UTOPIA-Sonderband Deutschlands erstes SCIENCE-FICTION-Magazin Nr. 2
INHALTSVERZEICHNIS Kurzgeschichten D i e s c h wa ...
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UTOPIA-Sonderband Deutschlands erstes SCIENCE-FICTION-Magazin Nr. 2
INHALTSVERZEICHNIS Kurzgeschichten D i e s c h wa r z e n H ö h l e n d e s M o n d e s
006
VON ROBERT A. HEINLEIN
Du sollst die Zukunft schauen
039
VON RAYMOND Z. GALLUN
056
Nullpunkt VON H. J. CAMPBELL
072
Ewige Wiederkehr VON A. E. VAN VOGT
Der Pionier
111
VON CLARK DARLTON
Vorstoß ins Nichts
142
VON WALLACE WEST
Das Ende der langen Reise
154
VON WALTER KUBILIUS
Unguh machte ein Feuer
170
VON ROSS ROCKLYNNE
Der integrierende Faktor
193
VON JESCO VON PUTTKAMER
Artikel H u g o G e r n s b a c k , d e r V a t e r d e r S c ie n c e F i c t i o n
030
VON WALTER ERNSTING
Die Planeten unseres Sonnensystems/Merkur
062
VON WOLF DETLEF ROHR
Der utopische Film in Hollywood
067
VON FORREST J ACKERMAN
Projekt Vanguard
105
VON URANUS
Gibt es eine Grenze des Universums?
126
VON OTTO WILLI GAIL
Morgen stoßen wir in den Weltraum vor
142
VON WOLF DETLEF ROHR
Regelmäßige Beiträge D a s A n a l yt i s c h e L a b o r Science Fiction Check List
200 202
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Copyright-Vermerke: THE BLACK PITS OF LUNA von Robert A. Heinlein. Alle deutschen Rechte bei Agentur Liepman, Hamburg-Ohlstedt. LET'S SEE THE FUTURE von Raymond Z. Gallun. Copyright 1956 by Erich Pabel Verlag. Deutsche Rechte: SF & Lit. Agy. ZERO von H. J. Campbell. Copyright 1954 bei NEBULA Science Fiction. Deutsche Rechte: SF & Lit. Agy. REPETITION von A. E. van Vogt. Copyright 1940 by Street & Smith Publications for ASTOUNDING SCIENCE FICTION. Deutsche Rechte: SF & Lit. Agy. DER PIONIER von Clark Darlton. Copyright 1956 by Erich Pabel. JOURNEY'S END von Walter Kubilius. Copyright 1943 und 1951 by Fictioneers, Inc. for SUPER SCIENCE STORIES. Deutsche Rechte: SF & Lit. Agy. VOYAGE TO NOWHERE von Wallace West. Copyright 1955 by Columbia Publications, Inc. for FUTURE SCIENCE FICTION. Deutsche Rechte: SF & Lit. Agy. UNGUH MADE A FIRE von Ross Rocklynne. Copyright 1940 by Street & Smith Publications for ASTOUNDING SCIENCE FICTION. Deutsche Rechte: SF & Lit. Agy. DER INTEGRIERENDE FAKTOR von Jesco v. Puttkamer. Copyright 1956 by Erich Pabel Verlag. Die Rechte an allen hier nicht aufgeführten Beiträgen liegen beim Verlag Erich Pabel, Rastatt.
Gescannt und bearbeitet von:
UTOPIA-Sonderband, Deutschlands erstes SF-Magazin Erich Pabel Verlag, Rastatt (Baden) Herausgeber und Verleger sowie Gesamtherstellung und Auslieferung: Druck- und Verlagshaus Erich Pabel, Rastatt (Baden). Alleinauslieferung für Österreich: Eduard Verbik, Salzburg, Gaswerkgasse 7. - Gewerbsmäßige Weiterverbreitung dieses Heftes in Lesezirkeln nur mit vorheriger Zustimmung des Verlegers zulässig. Gewerbsmäßiger Umtausch, Verleih oder Handel unter Ladenpreis vom Verleger untersagt. Zuwiderhandlungen verpflichten zum Schadenersatz.
Titelbild von Paul Blaisdell, Hollywood Innenillustrationen: Brück, Kramer, Schomburg und Calle
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Die utopische Kurzgeschichte – auch in Deutschland ein Erfolg? Vor dem Erscheinen des ersten Sonderbandes der UTOPIAReihen war in Deutschland die utopische Kurzgeschichte in weitesten Leserkreisen so gut wie unbekannt. Lediglich einige wenige der englischen Sprache mächtige Freunde der ScienceFiction-Literatur kannten die SF-Story aus amerikanischen Magazinen und Anthologien. Es blieb daher dem Sonderband l, Deutschlands erstem Science-Fiction-Magazin vorbehalten, der utopischen Kurzgeschichte in unserem Lande eine Lanze zu brechen und alle Leser der UTOPIA-Groß- und Kleinbände auf die gute SF-Kurzgeschichte aufmerksam zu machen. Die Auswahl der Beiträge für den ersten UTOPIA-Sonderband wurde sorgfältig getroffen; denn die Aufgabe eines Magazins ist es, durch reichhaltige Darbietung seine Leser zu unterhalten. Das garantierte die große Zahl von Kurzgeschichten, Artikeln und anderen Beiträgen, und der Sonderband l fand bei allen Lesern und Freunden der Science-Fiction-Literatur lebhaften Anklang. Um nur zwei Beiträge aus dem ersten UTOPIASonderband zu erwähnen: Robert A. Heinleins ›Die ewige Wacht‹ und Ross Rocklynnes ›Ausklang‹ werden den Lesern unvergessen bleiben; denn gerade diese beiden Stories beweisen, daß die Science-Fiction-Literatur nicht die Fürsprecherin einer gefühllosen und materialistischen Technisierung des menschlichen Lebens ist, sondern daß der Mensch und die Gefühle, die ihn bewegen, stets im Mittelpunkt aller Handlung stehen. Bevor Sie nun, verehrter Leser, mit der Lektüre des zweiten Sonderbandes beginnen, lassen Sie uns noch kurz auf einige der Beiträge eingehen. Neben einer Reihe bereits bekannter Autoren tauchen diesmal einige neue Namen auf. Robert A. Heinlein, der schon im ersten Sonderband vertreten war, schrieb die herzerfrischende kleine Story ›In den
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schwarzen Höhlen des Mondes‹. Sicherlich werden sich viele von Ihnen des vorwitzigen jüngeren Bruders erinnern, der immer dann etwas anstellte, wenn man es am wenigsten erwartete. Zum ersten Mal im Sonderband, doch seit Jahrzehnten bereits einer der wirklich ›Großen‹ der ScienceFiction, A. E. van Vogt, dessen packende Story ›Ewige Wiederkehr‹ wir allen Freunden des Abenteuers auf fremden Planeten widmen. Obwohl es nicht das Anliegen unseres Magazins ist, den Leser mit technischen Artikeln und schwerverständlichen Abhandlungen zu überfallen, so finden Sie auch dieses Mal wieder eine Reihe interessanter Beiträge und populärwissenschaftlicher Artikeln, die, allgemeinverständlich geschrieben, neben der unterhaltenden Lektüre sozusagen unbemerkt eine gute Portion brauchbaren Wissens vermitteln, das an anderer Stelle oft sehr trocken und schwerverständlich dargeboten wird. Bekannte Namen, wie Forrest J. Ackerman, Otto Willi Gail, Hugo Gernsback und Wolf Detlef Rohr, bürgen für interessante und belehrende Unterhaltung. Einen besonders aktuellen Artikel schrieb der Leiter der wissenschaftlichen Abteilung des SCIENCE-FICTION CLUB DEUTSCHLAND: ›Projekt Vanguard‹, die Verwirklichung einer vor gar nicht allzu langer Zeit noch als utopisch und wirklichkeitsfremd bezeichneten Idee. Wir sind davon überzeugt, daß der UTOPIA-Sonderband 2 alle unsere Leser erneut begeistern und darüber hinaus der utopischen Kurzgeschichte neue Freunde gewinnen wird. Wenn Sie diesen Artikel lesen, sind in der Utopia-Redaktion bereits die Arbeiten zur Zusammenstellung eines dritten Kurzgeschichtenbandes im Gange. UTOPIA-SF-Magazin wird diese neue Reihe heißen. Nach Amerika und England welche SF-Geschichten bereits seit Jahrzehnten kennen, sind diese auch in Frankreich, Italien,
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Spanien und Schweden seit Jahren erschienen. In all diesen Ländern fand die utopische Kurzgeschichte begeisterte Aufnahme bei weitesten Leserkreisen, und die Erfahrung zeigt: Auch in Deutschland, dem Land der Technik, wurde die SFStory zu einem großen Erfolg. DER EDITOR
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DIE SCHWARZEN HÖHLEN DES MONDES von Robert A. Heinlein Eines Tages wird ein Ausflug auf die Oberfläche des Mondes etwas völlig Alltägliches sein. Doch ein aufgeweckter Junge erlebt hier sein größtes Abenteuer …
Am Morgen nach unserer Ankunft auf dem Mond gingen wir nach Rutherford hinüber. Papa und Mr. Latham – Papa war nach Luna City gekommen, um Mr. Latham zu besuchen – hatten dort ohnehin geschäftlich zu tun, und ich konnte Papa dazu bringen, daß er mich mitnahm; denn dies schien die einzige Gelegenheit zu sein, einmal auf die Oberfläche des Mondes zu kommen. Luna City ist zwar nicht uninteressant, aber ich möchte wetten, daß sich die unterirdischen Gänge hier und unten in New York durch nichts unterscheiden, außer natürlich, daß man hier oben leichter auf den Füßen war. Als Papa ins Hotel zurückkam, um zu sagen, daß wir uns fertigmachen sollten, spielte ich gerade mit meinem kleinen Bruder. Mutti hatte sich niedergelegt und mich gebeten, darauf zu achten, daß der Balg sich ruhig verhielte. Sie war den ganzen Flug über fallkrank gewesen, und ich glaube, sie fühlte sich noch immer nicht ganz wohl. Der Balg hatte mit dem Lichtschalter gespielt und die Deckenbeleuchtung abwechselnd von ›Dämmerung‹ auf ›Wüstenglühen‹ gestellt. Ich schnappte ihn mir und setzte ihn auf den Fußboden. Papa kam herein und sagte: »Unser Programm hat sich geändert, Liebste. Wir gehen gleich nach Rutherford. Du kommst doch mit?«
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Mutti stöhnte. »Ach, du meine Güte – ob ich das schaffen werde? Nimm nur Dickie mit; Baby Liebling und ich werden hierbleiben und einen ruhigen Tag verbringen.« Baby Liebling war der Balg. Ich hätte ihr gleich sagen können, daß der Balg ganz anderer Ansicht war. Er fuchtelte wild mit den Armen und fragte: »Wer? Was? Ich geh’ auch mit. Gehen wir!«
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Mutti meinte: »Aber, Baby Liebling, du wirst deiner Mutti doch keinen Kummer bereiten. Wir wollen ins Kino gehen, nur wir zwei.« Der Balg ist sieben Jahre jünger als ich, aber wenn man etwas von ihm will, redet man ihn besser nicht mit Baby Liebling an. Er fing an zu heulen. »Du hast aber gesagt, ich dürfte mit!« begann er zu kreischen. »Nein, Baby Liebling. Das habe ich nicht gesagt. Ich –« »Papa hat gesagt, ich darf mit!« »Richard, hast du Baby versprochen, er dürfte mitgehen?« »Wie? Nein, Liebste, nicht daß ich wüßte. Vielleicht habe ich –« Der Balg machte Krach. »Du hast gesagt, ich darf überall hingehen, wo Dickie hingeht. Du hast es versprochen, du hast es versprochen, du hast es versprochen!« Man muß es dem Balg lassen: Wenn es darauf ankommt, Durcheinander zu schaffen, ist er in jedem Fall Meister. Denn schon hatte er sie so weit gebracht, daß sie sich stritten, wer wem was gesagt hätte. Jedenfalls hatten sie sich noch nicht beruhigt, als wir zwanzig Minuten später in die Rakete stiegen, die den Pendelverkehr zwischen Luna City und Rutherford aufrecht erhält. *
Die Fahrt dauerte nur zehn Minuten. Viel gab es dabei nicht zu sehen, außer kurz nach dem Start, wenn man einige Augenblicke die Erde sehen kann. Doch dann kommt nichts mehr, denn die Atomkraftwerke liegen natürlich alle auf der anderen, der Erde abgewandten Seite des Mondes. Ein rundes Dutzend Touristen war mit in der Rakete, von denen die meisten fallkrank wurden, als die Rakete sich im freien Flug befand. Mutti übrigens auch.
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Es gibt eben Leute, die können sich beim besten Willen nicht ans Raketenfahren gewöhnen. Doch Mutti erholte sich gleich wieder, nachdem wir gelandet waren und die Oberfläche verlassen hatten. Rutherford ist nicht Luna City. In Luna City gelangen die Reisenden direkt vom Schiff durch eine Röhre in das Mondinnere. Hier jedoch stiegen wir in einen luftdichten Omnibus um, der uns zu dem etwa fünfzehnhundert Meter entfernten Eingang zu den sublunaren Gängen brachte. Die Fahrt mit dem Bus machte mir Spaß und dem Balg auch. Papa hatte in Rutherford geschäftlich zu tun und ging mit Mr. Latham weg. Mutti, ich und der Balg schlugen uns zu einer Reisegesellschaft, die gerade eine Führung durch die Laboratorien machte. Es war gut, aber aufregend war es nicht. So weit ich es beurteilen kann, sieht ein Atomkraftwerk wie das andere aus. Rutherford hätte genausogut ein großes Werk in der Nähe von Chicago sein können. Es unterschied sich nur dadurch, daß es auf dem Mond lag. Was ich damit sagen will, ist, daß alles, das sehenswert wäre, hinter dicken Schutzmauern verborgen ist. Was man sieht, sind einige Skalen, Schalter und Kontrollämpchen und die Männer in weißen Kitteln, die die Uhren überwachen. Alles ist ferngesteuert, wie in Oak Ridge. Die Führer erzählten uns von Experimenten, die gerade im Gange sind, und führten uns Filme vor – das war alles. Ich konnte unseren Führer gut leiden. Er sah aus wie Tom Jeremy in der Video-Schau ›Raum-Patrouille‹. Ich fragte ihn, ob er wohl Raumfahrer wäre, und er sah mich mit einem komischen Blick an und sagte nein, er wäre bloß ein ›Colonial Services Ranger‹. Dann fragte er mich, wo ich zur Schule ginge und ob ich zu den Pfadfindern gehörte. Er erzählte mir, er wäre Pfandfinderführer in Rutherford City.
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Papa und Mr. Latham gesellten sich zu uns, als die Führung fast vorüber war, gerade als Mr. Perrin – das ist unser Führer – einen Ausflug nach draußen ankündigte. »Zu diesem Rundgang durch Rutherford gehört ein kurzer Ausflug auf die Oberfläche des Mondes. Wir besuchen den ›Friedhof des Teufels‹ und den Schauplatz der ›Großen Katastrophe von 1984‹. Dieser Teil des Rundganges ist freiwillig. Er ist völlig ungefährlich, jedenfalls ist bis heute noch nichts geschehen, aber die Verwaltung verlangt, daß jeder Einzelne, der den Ausflug mitmachen möchte, ein besonderes Formular unterschreibt. Der Ausflug dauert ungefähr eine Stunde. Wer sich nicht daran beteiligen möchte, findet Filmvorführungen und Erfrischungen in der Cafeteria.« Papa rieb sich die Hände. »Da muß ich mit«, kündigte er an. »Mr. Latham, ich freue mich, daß wir rechtzeitig fertig wurden. Diesen Ausflug hätte ich unter keinen Umständen verpassen wollen.« »Er wird Ihnen gefallen«, stimmte Mr. Latham bei, »und auch Ihnen, Mrs. Logan. Ich würde gerne mitkommen!« »Warum kommen Sie nicht mit?« fragte Papa. »Geht nicht. Ich muß noch die Papiere fertigmachen, damit Sie und der Herr Direktor sie unterschreiben können, bevor Sie nach Luna City zurückfahren.« »Das eilt doch nicht so«, drängte Papa. »Wenn das Wort eines Mannes nichts taugt, dann tut es sein unterschriebener Vertrag auch nicht. Sie können mir den ganzen Kram per Post nach New York schicken.« Mr. Latham schüttelte den Kopf. »Nein – ich war schon so oft draußen gewesen, und die Papiere gehen vor. Aber ich komme mit und helfe Ihnen in Ihre Raumanzüge.« Mutti meinte: »Ach du meine Güte …« Sie glaubte, sie würde lieber nicht mitgehen. Sie konnte es sicherlich nicht vertragen,
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in einem engen Raumanzug eingeschlossen zu sein, und dann bekam sie vom grellen Sonnenlicht immer so Kopfschmerzen. »Jetzt mache doch keine Umstände, Liebste«, sagte Papa. »Eine solche Gelegenheit gibt es nur einmal im Leben«, und Mr. Latham beruhigte sie, daß die Filter in den Helmen das Sonnenlicht dämpften. Aber Mutti ist nun einmal so. Erst ist sie dagegen, doch dann willigt sie immer ein. Ich glaube, Frauen können einfach nicht konsequent bleiben. Genau wie am Abend zuvor. Sie hatte sich ein tolles Mondkleid gekauft, um es im Hotel zum Dinner anzuziehen. Doch dann hatte sie kalte Füße bekommen und zu Papa gesagt, sie wagte es nicht, sich in einem solchen Kleid sehen zu lassen. Dafür wäre sie nicht schlank genug. Na ja, mit ihrem kurzen Röckchen und oben auch nicht viel hat sie eine ganze Menge Fleisch gezeigt. Papa hatte gemeint: »Unsinn, Liebste, du siehst bezaubernd aus.« Und so hatte sie es dennoch angezogen und einen vergnügten Abend verbracht, ganz besonders dann, als ein Raumpilot mit ihr durchbrennen wollte. Aber so war es immer. Und so kam sie auch diesmal mit. Wir gingen alle in den Raum, wo die Raumanzüge hingen, und während Mr. Perrin die Formulare zum Unterschreiben verteilte, sah ich mich ein bißchen um. Am anderen Ende des Raumes befand sich die mächtige Luftschleuse, die auf die Mondoberfläche hinausführte. In der Innentür wie in der Außentür befand sich je ein Bullaugenfenster, durch das man die sonnenbestrahlte Oberfläche sehen konnte. Sie sah heiß und drohend aus, selbst durch die Filtergläser der beiden Bullaugen. An der Längswand des Raumes hingen zwei Reihen von Raumanzügen, und man hätte meinen können, es wären lauter Männer, die da baumelten. Ich schnüffelte überall herum, bis Mr. Perrin zu uns kam.
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»Der Kleine kann bei der Stewardeß in der Cafeteria bleiben«, schlug er Mutti vor. Er strich dem Balg über den Haarschopf. Doch als der Balg versuchte, ihn zu beißen, zog er die Hand schnell wieder außer Reichweite. »Vielen Dank, Mr. Perrin«, sagte Mutti, »ich glaube, das wäre das beste – aber vielleicht sollte ich doch hier bei ihm bleiben.« »Das wird nicht nötig sein«, meinte Mr. Perrin. »Die Stewardeß wird sich um ihn kümmern.« Ich frage mich, warum Erwachsene im Beisein von Kindern immer so reden müssen, als würden die Kinder kein Wort verstehen. Es wäre besser gewesen, sie hätten den Balg einfach gepackt und in die Cafeteria gebracht. Denn jetzt wußte er, daß er überfahren werden sollte. Er sah sich herausfordernd um und sagte: »Ich komme mit«, ganz laut, und: »Ihr habt es versprochen.« »Aber Baby Liebling«, versuchte Mutti ihn zu besänftigen. »Mutti hat dir nicht versprochen –« Aber es wäre besser gewesen, sie hätte nichts gesagt. Der Balg zeigte, welche Lautstärke er hatte. »Du hast gesagt, ich darf überall hin, wo Dickie hingeht; du hast es mir versprochen, als ich krank war. Du hast es mir versprochen, du hast es mir versprochen – « ohne Ende und immer lauter und schriller. Mr. Perrin sah sich verlegen um. Mutti sagte: »Richard, kümmere dich einmal um deinen Jüngsten. Schließlich hast du es ihm versprochen.« »Ich, Liebste?« Papa tat erstaunt. »Aber wir wollen den Fall nicht umständlicher machen, als er schon ist. Wenn wir ihm versprochen haben, daß er tun darf, was Dickie tut – ja dann wäre es wohl am einfachsten, wir nähmen ihn mit.« Mr. Perrin räusperte sich. »Ich fürchte, das geht nicht. Ich kann Ihrem ältesten Sohn einen Frauenanzug geben; für sein Alter ist
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er schon ziemlich groß. Aber für kleine Kinder haben wir keine Ausstattung.« Und so kam es, wie es kommen mußte. Der Balg bringt Mutti auf die Palme, sie macht Papa verrückt. Der wird dann immer rot im Gesicht, und auf mir bleibt alles hängen. Es ist wie bei einer Kettenreaktion, wobei ich am Ende der Kette sitze und niemand da ist, an den ich es weitergeben könnte. Jedenfalls kamen sie zu dem prächtigen Schluß – ich sollte zurückbleiben und mich um Baby Darling kümmern, diesen Balg! »Aber Papa«, protestierte ich. »Du hast doch gesagt –« Weiter ließ er mich nicht kommen. »Keine Widerrede«, unterbrach er mich. »Ich möchte hier keine Szene aufführen. Du hast gehört, was deine Mutter gesagt hat.« Ich war verzweifelt. »Schau doch, Papa«, sagte ich leise, »wenn ich auf die Erde zurückkomme, ohne auch nur einmal auf der Mondoberfläche gewesen zu sein, wirst du mich auf eine andere Schule schicken müssen. Nach Lawrenceville gehe ich jedenfalls nicht zurück; die würden mich dort alle auslachen.« »Darüber reden wir noch, wenn wir nach Hause kommen.«
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»Aber Papa, du hast mir doch ausdrücklich versprochen –« »Das genügt, junger Mann. Es bleibt dabei.« Mr. Latham hatte die ganze Zeit neben uns gestanden und schweigend zugehört. Jetzt wandte er sich an Papa und meinte mit einem Augenzwinkern: »Nun, R.J. ich hatte immer geglaubt, Sie würden zu Ihrem Wort stehen.« Ich sollte das nicht hören, jedenfalls hörten es die anderen Leute nicht, und das war gut so; denn man darf Papa nicht wissen lassen, daß man weiß, daß er unrecht hatte. Da wird er nur noch hartnäckiger. Ich beeilte mich daher, das Thema zu wechseln. »Sieh doch, Papa, vielleicht können wir alle hinausgehen. Wie steht es mit dem Anzug da drüben?« Ich zeigte auf einen Anzug, der hinter einer Angrenzung hing. An einem Ständer hingen hinter einer verschlossenen Drahtgittertür etwa zwanzig Anzüge, darunter auch einer, dessen Füße kaum bis zu der Taille des daneben hängenden reichten. »Huh?« Papas Gesicht hellte sich auf. »Sieh an, den brauchen wir! Mr. Perrin! O Mr. Perrin – hören Sie! Ich dachte, Sie sagten vorhin, es gäbe keine kleinen Anzüge. Aber da ist doch einer, der würde passen.« Papa rappelte an der verschlossenen Tür. Mr. Perrin trat hinzu. »Diesen Anzug können wir nicht benützen, mein Herr.« »Was? Warum nicht?« »Alle Anzüge in diesem Raum sind Privateigentum und können nicht verliehen werden.« »Was? Unsinn – Rutherford ist doch öffentliches Unternehmen. Ich möchte diesen Anzug für meinen Sohn mieten.« »Nun, da kann ich Ihnen nicht helfen.« »Ich werde den Direktor rufen!« »Ich fürchte, das müssen Sie sogar. Dieser Anzug wurde nämlich speziell für dessen Töchterchen angefertigt.«
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»Ich werde den Direktor rufen!« »Ich fürchte, das müssen Sie sogar. Dieser Anzug wurde nämlich speziell für dessen Töchterchen angefertigt.« Und das taten sie dann auch, Mr. Latham rief den Direktor an, Papa sprach mit dem Direktor, dann sprach der Direktor mit Mr. Perrin und dann wieder mit Papa. Der Direktor hatte nichts einzuwenden, jedenfalls bei Papa nicht, wenn Papa den Anzug haben wollte, aber er konnte Mr. Perrin nicht vorschreiben, ein kleines Kind mit nach draußen zu nehmen. Mr. Perrin wollte anfangs nicht recht, aber Papa verstand es, den Mann zu besänftigen, und schließlich kletterten wir alle in unsere Anzüge. Der Innendruck wurde überprüft, dann der Sauerstoffvorrat, und die Sprechverbindung wurde eingeschaltet. Mr. Perrin sprach zu uns über die Funkgeräte und mahnte jeden, nicht viel zu sprechen, da wir alle die gleiche Welle benützten. Wir sollten ihm das Sprechen überlassen und keine Zwischenbemerkungen machen, sonst wäre es unmöglich, etwas zu hören. Dann drängten wir uns in die Luftschleuse, und er warnte uns, nicht auseinanderzulaufen und auszuprobieren, wie weit und wie hoch wir springen könnten. Mein Herz schlug wie wild vor lauter Aufregung. Die äußere Tür der Schleuse öffnete sich, und wir schritten auf die Oberfläche des Mondes hinaus. Es war so wunderbar, wie ich es schon immer geträumt hatte, aber ich war in diesem Augenblick so aufgeregt, daß ich es gar nicht richtig bemerkte. Das Gleißen der Sonne war das Hellste, was ich je gesehen habe, und die Schatten waren so tiefschwarz, daß man beim Hinsehen fast nichts erkennen konnte. Außer den Stimmen über den Empfänger im Helm des Anzuges war nichts zu hören, und wenn man ihn abstellte, herrschte ringsum eine unheimliche Stille. Der Bimsstein war weich und wirbelte um unsere Füße wie Rauch, der träge auf- und absteigt. Sonst bewegte sich nichts. Es
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war die lebloseste Gegend, die man sich vorstellen kann. Wir folgten einem Pfad und blieben ziemlich dicht hintereinander. Nur einmal mußte ich dem Balg nachsetzen, als er entdeckte, daß er hier 7 Meter hoch springen konnte. Ich hätte ihm am liebsten eine geklebt, aber so lange er einen Raumanzug anhatte, war das zwecklos. Nach einer Weile bat uns Mr. Perrin anzuhalten und begann mit seinem Vortrag. »Sie befinden sich jetzt im ›Friedhof des Teufels‹. Die beiden Felsenzacken hinter Ihnen erheben sich tausend Meter über der Ebene und wurden noch nicht bestiegen. Die Zacken oder Gedenksteine, wie wir sie auch nennen, wurden nach apokryphischen oder mythischen Wesen benannt, weil diese phantastische Szene hier einem überdimensionalen Friedhof ähnelt. Beelzebub, Thor, Siva, Kain, Set –« Er zeigte uns die Felsen. »Lunologen sind sich noch nicht einig über den Ursprung dieser seltsamen Gebilde. Einige glauben, die Einflüsse von Luft und Wasser und vulkanischer Tätigkeit erkennen zu können. Wenn das stimmt, müssen diese Zacken unglaublich alt sein, denn wenn wir heute den Mond betrachten –« Es war derselbe Zauber, wie man ihn jeden Monat im ›Weltraum-Magazin‹ zu lesen bekommt, nur mit dem Unterschied, daß wir dabei waren und alles mit eigenen Augen sehen konnten, und das macht was aus! Die Zacken erinnerten mich an die Felsenspitzen in dem ›Garten Gottes‹ in Colorado Springs, wo wir uns im vergangenen Sommer aufhielten. Nur waren die Felszacken hier viel größer. Der Himmel, in den sie hineinragten, war tiefschwarz statt blau, und die Sterne leuchteten unheimlich hell und durchdringend. Ein ›Ranger‹ mit einer Kamera hatte uns begleitet, und Mr. Perrin wollte gerade etwas sagen, als der Balg zu quatschen anfing. Ich mußte sein Sendegerät abstellen, damit man
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überhaupt etwas verstehen konnte. Ich schaltete es auch nicht eher wieder, an, als bis Mr. Perrin zu reden aufgehört hatte. Er bat uns, wir sollten uns in einer Reihe vor den Felsenzacken aufstellen, damit der ›Ranger‹ eine Gruppenaufnahme machen konnte. »Strecken Sie Ihre Köpfe bitte in den Helmen nach vorne, damit man Ihr Gesicht erkennen kann. Alles lächeln. Fertig!« sagte Mr. Perrin, als der andere den Verschluß auslöste. »Wenn wir zurückkommen, werden die Abzüge fertig sein. Das Stück kostet zehn Dollar.« Ich überlegte mir, ob ich ein Bild kaufen sollte. Eigentlich brauchte ich zwei; eines für mein Zimmer und das andere für – na ja, ich brauchte eben zwei. Ich hatte noch achtzehn Dollar von meinem Geburtstagsgeld übrig, und Mutti würde sich bestimmt überreden lassen, mir den Rest zu geben. So bestellte ich denn zwei Abzüge. Wir gingen eine Anhöhe hoch und standen plötzlich am Rand eines riesigen Kraters. Es war der Katastrophen-Krater, das heißt, was von dem ersten Mond-Laboratorium übriggeblieben war. Der Krater hatte einen Durchmesser von über dreißig Kilometern, und sein Boden war anstelle von Bimsstein mit grünem Glas bedeckt, in dem sich bei der ungeheuerlichen Hitzeentwicklung Blasen verschiedener Größe gebildet hatten. Zum Gedenken an die Opfer der Explosionskatastrophe hatte man ein Denkmal errichtet, das folgende Inschrift trug: IN DIESEM KRATER VERSTREUT RUHEN DIE STERBLICHEN ÜBERRESTE VON Kurt Schaeffer - Maurice Feinstein - Thomas Dooley - Hazel Hayakawa G. Washington Slappey - Sani Houston Adams SIE GABEN IHR LEBEN IM DIENSTE DER WISSENSCHAFT UND IM KAMPF UM DIE FREIHEIT DER MENSCHEN am elften Tage des Monats August 1984
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Ein seltsames Gefühl hatte mich ergriffen, und ich trat von dem Denkmal weg und gesellte mich zu einer Gruppe von Männern. Mr. Perrin beantwortete gerade Fragen, die ihm Papa und einige andere Männer gestellt hatten. »Man weiß nicht genau«, sagte er eben. »Es war nichts übriggeblieben. Jetzt werden alle Ablesungen direkt nach Luna City weitergeleitet und überprüft.« »Was wäre geschehen«, fragte ein Mann, »wenn sich diese Explosion auf der Erde ereignet hätte?« »Das wäre so schrecklich gewesen, daß ich es Ihnen gar nicht beschreiben kann. Aber das ist auch der Grund, warum man die Laboratorien auf dem Mond errichtete.« Er blickte auf seine Uhr. »Es wird Zeit, aufzubrechen.« Die Leute sammelten sich, und wir gingen den Weg zurück, den wir gekommen waren, als ich Mutti plötzlich aufschreien hörte: »Baby! Wo ist denn Baby Liebling?« Ich war zwar ein bißchen erschreckt, aber Angst hatte ich noch keine. Der Balg läuft immer überall herum, aber er geht nie weit weg, weil er immer jemand braucht, mit dem er quatschen kann. Papa hatte einen Arm um Mutti gelegt, mit dem anderen winkte er mir. »Dick«, sagte er mit so scharfer Stimme, daß die Membrane meiner Hörmuscheln knacksten, »wo hast du deinen Bruder gelassen?« »Ich?« fragte ich erstaunt. »Warum schaust du mich so an? Als ich ihn das letzte Mal sah, hatte ihn Mutter bei der Hand.« »Suche nicht nach Ausflüchten, Dick. Mutter setzte sich nieder, um sich auszuruhen, als wir beim Krater angekommen waren, und schickte ihn zu dir.« »Zu mir kam er jedenfalls nicht.« Als ich das gesagt hatte, fing Mutti ernstlich an zu weinen. Jeder hatte natürlich zugehört – sie mußten es notgedrungenerweise, da wir alle auf der gleichen Wellenlänge sendeten und empfingen. Mr. Perrin trat heran und
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schaltete Muttis Gerät aus. Mit einem Male herrschte Totenstille. »Kümmern Sie sich um Ihre Gattin, Mr. Logan!« befahl er. Dann fügte er hinzu: »Wann haben Sie Ihr Kind zum letzten Mal gesehen?« Papa konnte ihm keine Auskunft geben. Als er Mutti fragen wollte, stellte er ihr Gerät jedoch schnell wieder ab. Sie konnte uns doch nicht helfen und machte uns bloß alle taub. Mr. Perrin wandte sich an uns alle: »Hat jemand das kleine Kind gesehen, das sich bei uns befand? Antworten Sie nicht, wenn Sie keine brauchbaren Angaben machen können. Hat jemand gesehen, wie sich der Kleine von der Gruppe entfernt hat?« Niemand hatte etwas gesehen. Ich vermutete, er hatte sich aus dem Staub gemacht, während er unbeobachtet war. Ich sagte es Mr. Perrin. »So scheint es gewesen zu sein«, gab er zu. »Bitte alle herhören! Ich werde nach dem Kind suchen. Alles bleibt an seinem Platz. Ich werde nicht länger als zehn Minuten wegbleiben.« »Warum gehen wir nicht alle auf die Suche?« schlug jemand vor. »Weil wir jetzt nur einen verloren haben«, sagte Mr. Perrin. »Ich habe keine Lust, nachher nach einem Dutzend suchen zu müssen.« Dann setzte er mit großen Sprüngen davon. Papa wollte ihm folgen, doch er überlegte es sich noch einmal, als Mutti plötzlich in den Knien einknickte und langsam zu Boden schwebte. Alle fingen jetzt auf einmal an zu reden. Ein Spinner wollte ihr den Held abnehmen, damit sie frische Luft bekäme, aber Papa hatte seinen Kopf nicht verloren. Ich schaltete meinen Empfänger aus, damit ich in Ruhe denken konnte, und kletterte eine kleine Anhöhe hinauf, von wo aus ich einen guten Ausblick über die nächste Umgebung hatte.
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Es hatte keinen Sinn, ihn im Krater suchen zu wollen. Denn da hatte man ihn gesehen wie eine Fliege auf einem Teller. Außerhalb des Kraters jedoch hätte man auf ganz kleinem Raum ein Regiment verstecken können. Zahllose Felsenklüfte und Steinblöcke bildeten ein Gewirr von Gängen und Höhlen. Es war ein wüstes Durcheinander. Dann und wann sah ich Mr. Perrin zwischen und über den Felsen auftauchen. Er suchte wie ein Hund nach einem Kaninchen. Er flog praktisch die ganze Zeit. Wenn er auf einem großen Felsenblock landete, stieß er sich wieder ab und schwebte über dem Boden. So konnte er besser sehen. Schließlich kam er zurück, und ich stellte mein Empfangsgerät wieder ein. Immer noch redeten alle Leute durcheinander. Jemand sagte: »Wir müssen ihn vor Sonnenuntergang finden.« Ein anderer antwortete: »Das ist doch Unsinn. Die Sonne wird die nächste Woche nicht untergehen. Worüber wir uns Sorge machen müssen, ist sein Sauerstoffvorrat. Diese Anzüge enthalten nur Luft für vier Stunden.« Dann sagte die erste Stimme: »O!« und fügte leise hinzu: »Wie ein Fisch auf dem Trockenen –« Da bekam ich es ernstlich mit der Angst zu tun. Eine Frauenstimme schluchzte: »Der arme Kleine! Wir müssen ihn finden, bevor er erstickt«, und Papa fuhr dazwischen. »Bitte, reden Sie nicht so!« Ich hörte jemand schluchzen. Vielleicht war es Mutti. Mr. Perrin hatte uns fast erreicht, als er um Ruhe bat. »Bitte, Ruhe! Ich muß die Zentrale rufen«, und dann rief er: »Perrin an Schleusenkontrollraum!« Die Stimme einer Frau antwortete. »Wir hören, Perrin.« Er erzählte ihr, was sich ereignet hatte, und fügte hinzu: »Schicken Sie Smythe heraus. Er soll die Gesellschaft zurückführen. Ich bleibe draußen. Schicken Sie bitte alle ›Mond-Ranger‹ her
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Landung auf dem Mond. Szene aus dem Film ›Project Moonbase‹ Foto: Galaxy Pictures, Ackerman Agy.
aus, und versuchen Sie so viel erfahrene Männer zu finden wie möglich. Schicken Sie auch mit den ersten Männern einen Radio-Richtungsanzeiger mit heraus.« Wir hatten nicht lange zu warten, da kamen sie auf uns zu geschwärmt wie die Heuschrecken. Sie mußten bestimmt mit einer Geschwindigkeit von sechzig bis siebzig Kilometern laufen. Zuzuschauen wäre bestimmt interessant gewesen, hätte ich nicht dieses seltsame, leere Gefühl im Magen gehabt. Papa wollte in die Gebäude nicht zurückgehen, doch Mr. Perrin fauchte ihn an: »Wenn Sie nicht so versessen darauf gewesen wären, den Kleinen mitzunehmen, würden wir jetzt nicht in der Tinte sitzen. Wenn Sie besser auf ihn aufgepaßt hätten, wäre er jetzt noch hier. Ich habe selbst Kinder; aber auf 22
die Oberfläche lasse ich sie nicht hinaus, so lange sie noch klein sind und nicht auf sich selbst aufpassen können. Sie gehen auch mit zurück. – Sie werden mir doch nicht zumuten, daß ich auch noch auf Sie aufpasse.« Ich glaube, die beiden hätten sich geschlagen, wäre nicht Mutti in diesem Moment wieder in Ohnmacht gefallen. Wir gingen mit der übrigen Gesellschaft in die Mondgebäude zurück. * Die folgenden zwei Stunden waren nicht auszuhalten. Wir durften uns in das Vorzimmer des Funkraumes setzen, von wo aus Mr. Perrin die Suche leitete. Ich hatte geglaubt, sie würden den Balg finden, sobald sie den Radio-Richtungsanzeiger eingesetzt hatten, womit sie das Summen seiner Raumanzugbatterie auffangen konnten oder seine Stimme, falls er zu sich selbst redete. Aber sie hatten kein Glück mit dem Gerät. Und was noch schlimmer war: Papa und Mutti machten mich nicht dafür verantwortlich. Mutti weinte leise in sich hinein, und Papa versuchte, sie zu trösten. Dann und wann sah er zu mir herüber. Ich glaube, daß er mich gar nicht sah; aber ich mußte immer daran denken, daß das alles nicht geschehen wäre, wenn ich nicht darauf bestanden hätte, mit hinauszugehen. Ich sagte: »Sieh mich doch nicht so an, Papa! Niemand hatte mir gesagt, ich sollte auf ihn aufpassen. Ich hatte geglaubt, er wäre bei Mutti.« Papa schüttelte den Kopf, ohne zu antworten. Er sah müde und abgespannt aus. Aber Mutti hörte auf zu weinen, und anstatt mich zu schelten und zu schreien, lächelte sie mir zu. »Komm her, Dickie«, sagte sie und legte ihren Arm um mich. »Du hast keine Schuld, Dickie. Was auch geschehen mag, du warst nicht verantwortlich.«
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Ich setzte mich ein Weilchen zu ihnen, aber ich war verstörter als vorher. Ich mußte immer wieder an den Balg denken, der sich irgendwo herumtrieb und dessen Sauerstoffvorrat immer kleiner wurde. Mich mag zwar keine Schuld treffen, aber ich hätte es verhüten können. Ich hätte mich nicht darauf verlassen sollen, daß sich Mutti um ihn kümmern würde. Aber sie ist nun einmal so. Sie würde ihren Kopf irgendwo liegenlassen, wäre er nicht festgewachsen. Mutti ist gut, klar, aber sie ist in solchen Dingen völlig unbegabt. Es würde ihr einen schweren Schlag versetzen, wenn der Balg nicht zurückkäme. Papa und mir auch. Der Balg ist zwar ein schrecklicher Quälgeist, aber es würde unendlich viel schlimmer sein, wenn er nicht mehr bei uns wäre. Ich mußte immer an die Bemerkung denken: ›Wie ein Fisch auf dem Trockenen.‹ Versehentlich hatte ich einmal ein Aquarium zerbrochen; ich weiß noch heute, wie die Fische ausgesehen hatten. Nicht schön. Wenn der Balg auf diese Art sterben sollte –. Ich sagte mir, daß die Gedanken alle nichts nützten, und daß ich eine Art der Hilfe finden müßte. Nach einer Weile war ich überzeugt, daß ich ihn finden würde, wenn sie mich mitsuchen ließen. Aber das würden sie nicht zulassen. Dr. Evans, der Direktor, kam noch einmal zu uns – er war uns entgegengekommen als wir zurückgekehrt waren – und fragte uns, ob er etwas für uns tun könnte und wie es Mrs. Logan ginge. »Wissen Sie, wir tun alles, um den Kleinen zu finden. Ich habe einige Metall-Sucher von Luna City herüberkommen lassen. Vielleicht finden wir das Kind durch das Metall in seinem Anzug.« Mutter erwähnte Suchhunde, und Dr. Evans lachte sie nicht einmal aus. Papa schlug Helikopter vor, verbesserte sich dann aber und sagte Raketen. Dr. Evans erklärte, daß es unmöglich wäre, den Boden von einer Rakete aus zu beobachten.
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Versorgungsrakete bringt Nachschub zu einer Mondexpedition. Szene aus dem Film ›Project Moonbase‹ Foto: Galaxy Pictures, Ackerman Agy.
Ich zog ihn nach einer Weile beiseite und faßte ein Herz, ihn zu fragen, ob ich mich bei der Suchaktion beteiligen dürfte. Er war zwar höflich, aber völlig unbeeindruckt von meinem Vorschlag, und doch bohrte ich weiter. Schließlich fragte er: »Und weshalb glaubst du, daß gerade du ihn finden kannst? Die erfahrensten Männer auf dem Mond beteiligen sich bereits an der Suche. Ich fürchte, Junge, daß du auch verlorengingest oder dich dabei verletzen würdest. Wenn man draußen die Richtung verloren hat, ist man hoffnungslos verloren.« »Aber sehen Sie doch, Herr Doktor«, sagte ich ihm. »Ich kenne den Balg – meinen kleinen Bruder – besser als jeder andere in der Welt. Ich weiß, was er tut, und wenn ich mich
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verlaufe, dann so, wie er es getan hat. Sie können mir ja einen Mann nachschicken, der auf mich aufpaßt.« Er dachte einen Augenblick darüber nach. »Einen Versuch ist es wert«, sagte er dann. »Ich komme mit. Komm, wir ziehen uns an.« * Draußen gingen wir so schnell wie es möglich war. Ich machte Schritte von zehn Metern. Mr. Perrin erwartete uns schon. Er zweifelte jedoch an dem Erfolg meiner Pläne. »Vielleicht haben wir Glück«, gab er zu. »Aber ich lasse die übrigen Leute weitersuchen, bis wir ihn gefunden haben. Hier, Kleiner, nimm die Taschenlampe. Du wirst sie in den Schattenzonen brauchen.« Und dann stand ich am Rande des Kraters und versuchte mir vorzustellen, ich wäre der Balg, hätte Langeweile und ärgere mich darüber, daß sich niemand mit mir beschäftigte. Was würde ich in diesem Falle als Balg tun? Ich rutschte den Abhang hinunter, gar kein Ziel vor Augen, wie es der Balg getan haben mochte. Dann blieb ich stehen und drehte mich um, um nachzusehen, ob Mutti, Papa und Dickie es bemerkt hätten. Ich sah, daß Doktor Evans und Mr. Perrin mir gefolgt waren. Ich spielte den Balg weiter und tat so, als hätte mich niemand gesehen, als ich mich davongemacht hatte. Ich befand mich schon sehr nahe am nächsten Felsenvorsprung, und nach einigen Schritten duckte ich mich dahinter. Der Felsen war zwar nicht so hoch, als daß ich mich dahinter hätte verstecken können, aber für den Balg war er hoch genug. Ich wußte, was er jetzt getan hatte, er spielte so gerne Verstecken. Ich dachte darüber nach. Wenn der Balg sich versteckte, dann kroch er immer unter irgend etwas, gleichgültig, ob es nun ein Bett, ein Sofa, ein Auto oder sonst etwas war. Ich schaute mich um. Hier gab es eine Menge ausgezeichneter Plätze zum
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Drunterkriechen. In den Felsen gähnten schwarze Höhlen und massive Überhänge bildeten wunderbare Verstecke
Szene aus dem Film der Universal-International ›This Island Earth‹ Utopia-Großband 37 brachte die Übersetzung des gleichnamigen Romans von R.F. Jones
Ich begann, eines nach dem anderen zu durchsuchen. In nächster Umgebung gab es deren Hunderte. Mr. Perrin kam heran, als ich gerade aus dem vierten Loch wieder herauskroch. »Die Männer haben jede einzelne Höhle hier mit ihren Taschenlampen ausgeleuchtet«, erklärte er mir. »Ich glaube, das hat wenig Zweck, Kleiner.« »Okay«, sagte ich, aber gab die Suche nicht auf. Ich wußte, daß ich in Höhlen kriechen konnte, in die kein Erwachsener
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hineinpaßte; ich hoffte nur, daß der Balg sich kein Loch ausgesucht hatte, in das ich nicht hineinpaßte. Ich suchte weiter und weiter, und mein Körper wurde immer kälter und steifer und müder. Direktes Sonnenlicht ist verteufelt heiß auf dem Mond; aber sobald man in den Schatten tritt, ist es kalt. Und in diesen Felsenhöhlen wird es überhaupt nie warm. Die Anzüge für die Touristen sind gut isoliert, speziell die Handschuhe, Stiefel und der Hosenboden – und ich hatte die meiste Zeit auf dem Bauch gelegen, wenn ich mich in die engen Gänge vorarbeitete. Vor Kälte war ich so starr, daß ich mich kaum bewegen konnte, und meine Vorderseite schien eine einzige Eisschicht zu sein. Dann machte ich mir Sorgen über den Balg. Ob er auch so fror? Wenn ich nicht daran hätte denken müssen, wie die Fische aussahen, als sie auf dem Trockenen lagen, hätte ich die Suche längst aufgegeben. Ich war fertig. Und in den Löchern kann man es auch mit der Angst zu tun bekommen – man weiß nicht, ob man nicht im nächsten Augenblick schon in eine enge Spalte stürzt. Dr. Evans ergriff meinen Arm, als ich gerade wieder herauskam, und legte seinen Helm gegen meinen, so daß ich seine Stimme hören konnte. »Es wird besser sein, Junge, du gibst es auf. Du rackerst dich umsonst ab.« Ich riß mich los und rannte zur nächsten Höhle. Es war eigentlich nur ein Überhang, etwas über dem Boden gelegen. Ich leuchtete mit der Lampe hinein. Die Spalte war leer und schien nirgends hinzuführen. Doch dann sah ich, daß der Gang einen Knick machte. Ich rutschte auf dem Bauch hinein. Nach der Biegung erweiterte sich der Gang ein bißchen. Doch ich hielt es nicht für nötig, noch weiter hineinzukriechen, denn der Balg wäre sicherlich nicht so tief vorgedrungen. Doch dann leuchtete ich mit meiner Lampe noch einmal den Gang hinab.
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Und dann sah ich den Schuh. Das war eigentlich alles. Fast hätte ich mir beim Rückweg noch den Helm eingeschlagen, aber als ich herauskam, zog ich den Balg hinter mir her. Er war schlapp wie eine nasse Katze, und sein Gesicht war kitzblau angelaufen. Mr. Perrin und Dr. Evans schlugen mir auf die Schultern, als ich herauskam. »Ist er tot, Mr. Perrin?« fragte ich, als ich wieder zu Atem kam. »Er sieht ziemlich schlimm aus.« Mr. Perrin betrachtete sich den Balg. »Nein, der Puls an seinem Hals schlägt noch. Schock und Kälte; aber der Anzug war besonders gut gebaut, und wir werden ihn bald wieder auf den Beinen haben.« Er nahm den Balg in die Arme, und wir gingen zurück zu den Gebäuden. Zehn Minuten später trank der Balg, in Decken gewickelt, heiße Schokolade. Ich ließ mir auch eine Tasse geben. Alle redeten auf einmal, und Mutti war wieder am Heulen. Aber sie war in Ordnung, und auch Papa war der Alte. Als er für Mr. Perrin einen Scheck ausschreiben wollte, winkte dieser ab. »Ich verdiene keine Belohnung. Ihr Junge hat ihn gefunden. Aber einen Gefallen können Sie mir tun –« »Sprechen Sie, was kann ich für Sie tun?« drängte Papa. »Bleiben Sie vom Mond. Sie gehören nicht hierher. Sie haben kein Pionierblut in den Adern.« Papa ließ es über sich ergehen, ohne mit der Wimper zu zucken. »Das habe ich meiner Frau bereits versprochen. Keine Sorge.« Ich begleitete Mr. Perrin, als er hinausging. »Mr. Perrin – ich wollte Ihnen nur sagen, daß ich wiederkommen werde, wenn Sie nichts dagegen haben.« Er schüttelte mir die Hände und sagte: »Ich weiß, du wirst wiederkommen, Kleiner.« – Ende – Aus dem Amerikanischen von Walter Spiegl
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HUGO GERNSBACK – DER VATER DER SCIENCE-FICTION Ein Bericht von Walter Ernsting Am 1.April des Jahres 1911 erschien im vierten Jahrgang der Zeitschrift MODERN ELECTRICS das erste Mal ein Fortsetzungsroman mit wissenschaftlich-spekulativem Inhalt. Dieser Roman zog sich über zwölf Fortsetzungen hin und erregte großes Aufsehen. Er rief sogar eine lawinenartige Sensation hervor – und schließlich eine regelrechte Bewegung. Dieser Roman leitete ein neues Zeitalter ein, schuf einen neuen Typus der Literatur. Es war der erste bewußte SCIENCEFICTION-Roman. Sein Titel lautet: RALPH 124 C 41 +. Der Verfasser dieses Romans war Hugo Gernsback; gleichzeitig war er Herausgeber der oben genannten Monatszeitschrift. In der gleichen Zeitschrift erschienen nun laufend ähnliche Romane, meist von Hugo Gernsback, aber auch von neuen Autoren, die plötzlich ein neues Betätigungsfeld gefunden zu haben glaubten. Im Oktober 1912: DIE WISSENSCHAFTLICHEN ABENTEUER DES MR. FOSDICK von Jacques Morgan; und 1915 eine von Gernsback aufgefrischte Münchhausenserie. Während des ganzen ersten Weltkrieges bot Gernsback seinen Lesern monatlich ein neues wissenschaftliches Abenteuer. Aber noch dachte keiner daran, diese Geschichten als SCIENCE-FICTION zu bezeichnen. Das geschah nicht vor dem Jahre 1929, obwohl Hugo Gernsback bereits im Jahre 1926, als er das erste SF-Magazin der Welt ins Leben rief, den Ausdruck SCIENTIFICTION gebrauchte. Es handelt sich um AMAZING STORIES (siehe Foto). Gernsback bezeichnet sein Magazin selbst als EINE NEUE ART VON MAGAZIN und stellt es unter das Motto: HEUTE NOCH PHANTASTISCHE VORAUSSAGE – MORGEN SCHON 30
NÜCHTERNE TATSACHE! Das Magazin AMAZING STORIES existiert noch heute und zählt zu den besten amerikanischen SF-Magazinen. Und dann, im Jahre 1929, erschien SCIENCE WONDER STORIES unter dem Motto: PROPHETISCHE FIKTION IST DIE MUTTER DER WISSENSCHAFTLICHEN TATSACHE. Und im Vorwort dieses Magazins erschien zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit das Wort: SCIENCE-FICTION. Erst fünf Jahre später gründete Hugo Gernsback den ersten SF-Klub der Welt, also im Jahr 1934. Es ist ein seltsamer Zufall, daß das Siegel dieses Klubs dem Siegel des ersten deutschen SF-Klubs verblüffend ähnlich sieht. Damit hatte Hugo Gernsback den in Amerika verstreuten SFFreunden Gelegenheit gegeben, die Verbindung miteinander aufzunehmen. Und von diesem Augenblick an nahm die Literatur, die nun endlich einen Namen hatte, einen ungeahnten Aufschwung. Ein SF-Magazin nach dem andern erschien auf dem Markt, der regelrecht überschwemmt wurde. Viele von ihnen verschwanden wieder in der Versenkung, aber AMAZING und WONDER STORIES hielten sich. Hielten sich bis heute. Es gibt in Amerika mindestens 2 Millionen SF-Fans; eine unvorstellbare Zahl, wenn man die Bevölkerungszahl relativ mit der der Bundesrepublik vergleicht. Bei uns mag es vielleicht 10.000 geben. Im Jahre 1953 erhielt Hugo Gernsback ganz offiziell den Titel VATER DER SCIENCE-FICTION. Man überreichte ihm gleichzeitig die HUGO-GERNSBACK-TROPHAE, eine silberne Erdkugel. Trotz des scharfen Konkurrenzkampfes in den Staaten wird Hugo Gernsback von allen SF-Verlegern anerkannt und geehrt, denn er machte ihnen ja schließlich den Weg zum eigenen Erfolg frei. Ohne Hugo Gernsback hätte alles
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noch Jahrzehnte länger gedauert. Jedes Jahr wird der beste SFRoman ausgewählt und mit dem HUGO, einem silbernen Modellraumschiff, ausgezeichnet. Hugo Gernsback stammt aus Luxemburg und wanderte um 1900 nach Amerika aus. Er wurde leitender Angestellter der ELECTRO IMPORTING CO. und begann im Jahr 1908 mit der Herausgabe von MODERN ELECTRICS, einer wissenschaftlich-radio-technischen Zeitschrift. Seine große Leidenschaft war und ist: Radio! Schon damals sah er die großen Möglichkeiten des drahtlosen Funkverkehrs. Alle seine phantastischen Prophezeiungen trafen bisher ein. Und dann begann mit RALPH 124 C 41 + die Ära: SCIENCE-FICTION. Doch nun möchte ich Hugo Gernsback selbst das Wort geben. Für den zweiten Sonderband stellte er uns seine Rede zur Verfügung, die er im Jahre 1952 vor der 10. SCIENCEFICTION WELT CONVENTION in Chikago hielt. Es ist eine Rede, die weltberühmt wurde; eine Rede, wie sie nur der VATER DER SCIENCE-FICTION halten konnte – und durfte: Der Einfluß von Science-Fiction auf den Fortschritt
von Hugo Gernsback In den vergangenen 25 Jahren hat eine unmerkliche Revolution stattgefunden, die vielleicht einmalig in der Geschichte der Menschheit dasteht. Diese Revolution ist der gewaltige Einfluß von SF auf die technische Geschichte unserer Welt. Seltsam genug ist es, daß die eigentlichen Urheber dieser Revolution, die SF-Autoren, die Verleger und sogar die Leser selbst sich der wirklichen Bedeutung von SF gar nicht so recht bewußt sind. Doch lassen Sie mich zunächst noch einmal den Begriff SCIENCE-FICTION erläutern:
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Wenn ich von SCIENCE-FICTION spreche, meine ich die wahre, wissenschaftliche Prophezeiung SCIENCE-FICTION mit der Betonung auf SCIENCE (Wissenschaft). Ich meine nicht die grausigen Geschichten von Gangstern im Weltraum, die sich heute des öfteren unter dem Namen von SF zu verstecken suchen. Grundsätzlich: Ich habe nichts gegen diese Art von Geschichten; es gibt unter ihnen ganz gute. Einige sind sogar ausgezeichnet, wenn sie auch mehr in das Mystische hinüberspielen. Aber ich muß doch protestieren, wenn mir jemand Edgar Allen Poe als SCIENCE-FICTION andrehen will. Noch vor 25 Jahren sah es bei uns mit SF ganz anders aus als heute. Hier und da ein Buch, nur ein einziges SF-Magazin, und Schriftsteller, die sich regelrecht fürchteten, ein SF-Manuskript abzuliefern. Und nur zwei Buchserien waren bisher erschienen: Jules Verne und H. G. Wells. Der Grund lag in der Tatsache, daß SCIENCE-FICTION nicht ernst genommen wurde. Die meisten Menschen, besonders die Verleger von Zeitschriften und Zeitungen, hielten SF für einen besseren Blödsinn und lehnten diese Literatur rundweg ab. Sie hielten es für unter ihrer Würde, solchen ›Unsinn‹ überhaupt zu drucken. Selbst die Autoren dachten ähnlich. Ich entsinne mich noch gut, daß damals die Schriftsteller mir nur unter der Bedingung ihre Manuskripte gaben, daß ich niemals ihren wahren Namen unter die Geschichte setzte. Sie fürchteten, sich lächerlich zu machen, wenn ihr Name erschien. Nur ganz allmählich änderte sich die Situation. Als mein erstes Magazin (AMAZING) erschien, wurde man plötzlich auf SCIENCE-FICTION aufmerksam. Besonders die Intelligenz – Wissenschaftler, Ingenieure, Professoren aller Fakultäten – las es regelmäßig. Selbst die Prominenz – u. a. Lord Mountbatten – ›schämte sich nicht mehr‹.
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Das erste Mal in der menschlichen Geschichte war ein Fahrzeug konstruiert worden, mit dem man für wenige Cents in die Welt der Zukunft reisen konnte. Es gehörte nur ein wenig Vorstellungskraft dazu, um aus SCIENCE-FICTION wertvolle Hinweise zu ziehen, die sich praktisch auswerten ließen. Wie viele Erfindungen wurden z. B. gemacht, die wir zuerst in SCIENCE-FICTION, dann erst in der Praxis kennenlernten! Es ist selbstverständlich, daß kein Erfinder oder Produzent gerne zugibt, daß er seinen Geistesblitz einer Geschichte zu verdanken hat, aber die Tatsachen beweisen es nur zu eindeutig. Oft dauert es sehr lange, bis aus der Phantasie Wirklichkeit wird. Jules Vernes Unterseeboot ›Nautilus‹ benötigte 27 Jahre, aber dann war es da. Genauso, wie er es beschrieben hatte! H. G. Wells schilderte in seiner Novelle ›Wenn die Schläfer erwachen‹ den öffentlichen Lautsprecher (im Jahre 1899). Keine 25 Jahre später ist dieser Lautsprecher Wirklichkeit. Die Erfindung des Radars wurde eingehend in RALPH 124 C 41 + beschrieben. Es dauerte immerhin 27 Jahre, ehe man es wirklich erfand. Diese Beispiele ließen sich beliebig fortführen, und immer wieder stünden wir vor der erstaunlichen Tatsache, daß wissenschaftliche Prognosen eines Tages verwirklicht wurden. Es ist auch möglich, daß die ursprüngliche Idee des Schriftstellers zwecks praktischen Gebrauchs ›seiner Erfindung‹ abgewandelt wird. Auch zu dieser Behauptung ein Beweis: In SCIENCE & INVENTION beschrieb ich im Jahre 1925 den RADIO TELE-DACTYL. Es handelte sich um eine RadioFernseh-Einrichtung, mit der ein Arzt seine Patienten ›besuchen‹ konnte, ohne das Haus zu verlassen. Patient und Arzt hatten einen Bildschirm, mit dessen Hilfe beide sich sehen konnten. Der Doktor hatte verschiedene Hebel an seinem Gerät, die – wenn er sie betätigte – gewisse Impulse auslösten, die im Hause des Patienten – oder im Krankenhaus – künstliche Hände
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bewegten. So konnte der Arzt also von Haus aus den Kranken untersuchen, ihm den Puls messen oder sogar eine Operation durchführen. Diese Erfindung wurde ebenfalls Tatsache, aber sie wird in anderer Weise ausgenutzt: Die Atomphysiker gebrauchen sie, um radioaktive Stoffe hinter einer Bleiwand bewegen zu können. Sie bedienen nur die vorgeschriebenen Hebel – und die künstliche Hand hinter der Schutzwand führt die gewünschte Bewegung prompt aus. Und vor kurzem gelang es, diese Apparatur mit Fernsehen zu kombinieren. Der Physiker kann also meilenweit von seinem Experiment entfernt sein und doch jede Bewegung seiner gewissermaßen von ihm getrennten Hände beobachten. Eines Tages wird ein großer Psychologe ein Buch schreiben, in dem er die Impulse schildern wird, die einen Erfinder zu seiner Idee führen. Dann werden wir sehen, welchen Einfluß äußere Eindrücke auf das Gehirn des Erfinders haben, möge es sich um Jugenderinnerungen handeln oder um die Ideen von SFSchriftstellern. Ich bin davon überzeugt, daß eine Erfindung das Ergebnis äußerer Eindrücke und natürlicher Begabung ist. Oder, wie Edison realistischer sagte: ›Eine Erfindung ist 10% Eingebung und 90% Schweiß.‹ Das führt mich zurück zu meinem Ausgangsthema. Es veranlaßt mich sogar zu der Behauptung: Oft ist der SFSchriftsteller der eigentliche Erfinder einer technischen Neuerung! Doch – wie Schriftsteller nun einmal sind – Er hat kaum ein Interesse daran, wirtschaftlichen Vorteil aus seiner Idee zu ziehen. Hinzu kommt, daß er meist selbst davon überzeugt ist, daß seine Idee praktisch undurchführbar sei, obwohl ein Hauch von Hoffnung sich in seinem Herzen regt. Aber auf den Gedanken, sich seine SF-Erfindung patentieren zu lassen, käme er niemals.
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Oder wollen Sie ihm einreden, daß vielleicht zwanzig, dreißig Jahre später irgend jemand seine Geschichte lesen, seinen Gedanken eigene Ideen hinzufügen und mit der daraus entstehenden Erfindung Millionen verdienen wird? Sie lachen, aber solche Dinge geschehen fortgesetzt! Und das Seltsamste an diesen tatsächlichen Geschehnissen ist: Der eigentliche Erfinder – nämlich der Autor – bemerkt noch nicht einmal die Verwirklichung und praktische Nutzanwendung seiner ureigenen Idee! Er steht vor seinem Gedankenkind und wundert sich, wie ein Mensch so genial sein konnte, es zu erfinden! Ganz abgesehen von diesen Betrachtungen: Kein normaler Mensch könnte Anspruch auf ein Patent erheben, wenn er einmal als Schriftsteller eine Idee hatte, die verwirklicht wurde. Einer unserer großen Männer sagte jedoch (er ist selbst Erfinder und heißt Dr. Michael Pupin, Professor an der Columbia-Universität): ›Die Notwendigkeit einer Erfindung zu ersinnen und diese Erfindung intuitiv, vorausschauend zu beschreiben, bedeutet 50 Prozent der eigentlichen Erfindung selbst!‹ So gerechnet, verlieren die amerikanischen SF-Autoren jährlich etwa 50 bis 100 Millionen Dollar. In einer Generation wird es erheblich mehr sein. Wie wäre es denn mit einer Patentreform? (An dieser Stelle brachen die anwesenden Schriftsteller in freudigen Beifall aus.) Doch leider muß ich Sie enttäuschen: Eine Idee läßt sich nicht patentieren. Die Grundregel für die Verleihung des Patents ist: Es muß neu und gebrauchsfähig sein! Man muß also ein arbeitsfähiges Modell liefern. Unglücklicherweise jedoch sind die meisten SF-Autoren ihrer Zeit so weit voraus, daß ihre Erfindungen unmöglich und oft sogar völlig sinnlos erscheinen – wenigstens zu der Zeit, in der sie sie beschreiben. Verne beschrieb das U-Boot im Jahre 1870. Er hätte ja mal aufs Patentamt gehen können –! Oder man denke an RALPH
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124 C 41 +. Hätte ich mir 1911 das Radargerät, das Peilgerät oder den Stimm-Schreiber patentieren lassen können? Niemals! Ich würde also vorschlagen, ›gesetzlich‹ ein sogenanntes ›Provisorisches Patent‹ einzurichten. Und zwar für Ideen, die praktisch durchführbar erscheinen. Das provisorische Patent soll für die Dauer von dreißig Jahren Gültigkeit haben. Wenn innerhalb dieser Zeit die Erfindung tatsächlich gemacht wird, soll auch der ›geistige Vater‹ davon profitieren! (Erneuter Beifall.) Fassen Sie dies bitte nicht nur als Scherz auf. Ich erwäge ernstlich den Vorschlag, entsprechende SF-Romane mit einem Siegel zu versehen und den Patentämtern zuzusenden. Wenn eines Tages der Erfinder auftaucht, soll man ihn höflich fragen, ob er diese Geschichte schon einmal gelesen habe. Wenn ja – was wahrscheinlich ist – soll er (zusammen mit dem Autor) noch einmal wiederkommen. (Gelächter.) Diese Idee also widme ich, zusammen mit dem entsprechenden Entwurf, vollkommen kostenlos der großen Gemeinde der Science-Fiction-Literatur: Schriftstellern, Verlegern und Lesern. Zum Schluß noch eine Bemerkung: Als ›Vater der SCIENCEFICTION‹ lassen Sie mich eine ernste Bitte aussprechen. Diese Literatur hat einen Aufschwung genommen, wie man es vor 25 Jahren niemals geahnt hätte. SCIENCE-FICTION ist heute, eine Macht, mit der man rechnen muß! Die Öffentlichkeit beginnt, SF ernst zu nehmen. Zum ersten Male in der Menschheitsgeschichte ist es möglich, völlig gefahrlos in die Zukunft zu reisen, sich dort aufmerksam umzuschauen und mit großen Erkenntnissen wieder in die Gegenwart zurückzukehren. SCIENCE-FICTION weitet den geistigen Horizont und
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ermöglicht die Festigung des Vertrauens in eine bessere, schönere Zukunft. Heute, morgen und übermorgen. Immer! Aus diesem Grunde bitte ich Sie, SCIENCE-FICTION mit dem Ernst und dem Gefühl der Achtung zu begegnen, die diese einmalige Literatur verdient hat! – Ende –
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Die ganze Zukunft lag noch vor ihm, als sein Leben jäh endete. Und dabei hätte er so gerne seine eigene Zukunft erlebt. Doch sein Vater konnte ihn verstehen und faßte daher einen an Irrsinn grenzenden Entschluß. Aber er meinte es gut, denn der Grundgedanke seines Handelns war:
DU SOLLST DIE ZUKUNFT SCHAUEN von Raymond Z. Gallun Wie gut vermag ich mich noch an jenen Abend zu erinnern, an dem mein Sohn Rick zu mir kam und sagte: »Vater! Sie haben mich angenommen! Auf der STARBELT. Es war die letzte Gelegenheit für mich. Gelt, ich darf doch, Dad?« Ich stand inmitten meines kleinen Geschäftes, in dem ich kleinere Gebrauchsartikel für Raumfahrer und Andenken vom Mars oder den Asteroiden an auf der Erde bleibende Menschen verkaufte. Eine häßliche Bitterkeit kroch in mir hoch, als Rick diese unnötige Frage stellte. Darum gab ich zur Antwort: »Sieh mal her, Rick: Es ist ja furchtbar nett von dir, daß du extra kommst, um mich zu fragen, aber du weißt doch selbst, daß du deine Entscheidungen nach eigenem Ermessen fällen kannst. Und – was wollte ich auch schon machen? Genau vor unserer Tür liegt White Sands, und in jeder Stunde jagen heulende Raketen hinauf in den Himmel, locken dich und die anderen jungen Menschen von der Erde hinweg. Oder die Raumfahrer, die zu mir in den Laden kommen – du siehst sie ja immer. Du kannst förmlich an ihnen die Ruinen des Mars oder die Sümpfe der Venus riechen, die unvorstellbaren Entfernungen ahnen. Nein, mein Sohn: Selbst wenn ich jetzt ›nein‹ sagte, so müßtest du doch gehen. Ich kenne dich – denn ich kenne mich selbst auch. Und du bist mein Sohn – «
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Rick wußte, wer ich war – oder er hatte wenigstens davon gehört. Ich hatte geholfen, die erste künstliche Raumstation zu bauen, die die Erde umkreiste. Zu der Zeit war mein Sohn noch ein kleines Kind. Ich hatte ihm erzählt, wir würden einen Weihnachtsstern für ihn an den Himmel setzen – und wir schafften es auch. Nur – sie brachten mich zur Erde zurück. Ein Bein und ein Arm waren erfroren, reif zur Amputation. Der Druckanzug hatte nicht dicht gehalten. Aber was noch schlimmer war: Meine Sehnsucht nach den fernen Planeten war durch den Unfall nur gewachsen, denn jetzt würde ich sie niemals erreichen können. Verdammte Schweinerei! Ich war zu früh geboren worden! In einigen Jahrzehnten würde man nicht mehr danach fragen, ob man ein künstlichem Bein hätte oder ein natürliches. Dann wäre auch das egal! Aber heute –? Die Welt war nur für die Jungen und Gesunden da. Und was noch schlimmer war: das Weltall besonders! »Hör zu, Rick! Eine Bedingung: Du mußt auf dich aufpassen! Die geringste Unachtsamkeit – und der Tod hat dich! Es geht sehr schnell – « Rick unterbrach mich. Ich redete ihm zuviel. »Vielen Dank, Dad! Du bist wundervoll! Sehe dich noch vor dem Start! Bis dahin – « Er winkte mir noch einmal zu und war dann verschwunden. Draußen schlug die Glastür zu. Keine zwei Kilometer von meinem Geschäft entfernt begannen die Strahlabschirmungsvorrichtungen, die bei einem Raumflughafen nun mal unerläßlich sind. Ich war wieder allein mit meinen Gedanken, die sich natürlich an erster Stelle mit Rick beschäftigten. Er kam gerade von der Raum-Akademie, jenem langgestreckten Gebäude am anderen Ende des Feldes. Die Übungsraketen warteten in einem
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besonderen Hangar auf die Probeflüge der jungen Kadetten, die in ihnen zum ersten Mal die wunderbare Erregung verspüren durften, die der Weltraum und seine Jugendlichkeit auf den Menschen ausübt. Hier lernen die künftigen Raumfahrer, wie die Kontrollen des Druckanzuges gestellt werden, damit der Andruck neutralisiert wird; wie sie sich zu verhalten haben, wenn das Schiff von einem Meteor leckgeschlagen wird: wie man kühler und ruhiger wird, je größer die drohende Gefahr auf einen einwirkt; wie man es vermeidet, verrückt zu werden, wenn man vielleicht auf einem fremden, grausig schönen Ort landet, der gar nicht das Ziel der späteren Raumrakete war. Dies und noch vieles andere lernten sie auf der Schule. Es war ein beruhigendes Gefühl für mich, das zu wissen: John Richard Archer jr. war voll ausgebildet und hatte die Prüfung mit Auszeichnung bestanden. Außerdem konnte ich stolz darauf sein, daß ausgerechnet die STARBELT ihn angeheuert hatte. Ich hatte das Schiff gesehen, dessen Bau erst vor einem Jahr begonnen hatte. Mit der Kugelform war sie eins der neuesten und modernsten Typen. Der Antrieb bestand aus einem Fusionsreaktor, in dem Wasserstoff zu Helium umgewandelt wurde. Die STARBELT war gleichzeitig häßlich und schön. Und doch war sie besser als jene Raumschiffe, wie ich sie mir in meinen Kindheitstagen vorgestellt hatte, als es noch gar keine gab. Ihre Jungfernfahrt würde sie jenseits des legendären Mars bringen, dessen einstige Bewohner eine andere Welt zerstörten, selbst dabei aber restlos vernichtet wurden. Aber selbst die Trümmer jener zerstörten Welt würde die STARBELT durchqueren – den sagenhaften Asteroidengürtel – und bis zu den Monden des Jupiter vorstoßen, die noch keines Menschen Auge aus der Nähe gesehen hatte. Es mußten kleine, eisige Welten sein, umgeben von einer dünnen Methanatmosphäre. Kalt würde es dort sein, viel Schnee geben – wenn auch vielleicht anderen Schnee als auf der Erde.
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Ich fühlte so etwas wie Neid. Aber schließlich war ja Rick mein Sohn. Das war so gut, als ginge ich selbst. Eine junge Dame kam in den Laden und wünschte ›etwas ganz Altes und Interessantes‹. Hm, das konnte viel sein. Vielleicht der alte Topf, dessen Reste man mir mitgebracht hatte und den ich in meinem Laboratorium mit viel Mühe und Liebe wieder zusammengeleimt hatte? Er stammte vom Mars übrigens, so wie die kleinen, funkelnden Erzstücke von den Asteroiden kamen. Aber dann dachte ich wieder an Rick und komplimentierte die Dame hinaus, zusammen mit drei hereingekommenen Offizieren, die irgendwelche Instrumente wünschten, die mich sicherlich um einige hundert Mark reicher gemacht hätten. »Tut mir Leid, Freunde«, sagte ich zu letzteren, »aber ich schließe sofort. Keine Zeit mehr. Ihr müßt wissen, ein guter Freund von mir startet heute mit der STARBELT – in wenigen Stunden, um 23 Uhr. Nicht nur ein Freund, sondern sozusagen ein Stück von mir selbst. Vielleicht wißt ihr, wie einem dann zumute ist.« Sie wußten es, grinsten mich an, und einer schlug mir sogar auf die Schulter. Dann gingen sie. Ich schloß ab und eilte in Richtung der Verwaltungsgebäude davon. In dem unterirdischen Tunnel traf ich Rick. Ich sah ihn schon von weitem, das übermütige Leuchten auf seinem Gesicht und das sieghafte Lächeln. Schon bei vielen jungen Männern hatte ich den gleichen Ausdruck gesehen – und viele von ihnen waren niemals mehr zur Erde zurückgekehrt. Er sah mich an, sprang von dem Transport und eilte auf mich zu. »Geschafft, Vater! Fünfter Ingenieur im Maschinenraum. Wenn wir zurückkommen, vielleicht eine kleine Beförderung – « Schnell und ohne weitere Worte schritten wir nach Hause. Dort saß ich dann kurze Zeit später auf Ricks Bett und sah zu, wie er sich anzog. Ich bedauerte, daß seine Mutter ihn nicht mehr so
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sehen konnte, obwohl ich nicht vollkommen sicher war, was sie dabei empfunden hätte. Es wäre vielleicht nicht direkte Angst um das Leben ihres Sohnes gewesen, sondern etwas ganz anderes. Man denke z. B. einfach mal an einen Raumanzug. Wirkt er nicht irgendwie unheimlich und unmenschlich? Sieht er nicht aus wie ein Wesen aus einer anderen Welt? Wie ein Sternlebewesen? Tödlich, teuflisch und leblos? Und Jane, meine Frau, war eine altmodische, ungläubige Frau gewesen. Mit meinem Wagen brachte ich Rick dann später zum Startfeld. Der Tunnel kam in einer Art Bunker wieder zur Erdoberfläche hoch. Eine Schicht von einem halben Meter Glas mit Bleischutz trennte uns von der STARBELT, die nicht weit entfernt auf ihren drei Füßen ruhte. Eine Reihe runder Fenster strömte geheimnisvolles und lockendes Licht aus. Das Schiff war silberfarben, warf die Lichter der Kontrollstationen schimmernd zurück. »Sie ist wie ein Gedicht«, murmelte ich unsicher. »Die Antwort der modernen Wissenschaft auf das, was man in meiner Jugend mit ›unmöglich‹ bezeichnete! Du darfst glücklich sein, Rick.« »Ich bin es. Und ich weiß, was du fühlst, Vater. Das macht mich noch glücklicher; denn ich bin sicher, daß du mich verstehen kannst. In Gedanken wirst du immer bei mir sein, und dann schreibe ich dir viele Briefe. Immer, wenn es geht. Sicher werde ich auch Gelegenheit haben, dir allerhand mitzubringen für den Laden. Ja, Vater, nun lasse ich euch alle zurück. Dich, die Freunde und Bekannten. Weit zurück. Was mag dort in der Zukunft für mich liegen…?« Rick hörte plötzlich auf zu reden. Dann aber stieß er ein leises, unsicheres Lachen hervor. Hatte er schon zuviel gesagt? Kinder behalten solche Gedanken meist für sich – aber Rick war kein Kind mehr.
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Der Jüngste Tag ist hereingebrochen. Aber ein Rest der Menschheit flieht in den Weltraum um das Geschlecht ›Homo Sapiens‹ zu erhalten. Aus dem Film ›When Worlds Collide‹ Foto:Paramount
»Wir werden sehen, Rick!« sagte ich. Er nahm meine Hand, drückte sie fest. »Ich gehe besser schon an Bord. Bald wird sie starten. Und ich möchte mich noch ein wenig umsehen. Zu schade, daß du nicht mit an Bord kommen kannst, aber sie erlauben keine Besucher. Also, Vater – damit wären wir eigentlich soweit – « »Kurz und schmerzlos!« sagte ich. Dann stieg er hinab in den engen Gang, der unter der BleiGlaswand hindurchführte. Kurze Zeit darauf sah ich ihn auf dem Feld. Er trug jetzt den Raumanzug und wirkte wie ein seltsames Ungeheuer. Da ging er nun dahin, beladen mit seinen Träumen und Hoffnungen, und ich fragte mich im stillen, ob er wohl 44
Angst habe. Sie hatten alle Angst, die zum ersten Male in eine Rakete kletterten. Nur Helden nicht. Aber – es gab ja gar keine Helden. Nur Menschen! Um mich herum waren noch mehr Zuschauer. Das half mir ein wenig, über die trüben Gedanken hinwegzukommen. Kurze Zeit danach heulte eine Sirene auf. Irgendwo begann in einem Lautsprecher die Stimme zu sprechen. Es war immer dasselbe: »Fünf – vier – drei – zwei – eins – null!« Das ›Null‹ ging unter in einem brüllenden Chaos. Gibt es überhaupt etwas, mit dem man den Start eines Raumschiffes vergleichen könnte? Schon tausendmal habe ich es gesehen, wenn auch immer durch eine dicke Glaswand geschützt. Für mich ist es ein grandioses Schauspiel, und das brüllende Heulen ist Musik in meinen Ohren. Blau-weiße Strahlenbündel purer Energie prallten auf den schwarzgefärbten Betonboden, ließen diesen aufglühen. Zehntausend Kilogramm Druck auf den Quadratzentimeter, erzeugt von einer halben Million Grad Hitze, hoben das Tausende von Tonnen wiegende Raumschiff langsam, mit immer schneller werdender Geschwindigkeit vom Boden ab, trugen es in den Nachthimmel hinauf. Ich starrte so lange hinterher, bis die flammenden Düsen zu einem winzigen Punkt wurden, der allmählich verlosch. Nur noch die Sterne waren zu sehen. Und am Südhorizont stand leuchtend der Jupiter. Fast vermeinte ich den schweren Staub zu fühlen, der nun langsam vom Himmel herabregnete. Bleistaub, radioaktiv. Konzentriert erzeugt er einen ungeheuren Schub, dann aber kondensiert er, fällt zur Erde zurück. Die Atmosphäre wird nur wenig vergiftet, aber der Boden der Wüste wird strahlend. Bizarre Mutationsformen der Kakteen zeugen von der Wirkung. Ohne Strahlanzug ist es unmöglich, sich frei hier zu bewegen. Die Wüste um White Sands ist verbotenes Gebiet.
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Allein und einsam, aber doch irgendwie beruhigt, machte ich mich auf die Heimfahrt. Die nun folgenden Wochen würden sehr schwer für mich werden, denn ich hatte mich zu sehr an die abendlichen Stunden mit Rick gewöhnt. Aber ich mußte zufrieden sein. Schließlich besaß ich eine mechanische Hand und ein künstliches Bein und hatte meinen Laden. Meine Kundschaft bestand nur aus Leuten, denen Raumfahrt und fremde Welten alles Glück bedeutete. Ich hatte ja meine Fotografien, meine Andenken und meine zum Verkauf dargebotenen Gebrauchsgegenstände für Raumfahrer. Und allein der Anblick der Navigationsinstrumente, der Strahlpistolen, der Raumanzüge erzeugte in mir eine wohltuende Illusion, als sei ich selbst noch ein Mann, der schon in eine Rakete klettern würde, um die Erde zu verlassen. Schon aus den Gesichtern meiner Kunden las ich oft das heraus, was ich zu sehen wünschte. In ihnen fand ich den Asteroidengürtel, jenen durch eine gewaltige Atomexplosion vernichteten Planeten zwischen Mars und Jupiter. Ich hörte ihren Erzählungen zu und sah sie selbst vor mir, die unregelmäßigen Trümmerstücke, teils noch mit Ruinen bedeckt und mit Schätzen übersät. Oder ich sah die für alle Zeiten konservierten Leichen der ehemaligen Bewohner, die zwar aufgedunsen, aber gut erhalten, hier und da im freien Raum schwebend, aufgefunden wurden. Die Katastrophe mußte nur Sekunden gedauert haben, aber sie hatte eine Welt ausgelöscht. Man brachte mir das, was man fand: Seltsame Maschinen, deren Zweck nicht zu erraten war; Metallgefäße, Kleidungsstücke aus einem unbekannten Stoff, sogar Edelsteine; oder auch gezackte Überreste einer prähistorischen Weltraumrakete, die zu merkwürdigen Vermutungen führte. Alle diese Dinge liebte ich, sie gaben mir das Gefühl, daß ich noch ›dabei‹ sein konnte. Und wenn man mir die Dinge brachte –
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»Sieh' mal hier, Arch: Was meinst du, was das ist? Ein Briefbeschwerer, eh? Wir fanden das Ding nur 30 Kilometer von Marsport entfernt, nur ein wenig mit Sand bedeckt. Es ist sogar etwas eingraviert, weiß der Teufel, was das bedeuten soll. Vielleicht ein Glückssymbol? Du kannst es haben, Arch. Hilf uns ein wenig mit Batteriemagazinen aus dafür – « Der Mars war schneller erkaltet als die Erde. Kein Wunder, daß sich dort die Zivilisation schneller entwickelt – und wieder vernichtet hatte… Ich stellte es mir vor, wie eins dieser Lebewesen der heutigen Asteroiden oder vom Mars über dem erstmalig konstruierten Rad hockte. Oder wie es in einem Laboratorium zum ersten Male Elektronen vom Kern abspaltete. Vor vielleicht 60 Millionen Jahren. War der Zeit- oder Ortsunterschied denn so wichtig? War vielleicht auch die Psyche jener Wesen gleich der unsrigen? Die Menschheit stand erst am Anfang dieser ungeheuerlichen Entwicklung. Jene auf dem Mars hatten gefehlt, obwohl sie Raumschiffe besaßen und den Raum erobert hatten. Doch vielleicht würde der Mensch es besser machen können. Vielleicht – Was sollte ich jener alten Frau sagen, die eines Tages in meinen Laden kam und mich fragte: »Was schenke ich am besten meinem Sohn? Er ist auf Ceres.« Ich hätte ihr so gut etwas verkaufen können, aber ich sagte: »Backen Sie ihm einen Kuchen, über den wird er sich am meisten freuen. Glauben Sie mir das!« Sie buk den Kuchen. Und ihr Sohn freute sich. Wenn ich ehrlich sein soll: Ich war zufrieden mit meinem Schicksal, weil ich es sein mußte. Und weil ich in meinem Laden die Atmosphäre der anderen Welten riechen konnte. In einer Ecke stand ein versiegeltes Glas mit Marsluft. Die rotbraune Erde schien mich zu locken und zu rufen, aber ich
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konnte ja dem Ruf keine Folge leisten. Was sollte ein Krüppel auf dem Mars? Wer würde ihn nach dort bringen? Ricks erster Brief kam an. Man hatte ihn von dem Mikrofilm auf ein einfaches Blatt Papier reproduziert. Heftig schlug mein Herz, als ich die wenigen Zeilen las: »Planmäßige Landung in Marsport – Moderne Stadt – Gewaltige Plastikkuppel – Wie wir gedacht haben und doch anders – Kurzer Aufenthalt mit Spazierfahrten – Am Horizont die roten Hügel – Der dunkelblaue Himmel – Du weißt ja von Bildern – Doch was ist jenseits der Hügel – Wüste, Steppe, Ruinen – Nur fünf Stunden Aufenthalt – Bald mehr – « Rick liebte das Unbekannte genausosehr wie ich. Der zweite Brief kam nicht mit einem zurückgekehrten Raumschiff, sondern in einer winzigen Postrakete, die von der STARBELT abgeschossen wurde. In ihr befand sich die gesamte Post der Mannschaft. ›Auf Ganymed gelandet – Mir geht es gut – Expedition teilgenommen – Bei Bergung eines Senders, der in eine Spalte fiel, wurde ein Kamerad von mir verletzt – Nicht sehr schlimm – Plastikkuppel errichtet – Durch die Fenster freie Sicht auf felsige Kraterlandschaft – Kein Schnee, aber dichter Methannebel – An der Seite des Kraters fanden wir kleine künstliche Tunnel – Die Marsianer waren schon hier – Werde Dir noch berichten – ‹ Es kamen noch andere Briefe. Einer noch von Ganymed. Der vorletzte, der mich erreichte, war auf Callisto geschrieben worden. ›Bekam drei Briefe von Dir per Postrakete – Hoffe, Deine Pläne erfüllen sich – Bin auf Callisto – Überall gab es Leben – Reste einer luftdicht abgedeckten Stadt – Atomsonnen-Reste – Künstliche Gärten mit Pflanzen – Ob wir alles wiederaufbauen können – Denke mal darüber nach – Ich grüße Dich, Vater – ‹ Der Brief von Jo lautete folgendermaßen:
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›Dies ist der innerste der großen Monde – Kurze Zwischenlandung auf Europa – Wir haben sicher viel verpaßt, da in großer Eile – Der Jupiter ist gigantisch und schreckenerfüllend – Als ob er in den ewigen Schnell fallen möchte – Er ist mit Wolken bedeckt – Vielleicht gehen wir näher an Jupiter heran, wenn die Gravitation nicht zu stark ist – Bald kehren wir zurück – Hier auf Jo fanden wir nur die zerstörten Reste einer Station – Wenn wir hier die Atmosphäre verändern könnten – Ich mache viele Aufnahmen für Dich – Ebbe und Flut in der Atmosphäre erzeugen gefährliche Wirbelstürme – Bald auf Wiedersehen – Der nächste Flug geht zum Saturn – ‹ Immer und immer wieder las ich diese kurzen Briefe. Sie rundeten mein Bild einer möglichen Zukunft ab. Vor meinem geistigen Auge sah ich die Besiedlung der Planeten und Monde, wie sie vielleicht auch einmal sein würde. Wer wollte das schon heute wissen? Die STARBELT wagte sich bis fast an die Grenze der Atmosphäre des Jupiters heran, wie durch spätere Berichte bekanntgegeben wurde. Die Besatzung glaubte sogar, mehr als einmal undeutliche Bewegungen und Unregelmäßigkeiten auf der Oberfläche des Riesenplaneten bemerken zu können. Aber – welches Leben konnte unter einer 3000 Kilometer dicken Giftatmosphäre existieren? Man vermutete Leben auf der Basis flüssigen Ammoniakgases. Das Raumschiff hätte genauso verlorengehen können, aber das geschah nicht. Doch mit der Annäherung an Jupiter war Ricks Schicksal bereits besiegelt. Von Jo aus erreichte mich eine kurze Nachricht: ›Wir bedauern, Ihnen mitteilen zu müssen, daß John Richard Archer durch einen Unfall schwer verletzt wurde – ‹
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Trotz der ernsten Botschaft verlor ich nicht meine Hoffnung. Ich vertraute auf die Hilfe der modernen medizinischen Wissenschaft. Erst vier Wochen später kam die nächste Nachricht. Diesmal von Marsport, wo die STARBELT glücklich gelandet war. ›John Richard Archer befand sich auf einem Erkundungsflug mit einer Pinasse – Methangas muß in die Kabine eingedrungen sein und ist explodiert – Zusammen mit dem Sauerstoff wurde große Hitze entwickelt – ‹ Mehr nicht. Ein ganz gewöhnlicher Unfall, ein lächerlicher Unfall! Kein Absturz mit rasender Geschwindigkeit oder sonst ein im Weltall möglicher Zwischenfall, nein. Ganz einfach nur ein Konstruktionsfehler, der seine Ursache in der mangelnden Erfahrung hatte. Aber auch Rick hätte vorsichtiger sein können! Nicht lange danach stand ich wieder hinter jener Glaswand und starrte hinauf in den Himmel, aus dem sich die STARBELT zur Erde herabsenkte. Obwohl sie nicht anders aussah als vorher, schien von ihr ein neuer Glanz auszugehen. Es war der Glanz des Ruhmes. Diesmal durfte ich an Bord, kaum daß sie gelandet war. Ein seltsames Gefühl ergriff mich, als ich durch die sauberen Korridore schritt, hinter meinem Lotsen her. Vorbei ging es an den zylinderförmigen Maschinen, die innerhalb des Schiffes die künstliche Gravitation schafften, vorbei am Kontrollraum und vorbei am abgeschirmten Maschinenraum. Dann stand ich vor dem einzigen Opfer der sonst erfolgreichen Expedition. Der Arzt führte mich an sein Bett. »Wir haben alles Menschenmögliche getan, Mr. Archer«, sagte er. Hilflos sah ich hinab auf die Metallröhrchen und Schläuche, die von verschiedenen Apparaten her unter die Bettdecke führten, zu dem, was von Rick übriggeblieben war. Und das konnte nicht viel sein, wenn man den Konturen nach schließen
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wollte, die sich durch das weiße Tuch drückten. Ein Bein fehlte ganz. Die Brust mußte völlig eingedrückt sein. »Zwei Monate sind eine lange Zeit, Mr. Archer«, sprach der Arzt jetzt wieder. »Es war ein Kunststück, ihn so lange am Leben zu erhalten. Noch vor dreißig Jahren hätte er keine halbe Minute mehr gelebt. Die Atmung and der Blutkreislauf stoppten, aber wir hielten beides bisher künstlich aufrecht. Doch das Fleisch starb ab. Wir sahen uns gezwungen, einiges fortzuschneiden – « Der Arzt sprach offen und ehrlich. Er sah wohl, daß ich die Wahrheit wissen – und vertragen wollte. »Wie lange noch?« fragte ich kurz. »Noch einige Stunden, höchstens aber einen Tag.« »Könnten Sie mich für eine Minute mit ihm allein lassen?« Er nickte und ging aus dem Zimmer. Leise schloß er die Tür. Ich schaute nieder auf Ricks Gesicht, das nur noch aus Knochen und einer darüber gespannten gelben Haut bestand. Viel war da nicht mehr, was mich an ihn erinnerte. Doch viele Menschen kennen das, was ich durchmachte. Der Vater am Totenbett seines Sohnes – das ist so alt wie die menschliche Geschichte selbst. Ich berührte seine Wangen. Seine Bewußtlosigkeit war nicht sehr tief, denn er schlug langsam die Augen auf. »Rick –?« fragte ich ängstlich. Nach einer ganzen Weile erst schien er mich zu erkennen. Seine Lippen bewegten sich, aber ich hörte keine Worte. Doch ich verstand, was er sagen wollte. Man kann es von den Lippen ablesen. »Vater! Es war so schön – so wunderschön – hätte es doch nur noch viel – viel länger gedauert – « Seine Augen schlossen sich wieder. Und dann kamen meine Gedanken, fielen über mich her.
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Es war ein gewagtes Spiel – schon beim Start begann es. Oder sogar noch früher! Sein Spiel, mein Spiel – das Spiel der ganzen Menschheit! Wir verloren – Rick und ich. Er stirbt und ist noch keine zwanzig. Seine Zukunft ist zu Ende – er hat einfach keine Zukunft. Aber er hat in den vergangenen Monaten viel gesehen, mehr als andere Männer ihr ganzes Leben lang. Aber trotzdem: Finis! Und unsere Hoffnungen? Der Saturn? Oder – vielleicht sogar später die Sterne? Was ist damit? Und was ist mit den anderen schönen Dingen des menschlichen Lebens? Mit einer Frau, mit Kindern? Aus, vorbei, zu Ende! Doch dann sprach eine andere Stimme zu mir: Du darfst nicht schwach werden, Archer! Sicher, du bist schon alt und krank, aber zeige jetzt, daß du Mut hast, daß du tapfer bist und stark! Heule nicht, wenn du deinen Sohn verlierst! Aber die andere Stimme kam wieder: Du betest den falschen Gott an, Archer! Du hast ihm schon deinen eigenen Sohn geopfert. Der falsche Gott heißt: Wissenschaft und Fortschritt! War das wirklich wahr? Für einen Augenblick verfluchte ich die ganze Wissenschaft, die Atomenergie und den Weltraum. Doch ich wurde dann wieder ruhig. Und ein uralter Menschheitstraum stieg in mir auf: die Zeit zurückdrehen und alles Unglück, das passiert war, rückgängig machen können! Die größte Not gebiert die größten Ideen. Und ich hatte plötzlich eine phantastische Idee: Der Flug in den Weltraum war einst ein Traum gewesen, ein ganz unmöglicher, verrückter Traum. Heute war der Weltraumflug Wirklichkeit geworden. Und mit ihm noch vieles andere. In meinem privaten Laboratorium, wo ich die alten Reliquien aufbesserte und reparierte, hatte ich schon manches Mal darüber nachgedacht, ob nicht – Der Arzt war in das Zimmer zurückgekehrt. Ich wandte mich an ihn:
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»Hören Sie zu, Doktor. Mir ist da eben ein Gedanke gekommen. Sagen Sie mir ganz ehrlich, ob er irgendeinen praktischen Wert hat. Mein Sohn wird bald tot sein, Sie können ihm nicht mehr helfen. Aber später, in nicht mehr ferner Zukunft, wird auch die medizinische Wissenschaft weiter fortgeschritten sein, sie wird die Grenze zwischen Leben und Tod verwischen können, verstehen Sie? Ich kenne eine Menge von dem Präparieren organischer Körper – eine ganze Menge sogar. Was würde also geschehen, wenn man später einen vollkommen erhaltenen menschlichen Körper fände, einen Körper, dessen Gehirn sogar echt und voller persönlicher Eigenart ist? Ob man ihn wiederbeleben könnte – oder wenigstens kopieren? Was meinen Sie, Doktor?« Meine Stimme war trocken und heiser. Der Arzt sah mich lange und nachdenklich an, dann aber schien er zu begreifen, was ich damit sagen wollte. Mein Gedanke – hart an der Grenze des Unverständlichen und des flackernden Irrsinns – fand seinen Weg zu seinem Verstand. Einst wäre auch diese Idee unmöglich gewesen, aber die Zeit hatte dieses Wörtchen allmählich mit ihren Tatsachen verdrängt. Ich sah, daß der Arzt sogar einmal für eine flüchtige Sekunde lächelte. »Ja«, sagte er endlich. »Ich verstehe. Es ist möglich. Vielleicht in einem Jahrhundert, vielleicht aber auch erst in tausend Jahren.« »Das meine ich! Doktor, Sie haben es begriffen!« rief ich aus und ergriff unwillkürlich seine Hand. »Hören Sie zu! Sie bleiben jetzt bei meinem Sohn und achten auf ihn. Hier ist meine Telefonnummer. Rufen Sie mich sofort an wenn Sie denken, es geht mit ihm zu Ende. Ich komme so schnell wie möglich zurück. Sein Gehirn muß noch intakt sein!« Ich eilte, so schnell ich konnte, zurück in meinen Laden und in das dahinter liegende Labor. Dort stand – wie immer – alles
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bereit. Sofort begann ich mit dem Mischen der Lösung. Die Plastik würde bis dahin ebenfalls hart genug sein können. Rein physisch gesehen, mag es grausam gewesen sein, aber der Zweck und Sinn meines Planes war genau das Gegenteil. Nur tief in meinem Innern saß ein würgendes Bedauern, daß ich das gleiche nicht mehr für meine Frau tun konnte, die vor einigen Jahren einem Verkehrsunfall zum Opfer gefallen war. Auch wenn sie an den Ereignissen der Zukunft nicht interessiert war. Während ich fieberhaft arbeitete, führte ich Selbstgespräche, obwohl das sonst nicht meine Gewohnheit ist. »Es ist nicht das Ende, Rick – es ist erst der Anfang! Der Saturn, vielleicht sogar die Sterne! Du sollst deine Zukunft erleben, in einer schöneren, besseren Ära. So, wie wir sie uns heute noch nicht vorstellen können, obwohl wir vielleicht sogar ein wenig geholfen haben, sie zu beginnen. Ich werde auf einer Kupferplatte eingravieren: WIEDERBELEBEN! Oder meinetwegen: MEDIZINISCHES EXPERIMENT! Es ist gleich, sie werden dann schon wissen, was sie zu tun haben. Schon darum, weil sie neugierig sein werden. Es ist doch keine Schändung, Rick? Nein, das kann es nicht sein! Die Zeit, das Wissen und die Weisheit machen den Weg frei zu neuen Erkenntnissen und zu neuen Welten. Selbst der Traum der ewigen Jugend wird verwirklicht werden. Und vielleicht sehen wir uns sogar wieder, denn was ich jetzt für dich tue, kann man später auch für mich machen. Alles zur rechten Zeit. Vielleicht für alle – « Ich wurde rechtzeitig fertig mit meiner Arbeit, und bald darauf versenkten wir den Bleisarg in dem sandigen Boden der Wüste. Eine riesige Kupfertafel verkündet von dem einmaligen Versuch, den Tod zu besiegen. Ein Duplikat der Inschrift liegt im Safe meiner Bank. Das Leben geht nun weiter. Morgen besteige ich das regelmäßige Passagierschiff zum Mars. Ich fahre geschäftlich
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nach dort, aber die Reise wird ein wenig von dem geben, was ich mir immer wünschte. Alles andere hat Zeit. Was heute eine vage Idee ist, kann schon morgen Wirklichkeit werden. Wer weiß das? Vielleicht wurde ich doch nicht zu früh geboren – Aus dem Amerikanischen von Walter Ernsting
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NULLPUNKT von H. J. Campbell
Nalard saß lauschend in der Dunkelheit. Seine sensitiven Finger hielten in der Arbeit inne. Das Gefühl, nicht allein im Raum zu sein, hatte ihn plötzlich überfallen und nicht mehr losgelassen. Verstandesmäßig wußte er, daß es nicht so sein konnte. Die hochempfindlichen elektrischen Geräte, die seine Augen und sein Gehör ersetzten, hatten nichts gemeldet, es war unmöglich, daß etwas Materielles zu ihm eingedrungen war, und doch hatte er die Gewißheit der Nähe eines anderen Wesens. Sollte er es geschafft haben? Das Prickeln im Nacken hatte ihn ergriffen, als er den Draht aufnahm, um die letzte Verbindung zu löten. Jetzt, da seine komplizierte elektrische Apparatur unter Strom stand, hörte es nicht mehr auf. Seine Gedanken formten eine dringende, erregte Frage: »Bist du da?« Und in seinem Gehirn formte sich deutlich eine Antwort, die ganz offensichtlich nicht aus ihm selbst kam: »Hoffentlich bin ich nicht zu spät gekommen.«
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»Gerade noch zur rechten Zeit«, dachte Nalard erleichtert zurück. »Weißt du noch, vor zwei Jahren – « Damals war er 28 gewesen. Sein Körper gehorchte ihm nicht mehr; er konnte sich nur im Rollstuhl fortbewegen, seine Augen und das Gehör hatten stark nachgelassen. Die Einweisung ins staatliche Altersheim stand nahe bevor. Nur sein Geist war noch klar, sein Wille, fest. Entschlossen ließ er sich beim mechanistischen Integrator melden, dem höchsten Regierungsbeamten der Menschheit. Der hatte ihm ungeduldig herablassend zugehört. Sein blasses Jungengesicht stand unter ständiger Spannung, seine Bewegungen waren fahrig und nervös. »Seit zweieinhalb Jahrhunderten ist es Personen über 25 Jahren verboten, wissenschaftliche Apparaturen zu besitzen, damit zu arbeiten, oder sich überhaupt in der Forschung zu betätigen. Ich denke gar nicht daran, dieses Gesetz aufzuheben. Warum sollte ich es tun, ich bin 10 Jahre alt, habe noch 15 Jahre eines tätigen Lebens vor mir. Seit mehreren tausend Jahren ist der Mensch schon von Geburt an gegen jede Krankheit immun, Eigentumsdelikte sowohl wie Gewaltverbrechen gehören der ältesten Vergangenheit an. All das verdanken wir der Maschine, dem Automaten, dem Elektronengehirn. Ich bin der festen Überzeugung, daß unser Weg der richtige ist, und werde nicht zulassen, daß sogenannte Ideen alter Leute unseren Fortschritt hindern. So, und jetzt habe ich keine Zeit mehr für Sie.« Ohne eine Antwort abzuwarten, drückte er auf den Besucherknopf, das Transportband unter Nalards Rollstuhl setzte sich in Bewegung, hilflos wurde er zur Tür hinausbefördert. Sein nächster Weg führte ihn zu Beni, dem ersten Biologen der staatlichen Hierarchie. Beni war 16, er saß auf der Lehne seines Sessels, die Füße auf dem Sitz und die Ellbogen auf die Oberschenkel gestemmt.
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Gutmütig ließ er Nalard ausreden, sprach dann zu ihm, geduldig und liebevoll, wie zu einem Kleinkind: »Der Mensch hat sich bereits zu weit von der Natur entfernt, um umkehren zu können. Mehr und mehr übernahmen Maschinen die Arbeit menschlicher Hände und Füße, Automaten die Arbeit menschlichen Gehirns. Den Alterungsprozeß des Körpers selbst aber können wir nicht aufhalten. Mit 21 verlieren wir die ersten Zähne, die Muskeln erschlaffen, Senilität setzt ein. Was wollen Sie dagegen tun?« Er hat gar nicht zugehört, dachte Nalard bitter, einem Erwachsenen hört die herrschende Jugend überhaupt nicht richtig zu, ich gehöre ja schon zum alten Eisen. »Den Verfall des Körpers akzeptiere ich ja, Beni, wir brauchen ihn kaum noch; aber mein Geist ist klar und aktiv. Ich versuche, den Geist aus dem Körper hinausprojizieren. Dann können wir den lästigen Sack voll Knochen und Eingeweide mit 25 Pfund auf den Misthaufen werfen und tätig weiterleben, statt mit 30 zu sterben.«; »Sie sterben doch nicht, Nalard. Sie werden ins Altersheim überwiesen und leben dort noch mindestens 150 Jahre. Es wird Ihnen an nichts fehlen. Roboter werden für Ihren Komfort, für jedes Ihrer Bedürfnisse sorgen. Ich verstehe nicht, wie Sie sich über diese Regelung beschweren können.« »Gewiß, meinem Körper wird nichts fehlen – er wird ja auch nicht mehr viel brauchen, denn in wenigen Jahren bin ich blind, taub und gefühllos in allen Gliedern. Aber mein Geist, Beni! Sie als Biologe sollten doch wissen, daß der Mensch keine Maschine ist. Wozu soll ich leben, wenn ich nicht arbeiten, schaffen, denken darf?« »Gedanken sind Stromstöße, die zu ihrer Entstehung der Nervenzellen bedürfen. Diese aber degenerieren ebenso schnell wie alle übrigen Körperzellen. Gerade Ihr verrückter Plan beweist mir, daß Senilität bei Ihnen sein. früh eingesetzt hat.
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Psychologie ist vom Forschungsplan gestrichen worden. Im Altersheim werden Sie genügend Zeit haben, sich damit zu beschäftigen, aber Versuchsgeräte kann ich Ihnen nicht anvertrauen. Das ist endgültig!« Nalard gab zum Schein nach und fragte nur noch bescheiden: »Darf ich Sie manchmal besuchen?« Beni nickte. Es tat ihm offensichtlich leid, Nalard so fortzuschicken. Dann drückte auch er entschlossen den bewußten Knopf, und sein Besucher rollte rückwärts zur Tür. Eine Hoffnung hatte er noch. Bergson, das dritte Mitglied des höchsten Triumvirats war 21. Vielleicht hatte er Verständnis für den Plan, ein Schicksal abzuwenden, das auch ihn so bald treffen würde. Er lenkte den Rollstuhl die Rampe zum cephalischen Institut hinauf, fuhr in den Lift, der ihn zum Stockwerk des Direktors brachte. Oben empfing ihn das grüne Eintrittsschild, der Fahrstuhl öffnete sich also, statt ihn einfach wieder mit nach unten zu nehmen. Nalard wurde mißtrauisch. Er hatte sich nicht vorher angemeldet; nur der automatisch nach oben meldende Bild-Schirm am Eingangstor hatte Bergson über sein Kommen unterrichtet, und doch wurde er sofort vorgelassen? Da mußte ihn wohl Beni inzwischen angerufen und ihm Instruktionen erteilt haben, Weisungen, die der um 5 Jahre ältere wohl kaum würde mißachten können. »Verzeihen Sie, wenn ich sitzen bleibe, Nalard, meine Beine wollen nicht mehr so, wie sie sollten. Also, was gibt’s?« »Das wissen Sie doch schon ganz genau, was soll ich noch reden? Sagen Sie mir ein klares ›Ja‹ oder ›Nein‹, dann brauche ich Sie nicht länger aufzuhalten.« »Selbstverständlich ›nein‹. Hatten Sie daran gezweifelt? Ich bin nicht so vermessen, meine eigenen Gedanken – das Denken fällt mir überhaupt sehr schwer – über die eines Elektronengehirns setzen zu wollen. In der dunklen Zeit der
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Menschheit war ein Mann 60 Jahre tätig und starb mit 70 oder 80. Er akzeptierte das. Heute sind wir 25 Jahre lang aktiv und sterben mit ungefähr 185. Warum sollten wir diesen so viel günstigeren Zustand nicht akzeptieren?« »Sie irren sich, Bergson, wenn Sie meinen, die Menschen damals hätten ihr Los so fraglos hingenommen. Eben weil sie es nicht taten, ist die Lebensdauer verlängert, die Zeit der körperlichen und geistigen Frische aber verkürzt worden. Es war immer das Typische, Menschlichste am Menschen, daß er, im Gegensatz zum Tier, Umweltbedingungen nicht akzeptierte, daß er seine Umwelt selbst gestaltete. Der Geist ist mehr, als Kraftfelder und Stromstöße. Bergson, ich flehe Sie an, sprechen Sie noch einmal mit dem mechanistischen Integrator. Ich will ja keine Hilfe, ich will nur Erlaubnis. In drei Jahren kann ich es schaffen, wenn mir die Apparate zur Verfügung gestellt werden, heißt das, und Sie selbst kommen dann noch in den Genuß meiner Erfindung.« Doch Bergson hörte schon nicht mehr zu. Dann waren die Jahre der Angst gekommen, die Jahre der verstohlenen Forschungsarbeit. Unmittelbar nach dem mißglückten Interview mit Bergson war er ins Altersheim geschafft worden. Immer wieder hatte er Beni besucht und dabei ein Instrument nach dem anderen mitgehen lassen. Immer wieder hatte er eine Versuchsreihe aufgebaut, immer wieder Fehlschläge erlitten. Jetzt war es soweit! »Ja, du bist noch zur rechten Zeit gekommen. Aber sprich mit mir, sage mir mehr!« »Ich brauche mehr Strom, ich bin zu schwach.« Nalard legte den Hebel ganz herum. Das Prickeln im Nacken wurde unerträglich, und auf einmal – sah er seinen Körper regungslos vor der selbstkonstruierten Maschine sitzen! Er hatte sich von ihm befreit, war reiner Geist. Seine Lebensdauer hing allerdings von der Stromzufuhr ab. Er wollte nach dem Hauptschalter greifen, um die Reserveleitung einzuschalten, und
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bemerkte, daß er sich nicht bewegen konnte. Reglos hing er im Raum, Bewußtsein ohne Mittel zur Fortbewegung, Geist ohne Körper. Er sah, wie ein Roboter hereinkam, seinen Körper nachdenklich betrachtete und das Zimmer wieder verließ. Er rief ihm einen Befehl zu, aber der Diener hörte nicht. Für ihn existierte er nicht. Nach wenigen Minuten glitt die Schiebetür wieder auseinander, Beni, Bergson und der Integrator kamen herein. Keiner hörte ihn, keiner nahm ihn wahr. Beni schüttelte bedauernd den Kopf. »Wir hätten ihm nicht erlauben sollen, die Apparatur zu stehlen. Aber ich dachte, da läßt er uns wenigstens in Ruhe. Jetzt hat er sich selbst ›elektrokutiert‹, und zum Roboter gewendet: »Schaff ihn fort!« Nalard sah, wie der Roboter seinen Körper aufnahm und hinaustrug. Sein Körper war blind gewesen, taub und lahm, er bedauerte den Verlust nicht, aber er wollte leben, er wollte den drei Herrschern erklären, daß er geschafft, woran alle zweifelten, daß er eine Wiedergeburt der Menschheit habe einleiten können, die zu ewigem Leben im Geiste führen mußte, daß das Schreckgespenst des Altersheimes von ihnen genommen war. Aber er konnte sich ihnen nicht mitteilen. Er brauchte Zeit, um eine Technik der Gedankenübertragung zu finden; er wollte leben und sah nun mit steigendem Entsetzen, wie Bergson auf die Maschine zuging. Nalard schrie auf, er tobte, kämpfte und wand sich, doch Bergson vernahm und fühlte nichts von alledem. Er ergriff den Schalthebel, legte ihn langsam herum. Nalard wurde schwächer und schwächer. Gebannt starrte er auf die Skala, der rote Zeiger kroch langsam, aber stetig dem Nullpunkt zu Beni sah Bergson zögern, als hätte er einen fernen Hilferuf aufgefangen und fuhr ihn schroff an: »Schalte den Strom ab! Wir haben anderes zu tun!«
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Da schüttelte Bergson etwas verwirrt den Kopf, sah seinen jüngeren Vorgesetzten wie um Verzeihung bittend an und legte den Hebel endgültig herum. Der rote Zeiger deutete auf Null. Aus dem Englischen von Rose Ebert
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DIE PLANETEN UNSERES SONNENSYSTEMS von Wolf Detlef Rohr MERKUR
Foto: John Lackey
Unser Sonnensystem besteht aus den bis jetzt bekannten 9 Planeten Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun und Pluto sowie ihren Monden. Merkur ist, wenn wir die Planeten in der Reihenfolge ihrer Anordnung von der Sonne nach außen betrachten wollen, der sonnennächste. Die angestrengten Nachforschungen nach einem weiteren zwischen Sonne und Merkur kreisenden Planeten, für den man schon den Namen Vulkan bereitgehalten hatte, haben bis jetzt keinen Erfolg gehabt. Es ist verständlich, daß die Astronomie 63
lange Zeit annahm, zwischen Sonne und Merkur würde ein zehnter Planet unser Muttergestirn umkreisen, ist doch schon Merkur, der nach dem römischen Götterboten und dem Gott des Handels und Verkehrs benannt ist, am gestirnten Himmel schwer zu erkennen. Da er sich äußerst nahe der Sonne aufhält, ist er nur in der Abend- oder Morgendämmerung aufzufinden und auch dann kaum erkennbar. Mit höchstens 23 Grad entfernt er sich von der Sonne, so daß er mit äußerst geringem Zeitunterschied im Vergleich zur Sonne auf- und untergeht. Weitaus bekannter war dieser Planet daher den Astronomen des alten Babylon, da in den südlichen Ländern mit dem geringen Zeitunterschied zwischen Tag und Nacht die Sterne ungleich steiler auf- und untergehen wie in unseren Regionen. Der schwierigen Beobachtungsmöglichkeit wegen weiß man auch heute noch nicht sonderlich viel über die physische Oberflächenbeschaffenheit gerade dieses Planeten, der in einer Entfernung von rund neunzig Millionen Kilometern von der Erde die Sonne in einem Abstände von 57,9 Millionen Kilometern umkreist. Merkur braucht zu einem Umlauf 88 Tage; man nennt das ein Merkurjahr. Wenn wir jedoch in diesem Zusammenhang von einem Merkurjahr sprechen, darf man keine irdischen Begriffe zugrunde legen und etwa jahreszeitliche Veränderungen auf Merkur vermuten. Mit einem Durchmesser von 4760 Kilometern, womit er der zweitkleinste Planet unseres Sonnensystems ist, und wegen seiner großen Sonnennähe haben wir uns seine Oberflächengestaltung als ein einziges riesiges, von gewaltigen rissigen Klüften und Spalten durchzogenes Felsplateau vorzustellen, auf das unbarmherzig die Sonne dort herniederglüht, wo Merkur seine eine Seite der Sonnenbestrahlung darbietet, während seine Nachtseite der Eiseskälte des Weltraumes ausgesetzt ist. Über seine Rotation
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(Eigendrehung) bestehen noch keine festen Werte. Einerseits glauben viele Beobachter, festgestellt zu haben, daß der Planet sich in fast derselben Zeit wie die Erde um seine Achse dreht, andererseits erklärten viele Beobachter, wie Schiaparelli und Lowell, daß nach ihren Beobachtungen der Planet stets dieselbe Seite der Sonne zuwende, so daß seine Rotationszeit gleich der Zeit seines Umlaufs – also 88 Tage – sei. Mag nun die eine oder die andere Beobachtung zutreffen, auf jeden Fall zermürben die krassen Temperaturunterschiede seit Jahrmillionen dem Stein, und wenn man bedenkt, daß die Sonne als nahezu siebenmal größere Scheibe am Merkurhimmel steht und die Teile des Merkur, über denen sie im Zenit steht, nach den neuesten Berechnungen mit den auftretenden Temperaturen von +385 Grad bestrahlt, so kann man sich von der Oberflächengestaltung und der dort herrschenden Gluthitze ein Bild machen. Im Fernrohr sind auf der Merkuroberfläche keine Einzelheiten zu erkennen. Das trägt dazu bei, daß wir nicht feststellen können, wie schnell sich Merkur um seine Achse dreht, wie lange also seine Tage und Nächte dauern. Wir vermögen lediglich zu erkennen, daß es sich um einen Gesteinskörper mit einer unserem Erdmond ähnlichen unebenen Oberfläche handelt, der von keiner Atmosphäre umgeben ist. Photometrische und spektralanalytische Untersuchungen haben ergeben, daß Merkur keine Lufthülle im reinen Sinne dieses Wortes besitzt. Wenn sie früher einmal vorhanden gewesen sein sollte, muß sie sich in den Weltraum verflüchtigt haben, da die geringe Anziehungskraft des Planeten sie gar nicht hätte halten können. Vermutungen über die Bewohnbarkeit der Planeten innerhalb unseres Sonnensystems werden gerade bei dem Merkur ad absurdum geführt, da ihm nicht nur die zum organischen Leben
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Foto: John Lackey
benötigte Atmosphäre fehlt und die Sonnenglut jedes zum organischen Leben benötigte Wasser sofort verdampfen würde (falls es überhaupt vorhanden wäre), sondern auch kein Lebewesen sich in dem scharfen Temperaturwechsel zwischen glühendheißem Merkurtag und eiskalter Weltraumnacht behaupten könnte. Wie unser Erdmond, ist demnach Merkur eine tote Welt, ein Himmelskörper, der auf seinem Lauf um die Sonne nie Leben trug, tragen kann und tragen wird. Wolf Detlef Rohr (bpa)
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DER UTOPISCHE FILM IN HOLLYWOOD von Forrest J. Ackerman
Die UNIVERSAL INTERNATIONAL wird sehr bald umgetauft werden können, wenn diese Filmgesellschaft so weitermacht wie bisher. Ich würde vorschlagen in: UNIVERSAL INTERPLANETARY! Denn ohne Zweifel ist es ihr Verdienst, die meisten SF-Filme gedreht zu haben. Nach dem gewaltigen Erfolg THIS ISLAND EARTH (UTOPIAGroßband 37) und TARANTULA nun THE DEADLY MANTIS. Und in Kürze: THE CREATURE WALKS AMONG US. Aber damit sind die Pläne der U.I. noch lange nicht alle erwähnt. Sie sagen sich: Für jeden etwas! Also weiter: Eine Zivilisation unter dem Meer behandelt der Film THE MOLE MEN; Dinosaurier kriechen angsteinflößend durch den Streifen THE LAND UNKNOWN. Richard Matheson hat seine preisgekrönte Novelle THE SHRINKING MAN in ein Drehbuch verwandelt. Und ich persönlich möchte U.I. noch einen guten Roman empfehlen, der sich bestimmt zur Verfilmung eignen würde: DARKER THAN YOU THINK von Jack Williamson. CREATURE FROM THE GREEN HILL, ebenfalls U.I. dürfte sehr interessant werden. Was immer auch dieses Ungeheuer sein mag, es wird sich am Schluß herausstellen, daß es eine menschliche Mutation ist, entstanden durch die intensive Raumstrahlung bei einem Höhenversuch. Brynie Foy bringt nach RETURN OF DR. X jetzt THE MYSTERIOUS ISLAND. Im Augenblick reist er allerdings irgendwo in Mexiko herum, um einen geeigneten Ort für die Dreharbeiten zu der Fortsetzung von ZWANZIGTAUSEND MEILEN UNTER DEM MEER von Verne zu suchen. Ebenfalls in Mexiko wird THE LIVING IDOL gedreht.
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SABRE PRODUCTIONS tut sehr geheimnisvoll mit einem ganz neuen Film: IN THE DEPTHS OF SPACE. (Von Ed O’Callaghan.)
Szene aus dem Film ›This Island Earth‹ Foto: Universal
In England plant ein Produzent, Jules Vernes REISE ZUM MITTELPUNKT DER ERDE zu verfilmen. Ebenfalls Jules Verne und ebenfalls in England: FÜNF WOCHEN IM BALLON. Tony Curtis und Alec Guinness wollen diese luftige Reise gemeinsam unternehmen. Die BRITISH CINEMASCOPE bringt demnächst: FLAME IN THE SKY, einen Film über den Start des ersten Raumschiffes. Und METRO GOLDWYN MAYER ist bei den Dreharbeiten zu FORBIDDEN PLANET. Curt Siodmak schrieb mir eine Karte aus dem Amazonasgebiet. Dort hilft er einer Filmgesellschaft bei den
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Arbeiten zu einem SF-Film, dessen Titel er mir nicht verraten hat. Der gute Curt liebt nun mal die Überraschung. Tun wir ihm den Gefallen: Lassen wir uns überraschen!
20 000 Meilen unter dem Meer. Nach dem Roman von Jules Verne. Foto: Walt Disney Productions
Walt Disney bat mich vor kurzem, ihm doch ein Dutzend meiner SF-Magazine zu leihen – wegen der Titelbilder. Er sei dabei, einen neuen SF-Film vorzubereiten. Seit MAN IN SPACE (WELTRAUMFAHRT) hat ihn das Raumfieber gepackt. Ich brachte ihm die Hefte anläßlich eines Besuches (über den ich gelegentlich noch ausführlich berichten werde); er spannte mich maßlos auf die Folter. Zwei Filme bereitet er vor: TRIP TO MARS und OUR FRIEND THE ATOM.
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Frank Quattrocchi stellte eine Schmalfilmserie her mit dem Titel: MR. ATOM. Für Schulklassen! Ach, wäre man doch wieder jung!
Der Sturz in das Nichts! Eine Szene aus ›Eroberung des Weltalls‹ Foto: Paramount
Der erste SF-Western wird augenblicklich gedreht: THE BEAST OF HOLLOW MOUNTAIN. Dreieinhalb Meter hoch 70
ist das Biest! Technisch gesehen eine interessante Neuheit, denn es wird durch Spiegelung oder so etwas Ähnliches erzeugt. Man nennt diese Methode ›Regiscope‹. AMERICAN RELEASING CORP. bringt THE DAY THE WORLD ENDED. Doch darüber berichtete ich in den METEORITEN UTOPIA 34 ausführlich. Nur möchte ich hinzufügen, daß Paul Blaisdell den Auftrag erhalten hat, neue Mutanten – drei Stück – herzustellen, damit man die Fortsetzung drehen könne. Hm, Fortsetzung von: DER TAG, AN DEM DIE WELT ENDET? Wie wäre es mit dem Titel: DIE NACHT, IN DER DIE WELT WIEDER BEGANN? – Ray Bradbury hat die Filmrechte für SWITCH ON THE NIGHT vergeben. Da sind noch eine Menge anderer Pläne und Filmtitel, aber es würde zu weit führen, sie hier alle zu erwähnen. Leider ist es ja auch so, daß die wenigsten dieser Filme nach Deutschland gelangen. Leider! Aus dem gleichen Grunde kann eine Übersetzung der Originaltitel jetzt verwirrend wirken, da dann in Deutschland Buch und Film unter zwei verschiedenen Titeln erscheinen würden. Wie z. B. bei RIDERS TO THE STARS. Der Film hieß dann: R 3 ÜBERFÄLLIG (Wieso? R 2 kam auch nicht wieder!), und das Buch heißt: DER WEG ZU DEN STERNEN. Der gleiche Fall wird bei THIS ISLAND EARTH eintreten. Die Übersetzung in UTOPIA heißt: INSEL ZWISCHEN DEN STERNEN, und der Film: DER MUTANT. Dumm, nicht? Wir in Amerika sagen, wenn wir diese Liste sehen: Wieviel Schönes können wir noch erleben! Und Sie Deutschland werden sagen: Wieviel Schönes werden wir noch versäumen! Das ist das einzig Dumme an der Sache!
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EWIGE WIEDERKEHR von A. E. van Vogt
Seine Augen schmerzten. Nur mühsam vermochte er seinen Führer zu erkennen, der weit vor ihm flog. Das gelegentliche Aufblitzen des metallenen Flugapparates, der an den
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Raumanzügen befestigt war, verriet seinen jeweiligen Standpunkt. Der Mann selbst war kaum zu sehen, denn der stechende Glanz der kleinen Sonne blendete sehr. Wie ein funkelnder Diamant stand diese Sonne am Himmel, stieg höher und höher über den felsig gezackten Horizont des Mondes Europa. Fast erschien es Thomas als Absicht, als vollkommen unbegründete und unerklärliche Absicht, daß der vor ihm schwebende Führer ihm das Folgen so schwer und aufreibend machte. Mehr als anderthalb Kilometer unter ihm glitt die wüste Landschaft dahin. Zackige Felsen, tiefe Schluchten, hier und da ein urwüchsiger Dschungel, dann wieder eine wellige Steppe, bedeckt mit dem braunen, dürren Jupitergras. Hin und wieder konnte Thomas Lebewesen entdecken. Graugescheckte, große Tiere, die herdenweise auf der Steppe weideten, oder einmal sogar das flüchtige Aufleuchten eines schuppig-gepanzerten Blutsaugers. Das müßte ein Gryb gewesen sein. Es war im Moment unmöglich für ihn, einen Blick auf den Geschwindigkeitsmesser zu werfen, der unter der Sichtscheibe es flugfähigen Raumanzuges eingebaut war, denn er trug unter diesem Raumpanzer noch einen zweiten, leichteren Schutzanzug. Dieser wurde geheizt und genügte allein, sich frei auf dem Boden einer auch luftlosen Welt zu bewegen. Die beiden Sichtscheiben erschwerten den Ausblick, solange sie der Sonne entgegenflogen. Aber erst jetzt war ihm das seltsame Gebaren seines Führers aufgefallen, und er hatte Verdacht geschöpft. Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, suchten die schwebende Gestalt vor sich. Als er sie dann endlich sah, preßten sich seine Lippen fest zusammen, wurden zu einer schmalen, harten Linie. Mit einem kurzen Griff schaltete er die Miniatursendeanlage ein, rief mit kalter Stimme: »Eh, Sie da vorne – wie war noch mal Ihr Name?«
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»Bartlett, Sir!« kam die Antwort. Die Stimme gehörte einem jungen Mann. Der ältere Thomas, der auf Grund seines plötzlichen Verdachtes seine Aufmerksamkeit erhöhte, vermeinte deutlich den Hohn zu spüren, der in das Wörtchen ›Sir‹ gelegt wurde. Vielleicht sogar Feindseligkeit. »Ray Bartlett, Sir. Warum? Was ist denn?« »Sie haben mir gesagt, es wären nur 521 Kilometer, oder – « »Oder so ungefähr!« Diesmal lag offener Hohn und Genugtuung in der Stimme. Thomas verengte seine Augen noch mehr, sie wurden zu feinen, grauen Strichen. »Sie sagten 521 Kilometer, Bartlett! Die Zahl ist so präzisiert, daß es sich kaum um eine ungefähre Schätzung handeln kann. Im übrigen wollen Sie mir doch wohl nicht erzählen, daß Sie nicht die Entfernung von ›Fünf Städten‹ zu den Platin-Minen kennen? Wir haben jetzt genau 529 Kilometer zurückgelegt, seit wir vor einer Stunde ›Fünf Städte‹ verließen. Und mit jeder Sekunde werden es mehr.« »Das stimmt!« gab der andere zu. »Welch ein Unglück für Sie, Herr Staatsmann, ehemaliger Weltraumforscher Thomas!« Thomas schwieg. In seinem Gehirn wirbelten die Gedanken einen wilden, spekulativen Tanz. Hier drohte eine ihm noch unbekannte Gefahr, das fühlte er deutlich. Aber was es war, wußte er nicht. Sein erster Impuls, den jungen Mann einzuholen und ihn für seine frechen Worte zu bestrafen, wurde von seiner kalten, ruhigen Überlegung unterdrückt. Und diese Überlegung sagte ihm: Man beabsichtigt, dich zu ermorden! In seinem Unterbewußtsein schien er sich an etwas Ähnliches erinnern zu können, aber das war nur eine sehr vage Vorstellung. Der Tod selbst hatte ihm schon oft gegenübergestanden, wenn er in früheren Zeiten von Planet zu Planet geflogen war, diese erforschte und für die Menschen
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gewann. Aber Mord –!? Aber auch Mord war, wie alles andere in der menschlichen Geschichte, eine Sache der Erfahrung. Thomas begann, die Geschwindigkeit herabzusetzen. Das ging nicht so schnell, aber sicher war es noch früh genug. Obwohl – er spürte daß die Entscheidung sehr nahe war. Im Augenblick jedoch konnte er nichts anderes tun. Also fragte er: »Sagen Sie mir eins: Weiß die Bevölkerung von Fünf Städte von diesem beabsichtigten Mord? Oder ist dieser Ihre eigene Idee?« »Es wird kaum noch schaden, wenn ich Sie aufkläre«, gab Bartlett zurück. »Es hilft Ihnen sowieso nichts mehr. Wir wußten, daß Ihr Besuch bei uns nichts anderes als eine Farce war. Sie kamen in Wirklichkeit nur, um herauszufinden, ob unsere Kolonie auf dem Jupitermond einen Krieg wert ist. Sie kommen im Auftrage der Weltregierung, geben vor, fair zu handeln, uns helfen zu wollen – « Seine Stimme überschlug sich plötzlich vor Haß. »Du Feigling! Du verräterischer Hund! Denkst du nicht an die Menschen, die hier leben, glücklich und friedlich leben, nachdem sie jahrelang wie die Sklaven geschuftet und gedarbt haben? Und warum haben sie das getan? Damit jetzt so eine Gruppe zynischer und dreckiger Politiker kommt, um sie zu verkaufen! Zu verkaufen an die Marsianer!« Thomas lachte. Es war ein hartes, humorloses Lachen, aus dem man das Verständnis für die Lage hätte heraushören können. Langsam glitt er schräg auf den vorbeirasenden Erdboden zu. In den Metallgelenken knackte es. Sosehr er sich auch umschaute, von dem anderen war nichts mehr zu sehen. Der Himmel war leer. Sicherlich hatte Bartlett sich nicht die Mühe gemacht, auf seinen ›Schutzbefohlenen‹ zu achten, den er ständig hinter sich wähnte. Thomas war darauf bedacht, seine eigene Flucht so lange als möglich zu verheimlichen, darum sagte er:
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»Aha, so also ist das! Mit beiseite geschobenem Verstand versucht eine Gruppe unreifer Kinder, denn etwas anderes seid ihr nicht, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen. Wann wird die Menschheit endlich mal erwachsen sein? Wißt ihr denn nicht, daß die Welt – unsere Erde – einst in verschiedene Nationen aufgeteilt war, die sich blutig befehdeten? Und daß sich davor noch die einzelnen Nationen untereinander bekriegten, weil die Bürger in verschiedenen Städten wohnten? Wird denn das niemals enden? Ihr meint es gut, was aber schon versteht ihr von Politik? Gar nichts!« »Deine Rederei nützt dir nichts mehr, Thomas! Vielleicht würde sie in London oder New York noch Eindruck schinden, aber nicht hier, wo es darum geht, daß ehrliche Männer und Frauen ihre Heimat verlieren sollen. Du mußt sterben, damit du nicht zurück kannst! Du sollst keine Lügen über Europa zur Erde bringen! Wir haben einen guten Experten hier, der deine Handschrift genau kennt. Er wird in deinem Namen einen Bericht zur Erde schicken. Mag man sich dort den Kopf zerbrechen, warum du es vorziehst, auf Europa zu bleiben. Wenn du tot bist – « Thomas unterbrach ihn mit kalter Stimme: »Und wie gedenkst du. mich zu töten?« »In etwa zehn Sekunden wird dein Antriebsmechanismus – « begann der junge Mann mit höhnischer Betonung, schwieg aber plötzlich. Dann jedoch rief er: »Ah – du bist nicht mehr hinter mir! Du versuchst zu landen? Na, das wird dir auch nichts mehr nützen, denn ich werde bald zurück sein, und dann – « Thomas war noch etwa vierzig Meter über dem felsigen Boden, als ein scharrendes Geräusch in seinem bisher lautlosen Atommotor seine Aufmerksamkeit erregte. Die Geschwindigkeit, mit der das Weitere geschah, ließ ihm keine Zeit zu langen Überlegungen. Er handelte rein instinktiv. Noch ehe er den Grund berührte, hatte er den Antrieb ausgeschaltet,
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der kurzgeschlossen war und ihn lebend verbrannt hätte. Seine Füße prallten hart gegen Stein, schickten den stechenden Schmerz bis zum Rücken hoch. Dann überschlug er sich. Dunkelheit hüllte ihn ein wie eine große Decke. Als er wieder zu sich kam, schienen die Felsen einen wirren Reigen um sein Haupt zu vollführen. Nur mit Mühe gelang es ihm, das ständige Kreisen zu verlangsamen, bis er endlich auf eine ruhige, sich nicht mehr verändernde Landschaft blickte. Gleichzeitig bemerkte er, daß sein Flugapparat fehlte, daß er nur seinen geheizten Anzug und den dazugehörigen Helm trug. Ein scharfkantiger Felsen drückte schmerzhaft gegen sein Kreuz. Und schließlich blickte er in das grimmige Gesicht des jungen Bartlett, der ihn nachdenklich betrachtete. »Da hast du Glück gehabt, Thomas! Wahrscheinlich hast du. den Motor noch rechtzeitig abstellen können. Der Kurzschluß hat nur die Beine ein wenig verbrannt. Ich habe ein wenig Salbe darauf getan, damit du ohne Schmerzen laufen kannst.« Er schwieg und erhob sich. Thomas schüttelte den Kopf, um die letzten Schleier der Bewußtlosigkeit zu verjagen. Mit einer gewissen Neugier starrte er in das Gesicht des jungen Mannes, suchte anscheinend etwas. Aber er sagte nichts, sondern wartete. Bartlett schien zu erraten, was Thomas wissen wollte. »Ich könnte keine Fliege töten, ohne ihr eine Chance zu geben. Zwar kam ich zurück, um dich zu töten, aber ich konnte es nicht. Nun gut, du sollst deine Chance haben!« Thomas richtete sich auf, sah dem anderen in die Augen, die deutlich zu erkennen waren. Ray Bartlett war ein sympathischer, junger Mann mit einem angenehmen Äußeren. Doch jetzt war etwas in seinen Augen, das nicht zu seinem wahren Charakter gehörte. Thomas löste den Blick von ihm und sah hinüber zu der felsigen Landschaft. Doch dann fiel ihm auf, daß irgend etwas
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fehlte, was eigentlich hätte dasein müssen. Eine Sekunde später wußte er, was es war. »Wo hast du deinen Fluganzug?« Ray Bartlett nickte mit seinem Kopf zum Himmel hoch. Seine Stimme war ohne jede Freundlichkeit, als er sagte: »Wenn du gute Augen hast, wirst du dort oben einen glänzenden Fleck sehen. Ich band deinen Anzug an den meinen, stellte den Antrieb ein und gab sie frei. In etwa dreihundert Stunden werden beide in den Jupiter fallen.« Thomas starrte Bartlett ungläubig an. »Du willst damit doch nicht sagen, daß du zusammen mit mir hier sterben willst? Zwar weiß ich, daß es Menschen gibt, die für etwas sterben, an das sie glauben – aber in deinem Falle wäre das doch unnötig. Sicherlich wird man dich hier abholen, wenn – du deine Aufgabe durchgeführt hast. Ich sehe sonst keine Logik in deiner Handlungsweise.« Bartlett errötete ein wenig, warf den Kopf in den Nacken. »Keiner wird mich abholen!« sagte er. »Mir gefiel nur nicht, was du vorhin über das Handeln ohne Verstand sagtest. Ich weiß, was du damit meinst. Du glaubst, wir Kolonisten seien selbstsüchtig, wollten aus egoistischen Gründen nicht den Zusammenschluß mit der übrigen Menschheit. Ich werde dir das Gegenteil beweisen. Ich werde dir zeigen, daß keiner von uns zuerst an sich selbst denkt, sondern nur an das Wohl der Gemeinschaft. Ich werde mit dir zusammen sterben, denn zu Fuß werden wir niemals die Fünf Städte erreichen. Und die Platin-Minen noch viel weniger, denn sie sind weiter entfernt.« »Tapfer, sehr tapfer!« spottete Thomas. »Daß du bei mir bleiben willst, beweist nur, daß du ein Narr bist – und ich kann dich noch nicht einmal deshalb bewundern. Trotzdem bin ich froh, daß ich nicht allein bin. Und – vielen Dank auch für die Salbe. Sie tut gut.« *
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Thomas kletterte mühsam auf seine Beine, erprobte diese vorsichtig. Erst das rechte, dann das linke. Keine Schmerzen, stellte er fest. Aber ein ungewöhnliches Schwächegefühl. »Hm«, knurrte er mißbilligend. »Ziemlich wackelig auf den Beinen. Aber die Salbe wird schon helfen.« »Du trägst dein Schicksal ziemlich gefaßt«, wunderte sich Bartlett.
Menschen züchteten ›Tarantula‹, eine Riesenspinne. Ein Film der unerreichten Trickaufnahmen. Foto: Universal-International
»Ich freue mich immer, wenn ich feststellen darf, daß ich noch lebe«, entgegnete Thomas. »Außerdem werde ich jetzt Zeit und Gelegenheit haben, dich davon zu überzeugen, daß die 79
Weltregierung, deren Minister ich bin, den richtigen Kurs verfolgt und nur euer Bestes will.« Der junge Mann stieß ein lautes Gelächter aus. »Welche Idee! Im übrigen haben wir alle nichts mehr davon, mein lieber Minister Thomas! Ich nehme fast an, Sie verkennen die Situation. Mindestens zwölf Tage sind wir von der Zivilisation entfernt – gut gerechnet. Es werden noch mehr sein. In der kommenden Nacht wird die Temperatur tief unter den Gefrierpunkt fallen. Sie kennen ja die geologische Beschaffenheit von Europa, Mr. Thomas, ja? Sehr seltsam übrigens. Der Mond hat einen heißen Kern, der abwechselnd von der Sonne und vom Jupiter angezogen wird. Die entsprechende Seite ist dann immer warm. Nur dadurch ist es auch möglich, daß Lebewesen und Menschen hier existieren können. Letztere allerdings nur mit einem Sauerstoffgerät. Well, die Kälte kann uns nichts anhaben, das haben Sie doch soeben auch gedacht, nicht? Stimmt! Aber die Gryb, die Blutsauger! Sie riechen menschliches Blut auf eine unvorstellbare Entfernung hin – und Blut macht sie verrückt! Sie sind dann imstande, große Bäume auszureißen oder sich gar durch glatten Felsen zu graben. Es gibt nur ein einziges Abwehrmittel: einen Atomstrahler! Und wir haben keinen, denn er ging mit den Anzügen hoch. Die einzige Waffe, die wir besitzen, ist mein Jagdmesser. Und Nahrung, mein lieber Mr. Thomas? Wir müßten einen der Grasfresser erlegen. Aber die sind so scheu, daß sie bei der geringsten verdächtigen Bewegung davonlaufen. Und in die Enge getrieben, wehren sie sich, können ein Dutzend Männer glatt töten, wenn diese nicht bewaffnet sind. Sie werden sich wundern, wie schnell wir hungrig werden, keine Sorge. Etwas ist in dieser Atmosphäre – wenn wir sie auch gefiltert atmen –, das das Hungergefühl steigert. Schon in wenigen Stunden werden wir vor Hunger sterben.«
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»Es scheint mir, diese Tatsache erfüllt Sie mit einer Art heroischem Selbstbedauern.« »Keineswegs! Ich bin an sich nur hier, um darauf zu achten, daß Sie nicht lebend zur Zivilisation zurückkehren. Das ist alles!« Thomas hatte eine steile Falte auf der Stirn, als er sagte: »Je mehr ich mir Ihre Reden anhöre, um so mehr begreife ich, wie sehr die Kolonisten auf Europa zu bedauern sind. Ihr seid keine wahren Pioniere, beileibe nicht! Seit mehr als fünfzig Jahren leben nun Menschen hier, sie haben ihre Städte und ihre Zivilisation aufgebaut, aber kein einziger von euch scheint wirklich mit dem Boden verwachsen zu sein. Keiner von euch hat gelernt, ohne den Luxus der Erde zu leben. Du selbst redest von Versklavung und weißt nicht, daß ihr selbst es seid, die sich versklaven. Im geheimen wartet ihr alle auf den Augenblick, wo ihr genügend Geld und Reichtum habt, um wieder ein ›vernünftiges‹ Leben führen zu können.« Der junge Mann war schnell mit der Antwort. »Gut, dann versuchen Sie doch, vom Boden dieses Mondes zu leben! Dann versuchen Sie doch, ein Gryb mit bloßen Händen zu erwürgen!« »Nicht mit den Händen, Ray Bartlett! Aber mit meinem Verstand und meiner Erfahrung! Wir werden lebend zu Fünf Städten zurückkehren. Trotz der ungünstigen Umstände. Und trotz Ihrer Absicht!« In dem folgenden Schweigen hatte Thomas Gelegenheit, sich näher umzusehen. Erst da kamen ihm die ersten Zweifel an dem Gelingen seines Vorhabens. So weit er schauen konnte, nichts als nackter, kahler Fels, seltsam und bizarr geformt und ohne eine Spur von Leben. Bis zum Horizont hin erstreckte sich die wüste Hölle. Der Himmel war trotz der Sonne dämmerig und fast halbdunkel, denn das Gestirn war klein und weit entfernt, die Atmosphäre nur dünn.
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Was ihn umgab, war nichts als verzweifelte, tote Leere! Es war das gräßliche Schweigen, das ihn erschreckte. Er bemerkte es erst jetzt, und es fiel wie ein Untier über ihn her. Wie alt mochte dieses Schweigen schon sein? Jahrtausende, Jahrmillionen? Das Schweigen selbst gab keine Antwort. Es war wie der Geist dieser kleinen, toten Welt, die abwartend unter der kleinen Sonne lag und den Riesenplaneten Jupiter in gleichbleibender Bahn umkreiste. »Na –? Jetzt hat es Sie gepackt, was?« In der Stimme von Bartlett war purer Hohn. Thomas starrte ihn an, ohne ihn zu sehen. Seine Gedanken waren ganz woanders. »Ja, ich habe vergessen, was ich fühlte. Und vielleicht habe ich sogar vergessen, wieviel ich vergessen habe. – Nun los, machen wir uns auf den Weg.« Sie machten die ersten Schritte, unterstützt von der geringen Gravitation des Mondes. Bartlett sagte: »Vielleicht verstehen Sie nun besser, warum wir auf Europa nicht wollen, daß man uns einfach an eine Regierung verkauft.« »Ich habe absolut nicht die Absicht, mit einem Menschen über solche Dinge zu diskutieren, der keine Ahnung von Psychologie, Soziologie, Geschichte und ökonomischer Politik hat. Es ist sinnlos, mit jemandem zu streiten, dessen unbewußte Erinnerungen keine feste Basis haben.« »Wir wissen, was recht und menschlich ist – das genügt!« kam Bartletts eisige Antwort. »Wir haben Wissenschaftler, Ingenieure und Lehrer. Und ich bin hier, um ihren Auftrag – Sie zu töten – auszuführen.« »Sie haben nichts als Ihr Messer, junger Freund. Und ich würde Ihnen nicht raten, mich mit einem solchen Kinderspielzeug anzugreifen. Auf dem Mars habe ich gelernt, wie man solche Angriffe sehr wirkungsvoll abwehrt.«
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»Ich würde Sie mit meinen bloßen Händen zerreißen, wenn es sein müßte. Aber es wird kaum nötig sein.« Thomas warf ihm einen Seitenblick zu, während er weiterschritt. »Gegen meine alten Erfahrungen kommen Sie nicht an! Aber ich will Sie nicht beleidigen. Reden wir von etwas anderem: Was sind Sie von Beruf, Ray Bartlett?« »Metallingenieur.« »Oh –? Dann habe ich Sie ja unterschätzt. Dann müßten Sie ja eigentlich verstehen, warum wir an Europa interessiert sind.« »Und ob ich das verstehe. Die Erde verarbeitet zehn Milliarden Tonnen Stahl in jedem Jahr, der Mars zwei Milliarden. Und die Hälfte eurer Produktion bekommt ihr von uns. Darum werdet ihr es auch nicht wagen, einen Krieg zu beginnen.« »Sie irren! Sie reden wie ein Zeitungsmensch: Seht, welche Waffen wir haben! Der Feind hat weniger, also wird er nicht angreifen! – Pah, mein lieber Bartlett. Der Krieg ist eine große Unbekannte in jeder Rechnung! Der Krieg ist eine Wissenschaft – bis zu einem gewissen Punkt. Genau wie die Astronomie. Und dann wird beides Astrologie! Unsere Strategen haben uns erklärt, daß wir z. B. einen Krieg gegen den Mars zwar niemals verlieren können, aber auch der Sieg sei uns nicht sicher.« Thomas fuhr fort, Bartlett die politische Situation zu erklären. Dabei schritten sie leicht und schnell weiter, auf das ferne Gebirge zu, das ihr erstes Ziel war. Wie eine steile Felswand stand es am Horizont, versperrte die Aussicht auf das, was dahinter lag. Er sprach von der Notwendigkeit des Zusammenschlusses aller menschlichen Kolonien im Sonnensystem, um sich eines eventuellen Angriffes von Seiten des Mars erwehren zu können. Doch endlich unterbrach ihn Bartlett ärgerlich: »Hören Sie doch endlich auf damit, Sie erbärmlicher Feigling! Wir haben kein Interesse daran, für Stahl zu kämpfen. Wenn wir
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schon kämpfen, dann nur, um unser Leben, unser Gut und unsere Familien zu verteidigen. Sie machen mich krank mit Ihrer kalten, unmenschlichen Logik. Wie Schachfiguren schieben Sie die Menschen und ihre Schicksale hin und her und vergessen dabei, daß nur der Mensch zählt. Nichts anderes. Welch ein unbeschreibliches Glück, daß weder Sie noch ich eine Chance haben, dies Abenteuer jemals lebend zu überstehen.« * Zwei Stunden später stand die kleine Sonne schon hoch in dem schwarz-blauen Himmel. Es waren zwei Stunden des Schweigens gewesen, in denen sie nur auf ihren Weg geachtet und ein beachtliches Stück zurückgelegt hatten. Sie hatten weder Vegetation noch Tiere angetroffen, sondern nur toten, nackten Felsen, der von gewaltigen Rissen durchzogen war. Zwei Stunden voller Schweigen und Verlassenheit. Das Gebirge war näher gerückt und entpuppte sich als eine steile, glatte Wand. Nach allen Seiten hin erstreckte sie sich und schien die beiden Menschen einschließen zu wollen. Thomas blieb plötzlich stehen. »Verdammt!« sagte er und umfaßte das Hindernis mit einem zweifelnden Blick. »Ich hätte nicht gedacht, daß man sich so schwach fühlen könnte. Gerne gebe ich es nicht zu, aber ich befürchte, daß ich es nicht schaffe, dort hinaufzuklettern.« Der junge Mann blieb ebenfalls stehen und drehte sich zu Thomas um. Der frische Ausdruck in seinem Gesicht war verschwunden, hatte einem schmutzigen Grau Platz gemacht. Seine Stimme klang müde, aber in seinen Augen blitzte es auf, als er entgegnete: »Das ist der Hunger! Ich habe es Ihnen ja schon erklärt. Wir sind am Verhungern. Es geht schneller hier.« Thomas fiel wieder in einen langsamen, schleppenden Trott.
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»Diese Grasfresser – wovon ernähren sie sich eigentlich? Auch von jungen, kleinen Baumzweigen?« »Ja. Deshalb haben sie ja den langen Hals.« »Und mehr essen sie nicht? Nur Gras und Zweige?« »Mehr nicht.« »Mann, denken Sie nach!« In Thomas’ Stimme war etwas Drängendes. Ray Bartlett schoß ihm einem wütenden Blick zu. »Gewöhnen Sie sich gefälligst einen anderen Ton an! Was soll der Blödsinn überhaupt?« »Entschuldigen Sie den Ton schon, Bartlett. Aber – was trinkt der Grasfresser? « »Wasser! Beziehungsweise: Er leckt Eis. Trinken kann er ja nur in den kurzen Schmelzperioden. Und sonst –? Ja, Salz! Außer dem Angegebenen frißt oder leckt er noch Salz.« »Salz! Das ist es!« Thomas rief es triumphierend aus. »Dann müssen wir wieder umkehren. Etwa zwei Kilometer zurück überquerten wir einen kleinen Plateaufelsen, der aus reinem Salz bestand. Wir müssen uns einiges davon holen.« »Zurückgehen? Sind Sie wahnsinnig geworden?« Thomas war erneut stehengeblieben und hielt Bartlett am Arm fest. »Hören Sie zu, Bartlett. Ich sagte eben, ich sei zu schwach, jenen Felsen zu erklettern. Das war eben! Jetzt sage ich Ihnen, daß ich diese Wand mit Leichtigkeit erklettern werde, heute, morgen und auch in den nächsten 15 oder 20 Tagen. Ich habe in meiner Ministerzeit mehr als 25 Pfund zugenommen, mein Körper wird dieses überflüssige Fett jetzt als Nahrung brauchen. Und ich sage Ihnen: Ich werde noch frisch und munter marschieren, wenn Sie bereits wie ein Betrunkener hin und her taumeln. Ich werde leben, auch wenn Sie schon längst 100 Kilometer vorher begraben worden sind! Doch wenn wir das Salz holen, dann haben auch Sie eine Chance.«
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Sie starrten einander, an, wie sich zwei Männer ansehen, deren Nerven bis zum Zerreißen gespannt sind. Jeden Augenblick konnte die Explosion erfolgen. Dann aber machte Bartlett einen tiefen Atemzug und sagte: »Ich weiß zwar nicht, was Sie vorhaben, aber es hört sich verrückt genug an. Aber schließlich ist es ja doch egal, wie und wo wir sterben. Die Hauptsache ist, daß wir sterben. Haben Sie übrigens schon mal einen Grasfresser gesehen? Sieht aus wie eine Giraffe, ist nur größer und schneller. Sollten Sie also die Absicht haben, das Tier mit Salz anzulocken, um es dann mit dem Messer zu töten, so muß ich Sie enttäuschen. Das wird Ihnen nie gelingen. Meine einzige Hoffnung ist, daß uns ein Gryb wittert. Dann ist alles sehr schnell vorbei.« »Es ist nicht nur bedauernswert, es ist auch gleichzeitig gräßlich, einen jungen Mann zu sehen, der unbedingt sterben will.« »Wer sagt Ihnen denn, daß ich sterben will? Habe ich nicht alles, was ich zum Leben brauche? War ich nicht glücklich, bis – bis – « Seine Stimme erstarb, aber Thomas wußte genau, was er jetzt zu sagen hatte. »Ohne Zweifel«, sprach er in sanftem, ruhigem Tonfall, »ist da auch ein Mädchen, das Sie lieben – « An dem bitteren Ausdruck in Bartletts Gesicht erkannte er, daß er den Nagel genau auf den Kopf getroffen hatte. »Ja, ja, so ist das!« fuhr er wie bedauernd fort. »Sie wird dann einen anderen Mann heiraten – es ist nämlich immer ein zweiter Mann noch da, der sich die Reize und Vorteile eines hübschen, jungen und intelligenten Mädchens nicht entgehen lassen will – besonders, wenn es plötzlich so allein und hilflos dasteht.« Der junge Mann gab keine Antwort. Aber Thomas wußte, daß er nun zu denken und zu grübeln begann. Er fühlte kein Mitleid für ihn, denn es war seine einzige Chance. Wenn Bartlett den
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Willen zum Leben bekam, wenn er den Gedanken an den Tod verdrängte, dann bestand die Aussicht, Europa lebend zu verlassen. Sonst nicht. * Während sie gemeinsam den Weg wieder zurückgingen, den sie eben gekommen waren, sprach Thomas fast ununterbrochen. »Überlegen Sie doch nur: Innerhalb fünfzig Jahren habt ihr hier fünf Städte errichtet, seid etwa eine Million Menschen und fördert pro Jahr Milliarden Tonnen von Stahl, Tausende Tonnen von Platin und eine ganz nette Menge anderer Metalle. Glauben Sie nicht, daß diese Tatsache auch die Regierung des Mars interessieren wird?« »Der Mars wird keinen Krieg wagen!« sagte Bartlett unbelehrbar. »Unsinn! Sie verkennen die Situation! Da sind zwei Parteien, die sich um die endgültige Herrschaft streiten. Wir aber wollen, daß die bisherige Regierung im Sattel bleibt. Das aber kann sie nur, wenn sie einen großen, materiellen Vorteil in der Hand hat. Darum soll Europa in die Föderation der Weltregierung eingegliedert werden, um dann Mars mit Metallen zu beliefern.« »Ich sagte ja schon: Man will uns an den Mars verkaufen!« »Verkaufen! Wir müssen alle Opfer bringen, um – « »Hier ist Ihr Salz!« unterbrach ihn Bartlett. Thomas bückte sich, nahm zwei Brocken des weißlichen Felsens hoch und zerbröckelte ein wenig davon zwischen den behandschuhten Fingern. Es mußte Salz sein. Dann steckte er sie in die geräumigen Taschen seines Anzuges. Bartlett voran schritt er dann wieder auf die nahe Felswand zu, dabei seine politischen Argumentationen fortführend. »Es ist unmöglich für die Erde, die nächsten tausend Jahre damit zu verbringen, sich mit dem Mars wegen einiger
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Millionen Tonnen Erz herumzuschlagen. Dazu haben wir nicht die Kraft. Und nicht die Zeit! Denn wir wollen die Sterne erreichen, und dazu wiederum benötigen wir die technische Hilfe des Mars. Wir müssen Geschwindigkeiten entwickeln, die größer als die des Lichtes sind. Dabei kann uns der Mars helfen, denn es ist falsch, den Gegner zu unterschätzen. Mir ist er als Freund lieber. Und jeder Gegner ist bereit, friedlich mit einem zusammenzuleben, wenn man auch seine Wünsche ein wenig berücksichtigt!« »Sie sind kein Gott, Thomas! Sie können nicht mit Völkerschicksalen handeln! Wir selbst können nichts an der Entwicklung ändern, wir haben keinen Einfluß. Und wir Menschen sind nichts anderes als Puppen in der Hand der großen und einflußreichen Politiker.« »Sie widersprechen sich!« »Im Widerspruch liegt die Wahrheit! So, und nun seien Sie endlich einmal still mit Ihrem politischen Geschwätz, ich will nichts mehr davon hören! Unsere Standpunkte sind zu verschieden, um überhaupt nebeneinander bestehen zu können. Außerdem habe ich einen derartigen Hunger, daß ich mich kaum noch auf den Beinen halten kann.« Thomas grinste. »Dann seien Sie bitte so freundlich, und erklären Sie mir bei Gelegenheit Ihren Standpunkt. Vielleicht können wir eine Annäherung finden.« Bartlett gab keine Antwort. Thomas fühlte an allen Teilen seines Körpers den Schmerz. Er vermochte sich nicht zu rühren, ohne daß es weh tat. Mit verbissener Energie klammerte er sich an jeden noch so kleinen Felsvorsprung fest. Ein Blick in die grausige Tiefe ließ ihn erschauern, machte ihm aber auch gleichzeitig immer wieder klar, daß der kleinste Fehltritt den unweigerlichen Tod bedeuten würde.
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Wie verschwommen sah er das verzerrte Gesicht des jungen Mannes neben sich, nur wenige Meter entfernt. Hunger und Schwäche hatten die Überhand gewonnen, und es konnte nur noch Minuten dauern, bis Bartlett den Kampf aufgab. Das aber durfte nicht geschehen! »Reißen Sie sich zusammen! Es sind nur noch wenige Meter!« rief Thomas ihm zu. »Immer gut festhalten!« Sie schafften es endlich, blieben dann am Rande des furchtbaren Abgrundes einfach erschöpft liegen, zu müde, um auch noch den winzigen Hügel zu ersteigen, der ihnen die Sicht auf die dahinter liegende Landschaft nahm. Die Beine baumelten noch über der Tiefe. In gierigen Zügen sogen sie die Luft in sich hinein. Dann keuchte Bartlett: »Welch ein Unsinn! Wenn wir noch einen winzigen Rest von Verstand hätten, würden wir jetzt in die Tiefe springen – und alles wäre sehr schnell vorüber.« »Dazu haben wir immer noch Zeit. Jetzt erst mal weiter!« Schwankend erhob er sich, machte einige unsichere Schritte auf den endgültigen Gipfel zu. Doch dann blieb er wie gebannt stehen, warf sich plötzlich mit einem zischenden Laut zu Boden, dabei den anderen, der sich gerade erheben wollte, niederreißend. »Still! Unten bleiben. Keine 500 Meter entfernt ist eine ganze Herde von Grasfressern. Sie können über Leben und Tod entscheiden. Ihr Fleisch bedeutet jedenfalls Leben für uns.« Bartlett zeigte plötzlich wieder Interesse. Er kroch vor und legte sich neben Thomas. Über den sanften Rücken des Berges hinweg schaute er hinab in ein großes Tal, bedeckt mit braunem Jupitergras und vereinzelten Bäumen. Links war ein Wald, dessen Ausläufer weit in die Grasebene reichten. Und dicht am Rande des Waldes graste die Herde der giraffenartigen Tiere. »Wenn sie weiter in der gleichen Richtung fressen, kommen sie dicht an dem Wald vorbei«, stellte Thomas sachlich fest.
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Bartlett verheimlichte nicht seine Zweifel, denn seine Stimme war voller Ironie, als er sagte: »Und dann willst du auf sie zuspringen und Salz auf ihren Schwanz streuen, was? Ich sage dir, daß du verrückt bist!« Thomas empfand das vertraute Du als eine Beruhigung, obwohl es das nicht sein sollte. Er beschloß, es nicht zu ignorieren. »Wir müssen also in jenen Wald gelangen, was einfach sein dürfte. Ohne daß die Tiere uns sehen, natürlich. Und dann leihe mir das Messer, Ray.« »Gemacht!« stimmte der andere zu. »Du wirst ja nur durch Erfahrung klug, hörst nicht auf mich. Aber du wirst es schon sehen: Noch keine 200 Meter kommst du an die Biester heran!« »So nahe will ich ja auch gar nicht an sie herankommen«, gab Thomas zurück. »Siehst du, Bartlett, du hast zu wenig Vertrauen zum Leben selbst. Sonst nämlich würdest du wissen, daß dieses gleiche Problem schon vorher gelöst wurde. Nicht hier, auf anderen Welten aber. Dort stand der Verstand den gleichen Problemen gegenüber – und fand eine Lösung. So auch diesmal! Nur sind die Umstände vielleicht immer ein wenig anders gewesen. Aber dafür nennt man das Dings da im Kopf ja auch ›Verstand‹. Parallelentwicklung! Alles schon mal dagewesen! Viel Wahrheit liegt in diesen beiden Begriffen. So, und nun aufpassen!« »Gut!« sagte Bartlett. Mehr nicht. »Noch etwas: Vertragen sich Gryb und Grasfresser?« »Nur einseitig. Die Gryb folgen den Herden der Grasfresser und überfallen sie des Morgens, wenn sie starr und hilflos sind. Eigentlich müßten wir damit rechnen, daß auch jetzt ein Gryb in der Nähe ist.« »Zu dumm nur, daß ich diesen Mond nicht schon früher einmal besuchte. Dann wäre alles nur halb so schwierig.«
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Thomas gestand sich, daß seine gelassene Ruhe nichts anderes als eine Maske war. Sobald sie den schützenden Wald betreten hatten, meinte er, seinen furchtbaren Hunger nicht mehr länger bezähmen zu können. Seine Finger zitterten, als er das Messer nahm, das Bartlett ihm reichte. Dann, bückte er sich und begann, am Fuße eines mittleren Baumes zu graben. »Die Wurzel ist es«, brummte er dabei undeutlich vor sich hin. »Wie ich hörte, soll sie unheimlich zäh und hart sein, gewissermaßen hölzerner Stahl. Wenn man sie zu einem engen Kreis schließt, soll sie nicht brechen. Auf der Erde nennt man sie Euroot. Man verwendet sie in der Industrie.« Bartlett nickte, plötzlich interessiert. »Ah – du willst einen Bogen machen? Sehr gut, die Idee. Die harten Gräser lassen sich gut zu Sehnen verarbeiten.« »Nein, ich werde keinen Bogen und keine Pfeile machen. Hast du nicht eben selbst gesagt, man könne nicht näher als 200 Meter an die Biester gelangen? Also hätte ein Pfeil keine Wirkung mehr.« Er riß ein Stück Wurzel aus dem Boden, schnitt vielleicht einen halben Meter davon ab und begann dann methodisch, beide Enden mit dem Messer zu schärfen. Die Wurzel war hart wie Metall, und immer wieder rutschte das Messer ab. Doch endlich gelang es. Thomas schnitt an den Enden auch noch zwei schmale Kerben ein und richtete sich dann auf. »So, und nun könntest du das Ding zusammenbiegen und so halten, während ich die Enden mit Grashalmen zusammenbinde.« Bartlett hatte endlich begriffen. »Jetzt sehe ich, was du vorhast. Donnerwetter, auf die Idee wäre ich nicht so schnell gekommen. Zusammengebogen gibt das gerade einen Mund voll! Wenigstens für den Grasfresser. Womöglich bestreichst du die Wurzel noch mit feuchtem Salz,
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damit sie eher darauf hereinfallen. Sie verschlucken die Wurzel, und die Verdauungssäfte zersetzen die Grashalme. Die Wurzel springt auseinander, streckt sich – und zerreißt die Magenwände.« »Eine grausame Methode – aber unsere einzige Rettung. Die Marsianer töten so die Wasserschlange, die Eskimos auf der Erde die Wölfe. Sie benutzen andere Köder, aber das Prinzip bleibt das gleiche.« Er schritt vorsichtig bis zum Ende des Waldes und warf dann den kleinen Ring mit aller Wucht hinaus in die Steppe. Fast dreißig Meter entfernt landete er in dem dichten Gras. »Wir werden noch einige mehr machen«, schlug er dann vor. »Es wäre ein zu großer Zufall, wenn sie gerade diesen einen finden würden.« * Es wurde ein Festmahl. Zwar war das Fleisch ein wenig zäh, aber es schmeckte besser als das vorzüglichste Steak. Noch während sie aßen, fühlten sie die frischen Kräfte, die es ihrem Körper gab. Thomas schob das letzte Stück schließlich in den Mund, zerkaute es genießerisch und lehnte sich dann gegen einen Stein zurück. Die Sonne sank, so groß wie eine Orange, bereits dem Horizont entgegen. »Wir werden etwa 60 Pfund Fleisch mitnehmen müssen, bei der ständigen Kälte hält es sich frisch. Wenn wir mit 15 Tagen rechnen, sind das pro Tag 4 Pfund. Aber wir können uns nicht nur von Fleisch ernähren, das wäre mit der Zeit gefährlich. Andererseits aber können wir keine weitere Zeit damit verschwenden, Grasfresser zu jagen.« Er stand auf, nahm das Messer und begann, zwei etwa gleich große Stücke aus dem toten Tier herauszuschneiden. Dann verpackte er eins der Stücke in Blätter und Gras, schnürte die
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zähen Halme darum und fertigte einen regelrechten Rucksack an, den er dann auf seinem Anzug befestigte. Dann rückte er ihn in die richtige Lage und blickte fragend auf Bartlett, der sein Tun mit erstaunten Augen betrachtet hatte. »Du scheinst schon wahnsinnig geworden zu sein, mein Lieber«, vermutete der junge Mann ernsthaft. »Glaubst du, wir würden mehr als eine Nacht lebend überstehen? Die Kälte wird sich durch die elektrisch geheizten Anzüge beißen, oder ein Gryb findet uns. Dem können wir keine gebogenen Salzwürzelchen hinwerfen, das Luder frißt nämlich keine Pflanzen. Nur Blut will es – und besonders Menschenblut. Seit 50 Jahren.« Er setzte sich aufrecht. »Es gibt im bekannten Universum kein Tier, das sich mit dem Gryb vergleichen ließe. Seine Klauen sind so hart wie Stahl, es kann alles damit zerreißen. Die Zähne beißen sogar Metall, wenn es sein muß. Und seine Haut – nun, die Schuppen lassen sich auch kaum mit einer Gewehrkugel durchdringen, geschweige denn mit einem Messer!« In seine Stimme kam ein scharfer Ton. »Ich bin sehr glücklich, daß wir uns noch einmal satt essen konnten, denn ich wollte keinesfalls einen Hungertod sterben. Wenn schon, dann schon lieber den Gryb. Aber schlage dir um Gottes willen die Idee aus dem Kopf, wir würden jemals lebend die Fünf Städte erreichen! Ich kann dir verraten, daß dieses Untier uns in jede Höhle folgen wird, denn es weiß genau, daß alle Höhlen auf Europa nur einen Ausgang haben. Es sind Löcher, die vor Millionen von Jahren von einfallenden Meteoren geschlagen wurden, die sich durch Verschiebung der Oberflächenkruste lediglich ein wenig verändert haben. Solch eine Höhle aber benötigen wir, um die Nacht zu überstehen. Wir müssen den Eingang verschließen, damit der eisige Wind keinen Einlaß findet Selbst unsere Heizanzüge kommen gegen die
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unerbittliche Kälte nicht an. Vielleicht nehmen wir von hier noch ein wenig Holz mit, damit wir nicht erfrieren.« * Sie fanden die Höhle eine halbe Stunde später. Das mitgebrachte Holz warfen sie in die schwarze Öffnung, nachdem sie festgestellt hatten, daß der Grund nur wenige Meter unter der Erdoberfläche lag. Dann sprangen sie nach, landeten unsanft auf dem Reisigzeug. Ein zweites Loch verriet, daß die Höhle sich noch weiter in die Tiefe erstreckte. Thomas wollte gerade den Vorschlag machen, weiter in die Tiefe vorzudringen, als ein Geräusch ihn herumfahren ließ. Seine Haare sträubten sich, als er das gräßliche Ungetüm erblickte. Genauso wie Bartlett es beschrieben hatte. Aus dem geifernden Maul stießen zwei lange, scharfe Zähne hervor, deren Anblick ihm einen Schauder des Entsetzens über den Rücken jagte. Zwei glühende Augen starrten ihn an, voller tierischer Mordlust. Da, wo die Nase sein sollte, war ein langes, spitzes Horn. »Los – weiter runter!« brüllte Bartlett, griff einen Arm Holz und warf ihn in das dunkle Loch zu ihren Füßen. Thomas folgte seinem Beispiel, dann ließ er sich hinabgleiten, nachdem Bartlett bereits hinabgesprungen war. Scheinbar wollte er dem Gryb doch noch ein wenig ausweichen, ehe es ihn fressen konnte. Der dämmerige Himmel über ihnen verschwand plötzlich, als das Ungeheuer seinen Kopf in die zu kleine Öffnung schieben wollte. Es war vollkommen dunkel, nur das hastige und schwere Atmen der beiden Männer war zu hören. Und das Fauchen des Gryb. Dann erneute Bewegung, ehe es endlich still wurde. Aber es blieb dunkel. »Was ist geschehen? Was hat es gemacht?« fragte Thomas.
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Bartlett sagte bitter: »Die Gryb sind schlau, sehr schlau. Es weiß, daß diese Höhle keinen anderen Ausgang mehr hat, und es weiß auch, daß es bald kalt wird. Nachts frieren sie gewissermaßen ein, genauso wie die Grasfresser. Aber sie wachen früher wieder auf. Darum erwischen sie die Grasfresser auch. Nun glaubt es, das gleiche mit uns machen zu können. Morgen früh wird es mit seinen Tatzen die Felsen erweitern, bis es zu uns hereindringen kann. Aus, mein lieber Thomas. Das Gryb wird meinen Auftrag erledigen.« * Die ganze Nacht lang tat Thomas kein Auge zu. Zwar döste er schon mal hin und wieder ein, aber nur, um mit einem erschreckten Zusammenzucken wieder aufzuwachen. Um ihn war es dunkel. Und dann spürte er die Kälte. Sie biß sich langsam und unaufhaltsam in seine Glieder, machte sie taub und steif. Ohne den heizbaren Anzug wäre er schon längst erfroren. Gegen morgen wagte er es endlich, ein Feuer zu machen. Die Kälte sprengte Risse in die Felswand, und mehr als nur einmal fielen große Brocken von der Decke herab und verfehlten sie um Zentimeter. »Ob es einen Zweck hat, ein Feuer zu machen und damit das Gryb zu verbrennen? Vielleicht sucht es dann das Weite.« Bartlett schüttelte den Kopf. »So gut wie zwecklos. Der Panzer ist viel zu dick. Hitze macht ihm nichts aus. Wenigstens keine gewöhnliche Hitze. Außerdem wird es wohl jetzt bald erwachen.« Und Thomas zauberte einige Falten auf seine Stirn, lauschte, ob das Untier sich noch nicht rege, und sagte dann: »Es gibt noch etwas Sinnloseres: Unser ganzes Abenteuer! Selbst wenn ich tot wäre, würde es euch nichts nützen, was wird
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die logische Folge sein? Man wird Europa einfach – ohne euch zu fragen – der Marsregierung übergeben, um den Frieden zu erhalten. Ich meine, das wäre noch schlimmer, als die Lösung, die ich euch vorschlug. Und du hältst das für besser?« »Den Teufel tue ich!« erklärte Bartlett unbestimmt. »Na also! Nur weil ihr keinen besseren Ausweg findet, glaubtet ihr, der Mord an dem Staatsmann sei die beste Lösung. Irrtum! Es war die schlechteste Lösung. Denn nun wird man einfach handeln.« »Aber was sollte ich denn sonst tun?« »Annehmen! Euch konnte es gleich sein, wem die Raumfrachter gehörten, die euch das Metall abkauften.« »Und unser Stolz? Unsere irdische Tradition?« »Ihr hättet der Erde damit nur gedient. Nicht jeder begreift die oft verschlungenen Pfade der höheren Politik. Dabei ist es so einfach!« »Das sagst du! Wie aber sollen wir dazu Stellung nehmen? Ach, es ist so sinnlos, jetzt noch darüber zu reden. In wenigen Stunden wird das Gryb über uns herfallen und unserem Leben ein Ende bereiten. Dann können uns keine Probleme mehr interessieren.« »Du vergißt, was ich dir schon gestern einmal sagte: Es ist alles schon mal dagewesen! Alles kehrt wieder – sogar die einzelnen Situationen. Auch auf anderen Welten standen schon Menschen hilflos scheinbar unüberwindlichen Ungeheuern gegenüber – und besiegten sie.« »Du bist verrückt! Selbst mit einem Atomstrahler ist es noch schwer, ein Gryb zu erlegen, ehe es über einen herfällt. Und wir haben nur das Messer!« »Dann gib mir bitte das Messer!« sagte Thomas. »Ich möchte es schärfen.« »Bitte. Hier ist es.«
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Thomas lächelte still vor sich hin. Ray Bartlett hatte »bitte« gesagt. Vielleicht bedeutete das nicht viel, aber es war schließlich das erste Mal, daß dieser das Wort bewußt und voller Respekt gebraucht hatte. * Gegen Morgen wurde es wärmer. Die Hitze des Feuers war wieder groß genug, um die eisige Schicht zu schmelzen, die auf den Felsen lag. Mit unruhigen Schritten ging Thomas auf und ab, wartete auf den ersten Schimmer des neuen Tages. Vielleicht war das Gryb nicht mehr da. Der Boden der Höhle war mit feiner Asche bedeckt, und ein undeutlicher Rauchschleier behinderte ein wenig die Sicht. Von oben kam plötzlich ein Scharren, dann ein ärgerliches Fauchen. Etwas polterte und bewegte sich. Dann fiel ein Lichtschein in die Tiefe hinab. Ray Bartlett sprang auf. »Jetzt ist es wach geworden, das Biest! Es erinnert sich an uns.« »Wenn ich mich recht entsinne«, sagte Thomas mit Betonung, »ist das der Augenblick, den du so sehnsüchtig erwartet hast.« Über das flackernde Feuer hinweg sah der andere ihn böse an. »Du glaubst also, daß ich gerne sterben möchte? Nicht mehr! Ich habe eingesehen, daß unser Plan irrsinnig war. Dich zu töten würde unsere Probleme auch nicht lösen, eher verschlimmern.« »Dann stimmst du also zu, daß ein Volk, das den Boden einer neuen Heimat ausplündert, nicht das Recht hat, die Bitte um Hilfe seines ursprünglichen Landes abzulehnen, wenn dieses schwer gefährdet ist? Ihr wolltet doch nur eure künstlich aufgebaute Zivilisation retten, mehr nicht.« »Ich weiß jetzt nicht, was ich glaube oder glauben möchte! Ich habe andere Sorgen! Das verdammte Ding da oben – «
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Ein größerer Felsbrocken sauste herab, verfehlte sie und das Feuer, verschwand hinter ihnen in der Finsternis. Wie Hammerschläge dröhnte es durch die Höhle, als das Untier da oben begann, die einzelnen Felsen um den Höhlengang abzubrechen, um diesen zu erweitern. »Los, an die ausgewaschene Wand! Wir müssen uns vor den herabfallenden Brocken in Sicherheit bringen. – Was machst du da?« Thomas’ Stimme zitterte ein wenig. »Ich fürchte, ich muß die Gefahr in Kauf nehmen, von einem solchen Brocken erschlagen zu werden. Wir dürfen keine Zeit mehr versäumen.« Er streifte den Lederhandschuh von seiner Hand und hielt diese über die Flammen des Feuers. Dann nahm er das inzwischen geschärfte Messer, erwärmte es ebenfalls. »Es bleibt mir sonst an der Haut hängen«, erklärte er dem verständnislos zuschauenden Bartlett. »Verfluchte Kälte. Bestimmt 40 Grad!« Dann zog er die Hand zurück, machte einen feinen Schnitt in den Daumen und schmierte das heraustropfende Blut auf die Schneide des Messers. Dann wärmte er die Hand erneut und streifte den Handschuh wieder über. Aus dem Feuer zog er einen brennenden Ast und schritt quer durch die Höhle auf die gegenüberliegende Wand zu. Dort suchte er lange herum, bis er fand, was er suchte. »Ah – hier die Spalte ist wie für meine Zwecke geschaffen. Von oben geschützt durch die überhängende Wand. Gut, sehr gut!« Er kniete sich neben den Riß, der sich quer über die Wand erstreckte. »Das Gryb ist etwa zehn Meter lang, stimmt’s?« Bartlett, der ihm gefolgt war, schluckte. »Zehn Meter – ja. Warum?« »Nun, die Höhle ist zwanzig Meter im Durchmesser. Das gibt dem Gryb Raum genug, sich ein wenig zu bewegen. Und
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außerdem haben wir dann später Platz, um an ihm vorbeizukommen, wenn es tot ist.« »Wenn – es – tot – ? Du bist der größte Narr, den ich je gesehen habe!« Thomas hörte ihn nicht, denn er war damit beschäftigt, den Griff des Messers in der Wand zu befestigen. Er hatte ihn in dem Spalt eingeklemmt und mit kleinen Steinen verkeilt. Mit der Hand rüttelte er an der Stahlschneide. Das Messer saß fest. »Wir müssen ganz sichergehen«, brummte er befriedigt. »Beeile dich, Thomas!« rief Bartlett erregt. »Vielleicht gibt es unter uns noch eine andere Höhle, vielleicht auch einen Ausgang.« »Da sind noch zwei Höhlen unter uns, aber kein Ausgang. Ich habe mir die Sache angesehen, während du schliefst. Kein Ausgang, junger Mann!« »In einer Minute ist das Gryb hier unten! Hörst du, wie die Brocken herabfallen?« »Mehr als eine Minute brauchen wir auch nicht«, erwiderte Thomas und stieß ein letztes Mal gegen das Messer, das sich nicht rührte. Dann wandte er sich um. »Los, dann hinunter in die nächste Etage. Es sind sechs Meter.« Teils kletterten sie, teils sprangen sie in die Tiefe. Im gleichen Augenblick, in dem das furchtbare Untier, halb blind vor Wut und Hunger, sich in die andere, obere Höhle herabfallen ließ. Dort tobte es einige Sekunden wie von allen bösen Geistern besessen herum, dann wurde es plötzlich ganz still. Thomas lauschte angestrengt. Jetzt hörte er es. Doch scheinbar auch Bartlett, denn er fragte in die entstandene Stille hinein: »Warum ist es so still? Hat es eben nicht gestöhnt?« »Pst! Strenge deine Ohren an!« Beide schwiegen und lauschten wieder. Von oben ertönte ein Schmatzen, dann erneutes Stöhnen. Dann wieder dieses Schmatzen.
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»Was soll das bedeuten, Thomas? Was macht es da oben?« »Still! Abwarten!« Sie warteten. Zehn Minuten – oder eine halbe Stunde. Keiner wußte es später mehr. Das schmatzende Lecken dort oben war schwächer geworden, hörte dann ganz auf. Dafür ein Stöhnen, sehr schmerzhaft und schwer. Und dann endlich Stille. »Los, hilf mir, damit ich hoch kann«, bat Thomas. »Mal sehen, ob es schon tot ist.« »Höre zu, du Idiot! Entweder bist du verrückt, oder ich werde es gleich! Kannst du mir nicht erklären, was geschehen ist?« Thomas seufzte. »Gut – wenn du es selbst nicht begriffen hast. Das Gryb ist in die Höhle gekommen und hat das Blut gerochen. Das Blut an dem Messer. Als es daran leckte, zerschnitt es sich natürlich die Zunge – und es floß noch mehr Blut. Hattest du nicht gesagt, die Gryb lieben nichts mehr als Blut? Nun gut, das Gryb oben in der Höhle hat sich an Blut totgesoffen – aber an seinem eigenen Blut! Ganz einfach – wenn man nur daran denkt. Aber zivilisierte Menschen wie ihr kämen natürlich nicht auf eine solche Idee!« Ray Bartlett schwieg für einige Minuten, ehe er mit seltsamer Betonung sagte: »Ich schätze, da ist nichts, was uns jetzt noch daran hindern kann, Fünf Städte zu erreichen.« Thomas starrte den anderen aus engen Augen an. »Stimmt! Nichts – außer dir!« Ohne ein weiteres Wort kletterten sie in die obere Höhle hoch und standen dann vor dem toten Gryb. Thomas zwängte sich vorbei und zog mit viel Mühe und Anstrengung das Messer aus der Wand. Bartlett schaute gespannt zu, dann sagte er scharf: »Gib mir das Messer!« Thomas zögerte eine Sekunde, ehe er dem jungen Mann das blutige Messer reichte. Er würde ihm wohl doch noch die ganze
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Wahrheit erzählen müssen, wenn es auch ein Risiko war. Bartlett war nun wieder sein Gegner – wie es schien. * Draußen war es bereits heller Tag, die kleine, strahlende Sonne war hoch in dem blauschwarzen Himmel. Am Horizont sank eine blutigrote, riesenhafte Scheibe unter den Felsenrand – der Jupiter. Irgendwie erschien der Himmel trotzdem freundlicher. Selbst die toten Felsen waren nicht mehr tot, sondern wirkten lebendiger und nicht mehr so feindlich. Ein kalter Wind wehte, verstärkte den Eindruck des Lebenden. Neue Hoffnung regte sich in Thomas. Aber es ist eine falsche Hoffnung! dachte Thomas gleichzeitig. Gott schütze mich vor der sturen Dienstauffassung eines jungen, patriotischen Mannes! Doch der Angriff Bartletts enttäuschte Thomas regelrecht. Mit Leichtigkeit fing er den plötzlich heransausenden Arm ab, konnte jedoch nicht verhindern, daß ein handgroßer Riß in seinen Ärmel geschlitzt wurde. Schnell sprang er einige Schritte zurück. »Du Narr, du weißt wohl gar nicht, was du tust!« »Und ob ich das weiß, Thomas. Du bist ein Teufel! Ich habe den Auftrag, dich zu töten. Und ich werde diesen Auftrag ausführen! Bestimmt! Selbst deine goldenen Reden werden dir nichts mehr nützen. Jetzt sofort wirst du sterben.« Er hob das Messer und stürzte auf Thomas zu. Der ließ ihn ruhig herankommen. Es gibt gute Methoden, einen Angreifer, der nur ein Messer besitzt, zu entwaffnen. Vorausgesetzt, der Angreifer kennt diese Methode noch nicht und sie gelingt beim ersten Versuch.
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Bartlett sprang und streckte die freie Hand aus, um Thomas zu packen. Das war es, worauf dieser gewartet hatte. Mit beiden Händen griff er zu, schleuderte den überraschten Bartlett mit Aufbietung aller seiner Kräfte über sich hinweg. Der junge Mann flog einige Meter durch die Luft, ehe er mit einem schrillen Aufschrei den steinigen Boden berührte. Der Schrei verstummte sofort wieder. Bartlett blieb reglos liegen. Thomas machte einige Schritte, bückte sich und hob das Messer auf. Dann wartete er. Es dauerte zehn Minuten, ehe der andere seine Besinnung wiedergewann. Mit blutunterlaufenen Augen stierte er auf Thomas. Dann erst schien er sich zu erinnern. »Ich werde in Zukunft besser das Messer aufbewahren«, sagte Thomas mit ruhiger Stimme. »Nur – was soll ich mit dir machen? Noch zwölf Tage liegen vor uns, zwölf Tage, in denen du immer Gelegenheit haben wirst, mich umzubringen. Ein kantiger Stein auf den Hinterkopf, ein plötzlicher Stoß, wenn wir an einem Abgrund stehen – « »Und – ich – werde dich – umbringen! Du – « Thomas schien sich zu wundern, aber eine steile Falte erschien auf seiner Stirn. »Wenigstens ehrlich bist du! Das gibt mir die Möglichkeit, dich nicht zu töten, sondern dir das größte Geheimnis aller Zeiten anzuvertrauen. Wenn auch nur ein einziges Wörtchen dieser diplomatischen Mission an die Öffentlichkeit dringt, würde es den größten Fehlschlag für uns alle bedeuten. Aber bevor ich weiter rede, gib mir dein Ehrenwort, daß du zu keinem Menschen und unter keinen Umständen davon reden wirst!« »Schätze, daß ich das ohne Bedenken tun kann«, versprach Bartlett mit belegter Stimme. »Aber du wirst bald in der Hölle sein, darauf kannst du dich verlassen. Und meine Gesinnung werde ich nie ändern!«
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»Du gibst also dein Wort?« »Wenn du darauf bestehst, gut – « * »Die augenblickliche Regierung des Mars besteht aus gutgesinnten und ehrlichen Partnern. Wenn wir ihnen Europa zur Verfügung stellen, werden sie augenblicklich der Union Erde – Venus beitreten. Ich brauche dir wohl kaum noch zu erklären, was das für uns bedeuten würde.« »Und wenn sie bei der nächsten Wahl durchfallen?« »Sollte das geschehen und die Gegenpartei sich nicht an die vorher geschlossenen Abmachungen halten, so werden wir hingehen und Europa erneut annektieren.« »Pah! Das bedeutete den Krieg – und dazu habt ihr nicht den Mut.« Thomas betrachtete Bartlett nachdenklich, ehe er sagte: »Ich will dir verraten, daß ich einer der einflußreichsten Minister der Venus-Erd-Regierung bin. Daß ich keine Furcht kenne, werde ich dir ja wohl zur Genüge bewiesen haben. Und meine Kollegen sind ähnlich eingestellt wie ich. Wir fürchten nicht den Krieg, sondern wir hassen ihn! Das ist einfach der ganze Unterschied! Aber sei beruhigt, die jetzige Regierung des Mars wird die nächste Wahl gewinnen.« »Europa – unsere Heimat – ist der Preis für die höhere Politik!« Bartlett sprach es mit einem bitteren Unterton. Thomas nickte. »Ganz recht. Wie du dich vielleicht entsinnen kannst, auch wieder nur eine der ewigen Wiederholungen der menschlichen Geschichte. Alles kehrt wieder – alles! Selbst wenn der Mensch die Sterne erreicht hat, wird er wieder die gleichen Fehler machen, die er schon damals machte. Aber auch die gleichen
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friedlichen Lösungen wird er finden. Für euch scheint der Weg hart und ungerecht. Aber er erfüllt seinen Zweck. Denke darüber nach. Und auch darüber, welche Vorteile euch mein Tod bringen würde.« Der Jupiter sank unter den Horizont, und ein kalter Wind sprang auf. Thomas schob das Messer in die Tasche und sah zu, wie Bartlett sich langsam erhob. Dabei trat er zurück. Er hatte nicht den Abgrund gesehen, der steil abfiel. Haltlos rutschte er ab, wäre in die Tiefe gestürzt, wenn er sich nicht an einem kantigen Felsstück gehalten hätte. Für Sekunden hing er zwischen Leben und Tod. Dann fühlte er, wie sich zwei harte und junge Fäuste um seine Handgelenke legten und wie eine Stimme zu ihm sagte: »Vorsicht, Mr. Thomas! Vorsicht! Helfen Sie ein wenig nach, dann kann ich Sie hochziehen. Das hätte leicht schiefgehen können!« -EndeAus dem Amerikanischen von Walter Ernsting.
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PROJEKT VANGUARD von URANUS (Leiter der wissenschaftlichen Abteilung des SFCD)
Foto: Jacque Fresco and Morris Scott Dollens
Während wir in UTOPIA-Romanen schon soweit sind, von unserem Sonnensystem in andere Sternenwelten zu fahren, beginnt die wirkliche Raumfahrt gerade in diesen Jahren den ersten Sprung von der Erdoberfläche bis über die Atmosphäre unseres Planeten vorzubereiten. 402 km hoch ist eine Zweistufenrakete zwar offiziell schon aufgestiegen, aber was da über der Lufthülle der Erde ankam, es war die kleine amerikanische Rakete WAC Corporal, stürzte sofort wieder wie
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ein emporgeworfener Stein auf die Erde zurück. Wenn ein Körper oben bleiben soll, muß er nicht nur eine ähnliche Höhe erreichen, sondern er muß dann außerdem noch in dieser Höhe eine Geschwindigkeit von annähernd acht Kilometer in der Sekunde haben. Und zwar muß er diese erhebliche Fahrtgeschwindigkeit in horizontaler Richtung haben. Mit ändern Worten, man kann sich über der Lufthülle eine Kanone denken: Die Kugel, die aus dem horizontal gerichteten Lauf herausschießt, muß mindestens zehnmal schneller sein, als es eine Kanonenkugel auf der Erde je war. Auch die Kanonenkugel über der Erdatmosphäre wird zunächst geradeaus weiterfliegen, genau wie sie das auch hier unten tut. Zugleich wird sie aber dabei von der Erde angezogen, so daß sich ihre Bahn neigt. Wiederum genau wie unten bei uns. Daß die Schwerkraft da oben nicht mehr vorhanden sei, ist durchaus unzutreffend. Nun ist es jedoch so, daß die Flugbahn einer Kanonenkugel um so flacher ist, je schneller die Kugel ist. Eine Binsenwahrheit. Und bei der Geschwindigkeit von 8 Kilometer in der Sekunde ist die Kanonenkugel gerade so schnell, daß die Krümmung ihrer Bahn sich genau der Krümmung der Erdoberfläche anpaßt. Die Kanonenkugel fährt daher in einem Kreis um die Erde herum. Dazu kommt nun noch etwas, man kann sagen, etwas durchaus Unirdisches: Es ist ja keine Luft mehr vorhanden, jedenfalls keine merkliche Luft mehr, und damit wird die Kugel in ihrem schnellen Flug nicht mehr abgebremst. Sie fliegt immer weiter um die Erde herum. Den meisten Menschen leuchtet das ganz und gar nicht ein. Kein Wunder, hier unten bei uns auf der Erde kommt jeder Kraftwagen, Eisenbahnwaggon, jedes Boot oder Schiff, jedes Flugzeug nach mehr oder weniger kurzer Zeit zum Stillstand, wenn kein Motor mehr für die Weiterbewegung sorgt. Der Grund ist, daß in unseren irdischen Verhältnissen immer und überall irgendeine Reibung, sei es am Boden, im Wasser oder in der Luft vorhanden ist und jede Bewegung abbremst. Im
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luftleeren Weltraum, wo unsere Kanonenkugel über unserer Erde ihre Kreisbahn dahinzieht, gibt es aber diese irdische Angelegenheit Reibung nicht mehr. Es ist gut, wenn man sich das einmal gründlich klarmacht. Denn nur dann begreift man den fundamentalen Unterschied der Fortbewegung im leeren kosmischen Weltraum gegenüber unserer irdischen Fortbewegung: da draußen im Weltraum fliegen die Raumschiffe, oder was es sonst sei, weitaus die meiste Zeit ohne Motorkraft! Nur um ihre Fortbewegung zu ändern, brauchen sie noch einen Raketenmotor. Wer es aber immer noch nicht glauben will, daß Körper im Weltraum sich fortbewegen können, ohne einen Motor dazu zu benützen, soll sich einmal fragen, wo der Mond seinen Motor hat. Genau wie ein künstlicher Mond bewegt sich nun unser in den Weltraum hinausgeschickter ›Satellit‹ um die Erde, nur achtmal schneller als der Mond (dessen Geschwindigkeit nur l Kilometer pro Sekunde ist). Wie die Amerikaner sagen, wird ihr erster künstlicher Satellit etwa 60 Zentimeter im Durchmesser haben und eine Kugel sein. Sein Gewicht soll 10 Kilogramm betragen und ausschließlich aus Instrumenten bestehen. Funkamateure können den kleinen neuen Erdmond – wenn er erst einmal oben um die Erde kreist – mit ihren Funkgeräten verfolgen, denn er wird Funksignale aussenden. Sehen kann man ihn nur unter günstigsten Bedingungen als Stern fünfter bis sechster Größe. Ein Feldstecher mag hierzu genügen. Die Funksignale, die der von Menschen hinauf geschickte Erdmond herabsenden wird, geben Meßergebnisse wieder, die der kleine Roboter im Weltraum selbsttätig anstellt. Da in den Höhen von einigen hundert Kilometer, in denen der Satellit fliegen soll, die Luft noch als ein ganz dünner Hauch wirksam ist, wird die Bahn des Satelliten kaum merklich, aber schließlich doch etwas abgebremst, er sinkt in einer Spiralbahn allmählich in tiefere Luftschichten und
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zerfällt dort, wenn er nicht gar verbrennt. Zehn solcher Monde will man zunächst bauen. Die späteren dürften etwas größer ausfallen. Man wird dann auch versuchen, sie als kleine Gleitflugzeuge auszubauen und unbeschädigt wieder zum Erdboden herabzubringen. Erst wenn das einmal gelungen sein wird, kann man daran denken, auch Menschen hinaufzuschicken. Denn begreiflicherweise legen die ersten Weltraumpiloten nicht nur Wert darauf, in den Weltraum hinaufzusteigen, sie möchten, wenn möglich, auch wieder gesund unten ankommen. Die Rückkehr zur Erde ist das große Problem der Raumfahrt, wenigstens während der nächsten Jahre. Aber nun interessiert es doch auch, wie der Aufstieg erfolgt. Dr. Porter, ein Ingenieur der General Electric Firma in USA, früherer Präsident der ›Amerikanischen Raketengesellschaft‹ (die 4000 Mitglieder hat, lauter Ingenieure), leitet die Fachabteilung, die sich mit den technischen Fragen des Satellitenprogramms beschäftigt. Er sprach in Freudenstadt Anfang Februar zum erstenmal darüber, wie die Rakete aussehen wird, die den Satelliten (die Kugel von 60 Zentimeter Durchmesser und 10 Kilogramm Gewicht) in den Weltraum hinausschießen soll. Ein Schuß ist es nämlich, nur mit einer Rakete statt mit einer Kanone. Die Rakete ist eine sogenannte Stufenrakete. Sie besteht, genau betrachtet, aus drei Raketen, die übereinandergesetzt worden sind. Die unterste und größte Rakete soll einer VIKING-Rakete ähnlich, nur fast doppelt so groß sein. Sie würde beim Start 9000 Kilogramm wiegen, aber davon wären gut zwei Drittel Treibstoff, und zwar flüssiger Sauerstoff von minus 180 Grad und Alkohol. Die auf der unteren Rakete sitzende zweite Rakete wäre schon wesentlich kleiner und soll nach Dr. Porter der Aerobee-Rakete ähnlich sein. Aber wiederum größer als diese. Die Aerobee ist jene Rakete, mit der erstmals kleine Affen in den Weltraum hinaufbefördert worden sind. Das Gewicht der
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zweiten Rakete, also der aerobeeähnlichen dürfte etwa 1000 Kilogramm betragen, wovon wieder gut zwei Drittel Treibstoff sind, diesmal aber Salpetersäure und Anilin. Auf dieser mittleren Rakete würde schließlich die dritte Rakete sitzen, eine Pulverrakete von etwa 200 Kilogramm Gewicht. Und in dieser wäre irgendwo der in den Weltraum reisende Roboter, jene Kugel von 60 Zentimeter Durchmesser, untergebracht, vollbeladen mit Instrumenten. Der Start ginge so vor sich, daß die übereinandersitzenden Raketen senkrecht irgendwo auf dem Raketenflugplatz Cocoa (auf der Halbinsel Florida, USA) stehen würden, bis jemand bei ›X Null‹ auf den Knopf drücken würde. Damit geriete die unterste Rakete (wir wollen sie jetzt einfach Stufe nennen) in Betrieb. Die Treibstoffe würden in den Ofen gepumpt und dort verbrannt. Der ausströmende Gasstrahl würde durch seinen Rückstoß die gesamte Stufenrakete wie mit einer mächtigen Faust emporheben. Wenn die Treibstoffe der unteren Stufe verbrannt wären, käme die zweite Stufe dran, während die leere untere Stufe als unnütz abgeworfen würde. Nach Ausbrennen der zweiten Stufe würde auch diese abgeworfen. Die Pulverrakete käme in Funktion. Nach ihrem Ausbrennen würde die darin enthaltene Kugel des Satelliten abgestoßen und raste nun mit nahezu acht Kilometer pro Sekunde in Höhen zwischen 200 und 1000 Kilometer um den Erdball. Denn das muß noch hinzugefügt werden: Nur während des Startes stieg die Stufenrakete genau senkrecht auf. Schon nach 10 Sekunden wurde ihre Bahn durch eine komplizierte Steuerung ganz allmählich von der senkrechten Bahn in eine waagrechte Bahn umgelenkt. Wenn die Pulverrakete, die letzte Stufe, gezündet wird, ist ihre Bahn schon völlig horizontal. Sie hat dann nur noch für eine Erhöhung der Geschwindigkeit in der horizontalen Richtung zu sorgen. Offiziell werden die ersten dieser Stufenraketen im kommenden Jahr 1957 in Florida aufsteigen.
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Dann werden die ersten Geräte von Menschenhand den Weltraum erreichen. Noch werden es Roboter sein, von Instrumenten starrend, aber es wird doch die Vorhut der Raumfahrer sein, die da in den Weltraum startet. Vanguard, das heißt Vorhut, nennt man daher auch dieses Projekt, das uns so klein anmutet, denn was ist schon eine Kugel von 60 Zentimeter Durchmesser. Doch dieser Vorhut der Roboter werden die Menschen selbst folgen, und sie werden in einem zähen und oft erbarmungslosen Ringen den Weg in den Weltraum fortsetzen, zunächst nur bis über die Lufthülle unseres Planeten, dann zum Mond, voraussichtlich werden wir das noch erleben – und irgendwann zu andern Weltkörpern, von denen irgendeiner einmal von fremden, unbekannten Wesen bewohnt sein wird. Dann werden aus Science-Fiction einst Science Facts werden: Wissenschaftliche Tatsachen über das Leben im Weltall.
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DER PIONIER von Clark Darlton Irgendwo in Rußland löste sich eine der Versuchsraketen von den Ketten der Schwerkraft, die sie an die Erde fesselte, und schoß hinaus in den Weltraum. So wenigstens besagte das Gerücht. Seit dieser Stunde stand der Himmel der westlichen Welt unter ständiger Beobachtung. Man vermutete nämlich, daß diese Rakete nicht die Schubkraft besessen habe, sich völlig von der Erde zu trennen, sondern in Ungewisser Entfernung diese als gewissermaßen zweiter Mond umkreise. Eine auf das modernste eingerichtete Beobachtungsstation wurde in Amerika erbaut und mit den besten Astronomen besetzt. Und während in White Sands immer wieder die in den Himmel jagenden Raketen vergeblich versuchten, der Erdenschwere zu entrinnen, saßen in dieser Beobachtungsstation die dafür bestimmten Männer und suchten den Himmel nach einem Gegenstand ab, der an und für sich nicht dahin gehörte. * Professor Harry Gordon bezog kurz nach Sonnenuntergang seinen Posten am gewaltigen Teleskop und bat seinen Assistenten, ihm in Kürze eine Tasse Kaffee zu bringen. »Hören Sie zu, Flash: Ich trinke sonst niemals zu so früher Stunde Kaffee, aber die Konferenz heute nachmittag hat mich nervös gemacht. In einem Jahr soll unsere ›Mouse‹ starten, und das macht die Leute verrückt. Dabei liegen alle Berechnungen vor, es kann nichts mehr schiefgehen. Nur fürchten sie, die Russen kämen
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uns zuvor. Na wenn schon! Da oben ist mehr Platz als für nur zwei Fußbälle.« »Darum geht es nicht«, versuchte Flash den Professor aufzuklären. »Das hat seine politischen Gründe!« »Ha, das weiß ich auch! Ich bin aber kein Politiker, sondern Wissenschaftler. Ich würde mich sogar diebisch freuen, wenn es den Russen bereits gelungen wäre, so eine kleine Rakete in den Weltraum zu schicken. Natürlich würde mich das nur wissenschaftlich freuen, nicht politisch!«
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»Aha!« machte Flash, obwohl ihm der Unterschied nicht klar war. »Holen Sie den Kaffee, dann erzähle ich Ihnen mehr von der heutigen Besprechung, Flash. Wird Sie interessieren.« Flash verschwand und erschien zehn Minuten später mit einer dampfenden Tasse wieder in der Tür, die zu dem kalten Beobachtungsraum führte. »Prof, kommen Sie besser in den Vorraum. Sie wissen doch, daß der heiße Kaffee hier verboten ist. Der geringste Temperaturunterschied – « Gordon erhob sich. »Ich komme ja schon! Fast hätte ich es vergessen.« Im Stehen trank er und nutzte die Pausen zu kurzen Bemerkungen. »Ich bin wirklich kein lästernder Staatsbürger, das wissen Sie. Aber manchmal reden solche Leute doch einen schrecklichen Unsinn. Wir müßten unbedingt den künstlichen Satelliten finden, der die Erde umkreisen soll! Herrgott! Wie sollen wir etwas finden, wenn gar nichts da ist? Oder ist etwas da? Haben Sie schon etwas gesehen, Flash? Na also!« Er machte einen zufriedenen Schluck und fuhr fort: »Es soll aber etwas da sein! Irgendsoein Liebhaberastronom – Bamsky, oder so ähnlich – hat dem Ausschuß einen Bericht zukommen. Ganz deutlich will dieser Damsky oder Bamsky einen leuchtenden Gegenstand gesehen haben, der mit der richtigen Geschwindigkeit in der richtigen Höhe die Erde umflogen habe. So ein Unsinn! Wie soll das Ding leuchten? Nachts!« Er machte eine kurze Pause und schien nachzudenken. Der Rest des Kaffees fand dabei seinen Weg in den Magen. Dann sagte Gordon, allerdings diesmal etwas nachdenklicher: »Leuchten? Das wäre nur dann möglich, wenn die Sonne das Ding bestrahlte. Und das geschieht nachts kaum, es sei denn, es stände zu der richtigen Zeit in der richtigen Höhe. Hm!«
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Flash schaute ihm nach, als der Professor langsam und fast schwerfällig zu seinem Sitz unter dem Teleskop zurückkehrte. Noch niemals hatte Gordon so plötzlich und unvermittelt geschwiegen, nachdem er so gerade richtig ins Fahrwasser gekommen war. Warum nur schwieg Gordon? Flash war von Natur aus neugierig. Er folgte Gordon. »Was ist, Prof? Warum reden Sie nicht weiter?« »Wie kann ich reden, wenn ich nachdenke? Vielleicht sind die Leute von heute nachmittag doch nicht so dumm gewesen, wie ich dachte. Und schon mal gar nicht dieser Damsky oder Bamsky! Die richtige Zeit! Die richtige Höhe! Wieviel Uhr ist es, Flash?« »Zwanzig Uhr dreißig!« kam die prompte Antwort. »Also zwanzig Minuten nach Sonnenuntergang!« fügte Gordon hinzu. »Wenn ich mich nicht irre, hat dieser Bamsky das Ding eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang gesehen. Hm, vielleicht haben wir Glück.« »Wieso?« wunderte sich Flash. »Eben noch haben Sie gesagt, es sei unmöglich – « »Wir haben aber jetzt ›Jetzt‹!!« belehrte ihn Gordon. »Man kann doch schließlich seine Meinung ändern, ohne gleich als Idiot dazustehen! Oder –?« Flash sank in sich zusammen. »Natürlich haben Sie recht, Prof! Im Gegenteil: Gewöhnlich sind das die Idioten, die niemals ihre Meinung ändern können.« Womit er gelassen eine große Wahrheit aussprach. Gordon hatte einen Notizblock auf den Knien liegen und rechnete, dabei ständig vor sich hinmurmelnd. »Die Ausgleichsgeschwindigkeit zwischen Gravitation und Zentrifugalkraft ist größer, je mehr sich der Körper der Erde nähert. Je tiefer also eine Raumstation kreisen soll, je höher muß ihre Geschwindigkeit sein. Je höher sie ist, je langsamer kann sie auch fliegen, ohne auf die Erde abzustürzen. Alte Kamellen!
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Wenn also dieser Bamsky den Gegenstand eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang noch gesehen hat, so bedeutet das, daß dieser mindestens eine Höhe von – «, seine Stimme verlor sich in Zahlen und Berechnungen. Schließlich warf er das Papier einfach auf die Erde und fluchte wütend: »Verdammt! Das ist ja Unsinn! Ich weiß ja gar nicht, welches Fernrohr der Herr benutzte. Darauf kommt es auch noch an! Mit unserem Ding hier – Mann! Drei Stunden nach Sonnenuntergang könnten wir noch Glück haben. Dann müßte aber der zweite Mond schon eine sehr große Höhe haben – was wiederum möglich ist. Nein, Flash: Nur der Zufall kann uns hier helfen. Mehr nicht!« Flash wußte, daß Schweigen jetzt das beste war. Also gab er keine Antwort. Er begann, die fotografischen Platten für die Nacht vorzubereiten. Eine Stunde später wurde der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses PROJECT SECOND MOON durch ein dringendes Telefongespräch aus der trauten Mitte seiner Familie gerissen. Mit unmutig gerunzelter Stirn betrat er sein Arbeitszimmer, in das der Diener das Gespräch gelegt hatte. »Was ist?« knurrte er in den Apparat, und seine Stimme verhieß nichts Gutes. Mit der freien Hand angelte er nach einer Zigarre. »Moment! Hier ist Flash!« Der Vorsitzende steckte die Zigarre in den Mund, entzündete sie mit dem Tischfeuerzeug, machte einige Züge und maulte: »Was heißt ›Moment‹? Wer ist Flash?« »Augenblick! Ich verbinde mit Professor Gordon!« Diesmal sagte der Vorsitzende nichts, sondern wartete schweigend. Die Zigarre brannte, als enthielte sie Schwarzpulver. »Hier Gordon! Bist du es, Jon?« Jon Henry nickte unwillkürlich. »Ich bin’s! Was rufst du mich mitten in der Nacht an?«
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»Es ist noch keine halb zehn, Jon. Warst du schon im Bett?« »Noch nicht ganz«, kam die Antwort. »Aber halb!« »Haha!« machte Gordon. Er war Junggeselle. »Aber ich habe dich nicht angerufen, um dich von deinen Pflichten oder Vergnügungen abzuhalten, sondern um dir etwas Wichtiges mitzuteilen.« »Das wäre?« Jon Henrys Zigarre brannte noch immer lebhaft. »Hast du vielleicht endlich den zweiten Mond entdeckt?« »Halte dich fest: Ich habe ihn entdeckt!« Die Zigarre fiel auf den kostbaren Teppich. »Was sagst du da? Du hast – wie sieht er aus?« »Du verlangst ja allerhand von mir! Wir sind froh, daß wir überhaupt etwas gefunden haben, und du willst gleich wissen, welche Firma das Ding hergestellt hat. Na, na, so schnell geht das nicht. Aber du kannst gleich mal herkommen. Wir entwickeln gerade die Filme. Wenn die gut geworden sind, kommen wir vielleicht ein wenig weiter.« »Ich bin in einer halben Stunde da«, versprach Jon Henry und überlegte, wie er seine Frau beruhigen konnte. Es war immerhin schon spät. Wenigstens für einen Mann, der kein Astronom ist. * Flash spannte den Film in den Vorführapparat und verdunkelte. »Wie lange hast du es sehen können?« wollte Henry wissen. Gordon wiegte den Kopf hin und her. »Nicht mehr als zehn Sekunden, ach, was sage ich? Fünf vielleicht! Es muß eine nette Geschwindigkeit haben, kann also auch nicht besonders hoch sein. Doch das kann täuschen. Sieh nur selbst, gleich kommt es. Allerdings sehr vergrößert. Ich sehe es jetzt selbst zum ersten Male so groß. Bin gespannt, was es ist.«
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Die Leinwand leuchtete auf und wurde wieder dunkel. Bis auf die funkelnden Sterne, die unbeweglich am gleichen Fleck zu stehen schienen. Das neue Verfahren erlaubte Sternaufnahmen innerhalb weniger Sekunden Belichtungszeit. Daher der Film. Plötzlich – die Kamera mußte bewegt worden sein – verschob sich das gleichmäßige Bild, und ein leuchtender Gegenstand kam in Sicht. Es war ein Gegenstand! Gordon sprang von seinem Stuhl hoch und lief auf die Leinwand zu, als wolle er das Ding mit seinen Händen festhalten, ehe es – langsam wandernd – über den Rand des weißen Tuches verschwinden konnte. Was sie da sahen, war eine Rakete! Zwar hatte diese etwas seltsame, ungewohnte Formen, war auch dicker und scheinbar schwerfälliger als die allgemein bekannten Raketentypen – aber es war und blieb eine Rakete. »Also ist es ihnen doch gelungen!« stöhnte Henry auf, und man hörte sowohl den Neid wie auch die Wut aus seinen Worten. Gordon war zurückgekehrt. Er setzte sich. »Das hätte ich nicht gedacht! Das ist allerhand! Nun bleibt nur noch eine Frage offen.« »Und die wäre?« tat Henry gespannt. »Wie holen wir das Ding zur Erde herunter?« * Die Entdeckung der unbekannten Rakete, die in gleicher Höhe mit gleichbleibender Geschwindigkeit die Erde regelmäßig umkreiste, war kein Geheimnis geblieben. Zum Erstaunen der Amerikaner gaben auch die Russen bekannt, eine um die Erde kreisende Rakete entdeckt zu haben. Das warf natürlich wieder sämtliche Spekulationen über den Haufen und gab der erregenden Theorie neue Nahrung, die unbekannte Rakete
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stamme vielleicht gar nicht von der Erde, sondern sei aus den Tiefen des Weltraumes gekommen. Die Wissenschaftler der Welt versammelten sich im Gebäude der UNO und beschlossen einmütig, den Versuch zu unternehmen, Verbindung mit dem Besucher eines anderen Planeten aufzunehmen. Eine zweite Sitzung – vier Wochen später – ergab, daß dieser Versuch fehlgeschlagen war. Der Besucher hatte weder auf Funk, Blinkzeichen noch auf sonstige Versuche reagiert. Er gab einfach keine Antwort, sondern flog mit fast unheimlicher Gleichmäßigkeit um die Erde herum. Diese zweite Konferenz zeigte überraschende Ergebnisse. Weder Rußland noch Amerika waren – jeder für sich – in der Lage gewesen, den ersten Schritt zur Eroberung des Weltalls zu tun, aber nun, da die dringende Notwendigkeit offenbar wurde, man einige Geheimnisse auszutauschen begann, stellte es sich heraus, daß man gemeinsam wohl schneller zum Ziele käme. Und keine drei Monate später jagte die erste Rakete hinaus in den Weltraum, kehrte ferngesteuert wohlbehalten wieder zur Erde zurück. Sie hatte die Flughöhe der unbekannten Rakete bei weitem überschritten. * Der nächste Schritt war zu erwarten. Man rüstete die unbemannte Versuchsrakete mit magnetischen Klammern aus, die – genau wie der Antrieb und die Steuerung – von der Erde aus betätigt werden konnte. Und dann kam der große Tag! Die Flugbahn des unbekannten Körpers war inzwischen genau berechnet worden und ebenso die Geschwindigkeit. Die irdische Gemeinschaftsrakete startete, heulte in die Höhe und verschwand den Blicken der Nachschauenden.
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Szene aus dem Film ›Tobor the Great‹ Foto: Republic Pictures
In den Kontrollstationen jedoch wurde der Flug genauestens überprüft und reguliert. Sie näherte sich dem unbekannten Objekt, war jetzt dicht über diesem – und die Magnetklammern schlossen sich um den ungefügten Leib. Dann begann die schwierigere Arbeit des ›Herausziehens aus der Kreisbahn um die Erde‹. Doch auch das gelang. Und keine zwei Stunden später landete in White Sands wohlbehalten die erste Rakete, die aus dem Weltraum zur Erde kam. Erst am nächsten Tage gelang es den Technikern, den Leib des Raumschiffes zu öffnen. Auf Klopfzeichen gegen die Hülle war keine Antwort erfolgt, man durfte also annehmen, daß die 119
Besatzung die weite Reise aus unbekannten Fernen nicht überlebt hatte. Neben Professor Gordon und Mr. Henry stand der Biologe Fabrizius. »Jetzt endlich wäre es soweit! Der große Augenblick ist gekommen! Ich kann es kaum erwarten, bis die Blechspezialsten das Ding aufgeschweißt haben.« Gordon warf Fabrizius einen tadelnden Blick zu. »Sie finden es auch noch schön, wenn man die Rakete einfach zerstört? Wenn es nach mir ginge – « Aber es ging nicht nach ihm. Jon Henry trat unwillkürlich einen Schritt vor, als die schwere Metallplatte abgehoben wurde, die man kunstgerecht ausgeschnitten hatte. Und erschrocken prallte er zurück, als ein seltsames Wesen dem Innern der Rakete entstieg. Entsteigen mag vielleicht nicht der Ausdruck sein. Das Lebewesen fiel regelrecht heraus, landete unsanft auf der Erde und richtete sich dann wieder hoch. Mit seinen sanften Augen blickte es erstaunt um sich. Es war mit einer Art Hose bekleidet, der Oberkörper war frei, jedoch mit einem dichten Haarkleid bedeckt. Der Kopf war der eines Menschen, wie überhaupt die ganze Figur an sich. Die dichten Haare überall, auch auf den Armen und Händen, waren das einzige, was ihn davon unterschied. Ein Affe war es auf keinen Fall, sondern es mußte ein intelligentes Lebewesen sein. Denn wie hätte es sonst ein Raumschiff durch die Weiten des Alls zur Erde steuern können? Es war überhaupt kein irdisches Wesen. Fabrizius drängte den zögernden Henry beiseite und näherte sich dem fremden Wesen, dabei die Hand wie zum Gruß erhebend. Er war sich der Bedeutung dieses Augenblicks voll und ganz bewußt. Zwei Welten standen sich zum ersten Mal gegenüber – und diese Begegnung konnte über Leben und Tod
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der Menschheit entscheiden. Wer sollte wissen, welche Machtmittel in der Hand dieses Unbekannten lagen. Im Moment sah es allerdings so aus, als sei dieser völlig hilflos und selbst äußerst überrascht. Er wich vorsichtig einen Schritt zurück, bis er mit dem Rücken gegen die Hülle seiner Rakete stieß. Dort erwartete er bewegungslos und stumm den nachkommenden Fabrizius. »Sei willkommen auf der Erde!« sagte dieser feierlich. »Wir hoffen, du kommst in friedlicher Absicht.« Er hätte in Anbetracht der tierischen Haare kaum ›Sie‹ sagen können. Aber was wußte der Mensch schon von den Bewohnern anderer Welten? »Kannst du unsere Sprache verstehen?« Vielleicht war es eine Täuschung, aber die Anwesenden meinten, der Fremde hätte leicht den Kopf geschüttelt. Henry trat neben Fabrizius. »Wir brauchen einen Sachverständigen«, schlug er vor. »Wird nicht viel Zweck haben«, gab der Biologe zurück. »Vielleicht verständigen sie sich gar nicht durch eine Sprache. Vielleicht haben sie Telepathie.« »Dann denken Sie mal scharf nach!« grinste Henry und ging wieder zu Gordon zurück, der den Fremdling mit offenem Munde anstarrte. »Ich habe mir die intelligenten Bewohner vom Mars immer so anders vorgestellt. Irgendwie anders. Aber nicht so!« Gordon verriet nicht, wie er sie sich vorgestellt hatte. Er wäre auch nicht mehr dazu gekommen. Denn in diesem Augenblick geschah etwas völlig Unerwartetes. Der Besucher aus dem Weltraum begann zu sprechen. Ganz offensichtlich galten seine Worte Fabrizius, der ihn ja auch als erster begrüßt hatte. Dabei verzog sich sein Gesicht zu einem freundlichen Grinsen, und die im Hintergrund stehenden Soldaten senkten beruhigt ihre schußfertigen Maschinenpistolen, die man für alle Fälle scharf geladen hatte.
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Dann hob der Fremde die eine Hand, genauso, wie es vorher Fabrizius getan hatte. Der Biologe hatte sich von seinem Erstaunen erholt. Er streckte dem Fremden die Hand entgegen, die dieser nach einigem Zögern auch nahm, aber nicht so recht wußte, was er damit anfangen sollte. Schließlich aber gelang es ihm, sich nach einigem freundlichen Händeschütteln von dem Unbekannten zu lösen. Der jedoch schien endlich begriffen zu haben, das dies eine Art Begrüßung sein sollte. Er grinste, gab einige scheinbar Freude ausdrückende Laute von sich und schritt dann auf Henry und Gordon zu, die ihn mit Befremden erwarteten. Er gab ihnen die Hand, schüttelte die ihren mit Begeisterung und schritt dann weiter, auf die anderen Herren des Ausschusses zu, um da diesen Vorgang zu wiederholen. Er machte selbst vor den Soldaten nicht halt, die er sicherlich für eine Ehrenwache hielt. Die Techniker krochen inzwischen im Innern der Rakete herum, konnten aber nicht viel entdecken. Selbst von einer Instrumententafel war nicht das geringste zu sehen. Der Teufel mochte wissen, wie dies Ding zu steuern war! Nur am Ende der Rakete fand man eine Einrichtung, die darauf schließen ließ, daß man sie mit einer anderen koppeln konnte. Also so ähnlich wie die Spitzenstufe einer Stufenrakete. * Ein schwerer Personenwagen brachte Henry, Gordon und Fabrizius in das beste Hotel der nächsten Stadt. Im Fond des Wagens saß stolz und voller Freude um sich blickend der Besucher aus dem All. Man brachte ihn in sein Zimmer, versorgte ihn mit Kleidern und gab ihm zu verstehen, daß es unsittlich sei, auf der Erde nur mit einer Hose bekleidet herumzulaufen. Fabrizius ließ es sich nicht nehmen, den hohen Gast des Planeten Erde selbst
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anzuziehen, nachdem es sich herausstellte, daß dieser die Bekleidungsgegenstände mit offensichtlichem Mißtrauen betrachtete und sogar versuchte, sie einfach aufzuessen. »Ich kann immer noch nicht begreifen«, erklärte Gordon beim gemeinschaftlichen Essen, daß unser Freund so hilflos der Situation gegenübersteht. Man sollte doch meinen, bei dem hohen Stand der Zivilisation, auf dem sich die Angehörigen seiner Rasse zweifellos befinden, müßte er sehr schnell begreifen, um was es geht. Auch kann ich nicht verstehen, daß er keinen Versuch macht, sich mit uns zu verständigen.« »Nun, ich meine, er lernt sehr schnell«, entgegnete Henry. »Man braucht ihm nur etwas vorzumachen, er macht es gleich nach. Das läßt immerhin auf einen regen Verstand schließen. Vergessen wir nicht, daß jene Bewohner einer uns noch unbekannten Welt eine völlig anders basierte Psychologie besitzen mögen. Was wissen wir schon davon, was in seinem Hirn vorgeht.« »Ganz richtig!« verteidigte Fabrizius seinen Schützling. »Wir müssen ihm Zeit lassen. Es ist auch möglich, daß er einen Schock erlitten hat. Denn ich nehme an, sein Fahrzeug ist außer Kontrolle geraten. Würde er sonst so freiwillig wer weiß wie lange um die Erde gekreist sein? Er sah den sicheren Tod vor Augen, denn die Vorräte wären auch einmal zu Ende gegangen. Ebenso die Atemluft, die der unserigen fast gleicht. Sie ist ein wenig dünner in der Zusammensetzung. Seltsam, seltsam!« Er sagte nicht mehr, was seltsam sei, sondern wandte sich an den so unvermittelt auf die Erde geholten Raumfahrer: »Trinken wir lieber auf Ihr Wohl und darauf, daß Sie glücklich bei uns gelandet sind.« Komisch, dachte Gordon belustigt. Jetzt hat unser Freund einen Frack an, nun wird er nicht mehr geduzt. Fabrizius hatte sein Glas erhoben und hielt es dem Fremden entgegen. Der sah einen Moment verdutzt aus, dann jedoch
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begriff er. Mit ungeschickten Händen griff er nach seinem eigenen Glas, das dicht vor ihm stand, erhob es ebenfalls und trank dann – genau wie Fabrizius es ihm vormachte. Wein schien ihm zu munden, denn er trank das Glas auf einen Zug leer. Der Kellner war sehr aufmerksam, füllte es neu. Der Mann vom anderen Stern war sehr durstig. »Das verstehe ich nicht«, knurrte Gordon, der ewig Mißtrauische. »Wenn ich da oben irgendwo landen würde, wäre ich nicht so sorglos. Der trinkt einfach darauf los, als ob er nicht betrunken werden könnte. Ob er keine Angst hat, daß man ihn vergiftet?« »Er hat Vertrauen zu uns Erdbewohnern«, klärte Henry ihn auf. »Ein Zeichen für seine ungeheure Intelligenz. Er sieht, daß wir einen Besuch aus dem All zu schätzen wissen.« »Was fangen wir nur mit ihm an? Bisher hat er sich überhaupt nicht um sein Raumschiff gekümmert. Man könnte meinen, er hätte es schon vergessen. Nein, mein lieber Jon. Du kannst mir sagen, was du willst. Ich behaupte, da stimmt irgend etwas nicht. Irgendwo machen wir einen Fehler! Dieser Raumfahrer ist nicht das, was wir von ihm glauben. Wenn ich doch nur wüßte, was er wäre –!« Er erfuhr es nie. Die Welt selbst erfuhr es nie. Genauso, wie erst der Gedankenaustausch zwischen den Großmächten der Erde das Geheimnis der Raumfahrt löste, so hätte der Gedankenaustausch zwischen den Welten das Rätsel jener Rakete zu lösen vermocht. Aber so – Um die Sonne kreist als vierter Planet der Mars. Seine Bewohner haben nichts Menschenähnliches, ähneln vielmehr gigantischen Insekten. Aber ihre Intelligenz mißt sich mit der des Menschen.
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Sie haben die Kräfte des Atoms entdeckt und sind dabei, den Weltraum zu erobern. Doch vorerst befinden sie sich noch im Stadium des Versuches. Donnernd heult die plumpe Rakete in den blassen und kalten Marshimmel. Die Luft bietet wenig Widerstand, daher ist die schlanke Form unnötig. Die Anziehungskraft ist gering, aber doch bieten sich noch Schwierigkeiten. »Es nützt nichts, wenn die Rakete den Anziehungsbereich verläßt«, dachte Klahg, und Molgk verstand ihn. »So wie vor zwei Jahren. Der Verlust war weiter nicht tragisch. Nur hätte ich gerne gewußt, ob sie den dritten Planeten erreicht hat. Vielleicht ist sie eingefangen worden.« »Wir können sie ja später abholen, wenn wir es geschafft haben.« »Leider wird Blagh dann nicht mehr leben. Schade, er war so gut dressiert.« »Irgend jemand muß der Pionier sein«, dachte Klahg mit Bedauern. »Aber wer wird schon um ein Versuchstier groß Gedanken verlieren.« Donnernd stieg die zweite Rakete hinauf in den Himmel.
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GIBT ES EINE GRENZE DES UNIVERSUMS?
Die Frage, ob das Weltall unendlich groß oder endlich begrenzt sei – diese Frage hat die menschliche Vorstellungskraft seit eh und je bewegt. Man kann sich die Unendlichkeit des Raumes nicht vorstellen; irgendwo muß er ja wohl doch zu Ende sein. Aber dieses ›Ende der Welt‹ ist noch viel weniger vorstellbar; denn was soll denn dahinter kommen? Unendlich oder begrenzt – auf diese Frage aller Fragen gibt es heute eine verblüffende Antwort, nämlich: weder – noch! Das Weltall ist weder begrenzt noch unendlich. Es ist keineswegs unendlich groß, aber es hat keine Grenzen. Das scheint ein Widerspruch zu sein; denn ein endlich großer Raum, der also eine bestimmte Anzahl von Kubikkilometern umfaßt, muß doch irgendwo ein Ende haben. Das sagt uns ja schon die primitivste Vernunft. Nun, die gleiche Vernunft sagte den Gelehrten und seefahrendem Forschern des Altertums, daß die Erdfläche, auf der sie lebten, und die Meere, die ihre Länder umspülten, doch
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irgendwo zu Ende sein müßten, und sie suchten nach dem ›Ende der Welt‹. Da sie dieses Ende aber niemals fanden, mußte der Verdacht auftauchen, die Erdenwelt sei eben unendlich groß. Sie wußten ja nicht, daß die Erde eine Kugel ist, deren Oberfläche in sich selbst zurückkehrt. ›Reise immerzu geradeaus in eine und dieselbe Richtung, und du wirst schließlich wieder am Ausgangspunkt deiner Reise ankommen‹ – eine solche Behauptung hätte wahrscheinlich Hohngelächter erregt. Was heute jedem Oberschüler geläufig ist, bereitete damals selbst großen Denkern unüberwindliche Schwierigkeiten. Man konnte sich einfach nicht vorstellen, daß die Erdoberfläche und mit ihr auch die Oberfläche der Meere nicht eben, sondern gekrümmt sei. Ebenso hilflos, ja viel hilfloser, stehen wir Heutige vor der Behauptung der Wissenschaft, der Weltraum, in dem unsere Erde und alle Sterne schweben, sei gekrümmt und fließe jäher in sich selbst zurück. Und diese Krümmung täusche uns eine Unendlichkeit vor, die tatsächlich gar nicht vorhanden ist. Unendlich und unbegrenzt – das ist keineswegs gleichbedeutend. Wie die Oberfläche einer Kugel, so kann auch der Raum eine bestimmt meßbare Größe und trotzdem nirgends Grenzen haben. Er ist gekrümmt und kehrt in sich selbst zurück. Einen leeren Raum, der sozusagen ›verbogen‹ ist, kann sich freilich niemand vorstellen – nicht einmal der Physiker Riemann, der die Raumkrümmung schon vor hundert Jahren vermutet hat, und auch nicht der Übermathematiker Einstein, der sie aus seiner Relativitätslehre ableitete und bewies. Man kann zwar mit unvorstellbaren Raumkrümmungen durchaus vernünftige Rechnungen anstellen und damit zu so realen Ergebnissen gelangen wie etwa die Bahnachsen-Verschiebung des Planeten Merkur; aber es ist schlechterdings unmöglich, sich
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die Krümmung des Nichts bildhaft vorzustellen. Und diese Unmöglichkeit wird sich niemals als überwindbar erweisen. Die Krümmung einer Fläche ist der Übergang von der uns geläufigen zweiten Dimension in die uns ebenso geläufige dritte Dimension: Die Fläche bedarf des Raumes, um gekrümmt sein zu können. Das ist ohne weiteres begreifbar. Der Raum aber bedarf für eine Krümmung naturgemäß der nächst höheren, also der vierten Dimension, und die ist für uns dreidimensionalen Lebewesen wohl durch Mathematik, niemals aber durch geistige Schau erfaßbar. Nicht nur unser Körper, auch unser Denkvermögen ist und bleibt an die drei Dimensionen des Raumes gebunden. Wenn aber nun der Raum gekrümmt ist – und man kann an dieser Tatsache nicht mehr zweifeln, wie ist das dann mit dem ihn durcheilenden Licht? Der Lichtstrahl, dieser Inbegriff der Geradlinigkeit, – macht er diese Krümmung mit? Natürlich ist in diesem Sinne auch der Lichtstrahl gekrümmt, aber wie der Raum selbst nur in der für uns unerkennbaren vierten Dimension. Für unsere Wahrnehmung bleibt er so geradlinig wie eh und je, und könnten wir mit Hilfe eines Überteleskops beliebig weit in den Raum hinaussehen – wir würden in allerfernster Ferne, in gerader unverbogener Richtung, etwas recht Merkwürdiges erkennen: nicht den Rand des Universums, den es ja nicht gibt, sondern unser Sternsystem der Milchstraße. Nicht etwa ein ähnliches fremdes, sondern unser eigenes. Wir sähen sozusagen uns selbst. Der geradlinige Sehstrahl ist durch die vierte Dimension hindurch in sich selbst zurückgekehrt – ebenso wie der konstant eingehaltene Kurs eines Flugzeugs, das den Erdball umfliegt wieder zum Startplatz zurückführt. Dem Piloten erschien der Kurs geradlinig – aber durch die dritte Dimension hindurch – um den Erdball herum – ist er gekrümmt. Was wir durch unser beliebig weit reichendes Wunderfernrohr zu sehen bekämen, wäre aber nicht Gegenwart, sondern graueste
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Vergangenheit: Unsere Heimatwelt in einem Zustande, in dem sie vor einigen Milliarden Jahren war. Einige Milliarden Jahre – so lange braucht der Lichtstrahl, um das gesamte Weltall zu durchlaufen. Und wenn wir uns vergegenwärtigen, daß das Licht in einer einzigen Sekunde dreihunderttausend Kilometer, fast die Strecke von der Erde zum Mond, überspringt, dann mag uns eine Ahnung aufdämmern von der ungeheuerlichen Ausdehnung des Universums. Für unseren Hausgebrauch sind Lichtjahrmilliarden eben doch Unendlichkeit – nicht aber für die Astronomen auf dem Mount Palomar in Kalifornien. Die konnten mit ihrem Riesenreflektor bereits Sternnebel auf die Platte bannen, die eine halbe Lichtjahrmilliarde von uns entfernt sein müssen. Es fehlt also gar nicht mehr allzuviel an der völligen Durchdringung des Universums durch den Menschen. Nun aber taucht ein fast erschreckender Gedanke auf. Der Begriff der Raumkrümmung, die ja nur durch die vierte Dimension hindurch möglich und denkbar ist, setzt unvermeidlich das Vorhandensein eines übergeordneten, vierdimensionalen Mediums voraus, in das unser Universum eingebettet ist. Vielleicht ist dieses unser Universum mit all seinen Sternen und Sternsystemen nicht das einzige. Möglicherweise liegen in dem übergeordneten Medium viele Universen, ganz ähnlich dem unsrigen, dich, nebeneinander und aufeinander wie die zweidimensionalen Druckseiten im dimensionalen Raum eines Buches. Sie werden uns natürlich niemals zugänglich sein – nicht unserem Blick, nicht einmal unserer Mathematik und kaum unserer Phantasie. So wenig wie der zweidimensionale Druckbuchstabe aus seiner Fläche heraus auf die benachbarte, dicht über ihm liegende Buchseite hinüberspringen kann – denn dazu müßte er ja durch die ihm verschlossene dritte Dimension hindurch – so wenig können wir dreidimensionale Wesen durch die vierte Dimension hindurch in ein Nachbaruniversum gelangen.
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Beherrschte der Mensch jemals die Dimension vier, so würde das bisher logisch und faktisch Unmögliche auf einmal möglich werden. Wir könnten wirklich und wahrhaftig zaubern. Wir könnten uns von der einen dreidimensionalen Welt in die andere versetzen, wir könnten nach Belieben an Ort und Stelle spurlos verschwinden und wiedererscheinen, und wir würden uns darüber nicht einmal wundern. Vielleicht vermöchte man dann auch den Raum selbst zu manipulieren – etwa wie der Mathematiker durch eine einfache Veränderung des Koordinaten-Systems der Fläche die Parabel zur Geraden streckt. Eine Manipulierung des Raumes aber müßte zu Zuständen und Geschehnissen führen, wie sie für uns nur in wüsten Fieberträumen erlebbar sind. Das Wunder würde zur nüchternsten Realität. Spekulationen mit dem durch die vierte Dimension hindurchgebogenen Weltraum sind bereits zu einem beliebten Thema der amerikanischen Science-Fiction-Literatur geworden. Aber kehren wir doch lieber von der Fiktion zurück zur Realität unseres Universums, an dessen dreidimensionaler, von Menschen begreifbarer Struktur auch die Tatsache der Raumkrümmung natürlich nichts ändert. Wir stellen uns heute das Universum vor als einen ungeheuer aber nicht unendlich großen Raum, in dem einige Milliarden jener Groß-Sternsysteme schweben, die wir Sternnebel oder Spiralnebel nennen. Einer dieser Kontinente des Weltalls ist unsere Milchstraßenwelt, der alle Einzelsterne angehören, die wir am Himmel leuchten sehen. Der uns nächste Nebelkontinent ist der berühmte Spiralnebel im Sternbild der Andromeda. Bei klarer Luft kann man ihn sogar mit freiem Auge als ein kleines schwaches Lichtfleckchen am Himmel erkennen. Im Fernrohr erscheint er als eine leuchtende Schnecke mit einem dichteren Zentrum und darum herumgewundenen dicken Armen. Aber das sind natürlich keine zusammenhängenden Massen, sondern
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Anhäufungen von Milliarden einzelner Glutsterne. Aus der großen Entfernung gesehen erscheinen sie so dicht gedrängt, daß es erst den allermodernsten Riesenteleskopen gelungen ist, diese leuchtenden Nebelflächen stellenweise aufzulösen und einzelne Sterne darin erkennen zu lassen. Und dabei ist der AndromedaNebel als unsere nächste Nachbarwelt ›nur‹ knapp eine Million Lichtjahre von uns entfernt. Gibt es im Andromeda-Nebel eine Sonne mit bewohnbaren Planeten, und leben darauf menschenähnliche Wesen, so sehen diese zweifellos unsere Milchstraßenwelt ebenfalls als einen großen Spiralnebel. Unser Milchstraßensystem scheint sogar einer der größten Spiralnebel des Universums zu sein. Die schneckenartige Gestalt der meisten großen Nebel rührt von ihren inneren Bewegungen hör. Es kreisen ja nicht nur die Planeten um ihre Sonne, auch die Sonnen selbst eilen durch den Raum, schwingen um das übergeordnete Zentrum der Sternwolke, der sie angehören. Auch diese Wolke bewegt sich innerhalb der Milchstraße, der ganze Spiralnebel rotiert und bewegt sich außerdem selbst als Ganzes durch den Raum. Wie ein Schiff die auf Deck promenierenden Passagiere, ungeachtet ihrer willkürlichen Spaziergänge, in ihrer Gesamtheit über die Weiten des Ozeans trägt, so führen auch die Kontinente des Weltalls ihre fortwährend kreisenden und umherziehenden Sterne als geschlossenes System durch die Öden des Weltraums. Und gerade diese übergeordneten Bewegungen der großen Sternnebel haben sich als äußerst merkwürdig erwiesen und zu Folgerungen geführt, die fast schon in das Dunkel des Schöpfungsaktes hinunterreichen. Es hat sich nämlich herausgestellt, daß die Kontinente des Weltalls nicht um irgendein Zentrum kreisen, sondern eine von uns weggerichtete Bewegung haben. Es scheint so, als ob unser Heimatkontinent der Milchstraße ein Zentrum wäre, von dem
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alle anderen Sternsysteme fluchtartig wegstreben. Stehen wir also doch im Mittelpunkt der Welt? Aber das ist zweifellos ein Trugschluß. Auch ein Beobachter im Andromeda-Nebel würde denselben Eindruck der Nebelflucht haben wie wir. Wahrscheinlich bietet sich von jedem Punkt des Weltalls aus das gleiche Bild: Jeder Beobachter scheint im Zentrum einer Welt von zurück reichenden Nebeln zu stehen, und jeder Nebel scheint von jedem anderen Nebel wegzustreben – etwa wie die einzelnen Punkte auf einer sich aufblähenden Seifenblase. Das bekannte Universum ist offenbar in einer fortwährenden Ausdehnung begriffen. Die Welt wird größer mit jedem Tag. Die Bestimmung der Geschwindigkeiten, mit denen sich diese Ausweitung vollzieht, ergibt ungeheure Werte. Bei Nebeln im Abstand von etwa dreißig Millionen Lichtjahren hat man eine Fluchtgeschwindigkeit von etwa 5000 Kilometern pro Sekunde festgestellt, und ein lichtschwacher Nebel im Sternbild der Zwillinge, dessen Entfernung man auf etwa 140 Millionen Lichtjahre schätzt, bewegt sich mit der kaum faßlichen Geschwindigkeit von 24.000 Kilometer in der Sekunde von uns weg – schneller, als das strahlende Radium seine Atomkernteilchen aus sich herausschießt. Noch weiter entfernte Nebel aber bewegen sich noch viel schneller. Die bisherigen Messungen haben nämlich ergeben, daß die Bewegungsgeschwindigkeit der Nebel von ihrer Entfernung abhängt. Wächst die Entfernung um eine Lichtjahrmillion, so nimmt die Geschwindigkeit um 170 Kilometer pro Sekunde zu. Wenn dieses Steigerungsgesetz über den bisher von unseren Riesenfernrohren erfaßten Raum hinaus noch gültig ist, so müssen die Nebel in einer Entfernung von etwa zwei Milliarden Lichtjahren mit Lichtgeschwindigkeit durch den Raum rasen.
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Da es eine größere Geschwindigkeit als die des Lichtes nicht gibt und nicht geben kann, zieht man aus diesen Überlegungen den Schluß, daß unser Universum zur Zeit einen Durchmesser von einigen Milliarden Lichtjahren haben müsse und daß dieser Durchmesser mit nahezu Lichtgeschwindigkeit wachse. In eineinhalb Milliarden Jahren muß er sich verdoppelt haben. Wohin das führt, welchem Ziele diese Ausdehnung zustrebt, das wissen wir nicht; wir können es nicht einmal ahnen. Wir können nur feststellen, daß wir offenbar nicht in einem auf Ewigkeit festgefügten Universum leben, sondern in einer alles, aber auch wirklich alles umfassenden Explosion. Die explosionsartige Ausdehnung des Weltalls hat natürlich nicht erst jetzt begonnen. Sie war schon immer im Gange – wir wußten es bloß nicht. Das Universum muß zur Zeit des Aristoteles kleiner gewesen sein als heute, und zur Zeit der Neandertaler Urmenschen noch kleiner, und zur Zeit der Riesensaurier noch viel kleiner. Diese Verkleinerung zurück in graue Vorzeiten kann aber nicht so unendlich weitergedacht werden, wie die Vergrößerung hinaus in die fernste Zukunft. Irgendwann einmal muß das Weltall sozusagen eine Mindestgröße gehabt haben, in der von Anfang an schon die Energien vereinigt waren, die unsere Welt auch heute noch und bis in alle Zukunft bewegen. War es eine gestaltlose, ungeheuer konzentrierte Kräfteballung, die explodierte, dabei große Teile ihrer Energien zu Massen materialisierte und nach allen Richtungen auseinanderjagte? Ein Vorgang, der identisch wäre mit dem Schöpfungsakt. Aus Energie wurde Stoff – ein Ereignis schuf diese Welt. Aber wann war dieses Ereignis? Auf diese Frage gibt die Wissenschaft – wenn auch nur zögernd und mit vielen Vorbehalten – Auskunft.
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Längst schon gibt es eine zuverlässige Methode, das Alter von Stoffen zu bestimmen. Die Uhr der Materie ist der gleichmäßig und unbeirrbar ablaufende Atomzerfall der radioaktiven Substanzen. Aus Art und Menge der vorhandenen Zerfallsprodukte ist zum Beispiel festgestellt worden, daß alles Uran, das man auf der Erde gefunden hat, nicht älter sein kann als etwa 3 Milliarden Jahre. Auch die Untersuchungen an den Meteoriten, den zur Erde gestürzten Trümmern anderer Himmelskörper, habe zu ähnlichen Ergebnissen geführt. Und nun zeigte es sich, daß diese mit Hilfe der Atomphysik gewonnenen Zahlen auffallend übereinstimmen mit dem, was sich aus der Berechnung der Nebelbewegungen ergibt: Das Universum muß vor einigen Milliarden Jahren entstanden sein. Etwa eine Jahrmilliarde nach der Geburt des Universums dürfte sich dann ein kleines Abenteuer der Sonne zugetragen haben, wobei sie Teile ihrer Materie verlor. Wie diese Ablösung von etwa einem Zehntelprozent der Sonnenmasse vor sich ging, darüber gehen die Ansichten der Forscher noch sehr auseinander. Aber wie immer dieser Vorgang sich auch abgespielt haben mag, im kosmischen Gesamtgeschehen war er völlig belanglos. Für uns Menschen jedoch besitzt er die allergrößte Bedeutung; denn aus diesen abgelösten Sonnenteilen bildeten sich im Laufe der nächsten Jahrmillion die Planeten. Dabei hatte einer von ihnen ein ganz besonderes Glück: er blieb der glühenden Sonne so weit vom Leibe, daß er rasch auskühlen und eine feste Kruste bilden konnte, aber er hielt sich der Licht und Wärme spendenden Sonnenmutter doch nahe genug, um noch ausreichende Energiemengen, die ein völliges Erkalten verhinderten, zugestrahlt zu erhalten. Auf diesem vom Glück ausgezeichneten Stückchen Sonnenschlacke entwickelte sich das Leben, erdachte im Leben
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der Geist und wuchs im Geist die Fähigkeit, das kosmische Geschehen zu erkennen und zu begreifen. Und dies alles geschah und geschieht, während die Welt in rasendem Tempo auseinanderfliegt. Das Universum ist kein stabiler Zustand, sondern dynamische Belegung – Übergang von einem statischen Zustand der Vorzeit in einen anderen Zustand der nachzeitlichen Zukunft. Wir kennen beide Zustände nicht, wir wissen nichts von der Herkunft und vom Ziel. Wir vermögen den Schöpfungsakt nicht zu erkennen und nicht zu erforschen, wir können nur an ihn glauben. Wir wissen nur eines: daß wir zwischen den Zuständen leben mitten im Ablauf eines gigantischen Geschehen – vor Jahrmilliarden ausgelöst durch das Ur-Ereignis, in dem statische Energie sich in Materie und Dynamik wandelte. Mit diesem Ereignis begann der Ablauf der Zeit, begann das Geschehen, begann die Geschichte. Die Geschichte des Universums werden wir vielleicht einmal noch deutlicher erkennen, als es uns heute möglich ist; aber nie werden wir sie zu deuten vermögen. Auch die moderne Naturwissenschaft – und gerade diese – hat sich abgewandt vom reinen Zweckmaterialismus der Jahrhundertwende, und je weiter sie in ihren Erkenntnissen fortschreitet, je tiefer sie eindringt in die Geheimnisse des Universums, um so deutlicher führt ihr Weg zurück zu Gott. (bpa)
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MORGEN STOSSEN WIR IN DEN WELTRAUM VOR Ein Bericht über den Stand der internationalen Weltraumforschung. von Wolf Detlef Rohr.
›– von unserer Raumstation aus, 1700 km über der Erde, können wir die Rakete sehen, wie sie in steilem Flug in den Raum hinausjagt. Vor ein paar Stunden gelang es zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte, den Planeten zu entdecken, der, genau wie unsere Erde, Leben trägt. Die Rakete, die vor wenigen Minuten hier oben auf der Raumstation startete, wird diesen Planeten anfliegen…‹ In seiner Life-Sendung brachte der Sender München am 13. Februar 1956 diese Reportage von der ersten Raumstation über der Erde. Millionen Menschen, die zu dieser Zeit ihre Rundfunkempfänger einschalteten, lauschten atemlos diesem Bericht… Rosenmontag im Jahre 1976! Zwanzig Jahre später! Denken wir 20 Jahre zurück, denken wir an den 13. Februar 1936. Damals wäre eine Sendung wie diese noch als reine Utopie aufgefaßt worden; heute lassen sich Millionen Menschen bluffen, denn heute ist der Schritt in den Weltraum beinahe schon Wirklichkeit. Was bisher belächelte Utopie einer kleinen Gruppe scheinbar arbeitsloser Raketenspezialisten war, ist seit dem Augenblick, da im Weißen Haus von Washington mit dem Projekt MOUSE das Startzeichen zur Eroberung des Weltraumes gegeben wurde, ins Licht der Weltöffentlichkeit gerückt. Wir wollen uns mit dem Projekt MOUSE (Minimum Orbit Unmanned Satellite of the Earth = Unbemannter Kleinstsatellit der Erde) nicht eingehender beschäftigen. Jeder kennt dieses Projekt des künstlichen Erdmondes, der, bereits im Jahre 1957 von einer Dreistufenrakete in den Weltraum getragen, unsere
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Erde umkreisen wird; jeder kennt den ersten künstlichen Erdtrabanten aus den Meldungen der Tagespresse – dieses Projekt, mit dem die Weltraumfahrt Wirklichkeit geworden ist! Es gibt keinen Zweifel mehr, daß sich die phantastischen Utopien eines Jules Verne ›Von der Erde zum Mond‹ in unserem 20. Jahrhundert, dem Jahrhundert der Technik, realisieren werden, und daß wir Menschen dieses Jahrhunderts uns von unserem Planeten loslösen werden, um in den Raum hinauszugehen: Ein Wunschtraum der Menschheit, der Weg zu den Sternen, hat seine Erfüllung gefunden! Dieser Wunschtraum ist so alt wie die Menschheit selbst. Schon der erste Mensch, der das Feuer entdeckte und damit die Entwicklungsperiode des Homo sapiens einleitete, sah über sich die funkelnden Sterne, und sein erwachender Geist begann sich damit zu beschäftigen; die ersten Hochkulturen der Menschheit, Inka, Babylonier und Ägypter, verehrten in Sonne, Mond und Sternen ferne Gottheiten, während das hellenistische Griechenland und das alte Rom um die Jahrtausendwende bereits mit dem Gedanken spielten, ›wie man zum Mond gelangen könnte‹. In einem römischen Zukunftsroman (dem ersten überlieferten Zukunftsroman überhaupt!) heißt es etwa: ›… man fahre über das Meer immer nach Westen, um das Reich der Selenen (Anm.: den Mond) zu erreichen.‹ Aber es war noch ein weiter Weg bis zu den ersten Gesellschaften, der American Rocket Society (Amerikanische Raketen-Gesellschaft), der British Interplanetary Society (Britische Interplanetarische Gesellschaft) und – hier in Deutschland – der GfW (Gesellschaft für Weltraumforschung); es war noch ein weiter Weg zur Internationalen Astronautischen Föderation und zu den großen internationalen astronautischen Kongressen, deren letzter im Jahre 1955 in Kopenhagen stattfand; der Kongreß, auf dem zum ersten Mal auch die
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UdSSR mit den Professoren Sedow und Ogorodnikow vertreten war. Skeptiker, die bis jetzt glaubten, daß alle Berichte über den Start eines vorerst unbemannten Erdsatelliten und den Bau einer Raumstation über der Erde noch immer ferne Zukunftsmusik seien, wurden durch die Anwesenheit der Russen in Kopenhagen eines anderen belehrt: denn nicht nur die USA werden bis Ende des Jahres 1956, spätestens aber im Jahre 1957, den ersten künstlichen Erdtrabanten um die Erde schicken, auch die UdSSR wird noch in diesem Jahre ihre erste Raumstation unseren Planeten umkreisen lassen. Der Wettlauf der großen Nationen um die Eroberung des Weltalls hat begonnen: Das gewaltige Projekt einer bemannten, 1730 km über der Erde schwebenden Raumstation von Wernher von Braun (USA) und der ›Fünfjahresplan für Mondraketen‹ der UdSSR, nach dem die erste russische Weltraumrakete im Jahre 1960 die Erde verlassen haben soll, um den Mond anzufliegen – dieser Wettlauf läßt keinen Zweifel mehr daran, daß ein neues Zeitalter angebrochen ist: das Zeitalter der Raumfahrt. Die Entwicklung wird schneller vor sich gehen, als es selbst die optimistischsten Raketenspezialisten (wie z, B. Prof. Dr. H. Oberth und Wernher von Braun) annehmen konnten. Noch Anfang des vergangenen Jahres glaubte man, den Mond nicht früher als um die Jahrtausendwende erreichen zu können. Heute wissen wir, daß es früher sein wird, viel früher – daß wir alle, und nicht erst in 20 Jahren, die erste Reportage von einer Raumstation über der Erde mit abhören werden… Die amerikanischen Raketenversuche auf den Versuchsfeldern von Neumexiko gehen weiter. Aber in Wirklichkeit sind wir längst über das Experimentierstadium hinaus. Die technischen Pläne für den ersten Schritt in den Raum liegen vor. Was jetzt
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noch zu klären sein wird, ist die finanzielle Frage, denn das Projekt MOUSE wird allein etwa 10 Millionen Dollar (ca. 42 Millionen DM) verschlingen, und – die weit schwierigere Frage: Wie wird der menschliche Organismus auf einen Vorstoß in den schwerelosen Raum reagieren, und was kann das ›Material‹ aushalten? Der greise Professor Piccard erklärte kürzlich zum Problem des Weltraumfluges: »Nach eingehendem Studium bin ich zu der Überzeugung gekommen, daß ein interplanetarischer Verkehr sehr wahrscheinlich unmöglich sein wird. Ich weiß, daß ich damit viele wissenschaftliche Kollegen provoziere und daß dies auch nicht gern gehört wird, weil diese Feststellung ›einen alten Menschheitstraum‹ zerstört. Aber ich habe die physikalischen Kräfte der Stratosphäre eingehend studiert und muß sagen, daß mir die menschlichen, physikalischen und wissenschaftlichen Gesetze gegen die Kräfte des Kosmos wie Kinderspielzeug erscheinen. Ich fürchte, es wird eines Tages noch grausige Irrtümer geben.« Wir glauben nicht daran! Über die erste Eisenbahn, die im Jahre 1835 von Nürnberg nach Fürth fuhr, sagten anerkannte Wissenschaftler, daß beim Anblick dieses eisernen Ungetüms Menschen und Tiere ohnmächtig werden würden, und daß die ›ungeheuerliche‹ Geschwindigkeit von 12 km/Std. Menschen ›töten‹ könne.« Heute liegt die Höchstgeschwindigkeit der amerikanischen Fernschnellzüge bei 160 km/ Std. Das Material wird die kosmischen Kräfte aushalten. Die meisten Gefahren, die dem Menschen beim Weltraumflug drohen, können in raummedizinischen Laboratorien nachgeahmt und ausgeschaltet werden. Nur ein Phänomen der Raumfahrt ließ sich bis jetzt nur schwer rekonstruieren: der Zustand der Schwerelosigkeit. Wenn wir morgen, sagen wir in die amerikanischen Versuchsfelder von Neumexiko fliegen würden, um am Start
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eines Raumschiffes und einem Flug zum Mond teilzunehmen, würden wir im wahrsten Sinne des Wortes ›haarsträubende‹ Dinge erleben. Wir wollen an dieser Stelle nicht vom Beschleunigungsschock reden, dem Andruck, der jedes Mal dann eintritt, wenn der Raketensatz gezündet werden muß und die Schiffsbesatzung mit mehrfachem Schwerkraftdruck in ihre Polster gepreßt wird – Versuche mit der ›Menschenzentrifuge‹ in Johnsville haben gezeigt, daß Versuchspersonen ohne Schwierigkeit sogar einen Druck von 17 g aushalten können, wenn sie sich nur in der richtigen Lage befinden.
Aber in dem Augenblick, wo sich unser Raumschiff aus dem Schwerefeld der Erde lösen würde, würden wir einen gespenstischen Tanz aller Gegenstände erleben, die nicht mit dem Schiff fest verankert sind: Stühle und Tische würden ziellos in der Luft schweben, Gegenstände würden sich geisterhaft von ihren Plätzen erheben und im schwerelosen Raum treiben; wir könnten in der ›Luft‹ hängen und eine Zeitung lesen, die wir nicht mit unseren Händen zu halten brauchten. Unsere Haare würden zu Berge stehen, und eine Tasse Kaffee, die wir in die Luft werfen würden, bliebe dort hängen; die Flüssigkeit würde sich in kleinen Flüssigkeitskügelchen ballen, um schwerelos durch die Kabinen zu treiben. Dr. Heinz Haber, der deutsch-amerikanische Spezialist in Fragen der Raummedizin, konnte jedoch in komplizierten Versuchen nachweisen, daß der Mensch allen psychischen und physischen Belastungen der Schwerelosigkeit jederzeit ausgesetzt werden kann, ohne nennenswerten Schaden erleiden zu müssen. Das ist schon sehr viel! Erst die Praxis wird zeigen, inwieweit die Schwerelosigkeit ganz überwunden werden kann.
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Die Sterne sind uns näher gerückt. Morgen werden wir mit den ersten künstlichen Erdsatelliten in den Raum vorstoßen. Und schon übermorgen wird der Flug zu den Planeten unternommen werden können. Denn der Weg zu den Sternen ist viel kürzer als wir fürchten! (bpa)
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VORSTOSS INS NICHTS von Wallace West Professor Ken Scott krallte seine Finger erregt in den Rockärmel seines Freundes und rief: »Da kommt sie zurück!« Dr. Erasmus Thompson nickte beruhigend, löste sich vom Griff des Professors und angelte geschickt nach dem Mixbecher. Er füllte sich ein Glas mit dem scharfen Getränk, erhob es gegen das seltsame Gerät, das sich inmitten des Laboratoriums scheinbar aus dem Nichts heraus materialisierte, und antwortete: »Sie ist schon da! Trinken wir auf unsere Erfindung der Zeitmaschine, solange wir noch Zeit haben. Verrückter Widerspruch!« Der Professor nahm das angebotene Glas und trank. Dann öffneten sich voller Erstaunen seine Augen und sahen erschreckt zu der jetzt vollkommen zurückgekehrten Maschine hinüber. Metall und Plastik hatten die Farbe verändert, wurden allmählich matter und schließlich ganz weiß, als seien sie von Rauhreif bedeckt. Die Temperatur in dem Raum sank rapide. »Zum Teufel! Was soll das –?« begann er, aber Thompson zog ihn schon mit sich aus dem Laboratorium heraus. Doch er warf
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von der Tür aus noch einen Blick zurück, sträubte sich gegen die Bevormundung durch seinen Freund. Die Zeitmaschine war über und über mit einer dicken Eisschicht bedeckt. Nebel wallten auf und zogen in die fernsten Ecken des Raumes. Thompson schloß die Tür. »Das Ding muß eine Temperatur von mindestens minus 250 Grad Celsius gehabt haben. Fast absoluter Nullpunkt. Es sog innerhalb von Sekunden alle Wärme in sich auf, deren es habhaft werden konnte. Kein Mensch wird jemals mit solch einer Todesfalle in die Zeit reisen können.« Der Physiker und Erbauer der Zeitmaschine schüttelte heftig den Kopf. »Es liegt nicht an meiner Maschine«, sagte er und lehnte sich gegen einen Baum. Über ihm hingen kalt die ewigen Sterne im Nachthimmel. »Es liegt an der Zeit, Erasmus! Es gibt einfach keine Zukunft! Die Maschine ging ein Jahr in die Zukunft und was fand sie? Nichts! Nichts als kalten, leeren Raum! Weißt du, was das bedeutet?« »Keine Zukunft? Das würde erklären, warum bisher noch niemals jemand aus der Zukunft mit einer Zeitmaschine zu uns kam.« Der Astronom Dr. Erasmus Thompson strich sich mit einer fahrigen Gebärde durch die ergrauten Haare. »Keine Zukunft für die Erde? Ich kann es nicht glauben!« »Du wirst es glauben müssen! Du hast selbst die Konstruktionspläne der Maschine überprüft. Du sahst sie selbst zurückkehren.« »Unsinn! Du fällst nur einfach auf die naheliegendste Erklärung herein, ohne überhaupt das geringste Vertrauen zu der Menschheit zu beweisen. Warum sollte es in einem Jahr keine Menschheit, keine Erde mehr geben? Seit der Mensch von den Bäumen kletterte, hat er mehr als nur einmal schwierigeren Situationen gegenübergestanden als heute. Und noch immer
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existiert die Zivilisation! Nein, für das Eis auf der Maschine muß es eine andere Erklärung geben, mein Lieber!« »Und wenn es keine gibt«, erklärte der Physiker, »müssen wir eben eine erfinden!« Langsam schritten sie vor dem Laboratoriumsgebäude auf und ab. »Wie ist das übrigens«, fragte der Astronom schließlich, »deine Maschine beruht auf dem Prinzip, die endliche Krümmung des Raumes auszunutzen. Schön und gut. Aber wer sagt dir denn, daß sie sich nicht nur durch die Zeit, sondern auch durch den Raum bewegt. Eine Zeitmaschine ist keine Weltraumrakete.« Professor Scott sah ihn zerstreut an. »Wie meinst du das?« Erasmus blieb stehen. »Da wir beliebig einen Faktor der Gleichung E = mc2 ersetzen können, da Zeit und Raum praktisch lediglich Ausdrücke ein und derselben Sache sind, dürften wir einfach statt ›m‹ das Zeichen ›z‹ setzen. Nun, was würde geschehen?« Die Augen des Physikers begannen zu leuchten, die Farbe kehrte in seine Wangen zurück. »Wie kann ein Mensch nur so schwer von Begriff sein! Natürlich, Ras! Das ist es! Ein Gegenstand, der durch die Zeit reist, kann an sich, räumlich gesehen, unbeweglich bleiben.« »Jawohl! Genauso wie Absalom mit den Haaren im Baume hängenblieb, während sein Pferd weiterlief. Es war sein Unglück.« »Die Zeitmaschine materialisierte sich ein Jahr in der Zukunft – das geschah an einem Ort, wo die Erde ein Jahr zurück gestanden hatte. Dort aber war nur – leerer Raum. Nichts!« »Und als sie zu uns zurückkam, brachte sie die Kälte des Weltraums mit. Ganz klarer Fall, Ken!«
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»Ja, ganz klarer Fall! Und somit wissen wir, daß Zeitreise genauso ein Traum bleiben wird, wie der interstellare Raumflug.« »Wer sagt das? Ich habe vielmehr das Gefühl, daß wir die Lösung zu letzterem dort im Laboratorium stehen haben. Weißt du nämlich was? Das perfekte Raumschiff!« »Was –?« Ken Scott schien davon überzeugt zu sein, daß sein Freund verrückt geworden war. »Gehen wir ins Lab. Ich habe noch einen anständigen Drink im Mixbecher.« Der Astronom folgte ihm lächelnd. »Was du denkst, ist nicht der Fall. Sieh mal: wir haben jetzt das Jahr 1995 und haben alle unsere Planeten bis hinaus zum Pluto erreicht. Und damit haben wir auch die Grenze erreicht. Warum, Ken?« »Es gibt eine Menge Gründe. Kein Mensch hat Interesse daran, zwanzig Jahre seines Lebens für eine Reise nach Alpha Centauri und zurück zu verlieren. Und selbst, wenn jemand dazu bereit wäre, so gäbe es nicht genug Atomkraftstoff, um eine solche Reise mit ständiger Beschleunigung bis zur Hälfte der Strecke zu bewältigen. Und schließlich haben wir einfach nicht die Wissenschaftler, die ein richtiges Sternschiff bauen könnten.« »Stimmt! Das sind die Hauptgründe. Nun eine andere Frage: Wieviel Geld hast du benötigt, um deine Zeitmaschine zu bauen?« Ken öffnete vorsichtig die Tür zum Laboratorium und eine eisige Wolke strömte an ihm vorbei ins Freie. Der Raum war sehr kalt. Ken schaltete die Heizung auf volle Kraft. »Viel Geld, mein lieber Ras.« »Und die Energiequelle?« »Die neuen Speicherbatterien. Aber wozu die Fragerei? Welchen Zweck hätte es denn, eine Reise ins Nichts zu machen?« Erasmus dehnte die Worte seiner Antwort.
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»Ins Nichts? Warum denn nicht – nach Etwas?« Professor Ken Scott trank in durstigen Zügen und wartete. »Ich habe mir gerade heute noch einmal die alten Aufzeichnungen von Dr. C. D. Shane angesehen, die er damals im Jahre 1947 gemacht hat. Es handelt sich um die Drehung der Milchstraße, deren Geschwindigkeit er bestimmen wollte. Im Laufe der nachfolgenden Jahre wurden diese Berechnungen trotz Weltkrieg III und Marsinvasion vervollkommnet und heute haben wir das genaue Ergebnis. Die Milchstraße rotiert in Uhrzeigerrichtung – vom Nordpol aus gesehen – mit einer Geschwindigkeit von 211,6758 Meilen in der Sekunde, also mehr als 300 Kilometer. Auch die Drehbewegung der nächsten Sternsysteme wurde genauestens bestimmt.« »Kommt mir so vor, als wolle man die Geschwindigkeit eines neben sich herfahrenden Schiffes messen.« »Shane nahm außerordentlich weit entfernte Sternnebel als Berechnungs- und Anhaltspunkte. Diese Nebel haben selbst seit 1947 ihre scheinbare Stellung zu uns kaum verändert, obwohl das All sich – wie wir heute wissen – mit einer Geschwindigkeit von fast 40.000 Kilometer ausdehnt. »So, so!« machte Ken und ging auf die Maschine zu, versuchte, die Tür zu öffnen. Erschrocken zuckte seine Hand zurück, als sie mit der unvorstellbaren Kälte in Berührung kam. »So, so! Ich glaube, jetzt habe ich dich begriffen. Wir nehmen uns einfach die Berechnungen dieses Shane und stellen fest, vor wieviel Jahren ein anderer Stern genau an der Stelle war, an der sich heute die Erde befindet. Oder doch wenigstens in ziemlicher Nähe. Fein, wir bauen einfach eine vergrößerte Ausgabe meiner Zeitmaschine um eine gutausgerüstete Kabine mit regelrechten Raumschiffkontrollen. Dann gehen wir vor oder zurück in der Zeit. Der eingebaute Antrieb bringt uns in Kürze zu einem eventuell vorhandenen Planeten. Lichtjahre
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werden in Sekunden durchmessen. Du hast recht, Ras! Das ist die Lösung!« »Ganz so einfach ist es nicht, aber die Idee stimmt schon. Was wird die Sache kosten?« »Viel zuviel Geld, Ras. Soviel haben wir nicht. Wir werden die Sache der Regierung verkaufen müssen.« »Gibt es keinen anderen Ausweg?« Ken legte den Finger an die Nase und überlegte. »Ich kenne da ein hohes Tier, Schultz oder so ähnlich. Vielleicht kann der uns helfen. Inzwischen hast du dann Zeit, den Kurs auszurechnen.« Er grinste etwas bei seinen Worten, als glaube er selbst noch nicht recht an die Verwirklichung der gewagten Pläne. Erasmus nickte. »Wird gut zwei Wochen dauern, wenn nicht noch mehr. Stelle dir vor: wir stellen die Maschine auf – sagen wir mal – hundert Jahre ein. In der Zeit hat die Erde etwa 13 Lichtjahre zurückgelegt, wenn wir ihre Bewegung von 40.000 Kilometer pro Sekunde berücksichtigen. Oh – mir brummt der Schädel.« »Wir werden gleich mit den Vorbereitungen beginnen!« Der Astronom schaute nachdenklich auf die Zeitmaschine. »Einen Haken muß die Sache jedoch haben: Wenn interstellarer Raumflug so einfach ist, warum erhielten wir bis heute noch keinen Besuch von den Wesen, die Alpha Centauri oder Sirius bevölkern?« Das ›hohe Tier‹, an das Professor Scott sich wandte, lehnte jede Verhandlung ab, nachdem ihm erklärt worden war, um was es sich handele. In seinen Augen war Scott ein unheilbarer Trinker und dazu noch ein Phantast. Von dieser Seite aus war also keine Hilfe zu erwarten. Was sollen wir tun?« klagte er Erasmus sein Leid. »Ich weiß nicht, woher wir die druckfeste Kammer bekommen wollen.
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Wenn wir wenigstens ein altes U-Boot auftreiben könnten. Damit ließe sich schon etwas – «
Ein Roboter steuert das erste Raumschiff in den Weltraum. Aus dem Film ›Tobor the Great‹ Foto: Republic Pictures
» »Ein altes U-Boot! Das ist es! Erinnerst du dich an das Tauchgerät von Professor Jordan, mit dem er den Meeresgrund absuchte, um die Möglichkeit der Anlage von Unterwassergärten zu überprüfen? Das Ding liegt irgendwo in
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einer Lagerhalle und verrostet – falls es überhaupt rosten kann. Warum sollen wir nicht – « »Ja, warum sollen wir nicht?« entgegnete der Professor und schritt auf die Tür zu. * Keine zwei Monate später krochen die beiden Männer in den engen Raum der ehemaligen Taucherkugel und setzten sich auf die beiden einfachen Stühle. »Nur ein kleines bißchen in die Zukunft, ein paar Stunden. Oder Tage. Damit wir einige sehr eindrucksvolle Aufnahmen machen können.« Erasmus strich über die Kameraeinrichtung. »Dann los! Für einige Sekunden wird die Isolierung ja die Kälte des Raumes abhalten. Und lange brauchen wir ja nicht draußen zu bleiben.« Ken nickte und stellte an einem Instrument. Dann legte er einen Hebel um. Ohne die geringste Erschütterung oder den geringsten Zeitverlust zu bemerken, schwebten sie plötzlich im Weltraum. Durch die Sichtluke erkannten sie die ferne Sonne und die sie umgebenden Planeten. Der Astronom machte die Aufnahmen, während Ken eine steigende Unruhe in sich verspürte. Erst wollte er wieder im Laboratorium sein, ehe er befreit aufatmen wollte. Die Sache ging zu glatt. »Bist du fertig?« fragte er ungeduldig. »Sofort!« kam die Antwort. Ein letztes Klicken eines Kameraverschlusses. Dann: »Fertig!« Ken verlor keine Sekunde. Der Hebel wurde zurückgeschoben – und sie befanden sich wieder in ihrem Laboratorium. Sie sahen sich an.
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»Du hattest recht, Ras!« sagte der Professor. »Jetzt wissen wir, warum Raum und Zeit das gleiche sind. Wollen wir es noch einmal versuchen? Wir haben noch Zeit bis zum Abendessen.« Erasmus zuckte die Schultern. »Warum nicht? Diesmal vielleicht zwei Jahre. Mit unseren Bildern werden wir die Regierung verrückt machen!« »Gut. Diesmal versuchen wir die Vergangenheit. Zwei Jahre.« Er stellte ein und schob den Hebel herab. Eine sofortige, glühende Hitze, die zu ihnen hereinströmte, ließ ihn instinktiv den Hebel wieder zurückschieben. Sie befanden sich wieder im Laboratorium. »Was war denn das?« keuchte Erasmus erregt, während Scott die Luke öffnete, um frische Luft hereinzulassen. »Wir sind fast in eine Sonne gestürzt. Das ist unmöglich, denn die zwei Jahre bedeuten praktisch nur eine zurückgelegte Entfernung von etwa einem viertel Lichtjahr. Und so nahe befindet sich kein Stern von der Erde entfernt. Du hast einen Fehler bei der Einstellung gemacht, Ken!« »Nein!« behauptete der Professor, während er sich schnell ein Glas Brandy einschenkte und den kühlen Trank in sich hineinschüttete. »Ich machte keinen Fehler.« »Du mußt aber einen gemacht haben!« sagte Erasmus Thompson hartnäckig und griff nach der Flasche. »Du mußt!« »Dann werde ich dir beweisen, daß ich keinen machte. Wir werden sofort einen anderen Versuch machen.« Er nahm einen erneuten Schluck. »Sofort! Ich habe keine Angst!« »Meinst du vielleicht, ich hätte Angst?« wunderte sich der Astronom. »Niemals!« Der Alkohol hatte den gesunden Menschenverstand besiegt. Sie stiegen wieder in die enge Kabine und schlossen die hermetische Luke.
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»So – und jetzt geht’s eintausend Jahre in die Zukunft!« sagte Ken mit schwerer Zunge. »Oder hast du immer noch Sorge, es könnte schiefgehen?« »Los geht’s!« antwortete der Astronom und winkte mit der Flasche. Ken stellte die Instrumente mit besonderer Sorgfalt ein und schob dann den Hebel vor. »Jetzt klappte es besser«, bemerkte der aus dem Fenster schauende Erasmus befriedigt. »Allerdings ist überhaupt kein Stern zu sehen. Wo sind wir denn? Im Magen einer Kuh?« * Ken Scott runzelte die Stirn und riß sich von dem trostlosen Anblick der vollkommenen Leere los, beschäftigte sich mit der Instrumententafel. »Das verstehe ich nicht«, murmelte er. »Den Berechnungen nach müßten wir uns an einem Punkte befinden, der 132 Lichtjahre von der Sonne entfernt ist. In gleicher Entfernung vom Mittelpunkt der Milchstraße. Aber – da ist ja gar keine Milchstraße in Sicht!« »Laß’ mich mal nachrechnen«, bot Erasmus sich an. Er nahm die Papiere und vertiefte sich darein. Dann hob er den Kopf. »Ich kann keinen Fehler finden. Alles einkalkuliert: Bewegung der Sonne, Drehung der Milchstraße, Ausdehnungsbewegung des Weltalls! Begreife ich nicht! Aber wir haben morgen noch Zeit, darüber nachzudenken. Jetzt erst mal wieder zurück. Es wird schon kalt hier drinnen.« »Du und deine unfehlbaren Sternberechnungen!« gab Ken seinem Gefährten die Schuld und legte den Hebel auf »Gegenwart«. Nichts geschah. Draußen blieb es dunkel.
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Ken erhob sich und machte Anstalten, die Luke wieder zu öffnen. »Da muß irgendwo im Lab die Sicherung durchgebrannt sein«, vermutete er. »Wie mag das geschehen sein?« »Lasse die Luke zu!« schrie Erasmus entsetzt. »Draußen ist nicht unser Laboratorium! Draußen ist – nichts!« Ken wich vor der Luke zurück. Er war bleich. »Nichts? Du siehst Gespenster!« Der Astronom sackte wieder in seinen Stuhl zurück. »Ich sehe keine Gespenster, Kon! Wir haben etwas bei unseren Berechnungen vergessen – jetzt fällt es mir ein. Nicht nur der Raum, sondern auch die Zeit muß – gekrümmt sein!« »Die Zeit gekrümmt? Na – und?« »Die Sterne liegen auf einer glatten Decke – so sagte einmal Einstein, als er die Krümmung von Zeit und Raum erklären wollte. Sie haben ein Gewicht – und drücken die Decke ein. Das ist die Krümmung.« »Du bist betrunken, Ras! Was hat denn die Decke mit unseren Experimenten zu tun?« »Alles! Vorhin stürzten wir bald in eine Sonne, in die uns eine unbekannte Macht geworfen hatte. Aber dort gab es noch etwas, von dem wir uns ›abstoßen‹ konnten, wenn ich mal das Wort gebrauchen darf. Aber hier draußen – da gibt es nichts mehr.« »Wieso nicht? Nun rede doch schon!« »Die tausend Jahre waren nur eine Illusion, Ken! Alle Bewegung ist relativ. Der Mond um die Erde, die Erde um die Sonne, die Sonne um die Galaxis, und die Galaxis um sich selbst. So dachten wir. Warum dreht sich die Milchstraße nicht um das Universum, und das Universum um – noch etwas Größeres, das wir nicht kennen?« »Weiße Mäuse?« fragte Ken zweifelnd. »Keine weißen Mäuse, lieber Ken. Ich bin nicht wahnsinnig geworden – noch nicht. Aber denke mal: Die einzelnen
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Bewegungen werden immer schneller. Und warum soll das Universum, wenn es sich auch bewegt, nicht mit mehrfacher Lichtgeschwindigkeit um einen uns unbekannten Punkt kreisen? Siehst du nun, was ich meine? Siehst du nun, warum um uns das absolute Nichts ist?« Ken war weiß wie Schnee und zitterte. »Warum?« fragte er. »Während wir für tausend Jahre an einem Platz im Universum hängen blieben – relativ gesehen – raste die Milchstraße an uns vorbei zurück. Zurück, verstehst du? Und hier gibt es keine Krümmung mehr, die uns zurückhelfen könnte. Wir müssen warten, bis uns das Universum wieder eingeholt hat! Er schlug die Hände vor das Gesicht und begann zu schluchzen. Ken versuchte noch einige Male, den Hebel auf ›Gegenwart‹ zu stellen. Aber draußen vor der Sichtluke blieb es dunkel. Innen beschlug sich das Quarzglas allmählich mit einer dünnen Eisschicht. Er schaltete die Heizung ein. Dann griff er zu der Flasche, löste den Korken. »Komm, Erasmus! Laß das sein! Es hat keinen Sinn. Wir haben nun Grund genug, einen anständigen Schluck zu trinken. Vielleicht sogar auch zwei. Wir haben ja Zeit. Sogar Zeit, einen kleinen Zettel zu schreiben, damit man später den gleichen Fehler nicht wiederholt – falls man uns in einigen tausend Jahren findet. Wir haben ja noch soviel Zeit, Erasmus, bis uns die Milchstraße, bis uns die Welt eingeholt hat. Wir haben alle Zeit des Universums zur Verfügung!« Aus dem Amerikanischen von Walter Ernsting.
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DAS ENDE DER LANGEN REISE von Walter Kubilius
Burnett empfand den furchtbaren Schmerz in seiner Brust. Wie lange dieser schon wütete, hätte er nicht zu sagen vermocht, denn das Bewußtsein war eben erst zurückgekehrt. Luft!
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Er atmete hastig und in tiefen Zügen, aber das Stechen war fast unerträglich. Wasser! »Sieh mal! Er bewegt sich tatsächlich!« Die Stimme schien aus weiter Ferne zu kommen. Burnett versuchte sich aufzurichten Seine Arme stützte er auf seine Liegestatt, kam hoch – und entsann sich, wo er war. Die Injektion! Ko-Tan hatte ihm die Injektion gegeben, die einen künstlichen Winterschlaf hervorrufen sollte. Dieser Narr! Natürlich hatte das Experiment nicht geklappt, und nun war er – genau wie alle anderen in dem Raumschiff – zum Tode verurteilt. Denn wer würde schon für einige hundert Jahre am Leben bleiben? Er lag in einem Bassin, das bis obenhin mit einer Flüssigkeit angefüllt war. Die Lösung, welche die Injektion unterstützen sollte. Sein Kopf war über der Flüssigkeitsoberfläche. Er atmete erregt. »Schnell! Bringt mir rasch die Handtücher!« sagte eine Stimme in seiner Nähe. Burnett hörte sich entfernende Schritte, die kurz darauf zurückkamen. »Hier sind sie.« Starke Arme halfen ihm aus der Flüssigkeit und führten ihn zu einer Couch. Er hatte die Augen immer noch geschlossen, konnte sie nicht öffnen. Aufatmend legte er sich zurück und fühlte die wohltuende Wirkung der nun folgenden Massage. Dann wurde er abgetrocknet. »Ah – das tut gut, Ko-Tan«, sagte er langsam. Doch dann entsann er sich plötzlich, daß ja zwei Personen im Raum sein mußten…Du Idiot! Hattest du mir nicht versprochen, das Experiment geheimzuhalten?« Behutsame Finger strichen über seinen Körper und massierten zart die Augenlider. Ganz allmählich konnte er sie öffnen, und er versuchte, sich an das Licht zu gewöhnen. Also war das
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Experiment mißlungen! Er konnte nichts anderes tun, als das Unvermeidliche ruhig abzuwarten. Anscheinend erriet man seine Gedanken, denn die Person, die ihm am nächsten saß, sagte: »Bereiten Sie sich auf einen gehörigen Schreck vor!« Burnett versuchte, den Mann anzusehen. Aber die Züge verschwammen vor seinen Augen. Es war nicht viel zu erkennen. »Ich bin nicht Ko-Tan!« fuhr die unbekannte Stimme fort. Burnett strengte seine Augen noch mehr an. »Wo ist er denn?« fragte er. Nun konnte er das Gesicht des Fremden deutlicher erkennen. Es hatte eine ungewöhnlich blasse Farbe, und der Kopf selbst war kahl und groß. »Mein Name ist Milavo«, sprach der Fremde mit beruhigender Stimme. »Und dies hier ist mein Weib Lita.« Er nickte zu der ebenfalls blassen Frau hin, die an seiner Seite saß. Diese verbeugte sich leicht und sagte: »Ich grüße Sie, edler Vorfahr!« Burnett wandte sich erschrocken an Milavo. »Wie – wie lange –?« »Das Experiment jenes Ko-Tan gelang, die Lösung befand sich stets im besten Zustand. Somit ergab sich nicht die Notwendigkeit, Sie vor der gewünschten Zeit zu wecken. Wir haben genau die Anordnung, die in jenem Brief aufgezeichnet war, befolgt.« »Wie lange?« wiederholte Burnett, und Angst kroch in ihm hoch. Milavo zögerte eine Sekunde, ehe er sagte: »Fünftausend Jahre!« »Lügner!« schrie Burnett wütend. »In fünftausend Jahren hätte sich die Sprache verändert! In einer solchen Zeitspanne hätte sich das Äußere des Menschen verändert – «
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Er schwieg. Deutlich konnte er nun sehen, daß sich Milavo und Lita tatsächlich von dem Menschen unterschieden, den er kannte. Sie hatten die Hautfarbe eines Albinos, lange und schmale Finger und außerordentlich hochgebaute Köpfe. »Wir haben Ihre Sprache von Tonbändern erlernt. Unsere eigene Sprache hat sich allerdings völlig verändert. Und wir selbst? Nun, Sie können ja selbst feststellen, daß wir anders aussehen als Sie.« Burnett versuchte, sich vorsichtig zu erheben. Es gelang wider Erwarten. Mit noch schwankenden Schritten ging er zu der nahen Luke hinüber, schaute hinaus in die ihm so wohlbekannte Leere des Weltraums. In verhältnismäßig geringer Entfernung stand der glühende Ball einer großen Sonne. Unter ihnen war die gewölbte Fläche eines Planeten. Seine Farbe war braunblau mit vereinzelten Wolkenfetzen. Ein seltsames Gefühl ergriff Besitz von Burnett. »Die Erde!« sagte er wehmütig. Milavo schüttelte den Kopf. »Nein! Der zweite Planet von Proxima Centauri.« Burnett entsann sich. »Ach so, ja! Jetzt weiß ich es wieder.« Seine geübten Augen suchten so lange durch die verwirrende Fülle der hell leuchtenden Sterne, bis er die bekannte, allerdings nur theoretisch berechnete, Konstellation fand. Die Sonne! Da stand sie inmitten der anderen Sterne: ein blitzender, heller Punkt. »Die Erde? Der Mars? Die anderen Planeten – was ist damit?« »Sie verbrannten im Höllenfeuer der Nova. Die Sonne verwandelte sich in eine solche, kurz nachdem man Sie in die Lösung legte.« »Vorher!« »Wie meinen Sie das?«
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»Sie wurde eine Nova, bevor man das Experiment machte. Ich habe noch gesehen, wie sie eine Nova wurde. Es war gräßlich!« Jetzt entsann er sich und schauderte noch einmal zusammen, wenn er daran dachte. Er befand sich an Bord des Raumschiffes VICTORY, jenseits der Bahn des Pluto, als die Sonne sich plötzlich in einen ständig wachsenden Feuerball verwandelte. Die herausgeschleuderten Gammastrahlen – vermischt mit Ionen, kosmischen und ultravioletten Strahlen – erreichten fast die Geschwindigkeit des Lichtes und rasten in alle Richtungen des Sonnensystems. Kein Mensch überlebte diese erste Welle. Nur die schwer beschädigte VICTORY entkam der Katastrophe. Sie enthielt den letzten Rest einer untergegangenen Menschheit. Zwanzig Jahre lang umkreiste sie das System, in der vagen Hoffnung, noch ein anderes Raumschiff wäre der Vernichtung entgangen – aber vergeblich. Mit Grauen mußten sich Burnett und die anderen Männer und Frauen der Schiffsbesatzung damit abfinden, daß sie tatsächlich die letzten Menschen waren. Es war ihnen nichts anderes übriggeblieben, als die Spitze der VICTORY nach Proxima Centauri zu richten, dem nächsten Stern. Hinter ihnen zurück blieb der gigantische Friedhof Sonnensystem. Burnett wandte sich an Milavo. »Wir haben die Zeit geschätzt, die wir benötigen würden, Proxima Centauri zu erreichen und erhielten die Zahl vierhundert. Wie kommt es, daß Sie fünftausend Jahre angeben?« Lita beugte sich ein wenig vor und zeigte dabei auf einige Bücher, die neben der Couch auf einem Stuhl lagen. »Wir haben die Geschichte dieses Fluges aufgezeichnet. Wenn Sie in diesen Büchern lesen, werden Sie manches verstehen lernen.« Burnett versuchte ein Lächeln. »Vielen Dank.«
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Milavo erhob sich. »Wir müssen Sie nun für eine Weile verlassen. Die Landungsvorbereitungen nehmen die Kräfte jedes einzelnen in Anspruch. »Ah – das Ende der langen Reise?« vermutete Burnett, erhielt aber keine Antwort. Er dachte noch eine Weile hinter ihnen her, als sie gegangen waren. Dann öffnete er das erste Buch. * Die Jahre waren vergangen. Die Menschen, die damals das Sonnensystem verlassen hatten, waren schon lange tot. Ihre Kinder hatten ihre Plätze eingenommen. Die Sonne war ein riesiger Gasball geworden, dessen Ausdehnung bis zur Bahn des Mars reichte. Und in seiner Lösung schwamm Burnett, lebte für immer. Er war der einzige gewesen, der ohne Frau und Kind war. KoTan hatte ihn erwählt, damit ein einziger Zeuge der Katastrophe lebend vierhundert Jahre später Proxima Centauri erreichen sollte. Einhundert Jahre vergingen, dann zweihundert. Die menschliche Kultur lebte in dem Schiff weiter. Wenn auch die einzelnen Menschen starben, so lebte die Rasse an sich doch fort. Dies war die lange Reise zu einer neuen Heimat. Obwohl in den vergangenen letzten siebzig Jahren kein Meteorschwarm mehr die VICTORY belästigt hatte, vernachlässigte man nicht die Wachpflicht. Immer war man auf der Hut vor vielleicht noch unbekannten Gefahren. In einer solchen Nacht – nachts wurden die Lichter gelöscht, um dieser Einteilung einen Sinn zu geben – stand Lisabeth zusammen mit Jon auf Wache. Die Skalen der Instrumententafel leuchteten gedämpft.
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»Wie still es doch ist«, sagte sie. »Fast kann ich die Schläge meines Herzens hören und zählen.« Er nickte nur. Um sie herum war Dunkelheit. Durch die gewölbte Sichtscheibe hindurch blickten sie in das Weltall mit seinen Tausenden von funkelnden Sternen. »Irgendwo da draußen ist Centauri«, fuhr sie träumerisch fort. »Der Stern, den wir niemals erreichen werden.« »Aber unsere Nachkommen werden ihn erreichen!« sagte Jon. Lisabeth errötete, und er griff nach ihrer Hand. »Versprich mir, daß du bei der nächsten Beratung zustimmst, meine Frau zu werden!« Sie wandte sich scheu ab, und er nahm sie in seine Arme. Für einen Augenblick vergaßen sie ihre Pflichten, und so bemerkten sie auch nicht das unruhige Flackern einer kleinen Warnlampe. »Ich werde – «, begann sie, aber niemals beendete sie den Satz. Das feine ›Pit-Pat‹ aufschlagender Meteore unterbrach jäh ihre Geistesabwesenheit. Er riß sich aus ihren Armen, erblickte das rote Licht und rief laut: »Los! Gib Alarm!« Sie drückte auf den Knopf, und die Glocken schrillten durch das Schiff. Aus den Kabinen kamen verschlafene Männer und Frauen, die Raumanzüge zum Anziehen bereit. Ohne jede Panik begaben sie sich auf ihre Plätze, versiegelten die Schottentüren und warteten. Sie hatten Zeit und Luft, jeden geringeren Schaden sofort zu beheben. Die Meteore mußten nur sehr klein sein, denn sie richteten kein Unheil an. Doch unsicher schauten Lisabeth und Jon sich an. Wenn etwas geschähe, so wäre es nur durch ihre Schuld. Sie hatten die Raumhelme geschlossen, wie es die Vorschrift war. Der Metallfußboden unter ihnen schien sich heben zu wollen. Ein gewaltiger Stoß erschütterte das Schiff. Jon schwankte und fiel gegen das Mädchen. In der Wand des Kontrollraumes war plötzlich ein gezacktes Loch, durch das die Sterne sichtbar
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wurden. An der gegenüberliegenden Seite das gleiche. Zischend fuhr die Luft in das Vakuum hinaus. Irgend etwas warf ihn um, ließ ihn gegen einen großen Hebel stolpern. Der wahnsinnige Schmerz raubte ihm die Besinnung. Als er wieder zu sich kam, sah er die reglosen Gestalten seiner Gefährten, deren Raumanzüge von Meteoren durchlöchert waren. In allen Stellungen lagen sie umher, und Jon sah auf den ersten Blick, daß hier jede Hilfe zu spät kommen würde. Die Instrumententafel war völlig zerstört. Ebenso die Bücherei des Schiffes. Langsam bückte er sich, nahm den Atomschweißer aus den starren Händen eines Mannes und begann, die Lecke zu dichten. Nur noch wenige Meteore prallten auf die Außenhülle. Die größte Gefahr schien überwunden. Lange arbeitete er so, bis alle Löcher gedichtet waren. Dann kehrte er in den Kontrollraum zurück, um auch das letzte Leck noch zu reparieren. Er sah die gefrorenen Züge von Lisabeth, deren Mund immer noch zu sagen schien: »Ich werde – « Sie würde es nun nie tun können. Doch in letzter Sekunde fand noch ein winziger Meteor seinen Weg durch das gezackte Loch, riß den Raumanzug ein. Jon fühlte die eisige Kälte, die ihn plötzlich umgab. Als er zu Boden sank, wußte er, daß die VICTORY gerettet war. Sie würde Proxima Centauri erreichen, denn es gab noch genug Überlebende. * Zweitausend Jahre nach der Nova hatte sich die Struktur der Gesellschaft grundlegend verändert. Ihr Gott war die Maschine. Jene Maschine, die Lebensmittel und Luft, Wasser und Konzentrate erzeugte. Die Priester aber waren nichts anderes als gewöhnliche Ingenieure, denen die Betreuung dieser Maschine
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anvertraut war. Sie hatten im Lauf der Generationen aus ihrer lebenswichtigen Arbeit eine Art Religion gemacht, ließen die Menschen spüren, daß sie die Macht in ihren Händen hielten. Doch auch diese Periode ging vorüber. Nur der ›heilige Burnett‹ schlief unverändert und ungestört in seiner geheimnisvollen Lösung. Ein lebender Toter, ein lebender Gott. * Viertausend Jahre nach der Nova. »Vater – was ist draußen?« »Draußen? Wie meinst du das, mein Sohn?« »Nun, die Dunkelheit? Die vielen leuchtenden Punkte?« »Nichts! Das ist das Nichts! Und die Punkte sind Sterne.« Für einen Augenblick war der Junge befriedigt, dann aber kam die nächste Frage: »Vater, wer hat das alles gemacht?« Etwas verwirrt fand der Vater nicht die rechte Antwort. Für einen Augenblick war der Junge befriedigt, dann aber kam die nächste Frage: »Vater, wer hat das alles gemacht?« Etwas verwirrt fand der Vater nicht die rechte Antwort. »Wie – eh – wie meinst du das? Es war schon immer da!« »McLain sagte, wir hätten alles gemacht. Er sagt, dies wäre nicht unsere richtige Heimat, sondern wir blieben nur solange hier, bis wir eine neue Heimat finden würden.« »Dann frage mal McLain, warum das so ist! Frage ihn, ob er nicht mit unserer jetzigen Heimat zufrieden ist.« Der Junge schien enttäuscht. Keiner interessierte sich wirklich dafür, daß man die neue Heimat fand. Nur McLain. Der verstand seine heimliche Sehnsucht, denn er fühlte sie selbst. Aber er konnte ihm nicht helfen. Also gab er ihm ein altes, zerlesenes Buch, das die Meteorenkatastrophe von damals
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›Eroberung des Weltalls‹ Landung auf dem Mars Foto: Paramount
überstanden hatte. Es war ein Buch über das Raumschiff, seine Konstruktion und seine Funktion. Der Junge nahm das Buch und las darin. Er verstand nicht alles, aber er konnte es lesen. Da war auch eine Abhandlung über eine Tür. Diese Tür führte nach ›draußen‹. Man nannte die Tür – eigentlich waren es sogar zwei – einfach ›Luftschleuse‹. Ein komischer Name. Während der nächsten Ruheperiode würde er diese Tür ganz kurz mal öffnen. Nur einen einzigen Blick wollte er nach ›draußen‹ werfen. Kein Mensch würde etwas davon bemerken. Er hatte die Nummer gut behalten, auf die er das Rädchen einstellen mußte. Und mit einer gewissen Überraschung stellte er fest, daß sich dieses Rad leicht und widerstandslos drehen ließ. Dann schwang die schwere Tür auf. Er blickte hinein in die Dunkelheit und vermißte die hellen Punkte, die sie ›Sterne‹ genannt hatten. Doch dann entsann er sich, als die Augen sich an 163
das Dämmerlicht gewöhnt hatten. Hier war erst ein Raum, und an der gegenüberliegenden Wand befand sich die zweite Tür. Diese erst führte nach ›draußen‹. Schnell lief er auf diese zweite Tür zu, drehte an dem Rad. Er wartete ungeduldig. Es klickte leise, als die automatische Einrichtung zu arbeiten begann. Doch dann fühlte er eine schwere Hand auf seiner Schulter, die ihn zurückriß. McLain drehte an dem Rad und sagte zornig: »Bist du denn ganz verrückt geworden? Willst du uns alle umbringen? Hinter dieser Tür ist der Tod, sonst nichts!« »Ich – ich wollte doch nur einmal sehen, was da draußen ist!« jammerte der Junge und begann zu weinen. »Nur ein einziges Mal!« Der ältere Mann beruhigte ihn, legte ihm die Hand auf den Kopf. »Nun beruhige dich schon! Es ist unser Fehler, wenn du einen solchen Unsinn anstellst. Das Leben im Schiff ist uns bereits so sehr zur Gewohnheit geworden, daß wir es vergessen, unseren Kindern zu erklären, wie unendlich klein unser Lebensraum in einem unendlichen Meer eisigen Todes ist. Draußen ist das Nichts, Junge. Nur Kälte, Leere und Tod!« * Burnett klappte das Buch zu. Er konnte nicht mehr weiterlesen. Zu oft hatte die Existenz der Menschheit an einem Seidenfaden gehangen. Nur ein einziger winziger Zufall hätte oft alle Leben vernichten können. Doch nun war der Kampf vorbei. Proxima Centauri war erreicht. Milavo, Lita und noch andere albinoweiße Menschen kamen in seinen Raum. Sie alle hatten die ungewöhnlich hohen Köpfe.
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»Wir sind glücklich auf dem zweiten Planeten gelandet«, gab Milavo fast feierlich bekannt. »Möchtest du nicht der erste von uns sein, der den Boden dieser Welt betritt? Vielleicht bedeutet dir das etwas.« Burnetts Herz begann ungestümer zu schlagen. Vor fünftausend Jahren hatte er die Erde in Flammen aufgehen sehen. Und was hatte er damals noch zu Ko-Tan gesagt? Ja, das war es: »Dieses Schiff beherbergt den Rest der irdischen Menschheit. Unsere ganze Tradition lebt in uns und unseren Nachkommen! Niemals mehr können wir zurückkehren, aber wir können eine neue Welt finden. Eine neue Erde! Du selbst wirst alt werden und sterben, Ko-Tan. Aber ich werde aus dieser neuen Welt eine neue Erde machen!« Burnett dachte an sein Versprechen, als er die Leiter hinabkletterte, und den Boden des Planeten betrat. Milavo, Lita und die anderen folgten ihm. Doch die Mehrzahl der Menschen blieb im Schiff, starrte nur neugierig aus den Fenstern. Burnett atmete tief. Die Luft war rein und sauber, sehr sauerstoffreich. Es war ein junger Planet. So mußte die Erde ausgesehen haben, als sie noch ein Paradies war. Ein unfaßbares Glücksgefühl durchströmte ihn, als er sich umwandte. »Dies ist eine wundervolle Welt, Milavo! Niemals hätte ich gedacht, daß wir eine zweite Erde finden würden. Es ist eine zweite Erde! Welch eine Zivilisation können wir hier finden und aufbauen!« »Als erstes müssen wir den Boden nach radioaktiven Metallen untersuchen«, fuhr er fort, als er keine Antwort bekam. »Dann sind wir in der Lage, Energie zu erzeugen. Denn wir benötigen sehr viel Energie in der ersten Zeit des Aufbaus. »Sie – Sie möchten hier bleiben?« brachte Milavo endlich hervor.
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»Wie – natürlich bleiben wir hier! Was dachten Sie denn?« »Nein! Wir bleiben nicht hier! Wir nicht!« Burnett sah erstaunt zu ihm hin. »Moment mal! Das verstehe ich nicht. Wie meinen Sie das?« Burnett staunte ihn fassungslos an. Er begriff das nicht. »Ja – warum denn nicht? Dieser Planet ist doch ideal für unsere Zwecke! Niemals mehr werden wir eine solche Welt vorfinden! Glaubt es mir! Dies ist das Ende der furchtbaren, langen Reise! Hier bleiben wir!« Milavo schüttelte den Kopf und sah sich um. Ein seltsamer, bunter Vogel schwebte heran, flog dicht über ihre Köpfe hinweg. Irgendwo in den Bäumen raschelte leise der Wind. In der untergehenden Sonne leuchtete der Himmel rot auf, verbreitete eine Fülle verschwenderisch bunten Lichtes. Burnett brach das Schweigen. »Was ist denn nur los? Was gefällt Euch denn nicht?« fragte er. Lita schmiegte sich eng an Milavo. Der aber sagte: »Es ist furchtbar hier! Unvorstellbar unheimlich!« Die anderen kamen näher und nickten. »Ja, es ist unheimlich!« Burnett traute seinen Ohren nicht. »Dies hier ist furchtbar?« vergewisserte er sich. »Dies ist doch schön und wunderbar!« Ein bunter Schmetterling taumelte durch die laue Luft, ließ sich herab und landete auf Burnetts Schulter. Lita schrie entsetzt auf, drehte sich um und lief, so schnell sie konnte, auf das Raumschiff zu. Milavos Gesicht wurde noch bleicher, als es ohnehin schon war. Selbst die eilige Flucht des Schmetterlings beruhigte ihn nicht. »Ist das vielleicht Schönheit? Ist das wunderbar?« fragte er erregt. »Sieh doch nur auf den Boden! Was ist das? Dreck und Schmutz! Und die Luft? Sie ist voller Staubpartikelchen und Unreinigkeiten, die der Lunge zusetzen. Der Mensch wird bald
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erstickt sein! Überall mikroskopisch kleine Bakterien. Sehen Sie, Burnett: Sie wurden damals auf einem ähnlichen Planeten geboren, wuchsen dort auf. Sie konnten sich an all dies gewöhnen. Wir aber haben immer nur in einem Schiff gelebt, in einer künstlichen, jedoch sauberen Atmosphäre. Fünftausend Jahre lang. Um uns war niemals etwas anderes als diese synthetische Sauberkeit. Und das sollen wir nun aufgeben? Sollen uns in den Schmutz dieser häßlichen, ungesunden Welt begeben? Niemals!« Burnett stammelte verwirrt: »Aber dies ist doch die Heimat! Ihr stammt doch auch von einer Welt, die genauso war wie diese hier heute ist!« »Das menschliche Geschlecht hat sich verändert – Sie haben es selbst gesagt. Wir würden die plötzliche Umstellung niemals überleben! Unsere Heimat ist der Weltraum! Dort können wir leben. Aber hier – würden wir bald sterben! Wir müssen weiter.« Milavo folgte den anderen und kletterte hinter ihnen an der Leiter hoch. Oben auf der kleinen Plattform drehte er sich noch einmal um. Als er jedoch sah, daß Burnett nicht folgte, betrat er das Schiff und schloß die Schleusentür hinter sich. Es gab einen dumpfen Ton, als habe man einen Sargdeckel zugeschlagen. Burnett ließ sich langsam auf einen Steinbrocken sinken. »Häßlich! Unheimlich! Schmutzig! Unsauber!« Ja, die menschliche Rasse hatte sich verändert. Sie hatte sich so sehr verändert, daß der Begriff ›Erde und Heimat‹ verblaßt war. Fünftausend Jahre im Weltraum hatten der kleinen menschlichen Kolonie eine andere Erziehung und Tradition gegeben. Eine Tradition, die der alten irdischen vollkommen fremd war. Was konnte Milavo schon von dem erregenden Gefühl wissen, das von Burnett Besitz ergriff, als er eine Handvoll Erde vom
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Boden nahm, sie langsam durch die Finger rinnen ließ? Er würde vielleicht gar nicht mal wissen, daß dieser ›Dreck‹ das Wachsen von Getreide ermöglichte. Aber schließlich wußte er ja – Burnett – auch nichts vom Leben, das Milavo, Lita und die anderen auf dem Schiff führten. Wenn einmal im Laufe der Entwicklung der Fisch seine Kiemen verlor, würde er auch nicht mehr ins Wasser zurückkehren. Noch einmal öffnete sich oben im Schiff die Luke. Milavo schaute zu ihm herab. »Willst du mitkommen?« rief er und winkte ungeduldig. Burnett schüttelte den Kopf. Seine Augen wurden feucht. Dann schoß das riesige Schiff hinauf in den dämmerigen Himmel. Als er allein war, dachte Burnett an Ko-Tan und an sein Versprechen, der Menschheit eine neue Erde zu geben. Er hatte dieses Versprechen nicht halten können. Er war jetzt der letzte Mensch – und er würde sterben. Er würde allein sterben! Die Menschheit würde aufhören, zu existieren. Er schaute hinauf in den jetzt dunklen Himmel, suchte zwischen den funkelnden Sternen, als könne er die VICTORY noch erblicken. Und plötzlich wußte er, daß er sich geirrt hatte. Der Mensch würde weiterleben! Sicher, planetarisches Leben war vorüber. Aber Milavo und Lita, und später ihre Kinder, lebten ein anderes Leben – aber sie lebten! Aus dem bodenverbundenen Menschen wurde ein durch den Weltraum wandernder Mensch. Im Laufe der kommenden Jahrhunderte würden sie schon herausfinden, wie man andere Raumschiffe bauen könne, dann gäbe es nicht nur die VICTORY, sondern vier, sechs und später ein ganzes Dutzend VICTORYS, die zusammen von Stern zu Stern fliegen würden. Der Erhaltungstrieb der Rasse würde auch dem Menschen helfen, alle Schwierigkeiten zu überstehen.
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Millionen von Jahren würden vergehen, der Mensch würde überall sein. Mit der Hilfe der von ihm entdeckten Atomkraft hatte er den Raum bewältigt, sich von den Planeten gelöst. Vielleicht würde hier oder dort ein Paar versuchen, das Leben im Schiff mit einem Leben auf einer guten Welt zu vertauschen. Sicherlich würde das geschehen. Burnett schaute immer noch in den nun schwarzen Himmel. Irgendwo hing die Sonne. Die Zukunft war klar und hell.
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Ein altes Volk starb in den Flammen, denn… UNGUH MACHT EIN FEUER von Ross Rocklynne
Das Raumschiff vom Mars durchstieß die Atmosphäre und senkte sich langsam auf eine weite, grüne Fläche hinab, die
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zwischen einem ruhig dahinfließenden Strom und einem grünen Wald lag. Der Planet Erde befand sich im Zeitalter des Pliozäns, der jüngsten Stufe des Tertiärs. Kommandant Talbo hatte den Dienst an seinen zweiten Kommandanten Keddel abgegeben und begab sich – mit einem feinen Lächeln auf dem Gesicht – hinauf zur Beobachtungskabine. Trotz der im Schiff herrschenden leichten Marsgravitation stolperte er. Die Beobachtungskabine bestand praktisch mehr aus Quarzfenstern als aus festen Metallwänden. Talbo schloß die Tür hinter sich und lehnte sich mit dem Rücken gegen sie. Einen Augenblick lang betrachtete er die sechsundzwanzig Personen, die, außer Keddel, Cay, Rignor und ihm selbst, die letzten Überlebenden des Marsvolkes waren, das von einer furchtbaren Seuche dahingerafft worden war. Schweigend starrten diese sechsundzwanzig Gefährten durch die Sichtluken hinaus auf die neue Welt, die ihre zweite Heimat werden sollte. Der silberne Strom, die wiegenden Gräser und die gewaltigen, hohen Bäume wirkten einladend und freundlich. Fern am Horizont sank eine große Sonne der Nacht entgegen – eine Sonne, die viel größer war als die, welche sie kannten. Talbo schwieg noch immer, aber Teth hatte sein Kommen bemerkt. Mit strahlenden Augen wandte sie sich um und sah ihren Vater glücklich an. »Du wirst müde sein, Vater. Du mußt schlafen!« »Ich will erst mit euch sprechen«, sagte Talbo bestimmt. Die anderen drehten sich ebenfalls langsam um und sahen ihren Kommandanten erwartungsvoll an. Keiner von ihnen war mehr als fünfzehn Marsjahre alt und alle waren sie erfüllt mit der ewigen Hoffnung der Jugend, die es ihnen ermöglichen würde, eine alte Rasse vor dem Aussterben zu retten. Und die Erde schien zu locken, schien sie friedlich empfangen zu wollen.
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Ihre Hautfarbe war rotgelb, doppelte Brauen standen über den etwas schrägliegenden Augen, die Nasen waren ein wenig groß und die Ohren liefen oben spitz zu. An den Händen bewegten sich schlank sieben Finger. Breite Schultern und gewölbte Brustkästen standen in krassem Gegensatz zu den schmalen Hüften. Ihre Kleidung bestand aus einem einfachen Gewand, das durch farbenprächtige Gürtel zusammengehalten wurde. Voller Respekt und Achtung erwarteten sie die Worte ihres Kommandanten. »Ich danke euch allen für eure Hilfe«, begann Talbo langsam und – wie es schien – müde. »Es gab Zeiten während unseres Fluges, in denen die Langeweile fast tödlich wirkte. Ich danke euch für eure Geduld und für euren Optimismus. – Aber was ich euch ganz besonders sagen wollte, betrifft die Seuche. Es besteht die gräßliche Möglichkeit, daß durch nur eine Sekunde des Zögerns auch der Rest unseres stolzen Volkes ausgelöscht wird. Einer von uns kann Träger der Bazillen sein und plötzlich ihre Tätigkeit bemerken. Es ist furchtbar für mich, es hier noch einmal zu sagen: Er wird wissen, was er zu tun hat! Er muß in die Todeszelle gehen!« Die Zuhörer bewegten sich unruhig hin und her. »Aber ich möchte auch von etwas Erfreulicherem reden. Diese Welt gehört uns – und wir werden das aus ihr machen, was sie zu werden verspricht: ein Paradies. Sie trägt kein intelligentes Leben, nur Tiere und eine Unmenge von Pflanzen. Um Nahrung brauchen wir uns also keine Sorgen zu machen. Und Wohnplätze? Ich habe zwar keine Ahnung, was jene hohen Pflanzen dort bedeuten – auf Mars gab es keine ähnlichen Gebilde – aber in meinem Gehirn formt sich schon ein brauchbarer Plan. Wir werden mit diesem Tal beginnen, werden hier wohnen. Dann – viel später – werden wir uns ausdehnen und in die Wälder und Hochebenen ziehen. Es wird einst auch
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auf dieser Welt eine Zivilisation geben, die unserer vergangenen auf dem Mars nicht nachstehen wird.« Er endete mit einem schwachen Lächeln, und Teth nahm besorgt seinen Arm. Er mußte müde sein, denn in den letzten dreißig Stunden war er ununterbrochen im Kontrollraum gewesen und hatte die Annäherung an die Erde geleitet. Wie es schien, war dieser Planet von einem ständig kreisenden Meteoritenschwarm umgeben. Sie führte ihn in seine Schlafkabine, half ihm beim Ablegen der Oberkleidung und sah lächelnd zu, wie er unter die silberfarbenen Decken kroch. Dann betrachtete er sie ein wenig schmerzlich. »Du tust mir so leid, Kind«, sagte er endlich. »Zum Wohle des Fortbestehens unseres Volkes muß ich dir großes Unrecht antun – aber ich sehe keinen anderen Weg. Du weißt, was ich meine?« »Ja, Vater! Aber ich habe eine Bitte: Cay muß mein erster Gatte sein!« »Er soll es sein!« sagte Talbo und bald verrieten tiefe Atemzüge, daß er eingeschlafen war. Geräuschlos verließ Teth die Kabine. * Leichtfüßig lief Teth durch die Gänge des Schiffes und erreichte die Tür zum Maschinenraum. Sie öffnete diese leise und schloß sie wieder. Schweigend betrachtete sie den großen Mann, der dort über die Bedienungsschalter der Lufterneuerungsanlage gebeugt war. Cay hatte diese so eingestellt, daß bis zum morgigen Tage die Atmosphäre im Schiff genau der glich, die es umgab. Somit konnten die Marsianer sich langsam an die irdischen Verhältnisse gewöhnen. Vorsichtig schlich das Mädchen sich heran und schlang dann plötzlich die Arme um ihn. Er drehte sich blitzschnell um, zog sie zu sich heran und küßte sie.
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»Meine kleine Teth!« rief er glücklich aus. »Immer lustig und vergnügt.« »Ich bin sogar glücklich!« lachte sie. »Wir haben die Erde erreicht – und eine ganze Welt gehört uns. Es ist eine junge Welt mit einer wunderbaren Luft, mit viel Wasser und voller Schönheit.« Sie machte eine Pause und seufzte. »Aber manchmal möchte ich traurig sein, denn mein Leben wird nicht so sein, wie wir es uns einst vorstellten. Ein herrliches, wundervolles Jahr liegt vor uns, Cay, ein Jahr! Solange wirst du mein Mann sein – aber dann, wenn unser Kind geboren ist, muß ich den zweiten Mann nehmen. Warum kamen denn auch nicht mehr Mädchen mit uns, als die Entscheidung nahte? Und was wäre – wenn auch ich nicht – ?« »Der Fortbestand unseres Volkes ist mehr als unser eigenes Glück!« sagte Cay schwer. »Ich bin froh und glücklich, daß wir eine Chance haben. Und unser Volk wird weiterleben, wenn – wenn die Seuche nicht mit uns gekommen ist.« Sie dehnte ihren Körper in seinen Armen. »Eines Tages werden unsere Städte diese Welt bedecken, breite Fahrstraßen werden sie miteinander verbinden, und große Luftschiffe werden über sie hinweggleiten. Millionen und aber Millionen glücklicher Menschen werden auf diesem Planeten leben!« »Und alle diese Menschen«, sagte Cay leise, werden von deinem Blute sein! Das ist etwas, worauf du stolz sein kannst! Es wird deine Rasse sein!« * Am anderen Morgen verließen sie das Raumschiff und betraten zum ersten Mal den Boden dieser wilden, schönen Welt. Die Luft war dichter als auf dem Mars, aber sie war auch
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erfrischender. In einzelnen Gruppen wanderten sie durch das breite Tal und versuchten, etwas Neues zu entdecken. Talbo, Cay und Teth blieben zusammen und gingen zum Rande des dichten Waldes hinüber. Der Kommandant interessierte sich ganz besonders für die ›hohen Pflanzen‹, die er von seiner Heimat her nicht kannte. Mit einer scharfen Messerschneide schnitt er ein Stück Rinde ab, untersuchte mit großer Sorgfalt das faserige Gewebe. »Ich habe schon gedacht, wir müßten im Schiff leben, bis wir ein Lager des bekannten Erzes fänden. Aber nun glaube ich doch, daß wir es bald verlassen können. Dieses Material wird genügen, Häuser zu bauen. Wir benötigen die richtigen Werkzeuge, die Pflanzen zu fällen und zu zerschneiden. Doch das dürfte nicht allzu schwierig sein.« »Es wird nicht halten, es wird zusammenbrechen!« gab Cay zu bedenken. »Nein!« widersprach Talbo ruhig. »Du bist nur unsere gewaltigen Städte aus Metall gewohnt. Du mußt dich umstellen. Wir werden ein niedriges langgestrecktes Gebäude herstellen, das wir mit Hilfe dieses Materials in einzelne Räume und Sektionen unterteilen. Wir werden bald die nötigen Erfahrungen gesammelt haben.« »Du könntest recht haben, Talbo«, gab Cay endlich zögernd zu. »Immerhin muß das Material ziemlich stark sein, sonst könnte es nicht das eigene Gewicht tragen. Sieh nur, wie hoch dieser schmale Stamm ist!« Sie traten einige Schritte zurück und folgten der schlanken Linie des Baumes bis zum Wipfel. Hoch oben breitete sich die Krone mit ihren Ästen und dichtem Blätterwerk aus. Und es war in diesem Augenblick, da sie das Gesicht bemerkten, das dort oben aus den Blättern heraus auf sie herabschaute. Eine flache, fliehende Stirn, die platte, breite Nase und das vorgeschobene Kinn. Die Augen lagen in tiefen Höhlen.
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Das ganze Wesen schien mit einem dichten Haarkleid bedeckt zu sein. Dann verschwand das Gesicht, und sie hörten raschelnde Laute in der Baumkrone. Aber so sehr sie sich auch bemühten, die Aufmerksamkeit des fremden Wesens noch einmal zu erregen, indem sie kosende Locklaute von sich gaben, es zeigte sich nicht mehr. »Ich habe mich geirrt!« sprach Talbo langsam und voller Bedeutung, als sie endlich gemächlichen Schrittes wieder auf das ferne Schiff zugingen. Cay und Teth sahen ihn fragend an. »Ja, ich habe mich geirrt, als ich behauptete, diese Welt sei ohne intelligentes Leben. Sicher, noch ist diese Intelligenz nicht entwickelt, aber sie ist ohne jeden Zweifel bei diesem Tier vorhanden. Die Nachkommen dieses Baummenschen würden einst die herrschende Rasse dieses Planeten sein, wenn wir nicht gekommen wären!« wiederholte er noch einmal. Ein unsichtbarer Schatten hing über den drei Marsianern, als sie ihre Schritte beschleunigten, um ihr Schiff zu erreichen. Am Ufer des breiten Stromes nahm das Haus langsam Formen an. Langgestreckt und flach lag es dort, genau so, wie Talbo es geplant hatte. Wochen hatte es gedauert, bis man endlich die einfachste Methode des Fällens der gewaltigen Bäume gelernt hatte. Zuerst hatte man es mit einer scharfen Klinge versucht, aber dann hatte einer der Männer entdeckt, daß es viel besser ginge, wenn man in regelmäßigen Abständen Kerben in das Metall schlug und die Schneide kräftig an dem Stamm hin und her bewegte. Von diesem Augenblick an schritt die Arbeit schneller voran und bald stand das Haus. Sie hatten vierzig Räume eingerichtet. Dreißig für die Bewohner selbst, neun für Vorräte und einen – für die Seuche. Dieser Raum, die Todeszelle, lag genau in der Mitte des Hauses.
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Die Wände dieses Raumes waren mit einer Substanz bestrichen, die selbst von den Bakterien der Seuche nicht durchdrungen werden konnte, obwohl sie sich gewöhnlich durch jedes Material zu winden verstanden. Denn immer hing das Schwert des noch nicht geborenen Damokles über ihnen: Die Seuche konnte wieder ausbrechen und sie alle vernichten. Oft genug gab es Stunden der Instruktionen, und jeder von ihnen wußte, was er zu tun hatte, wenn er an sich die Zeichen der Seuche bemerken sollte. Und somit legten sie den Grundstein zu einer neuen, gewaltigen Mär: Zivilisation. Sie waren voller Hoffnung, und nach weiteren drei Wochen begannen sie, jene Seuche zu vergessen, die innerhalb kurzer Zeit die gesamte Bevölkerung des Mars ausgerottet hatte. Doch am Ende dieser drei Wochen geschah etwas anderes: Der Eigentümer des Gesichtes, das damals aus der Baumkrone gelugt hatte, zeigte sich wieder. Cay und Teth befanden sich auf einem Spaziergang zum Rande des Waldes, dort, wo sie die Bäume gefällt hatten und eine gewaltige Lichtung mit nur einzelnen Bäumen lauschige Plätzchen zum Plaudern bot. Sie lagen in dem weichen Gras, schauten zu den grünen Blättern empor und unterhielten sich leise. Plötzlich richtete Cay sich auf und starrte in Richtung der nahen Büsche. Teth folgte seinem Blick und sah den Baummenschen in geringer Entfernung auf dem Boden stehen, zwischen zwei hohen Bäumen. Er war völlig nackt, nur mit den langen, braun-grauen Haaren bedeckt. Die muskulösen Arme hingen bis in die Höhe der Knie herab. Die Beine selbst waren leicht gebogen und sehr lang. Er schaute zu ihnen herüber und begann dann plötzlich, mit unregelmäßigen, fast springenden Bewegungen auf sie zuzugehen. In seinen Augen, die eine schwache Intelligenz verrieten, lag nichts als Neugierde. Cay erhob sich langsam.
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»Komm! Es ist besser, wenn wir gehen.« Doch Teth schüttelte entschieden den Kopf. »Wozu? Hast du Angst um mich? Das ist nicht nötig. Der Bursche ist nur wißbegierig und ganz ungefährlich. Wollen wir nicht mit ihm Freundschaft schließen?« Cay gab nach und ließ sich wieder auf den Boden sinken. Er brachte es sogar fertig, sich wieder neben Teth zu legen und ruhig abzuwarten. Das Lebewesen kam näher, stand endlich fast über ihnen und betrachtete sie mit einem nachdenklichen Zug auf den primitiven Mienen. Cay und Teth gaben den Blick zurück. Sie schwiegen. Der Waldmensch schüttelte schließlich leicht und kaum merklich den behaarten Kopf und undeutlich kam ein Wort aus seinem Bart. »Unguh!« »Was soll das nur bedeuten?« flüsterte Cay kaum hörbar. »Ich will versuchen, mit ihm zu sprechen.« »Unguh!« machte auch Cay und sah den Waldmenschen an. Der gab aber keine Antwort mehr, sondern schüttelte jetzt nur etwas deutlicher den Kopf. Dann hob er den Arm und zeigte in Richtung des neuerrichteten Hauses, das nicht in allzu weiter Entfernung lag und gut sichtbar war. »Er hat keine Angst vor uns«, wisperte Teth. »Nehmen wir ihn einfach mit!« Ganz langsam und vorsichtig erhoben sie sich aus dem Gras, gingen gemächlich auf das Haus zu. Der Baummensch folgte ihnen nach anfänglichem Zögern mit seinem seltsamen, schwankenden Gang. »Ich habe niemals etwas so Wildes gesehen«, bekannte Teth leise lachend. »Aber irgendwie scheint er mir eine Spur von Intelligenz zu besitzen.
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»Auf jeden Fall bedeutet ›Unguh‹ etwas, ich weiß nur nicht, was. Vielleicht hat er sich verlaufen und sucht seinen Stamm. Denn der wäre doch sonst sicher in der Nähe. Aber wir haben bisher dergleichen nicht entdecken können.« * An dem Haus angelangt, näherten sich die anderen Marsianer neugierig und betrachteten voller Interesse den Neuankömmling. In einem Halbkreis umstanden sie Cay, Teth und den Waldmenschen. »Ist das der Kerl, den wir damals sahen?« fragte Talbo. »So genau kann ich das auch nicht sagen«, lachte Cay sorglos. »Aber ich möchte es fast annehmen. Ich habe ihn Unguh getauft, denn das war das einzige Wort, was er bisher zu uns sagte.« Unguh sah mit einem dummen Ausdruck um sich und kratzte sich das Fell. »Unguh!« sagte er schließlich mit einem befriedigten Grunzen. »Das scheint er am liebsten zu sagen«, grinste Keddel. Nach einigem Hin und Her kam man zu dem Ergebnis, daß ›Unguh‹ vielleicht ›Hunger‹ bedeute und bot dem Gast eine frische Antilopenkeule an. Der nahm sie und versenkte seine gelben, scharfen Zähne schmatzend in das noch blutige Fleisch. Für fünf Minuten setzte er seine Vorstellung fort und warf dann endlich den leergeleckten Knochen weit von sich fort. Mit einem letzten Schmatzen starrte er dann stirnrunzelnd auf die dreißig Menschen, die seinem Mahl mit glänzenden Augen gefolgt waren. Dann trat der Baummensch einen kleinen Schritt vor, stand vor Cay, den er lange ansah. Seine mächtigen Arme kamen hoch und schlugen sich fest vor die behaarte, breite Brust. Es war ein regelrechtes Trommeln. Dann sagte er:
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»Unguh!« »Unguh!« gab Cay zurück. »Er meint also doch nicht ›Hunger‹. Was will er denn nur von mir?« Unguh nahm Cay einfach beim Arm und zog ihn mit sich. Der junge Mann folgte neugierig und daher sehr willig. Der primitive Gast führte ihn so ein Stück vom Haus fort bis zu jener Stelle, an der ein großer Haufen Holzkohle lag, Überreste eines Feuers. Dort blieb er stehen, deutete auf die Asche und sagte: »Unguh! Unguh!« Jetzt glaubte Cay zu verstehen. Sicherlich hatte der andere von einem Baum aus das ferne Feuer gesehen und wollte nun wissen, was es war, oder gar, wie man es machte. Und somit zeigte Cay ihm, wie man ein Feuer machte. Er strich ein gewöhnliches Stückchen harter Pflanzenfaser, an deren Ende eine Mischung von Phosphor und Sulphat war, gegen eine Reibfläche. Es war ein gewöhnliches Streichholz, wie man sie auch heute noch benutzt. Die Flamme flackerte unruhig, als Cay ein kleines Ästchen damit entzündete, größere hinzulegte, und schließlich brannte ein hell aufloderndes Feuer. Unguhs Augen quollen vor Erstaunen fast aus den Höhlen. Er rückte näher an die Flammen heran und fühlte die wohltuende Wärme. Doch er verbrannte sich dabei, denn mit einem wütenden Knurren sprang er auf und lief einige Meter davon. Zusammen mit Teth, die herangekommen war, näherte er sich jedoch erneut und fand bald heraus, daß die Flammen in einer gewissen Entfernung nicht verbrannten, sondern angenehm wärmten. Nach einer Weile versuchte er, selbst ein Feuer zu machen. Aber er hatte den Unterschied zwischen einem gewöhnlichen Holzstäbchen und einem Streichholz noch nicht erkannt. Seine Zähne fletschten wütend, als sein Experiment, nicht gelang. Eine Reihe unverständlicher Worte sprudelten hervor. »Er will ein Streichholz!« übersetzte Teth lachend.
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»Welchen Sinn hätte das?« gab Cay zu bedenken. »Ich will ihm ja das Feuer schenken, aber was würde ihm da ein Streichholz nützen? Selbst wenn er tausend davon hätte, so hätte seine Rasse immer noch nicht das Feuer. Nein, ich muß ihm zeigen, wie er immer Feuer machen kann.« Er suchte ein passendes Stück Holz mit einer Vertiefung in der Mitte. Dann nahm er ein zweites, kleineres Stückchen, das genau in diese hineinpaßte. Mit den Handflächen rieb er dieses letztere Stück so lange, bis die Reibung die nötige Hitze erzeugte, um die ersten glühenden Funken sprühen zu lassen. Trockenes Gras entzündete sich sofort, und sehr bald brannte neben dem ersten Feuer ein zweites. Es war sehr schwierig, dem Waldmenschen den Vorgang zu zeigen und ihn zu lehren, ihn selbst zu wiederholen. Aber sowohl Cay wie Teth hatten eine unendliche Geduld. Und dann brannte schließlich ein drittes Feuer. Unguhs Feuer! Als die anderen Marsianer herangekommen waren, saß Unguh immer noch vor seinem Feuer und warf ab und zu nachdenklich einen Ast in die auflodernden Flammen. Cay sah spät nachts noch einmal aus der Tür und gewahrte Unguh, der lang ausgestreckt neben dem Feuer lag und schlief. Mit banger Ungewißheit dachte Cay über die Frage nach, wem wohl dereinst die Erde gehören würde: den Kindeskindern von Unguh, oder dem Volk vom Mars. Würde letzteres nicht vielleicht dann nur noch ein undeutlicher, vager Erinnerungstraum der zukünftigen Menschheit sein? »Morgen hat Teth Geburtstag«, erwähnte Talbo an der gemeinsamen Frühstückstafel und beugte sich zu Keddel hinüber. »Sie ist schön und kräftig, der rechte Anfang für eine neue Generation. Aber – ich habe die Seuche noch nicht vergessen können.«
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»Ich auch nicht«, bekannte Keddel leise. »Und selbst, wenn das Schicksal will, daß unsere Rasse fortbesteht – wird es nicht auf Kosten von Unguhs Rasse geschehen?« Talbo nickte langsam, dann jedoch schüttelte er heftig den Kopf, als habe er sich anders besonnen. »Morgen ist ein Festtag für uns!« sagte er. »Heute werden wir jagen, um diesen Tag entsprechend begehen zu können. Morgen werden wir ernstlich daran gehen, unsere Zivilisation aufzubauen – und zu erhalten.« Talbo, Cay, Thuran, Rignor und fünf andere Männer begaben sich auf die große Jagd und kehrten erst am Abend mit ihrer reichen Beute zurück. Die Daheimgebliebenen hatten das Haus bereits mit bunten Bäumen und Zweigen geschmückt, und alles zeugte davon, daß morgen tatsächlich ein großer Feiertag werden sollte Die Nacht kam. Cay und Teth saßen noch einsam auf der Veranda und bewunderten den Mond, der noch am Himmel stand. Sie hatten beide den gleichen geheimen Gedanken: In einer Million Jahre würde der gleiche Mond auf die gleiche Erde scheinen. Aber auf wen? »Auf uns – oder auf Unguh?« flüsterte Teth. Und dann kam Unguh im Mondschein bis zur Veranda heran, sah sie. In seinen Händen hielt er die beiden Holzstücke, die Cay ihm gegeben hatte. Sie erhoben sich und gingen zu ihm hinab. Er überschüttete sie mit unverständlichen Lauten, aus denen sie jedoch etwas Forderndes, Bestimmendes zu erkennen glaubten. Unguh machte einige Schritte, blieb stehen und wartete auf sie. »Er will uns etwas zeigen«, vermutete Teth. »Gehen wir mit ihm.« Unguh führte sie zu einem großen Haufen dürren Holzes, kauerte sich davor nieder und begann, die Hölzer aneinander zu reiben.
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»Ah – er will uns beweisen, wie schlau er ist. Immerhin, er hat es sehr schnell gelernt«, gab Cay zu, und sie legten sich beide in das weiche, trockene Gras, schauten zu, was Unguh ihnen zeigte. Sie erkannten, daß Unguh inzwischen geübt haben mußte, denn er rieb mit einer derartigen Fertigkeit das kleinere Stück Holz zwischen den glatten Flächen seiner Hände, daß sehr bald die ersten Funken sprühten, in das aufgehäufte Gras fielen und die Flammen auflodern ließen. Dann brannte das Feuer. Unguh setzte sich dicht daneben und starrte mit Andacht auf sein Werk. Seine Lippen murmelten undeutliche Laute, und ab und zu warf er einen Blick auf die beiden Marsianer, wie um sich zu überzeugen, daß sie seine Fähigkeiten anerkannten. Teth rückte näher an Cay heran. »Ich habe Angst«, flüsterte sie. Er legte den Arm um sie. »Du auch –? Fühltest du es auch?« »Wir fühlen es alle. Über uns hängt immer noch die unsichtbare Drohung der Seuche. Wenn sie nun wieder ausbräche – und sich auf Unguh übertragen würde? Damit würden wir die Erde ihrer Chance berauben, jemals intelligentes Leben zu tragen. Noch ist er der König seines Stammes, denn er besitzt das Feuer.« Teth bewegte sich unruhig. »Laß uns gehen. Morgen ist mein Geburtstag – und du mußt mir ein Gedicht aufsagen. So wie der Brauch es will.« »Davor habe ich noch mehr Angst«, lachte Cay und erhob sich. Trotz der ärgerlichen Proteste von Unguh verließen sie das knisternde Feuer und wanderten dem dunklen Haus zu. *
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Es war am Vormittag des nächsten Tages. Cay hatte sich gewaschen und summte eine frohe Melodie vor sich hin. Während er sich abtrocknete, betrachtete er – wie es vorgeschrieben war – aufmerksam seinen Körper, suchte nach einem Anzeichen der Seuche. Doch seine Haut war rein und makellos, nichts Verdächtiges war zu sehen. Anscheinend hatten sie also doch die Gefahr überwunden, denn sonst hätte sich schon längst mal etwas gezeigt. Schon viele Monate waren nun vergangen, seit sie Mars verlassen hatten. Keiner war mehr von ihnen erkrankt, die Seuche mußte tot sein. Und heute hatte Teth Geburtstag! Ein letzter Blick in den Spiegel, dann verließ er sein Zimmer. Vor der Tür zu Teth’s Raum wartete er, bis sie sich öffnete und das Mädchen förmlich in seine Arme lief. Sie küßten sich, lachten und gingen dann Hand in Hand zur Veranda, wo ihnen das fröhliche Geplauder der Gefährten entgegenschallte. Achtlos passierten sie dabei DEN RAUM. Bei dem letzten Fenster vor der Veranda machten sie halt. Cay blickte hinaus auf die freie Steppe, wo ganze Herden von Antilopen grasten. Teth stand dicht neben ihm und folgte der Richtung seines zeigenden Arms. Sie erblickte jedoch nicht mehr die Tiere, sondern ihre Augen blieben auf seinem Handgelenk hängen. Einen Augenblick nur, dann stieß sie einen kaum hörbaren Schreckensruf aus, wich vor ihm zurück. Sie hob instinktiv die Hände, als er ihr erstaunt folgen wollte. »Bleib! Komm mir nicht zu nahe, Cay! Geh weg!« Er versuchte ein Lächeln, obwohl er ihren Scherz nicht verstand. »Was ist?« fragte er und kam auf sie zu. Sie schrie auf, diesmal laut und schrill. »Geh weg! Weg von mir!«
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Ganz langsam kroch in Cay die entsetzliche Erkenntnis hoch, daß dies kein Scherz, sondern tödlicher Ernst war. Das Blut schien zu stocken, und in seinem Gehirn entstand eine gräßliche Leere. Ohne auf seinen Arm zu schauen wußte er, daß er der Bitte von Teth entsprechen mußte, obwohl er nicht verstehen konnte, daß dies ohne Abschied geschehen sollte. Und dann drehte er sich um und ging mit Füßen, die aus Blei sein mußten, den Gang zurück. Hinter sich vernahm er das verhaltene Schluchzen des Mädchens, hörte ihr Weinen. Doch dann kamen ihm Stimmen entgegen, Stimmen, die er so gut kannte. Einige seiner Gefährten wollten sich zur Veranda begeben, würden ihm gleich begegnen. Plötzlich konnte er sich wieder bewegen, sogar laufen. Aus seinem Munde kam nur ein einziges Wort, das er ihnen entgegenbrüllte: »Die Seuche!« Zuerst verstanden sie nicht, aber dann war der Gang plötzlich wie leergefegt. Blitzschnell hatten sich die Männer in die nächstbesten Zimmer geflüchtet. Cay war wieder allein. Er verlangsamte seine Schritte, nahm mit einem Blick noch einmal alles in sich auf und stand dann vor DEM RAUM. Die Außentür glitt auf, schloß sich wieder. Dann erst öffnete sich die innere Tür, und er betrat die Todeszelle. Es war ein kalter, schmuckloser Raum. Kein Fenster, kein Möbelstück, nichts. Nur der Tod. Von den glatten Wänden strahlte ein gleichmäßiges, eisiges Licht. Wie fasziniert starrte Cay auf seinen Unterarm. Ja, da waren sie, die winzigen Spiralen. Er konnte sich nicht erklären, daß er sie nicht selbst entdeckt hatte, vorhin nach dem Waschen. Noch während er auf die kaum wahrnehmbaren Kreise schaute, wurden diese größer. Die Bakterien arbeiteten, ihr Ziel war das Herz. Es waren die gleichen Bakterien, die damals aus dem
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Weltraum zum Mars gekommen waren und dessen Leben innerhalb von wenigen Tagen zerstört hatten. Und in wenigen Stunden würde auch er. Cay, tot sein. Er dachte an die anderen und schauderte zusammen. Sie würden keine Chance haben. Zu viel war er stets mit Teth zusammengewesen, auch sie trug den Tod nun in sich. Oder jene, die den Korridor herabkamen, ehe er zu DEM RAUM gelangen konnte. Verzweifelt warf er sich auf den harten Boden, blickte hinauf gegen die bemalte Decke. Etwas wie Befriedigung überkam ihn, als er an Unguh dachte. Die Erde hatte Unguh, und Unguh hatte das Feuer. In wenigen hunderttausend Jahren würde Unguh nicht mehr nur mit Feuer spielen. Dann spielte er mit der Elektrizität – oder mit Atomen. Cay war ganz ruhig, als er wartete. * Er wartete nicht sehr lange. Die Tür öffnete sich langsam, und ein Kopf schob sich herein. »Ich bin’s, Keddel. Du kannst genausogut auch herauskommen, Cay.« Cay gab keine Antwort, sondern erhob sich schweigend. Er hatte noch nicht begriffen. Keddel kam herein, zog die Tür achtlos hinter sich zu. Er schritt auf Cay zu und legte seine Hand auf dessen Schulter. »Es hat keinen Zweck mehr. Wir sind in der gleichen Lage wie du.« Cay ließ die Schultern hängen. »Es ist nur meine Schuld!« klagte er sich bitter an.
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»Keiner hat Schuld, Cay! Komm mit, die anderen warten nur noch auf dich. Sie sitzen am gedeckten Tisch. Kein Gott soll uns daran hindern, daß wir Teth’s Geburtstag feiern!«
Eine Szene aus Curt Siodmaks Film ›DAS MAGNETISCHE UNGEHEUER‹ Foto: United Artists Corporation
Cay dachte flüchtig an den Vers, den er für sie gedichtet hatte. Ob seine Freunde jetzt auch noch darüber lachen konnten? Dann fiel ihm etwas ein. »Habt ihr Fenster und Türen dicht verschlossen?« »Teth hat daran gedacht. Unguh soll seine Chance haben.« Sie verließen DEN RAUM. »Teth erwartet dich in ihrem Zimmer.«
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Sie saß auf dem Bett und warf sich ihm um den Hals, als er ihr Zimmer betrat. Wenige Minuten verweilten sie so, dann schritten sie gemeinsam zur Veranda, deren Glasfenster hermetisch geschlossen waren. Die achtundzwanzig Freunde erwarteten sie. In ihren Augen leuchtete Freude und froher Übermut. Cay wunderte sich, ob dieser Ausdruck nicht gezwungen war, aber er kam zu keinem Ergebnis. Man hatte ihnen die beiden Plätze am Kopf des Tisches frei gelassen. Kaum saßen sie, als die Gefährten begannen, das alte Lied zu singen. Es erzählte vom Sinn des Lebens und vom Glücklichsein. Tränen waren in den Augen der Marsianer, als sie endeten. Doch dann erhob sich Cay, nahm sein Glas mit köstlichem Marswein in die Hände und hielt es Teth entgegen. »Auf das schönste Marsmädchen, das es gibt – und nicht deshalb, weil sie das einzigste Marsmädel ist!« Sie lächelte zurück. »Danke, Cay!« Dann sprach Keddel, während er sich erhob. »Auch ich will einen Trinkspruch bringen, aber einen ernsteren: Auf Unguh! Auf sein Feuer! Auf seine Weiterentwicklung!« Nachdenklich und langsam standen sie alle auf, setzten die Gläser an und tranken sie bis auf den Grund leer. Als sie sich wieder auf ihre Sitze niederließen, sprach keiner von ihnen ein Wort. Das Schweigen wurde fast unheimlich, und sie alle versanken in Erinnerungen an ihre Vergangenheit. Nur Talbo seufzte einmal tief auf, und Keddels Augen hatten einen feuchten Schimmer. Cay und Teth saßen eng nebeneinander. Sie starrten auf die Männer, die nicht mehr zu leben schienen, sondern mit dem Gedanken an das Ende eines großen, wunderbaren Volkes
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anscheinend auch ihre Seele verloren hatten. Cay hielt es nicht mehr länger aus. Er sprang auf. »Talbo!« rief er laut. »Keddel! Rignor! Dinal! Thuran! Kommt!« Sie öffneten nur müde die Augenlider, sahen ihn kurz und düster an, um wieder in ihre alte Stellung zurückzusinken. Cay setzte sich wieder hin. »Ich verstehe sie«, murmelte er zu Teth. »Unsere Rasse ist tot!« * In diesem Augenblick wurden sie durch ein Geräusch aufgeschreckt, das ihnen allen so bekannt war. Es drang durch die gläsernen Scheiben und gelangte an ihre Ohren, wie der Laut einer neugeborenen Welt. Unguh rief sie in seiner unverständlichen Sprache. Keddel erhob sich und ging zu den Fenstern hinüber, schaute hinaus. Dann drehte er sich um und sagte: »Unguh darf nicht zu nahe an das Haus kommen. Ihr versteht?« Cay nickte und erhob sich. Mit schleichenden Schritten begab er sich zu seinem Zimmer und kehrte mit dem Paralysator zurück. Er öffnete das Fenster, vor dem Unguh stand und ihn mit drängenden Gebärden dazu aufforderte, ihm zu folgen. Cay verstand. Unguh wollte ihm zeigen, wie gut er Feuer zu machen verstände. Aber Unguh verstand nicht. Er fiel zwar rücklings auf den Boden, als Cay den Auslöser drückte, aber er lief nicht davon, als er sich wieder erhoben hatte. »Unguh!« rief er wütend. »Unguh!«
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Cay schickte ihm erneut den geschwächten Strahl entgegen. Wieder fiel Unguh, aber er wich nicht. Breitbeinig stand er vor dem Fenster, fletschte die gelben Zähne. Cay schoß ein drittes Mal. Nun rannte Unguh davon, blieb etwa fünfzig Meter von dem Haus entfernt stehen und schaute zurück. Langsam dämmerte ihm die Erkenntnis, daß jene in dem Haus ihn geschlagen hatten. Noch niemals hatte man Unguh so mißhandelt, die tierische Wut kroch in ihm hoch Er leckte sich das Maul und dachte an das Tier, das er eben noch getötet hatte. Das rohe Fleisch hatte ihm gemundet. Warum sollte er nicht auch jene Tiere in dem Haus töten können? Rache! Das war es was er dachte: Rache! Aber er vermochte nicht, klar zu denken Und ganz bestimmt nicht konnte er gleich zwei Dinge auf einmal denken. Es war wohl noch zu früh dazu. Und so sahen die dreißig Marsianer, wie Unguh sich langsam im Gras niederließ und mit seinen beiden Holzstückchen zu spielen begann. * Sie setzten sich wieder an die lange Tafel, die Gläser begannen erneut zu klingen, und vereinzeltes Gespräch flackerte auf. Hin und wieder lachte sogar jemand. Sie hatten Unguh ganz vergessen. Nur Talbo und Keddel tranken nicht, beteiligten sich nicht an einem Gespräch. Es schien, als ob sie auf etwas warteten. Cay bemerkte es und vergaß ebenfalls das Trinken, das die anderen bereits mit schwerer Zunge reden ließ. Und dann hörte er plötzlich das Knistern und das feine Rauschen, das von draußen zu ihnen hereindrang. Entsetzen packte ihn, er sprang auf seine Füße und starrte hinaus in die Steppe, hinüber zum Wald.
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Rote, riesige Flammen fraßen sich mit unheimlicher Schnelle auf das Haus zu, Rauchschwaden begannen es einzuhüllen. Cay blickte zu Keddel, sah, daß dieser lächelte und mit dem Kopf nickte. Er wartete. Und dann erst bemerkten die anderen, denen der Wein einen schweren Kopf gegeben hatte, das Feuer. Sie waren sofort nüchtern und sprangen von ihren Sitzen hoch. Sie empfanden das Feuer als eine Bedrohung des Lebens. Nicht so jedoch Cay, Talbo, Teth, Keddel und einige andere, deren Beispiel der besonnenen Ruhe die restlichen bald ansteckte. »Unguh!« sagte Keddel leise und mit träumerischer Stimme. »Er hat diese Welt gerettet – denn Feuer ist reinigend!« Er schritt auf seine Gefährten zu, gab jedem einzelnen die Hand und drückte ihnen dabei eine kleine, flache Kapsel in die widerstrebenden Finger. »Leb wohl, Talbo! Auf Wiedersehen, Duran! Macht es gut, Dinal und Dray! Und auch du, Teth!« Er küßte sie und wandte sich schnell ab. »Setzt euch wieder hin!« befahl er dann, und sie gehorchten, als seien sie hypnotisiert. Er blieb stehen und betrachtete sie voller Mitleid und Verständnis. Die ersten Hitzewellen strömten über den Tisch, versengten ihre Haut. Die andere Hälfte des Hauses brannte lichterloh. Unguh hatte wirklich diesmal ein gewaltiges Feuer gemacht. Sie konnten nicht wissen, was in seinem Kopf vorgegangen war, als er diesmal die Holzstückchen aneinander rieb, aber sie sahen das Ergebnis. Keddel lehnte sich vor. Seine Stimme war heiser, als er sagte: »Da ist noch ein Schluck Wein in den Gläsern. Damit könnt ihr die Tablette hinabspülen. Seht, ich mache es euch vor!« Und er legte die Kapsel auf seine Zunge, setzte das Glas an und trank. Die Kapsel war verschwunden, als er das Glas absetzte.
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Einer nach dem anderen folgten sie seinem Beispiel. Die Hitze wurde unerträglich. Cay hatte Teth und sich je eine Kapsel in den Mund geschoben und Teth das Glas in die Hand gegeben. Dann tranken sie. Teth lächelte ihm dabei zu. Ihr Blick fiel auf die Reste des Mahles und auf die Geschenke, die Cay ihr gebracht hatte. Darunter auch eine runde, goldgelbe Frucht mit saftigem, schmackhaftem Fleisch und schwarzen Kernen. Sie zeigte auf diese Frucht. »Sie war so lecker, Cay. Ich danke dir für deine Liebe – und für diese Frucht. Ich danke dir auch für den Tod, den ich schon nahen fühle. Oh, es ist so gräßlich warm. Nicht mehr lange wird es dauern – « Cay zog sie in seine Arme. Als der Rest des Hauses in die hell auflodernden Flammen stürzte, tanzte draußen Unguh wie wild auf dem heißen Grasboden hin und her und trommelte sich mit den Fäusten auf die haarige Brust. Immer wieder würde er ein solches Feuer machen können! Und nicht nur er, sondern auch seine Stammesgenossen. Er würde es sie schon lehren! Aus dem Amerikanischen von Walter Ernsting
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DER INTEGRIERENDE FAKTOR von Jesco von Puttkamer eine SF-Kurzgeschichte Es scheint im Wesen der menschlichen Natur zu liegen, daß man seine Fehler erst dann erkennt, wenn es zu spät ist. Auch die Fehler, die das Ende bedeuten können! Es gab in der Geschichte zahlreiche Persönlichkeiten, die gegen die Ignoranz der Mehrzahl der Menschen ankämpfen wollten – ein Kampf, der schon bei seinem Beginn zur Nutzlosigkeit verdammt war, weil er sich gegen das traditionelle Gebaren der Menschen selbst richtete. Traditionell – so nannte man das Desinteresse, das der Mensch bevorstehenden Umstürzen in seinem Weltbild entgegenbrachte so nannte man die Inkonsequenz, mit der er seine Entschlüsse faßte. Mancher hat sich aufgerieben in diesem erfolglosen Kampf, der von zu wenigen oder zu unbedeutenden Leuten geführt wurde, so daß ihre Stimmen ungehört verhallten. Und warum verhallten sie? Die Menschheit war nicht interessiert – sie brachte nicht die Konsequenz auf, aus den vorliegenden Tatsachen auf die zukünftige Entwicklung zu schließen. Die Mehrzahl von ihnen fuhr weiter fort, sich an die Tradition gebunden zu fühlen und dementsprechend zu handeln. Ich erinnere nur an die Entwicklungsjahre der Weltraumfahrt! Sie wissen es wohl auch noch. Die Presse überschlug sich damals tagtäglich mit Nachrichten und Prognosen über die erste Raketenfahrt zum Mond, und die Menschheit gab sich den Anschein, als ob sie interessiert aufhorchte. Und doch – als man in dem Land, in dem kurz darauf das erste Raumschiff gebaut wurde, eine Umfrage veranstaltete und der Bevölkerung die Frage vorlegte: »Glauben Sie, daß in den nächsten fünfzig Jahren bemannte Raketen den Mond erreichen werden?«, wurde die Apathie der Menschen sichtbar: 11 Prozent der Befragten
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besaßen überhaupt keine Meinung, und 51 Prozent antworteten mit einem »Nein!« – Tatsächlich vergingen keine zwanzig Jahre, bis John Davis zum Mond startete und dort auch Fuß faßte. Daß er niemals zurückkehrte, spielt hier keine Rolle. Ich könnte noch weitere Muster der beklagenswerten Traditionsgebundenheit hominis sapientis anführen, aber ich beschränke mich auf ein einziges Beispiel: auf das Beispiel, dessen Auswirkungen das Ende unserer Menschheit, wie wir sie kannten, herbeiführte. Wie viele Menschen selbst in dieser entscheidenden Stunde an ihrer Ignoranz festhielten, ist mir unbekannt – eines aber weiß ich gewiß: Ich war nicht darunter. Denn ich kannte ja das ›Gehirn‹! Es begann für die Öffentlichkeit damit, daß der 27. Juni 2047 in der Weltpresse mit allen möglichen wohlklingenden und heroischen Attributen versehen wurde. Die Menschheit konnte wählen zwischen ›Höhepunkt eines neuen Zeitalters‹, ›Die Entscheidung auf dem Gebiete der Kybernetik‹ und ›Das Idol aller Grübler – der Maschinendenker‹. Abgesehen von der sensationellen Poetik dieser Pressemeldungen mußten auch nüchtern Denkende zugeben, daß der 27. Juni 2047 einer der interessantesten und spannendsten Tage ihres bisherigen Lebens gewesen war. Einer von diesen war ich. Denn für mich bedeutete dieser Tag den Höhepunkt meines Lebens und meiner Laufbahn überhaupt. Es war der Tag, an dem das ›Gehirn‹ in Tätigkeit gesetzt wurde. Die Feier, die damit zusammenhing, war großangelegt und prächtig – zweifellos! Aber die Hauptperson dieser Veranstaltung beteiligte sich nicht daran. Ein Robotgehirn gibt sich nicht mit lächerlichen Sektfeiern ab. Das ›Gehirn‹ war nach zehn Jahren angestrengter Arbeit fertiggestellt worden, besaß rund 80.000 Elektronenröhren und Transistoren, und setzte sich aus über einer Million weiterer
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Einzelteile zusammen. Sein Gewicht lag irgendwo zwischen 3000 und 5000 Tonnen, und seine äußeren Abmessungen glichen denen eines kleinen Wolkenkratzers. Es benötigte ein eigenes Großkraftwerk und eine separate Pumpstation, die ihm Kühlwasser in Niagarafall-Mengen zuführte. Und ich war es, dem man den Posten des Wächters, Vormunds, Agenten und Anwalts des ›Gehirns‹ anvertraute – eine Aufgabe, vor der ich im ersten Augenblick unwillkürlich erschrak. Denn mein Schützling stellte die riesenhafteste Denkmaschine dar, die jemals konstruiert worden war. Sie verstand es, schneller, besser und mehr zu denken, als der beste Grübler unter den Menschen. Sie besaß ihr eigenes Gedächtnis – gigantische Aluminiumtrommeln, mit einer magnetisierbaren Oberfläche, die das gesamte Wissen der Menschheit enthielten. Es fiel mir in den ersten Tagen beträchtlich schwer, meinem Amt nachzukommen. Das ›Gehirn‹ allerdings machte mir keine Mühen, im Gegenteil, es überraschte mich durch seine Kooperation. Die Schwierigkeiten kamen von den Klienten des ›Gehirns‹. Kaum war es nämlich zum öffentlichen Gebrauch freigegeben, trafen aus der ganzen Welt rudelweise Menschen ein, die eine Antwort auf ein sie bedrängendes Problem haben wollten. Wie ich mich erinnere, war die meistgestellte Frage von der Art: »Wie werde ich schnell reich?« Wo all die Menschen herkamen, weiß ich nicht. Die ›Gehirn‹Gesellschaft hatte es ihnen – weiß Gott! – nicht einfach gemacht. Die Gebühr für eine Frage – Umfang allerdings beliebig – betrug eine runde Million Dollar, mit besonderen Tarifen hinsichtlich Verspätungen und Eilaufträgen. Es war meine Aufgabe, den Klienten zu empfangen, seine Papiere zu prüfen, inklusive der Quittung über die bezahlten Gebühren, und mir dann das Problem vorzunehmen, das ihn quälte. Diese Arbeit wurde für mich bald zur Routine und verlief
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einigermaßen erträglich. Tagtäglich kamen die Antragsteller zum ›Gehirn‹, legten ihre Frage vor – die dem ›Gehirn‹ auf einer Spezialschreibmaschine mitgeteilt wurde –, erhielten in Sekundenschnelle ihre Antwort und zogen – meistens! – befriedigt ab. Was mich in jener Zeit dann und wann in äußerste Anspannung versetzte, waren die häufigen Sabotageversuche, die auf das ›Gehirn‹ unternommen wurden. Glücklicherweise hatte keiner von ihnen Erfolg. Das ›Gehirn‹ war so gebaut, daß es sich selbst gegen fremde Eindringlinge schützen konnte – sich, seine Kraftstation, sein Pumpwerk und seine Mitarbeiter, darunter mich. Trotzdem fielen die Sabotageversuche nicht weiter auf – damals! So etwas war immer vorgekommen, in allen möglichen Zweigen der Technik. Warum nicht auch hier? Ich war mir klar darüber, daß manche Organisationen – religiöse Sekten, Wirtschaftskreise, politische Zirkel – mit der Existenz des ›Gehirns‹ nicht einverstanden waren. Aber bald fielen mir doch einige Dinge auf – nicht direkt im Zusammenhang mit meinem Schützling. Da war zunächst die erste interstellare Expedition, die nach dem Andromeda-Nebel starten sollte, aber im letzten Augenblick wegen eines Versagens ihres Raumschiffes abgesagt werden mußte. ›Sabotage!‹ munkelte man. Aber ich erfuhr nie Genaueres. Jedenfalls war die Raumfahrt außerhalb unseres Sonnensystems mit diesem Ereignis um Jahre verzögert. Kurz darauf erlag der Präsident der Vereinigten Staaten einem Attentat. Der Täter wurde niemals gefunden. Er war kurz nach dem Angriff unter rätselhaften Umständen verschwunden. Es gab noch weitere Vorfälle, die mir in jener Zeit auffielen: Die wachsende Zahl der Atombombenexplosionen für Versuchszwecke, die trotz der Warnung bedeutender
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Wissenschaftler stattfanden, und die daraus resultierende fortschreitende Verseuchung unserer Atmosphäre, die Hitzeund Kältewellen, die um den Erdball gingen und keine ersichtliche Ursache hatten, das statistische Ansteigen der Verbrechen in der ganzen Welt, die steigende Unruhe der Bevölkerung, die sich in häufigen Massenhysterien, äußerte. Und dann fiel mir die Vergangenheit ein. Ich dachte an das erstmalige Auftauchen der sogenannten ›Fliegenden Untertassen‹, an das oft gemeldete, aber nie aufgeklärte Verschwinden von Menschen, ja von ganzen Schiffen und Flugzeugen, an die Sabotageakte im Gebiete der Strahltriebwerkstechnik, und an die Katastrophen, deren Ursache niemand zu erklären vermochte. Ich verharrte atemlos vor diesen Tatsachen. Was bedeuteten all diese Vorfälle der letzten hundert Jahre? Waren sie auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen? Was hatten sie gemeinsam? Der bloße Instinkt sagte mir in jenem Augenblick, daß es hier einen roten Faden gäbe, der durch diese Tatsachen und Vorfälle hindurchführt. Ich hatte mein Material geordnet und hatte die feste Absicht, diese Angelegenheit etwas näher zu untersuchen. Was lag den zahlreichen unerklärlichen Vorfällen zugrunde? Gründeten sie sich vielleicht darauf, daß der Mensch geistig nicht mehr mit der fortschreitenden Technik Schritt halten konnte? Oder hatte er in den letzten Jahrhunderten tief begründete Veränderungen durchgemacht, und worauf wären diese zurückzuführen? Das mußte jetzt untersucht werden! Es war mir ohne weiteres klar, daß nur das ›Gehirn‹ auf dieses Problem antworten konnte. Ich wartete einen Augenblick ab, in dem die Reihe der wartenden Klienten abgefertigt war und keine weiteren Antragsteller mehr eintrafen. Da ich ohnehin die Aufgabe hatte, das ›Gehirn‹ in solchen Momenten der Flaute weiterhin in
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Tätigkeit zu halten, stand meinem persönlichen Problem nichts im Wege. Die Aufgabenstellung erwies sich als sehr umfangreich. Mein Stab von Ingenieuren arbeitete einige Wochen daran, das Material vorzubereiten. Zunächst mußten dem ›Gehirn‹ Anweisungen gegeben werden, die es veranlaßten, alle mich interessierenden Tatsachen und Vorfälle aus seinem gigantischen Gedächtnis hervorzukramen. Als es schließlich die Unmenge von Berichten über Katastrophen, das Verschwinden von Menschen, Auftauchen von unerklärlichen Phänomenen, unmotivierte politische Morde usw. usw. durchgekaut hatte, legte ich ihm meine Frage vor: »Zu suchen ist ein integrierender Faktor für all diese Angaben!« Die nun folgende Wartezeit war für mich eine Qual. Ich war es gewöhnt, vom ›Gehirn‹ eine Frage in Sekundenschnelle beantwortet zu bekommen – aber diesmal brauchte es drei volle Tage. Dann kam seine Äußerung. Vor lauter Aufregung und Spannung war ich während dieser drei Tage kein normaler Mensch mehr gewesen. Als aber nun die Antwort knapp und tödlich vor mir lag, nahm ich sie zunächst recht unbewegt hin. Die automatische Selbstverständlichkeit, mit der sie das ›Gehirn‹ niedergeschrieben hatte, war für mich ansteckend gewesen. Aber dann drang jeder Sinn der Meldung in mein Bewußtsein, und ich hielt den Atem an. * »Die Integration der Aufgabe ist vollständig und eindeutig. Der gesuchte integrierende Faktor für die Angaben ist wie folgt: Die Erde steht kurz – etwa drei Monate – vor einer Invasion von Wesen, die aus dem äußeren Weltraum kommen. Es leben
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bereits seit etwa 100 Jahren einige von ihnen unter den Menschen, um den Überfall vorzubereiten. Es ist zu berichten: Nach Bekanntgabe dieser Mitteilung wird sich die Zeit, die bis zur Invasion verstreicht, auf die Hälfte verringern!« * Also anderthalb Monate! Das ließe sich noch machen. Ich setzte mich sofort mit der ›Herald Tribune‹ in Verbindung. Wie die Nachricht von der Presse aufgenommen wurde, ist bekannt. Wir gaben dem ›Gehirn‹ noch einmal das gleiche Problem. Die Antwort war identisch mit der ersten Lösung. Die Reaktion der Menschen war niederschlagend. Einige Geheimdienste stürzten sich zwar mit doppeltem Eifer in die Untersuchungen, aber es fehlte das Wichtigste: die Mitarbeit der Völker, der ganzen Menschheit. Die Mehrzahl kümmerte sich nicht im geringsten um die Bekanntgabe des ›Gehirns‹; sie verlachten die Denkmaschine, nannten sie einen SuperPhantasten und lebten weiter im Gefühl ihrer Sicherheit – ignorant und traditionsgebunden. Ihr Desinteresse, ihre Apathie wurde sichtbar, als nach eineinhalb Monaten tatsächlich die Invasion stattfand. Die Irgeks, seltsame körperlose Wesen aus dem Andromedanebel, fielen über die Erde her, und nur geringer Widerstand stellte sich ihnen entgegen. Seit jener Zeit lebt die Menschheit in Sklaverei, unterjocht von den außerirdischen Teufeln. Ihre Zahl nimmt rapide ab, seitdem die Irgeks die Geburten kontrollieren. Ab und zu erinnert sich noch einer an das ›Gehirn‹ und an die Prognose, die es stellte, aber es ist zu spät. Das erste, was die Irgeks auf der Erde unternahmen, war die Demontage des ›Gehirns‹.
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DAS ANALYTISCHE LABOR Unter der Leitung des Editors erscheint das Analytische Labor regelmäßig in dem neuen UTOPIA-SF-MAGAZIN. Hier soll mit Ihrer Hilfe der Inhalt unseres Magazins analysiert und die Reaktion des Lesers auf die einzelnen Kurzgeschichten und Beiträge festgestellt und statistisch erfaßt werden. Um Ihnen Gelegenheit zu geben, an der Gestaltung Ihres Magazins durch Vorschläge und fruchtbare Kritik mitzuwirken. veröffentlichen wir in jeder Ausgabe innerhalb des Analytischen Labors eine sogenannte ›Check List‹, mit der wir Sie heute zum erstenmal bekannt machen. Da das Wort ›Statistik‹ ein für unsere Zwecke etwas zu bürokratischer Hauch umgibt, haben wir den neuen aus dem Amerikanischen stammenden Begriff ›Check List‹ ausgewählt und unsere kleine Aufstellung ›Science-Fiction Check List‹ getauft (siehe Seite 126). In die dafür vorgesehenen Quadrate wird die Stellenzahl gesetzt, die man jeder Geschichte zuteilt. Die Story, die am besten gefallen hat und die an erster Stelle steht, erhält die Zahl 1. Die nächstbeste Geschichte bekommt folglich die Zahl 2 und so weiter bis zur Kurzgeschichte, die Sie an die letzte Stelle verweisen. In der UTOPIA-Redaktion wird nach Eingang aller Aufstellungen oder ›Check Lists‹, wie wir sie nennen wollen, die Auswertung vorgenommen. Für jede Kurzgeschichte wird die Summe der für sie abgegebenen Zahlen festgestellt und durch die Gesamtzahl der Einsendungen geteilt. Wir erhalten dann die durchschnittliche Stellenzahl auf zwei Dezimalstellen ausgerechnet. Wissenschaftliche Beiträge und Artikel fallen nicht unter diese Bewertung. Auf der ›Check List‹ kann jedoch der Artikel angekreuzt werden, der neben den bereits beurteilten
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Kurzgeschichten am besten gefallen hat. Aber bitte nur einen Artikel ankreuzen, da sonst eine Auswertung erschwert wird. In der nächsten Ausgabe unseres Magazins werden dann die Ergebnisse dieser Leserbefragung veröffentlicht. Wir sind davon überzeugt, daß alle Leser von ihrer ›Check List‹ Gebrauch machen werden. Ihre Stimme kann entscheiden, welche Kurzgeschichte den ersten Platz einnehmen soll. In den folgenden Ausgaben des UTOPIA-SF-Magazins werden Sie dann weitere Beiträge von den Autoren wiederfinden, die durch Ihre Stimme die ersten drei Plätze in der Stellenbewertung erzielen konnten. Durch unsere ›Check List‹ wird es Ihnen, dem Leser, ermöglicht, an der Gestaltung des UTOPIA-SF-Magazins mitzuwirken. Bitte senden Sie uns Ihre ›Check List‹ bis spätestens 31. Juli. Name und Adresse des Absenders sind nicht erforderlich. Für die Angabe Ihres Alters wäre Ihnen der Verlag sehr dankbar.
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SCIENCE-FICTION-CHECK-LIST zum Analytischen Labor SF-KURZGESCHICHTEN Die schwarzen Höhlen des Mondes Du sollst die Zukunft schauen Nullpunkt Ewige Wiederkehr Der Pionier Vorstoß ins Nichts Ende der langen Reise Unguh machte ein Feuer Der integrierende Faktor
ARTIKEL Hugo Gernsback, der Vater der Science-Fiction Die Planeten des Sonnensystems: Merkur Der utopische Film in Hollywood Projekt Vanguard Gibt es eine Grenze des Universums? Morgen stoßen wir in den Weltraum vor (bitte nur einen Artikel ankreuzen!) Alter des Einsenders…………………. Bis spätestens 31. Juli als Drucksache einzusenden an den Erich-Pabel-Verlag, Rastatt (Baden).
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