden Stimulus die relative Anzahl an Probanden der Kontrollgruppe, die die beiden Zielreize, also die Markennamen, perzeptuell geprimt haben, ohne dabei den Filmausschnitt gesehen zu haben (in Abbildung 14 als Kontrollgruppe bezeichnet). Im Vergleich zu weiter oben stehenden Abbildung 13 ergibt sich hier eine andere Verteilung. Generell fällt auf, dass Product Placements, bei denen die Markennamen visuell dargestellt werden, also Plot und Screen Placements, öfters geprimt werden. Dabei scheint es keine Rolle zu spielen, ob die Markennamen stark oder schwach in die Handlung integriert werden. Dies ist für beide Markennamen der Fall, allerdings trifft diese Erkenntnis in den vorliegenden Ergebnissen eher für die Marke „Facts“ zu. Hervorzuheben ist auch die Tatsache, dass die relative Anzahl geprimter Markennamen in der Kontrollgruppe zum Teil nur unwesentlich von der Anzahl geprimter Markennamen in den Probandengruppen, die den Stimuli 1 und 3 (Script Placements) ausgesetzt waren, abweicht. Allerdings trifft auch dieses Ergebnis eher für die Marke Facts als für die Marke Nikon zu; dem ungeachtet lässt sich trotzdem eine gewisse Tendenz erkennen.
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Das höhere Priming innerhalb der beiden Experimentiergruppen, die den Stimuli 1 bzw. 3 ausgesetzt wurden, kann im Vergleich mit der Kontrollgruppe unter anderem auf weiter oben erklärtes Cross-Form Priming zurückgeführt werden. Die rein verbale Darstellung kann somit bei gewissen Probanden zu erhöhtem perzeptuellen Priming führen.
Die weiter unten stehenden Ergebnisse stützen somit die Erkenntnis, dass eine verbale Präsentation nur zu halb so starkem Priming in einem Wortergänzungstest führt, wie eine visuelle Darstellung385.
Abbildung 14: Anteil an Probanden, die die Markennamen Nikon und Facts perzeptuell geprimt haben Facts
0.24 (n=21)
0.78 (n=19)
0.29 (n=21)
0.19 (n=21)
Kontrollgruppe
0.60 0.56 (n=20) (n=19)
0.56 (n=19)
Stimulus 1 (Script/tief) Stimulus 2 (Screen/hoch) Stimulus 3 (Script/hoch) Stimulus 4 (Plot/hoch) Stimulus 5 (Screen/tief) Stimulus 6 (Plot/tief)
Kontrollgruppe
Nikon 0.87 0.84 1 (n=19) (n=19) 0.70 0.9 0.62 0.8 (n=19) 0.52 (n=19) 0.7 (n=21) 0.6 0.42 0.33 (n=21) 0.5 (n=21) 0.4 0.3 0.2 0.1 0 Stimulus 1 (Script/tief) Stimulus 2 (Screen/hoch) Stimulus 3 (Script/hoch) Stimulus 4 (Plot/hoch) Stimulus 5 (Screen/tief) Stimulus 6 (Plot/tief)
Anteil an Probanden
Wie bereits bei der Herleitung der Hypothesen vermutet, werden verbal oder verbal und visuell präsentierte Product Placements verstärkt konzeptuell geprimt (siehe Abbildung 15). Allerdings ist zu erkennen, dass konzeptuelles Priming auch nicht unbedingt in Zusammenhang mit einer hohen Plot Connection auftritt: Product Placements in Form von Plot und Script Placements werden unabhängig von der Plot Connection öfters konzeptuell geprimt. Zielreize, die rein visuell präsentiert werden und somit perzeptuelle bzw. physische Eigenschaften des Markennamens bzw. des Produkts zeigen, wurden im Vergleich mit den anderen Experimentiergruppen weniger oft konzeptuell geprimt. Wie sich aus Abbildung 15 erkennen lässt, weichen die relativen Häufigkeiten im Antwortverhalten der Probanden bezüglich der interessierenden abhängigen Variablen „konzeptuelles Priming“ für die beiden Markennamen voneinander ab. Es lässt sich auch hier eine grundsätzliche Tendenz erkennen, nämlich dass rein visuelle Product Placements weniger oft konzeptuell geprimt werden.
385
Vgl. Srinivas/Roediger (1990), S. 402 ff; Weldon (1991), S. 534 ff.
121
Aus Abbildung 14 ist für das Produkt Facts ein kleines Quantum von Cross-Form Priming zu erkennen, wobei diese Häufigkeit im Vergleich zu den Ergebnissen des konzeptuellen Primings umgekehrt ist: Verbal präsentierte Markennamen werden in geringem Masse perzeptuell geprimt als Markennamen, die sowohl verbal als auch mündlich dargestellt werden. Allerdings ist auch dieser Effekt in vorliegendem Fall nur schwach oder tritt bei der Marke Facts im Fall von Stimulus 5 überhaupt nicht auf (siehe Abbildung 15).
Abbildung 15: Anteil an Probanden, die die Markennamen Nikon und Facts konzeptuell geprimt haben
0.35 (n=20)
0.48 (n=21) 0.24 (n=21)
0.30 (n=20)
0.68 (n=19)
0.54 (n=22) 0.45 (n=22) 0.10 (n=20)
0.24 (n=21)
Kontrollgruppe
0.35 (n=20)
Facts
0.84 (n=19)
0.77 (n=22) 0.64 (n=22)
Stimulus 1 (Script/tief) Stimulus 2 (Screen/hoch) Stimulus 3 (Script/hoch) Stimulus 4 (Plot/hoch) Stimulus 5 (Screen/tief) Stimulus 6 (Plot/tief)
Nikon 0.67 (n=21)
Kontrollgruppe
1 0.9 0.8 0.7 0.6 0.5 0.4 0.3 0.2 0.1 0
Stimulus 1 (Script/tief) Stimulus 2 (Screen/hoch) Stimulus 3 (Script/hoch) Stimulus 4 (Plot/hoch) Stimulus 5 (Screen/tief) Stimulus 6 (Plot/tief)
Anteil an Probanden
Die Analyse der obigen Häufigkeitsverteilungen lässt vermuten, dass generell ein bivariater Zusammenhang zwischen der unterschiedlichen Ausgestaltung der Stimuli und den Erinnerungskonstrukten besteht. Deshalb soll dieser Sachverhalt in einem weiteren Schritt mittels adäquaten statistischen Verfahren überprüft werden. Eine Methode, die sich dazu eignet, ist der F 2 -Unabhängigkeitstest nach Pearson, der speziell für nominalskalierte Daten geeignet ist386. Dabei lautet die Nullhypothese, dass die Variablen „Ausgestaltung der Stimuli“ und „Erinnerung“ unabhängig voneinander sind. Allerdings kann dieser Test keinen Hinweis auf die Stärke des Zusammenhangs geben, weshalb an dieser Stelle zusätzlich das Mass des Cramer’s V herangezogen wird, das Werte zwischen 0 bis 1 annehmen kann. Im Vergleich zum Phi-Koeffizient eignet sich dieses Mass für Kreuztabellen mit mehr als zwei kategorialen Ausprägungen387. Die Ergebnisse sind in Tabelle 9 abgebildet.
386 387
Vgl. Wayne (1990), S. 182 ff. Vgl. Wayne (1990), S. 403 ff.
122
Tabelle 9: Masse bezüglich des Zusammenhangs zwischen der Ausgestaltung der Stimuli und den verschiedenen Erinnerungskonstrukten F 2-Wert
Explizite Erinnerung (Abbildung 14) Perzeptuelles Priming (Abbildung 15) Konzeptuelles Priming (Abbildung 16) ***
Nikon df
Cramer's V ***
F 2-Wert *** a
Facts df
Cramer's V
5
0.46***
***
20.06
5
0.42
23.73
19.87***
6b
0.38***
24.12***
6b
0.42***
27.51***
6b
0.44***
19.74***
6b
0.37***
Signifikant bei 1 % Signifikanzniveau
a
2 Zellen haben eine erwartete Häufigkeit von