Kosmischer Abgrund
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Kosmischer Abgrund
STAFF CAINE Mit einer gewaltsamen Landung auf dem Planeten Cut-out hat Ren Dhark ungewollt die Sicherung für ein planetarisches Abwehrsystem der Mysterious herausspringen lassen. An 182 Orten der Galaxis beziehen riesige Anlagen Energien von ihrer Sonne. Doppelkugelraumer der schwarzen Weißen, die dieses Phänomen ergründen wollen, werden im Feuer der Abwehrbatterien zerstrahlt. Dro Cimc, der schwarze Weiße, der sich an Bord der POINT OF befindet, befürchtet einen Vernichtungsangriff der Telschen Flotte auf Terra. Der Commander will das um jeden Preis verhindern und verlangt von Dro Cimc die Koordinaten seines Heimatplaneten, um mit dem Vank der Tels zu verhandeln. Dro Cimc gibt nach, gleichzeitig warnt er aber vor der Uneinsichtigkeit des Rechengehirns Kluis, das die endgültigen Entscheidungen trifft. Als die POINT OF auf Cromar, der Heimatwelt der schwarzen Weißen, landet, scheinen sich die Befürchtungen Dro Cimc' zu bewahrheiten. Ren Dhark und seine Leute werden vom Kluis zum Tode verurteilt. Doch den Terranern gelingt es, sich zu befreien und den Kluis in ihre Hand zu bekommen, so daß sie die schwarzen Weißen zu Verhandlungen zwingen können, nachdem auch die Terranische Flotte über Cromar steht. Seit die Nogk den Planeten verlas sen hatten, war Nogk II eine Welt des Schweigens. Tag für Tag wanderte die blaugrüne Feuerkugel der Sonne Tantal über die hitzeflimmernden Wüsten. Un barmherzig brannten ihre heißen Strah len auf die Ruinen der Nogkstädte he rab. Ihre wie grünliches Glas wirken den, viele hundert Meter hohen Mauern funkelten. Und wenn sich nach einem langen Tag endlich die gewaltigen, tief schwarzen Schatten der Ringmauern in der hereinbrechenden Dunkelheit verlo ren, wenn die Nacht über den hitzeflim mernden Planeten kroch, dann glühten die Ringstädte immer noch. Wie phos
phoreszierende Mammutkrater standen sie in der Dunkelheit unter den funkelnden Sternen. Erst mit der Kühle der letzten Stun den vor Sonnenaufgang, wenn sich das Schwarz des Himmels wieder in ein blasses Grün verwandelte, erlosch die ses Leuchten. Zwischen den Ringstädten, halb verdeckt und zugeweht von rotbraunem Flugsand, lagen die stummen Zeugen eines unbarmherzigen Kampfes gegen jene schattenhaften Invasoren, denen die Nogk schließlich weichen mußten: die Wracks völlig zerstörter und defor
mierter eiförmiger Raumer. Manche der Schiffe waren über sechshundert Meter lang und an der mächtigsten Stelle ihres Druckkörpers fast vierhundert Meter stark. Nogk II war eine Welt des Schwei gens geworden, eine Welt des Todes. Jedenfalls schien es so, denn nichts reg te sich auf seiner Oberfläche in den lan gen Stunden des Tages und in den von den Torsos der Ringstädte gespenstisch durchglühten Nächten. Als die blaugrüne Sonne ihre fun kelnde, gleißende Scheibe über den Ho rizont des neuen Tages schob, durchlief die braungelb gepunktete Puppe das erste heftige Zucken. Ihr lederartiger, gut zwei Meter langer Körper stemmte sich gegen die Wände ihrer gläsernen Zelle. Die zwei kurzen Stummelfühler begannen sekundenlang zu zittern. Dann krümmte sich die Puppe erneut zusammen. Mit aller Gewalt stemmte sich ihr Körper gegen die beiden kreisrunden, deckelartigen Verschlüsse ihres Gefäng nisses, während es unter den Ringglie dern der Haut zu arbeiten begann. Mit hellem, berstendem Geräusch sprang der Deckel ab und flog gut zwanzig Meter durch die Luft. Genau der Sonne entgegen, die jetzt ihre ersten Strahlen auf die gewaltigen Ringmauern der einstigen Hauptstadt der Nogk warf, vor der die Puppe in ihrer Zelle Monat um Monat gelegen hatte. Vergessen von den Nogk, übersehen von den Meegs, den Bewahrern des Lebens dieser Ras se. Die Puppe streckte sich. Dann, nachdem ein Teil ihres Körpers sich aus der Zelle hervorgeschoben hatte, lag sie still. Es war, als müsse sie sich von der gewaltigen Kraftanstrengung erholen, die sie eben vollbracht halte.
Nach einer Weile, als die blaugrüne Sonne Tantal schon hoch über dem Ho rizont der rotbraunen Wüste stand, be gann es erneut in ihr zu arbeiten. Wie der krümmte sich ihr Raupenkörper zu sammen. Mit kräftigen, schiebenden und sto ßenden Bewegungen glitt sie endgültig aus ihrer Zelle und kroch einige Meter in die Wüste hinaus. Abermals blieb sie scheinbar er schöpft liegen, während es unter den Ringgliedern ihres Körpers zu pulsieren begann. Nach einer knappen Viertel stunde bildete sich dicht hinter ihren Stummelfühlern eine wulstartige Verdi ckung. Und dann, von einer Sekunde zur anderen, platzte die Puppenhülle auf. Ein metallisch glänzender, Kobalt blau leuchtender Kopf schob sich aus der Hülle hervor. Wo sie nicht nachgab, halfen seine scharfen Beißzangen nach. Der Kopf besaß Ähnlichkeit mit dem ei ner überdimensionalen Libelle, erinner te aber auch an ein schönes, bunt glit zerndes Reptil. Eine halbe Stunde später lag die lee re und jetzt völlig leblose Hülle neben dem Kobaltblau, schillernden Wesen, das eine seltsame Mischung aus Insekt, Reptil und Humanoiden war, etwas über zwei Meter groß, langbeinig, schlank, mit kräftigen Armen, an deren Enden sich vierfingrige Hände in den langsam heißer werdenden Sand krallten. Seine äußere Form wies das Wesen ohne jeden Zweifel als einen Nachkom men der Nogk aus. Nur daß es nicht wie seine Erzeuger eine lederartige, braune Haut mit gelben Punkten besaß, sondern einen geschmeidigen, Kobaltblau Kör per, der im gleißenden Licht der Sonne Tantal metallisch schimmerte. Abermals einige Minuten später en trollten sich auf dem Kopf des eben ge
schlüpften Nogk zwei Paar langer Füh ler, die sich sofort aufrichteten und un ruhig zu pendeln begannen. Dann, über gangslos, erhob sich der Nogk. Seine schwarzen Facetlenaugen starrten in die grünblaue Sonne, erfaß ten die in ihrem Licht leuchtenden Ringmauern der zerstörten Stadt, glitten über die Raumerwracks, die die ganze Wüste übersäten, und starrten schließ lich in den grünlichen Himmel. So erfaßte der Nogk schon in der Stunde seiner Geburt, daß er sich allein auf diesem Planeten befand. Mit den ra schen, eigentümlich gleitenden Bewe gungen seiner Rasse ging er ein paar Schritte in die Wüste hinein. Im Gegen satz zu einem neugeborenen Menschen war sein Gehirn nach der Verpuppungs zeit sofort voll ausgebildet. Außerdem verfügte es über etliche Informationen, die jetzt nach und nach in sein Bewußtsein drangen und sich zu scharfen, unmißverständlichen Anwei sungen formten. Die beiden Fühlerpaare des Nogk begannen unruhig zu spielen. Noch war er zu kurze Zeit auf dieser Welt, um alle Informationen in seinem Gehirn auszu werten, aber es formte sich ein Bild da rin, das mit den Realitäten im Wider spruch stand. Der Nogk begriff, daß er sich auf einer Welt befand, für die das über Hypnodetektoren eingespeicherte Wissen nur sehr bedingt galt. Er gab sich in diesem Augenblick den Namen jener Sonne, deren leben spendende Strahlen seine lange Ent wicklung vom Ei über die Larve bis zum erwachsenen Nogk ermöglicht hat ten. Tantal lauschte mit seinen scharfen Sinnen in die Stille des hitzeflimmernden Planeten hinein. Anfangs verworre ne Bilder formten sich rasch zu einem
Mosaik, das ihm sehr schnell die Ver gangenheit seiner Rasse enthüllte. Tan tal wußte, daß er unter einer fremden, von seinem Volk Charr genannten Son ne von einem Nogk gezeugt worden war, den die übrigen Charaua nannten und der eine wichtige Rolle im nogkschen Imperium spielte. Aber Tan tal wußte auch, daß er unter den Strah len der vielen Sonnen, unter deren Licht er während der Flucht seiner Rasse die verschiedenen Entwicklungsstadien durchlaufen hatte, abermals mutiert war. Zu etwas anderem. Zu etwas, das vom bisherigen Bild seiner Rasse abwich, nicht nur in der äußeren Erscheinungs form. Tantal wußte noch nicht, welche Fä higkeiten seine Mutation ihm tatsäch lich verlieh. Er verlor keine Zeit. Mit der seiner Rasse eigenen Schnelligkeit und Ener gie begann er, sich auf die funkelnden Ringmauern der vor ihm liegenden Stadt zuzubewegen. Irgendwie spürte er, daß sie trotz aller Zerstörungen in ih ren Tiefen noch Dinge verborgen hielt, die für ihn von äußerster Wichtigkeit sein würden, wenn er überleben wollte. Und dazu war Tantal fest entschlossen. Noch während er sich schneller und schneller fortbewegte, ergriff ein unbe zähmbarer Lebenswille von ihm Besitz, der sich mit etwas anderem. Dunklem vermischte - etwas, das Tantal trotz aller Bemühungen nicht zu erkennen oder zu deuten vermochte. Er verschwand im tiefschwarzen Schlagschatten der Ringmauern. Nur die leblose Hülle seiner Puppe blieb un ter den sengenden Strahlen der Sonne Tantal zurück. Ihre Haut streckte sich, während das grelle Licht sie mehr und mehr erhitzte. Und jenes leise, trockene Knistern war das erste Geräusch seit vielen Monaten, welches die Totenstille
des Planeten durchbrach ... * Marschall Bulton, Colonel Huxley und Colonel Clark starrten dem Pyrami denraumer nach, der von der Piste Cent Fields, des größten Raumhafen Terras, abhob und dann unter starker Beschleu nigung der dünnen Wolkendecke entge genjagte. »Gehen wir!« sagte Marschall Bul ton schließlich und zog unbehaglich die Schultern hoch. Von Norden her pfiff ein eiskalter Wind über den Raumhafen, zu kalt selbst für diese fortgeschrittene Jahreszeit. Normalerweise schien auch Ende Oktober noch eine warme, helle Sonne über Cent Field und der ganz in der Nähe des Raumhafens gelegenen Stadt Alamo Gordo. Bulton stapfte los, ohne auf die Colonels zu warten. Huxley warf einen Blick auf die Sil houette der Stadt. Ein Loch in der Wol kendecke enthüllte eine der vielen riesi gen Wohnkugeln, die auf ihren schlan ken Stielen weit über tausend Meter hoch in den Himmel gebaut worden wa ren. Seinem Kameraden, einem unter setzten, bulligen Mann, entging der Blick nicht. Colonel Clark kannte die Schwäche Huxleys für jene komfortab len Wohnkugeln in luftiger Höhe, die langsam auf ihren achtzig Meter dicken Türmen rotierten und durch die Panora mafenster der hübschen und außeror dentlich behaglich eingerichteten Woh nungen einen herrlichen Ausblick über die umliegende Landschaft ermöglich ten. Clark wußte, daß der sonst so eisen harte Huxley eine romantische Ader be saß. Vielleicht war das ein Grund dafür, warum er ein so ausdauernder, begeis terter Raumfahrer war, der ohne das große Abenteuer zwischen den Sternen
nicht mehr zu leben vermochte, ganz gleich, welche Gefahren und Strapazen es ihm abverlangte. Huxley besaß ein Apartment in einer jener Wohnkugeln. Dort wohnte er, wenn er sich auf der Erde aufhielt und nicht mit seinen Män nern irgendwo in den Tiefen des Alls herumflog. »Nehmen wir heute Abend einen Schluck da drüben, Huxley?« fragte er lächelnd. »Wenn Sie Lust haben, herzlich gern, Clark! Ich lade Sie ein!« nickte Huxley. »Aber es wird spät werden heu te. Ich habe noch einige Dinge mit dem Marschall zu besprechen und muß an schließend noch an Bord meines Schif fes. Hoffe ich jedenfalls. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich jetzt begleiten würden, Clark!« Der bullige Colonel stutzte. Es kam nur äußerst selten vor, daß Huxley je manden um Schützenhilfe bat. Wenn es aber geschah, dann hatte er auch einen gewichtigen Grund dafür. »Wegen der Weisheit der Utaren?« fragte er daher und legte unwillkürlich den Kopf in den Nacken, um dem Pyra midenraumer noch einen Blick nachzu werfen. Huxley schüttelte den Kopf. »Nein, Clark!« erwiderte er. »Daß bei dieser Beratung trotz des guten Willens der Utaren nicht viel herauskommen konn te, lag auf der Hand. Man kann keinen Schlachtplan zur Vernichtung eines Gegners schmieden, von dem man nichts weiter weiß, als daß er unsichtba re Kugelstationen besitzt, die sich jeder Ortung zu entziehen vermögen, den man einfach „die Schatten“ nennt, weil man nicht einmal die Besatzungen ge nau zu erkennen vermag, und von deren Herkunft und Absichten man absolut keine Ahnung hat!«
Huxley sah seinen Begleiter an. »Natürlich werden uns die Utaren unter Umständen eine große Hilfe sein, aber eben nur unter Umständen. Und darauf, ob es sich nun so ergibt oder nicht, kön nen wir nicht warten. Ich habe etwas anderes vor! Und genau das will ich jetzt gleich dem Marschall plausibel machen. Das ganze Gerede am grünen Tisch, die ganzen Debatten ins Leere haben keinen Sinn!« Clark, seit einigen Wochen wieder im Dienst, sah den grauhaarigen Kampfgefährten der letzten Schlachten gegen die Schatten an. Seine Augen zo gen sich unwillkürlich zusammen. »Wenn ich Sie richtig verstehe, Huxley, dann wollen Sie zu den Nogk! In jenes System in der Grauen Zone zwischen unserer Milchstraße und der Andromeda-Galaxis!« Huxley nickte. »Genau das habe ich vor. Reet, der neue Wohnplanet der Nogk, hat gemeldet, daß drei der hoch modernen und durch ihre ultimativen Waffen selbst für die Schatten nahezu unangreifbaren Ellipsenraumer vom Typ meiner CHARR spurlos ver schwunden sind. Mir schwant Böses, Clark! Ich will und muß wissen, was bei den Nogk los ist!« Während ihres Gespräches hatten die beiden Männer den Marschall ein geholt. Zusammen mit Bulton fuhren sie im Lift zu seinem Arbeitszimmer hi nauf. Marschall Bulton ließ sich in den bequemen Sessel hinter seinem Schreib tisch fallen. Seine Brauen zogen sich nachdenklich und gereizt zusammen. »Und jetzt?« fragte er schließlich. »Ich gebe zu, meine Herren, daß ich mit meinem Latein ziemlich am Ende bin!« Huxley erhob sich und trat an den schweren Schreibtisch heran. »Sie ha
ben Recht. Marschall, so kommen wir nicht weiter. Die Utaren sind guten Wil lens, aber sie können uns nicht helfen. Wir sollten zu ihrem Schutz eine Rin graumergruppe in Marsch setzen, aber das ist auch schon alles. Ich hingegen«, er sah den Marschall, der sich unwill kürlich aus seinem Sessel aufgerichtet hatte, aus seinen grauen, scharfen Au gen an, »ich hingegen möchte mit Clark zu den Nogk starten. Sie haben drei ih rer besten Schiffe verloren. Drei Ellipsenraumer, größer noch als meine CHARR, sind spurlos ver schwunden. Ich muß wissen, was mit ihnen geschehen ist, wo sie geblieben sind. Deswegen will ich hin.« Marschall Bulton fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Er war sich von vornherein klar darüber, daß er Huxley den Flug nicht verbieten durfte. Denn Huxley zählte zu den Mitgliedern des Rates des nogkschen Imperiums. Er nahm in dieser seltsamen Freundschaft zwischen jenen Libellenwesen - wie sie von den Terranem oft völlig zu unrecht genannt wurden, weil ihre Köpfe eine gewisse Ähnlichkeit mit denen riesiger Libellen aufwiesen - und der Erde eine unschätzbar wichtige Schlüsselposition ein. Huxley besaß sogar ein eigenes Schiff, die CHARR. Ein Geschenk der Nogk an ihn und seine Besatzung. Ein Raumer, der von den Nogk völlig un entgeltlich für Huxley unterhalten und gewartet wurde. Ein Schiff, dessen tech nische Einrichtungen dem allerletzten Stand nogkscher Technik entsprachen und es zu einem gefährlichen Gegner für jeden Angreifer machten. »Mit Ihrer CHARR, vermutlich. Und der FO 1, oder?« Huxley sah den Marschall abermals an. »Das ist der wunde Punkt bei der
Geschichte, Marschall!« erwiderte er schließlich. »Sie wissen, die FO 1 ist sozusagen ein Bei-Boot meiner CHARR, sie liegt während des Fluges ständig einsatzbereit in ihrem Hangar unter dem Druckkörper der CHARR. Die FO 1 hat uns auf Grund ihrer ulti mativen Ausrüstung, die sie von den Nogk erhielt, und auf Grund ihrer au ßerordentlichen Stabilität schon viele gute Dienste geleistet. Es wäre wichtig, dieses Schiff ständig wirklich einsatzbe reit zu haben. Dazu aber benötige ich eine Ersatzmannschaft für den Ellipsen raumer, Marschall. Und zwar eine voll ständige Mannschaft, eine hundertpro zentig aufeinander eingespielte Crew, die den Leistungsquotienten eins be sitzt!« Marschall Bulton fuhr aus seinem Sessel hoch. Seine Brauen zogen sich noch mehr zusammen, »Leistungsquo tient eins! Wie denken Sie sich das, Huxley? Was glauben Sie wohl, wie viele Mannschaften es in der TF gibt, die diese Forderung erfüllen?« Bulton fuchtelte erregt mit den Ar men herum. Dann stutzte er und sah Co lonel Clark an. Gleich darauf wieder Huxley. »Clark können Sie nicht haben. Er muß auf der EUROPA bleiben. Keiner außer ihm und seiner Mannschaft kann dieses neue To-Schiff so handhaben, wie es erforderlich ist!« Der Marschall kam um seinen Schreibtisch herum. Er fixierte Huxley argwöhnisch, als die erwartete Reaktion ausblieb. »Wenn nicht Clark und seine Männer, dann haben Sie doch eine ganz bestimmte Mannschaft und auch einen ganz bestimmten Kommandanten im Auge, Huxley! Raus mit der Sprache, wer ist es?« »Major Crook, Sir! Und ein Teil
seiner JAPETUS-Crew!« antwortete der grauhaarige Colonel, ohne mit der Wimper zu zucken. Er ließ dem Mar schall auch gar keine Zeit für weitere Entgegnungen. »Crook ist neben Szardak der einzi ge, den ich von der Kallisto-Akademie her genau kenne. Er hat mein vollstes Vertrauen, er versteht sein Handwerk! Und deshalb brauche ich ihn und keinen anderen. Clark und seine EUROPA müssen mich ohnehin zu den Nogk be gleiten. Sie wissen, daß die Ellipsenrau mer neben ihren Stärken leider auch ei nige Schwächen haben. Besonders ihre außerordentliche Anfälligkeit gegen De formationen ihres Druckkörpers! Die EUROPA wäre da der ideale Partner, denn etwas Stabileres, Widerstandsfähi geres als unsere neuen To-Raumer gibt es wahrscheinlich im ganzen Universum nicht!« Marschall Bulton starrte den grau haarigen Colonel an. »Ausgeschlossen, Huxley!« mur melte er dann. »So gerne ich Ihnen sonst jeden Wunsch erfülle, aber ausge rechnet Crook! Und obendrein noch die EUROPA mit Mann und Maus. Für eine Aktion unbestimmter Dauer und unbestimmten Risikos. Sie kennen die Lage in der TF mindestens so gut wie ich. Uns fehlen ausgebildete Mann schaften und Spezialisten an allen Ecken und Kanten. Crook mit seiner JAPETUS ist unser bester und erfah renster Bergungsspezialist. Nein, ausge schlossen!« Der Marschall begann in seinem Ar beitszimmer auf und ab zu marschieren. Clark und Huxley sahen sich an. »Mar schall!« schaltete Clark sich in die Dis kussion ein. »Huxley hat Recht. Er braucht für sein Schiff eine zweite Be satzung. Die CHARR ist mit der FO 1 Crew, so erstklassig auch jeder einzelne
der Männer sein mag, ohnehin zu schwach bemannt. Immerhin hat die CHARR eine Länge von 500 Metern und ein entsprechendes Volumen. Ich kenne die Bewaffnung und die Mög lichkeiten dieses Schiffes. Der Einsatz der FO 1 im Kampf würde die CHARR gefährden, anstatt ihr zu helfen. Crook ist genau der richtige Mann. Ich kenne ihn. Die JAPETUS kann vorübergehend von seinem I.0. übernommen werden. Er ist ein ungewöhnlich fähiger und umsichtiger Offizier. Die Crew füllen Sie aus der Besatzung der zur Überho lung in die Werft gebrachten TITAN auf.« Er trat dicht an den Marschall he ran. »Wir müssen etwas gegen die >Schatten< unternehmen. Marschall! Massierte Aktionen haben vorläufig noch keinen Sinn. Die lassen sich nicht noch einmal stellen oder überrumpeln wie damals im Raum Tantal. Aber Ak tionen kleinerer Verbände, möglicher weise durch Einheiten der Nogk unter stützt, das wäre unter Umständen er folgversprechend. Zudem scheinen die Nogk unsere Hilfe zu brauchen. Sie können gar nicht anders, als Huxleys Plan zuzustimmen. Marschall!« Clark, der für gewöhnlich keine lan gen Reden hielt, verstummte. Marschall Bulton sah verblüfft von einem der Co lonels zum anderen. »Das ist hier ja das reinste Kom plott!« knurrte er schließlich und starrte Huxley und Clark aus schmalen Augen an. »Also gut!« entschied er dann. »Aber nur, wenn Crook auch Ihrer Mei nung ist! Ich überlasse die endgültige Entscheidung ihm selbst. Denn er muß mir dafür geradestehen, daß seine JA PETUS voll einsatzfähig zur Verfügung bleibt! Wir haben sie in letzter Zeit ziemlich oft benötigt!« Der Marschall ließ über Vipho eine
Verbindung zur JAPETUS herstellen. Crook erschien Sekunden später auf dem Bildschirm. In seinen hageren, as ketischen Zügen zuckte kein Muskel. Er hörte sich ohne jede Zwischenfrage an, was Marschall Bulton ihm zu sagen hat te. »Selbstverständlich, Sir!« erwiderte er anschließend. »Das läßt sich machen, ohne weiteres sogar. Ich werde sogleich die benötigten Männer meiner Besat zung abstellen und die Ersatzleute von der TITAN anfordern. Ich wollte die Nogk schon lange einmal kennenlernen, Sir. Diese Rasse interessiert mich bren nend. Huxley hat mir schon so viel über sie erzählt, daß ich einfach viel zu neu gierig bin, um eine solche Gelegenheit auszulassen.« Der Marschall winkte ab. »Dachte ich mir doch gleich. Huxley, Crook, Szardak, Clark - keiner besser als der andere.« Er schaltete ab und wandte sich abermals den beiden Colonels zu, die ihn jetzt unverhohlen angrinsten. Sie gehörten zu den wenigen, die sich das gegenüber dem Marschall erlauben konnten. Und der Marschall grinste zu rück. Doch dann wurde er unvermittelt wieder ernst. »Wenn Sie schon zu den Nogk flie gen, dann habe ich noch einen Auftrag für Sie!« fuhr er fort. »Die Nogk haben uns das System Tantal mit seinen Werf ten und den dort konservierten Schiffen und sämtlichen technischen Einrichtun gen zur Verfügung gestellt. Wir haben es noch nicht überneh men können, weil wir keine Leute dafür haben. Ehe Sie also mit Ihren Schiffen zur Sonne Corr transitieren, sehen Sie dort bitte nach dem Rechten. Sofort Be richt an mich, ich will wissen, ob dort alles in Ordnung ist. Wenn auch die Ei
raumer der Nogk inzwischen veraltet er scheinen, so stellen sie doch zusammen mit den Werften und Hangars eine Kampfkraft und ein Potential dar, das wir nicht unterschätzen sollten!« Huxley nickte. »Ich bin ganz Ihrer Meinung, Mar schall. Als Mitglied des Rates des nogkschen Imperiums hätte ich die Ge legenheit ohnehin zu einer Kontrolle von Nogk I und Nogk II genutzt! Dieser Stützpunkt könnte tatsächlich eines Ta ges für uns von größter Wichtigkeit sein!« Der Marschall nickte nachdrücklich. »Wann starten Sie?« »Morgen früh, bei Sonnenaufgang!« »Viel Glück, und halten Sie Verbin dung! Ich werde dafür sorgen, daß die FO 1-Frequenz ständig frei bleibt!« Er drückte Huxley und Clark die Hand. Gleich darauf verließen die bei den Männer das Arbeitszimmer des Marschalls. * Mitten in der Nacht wachte Huxley auf, nachdem er sich schon eine ganze Weile unruhig in seinem Bett hin- und hergeworfen hatte. Mit einem Ruck setzte er sich auf und - erstarrte mitten in der Bewegung. Auf seiner Brust erschien ein helleuch tendes Emblem. Eine scharf umrissene Ellipse, in deren Brennpunkten zwei winzige, schillernde Kugeln rotierten. Seinen üb rigen, völlig unbekleideten Körper um floß eine langsam pulsierende, rötliche Helligkeit, die gut mit dem harten Vio lett des Emblems über seinein Herzen harmonierte. Huxley erinnerte sich schlagartig.
Als er von den Nogk in den Rat ihres Imperiums aufgenommen worden war, hatten die Meegs ihn mit diesem Kon taktfeld versehen. Sie hatten es in sei nen Körper eingepflanzt. Eine Art Aus weis, dessen Fehlen es jedem Fremden unmöglich machte, sich in den Rat ein zuschleichen. Zugleich war dieses Em blem aber auch eine Art Sender und Empfänger. Ganz plötzlich entstand in seinem Bewußtsein das Bild von sechs gläser nen Kegeln. Sie leuchteten ebenfalls in hartem Violett. In ihnen, eingeschlossen und konserviert von jener eigentümli chen Substanz, die selbst dem Interval lum der Mysterious trotzte, standen sechs Nogk. Sie bewegten sich. Sie schienen ihre Totenkegel verlassen zu wollen. Irgendetwas hinderte sie jedoch daran. Was es war, vermochte Huxley trotz aller Anstrengung nicht zu erken nen. Blitzartig erinnerte sich der Colonel an die seltsamen Worte seines Freundes Charaua, der nach dem tragischen Tode des Herrschers der Nogk auf dem Flug zur Sonne Corr selbst zum Oberhaupt seiner Rasse gewählt worden war: ... Wenn es euch recht ist, dann möchte ich die Toten an dieser Stelle lassen, Huxley. Es ist ein schöner Ort. Eure Sonne wird sie jeden Tag grüßen, bis sich ihre Kegel einesfernen Tages auflösen und sie wieder freigeben ... Die Toten? Er hatte Charaua damals nicht verstanden, und der Nogk hatte keine weiteren Erklärungen gegeben. Sollte am Ende etwa jetzt ...? Huxley verlor keine Zeit mit über flüssigen Überlegungen. Er sprang aus dem Bett. Innerhalb weniger Sekunden war er in seine Uniform geschlüpft. Dann griff er zum Vipho. Über die Zen trale der Wohnkugel ließ er sich mit
Cent Field und von dort mit dem Leit stand der CHARR verbinden. Sein Zweiter Offizier, der einstige Sergeant Maxwell, erschien auf dem Bildschirm. Erstaunt und fragend zu gleich richtete er seinen Blick auf Hux ley, dessen Körper immer noch von je nem rötlichen, langsam pulsierenden Licht umflossen wurde. »Keine Fragen jetzt, Maxwell! Ma chen Sie die CHARR sofort startklar. Schicken Sie mir eines der Beiboote. Am besten eins von der FO 1, es kann mich hier am leichtesten aufnehmen, die Boote der CHARR sind zu groß. Dann rufen Sie Colonel Clark in der EUROPA an. Teilen Sie ihm mit, daß wir in die Kordilleren zum IllampuMassiv fliegen. Er soll in Cent Field auf unsere Rückkehr warten. Ist Prewitt be reits an Bord?« »Nein, Sir, er kommt morgen früh, eine Stunde vor Sonnenaufgang.« »Hinterlassen Sie auch für ihn eine Botschaft. Was ist mit der übrigen Mannschaft?« »Etwa die Hälfte befindet sich schon an Bord, Sir!« »Gut, das reicht! Beeilen Sie sich, Maxwell, es geht möglicherweise um Minuten!« »Aye, aye, Sir! Ihr Beiboot ist in fünf Minuten zur Stelle. Ich starte be reits und komme Ihnen mit der CHARR entgegen.« Huxley nickte. Er sah noch, wie der II.O. Alarm gab, dann erlosch der Schirm. Huxley verließ sein Apartment. Der Antigravschacht brachte ihn in den JettHangar der Wohnkugel. Als er ihn be trat, sah er bereits, wie die bisher ge schlossene Außenhaut dieses obersten Stockwerks der Wohnkugel langsam zu
rückglitt und eine Öffnung freigab, die groß genug war, auch einen schweren Transport-Jett durchzulassen. Wenige Sekunden später erblickte er den glei ßenden Strahl des Scheinwerfers, der sich durch die Nacht fraß und gleich da rauf auch das Innere des Hangars in sei ne blendende Helligkeit tauchte. Sofort schaltete der Pilot des tropfenförmigen Beibootes den Diffusor vor. Huxley pfiff nach einem raschen Blick auf sein Chrono anerkennend durch die Zähne. Knapp vier Minuten waren vergangen, seitdem er sein Apart ment verlassen hatte. Das ständige Trai ning, dem er jeden einzelnen seiner Crew ohne Rücksicht auf Rang, Stel lung oder Alter unterwarf - Wissen schaftler und Techniker eingeschlossen - hatte sich wieder einmal bewährt. Huxley brauchte knapp zehn Sekun den, um das Beiboot zu erreichen. Er verschwand blitzartig im bereits offenen Schott. Als er wenig später in der Kan zel des Bootes neben dem Sergeanten auftauchte, lag der Hangar der Wohnku gel bereits lief unter ihnen. Über ihnen jedoch, selbst im Dun kel der Nacht noch weithin leuchtend, stand der riesige goldfarbene Druckkör per der CHARR. Ein Druckkörper, der von oben und von unten eine mathema tisch genaue Ellipse war, deren Achse eine Länge von 500 Metern besaß. Das Beiboot beschleunigte und jag te der bewegungslos in etwa drei Kilo meter Höhe wartenden CHARR entge gen. Noch ehe es heran war, erkannte Huxley, daß die riesige, über zweihun dert Meter lange Schleuse des Hangars, in dem seine FO 1 auf ihren Bettungen lag, offenstand. Auch eine der Schleu sen zum Bootsdeck der FO 1 war geöff net. Der Sergeant bremste hart ab. Dann
slipte er seitwärts in den Großhangar der CHARR hinein und war gleich da rauf im Bootsdeck der FO 1. Huxley spürte nur noch den leichten Stoß, mit dem das Beiboot in seine Bettungen sank. »Alle Achtung, Masterson!« sagte er, während er bereits zur Schleuse eil te. Huxley wußte, wie schwierig das mit so spielerischer Leichtigkeit und Ele ganz durchgeführte Manöver in Wirk lichkeit war. Er mußte sich sogar inner lich eingestehen, daß er wahrscheinlich trotz seines eminenten Könnens nicht in der Lage sein würde, dem Sergeanten das Bravourstück nachzumachen. Denn so geräumig der Großhangar der CHARR auch war, der Platz, der ne ben der FO 1 blieb, war doch sehr be grenzt. Das spindelförmige, 200 Meter lange Schiff füllte den Hangar nahezu vollständig aus. Gleich darauf schloß sich über den beiden Männern der Druckkörper der CHARR, und das riesige Schiff begann zu beschleunigen. Als Huxley von den grünlich leuch tenden Gleitfeldern durch die Trans portschächte zur Zentrale im Bug des Ellipsenraumers getragen wurde, über flog die CHARR bereits den Golf von Mexiko. * Die beiden Männer im Leitstand der CHARR brauchten nicht lange zu su chen. Als sie sich in knapp 7.000 Me tern Höhe den Kordilleren näherten, schlugen die Anzeigen der Detektoren aus. Mit wenigen Griffen schaltete Hux ley die Steuerung des Raumers auf die nogksche Tasterautomatik um. Die
CHARR glitt dem über 6.000 Meter ho hen lllampu-Massiv entgegen, dessen Gipfel vom ewigen Schnee bedeckt wa ren. Maxwell und Huxley konnten sich auf die Ortungen des Schiffes konzen trieren. Zusätzlich schaltete Maxwell nach einem kurzen Blick auf den Colo nel den Allsichtschirm des Leitstandes ein. Das Schiff hielt jetzt in direktem Kurs auf den Gipfel des IIlampu-Mas sivs zu, auf dem Huxley die sechs Totenkegel wußte. »Scheinwerfer, Maxwell, rasch!« Der Colonel hockte mit zusammenge kniffenen Augen in seinem Sitz. Den Oberkörper hatte er weit vornüberge beugt, als könne er so die Entfernung zu jenem Gipfel verkürzen. Die gewaltigen Scheinwerfer der CHARR flammten auf. Und dann sahen es die beiden Männer. Die Totenkegel waren bis auf einen verschwunden. Wo sie gestanden hatten, befanden sich im Felsen des Berges kreisrunde, krater ähnliche Löcher. Huxley starrte auf das Feld zwi schen den Koordinaten der Allsicht sphäre. »Stärkere Vergrößerung, Maxwell!« stieß er gepreßt zwischen den Zähnen hervor. Maxwell regulierte die Kontrollen ein. Der Gipfel schien förmlich auf sie zuzurasen. Aber es blieb dabei: Die Ke gel waren verschwunden und mit ihnen jede Spur von den Nogk, deren sterbli che Hüllen sich in ihnen befunden hat ten. Eingegossen in jene Masse, deren Prallfeld bisher mit keinem Mittel zu durchbrechen gewesen war. »Beiboot aussetzen, Maxwell! Ser geant Masterson und ich werden uns die Sache aus der Nähe ansehen. Behalten Sie uns und unsere Umgebung im
Auge!« Der Colonel sprang aus seinem Konturensitz, während sein II.0. bereits die notwendigen Befehle an den Ser geanten durchgab. Minuten später verließ eines der el lipsenförmigen Beiboote die CHARR. Sergeant Masterson steuerte das Boot zum Gipfelplateau hinüber, das sich im Lieht der starken Scheinwerfer des Rau mers geisterhaft grell und weiß aus der Nacht schälte. Huxley starrte mit zusammengeknif fenen Augen auf die Krater. Er erkannte ohne viel Mühe, daß dort einfach nichts mehr zu finden war. Jedenfalls nicht ohne die erforderlichen Instrumente. Aber auch die Taster der CHARR hatten keinerlei energetische Emissio nen angezeigt. »Zum Kegel an Backbord, Master son!« befahl er schließlich und schlüpf te gleich darauf in einen der leichten Raumanzüge, die in jedem der Beiboote bereitlagen. Die Höhe von 6.550 Me tern und der damit verbundene Sauer stoffmangel machten das erforderlich. Ebenfalls die Jahreszeit, denn auf dem Illampu-Massiv herrschten Tempe raturen von rund vierzig Grad unter Null. Das Beiboot setzte mit leichtem Knirschen im liefen Schnee auf, der sich im Windschatten hinter den Felsen angesammelt halte. »Richten Sie die Scheinwerfer des Bootes ebenfalls auf den Totenkegel, Sergeant!« knurrte Huxley, ehe er sei nen schweren Blaster umschnallte und sich auf den Weg zur Schleuse machte. Er spürte den eisigen Wind, der über das Gipfelplateau fegte, sofort, als er den Schutz der Felsen verließ und die wenigen Meter bis zum Kegel emporzu
steigen begann. Schleunigst schaltete er die Heizung seines Raumanzugs ein. Dann zog er sich an den vereisten Fel sen empor. Er brauchte etwa fünf Minuten, bis er schließlich vor dem letzten der ehe mals sechs Totenkegel stand. Vorsichtig ging er Schritt für Schritt auf die funkelnde, gläserne Masse zu, die den Körper des toten Nogk um schloß. Bis auf knapp fünf Meter kam er heran, dann warf ihn die energetische Sperre zurück. Huxley taumelte unter dem plötzlichen Stoß, den er von jenem unbekannten, mit keinem Mittel zu durchbrechenden Prallfeld erhielt. Gleichzeitig bemerkte er, wie das Feld violett aufleuchtete und sich ein farbi ger, nach und nach in allen Farben des Spektrums erglühender Vorhang vor den Totenkegel legte. Huxley wartete und überlegte. »By gosh!« murmelte er. »Ich möchte doch zu gerne wissen, wohin die anderen Kegel verschwunden sind und warum nur der Kommandant jenes Nogkraumers in dieser gottverlassenen Einöde zurückbleiben mußte. Ich...« Weiter kam er nicht, denn in diesem Augenblick geschah etwas völlig Uner wartetes und völlig Unbegreifliches. Ein dunkler Schatten erschien über dem Massiv. Lautlos, gespenstisch und riesenhaft. Eine silberne, rasend schnell um sich selbst rotierende Kugel stand plötzlich über dem Plateau. Huxley wußte nicht, um was es sich bei dieser seltsamen Erscheinung handelte, aber er war nicht so dumm, kostbare Sekunden mit umständlichen Überlegungen zu vergeuden. Mit einem Salz hechtete er in den tiefen Schnee. Mit einer gekonnten Rol le, zu der ihm der leichte Raumanzug genügend Bewegungsfreiheit ließ, fing
er seinen Körper ab und kam blitzartig wieder auf die Füße. Einige weitere Sprünge brachten ihn etliche Meter über dem Beiboot der CHARR hinter einer dicken Felsnase in Deckung. Gerade noch rechtzeitig, denn in diesem Au genblick geschah etwas Entsetzliches. Huxley glaubte zu sehen, wie der Nogk sich in seinem Totenkegel beweg te. Gleich darauf griffen ein paar grelle, unerträglich helle Energiebahnen aus dem Dunkel nach dem Kegel. Huxley hörte über die hochempfindlichen Au ßenmikrophone seines Raumhelmes, wie sich die Silberstrahlen zischend durch den Felsen fraßen. In Sekunden schnelle hatten sie den Totenkegel aus seinem Fundament herausgeschnitten und rissen ihn mit einem gewaltigen Ruck empor. Es sah aus, als zögen sich stark gedehnte Gummibänder blitzartig zusammen. Der Kegel verschwand mit einem, hohlen, pfeifenden Geräusch, dem kurz danach ein eigentümliches Singen folgte. Huxley hatte plötzlich das Gefühl, als begänne der Fels unter ihm zu vi brieren. Seine Hände verkrampften sich, in seinem Schädel hämmerte das Blut, das gesamte Illampu-Massiv begann sich vor seinen Augen zu drehen. Mit letzter Kraft, in einem Anflug von Panik, sprang er auf. Er sah noch, wie die CHARR auf einen unsichtbaren Gegner zustieß, dann spürte er die har ten Fäuste des Sergeanten, die ihn pack ten und die wenigen Meter bis zur Schleuse des Beibootes hinabzerrten. Es dauerte einige Momente, bis Huxley wieder halbwegs klar denken konnte. »Heavens, Masterson, was zum Teufel war das?« fragte er, noch immer etwas benommen. Der Sergeant antwor tete nicht gleich, sondern manövrierte
das Beiboot über die Stelle, an der sich eben noch der letzte der Totenkegel be funden hatte. Er wies mit der Linken in die Tiefe. »Ein Krater, Sir, nichts als ein Kra ter, wenn auch wesentlich größer als die der anderen Kegel! Es muß ein unbe kannter Raumer ganz in der Nähe von uns gestanden haben. Er hat wahr scheinlich auch die anderen Kegel an Bord genommen. Aber unsere Ortungen sprachen nicht an und...« Der Sergeant unterbrach sich und starrte Huxley aus weit geöffneten Au gen an. Erst jetzt bemerkte der grauhaa rige Colonel, daß Masterson der Schweiß in Strömen über das Gesicht lief. »Und, Sergeant? Und was?« fragte er schließlich, als Masterson ihn immer noch anstarrte, aber kein Wort heraus brachte. »Eine Nachricht von Maxwell, Sir. Sie kam, als Sie gerade vor dem Toten kegel standen. Er hatte für einen winzi gen Moment den fremden Raumer aus gemacht und gab sofort Befehl, die Waffen-Steuerung zu aktivieren. Aber die...« Wieder unterbrach sich der Ser geant. Doch dann gab er sich einen Ruck. »Es war einfach unmöglich, auch nur eine der Waffen auszulösen. Sofort nach dem Aktivieren der Ultimativ-Fel der sprangen die Kontrollen in die Rote Zone. Auslösen hätte sofortige Feld sperre, wenn nicht Schlimmeres bedeu tet. Der fremde Raumer hat diese Panne genutzt und ist mit seiner Beute ver schwunden...« Huxley fuhr aus seinem Sitz empor. »Warum haben Sie mich nicht so fort verständigt, Masterson? Ich war die ganze Zeit auf Emp fang!«
Der Sergeant zuckte die Achseln. »War einfach nicht möglich, Sir. Nur Rauschen und Knattern, so, als ob Stör entladungen erfolgten.« Huxley starrte durch die Direkt sichtscheiben der Kanzel. »Zur CHARR, Masterson, sofort!« Er sah den Sergeanten an, der schon auf der FO 1 vor der Invasion Dienst getan hatte und zu seinen alten Weggefährten gehörte. »Sie sprachen im Zusammenhang mit dem Versagen der Ultimativ-Felder unserer Schiffes von einer Panne, Mas terson. Ich hoffe, daß Sie selbst nicht daran glauben. Das war keine Panne, der fremde Raumer hat uns blockiert!« »Sie meinen wirklich ...« Der Ser geant erblaßte. Huxley nickte. »Ja, genau das meine ich, Master son. Und wenn Sie noch etwas weiter denken, dann müssen Sie sich zwangs läufig auch die Frage stellen, wie es möglich ist, daß dieser fremde Raumer den globalen Schutzschirm Terras, den die Nogk zusammen mit uns installiert haben, einfach durchdringen konnte, ohne die Abwehrautomatik auszulösen! Sie müssen sich fragen, wie es denn möglich sein kann, daß jener Fremdrau mer mit einer uns unbekannten Energie die bis dahin sogar für das Intervallum der Flash undurchdringlichen Schutzfel der der Totenkegel neutralisieren oder auf sonst irgendeine Weise ausschalten konnte.« Huxley beugte sich plötzlich vor und starrte den Sergeanten aus seinen grauen Augen an. »Hören Sie mir jetzt gut zu, Master son: Ich fürchte, dieser fremde Raumer war ein Schiff der Nogk! Eine andere Erklärung gibt es ein
fach nicht! Wir müssen sofort zurück nach Cent Field und dann auf dem schnellsten Wege zu Charaua ...« Der Colonel unterbrach sich und überlegte angestrengt. »Nein, erst noch ins System der Sonne Tantal. Mir schwant Böses, Mas terson, außerordentlich Böses!« Der gewaltige Rumpf der CHARR erschien über ihnen. Noch während das Beiboot im Bootsdeck auf seine Bettun gen sank, nahm Huxley über Vipho Maxwells Bericht entgegen. Es war auch seinem II.0. nicht gelungen, den fremden Raumer ein zweites Mal zu or ten. Alle anderen Einzelheiten des Be richtes deckten sich haargenau mit dem, was Sergeant Masterson Huxley bereits gesagt hatte. Der Colonel sprang aus der Schleu se des Beibootes. »Masterson, kümmern Sie sich so fort darum, daß die FO 1 ständig ein satzbereit ist. Sie muß zu jeder Sekunde in der Lage sein, ihren Hangar im Blitz start zu verlassen. Sprechen Sie sofort mit Chief Erkinsson.« »Aye, Sir.« Der Sergeant ver schwand in die entgegengesetzte Rich tung wie Huxley, während die CHARR bereits mit Kurs Nordnordost nach Cent Field davonraste. Ihre Speicher hatten über die Aufnahmetaster vollautoma tisch das Geschehen auf dem IllampuMassiv festgehalten... * Knapp zwei Stunden später rief Co lonel Huxley die unheimlichen Ge schehnisse aus den Speichern der CHARR ab. Marschall Bulton, Colonel Clark und der inzwischen ebenfalls eingetrof
fene Major Crook saßen stocksteif in ih ren Konturensitzen. Keiner von ihnen sagte auch nur ein einziges Wort. Sie starrten wie gebannt auf das Geschehen, das vor ihren Augen zwischen den grünlich schimmernden Koordinaten der Allsichtsphäre der CHARR ablief. Als der für die Projektion benutzte Sektor endlich erlosch, herrschte noch eine ganze Weile Schweigen im Leit stand des Ellipsenraumers. Denn auch Huxley hatte noch einige Dinge entdeckt, die ihm bisher nicht aufgefallen waren. Marschall Bulton unterbrach als erster das Schweigen. »Sie sind also der Meinung, Huxley, daß es sich bei diesem nur schemenhaft zu erkennenden Schiff um einen Rau mer der Nogk handelt?« Huxley zögerte mit der Antwort, während ihn die anderen Männer wie gebannt ansahen. »Ich habe jedenfalls im Moment keine andere Erklärung, Sir« sagte er förmlicher, als es sonst seine Art war. Colonel Clark schaltete sich ein. »Halten Sie es für gänzlich ausge schlossen, daß es sich um einen Raumer der Schatten gehandelt haben könnte?« Huxley wechselte einen raschen Blick mit seinem Ersten und Zweiten Offizier, die sich ebenfalls beide im Leitstand der CHARR befanden. Doch sowohl Prewitt als auch Maxwell schüt telten den Kopf. Huxley nickte. »Nein«, erwiderte er schließlich, »ich glaube nicht, daß es sich bei dem fraglichen Raumer um ein Schiff der Schatten gehandelt haben kann. Es gibt einen Grund dafür.« Einem plötzlichen Entschluß fol
gend öffnete er seine schmucklose, hell graue Bordkombination über der Brust und trat auf Bulton und die beiden an deren Männer zu. Er deutete auf die haarfeine, metallisch schimmernde Li nie einer Ellipse, deren Brennpunkte durch zwei nadelfeine Punkte markiert waren. »Ich habe darüber nie gesprochen. Marschall«, sagte er langsam. Als ich von den Nogk in den Rat ih res Imperiums aufgenommen wurde, operierten mir die Meegs dieses Kon taktfeld ein. Es stellt eine Art Ausweis dar. Jedesmal, wenn eine Sitzung des Rates stattfindet, wird anhand dieses Kontaktfeldes vom Überwachungszen trum meine Identität überprüft. Es ist für einen Fremden oder sonst irgendwie ungebetenen Gast völlig unmöglich, sich gegen den Willen der Nogk in eine dieser Ratssitzungen einzuschleichen. Eine verständliche Vorsichtsmaß nahme ...« Huxley unterbrach sich für einen Moment, wahrend Bulton und die ande ren interessiert das wie eine Intarsie in die Haut eingelassene Emblem betrach teten. »Wenn aber außerordentliche Dinge geschehen, wenn die Nogk mich aus ei nem dringenden Anlaß rufen oder mich vor einer drohenden Gefahr warnen wollen, dann leuchtet dieses Kontakt feld auf, und eine langsam pulsierende, rötliche Energie umfließt meinen Kör per. Genau das ist letzte Nacht gesche hen. Außerdem entstand in meinem Be wußtsein das Bild der sechs Totenkegel. Nur deshalb wußte ich auch sofort, daß dort etwas...« Marschall Bulton war aufgesprun gen. Er packte Huxley an den Schultern. »Wollen Sie sagen, Huxley, daß möglicherweise die Toten in den Ke
geln Sie gerufen hätten?« Huxley nickte. »So verrückt es auch klingen mag ja! Und darüber hinaus bin ich auch der Ansicht, daß es lediglich dieser Kon taktaufnahme mit mir zu verdanken ist, daß der fremde Raumer sich darauf be schränkt hat, meine CHARR nur zu blo ckieren, anstatt sie anzugreifen und möglicherweise sogar zu vernichten!« Der Marschall war ein paar Schritte zurückgetreten und starrte Huxley nun an, als sei er ein Gespenst. »Aber das... das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Überlegen Sie doch mal: Das würde doch schließlich bedeuten, daß jener Raumer Ihrer CHARR, die ei nes der modernsten Schiffe der Nogk ist, haushoch überlegen wäre. Daß er völlig unbemerkt in unsere Sicherheits sphäre eindringen könnte.« Der Marschall fuhr sich mit heftigen Bewegungen über seine schweißnasse Stirn. Dabei fixierte er den grauhaarigen Colonel mit unverhohlener Sorge im Blick. »Das würde bedeuten, Huxley, daß schon seit einiger Zeit mehrere dieser Schiffe irgendwo auf Terra versteckt liegen könnten.« Huxley schüttelte den Kopf. »Charaua hat mir einmal eine An deutung gemacht. Marschall. Es gibt da in der Vergangenheit sei ner Rasse ein Geheimnis, das irgendwie mit den Totenkegeln zusammenhängt. Es gibt bei den Nogk überhaupt einige Dinge, die ich nicht kenne, die viel leicht nicht einmal Charaua kennt. Die Nogk sind strahlungsabhängige Mutan ten, Marschall. Sie haben aber in letzter Zeit möglicherweise zu oft ihre Heimat sonnen gewechselt. Als wir ihnen zum ersten Mal begegneten, lebten sie auf
den Planeten der roten Riesensonne Charr. Dann kam die Katastrophe, Charr wurde zu einer gefährlichen, un berechenbaren Variablen, und die Nogk mußten aus ihrem System fliehen. Sie machten für eine Weile Zwischenstation auf Ginok, einem für ihre Verhältnisse lebensfeindlichen Planeten. Erst unter der blaugrünen Sonne Tantal fanden sie eine neue Heimat. Unter einer Sonne, deren Spektrum völlig anders war als das ihrer alten Sonne. Dessen Zusam mensetzung auch für unsere Wissen schaftler noch immer ein Rätsel ist, weil es sich bei Tantal um einen Sonnentyp handelt, den es sonst in dem uns be kannten Universum einfach nicht gibt. Dann der Kampf der Nogk gegen die Schatten, ihre Übersiedlung nach Nogk I, der die Sonne Tantal in so geringem Abstand umläuft, daß jeder Aufenthalt auf seiner Oberfläche so gut wie un möglich ist. Und schließlich ihre aber malige Flucht vor den ständigen Mag netstürmen und vor den Schatten zur Sonne Corr, die außerhalb des Halos unserer Galaxis liegt!« Huxley schwieg für einige Sekun den. Aus seinen grauen Augen sah er die fünf Männer im Leitstand der CHARR an. Dann, jedes einzelne Wort betonend, fuhr er fort: »Und während dieser ganzen Zeit hatten die Nogk ihre Brut, ihre langsam heranreifende Nachkommenschaft bei sich. Eine Nachkommenschaft, die auf die verschiedenartigen Strahlungen der einzelnen Sonnen wahrscheinlich we sentlich empfindlicher reagiert hat als die Nogk selbst!« Huxley sah Marschall Bulton aus schmalen Augen an. »Meine Meinung ist, daß wir so we nig Zeit wie irgend möglich verlieren sollten. Marschall!«
Er wandte sich an seinen inzwi schen an Bord zurückgekehrten Ersten Offizier Lee Prewitt. »Ist unsere Mann schaft vollständig?« »Bis auf drei Mann. Die treffen wie befohlen morgen früh eine Stunde vor Sonnenaufgang ein!« Huxley wandte sich an Major Crook. Die hagere, sehnige Gestalt die ses nicht mehr jungen Offiziers, der schon lange vor der Invasion der Giants Dienst in der solaren Flotte getan hatte, straffte sich. Über seine strengen, fast asketisch zu nennenden Züge flog ein Lächeln, als er antwortete, noch bevor Huxley ihm seine Frage stellte. »Meine Leute sind in einer halben Stunde hier. Außerdem habe ich ange ordnet, einige der Beiboote der JAPE TUS mit allem erforderlichen Zubehör herüberzufliegen. Ich hoffe, an Bord der CHARR oder der EUROPA ist noch Platz für sie. Eine Maßnahme für alle Fälle!« Huxley pfiff leise durch die Zähne. Die Idee Major Crooks, einige seiner hochspezialisierten Beiboote mitzuneh men, war einfach famos und typisch für diesen erfahrenen, grundsätzlich mit al len Möglichkeiten rechnenden Mann. Denn jedes der verhältnismäßig großen Beiboote der JAPETUS war eine Minia turausgabe des Mutterschiffes und so mit eine komplette Bergungseinheit für sich. »Wie viele, Crook?« »Sechs!« Zu Clark gewendet fuhr der Major fort: »Ich schlage vor, daß wir drei der Beiboote auf die EUROPA und drei auf die CHARR oder an Bord der FO l bringen! Ist das zu machen?« Clark schüttelte den Kopf. »Geht nicht, Crook, meine Schleusen sind für die Kugelboote Ihrer JAPETUS zu klein. Ich schlage vor. Sie verteilen drei
Boote samt Besatzungen auf die FO 1 und drei auf die CHARR. Ich denke, das wird gehen, oder?« Huxley nickte. »Also dann, Sir«, wandte er sich an den Marschall, »starten wir morgen bei Sonnenaufgang, wenn Sie keine weite ren Einwände haben!« Der Marschall räusperte sich. »Kei ne weiteren Einwände?« knurrte er auf gebracht. »Haben Sie sich eigentlich mal überlegt, wie ich das alles Trawis heim beibringen soll? Und damit hier keinerlei Unklarheiten entstehen: Ich werde Trawisheim erst nach Ihrem Start unterrichten, denn ich fürchte, er hätte allerhand Einwände gegen dieses Unter nehmen. Vergessen Sie nicht, daß Trawis heim in seiner Eigenschaft als Stellver treter Ren Dharks die Dinge aus einer etwas anderen Perspektive sehen dürfte als wir!« Der Marschall machte ein un behagliches, verkniffenes Gesicht. »Ich kann diese Sache auch nur des halb auf meine Kappe nehmen, Huxley, weil Sie nun einmal Terra und damit auch Trawisheim sozusagen nur noch halb unterstellt sind. Denn als Ratsmit glied der Nogk befinden Sie sich in ei ner Position, die meine eigene bei wei tem übersteigt. Eine verdammt komi sche Sache, Huxley, mit der man sich erst langsam vertraut machen muß!« Huxley trat auf den Marschall zu. Seine grauen Augen richteten sich fest auf Bulton. »Nicht nur für Sie ist diese Zwitter rolle eine merkwürdige Sache, Mar schall! Für mich in mindestens dem gleichen Maße, auch Ren Dhark gegen über, denn ich vertrete immer zwei Inte ressen. Auf Terra die der Nogk, im Rat der Nogk und auch sonst hingegen die der Terraner. Und zwar auf völlig undiplo
matische Weise, denn die Nogk halten absolut nichts von irgendwelchen diplo matischen Winkelzügen. Ich habe ler nen müssen, völlig umzudenken. Und manchmal weiß ich kaum noch, ob ich geistig nun mehr Nogk oder Terraner bin!« Bis zum Sonnenaufgang herrschte an Bord der EUROPA, der CHARR und der in ihrem Hangar liegenden FO 1 fieberhafte Tätigkeit. Für die sechs Beiboote der JAPE TUS wurden Bettungen eingerichtet. Dabei fiel es Major Crook auf, daß die Männer Huxleys mit der nogkschen Technik auch einen Teil jener atembe raubenden Schnelligkeit übernommen hatten, mit der die Nogk ihre Vorhaben zu verwirklichen pflegten. Als die Sonne aufging, hoben die beiden so verschiedenen Schiffe von der Piste Cent Fields ab. Die EUROPA bot einen imposanten Anblick. Ihr gewalti ger Ringkörper von 450 Metern Durch messer und einer Ringstärke von 90 Metern funkelte glutrot in den Strahlen der eben über den Horizont emporstei genden Sonne. Die EUROPA sah in diesem ersten Tageslicht aus wie ein ge waltiger Ring aus loderndem Feuer. Die CHARR hingegen wirkte wie ein gold glänzendes Phantom, das erst langsam, dann jedoch schneller und schneller werdend in den kühlen Oktoberhimmel über Cent Field emporstieg. Marschall Bulton sah den beiden Schiffen nach, bis sie zu nicht mehr wahrnehmbaren Punkten zusammenge schmolzen waren. Anschließend drehte er sich seufzend um und wandte sich seiner Arbeit zu. Möglicherweise hatte Huxley mit seinen Vermutungen über den fremden Raumer recht. Sicher war das jedoch nicht, und der Marschall mußte infolgedessen alle nur denkbaren Sicherheitsvorkehrungen treffen. Dazu
gehörte, daß er die einzelnen Stationen des globalen terranischen Schutz schirms anrufen und informieren ließ. Des weiteren mußten ab sofort die im Raum Terra stehenden Patrouillenein heiten verständigt werden. Und dann, ja dann mußte er auch noch Henner Tra wisheim einen Besuch abstatten. Und das war genau das, was Marschall Bul len am wenigsten gern tat. Denn Tra wisheim war ein geistiger Cyborg, und Bulton hatte etwas gegen Cyborgs. Sie waren ihm noch immer so unheimlich wie am ersten Tage. Der Marschall seufzte abermals. Dann ging er an seinen Schreibtisch und angelte nach einer Dose Energietablet ten. Die wievielte Nacht ohne Schlaf das nun eigentlich war, seit er in Abwe senheit Dan Rikers die terranische Raumflotte befehligte, wußte er schon lange nicht mehr. Er hatte an diesem Morgen auch nicht die geringste Lust, darüber nachzudenken. * Während die beiden ungleichen Raumer das Sonnensystem hinter sich ließen, wies Huxley Major Crook und dessen Männer in den Aufbau seines El lipsenraumers ein. Die CHARR unter schied sich beträchtlich von den terrani schen Schiffen. Ihr Druckkörper barg genau in seiner Mitte einen Hohlraum, der eine mathematisch genaue Ellipse darstellte, in deren beiden Brennpunk ten sich das Wunderwerk der nogkschen Technik befand: zwei künstliche, so wohl in Bezug auf ihr Spektrum als auch auf die Zusammensetzung ihrer Strahlung voneinander getrennt regelba re Sonnen. Die Regelung erfolgte von einer eigens dafür geschaffenen Zentra le aus. Auf der CHARR war der Regel
bereich durch eine jederzeit abschaltba re Automatik genau auf die Bedürfnisse der Terraner eingestellt. Der »Sonnenhangar«, wie die Terra ner dieses hundert Meter lange, ellipsoi de Gewölbe im Innern des Raumers ge nannt hatten, konnte durch eine energe tische Barriere, die absolut strahlungs undurchlässig war, in zwei Halbgewöl be unterteilt werden, in denen die bei den Sonnen dann völlig unabhängig voneinander verschiedene Aufgaben zu erfüllen vermochten. Für die Nogk we gen der unerläßlichen Schlafperiode auf langen Reisen eine geradezu lebens wichtige Forderung, für Huxley und sei ne Männer eine äußerst nützliche Ein richtung. Denn es hatte sich längst ge zeigt, daß auch die Terraner bei einem bestimmten Spektrum und einer be stimmten Zusammensetzung der von den Sonnen ausgehenden Strahlung in eine Art Tiefschlaf verfielen, der un gleich erholsamer und kräftigender war als der normale. Innerhalb einer einzi gen Stunde vermochten die Männer Huxleys den normalen Schlafbedarf ei nes ganzen Bordtages nachzuholen, wenn es sein mußte. An den kurzen Bögen der Ellipse befanden sich die Behendlungsräume für erkrankte Nogk. Auch sie waren wie alle anderen Räume des Schiffes auf ter ranische Bedürfnisse umgewandelt wor den. Über ein System von Filtern und Konvertern konnte in jede einzelne Ka bine jede nur gewünschte und erforder liche Strahlung einer der beiden Sonnen abgegeben werden. Ein weiteres Meis terwerk stellten jedoch kreisförmig an geordnete Detektorgruppen dar, die nach der Einspeicherung der Mental muster jedes einzelnen Besatzungsmit gliedes den Gesundheitszustand der Männer automatisch überwachten und jede irgendwie krankhafte Veränderung
sofort an die Rechner der CHARR wei tergaben, die ihrerseits dann unverzüg lich die notwendigen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen einlei teten. Außerdem waren diese Detektor gruppen in der Lage, mittels Sonder schaltung jede nur gewünschte Hypno schulung vorzunehmen. Colonel Huxley blieb mit Major Crook vor einem dieser Räume stehen. »Verteilen Sie Ihre Männer jetzt auf die vorhandenen Kabinen, Crook. Dort werden sie von den Detektoren analy siert und ihre Mentalmuster eingespei chert. Anschließend beginnt dann sofort die notwendige Hypnoschulung. Wenn wir im System der blaugrünen Sonne Tantal aus der Transition in den Nor malraum zurückkehren, wird Ihnen und Ihren Männern jedes Detail dieses Schiffes so vertraut sein wie mir - ein schließlich aller zur Verfügung stehen den Waffensysteme. Darüber hinaus werden Sie in der Lage sein, die nogkschen Symbole zu lesen und der Schnelligkeit ihrer Gedankenbilder zu folgen. Chief Erkinsson wird sich um die notwendigen technischen Dinge kümmern. Kommen Sie, Crook, Sie bleiben gleich in dieser Kabine hier!« Major Crook hatte auf dem Rund gang durch den Ellipsenraumer genau wie seine Männer den Erklärungen Huxleys zugehört, ohne den Colonel auch nur ein einziges Mal zu unterbre chen. Jetzt musterten seine eigentümlich durchdringenden Augen den Sonnen hangar. »Ausgezeichnete Arbeit, dieses Schiff!« sagte er. »Und wie ich weiß, hat sich dieser Typ inzwischen auch bewährt, sogar im Kampf gegen die Schatten!« Crooks Züge wirkten in diesem Mo ment noch starrer, noch strenger als
sonst. Trotzdem erkannte Huxley, daß seine Ausführungen in diesem kompro mißlosen, wenn auch in dienstlichen Obliegenheiten zur Pedanterie neigenden Mann einen tiefen Eindruck hinter lassen haben mußten, denn genau wie er war Major Crook eine jener Naturen, für die ein Leben ohne Raumfahrt, ohne dieses durch nichts zu ersetzende Aben teuer zwischen den Sternen einfach nicht denkbar war. Huxley schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. »Mir ist es nicht besser ergangen als Ihnen, Crook, als ich die ses Schiff zum ersten Mal sah. Aber ei nes will ich Ihnen jetzt schon prophe zeien: Lassen Sie uns nur erst nach Reet zu den Nogk kommen, dann werden Sie und Ihre Männer noch ganz andere Din ge sehen! Sogar der alte Janos Szardak war vor einiger Zeit fassungslos, und das will bei diesem Haudegen wirklich etwas heißen!« Huxley drehte sich um. Er gab Chief Erkinsson noch einige letzte An weisungen. »Ich schicke Ihnen den Doc, Erkins son! Bereiten Sie inzwischen hier alles vor. Die Detektorschulung muß beendet sein, bevor wir das System Tantal errei chen!« Erkinsson nickte. Dann winkte er einigen seiner Techniker und machte sich mit ihnen an die Arbeit, Crook und seine Männer auf die einzelnen Kabinen zu verteilen und die notwendigen Schal tungen für die Detektorgruppen in der eigens dafür vorgesehenen Zentrale vor zunehmen. Huxley verließ das Ellipsengewölbe erst, als die beiden künstlichen Sonnen sich verdunkelten, ihr eben noch gold gelbes, weiches Licht verdunkelte sich in ein düsteres Violett, das sofort eine wohltuende, entspannende Wirkung auf
Crooks Männer hatte. Sie spürten nur noch, wie ihre Glieder bleischwer wur den und sie in irgendeine unbekannte Tiefe zogen. Gleichzeitig drangen die ersten Bilder nogkscher Symbole und Zeichen in ihre Gehirne. Huxley kannte diesen Vorgang nur zu gut. Er wußte, daß er sich auf Reet wahrscheinlich einer neuen Schulung unterziehen mußte, um sein Wissen auf dem neuesten Stand zu hallen. Aber er hatte jetzt keine Zeit, daran zu denken. Die grünlichen, langsam pulsierenden Energielelder trugen ihn durch ei nen der Transportschächte zum Leit stand des Ellipsenraumers ganz vorn im Bug. Dort warteten bereits Prewitt und Maxwell auf ihn »Alles klar?« fragte Huxley und ließ sich in seinen Konturensitz zwischen den beiden Offizieren gleiten, nachdem er mit einem raschen Blick die Instru mente und Skalen überflogen hatte, die vor den drei Sitzen der Männer gut überschaubar in Bogenform angeordnet waren. Darin wich die CHARR eben falls von ihren nogkschen Schwester schiffen ab. Bedienungselemente und Instrumente waren wie alles andere auf terranische Bedürfnisse ausgerichtet, wenn sie auch nach wie vor die nogkschen Symbole und Zeichen tru gen. »Hat Clark die Kopplungsdaten für die Transition zur nochmaligen Über prüfung bereits an unsere Speicher überstellt?« Maxwell, der II.0., nickte. Zusam men mit Prewitt, dem I.O. Der CHARR, halte er die Einspeicherung überwacht. Die beiden Männer wußten, daß von der Richtigkeit dieser Daten alles anhing. Denn eine Schwierigkeit - bedingt durch die völlig verschieden gearteten Antriebe der beiden Schiffe - behinderte
gemeinsame Aktionen wie diese: Die EUROPA mußte erst knapp auf Licht geschwindigkeit beschleunigen, ehe sie ohne allzu große Energieverluste das Normalkontinuum verlassen und in Transition gehen konnte. Bei der CHARR hingegen wurde der Sprung durch den Pararaum oder die sogenann te graue Zone zwischen den Sternen durch gewaltige, von den Rechenzen tren des Schiffes gesteuerte Konverter bänke eingeleitet, die das Schiff mit ei ner Antisphäre umgaben. Diese wurde sofort als Fremdkörper aus dem Nor malkontinuum ausgestoßen - mit allem, was sie enthielt. Erst durch abermaligen Wechsel der Polarität dieses Transiti onsfeldes konnte die CHARR in das Einstein- oder Normalkontinuum zu rückkehren. Beide Systeme hatten Vor- und Nachteile. Fest stand jedoch, daß die CHARR und die EUROPA zur gleichen Zeit in Transition gehen mußten, woll ten sie gleichzeitig und auch im ur sprünglichen Abstand voneinander wie der in den Normalraum zurückkehren. Das Problem war nicht leicht zu lö sen gewesen. Erst bei der Auswande rung der Nogk in das zwischen der Milchstraße und der Andromeda-Gala xis gelegene System der Riesensonne Corr hatten die Wissenschaftler beider Rassen ein Verfahren entwickelt, nach dem zwischen Ring- und Ellipsenrau mem sogenannte Kopplungskoordinaten ermittelt werden konnten. Schon die ersten Versuche hatten einwandfreie Er gebnisse erzielt. Die Rechner der CHARR hatten ihre abermalige Überprüfung der Kopp lungskoordinaten beendet. Die Kontrol len leuchteten auf. Colonel Huxley wartete, bis das letzte der nogkschen Zeichen erlosch. Dann stellte er die Verbindung zu
Clarks EUROPA her. Sekunden später erschien das breite, kräftige Gesicht des Colonels auf dem Schirm. »Die Daten sind okay, Clark«, sagte Huxley. »Zeitvergleich: 00:2. In genau drei Minuten beschleunigen Sie. Bei Er reichung von Sprunggeschwindigkeit Kontrollfrequenz über To-Funk an mich. Hallen Sie den Tasterkanal frei, ich lasse die Transition Ihrer EUROPA über die Rechner meines Schiffes an steuern, das ist exakter. Und noch et was, Clark: Sollte dennoch irgend etwas schiefgehen, dann landen Sie zunächst auf dem dritten Planeten von Tantal. Er ist eine Wasserwelt, für menschliches Leben bedingt geeignet. Ist der ehemali ge Versorgungsplanet der Nogk, Algen kulturen und Ähnliches. Im Norden fin den Sie eine Insel, etwa auf 56 Grad nördlicher Breite. Vermeiden Sie auf alle Fälle, mit Ihrem Schiff tiefer ins System Tantal einzufliegen als bis zum dritten Planeten!« Clark sah Huxley einen Augenblick lang fragend an. Seine Stirn legte sich in Falten. »Haben Sie einen besonderen Grund für diese Instruktionen, Huxley?« fragte er dann zögernd. Huxley schwieg einen Augenblick. Doch dann gab er sich einen Ruck. »Unsere Berechnungen in puncto Kopp lungskoordinaten galten für die norma len Ringraumer, Clark!« erwiderte er dann. »Ihr Schiff verfügt über drei Mys terioustriebwerke. Das kann unsere Werte verändern, kann eine Fehlerquel le sein. Da ich mich mit dem Beginn meiner Transition nach Ihrem Schiff richte, mich also praktisch an die EUROPA ankopple, könnte es sein, daß ich woanders in das Normalkontinuum zurückkehre als Sie. Für diesen Fall empfehle ich Ihnen, auf mich zu warten. Ich habe kein gutes Gefühl bei dieser
ganzen Sache. Denn wenn ein Nogkrau mer Terra besucht und die Totenkegcl vom Illampu-Massiv verschleppt, dann war es bestimmt kein Schiff aus Cha rauas Flotte, kein Raumer aus dem Sys tem Corr!« Clark überlegte. Schließlich nickte er. »Okay, Huxley, akzeptiert. Nur noch eine Frage: Wieso sollte es denn ein Schilf aus dem System Tantal sein? Ich denke, dort halten sich gar keine Nogk mehr auf? Sie haben doch ihre gesamte alte Kampfflotte in Hangars unter der Planetenoherfläche von Nogk I und Nogk II eingemottet?« Huxley zuckte die Achseln. »Jedenfalls dachte ich das bisher. Und ich hin ganz sicher, daß auch Cha raua und das gesamte Nogk-Imperium zur Zeit ebenfalls dieser Überzeugung sind. Deshalb, Clark, nur deshalb mache ich den Umweg über Tantal!« »Habe verstanden, Huxley. Ich war te genau achtundvierzig Stunden auf Sie, falls überhaupt etwas dazwischen kommt. Sind Sie dann immer noch nicht aufgetaucht, handle ich nach eigenem Ermessen!« Huxley nickte bestätigend und schaltete ab. Gleich darauf beschleunig te die EUROPA. Dabei erreichte sie mit ihren drei Mysterioustriebwerken Wer te, die der CHARR niemals möglich waren. Innerhalb kürzester Frist schon be fand sie sich außerhalb des Bereiches der hochempfindlichen Taster des Ellip senraumers. Eine halbe Stunde später kam das Kontrollsignal von der EUROPA. Sekunden darauf verloschen die Sonnen auf den Sektoren des All sichtschirms. Der eben noch im Licht der unzähligen Sterne schimmernde goldene Druckkörper der CHARR ver wischte zu einem weißlichen Fleck,
stand für einen winzigen Moment wie ein femer Nebel in der samtschwarzen Unendlichkeit des Universums und war dann ebenfalls verschwunden. * Huxleys geheime Befürchtungen be standen leider nicht zu Unrecht. Aber die Wirklichkeit übertraf dennoch alles, was selbst der erfahrene Colonel sich je mals hätte vorstellen können. Während die EUROPA einige Lichtminuten vor dem System der Sonne Tantal ins Nor malkontinuum zurückkehrte und dann wie besprochen sofort Kurs auf den dritten Planeten des Systems nahm, re materialisiete die CHARR weit draußen im Raum. Huxley starrte ungläubig auf die Bugfelder der Allsichtsphäre. Genau in Zielrichtung vor seinem Schiff tobte mitten in der Unendlichkeit ein erbar mungsloser Kampf. Huxley, Prewitt und Maxwell fuh ren zugleich aus ihren Sitzen. »Ver dammt, eine Station der Schatten! Und Nogkraumer! Was zum Teufel...« Weiter kam Huxley nicht. Denn in diesem Augenblick erschien in der Sze nerie ein gespenstisches, eiförmiges Schiff, das in einem pulsierenden Sil berfeld zwischen den Sternen dahin schoß. Es war umgeben von einer Grup pe gleich großer, ebenfalls eiförmiger Raumer, die ihre Geschwindigkeit je doch noch steigerlen. Sie lösten sich von dem silbernen, nur undeutlich zu erkennenden Raumer und rasten wie riesige, zwischen 600 und 700 Meter lange Geschosse auf die kugelförmige Station der Schallen zu. Huxley und seine beiden Offiziere saßen wie erstarrt in ihren Sitzen, wäh rend in der CHARR die Alarmsignale
schrillten. Major Crook stürzte in den Leit stand, einige seiner Männer folgten ihm. »Was...« Aber dem Major blieben seine Wor te genau wie den anderen förmlich im Hals stecken. Die Raumstation der Schatten versuchte krampfhaft, eine Art Unsichtbarkeitsschirm um sich herum aufzubauen. Gleichzeitig stieß die Stati on nach allen Seiten seltsam bizarr ge formte Schiffe aus. Verschwommene, pechschwarze Gitterkonstruktionen, so abstoßend häßlich, so drohend, wie we der Crook noch seine Männer etwas Vergleichbares kannten. Huxley drehte sich zu Crook um: »Die Schalten! Sie sind wieder da! Also muß im System Tantal etwas geschehen sein! Das Schwarz, das Sie da sehen, Crook, ist reine Energie. Das eigentliche Schiff se hen wir wahrscheinlich gar nicht. So verrückt das auch klingt - das ist schwarz leuchtende Energie!« Huxley traf seine Entscheidung blitzschnell. »Crook, Sie übernehmen die CHARR. Durch die Detektorschu lung wissen Sie Bescheid. Meine Män ner und ich gehen an Bord der FO 1. Warten Sie aber auf meine Anweisun gen, ehe Sie die ultimativen Waffen die ses Schiffes einsetzen. Und setzen Sie einen Spruch an die EUROPA ab. Clark soll sofort herkommen. Senden Sie über To-Funk Peilfrequenzen aus, falls seine Masse- oder Distanzortung nicht an sprechen sollte!« Crook nickte, und Huxley gab Max well ein Zeichen. Zu Prewitt gewandt blieb er, einem plötzlichen Impuls fol gend, noch einmal stehen. »Prewitt, Sie bleiben für alle Fälle an Bord der CHARR. Sie halten ständi ge Verbindung zur FO l, und zwar mit Chief Erkinsson. Klar, Prewitt?«
Der I.0. nickte. Er erkannte Huxleys Intention und bewunderte im Stillen sei ne Umsicht. »Aye, Sir!« erwiderte er da her nur kurz. Huxley sah Crook an. »Viel Glück, Crook!« Dann verließ er mit Maxwell den Leitstand. Als die bei den kurz darauf durch den Hangar der CHARR stürmten, in dem der spindel förmige, gut 200 Meter lange Druckkör per der FO 1 auf seinen Bettungen ruh te, kamen seine Männer ebenfalls einer nach dem anderen aus den übrigen Schächten. Im Laufschritt verschwanden sie in der Schleuse des Spindelraumers, der von den Nogk seit Beginn ihrer Freund schaft mit Huxley immer wieder auf den neusten Stand der Technik gebracht worden war und allein schon aus die sem Grund ein Schiff von ungeheurer Kampfkraft und technischer Perfektion darstellte. Auf einen von Huxley abgegebenen Impuls hin öffnete sich der Druckkörper der CHARR über der FO 1. Die nadel feinen, grelleuchtenden Punkte der fer nen Sonnen der Milchstraße standen vor dem samtschwarzen Hintergrund des Universums. Unterdessen raste die CHARR auf den Stützpunkt der Schat ten zu. Minuten später, als der Hangar sich vollends geöffnet hatte, hob die FO 1 von ihren Bettungen ab. Einige Sekun den stand sie noch unbeweglich im Hangar, dann, den spitzen Bug langsam gegen die Sterne richtend, glitt sie hi naus. Gleichzeitig schaltete der Chief die Triebwerke auf volle Leistung und baute den Unsichlbarkeitsschirm auf, der die CHARR ebenfalls umgab. Huxley erfaßte mit einem Blick, was da vor seinen Augen geschah. Das Sil berschiff war hinter den anderen Eirau mern, die sich von ihm gelöst hatten und mit ständig steigender Geschwin
digkeit auf die Schatten zurasten, weit zurückgeblieben. Huxley erkannte das Schiff auf den Schirmen seines Spindel raumers deutlich. Es gehörte ebenfalls zu jenem Typ, wie er von den Nogk be nutzt worden war, ehe sie für ihre Aus wanderung die Ellipsenraumer entwi ckellen. Die nogkschen Bildschirme zeigten die eigenen Schiffe auch dann, wenn um sie herum der Unsichtbarkeitsschirm aufgehaut war. Und daran erkannte Huxley in diesem Moment mit aller Deutlichkeit, daß es sich um Nogkrau mer handeln mußte. Zu weiteren Überlegungen kam er jedoch nicht mehr. Denn im gleichen Augenblick durchdrang seine Zentrale der unmißverständliche, wenn auch fremdartige Impuls, sofort abzudrehen. Blitzartig huschte das Bild eines ko baltblauen Wesens durch sein Bewußt sein, das zwar wie ein Nogk aussah, aber dennoch keiner sein konnte. Huxley zögerte keine Sekunde. Mit einem Griff stellte er eine Konferenz schaltung zwischen der FO l und der CHARR her. Denn jener Vision eines kobaltblauen Wesens war noch eine an dere gefolgt. Eine Warnung, deren Inhalt Huxley zwar verständlich war, die er aber trotz dem nicht zu übersetzen wußte. »Crook, sofort um 180 Grad abdre hen, mit allem, was drin ist!« schrie er. Gleichzeitig riß er die FO 1 herum und starrte entgeistert auf die Koordinaten seiner Allsichtsphäre. Der Pulk der grauen Eiraumer hatte die Schattenstation erreicht. Schwarze, trotz ihrer Dunkelheit ir gendwie auf entsetzliche Weise leuch tende Strahlen griffen aus dem immer wieder zusammenbrechenden Unsicht barkeitsschirm nach ihnen. Ganze Teile
ihrer Druckkörper wurden erfaßt und herausgerissen. Aber die Eiraumer hiel ten ihren Kurs unbeirrbar bei. Wie Ge schosse, die der Gegner zwar treffen, aber nicht mehr aufhalten konnte. Huxley spürte, wie sich ihm die Haare sträubten. »Verdammt, Maxwell!« fluchte er. »Solange dieser Pulk von Wahnwitzi gen die Station angreift, kann ich den Nogk oder wer immer sie sein mögen, nicht helfen. Ich kann unsere Antisphä re nicht einsetzen, ohne zugleich auch die Eiraumer zu vernichten!« Maxwell nickte verbissen, sah Hux ley an und wollte etwas sagen, fuhr je doch im gleichen Augenblick abermals herum und starrte entgeistert auf den 180-Grad-Sektor ihrer Allsichtsphäre. Von dem silbernen Raumer schös sen haarfeine Strahlen auf den Pulk der angreifenden Eiraumer zu. Jedes der Schiffe, die trotz des immer stärker wer denden Abwehrfeuers der Schallen die Raumstation fast erreicht hatten, auch wenn ihre Druckkörper mit jeder Se kunde mehr und mehr zerfielen, wurde von einem solchen Strahl getroffen. Und dann schlossen Huxley und Maxwell geblendet die Augen. In einem einzigen Zucken, so schnell, so unfaß bar schlagartig, zerriß eine gewaltige Explosion den Pulk von Eiraumern. Eine flammende, unbeschreibliche Hel ligkeit griff nach der Station der Schat ten, sprang an ihr hoch, umfloß sie in einem einzigen, entsetzlichen Schlag, dessen Ungeheuerlichkeit Huxley auf der FO 1 und Crook im Leitstand der CHARR nur an der Reaktion ihrer In strumente ablesen konnten. Huxley schrie seinen Männern über die Bordsprechanlage etwas zu, dann warf er seinen Kopf nach vorn und barg ihn in den Armen.
Ohne zu fragen folgte Maxwell sei nem Beispiel. Was da draußen im All um sie herum geschah, das würden sie sich später von den Speichern ihrer Schiffe abrufen, denn alles, auch die ge ringste Kleinigkeit wurde von den Tas tern registriert, gefiltert und eingespei chert. Selbsttätig würden die Speicher bänke die Vorgänge auswerten, kom mentieren und schließlich projektions fertig bis zum Abruf konservieren. Huxley und seine Männer sahen nicht den Blitz, die gewaltige Entla dung, die viele Lichtminuten von ihnen entfernt das Universum aufriß, die Stati on der Schatten und ihre Schiffe ver schlang und anschließend silbrig schim mernde Partikelwolken durch das All jagte. Feine Gespinste, die sich inner halb weniger Minuten in den unermeß lichen Tiefen des Raumes verloren. Colonel Clark hatte den Spruch der CHARR empfangen, noch ehe er zur Landung auf dem drillen Planeten der blaugrünen Sonne Tantal ansetzte. Er wirbele herum. »Neuer Kurs, Koordinate: Grün 18:02,66«, brüllte er. »Huxley muß in Gefahr sein, Standort seines Schiffes bestimmen, schnell!« Dann kamen die ersten Peilzeichen des hyperstarken To-Funksenders. Sofort schwenkte die KUROPA auf den ihr angewiesenen Kurs ein. Und jetzt zeigte sich, wie stark die drei Triebwerke dieses einzigartigen Schif fes waren. Der rote, im Licht der Sonne Tantal violett aufleuchtende Ringkörper schoß davon. Er erreichte Beschleuni gungswerte, die selbst Clark nicht für möglich gehalten hätte. Doch so schnell die EUROPA auch war, sie schaffte es nur noch, Zeuge ei ner weithin sichtbaren, große Teile des vor ihr liegenden Universums überde ckenden Explosion zu werden.
Clark erstarrte mitten in seiner Be wegung, mit der er eben eine weitere Kurskorrektur seines Ringraumers vor nehmen wollte. Ein Blick auf die Instrumente ge nügte ihm. Die Masse-Ortung gab ihm überdeullich Auskunft darüber, welche Energien in dem vor ihm liegenden Raumsektor freigeworden sein mußten. Plötzlich stand ihm der Schweiß auf der Stirn. Mit einer fahrigen Bewegung fuhr er sich mit der Hand über den Na cken. Auch der war plötzlich schweiß naß. »Aus!« sagte er nur und warf sei nem 1.0., einem noch jungen Offizier, der unter Clark seinen ersten großen Einsatz in dieser Funktion flog, einen unmißverständlichen Blick zu. Daß der junge Mann bereits die Position eines I.0. an Bord der EUROPA innehatte, verdankte er seinen ausgezeichneten Beurteilungen und der Tatsache, daß Clark genau wie seine Kollegen Szardak und Larsen die Ansicht vertrat, daß Nachwuchs sich nur an Bord von Schif fen im scharten Einsatz so heranbilden ließ, wie es nötig war, um fähige Kom mandanten für die sich ständig vergrö ßernde terranische Raumflotte hervor zubringen. »Los, Kenny!« krächzte Clark mit vor Erregung heiserer Stimme, »versu chen Sie, Verbindung zu Huxley be kommen!« Erst versuchte es der 1.0. Dann schaltete sich Clark in die Bemü hungen ein. Sie versuchten es über eine halbe Stunde, ohne Ergebnis. Nur der To-Funksender der CHARR arbeitete noch. Auf seinen Fre quenzen jagte die EUROPA dem Ort der Katastrophe entgegen, bis die Schir me endlich etwas erfaßten, was Clark jäh aus seinem Sitz fahren ließ. Schon während der letzten Minuten hatte er
bemerkt, wie seine EUROPA in einer langen Schleife, immer den Signalen des Peilsenders folgend, fast an ihren Ausgangspunkt zurückgekehrt war, an dem sie der erste Ruf der CHARR er reicht hatte. Als Huxley seine FO 1 herumriß und Crook seinem Manöver sofort folg te, ahnten die beiden Männer nicht, daß ihnen und ihren Besatzungen dadurch das Leben gerettet wurde. Die Schiffe liefen beide unter höchster Beschleuni gung von der Stelle weg, an der die sil berne Energie die Raumstation der Schatten vernichtete. Die Energie holte die CHARR und die FO 1 mit ihren Ausläufern und Partikelwolken ein, aber die gleichzeitige Fluchtbewegung der beiden Raumer veränderte durch den Dopplereffekt ihre Frequenz. Nicht viel, dazu bewegten sich die schimmernden Wolken und Schleier viel zu schnell, während sie ständig an Intensität und Dichte verloren, aber eben doch gerade noch genug. Huxley schreckte im Leitstand sei ner FO 1 hoch, als die silbrige Hellig keit in das Schiff eindrang. Mühelos überwand sie alle Schutzschirme, durchfloß alle Wände und Schotts. Gleichzeitig bemerkte er, wie eine rötli che, langsam pulsierende Energie sei nen Körper zu umfließen begann. Auf seiner Brust, scheinbar in seiner Uni form, brannte in hartem Violett das Em blem der Nogk. Die Ellipse mit den bei den in ihren Brennpunkten rotierenden Sphären. Sein Zweiter Offizier starrte ihn aus schreckgeweiteten Augen an. Huxley sah, wie er den Mund aufriß, um etwas zu sagen. Aber Maxwell brachte kein Wort heraus, ein gurgelnder Laut brach aus seiner Kehle hervor. Maxwell tau melte aus seinem Sitz. Er tat ein paar Schritte auf Huxley zu. Um seinen Kör
per flimmerte die silbrige Helligkeit je ner unheimlichen Energie. Dann warf Maxwell plötzlich, noch ehe Huxley ihn zu packen vermochte, die Arme hoch und stürzte zu Boden. Aus der Zentrale meldete sich Chief Erkinsson. Sein Gesicht wirkte unsag bar verzerrt. »Sir, wir, meine Männer und ich...« würgte der Chief hervor, dann fiel er in sich zusammen. Von einer Sekunde zur anderen. Huxley wollte an die Bordsprechan lage springen, aber auch er kam nicht mehr dazu. Eine plötzliche Übelkeit, der auf der Stelle ein stechender, selbst für diesen harten Mann unerträglicher Kopfschmerz folgte, der sich blitzartig auf den ganzen Körper ausdehnte, ließ ihn aufstöhnen. Seine zuckenden Hände erwischten die Lehne seines Konturen sitzes. Aus den vor Schmerz halbblin den Augen starrte Huxley um sich, un fähig, sich zu rühren. Wie eine Vision erschien in seinem Bewußtsein aber mals jenes kobaltblaue Wesen, das aus sah wie ein Nogk und doch keiner sein konnte. Huxleys Beine knickten ein, die verkrampften Hände lösten sich von der Lehne des Konturensitzes. Er glitt mit einem entsetzlichen Schrei zu Boden. Aber er seihst hörte den Schrei bereits nicht mehr. Im Druckkörper der FO 1 herrschte die Stille des Todes. Nur das Singen der schweren Konverter und Aggregate, die unverändert weiterliefen, verhinderte die völlige Lautlosigkeit. Auf der CHARR, die dicht neben der FO 1 mit gleicher Geschwindigkeit durch den Raum jagte, sah es nicht bes ser aus. Major Crook lag verkrümmt vor einem der Steuerpulte. Sein Körper schien irgendwo zwischen den Koordi naten der Allsichtsphäre des Ellipsen
raumers zu schweben. Unweit von ihm hing der Erste Offizier, Lee Prewitt, in seinem Sitz. Und genauso sah es auch in allen anderen Abteilungen des Schif fes aus. Überall lagen die Männer auf ihren Stationen, bleich, ohne die ge ringsten Anzeichen von irgendwelchem Leben in ihren Körpern. * Tantal, der kobaltblaue Nogk, saß regungslos unter den glühenden Koor dinaten des Allsichlschirms seines Schilfes. Zu seiner Rechten und zu sei ner Linken saßen andere Nogk. Ihre Haut war jedoch lederartig, braun und mit gelben Punkten versehen. Während Tantals kobaltblauer, im spärlichen Licht glänzender Körper von einer schimmernden, silbernen Montur um schlossen wurde, trugen sie die gelben Uniformen der Meegs. Gemeinsam starrten sie auf das violett strahlende Emblem, das zwischen den Koordinaten der Allsichtsphäre stand und langsam mit den dahinziehenden Schiffen wei terwanderte. »Es war die CHARR! Deine Waffe hat Huxley vielleicht tödlich getroffen, Tantal! Wir müssen etwas unternehmen. Huxley ist zwar Terraner, aber er gehört dem Rat unseres Imperiums an, Tantal. Er ist unser Freund, wie die Terraner unsere Freunde sind!« Tantals Fühler spielten unruhig hin und her. »Warum kannte ich die CHARR nicht? Warum kenne ich Hux ley nicht? Warum weiß ich vieles, was selbst euch, den Meegs unserer Rasse, unbekannt ist, aber warum weiß ich nur so wenig von dem, was unsere jüngste Vergangenheit betrifft?« wandte er sich fragend an die Meegs. Deren Fühler begannen ebenfalls zu
pendeln. »Wir wissen es nicht, Tantal. Wir wissen auch nicht, warum du an ders bist als wir. Wir können es nur ver muten. Wenn aber unsere Vermutungen stimmen, dann droht unserem Imperium eine neue Gefahr, schlimmer, als alle anderen vorher, schlimmer auch als jene Feinde, die du mit der Waffe aus unse rer Vergangenheit vernichtet hast!« Der Meeg, der Tantal am nächsten saß, richtete sich ruckartig auf. »Wir müssen versuchen, Huxley zu retten! Wir werden ihn brauchen. Er hat unsere Rasse schon einmal vor dem Un tergang bewahrt. Aber wir haben nicht mehr viel Zeit. Wir müssen uns beeilen!« Tantal zuckte bei den letzten Impul sen des Meegs zusammen. »Was willst du damit sagen, wir haben keine Zeit. Warum...« Der Meeg machte eine ab wehrende Bewegung, die Tantal zum Schweigen brachte. »Keine Fragen, Tantal, nicht jetzt. Wir Meegs werden versuchen, den An trieb der beiden Schiffe auszuschalten. Von hier aus. Wenn das geglückt ist, dann kümmern wir uns um Huxley und seine Terraner!« Der eiförmige Druckkörper des Nogk-Kampfschiffes schob sich über die beiden dicht nebeneinander dahinja genden Raumer. Aus seinem Rumpf wuchsen zwei grünliche, leicht pulsie rende Kegel, die ihre Spitzen behutsam weiter und weiter gegen die CHARR und die FO 1 vorschoben. In der Zen trale des Nogk-Kampfschiffes saßen die Meegs. Ihre Fühler vibrierten vor Kon zentration. Jeder der Meegs wußte, wie gefährlich ihr Unternehmen war. Wenn sie auch nur ein einziges Mal die Ener gie der beiden Kegel, in deren Zentrum der Impulsstrahl die Speicherbänke der CHARR und des Spindelraumers abzu
tasten und zu analysieren begann, falsch dosierten, würden sich die beiden Rau mer in glühende Sonnen verwandeln. In unkontrollierbare Energie, die zwischen den Sternen verpuffte. Den Meegs war dieses Verfahren aus der Zeit ihrer großen Kriege be kannt. Schon oft hatten sie derartige Rettungsaktionen durchführen müssen, aber an Eiraumern, an Schilfen, die dem ihren in allen Teilen völlig glichen, de ren Daten, Aufbau und Steuerungen sie genauer kannten als die der CHARR oder der FO1. Als die Spitzen der Kegel schließ lich zur gleichen Zeit die Druckkörper der beiden Schiffe berührten, als der Impulsstrahl gedankenschnell die Druckkörper durchzuckte, in die Spei cherbänke eindrang, saßen die Meegs steif und steil aufgerichtet in ihren Sit zen. Als die Kurven auf ihren Detektor schirmen dann plötzlich nach einem heftigen Ausschlag in sich zusammen sanken, sanken auch die Meegs zusam men. Ihre Fühler zuckten noch einige Male, dann lagen sie still und völlig er schöpft in ihren Sitzen. Aber nicht lange. Mit zitternden Gliedern, langsam ihre völlige Erschöp fung überwindend, erhoben sie sich. „Komm, Tantal, wir brauchen dich jetzt, unsere Kräfte reichen nicht mehr aus, um das zu tun, was noch getan wer den muß ...“ In den grünlichen Kegeln glitten sie auf die Druckkörper der beiden Schiffe hinab. Tantal und jener Meeg, der sich um den noch unerfahrenen, jungen Nogk kümmerte, bewegten sich über die Hülle der FO 1. Der Meeg, der von Huxleys verschiedenen Besuchen her den Spindelraumer kannte, fand die
Backbordschleuse ziemlich rasch. Vor sichtig probierte er mit dem Aktivator, ob der Mechanismus auf die abgestrahl ten Impulse ansprach. Er hatte Glück, Huxley hatte das Schiff nicht über den Sperrcode verriegelt. Ungeduldig wartete er mit Tantal, bis sich auch das Innenschott öffnete. Dann lief der Meeg über das stillstehen de Transportband des Zentralschachtes, der eine Art röhrenförmige Mittelachse des Raumers bildete und von dem aus die Besatzung jede andere Abteilung, jedes andere Deck erreichen konnte. Tantals dunkle Facettenaugen mus terten das fremde Schiff. Seine Fühler begannen voller Erregung zu pendeln. »Solche Schiffe gab es schon einmal in der Vergangenheit unserer Rasse!« teilte er sich dann dem vorauseilenden Meeg in der lautlosen, bildhaften Art der Nogk mit. Vor dem geistigen Auge des Meeg entstand eine junge, fast noch weißglühende Sonne. Ein Planet, dessen Meere und Gebirgszüge unter einem beinahe wolkenlosen Himmel lagen. Schlanke Pyramiden erhoben sich in die klare Luft. Große, bronzehäutige Wesen eilten über breite, auf schimmernde Pfeiler gebaute Straßen, die im Bogen zwischen den Pyramiden hindurchführ ten und sie als hohe Rampen umliefen. Der Meeg blieb unwillkürlich unter der Wucht dieser Bilder stehen. »Was weißt du über jene Welt, Tan tal?« richtete er seine fragenden Impulse an seinen Gefährten. Tantals Fühler zuckten. »Ich weiß es nicht. Aber in der Ver gangenheit unserer Rasse gibt es dieses Bild, gibt es jene Wesen, sonst würde ich sie nicht sehen! Und sie sehen jenen ähnlich, die ihr unsere terranischen Freunde nennt!« Der Meeg setzte seinen Weg fort.
Nach einigen weiteren Minuten erreich ten sie den Leitstand der FO 1. Als sie ihn betraten, starrte ihnen Huxley aus zusammengekniffenen Au gen entgegen. Mit beiden Händen um klammerte er die Lehne seines Kontu rensitzes. Seine Züge waren noch im mer von dem ungeheuren Schmerz ge zeichnet, der ihn überfallen halte, kurz bevor er das Bewußtsein verloren hatte. Der Meeg blieb wie gebannt unter dem Schott zum Leitstand sieben. »Huxley!« teilte er sich mit. »Du lebst! Ich dachte schon, wir würden zu spät kommen. Unsere Waffe ist tödlich für alle denkenden Wesen, die von ihr durchdrungen werden!« Huxley nickte müde, noch immer nicht fähig, seine Gedanken zu konzen trieren. Doch dann, als er den kobalt blauen Nogk in der silbernen Uniform erblickte, zuckte er zusammen. Und mit diesem Zusammenzucken überwand er auch zugleich seine Schwäche. Jeden falls dachte er das. Er wußte nicht, daß der Meeg ihm in diesem Augenblick et was gab, das er selbst niemals mehr zu rückerhalten konnte. »Wer ist das?« Durch einige Impulse klärte ihn der Meeg auf. Huxley raffle sich auf. »Das hat alles Zeit. Ich muß mich erst einmal um meine Männer kümmern; helft mir!« Er bückte sich zunächst zu Max well, und auch der Meeg folgte ihm, wenn auch mit langsamen, beinahe et was schwerfälligen Bewegungen. Aber darauf achtete Huxley in die sem Moment nicht. Gemeinsam untersuchten sie Max well. Schließlich richtete sich der Meeg auf. »Ihr hattet großes Glück, Terraner. Wahrscheinlich, weil ihr Tantals An
weisung sofort befolgtet und eure Schif fe in Fluchtrichtung gedreht habt. Unse re Todeswolken brauchten einige Zeit, ehe sie eure Schiffe erreichten. Und die Geschwindigkeit, mit der ihr euch durch den Raum vor ihnen herbewegt habt, verminderte die Impulse pro Zeiteinheit, die eure Körper trafen. Eure Wissen schaftler bezeichnen diese Erscheinung als Dopplereffekt.« Huxley begriff schlagartig. Wenn man einen Stein ins Wasser warf, so bil deten sich kreisförmige Wellen, die sich vom Zentrum mit gleichbleibender Ge schwindigkeit ausbreiteten. Bewegte sich ein Schwimmer nun auf den Aus gangspunkt jener kreisförmigen Wellen zu, so schnitt er innerhalb einer be stimmten Zeiteinheit wesentlich mehr der ihm entgegenlaufenden Wellen, als wenn er sich vom Einschlagpunkt des Steines aus gemeinsam mit ihnen nach außen bewegt hätte. Denn die Relativ geschwindigkeit der Wellen in bezug auf seinen Körper war dann wesentlich geringer... Huxley sah zu dem immer noch be wußtlosen Maxwell hinüber. »Haben alle meine Männer es so überstanden wie er?« wandte er sich an den Meeg. Der bejahte. »Auf der CHARR se hen die Meegs in diesem Moment schon nach und kümmern sich um deine Ge fährten, Huxley. Dich hat das Kontaktfeld geschützt. Die Männer dieses Schiffes müssen je doch sofort in den Sonnenhangar deiner CHARR gebracht werden. Nur dort können wir ihnen helfen. Huxley warf rein zufällig einen Blick auf den Schirm der Allsichtsphä re. Dann sprang er mit einem einzigen gewaltigen Satz ans Vipho. Denn zwi schen den Koordinaten stand weithin
sichtbar und durch das grünliche Licht der Sonne Tantal nicht glutrot, sondern violett leuchtend der Tofirit-Druckkör per der EUROPA. »Huxley an EUROPA!« brüllte der grauhaarige Colonel. »Clark, melden Sie sich!« Sekunden später flammte der Vi phoschirm auf. Noch immer starrte Huxley wie gebannt auf den riesigen Ringkörper der EUROPA. Sie bot einen geradezu furchterregenden Anblick. Clarks kantiges Gesicht erschien auf dem Schirm. »Was zum Teufel ist bei Ihnen los, Huxley?« meldete er sich und stutzte im gleichen Moment, als er den Meeg und Tantal erblickte. »Warum haben Sie sich nicht ge meldet, Huxley? Wir sahen die Explosi on dieser Silberwolke, dann kamen nur noch die Frequenzen Ihres Peilsenders. Was war los?« Huxley klärte ihn in aller Kürze auf. »Schicken Sie Boote mit Leuten, Clark! Rasch! Ich fliege die FO 1 jetzt zur CHARR hinüber. Ich weiß aber nicht, oh ich auch in den Hangar hinein komme. Jedenfalls müssen meine Män ner sofort zur Behandlung in den Son nenhangar des Schiffes!« Clark nickte und gab sofort die not wendigen Anweisungen. »Und was sind das für grüne Kegel, die den Eiraumer und ihre beiden Schif fe miteinander verbinden?« Huxley zuckte zusammen. »Grüne Kegel?« Er fuhr herum und starrte die beiden Nogk fassungslos an. »Ihr habt unsere Antriebe von eurem Schiff aus...?« Der Nogk nickte Huxley zu. Eine Geste, die er im Laufe der Zeit von den
Terranern übernommen hatte. Huxley wurde noch nachträglich kreidebleich. Er spürte, wie sein Herz plötzlich unter seinen Rippen zu häm mern begann. »Wir hatten keine andere Möglich keit, Huxley. Dein Schiff beschleunigte voll. Es hätte sich von der CHARR ge trennt, dann wäre jede Hilfe für uns un möglich geworden. Von dem anderen Schiff deiner Gefährten wußten wir nichts.« Der Nogk unterbrach sich. Dann sa hen seine dunklen Facettenaugen Hux ley direkt an. »Wir müssen uns beeilen! Ich habe dir noch einiges mitzuteilen, bevor ich...« Huxley horchte auf. »Bevor du was?« hakte er nach. Aber der Meeg winkte ab. »Später, Huxley! Erst deine Män ner, dann teile ich dir alles mit, was du wissen mußt. Anschließend mußt du so fort in unser Imperium aufbrechen. Ich fürchte, Charaua wird deine Hilfe dort dringend benötigen! Und Tantal wird dich begleiten!« »Und du? Was wird mit dir?« Hux leys Stirn furchte sich. Der Meeg winkte jedoch abermals ab. »Später!« erwiderte er nur. Dann verließ er den Leitstand der FO 1. Unter dem Schott blieb er jedoch noch einmal stehen. »Ich löse jetzt die Kegel von deinem Schiff. Meine Meegs werden den Han gar der CHARR öffnen. Fliege die FO 1 sofort ein, wir treffen uns dann im Son nenhangar wieder!« Huxley hob Maxwell empor und legte ihn in seinen Konturensitz. Behut sam prüfte er den Puls seines II.0. Dann wartete er darauf, daß der Meeg ihm ein
Zeichen geben würde. Gleichzeitig musterte er Tantal. »Du wurdest in diesem System, un ter dieser Sonne geboren?« fragte er schließlich. »Ich allein, Terraner. Ich wurde aus Versehen von meiner Rasse vergessen, als sie dieses System mit euch verließ!« »Und was meinte der Meeg damit, daß Charaua unsere Hilfe benötigen würde?« Tantal schwieg eine Weile. »Ich weiß es nicht, obwohl Charaua mein Er zeuger ist. Ich...« Huxley war aufgesprungen. »Cha raua ist dein Erzeuger? Du bist also...« »Vergiß nicht, Terraner, daß diese Dinge bei uns Nogk anders sind als bei euch! Trotzdem, ich werde dich nach Reet begleiten!« Der Meeg meldete sich. Huxley schaltete den Antrieb seiner FO 1 wie der ein. Es war besser, wenn er sich jetzt zunächst so rasch wie möglich da rum kümmerte, daß seine Besatzungen versorgt wurden. Alles andere hatte Zeit. Flüchtig schoß ihm in diesem Au genblick auch wieder jene unheimliche Szene auf dem Illampu-Massiv durch den Kopf. Aber noch unterdrückte er sein Verlangen, Tantal danach zu fra gen. Minuten später sank die FO 1 auf ihre Bettungen im Innern der CHARR. Lautlos schloß sich das große Schott über dem Spindelraumer, nachdem auch die Beiboote der EUROPA in den Han gar eingeflogen waren. Als die Kontrollen normalen Atmo sphärendruck innerhalb des Hangars an zeigten, öffnete Huxley die Schleusen der FO 1, und Clarks Männer verließen ihre Boote. Der Colonel gab Tantal einen Wink.
Zusammen packten sie den immer noch bewußtlosen Maxwell und trugen ihn bis zum Transportband des Zentral schachtes. Wenig später holten Clarks Männer auch die anderen Mitglieder der FO 1-Besatzung aus ihren Stationen. Alles weitere war dann eine Sache von einer halben Stunde. Und während die Meegs des Nogkraumers, der inzwi schen von Tantal zum zweiten Planeten der blaugrünen Sonne zurückgeflogen wurde, sich um seine Gefährten küm merten, folgten Huxley und Clark mit ihren beiden Schiffen dem allen NogkKampfraumer. Innerhalb der Mauern jener Ring stadt, vor deren Fragmenten Tantal zum ersten Mal das Licht jener blaugrünen Sonne durch seine dunklen Facettenau gen erblickt halte, gingen die drei Schif fe nieder. Der rotbraune Sand, der die ehemals so sauberen Quadern der ge waltigen Stadt längst bedeckt hatte, knirschte unter ihren Landestützen... Die blaugrüne Sonne stieg höher und höher am Himmel des Wüstenpla neten empor. Ihre heißen Strahlen lie ßen die Luft nimmern, und selbst die riesigen Ringmauern verschwammen zu unruhig hin- und herfließenden Gebil den. Huxley, Clark, die Meegs und Tan tal saßen im Sonnenhangar der CHARR. Nach und nach begannen auch die Bewußtlosen, sich wieder zu regen. Einer der Meegs stand auf und kontrol lierte nacheinander die Kabinen an den kurzen Bögen des ellipsenförmigen Ge wölbes. Als er zurückkam, spürte Hux ley schon von weitem seine beruhigen den Impulse. »Wir haben Glück gehabt, Huxley!« teilte er sich mit. »Deine Gefährten wer den bis Sonnenuntergang alle wieder wach und gesund sein. Aber bis dahin müssen sie liegenbleiben. Ich habe die
beiden Sonnen entsprechend einregu liert. Wir sollten jetzt beginnen, alles Notwendige miteinander zu bespre chen!« Huxley und Clark nickten. Der grauhaarige Colonel straffte sich. Auch ihm hatten die Stunden unter den Strahlen der beiden künstlichen Sonnen gutgetan. »Warum habt Ihr von Terra die sechs Totenkegel geholt, ohne uns da von zu verständigen? Ihr müßt doch schwerwiegende Gründe dafür gehabt haben?« Die Meegs zögerten. Huxley spürte es ganz deutlich an den unruhigen Impulsen, die ihre Fühlerpaare verließen. Tantal wandte sich schließlich an Huxley und Clark. Seine dunklen Au gen, die einen geradezu unheimlichen Kontrast zu seinem kobaltblauen Kopf und der helleuchtenden, silbernen Uni form bildeten, sahen die beiden Terra ner an. »Ich habe von den Strahlen jener Sonne die Gabe mitbekommen, in die Vergangenheit unserer Rasse zu bli cken, Huxley!« Er erhob sich und stand nun vor den beiden Männern. Erst jetzt fiel es Huxley auf, daß er nicht nur farb lich anders als die anderen Nogk aus sah, sondern auch kleiner, zierlicher war. Er mochte gut zwei Meter groß sein, aber sein Körper war gerten schlank und besaß jene Biegsamkeit, wie sie sonst nur erstklassige Stahlfe dern aufwiesen. »Jenes Schiff, das damals auf Terra notlandete, hatte einen Kommandanten, der noch aus einem der alten Reiche stammte. Er lebte bereits, als das Impe rium noch in schwere Kriege gegen an dere Rassen verwickelt war und da durch darauf Bedacht sein mußte, im mer neue und immer furchtbarere Waf
fen zu entwickeln. Eine von diesen Waffen habt ihr kennengelernt. Charaua und die anderen Nogk kannten sie nicht mehr, weil sie nach Beendigung der Kriege vom Rat des Imperiums verboten und in der Er innerung fast aller Nogk und den Über lieferungen unserer Rasse gelöscht wor den war. Ich hingegen wußte um diese Waffe – warum, das vermag ich nicht zu sagen. Ich wußte auch, daß sich auf eu rem Planeten, in einem der Totenkegel, jener Kommandant befand, der den Raumer geflogen und befehligt hatte, der auf seinem Flug zu euch von den Schatten überfallen und dessen Besat zung so schwer angeschlagen wurde, daß das Schiff schließlich auf Terra not landen mußte. Die Besatzung brauchte eine sofortige Tiefschlafphase, wollte sie überhaupt noch eine Überlebens chance haben. Ihr Kommandant aber wurde, damit er nicht sofort zerfiel, zu sammen mit anderen gleich schwer Ver letzten in jenen Gebilden konserviert, die ihr irrtümlich als >Totenkegel< be zeichnet. Nogk, die sich in solchen Ke geln befinden, sind nicht tot, sondern bedürfen der Regenerierung, die aller dings nach euren Zeitbegriffen viele Jahrhunderte dauern kann.« Tantal unterbrach sich für einen Moment und wechselte mit den Meegs einige Impulse, die Huxley nicht ver stand. Dann richteten sich seine Facet tenaugen erneut auf die beiden Terra ner. »Das, was ihr Tod nennt, gibt es auch bei uns. Aber er sieht anders aus. Ihr werdet ihn kennenlernen, bald...« Huxley richtete sich auf, aber Tantal wies ihn durch eine Handbewegung an, ihn nicht zu unterbrechen. Mit gefurch ter Stirn kam der grauhaarige Colonel der Weisung des kobaltblauen Nogk nach.
Tantal hatte seine Reaktion jedoch bemerkt. »Sieh es nicht als Unhöflichkeit, Huxley. Aber es gibt noch wichtige Dinge zu besprechen, und uns bleibt nicht mehr viel Zeit! Höre mir also zu! In der ersten Nacht, die ich auf diesem Planeten ver brachte, sah ich viele Dinge. Manche werde ich für mich behalten, einige werde ich euch und meiner Rasse mit teilen. So wußte ich, daß sich in den Hangars unter dieser Stadt eines der alten Schiffe befand, einer jener Kampf raumer, der noch über die alte Waffe verfügte. Lediglich ihre Kontrollen wa ren blockiert. Ich begann mich zu kon zentrieren. Ich spürte, daß jene Feinde, jene Schatten kommen würden, und zwar sehr bald. Sie überwachen diese Welten, dieses System, weil sie hier ein mal eine entscheidende, ihre erste wirk liche Niederlage erlitten haben. Durch dich, Huxley, durch den Mann, den ihr Janos Szardak nennt, und durch meine Rasse. Die Waffe jedoch, der ihr den Namen Antisphäre gabt, vermag nur ein geringes von dem zu leisten, was die alte Waffe vermochte. Ich wußte, daß der Gebrauch der alten Waffen den Schatten einen Schock versetzen würde. Einen Schock, der sie endgültig aus die sem System vertreiben würde. Das war für mich zu jenem Zeitpunkt lebens wichtig, denn ich wußte nicht, daß du mit deiner CHARR hierherkommen würdest. Denn nur mit diesem Schiff oder mit dem deines Gefährten vermag ich je zu meiner Rasse und nach Reet zu gelangen. Unsere alten Schiffe versagen in jenen Räumen!« Huxley nickte. Er hatte die vergebli chen Versuche der Nogk, mit ihren Eiraumern den Halo der Galaxis zu verlas sen, miterlebt. Ihre Antriebe und ihre Einrichtungen waren dafür einfach nicht
geschaffen. »Ich machte mich also auf die Su che nach dem Schiff, das mir meine Er innerung an vergangene Zeiten gezeigt hatte. Ich fand es schon bald. Über die Detektoren in seinem Innern erfuhr ich alles, was ich wissen mußte, um das Schiff allein fliegen und bedienen zu können. Aber das Geheimnis der alten Waffe gaben auch die Detektoren nicht preis. Ich mußte also zu den sechs Totenkegeln auf eurem Planeten fliegen und jenen Kommandanten holen. Das tat ich, wurde dabei aber beinahe von euch überrascht. Ihr hattet Glück. An dem zwischen den Koordinaten aufblin kenden Emblem meiner Rasse erkannte ich, daß ihr zumindest keine Feinde wart. Ich blockierte also die Waffen dei ner CHARR mit einer Einrichtung, über die alle jene alten Kampfraumer verfü gen. Du mußt wissen, daß es früher oft geschah, daß Feinde unsere Schiffe ka perten. Unsere Feinde waren zum Teil noch viel kriegerischer, viel schneller in ihren Reaktionen als wir. Aber sie konnten unsere eigenen Schiffe nicht gegen uns verwenden, denn jene Sperre bewirkte, daß niemals ein Nogkraumer den ande ren zu bekämpfen vermochte, weder versehentlich noch sonst irgendwie. Auch das war für die Raumschlachten in jener Zeit, als ihr die Raumfahrt noch nicht entdeckt hattet, äußerst wichtig...« »Und warum hast du dann auch die anderen fünf Kegel aus unseren Bergen fortgenommen?« Huxley konnte sich nun doch nicht mehr zurückhalten. Die ganze Erzählung Tantals kam ihm der artig unwirklich vor, daß er einfach Zeit brauchte, um das Gehörte zu verkraften. »Ich hatte keine Zeit für eine lange Suche. Bevor ich nicht soweit war, die
alte Waffe wieder einsetzen zu können, hätten eure Schiffe mich vernichten können. Vergiß nicht, Huxley, ich ver fügte nur über sehr spärliche Informa tionen über die Freundschaft deiner Rasse zu den Nogk! Als sich alle Kegel an Bord meines Schiffes befanden, erkannte ich den Kommandanten schnell. Aber ich wußte nicht, wie ich ihm sein Geheimnis ent reißen konnte, denn er befand sich in je nem Zustand der Regenerierung, in den ich nicht einzugreifen wagte. Deshalb flog ich zum innersten Pla neten dieser Sonne. Dort fand ich die Meegs, und sie halfen mir. Wir erfuhren das Geheimnis. Der Kommandant, den wir dazu ge waltsam wecken mußten, starb. Diesmal endgültig. Mit ihm auch die anderen. Den Grund dafür wissen wir nicht. Ihr Tod war der Preis, den wir entrichten mußten.« Huxley tauschte einen gedanken schnellen Blick mit Colonel Clark. Dann sah er die Meegs fragend an. »Wieso wart ihr überhaupt noch im System Tantal? Ich dachte, die Schiffe Charauas hätten damals alle noch hier verbliebenen Nogk abgeholt und nach Reet gebracht?« Derjenige der Meegs, der auch vor her schon die Fragen Huxleys beant wortet hatte, schüttelte seinen Kopf. Ebenfalls eine Geste, die er von den Terranem angenommen hatte. »So war es geplant. Aber die Anla gen auf Nogk l erforderten doch mehr Arbeit und Zeit, bis sie endgültig in al len Einzelheiten konserviert und ver sorgt waren für die kommenden Jahr tausende. Deshalb blieb eine Gruppe von Meegs hier. Wir hatten unsere Arbeit fast vollendet, als etwas dazwischen
kam.« Er begann sekundenlang mit den Fühlern zu pendeln. Huxley spürte die Unruhe in seinen Impulsen, während seine dunklen Facettenaugen zu jener blaugrünen Sonnenscheibe emporstarr ten, die gleißend zwischen den Koordi naten der Bildschirme des Ellipsenge wölbes stand. »Was sollen nur diese ständigen Andeutungen...?« Aber der Nogk schüttelte abermals den Kopf. »Warte bis zum Sonnenuntergang, dann wirst du sehen!« Sein großer Kör per straffte sich. »Wir schafften es gerade noch, un sere Arbeiten abzuschließen, dann pas sierte die Sache mit Tantal. Und jetzt fürchten wir um die Zukunft des Imperi ums. Du mußt dieses System nach Son nenuntergang verlassen, Huxley. Fliege nach Reet und berichte dem Herrscher, deinem Freund Charaua, was du hier er lebt hast. Über die alte Waffe und darü ber, ob sie wieder verwendet werden soll oder nicht, mag der Rat des Imperi ums entscheiden. Solange werden wir dieses Schiff in eines der Depots von Nogk I bringen. Dort ist es sicher, auch vor dem Zugriff der Schatten!« Er gab den übrigen Meegs ein Zei chen. Sie erhoben sich sofort. »Was hier noch zu tun bleibt, erle digen Tantal und ich allein. Bringt jetzt das Schiff in eines der freien Depots und versorgt es. Ihr habt noch Zeit bis Sonnenuntergang. Wenn ihr euch beeilt, dann könnt ihr es schaffen! Und vergeßt nicht, die alte Waffe gegen jeden Zu griff zu blockieren. Nur Tantal wird die Sperre zu lösen vermögen, wenn der Rat des Imperiums es wünscht!« Gleich darauf wandte er sich an Huxley.
»Du bist ein Mitglied des Rates, Huxley. Ich hätte also eigentlich gar nicht das Recht, in deiner Gegenwart derartige Entscheidungen ohne deine Zustimmung zu treffen. Aber jenes Schilf läßt sich nicht nach Reet transpo nieren, wir müssen also so handeln. Be richte Charaua und warte dann seine Entscheidung ab!« Huxley erhob sich zusammen mit Clark. »Gut, aber ich möchte genau wis sen, wo dieses Schiff zu finden ist, falls wir es brauchen. Sage deinen Meegs, daß sie von Nogk I eine diesbezügliche Nachricht in die Speicher meiner CHARR absetzen sollen!« Der Meeg nickte und gab die ver langten Anweisungen sofort weiter. Gleich darauf verließen alle Meegs bis auf ihn die CHARR. Huxley sah ihnen nach. »Neun Meegs!« murmelte er. »Mit jenem, der an Bord der CHARR ver bleibt, zehn!« Er schüttelte den Kopf. Irgend etwas an der Sache stimmte ein fach nicht. »Wie viele Meegs wart ihr, als ihr mit euren Arbeiten auf Nogk I begon nen habt, nachdem die Schiffe Reets die anderen abgeholt hatten?« fragte er, ei ner plötzlichen Eingebung folgend. Der Meeg zögerte abermals mit der Antwort. »Nach euren Begriffen zweihun dert!« teilte er schließlich mit. Huxley fuhr herum. »Zweihundert? Und jetzt seid ihr nur noch zehn?« Der Meeg nickte. »Die anderen sind tot, Huxley. Heu te mit Sonnenuntergang läuft auch un sere Zeit endgültig ab. Wir gehören ei ner Generation an, die jetzt weichen
muß! Nur wußten wir es nicht mehr ge nau, wir konnten durch die verschiede nen Sonnen, unter denen wir in der letz ten Zeit gelebt hatten, nicht mehr genau voraussagen, wann jener Zeitpunkt ge kommen sein würde. Warte bis heule abend, dann werden wir wissen, ob ich mich getäuscht habe oder nicht!« Huxleys Augen wurden zu schma len Schlitzen. »Deine Generation? Wie viele Nogk auf Reet gehören ihr an? Glaubst du, daß dort inzwischen etwas Ähnliches passiert sein könnte?« Der Meeg nickte abermals. »Ja, Huxley, das fürchte ich. Nicht Charaua, und viele andere auch nicht, aber eine sehr große Zahl sind entweder schon tot oder sterben in den nächsten Wochen. Hoffentlich nicht eher, als bis die Jungen geschlüpft sind. Und hof fentlich sind die Jungen der neuen Ge neration nicht ebenfalls alle so anders wie Tantal. Das könnte unser Imperium gefährden. Wobei du bedenken solltest, daß Tantal noch als durchaus positiv zu bewerten ist. Wenn aber unsere Brut auf der Reise nach Reet nicht zu korrigie rende Schäden erlitten hat, wenn sie ne gativ geworden sein sollte, was dann, Huxley? Deshalb mußt du so schnell wie möglich nach Reet. Vielleicht brauchen Charaua und die anderen eure Hilfe!« Huxley stand stocksteif da. Die gan ze, nicht auszudenkende Gefahr wurde ihm und Colonel Clark, der die Impulse des Meegs genauso verstanden hatte, schlagartig klar. »Und wie ist... euer Sterben?« fragte er den Meeg nach einer Weile. »Warte den Sonnenuntergang ab, Huxley, dann wirst du es sehen! Denn ich werde dich bitten, mich auf meinem letzten Weg zu begleiten!«
* Als die Sonne Tantal hinter den Ringmauern der ehemaligen Stadt ver schwand und lange, dunkle Schatten über den rotgelben Sand des Bodens zu kriechen begannen, lagen nur noch die CHARR und die EUROPA dort. Der Eiraumer hatte Nogk II schon vor Stun den verlassen und war in Richtung des Nachbarplaneten davongeflogen. Huxley, der wegen der vorangegan genen Strapazen in einen unruhigen Halbschlaf in seiner Kabine gefallen war, schreckte durch eine Berührung an seiner Schulter hoch. Als er sich aufrichtete, stand der Meeg vor ihm. »Es ist Zeit, Huxley«, teilte er sich in seiner lautlosen Art mit. »In einer Stunde beginnt die Nacht auf diesem Planeten.« Huxley fuhr sich mit beiden Händen durch sein seit vielen Jahren ergrautes Haar. Dann warf er einen Blick durch die Direktsichtscheiben, wie sie in alle Kabinen an Bord der CHARR auf sei nen ganz speziellen Wunsch hin von den Nogk eingebaut worden waren. Er sah die langen Schatten, die die Ring mauern bereits warfen. Er sah den in den letzten Strahlen Tantals glutrot zu ihm herüberfunkelnden Ringkörper der EUROPA. Mit einem Ruck kam er von seinem Lager hoch und stand gleich darauf vor dem Meeg. »Ist es unabänderlich?« fragte er. »Können dir weder die künstlichen Sonnen noch sonst irgend etwas mehr helfen?« Der Meeg schüttelte den Kopf. »So wenig, wie dir eines Tages
noch irgend etwas wird helfen können. Auch deine Zeit wird einmal abgelaufen sein, Huxley. Das geht allem Leben so, und das wird sogar für euren Herrscher Ren Dhark so sein. So wenig Furcht du vor diesem Augenblick empfindest, so wenig Furcht habe ich selbst. Zumal wir Nogk den Tod, so wie er in eurer Vor stellung lebt, nicht kennen. Der Tod ist Verwandlung in etwas anderes, Terra ner. Auch wir wissen nicht sicher, in was - aber er ist eine Verwandlung.« Die Fühler des Meegs pendelten langsam hin und her. Auch er sah jetzt aus seinen dunklen Facettenaugen zu der Silhouette des Ringraumers hinüber. »Laß uns eines deiner Beiboote neh men, Huxley. Ich möchte ganz nach oben auf die höchste Terrasse unserer Stadt.« Huxley nickte. Dann gab er über die Bordsprechanlage die notwendigen An weisungen. Anschließend machten der Meeg und Huxley sich auf den Weg zum Bootsdeck. Huxley selbst übernahm die Steue rung des Beibootes. Er schickte den wartenden Sergeanten zurück, denn er spürte, daß der Meeg mit ihm allein sein wollte. Schweigend wartete Huxley, bis sich die Schleuse im Ellipsenrumpf der CHARR geöffnet hatte. Dann hob er das Boot aus seinen Bettungen und ließ es langsam nach draußen gleiten. Mit minimalem Schub stieg es im Rund der Ringmauer empor, bis es nur wenige Meter über der höchsten, kreisförmig angelegten Terrasse stand. Der Meeg deutete auf eine ganz be stimmte Stelle. Huxley sah genauer hin. Es handelte sich um einen jener großen Quader, wie die Nogk sie benutzt hat ten, um in ihren Städten besondere Punkte zu markieren. Schon im System
der Sonne Charr waren Huxley diese Quader aufgefallen. Und immer lagen sie an Stellen, wo auch die letzten Strahlen der untergehenden Sonne sie noch erreichten. Huxley manövrierte das Boot, das in seinen äußeren Formen einer Minia turausgabe des Ellipsenraumers ent sprach, auf jenen Quader zu. Ungefähr zwanzig Meter von ihm entfernt landete er es auf der sonnenbeschienenen Ter rasse. Der Meeg nickte Huxley dankbar zu. Dann erhob er sich langsam und ging zum Ausstieg. Der Colonel folgte ihm. Als er die Terrasse betrat, wartete der Meeg bereits auf ihn. »Wir haben noch etwas Zeit, Hux ley«, teilte er dem Colonel mit. »Ich habe dich gebeten, mich zu begleiten, um mit dir noch etwas zu besprechen. Wir wollen uns setzen!« Huxley warf einen Blick auf die ei gentümlich gefärbte Sonnenscheibe, die jetzt deutlich sichtbar dem Horizont entgegensank. Über rotgelbe, von Hori zont zu Horizont reichende Wüstenfor mationen, aus denen hier und da die Fragmente ehemaliger Ringstädte em porragten, spannte sich ein mit jeder Se kunde dunkler werdender, grünlicher Himmel. »Du wirst nach Reet kommen, Hux ley. Charaua wird deinen Bericht erhal ten. Aber dann wird er dir von Ellipsen raumern erzählen, die vor kurzer Zeit mit ihren Besatzungen zwischen den Sternen verschollen sind. Die Schiffe sollten jene rätselhaften Erscheinungen des galaktischen Spannungsfeldes, des Exspects, untersuchen. Außerdem sollten sie in den Raum jenseits des Halos der Milchstraße vor stoßen und erkunden, ob es für unsere Rasse nicht doch einen Weg nach An
dromeda gibt. Charaua denkt weit, aber er und der Rat unseres Imperiums den ken auch falsch. Die Nogk werden die Andromeda-Galaxis nie erreichen. Nicht lebend. Sie vermögen dank ihrer Technik vielleicht Schiffe zu bauen, die diese Entfernungen zu überwinden im stande sind, aber sie selbst werden jene Zusammenballung von Sonnen, Plane ten und fremden Rassen nie erreichen. Das bleibt euch vorbehalten. Eurer Ras se gehört die Zukunft. Ihr seid von allen mir bekannten Rassen die einzige, die im Laufe der kommenden Jahrmillionen ihre Spur durch das Universum ziehen wird. Wenn - wenn ihr keine tödlichen Fehler begeht!« Der Meeg schwieg eine Weile. Dann sah er Huxley plötzlich direkt an. »Meine Bitte an dich, Terraner: Schütze den Herrscher unseres Imperi ums, bewahre deinen Freund Charaua vor dem drohenden Tod in jenen Räu men. Erlaube nicht, daß er an einer je ner Expeditionen teilnimmt, die meine Rasse schon sehr bald nach deiner An kunft ausrüsten wird! Und wenn du Charaua gewaltsam daran hindern müß test!« Der Meeg wart einen Blick auf die Sonne Tantal, deren Scheibe eben den Horizont berührte. »Denke an meine Worte, Huxley, nur so kannst du dem Imperium und sei nem Herrscher einen wirklichen Dienst erweisen! Und nun leb wohl, mein Freund. Entbiete Charaua und dem Im perium meinen Gruß!« Der Meeg streckte Huxley seine braune, von gelben Punkten übersäte Hand hin. Huxley ergriff sie und drück te sie heftig. »Ich werde Charaua beschützen, das verspreche ich!« sagte er schließlich. »Das ist gut, Huxley!«
Der Meeg drehte sich um und ging aul jenen Quader zu, der in einer Entfer nung von ungefähr zwanzig Schritten in den Umgang auf der Terrasse eingelas sen war. Er drehte seinen Körper der nun im mer schneller sinkenden Sonne entge gen. In seinen dunklen Facetten brach sich ihr letztes Licht, seine gelbe Uni form leuchtete. Und dann war es soweit. Tantal verschwand unter dem Hori zont. Ein paar Strahlenbündel schossen noch in den Himmel empor. Es wurde rasch dunkel. Noch immer stand der Meeg bewe gungslos wie eine Statue in der herein brechenden Dämmerung. Doch dann, von einer Sekunde zur anderen, ging eine Veränderung mit ihm vor. Sein großer, schlanker Körper schien plötzlich zusammenzuschrump fen. Aber Huxley erkannte sofort, daß das eine Sinnestäuschung war. Die Uni form des Nogk fiel in sich zusammen, weil es plötzlich nichts mehr gab, was sie ausfüllte. Alles ging so unfaßbar schnell, daß selbst Huxley nicht dazu kam, genaue, detaillierte Beobachtun gen anzustellen. Er registrierte lediglich, wie die gel be Uniform zu Boden sank. Der Meeg war verschwunden. Huxleys Herz begann heftig zu schlagen. Er wartete mehrere Minuten, ehe er langsam, Schritt für Schritt, auf den Quader zuging. Der grauhaarige Colonel fand nur noch eine kleine, kegelförmige Anhäu fung von bräunlichem Staub, der neben der zu Boden gesunkenen Uniform ge nau in der Mitte des Quaders lag. Die ersten Sterne flammten am Himmel des Planeten auf, als Huxley endlich zu seinem Beiboot zurückkehr te.
Das Boot hob Minuten später von der Terrasse ab, blieb nochmals einen Moment lang über jenem Quader ste hen, auf dem Huxley aber nur noch schemenhaft die Uniform des Meegs er kannte. Gleich darauf tauchte es nach unten weg. Eine halbe Stunde später verließen die CHARR und die EUROPA mit ihren Besatzungen das System der Sonne Tantal... * Die Transition der beiden Schiffe verlief ohne Zwischenfälle. Sie legten die gigantische Entfernung von 300.000 Lichtjahren zurück, als hätte es sich da rum gehandelt, in eines der der Sonne benachbarten Sternensysteme zu flie gen. Seit dem Zug der Nogk kannten Huxley und etliche andere Terraner die Gefahren dieser Grenzräume am Rande des Halos der Milchstraße nur zu genau. Sie wußten, daß bei falsch gewählten Sprungdistanzen die Antriebsenergien der Schiffe im Moment des Wiederein tauchens in das Normalkontinuum na hezu vollständig absorbiert, aufgesaugt wurden. Das konnte bei der geringsten Unachtsamkeit sehr schnell zum voll ständigen Zusammenbruch der Energie versorgung eines Raumers führen. Bei dem Zug der Nogk waren sie dieser ent setzlichen Gefahr nur mit knapper Not entgangen. Aber alle Kenntnisse, die Nogk wie Terraner nun über diese vorher völlig unbekannten Phänomene in jener Grenzzone besaßen, beschränkten sich auf die Route, die von Terra nach Reet führte. Mittlerweile waren für diese Strecke exakte Sprungpläne für die ver schiedenen Raumertypen ausgearbeitet worden, auch wenn man eine solche Reise zur Zeit nur mit den stärksten und
modernsten Schiffen überhaupt riskier te. Colonel Clark und Major Crook, die noch nie ins System der Nogk geflogen waren, starrten fasziniert auf die völlig fremdartigen Bilder, die sich ihren Bli cken darboten. Hinter ihnen, auf den Hecksektoren der Sichtschirme ihrer Schiffe, schimmerte das Band der Milchstraße. Eine gigantische Zusam menhallung von Sternen, die aus dieser Entfernung bereits ihre Linsenform ver riet. Weniger deutlich, wenn auch durchaus erkennbar, ließen sich einzelne Spiralarme der Milchstraße unter scheiden. Das lag daran, daß sich das System der Riesensonne Corr am Rande des Halos der Milchstraße und in ihrer Rotationsebene bewegte. Sie sahen die Heimalgalaxis nicht von »oben« oder »unten« - falls solche Begriffe hier draußen im freien Raum überhaupt noch eine Bedeutung besaßen - sondern von der Seite. In Flugrichtung der Raumer stand eine wahrhaft gigantische Sonne. Corr, ein roter Riese, genau wie Beteigeuze im Orion mit dem nahezu unfaßbaren Durchmesser von 400 Millionen Kilo metern. Daß sie trotz dieser kolossalen Größe dennoch nur die 8.000-bis 9.000fache Leuchtkraft der irdischen Sonne besaß, die gegen diesen Koloß zu einem völlig bedeutungslosen, winzigen Stern zusammenschrumpfte, lag an ihrer wesentlich geringeren Dichte. Corr war eine noch sehr junge Son ne. Einer jener Überriesen der Spektral klasse M, die sich im Laufe von Milliar den von Jahren weiter und weiter unter steigender Oberflächentemperatur ver dichteten, bis sie sich zu einem hell strahlenden, blauweißen Stern entwi ckelt hatten und dann über Gelb und Orange abermals zum roten Riesen wur den. Ihr Ende fanden sie dann entweder
als weißer Zwerg oder durch plötzlich auftretende Instabilität, die sie zur Nova oder sogar zur Supernova werden lassen konnte. Der Zeitpunkt jedoch, zu dem das dereinst geschehen würde, lag noch in so weiter Ferne, daß keiner der Män ner an Bord der beiden Raumer an diese Möglichkeil dachte. Mehr noch: Es würde auch nie ein menschliches Auge geben, das dieses Schauspiel miterleben könnte, denn zu diesem Zeitpunkt wür den die Sonne und mit ihr viele andere Sterne der Milchstraße längst erloschen, längst ausgebrannt sein. Huxley warf einen Blick auf die Ko ordinaten, ehe er seine Erklärungen fortsetzte. Corr besaß fünfzehn Planeten. Mög lichkeiten für organisches Leben boten nur die Planeten fünf bis zehn. Intelli gentes Leben außer dem der Nogk trug jedoch noch keine jener Welten. Die Planeten Corrs hatten zusammen mit ih rer Sonne noch einen langen Weg vor sich. Während dieser Zeit konnte sich noch vieles auf ihnen entwickeln. Die Nogk, die den sechsten Planeten des Systems zum neuen Zentrum ihres Im periums erwählt hatten, wachten pein lich genau darüber, daß in keine von all jenen Entwicklungen störend eingegrif fen wurde. So blieben diese Welten, mit Ausnahme ihres eigenen Wohnplaneten und des siebten, des achten und des neunten, unberührte, jungfräuliche Tra banten ihrer Sonne. Auch der siebte Planet, der wegen seiner äußerst günsti gen klimatischen Bedingungen speziell für ihre Freunde, die Terraner, zum Gastplaneten ausgebaut werden sollte, der achte und neunte, die als Wasser welten die Versorgung mit Nahrung aus riesigen, künstlich angelegten Algen plantagen sicherstellten, wurden nur so weit verändert, wie es unbedingt erfor derlich war. Der neue Wohnplanet der
Nogk, eine heiße, von Wüstengürteln überzogene Welt, wies lediglich an den Polen überraschend tiefe Meere auf und Gebirge, die von dichten Dschungeln überwuchert wurden. Dort allerdings, in den Polregionen, tobten manchmal Ge witter von einer Heftigkeit, wie sie auf der Erde höchstens zur Zeit des Archai kums stattgefunden hatten, als die heiße Erde von sintflutartigen, niemals enden den Regengüssen abgekühlt wurde. Die se Regionen wurden von den Nogk ge mieden und höchstens durch Patrouil leneinheiten kontrolliert. Ungeschützt konnten sie sich in diese Gebiete nicht hineinwagen, denn die Verhältnisse an den Polen ihrer Welt waren für die Nogk tödlich. Die einzige wirkliche Geißel auf Corr waren die durch gelegentliche Temperaturstürze ausgelösten Staub stürme, die wie die Gewitter an den Po len ihres Planeten an Heftigkeit alles überboten, was die Nogk bis dahin in dieser Beziehung kennengelernt hatten. Jene Staubstürme hatten die Nogk schon sehr bald gezwungen, von der bisherigen Bauweise ihrer Städte abzu rücken. Statt der konzentrisch angeord neten Ringe hatten sie sich zu riesigen Pyramidenbauten entschließen müssen, die ebenfalls tausend und mehr Meter hoch in den meist violetten Himmel Reets emporragten. Sie boten weitaus besseren Schutz gegen die entsetzlichen Staubstürme, die einige der ersten Ring städte regelrecht zugeschüttet hatten, weil der Flugsand sich zwischen den Wohnringen verfing und sie unter sei nen Massen begrub. Jede der Pyrami den, die mit mathematischer Genauig keit zu je sechs Stück auf ein von gigan tischen Quadern gebildetes Areal ver teilt waren, war durch gewaltige Tunnel mit den benachbarten verbunden. Auch die einzelnen Areale verfügten über der
artige Verbindungstunnel untereinan der. Außerdem rührten je nach Lage der Städte Schnelltransportschächte hinab zu den unter der Planetenoberfläche ge legenen Raumhäfen. Reet wurde wie Terra von einem globalen Schutzschirm umspannt, der auf Angriffe fremder Rassen mit Antisphären reagieren konn te, die sich von den einzelnen Abwehr zentren so exakt dosieren ließen, daß sie niemals zur Gefahr für die eigenen Wel ten, für das eigene System zu werden vermochten. Starke Verbände von Pa trouillenschiffen waren ständig über das gesamte System der Riesensonne Corr verteilt - das Imperium der Nogk exis tierte wieder. Stärker als je zuvor. Colonel Huxley unterbrach seine Erklärungen, die auch von den Besat zungen der CHARR und der EUROPA über Konferenzschaltung mitgehört worden waren. »Wir bekommen Besuch!« sagte er zu Major Crook und Tantal und wies auf die Bugsektoren der Allsichtsphäre. »Ein Patrouillengeschwader der Nogk!« Huxley irrte sich nicht. Die Ellip senraumer, deren Druckkörper in den roten Strahlen der Riesensonne wie Rotgold funkelten, näherten sich rasch den einfliegenden Schiffen. In einem gekonnten, eleganten Manöver nahmen sie die CHARR und die EUROPA in die Mitte ihrer Formation. »Willkommen, Terraner!« Ein Nogk in silberner Uniform sah, ins Riesenhaf te vergrößert, aus der Allsichtsphäre auf sie herab. Doch dann stutzte er. Seine Facet tenaugen musterten überrascht den ko baltblauen Nogk-Mutanten neben Hux ley. »Wer ist das?« drangen Augenbli cke später seine fragenden Impulse durch den Leitstand der CHARR.
Huxley erklärte es dem Komman danten des Patrouillengeschwaders in aller Kürze. Der Nogk benötigte trotzdem noch eine Weile, um seiner Überraschung Herr zu werden. Erst als auch Tantal sich ihm mitteilte und die Angaben Huxleys bestätigte, kamen seine Fühler zur Ruhe. Huxley schaltete sich ein: »Melde uns Charaua, dem Herrscher des nogkschen Imperiums, und entbiete ihm unsere und die Grüße Terras. Sage ihm aber auch, daß ich ihn sprechen muß, wenn möglich sofort!« In die starren Züge des Nogk schien sich ein Lächeln zu stehlen. »Unser Herrscher erwartet dich, Huxley. Dich und alle jene Terraner, die dich auf deinem Flug in unser System begleiten. Es hat sich viel verändert auf Reet, seit du zuletzt unser Gast gewesen bist!« Huxley entging der Blick nicht, den er nun auf die EUROPA warf. »Was ist das für ein Schiff, Huxley? Unsere Taster haben es analysiert und sprechen von Triebwerken, wie sie kei nes der uns bisher bekannten Schiffe an Leistung je aufzuweisen hatte!« Huxley nickte. Er kannte das Inte resse der Nogk an allem, was auch nur irgendwie mit der Raumfahrt zu tun hat te. »Es ist eine Weiterentwicklung je ner Ringraumer, die wir von jenen We sen übernommen haben, deren Rasse wir den Namen Mysterious gaben. Die ses Schiff stammt nicht von ihnen, son dern wurde von unseren Technikern auf unseren Werften gebaut. Sein Druck körper besteht aus Tofirit, einem Metall, das noch härter, noch widerstandsfähi ger ist als jenes, aus dem die anderen Ringraumer bestehen. Außerdem hat
dieses Schiff statt eines Triebwerkes de rer drei, die je nach Bedarf zusammen geschaltet werden können!« Der Nogk hatte während der Erklä rungen kein Auge von der EUROPA ge wandt. »Ich würde es mir gerne ansehen, Huxley, nachdem wir gelandet sind. Vielleicht bergen diese Schiffe die Lö sung unserer Probleme in sich! Aber da rüber wird Charaua dir berichten. Ich will unserem Herrscher nicht vorgrei fen. Nochmals: Sei willkommen auf Reet!« Der Nogk verschwand von den Steuerbordsektoren der Allsichtsphäre. Major Crook hatte sowohl die Un terhaltung als auch die Manöver der zehn Ellipsenraumer mitverfolgt. Jeder von ihnen war gut neunhundert Meter lang und damit erheblich größer als die CHARR. Seinen geschulten Augen ent ging nicht, mit welcher geradezu un glaublichen Genauigkeit die Nogk den mit solchen Schiffsriesen sehr schwieri gen Verbandsflug beherrschten. Er hatte zwar schon sehr viel von der Disziplin dieser seltsamen Rasse gehört. Aber der hier wie selbstverständlich dargebotene Formationsflug hatte Crook ungeheuer beeindruckt. »Tolle Kerle, Ihre Nogk!« wandte er sich an Huxley, aber der grinste ihn nur an. »Warten Sie ab, Crook, bis wir nach Reet kommen! Dort werden Sie und Clark noch ganz andere Dinge sehen. Vermutlich werden wir alle miteinander darüber staunen, was die Nogk in der verhältnismäßig kurzen Zeit aus ihrer Welt gemacht haben. Ihre Arbeitseintei lung, ihre Schnelligkeit sind mir selbst heute noch manchmal geradezu unheim lich!« Er warf einen kurzen Blick zu Tan
tal hinüber, der ihrem Gespräch gefolgt war. Er sah, daß ihm seine letzten Wor te zu schaffen machten, denn seine Füh ler spielten unruhig hin und her. Deshalb glitt Huxley aus seinem Konturensitz und legte dem jungen Nogk die Rechte auf seine Schulter. »Auch für dich wird hier auf Reet eine harte Zeit der Ausbildung und des Lernens folgen, Tantal! Dein Volk wird nicht eher ruhen, bis du nicht in allen Aspekten vollständig einer der ihren ge worden bist.« Tantal richtete sich hoch auf und sah den grauhaarigen Colonel an. »Ich habe bereits in den vergange nen Tagen viel gelernt, Huxley! Ich bin ein Nogk und stolz darauf, einer zu sein. Gleich wie meine Hautfarbe ist — und aus welchen Gründen sie sich von der meiner Gefährten unterscheidet. Vielleicht hat mich meine Geburt, hat mich die Strahlung jener blaugrünen Sonne, unter der ich heranwuchs, zu et was Besonderem bestimmt. Aber ich werde nicht ruhen, bis in meinem Wis sen um die Gegenwart meiner Rasse auch nicht die kleinste Lücke mehr klafft! Ich werde nicht ruhen, bis ich nicht alles mindestens so gut und so schnell zu tun vermag wie alle anderen, und ich werde ein Freund der Terraner sein, wie Charaua, mein Erzeuger, es ist!« Huxley bedachte den jungen Nogk mit einem langen Blick. Dann streckte er ihm impulsiv seine schlanken, sehni gen Hände entgegen. »Du kannst auf mich zählen, Tantal! Wann immer ich dir in irgendeiner Be ziehung zu helfen vermag, werde ich es tun! Dieses Versprechen gebe ich dir im Namen Terras und aller Terraner!« Major Crook hatte sich ebenfalls er hoben und streckte Tantal seine Rechte
entgegen. Der Nogk ergriff auch sie. Huxley konnte sich des Gefühls nicht erwehren, daß er soeben einen bedeut samen Pakt geschlossen hatte, von dem Terra noch stark profitieren würde... * Als Huxley die erste der neuen Py ramidenstädte erblickte, die er bisher nur vom Hörensagen kannte, hielt er un willkürlich den Atem an. Er war von den Nogk so mancherlei an Schnellig keit gewohnt, aber dies hier grenzte an Hexerei. Die Stadt setzte sich aus hundert Arealen zu je sechs Pyramiden zusam men. Sie gruppierten sich um eine kreis runde Fläche, auf der ein Bauwerk stand, das auf den ersten Blick wie eine der Ringstädte der Nogk aussah. Huxley kniff die Augen zusammen, während seine CHARR langsam tiefer sank. Der kreisförmige Bau war keine Ringstadt, sondern, wie er erst jetzt zu erkennen vermochte, der Zugang zu ei nem der Raumhäfen unter der Planeten oberfläche. Die Ringmauer, die die freie Fläche umschloß, war außen zylin drisch, nach innen hin jedoch trichter förmig gestaltet. Die Landefläche ver mochte nach Huxleys Schätzung etwa zehn der großen Ellipsenraumer zur gleichen Zeit aufzunehmen. Die Höhe der Mauer schätzte Hux ley im Gegensatz zu den gut tausend Meter hohen Pyramiden auf etwa fünf hundert Meter. Die Patrouillenschiffe der Nogk blieben zurück. Dafür meldete sich je doch der Nogk, der vorher schon mit Huxley Verbindung aufgenommen hat te, abermals.
»Landet eure Schiffe dort auf jener Kreisfläche. Sie wird sich mit Ihnen bis zum Raumhafen unter der Oberfläche Reets hinabsenken. Überlaßt die Schiffe dann unseren Technikern. Sie werden sich um alles kümmern und sie an ihre Liegeplätze bringen. Deine FO 1 wird zusammen mit der CHARR von unseren Meegs wie bei jedem deiner Besuche ei ner gründlichen Überholung unterzogen werden. Um die Mannschaften der Schiffe kümmern wir uns ebenfalls. Charaua erwartet dich, Tantal und deine Gefährten im Raumhafen!« Huxley nickte dem Nogk zu, dann klopfte er dem sprachlosen Crook auf die Schulter. Gleichzeitig zuckte er je doch die Achseln, als er die steilen Fal ten auf Major Crooks Stirn bemerkte. »Ich kann Ihnen die Frage, die Ihnen vermutlich auf der Zunge brennt, nicht beantworten, Crook. Ich hatte mir zwar einiges vorgestellt, weil ich die un glaubliche Schnelligkeit kenne, mit der die Nogk von ihnen in Angriff genom mene Projekte vorantreiben und vollen den. Wie sie dies hier jedoch geschafft haben, ist mir ebenso schleierhaft wie Ihnen, Crook! Nun, wir werden sehen. Zeitdilatation fällt jedenfalls als Erklä rung aus!« Die CHARR und die EUROPA senkten sich der kreisförmigen Piste entgegen. Dann setzten die beiden Schiffe auf. Die CHARR zuerst, dann die EUROPA mit ihren mächtigen hy draulischen Stützbeinen, die sich kurz vor der Landung aus ihrem TofiritDruckkörper schoben. Huxley schaltete zur Zentrale durch. Sofort erschien das kantige Gesicht Chief Erkinssons. »Chief, setzen Sie alle Triebwerke still, nur die Bordversorgung läuft vor erst weiter. Sorgen Sie außerdem dafür, daß die Nogk ungehinderten Zugang zu
allen Abteilungen sowohl der FO 1 als auch der CHARR bekommen. Beide Schiffe werden wie üblich überholt. Be sondere Mängel über Detektorenspei cher direkt an die Meegs. Ansonsten spannen Sie ein wenig aus. Ich habe das Gefühl, daß ich Sie und die Männer erst kurz vor unserem Start zurück nach Ter ra wiedersehe!« Huxley schaltete ab. Dann wandte er sich an Prewitt und Maxwell, die sich außer ihm, Crook und Tantal ebenfalls noch im Leitstand des Ellipsenraumers befanden. »Prewitt, Sie kümmern sich hier auf Reet um Major Crooks Männer, und Sie, Maxwell, um unsere alte Crew. Zei gen Sie beide den Jungs alles, was hier sehenswert ist. Das dürfte eine ganze Menge sein. Urlaub bis auf Widerruf. Sorgen Sie aber dafür, daß beide Besat zungen über die Zentrale des Raumha fens oder sonstwie immer zu erreichen sind. Und spannen Sie aus, beide. Sie haben es sich redlich verdient!« »Aye, Sir!« Die Offiziere salutierten und blick ten Huxley nach, bis er zusammen mit Tantal und dem hageren Major in einem der Transportschächte des Raumers ver schwunden war. »Ich nehme an, ich habe in Ihrem Sinne gehandelt, Crook? Ihre Leute kennen sich hier noch weniger aus als meine Crew!« Crook nickte nur flüchtig, während sie bereits die Steuerbordschleuse der CHARR verließen und auf die gleich mäßig und vollkommen schattenlos aus geleuchtete Landepiste hinaustraten. Erst jetzt bemerkten sie, daß sich die Raumer inzwischen mitsamt der Piste in das Innere des Planeten hinabgesenkt hatten. Sie blickten in ein wahrhaft gi gantisches Gewölbe, in dem nach einem
ganz bestimmten Prinzip geordnet El lipsenraumer lagen, soweit ihr Blick reichte. Charaua, der Herrscher der Nogk, kam ihnen entgegen. Seine Facettenau gen sahen die Terraner und den kobalt blauen Nogk an, der sich mit vor der Brust gekreuzten Armen tief verneigte. Charaua trat auf ihn zu und richtete ihn wieder auf. »Willkommen auf Reet, Tantal! Das Imperium der Nogk entschuldigt sich bei dir dafür, daß du im System jener Sonne, deren Namen du trägst, verges sen wurdest. Aber vielleicht war es auch gut so. Du wirst verstehen, daß ich dich jetzt zuerst unseren Meegs überantwor ten muß. Sie werden dich untersuchen, deine Mentalmuster einspeichern und dich in die Archive unseres Imperiums aufnehmen. Wenn das geschehen ist, werde ich dich rufen lassen. Dann wis sen wir mehr, Tantal!« Charaua winkte einer Gruppe von Meegs, die im Hintergrund wartete. Sie verneigten sich und nahmen Tantal in ihre Mitte. Charaua sah Crook an, der das alles mit zusammengezogenen Brauen ver folgt hatte. »Keine Sorge, Terraner, es ge schieht ihm nichts. Aber je eher wir das Geheimnis seiner Veränderung ergrün den, desto besser.« Dann erst wandte er sich Huxley und dem neben ihm stehenden Colonel Clark zu. Er nahm Huxleys Hände und hielt sie eine Weile in den seinen. Dann reichte er, terranischer Sitte folgend, auch Crook und Clark die Hand. »Du hast ein Schiff, das unter mei nen Kriegern nicht unbeträchtliches Aufsehen erregt. Es interessiert mich
ebenfalls. Es scheint, als hätten unsere terranischen Freunde uns im Raum schiffsbau überflügelt!« Colonel Clark stellte verdutzt fest, in welch schneller Reihenfolge ihm gleichzeitig mit den Impulsen Charauas eine Menge gestochen scharfer und er staunlich informativer Bilder durch das Bewußtsein schössen. Er sah die Werf ten der Nogk, auf denen sie weitere El lipsenraumer herstellten, die sich jedoch von der CHARR unterschieden. Sie wa ren flacher und gedrungener als Hux leys Schiff. »Auch wir ruhen nicht, Terraner!« vernahm er erneut Charauas Impulse. »Es mag jedoch sein, daß der von uns eingeschlagene Weg ein falscher ist!« Er trat neben Huxley. »Komm jetzt. Wir müssen viele Dinge miteinander besprechen. Reet hat Fortschritte gemacht, unser Imperium hat sich schneller von seinen Verlusten erholt, als ich zunächst gedacht hatte, denn ein Teil unserer Brut ist inzwi schen geschlüpft und hat die Lücken aufgefüllt, die durch den Kampf gegen die Schatten entstanden waren ...« Er unterbrach sich und blieb unver mittelt stehen. Seine dunklen Facetten augen richteten sich prüfend auf Hux ley. »Du bist unruhig! Ich spüre die An zeichen der Sorge, der Furcht in dir. Was bedrückt dich? Sprich!« Huxley schilderte Charaua, was sich auf Nogk II und in der Nahe des Sys tems der Sonne Tantal ereignet halte. Er schilderte auch den Tod des Meegs. Nur dessen letzte Bitte, seinen Auftrag an den Terraner, verschwieg er Charaua vorläufig noch. Huxley benutzte keine Worte. Für seine Schilderungen benötigte er nur Sekunden, denn er teilte Charaua alles
in blitzartig vor seiner Erinnerung ab laufenden Gedankenbildern mit. Cha raua selbst hatte ihn diese Möglichkeit einer raschen Verständigung gelehrt, hatte Huxley darin geschult. Als Mit glied des Rates des Imperiums mußte er diese Kunst beherrschen. Charaua schwieg. Er erkannte au genblicklich die Gefahr. Aber dann ka men seine für einen Augenblick hin und her zuckenden Fühler wieder zur Ruhe. »Jener Meeg war einer der Ältesten von uns. Ich kannte ihn sehr genau, Huxley. Wenn er mit seinen Befürch tungen recht haben sollte, so wird das Imperium der Nogk dennoch nicht in Gefahr geraten. Unsere gesamte Brut ist gerettet worden. Unsere Meegs haben jede einzelne Puppe untersucht. Die kommenden Generationen haben keinen Schaden erlitten. Täglich schlüpfen Hunderte, und noch immer ist kein Ende abzusehen. Unsere Rasse wird sich nach einer Frist, die ihr auf Terra ein Vierteljahr nennt, um viele zigtau send Nogk vermehrt haben. In einer ge sonderten Stadt aber reifen jene heran, die ihr Frauen oder Mädchen nennt, auch wenn sie mit jenen Wesen eurer Rasse nicht zu vergleichen sind, weil sie bei uns nur für eine Weile diese Rolle spielen und sich danach abermals ver puppen. Nach weiteren Monaten der Reifung schlüpfen sie nochmals und ge hören dann zu jener Gruppe von Nogk, die von uns zwar auch zu den Meegs gezählt, jedoch die Bewahrer des Le bens genannt werden! Der Fortbestand unserer Rasse ist gesichert, auch wenn viele von uns schon in allernächster Zeit sterben sollten!« Huxley war unwillkürlich stehenge blieben. Es war das erste Mal, daß er er fuhr, auf welche Weise sich die Nogk vermehrten. Doch Charaua zog ihn mit sich fort.
»Mich bedrücken andere Sorgen, Huxley. Ich will mich mit dir und dei nen beiden Gelehrten darüber unterhal ten. Drei unserer Schiffe sind ver schwunden. Mit ihren Besatzungen. Und auch das vierte, das wir als Such schiff aussandten, kehrte nicht zurück.« Charaua hatte einen jener Schächte erreicht, wie es sie auch an Bord der El lipsenraumer gab. Hier allerdings waren sie viel größer, viel geräumiger. Außer dem überließ Charaua nicht einfach sei nen Körper den grünlichen, langsam pulsierenden Gleitfeldern, sondern be deutete Huxley und seinen Gefährten, zu warten. Sekunden später stoppte eine gol den schimmernde Metallkugel vor der Schachtmündung. Ihre Charaua zuge wandte Seite öffnete sich wie die La mellen einer Blende und gab einen Ein stieg in eine Halbsphäre frei, die mit ih ren bequemen Konturensitzen reichlich Platz für den Herrscher der Nogk und die drei Terraner bot. Bereits Minuten später stoppte sie abermals und entließ ihre Fahrgäste in die angenehme Helligkeit eines Rau mes, von dem Huxley sofort wußte, daß er sich in einer der Pyramiden befand und wahrscheinlich Charauas Wohnung darstellte. Der Nogk bot seinen terranischen Freunden Platz in den sich automatisch auf ihre Körpermaße einstellenden Sitz.schalen an. Anschließend ließ er über eine Ser vierautomatik einige Erfrischungs getränke kommen, die Huxley schon kannte und deren Geschmack der grau haarige Colonel ebenso schätzte wie ihre Wirkung. Huxley wußte, daß auch dies eine ganz spezielle Aufmerksamkeit der Nogk für ihre terranischen Freunde war,
denn für die Nogk selbst waren Geträn ke dieser Art nicht nur ungenießbar, sondern sogar gefährlich. Huxley hob sein Trinkgefäß, das aus demselben Material bestand wie die lichtdurchlässigen Wände der Pyrami de. »Trinkt, Kameraden!« sagte er nur. »Ich bin sicher, daß euch das Zeug schmecken wird. Die Nogk haben sich auf diesem Gebiet zu wahren Künstlern entwickelt. Manchmal vermisse ich sol che Getränke sogar auf Terra.« Er trank in langen Zügen und spür te, wie jede Müdigkeit fast schlagartig von ihm abfiel. Dann, nach einem abermaligen Blick auf Crook und Clark, wandte er sich an Charaua. »Nun, Charaua, was ist mit euren Schiffen passiert? Wohin und warum habt ihr sie auf die Reise geschickt?« Charaua begann seinen Bericht ohne alle Umschweife. Je länger er seine äußerst präzisen, wie ein plastischer Film in den Gehir nen der drei Männer ablaufenden Ge dankenbilder in schneller Folge anei nanderreihte, desto ernster wurden die Terraner. Als Charaua endlich schwieg, herrschte minutenlang Stille. Keiner der Männer sagte auch nur ein einziges Wort. Huxley durchbrach schließlich das Schweigen. Er beugte sich vor und legte Charaua seine Rechte auf den Unterarm. Dann sah er den Herrscher der Nogk fest an. »Ich habe dir bisher nichts vorge macht, Charaua, dich und deine Rasse niemals belogen. Ich werde es auch jetzt nicht tun. Eure Schiffe sind verloren, mitsamt ihren Besatzungen. Vielleicht
vermögen wir die Raumer zu finden, aber in ihnen werden wir auf Tote sto ßen. Falls wir überhaupt noch mehr fin den als nur ein paar Häufchen Staub...« Charaua hatte Huxley bis zum letz ten Wort zugehört. Seine vier Fühler standen starr und steif empor, was bei ihm stets ein Zeichen höchster Erregung war. Jetzt sprang er auf. Seine dunklen Facettenaugen sahen Huxley lange an. »Du hast mir einmal von deinem Zweiten Gesicht erzählt. Damals glaub te ich dir nicht, aber du hattest recht, denn wir fanden jene Sonne, jenes Sys tem, das du mir prophezeit hattest. Ist es auch jetzt dieses Zweite Gesicht, das dich zu mir sprechen läßt, Huxley?« Der grauhaarige Colonel schüttelte nach einem Moment des Nachdenkens den Kopf. Er spürte, daß er Charauas Frage nur zu bejahen brauchte, um den Nogk dazu zu bewegen, seinen Rat schlägen Folge zu leisten. Aber Huxley wollte es nicht. Nicht diesem Freund gegenüber, für den Lüge, Hinterhältig keit und Verrat Vokabeln waren, die es weder in seinem Handeln noch in sei nem Bewußtsein gab. »Nein, Charaua!« sagte er daher und sah den Nogk aus seinen grauen Augen fest an. »Nein, das ist es nicht, aber mei ne Vernunft, meine Überlegung sagt mir, daß es sich so und nicht anders ver hält!« »Woher willst du wissen, was wir vergeblich zu ergründen versuchten, Huxley?« Huxley erhob sich ebenfalls. Mit langsamen Schritten begann er, in dem riesigen, quadratischen Raum hin und her zu wandern. Ab und zu blieb er an einem der in die Außenwände der Pyra mide eingelassenen Fenster stehen, de ren leichte Neigung und Trapezform sie für ihn besonders anziehend machten.
Die Nogk hatten von jeher beträchtli chen Sinn für architektonische Feinhei ten, für Ästhetik bewiesen. Endlich drehte er sich entschlossen um. „Ich will es dir sagen, Charaua. Du selbst hast mir einmal mitgeteilt, daß eure Rasse – auch wenn es nicht immer so gewesen sein mag – zu strahlungsan hängigen Mutanten geworden ist. Ihr könnt ohne Halo, ohne die Energie- und Strahlungsfelder einer Galaxis, eines Sternensystems, nicht leben. Und in diesem Punkt vermögen euch auch die künstlichen Sonnen eurer Schiffe nicht zu helfen. Und eure Ellipsenraumer auch sie vermögen sich aufgrund der Eigenart ihrer Antriebe nicht in Räumen außerhalb eines Halos zu bewegen, denn jenes energetische Vakuum saugt ihre Energien auf, absorbiert sie. Unse ren Schiffen ging es bisher nicht besser. Vielleicht sind hier die Grenzen, die die Natur gezogen hat: Wir können zwar unsere eigene Galaxis nach und nach als Lebensraum erforschen, uns die ein zelnen und sehr verschiedenartigen Sy steme ihrer Sonnen erschließen und uns dort auch behaupten. Jedenfalls, was die biologische Seite anbetrifft. Aber wir vermögen einfach nicht jenen Sprung von einer Galaxis zur anderen zu voll bringen. Vielleicht sind wir nicht dafür geschaffen, vielleicht müssen wir uns erst über viele Jahrtausende hinweg den neuen Lebensbedingungen anpassen, die die Raumfahrt uns aufzwingt. Ich weiß es nicht, Charaua. Fest steht jeden falls, daß wir nicht imstande sein wer den, die uns benachbarte AndromedaGalaxis in absehbarer Zukunft zu errei chen. Vielleicht unsere Schiffe, als Zeu gen einer seelenlosen Automatik. Unse re Körper nicht. Mit dieser Tatsache müßt auch ihr Nogks euch abfinden. Mehr noch als wir Terraner. Ich weiß, Charaua, daß du den alten Plan, zur An
dromeda auszuwandern, euch neue, völ lig unbekannte Lebensräume zu er schließen, noch nicht aufgegeben hast. Aber es ist Torheit, es ist Unverstand. Richtet euch ein, wo ihr jetzt seid. Ver vollkommnet das System der Sonne Corr, baut euer Imperium hier wieder auf, in der Nähe jener Galaxis, die euch hervorgebracht hat!« Charaua stand stocksteif im Raum. Seine Fühler bewegten sich nicht. Nur seine dunklen Augen folgten jeder von Huxleys Bewegungen. Der Colonel trat auf den Herrscher der Nogks zu. Zum zweitenmal an die sem Tage legte er ihm seine Rechte auf den Unterarm. »Ich mache dir einen Vorschlag, Charaua. Du kannst ihn annehmen oder verwerfen: Meine Bedingung ist, daß du auf Reet bleibst. Bei deiner Rasse, bei deinem Imperium, das dich jetzt nötiger braucht als jemals zuvor.« Huxley spürte eine Bewegung des Unwillens, die Charaua durchzuckte. Doch er schüttelte den Kopf. »Oft warst du es, Charaua, der mir gute und richtige Ratschläge erteilte. Höre jetzt und hier auf mich, denn ich spreche als dein Freund zu dir, als einer von euch, dem das Schicksal eures Im periums genausoviel bedeutet wie dir, wie jedem einzelnen Nogk. Wir verfü gen über ein Schiff, über jenen neuen Ringraumer mit seinen schier uner schöpflichen Energiereserven und den drei hyperstarken Triebwerken. Wenn überhaupt ein Schiff das Halo unserer Milchstraße zu verlassen vermag, dann dies. Rüstet die EUROPA mit allem aus, was eure Meegs bisher zur Erfor schung des Exspects an Instrumenten entwickelt haben. Gebt uns einige eurer Meegs mit, die aber damit rechnen müs sen, nicht mehr lebend hierher zu
rückzukommen. Laßt uns in der Hand habung eurer neuesten Instrumente durch eure Detektoren schulen. Dann wollen wir untersuchen, ob es für euch eine Chance gibt, außerhalb des Halos unserer Galaxis zu überleben. Außer dem werden wir versuchen, eure ver schollenen Schiffe zu finden, die ganz sicher mit leeren Energiespeichern ir gendwo in jenen Räumen treiben. Wir werden feststellen, was mit den Besat zungen dieser Schiffe geschehen ist, Charaua. Dann erst werden wir mehr wissen als bisher! Das, Charaua, ist mein Vorschlag!« Huxley kehrte zu seiner Sitzschale zurück. Charaua stand noch immer stock steif im Raum, fast tausend Meter hoch über den gewaltigen Quadern, in die die Fundamente der Pyramide eingebettet waren. Er stand fast eine halbe Stunde so, ohne sich zu rühren. Und keiner störte ihn. Sie kannten diese Eigenart der Nogks. Huxley wußte, daß Charaua in dieser halben Stunde alles überdach te, nicht die geringste Kleinigkeit außer acht ließ. Schließlich drehte er sich langsam zu den drei Terranern um. Seine Augen wanderten von Huxley zu Clark und dann zu Crook. »Ich habe deine Worte einer genau en Prüfung unterzogen, Huxley. Und so sehr ich mich auch bemühte, eine Un richtigkeit in ihnen zu entdecken, ir gendeinen Grund zu finden, doch selbst und gegen deinen Willen an jener Expe dition teilzunehmen, ich fand keinen. Manchmal hat ein Herrscher Pflichten zu erfüllen, die größer und zwingender sind als seine eigenen Wünsche.« Mit einigen Schritten war er bei den Terranern. »Es ist gut, Freunde zu haben, wie
ihr welche seid. Ihr werdet alles erhal ten. Für die Expedition werden sich mehr Meegs melden, als ihr benötigt. Euer Schiff wird morgen bei Sonnenun tergang mit allem versehen sein, was ihr braucht. Aber was soll geschehen, wenn auch ihr nicht zurückkehrt? Hast du da rüber auch schon nachgedacht, Huxley?« Huxley wechselte einen raschen Blick mit seinen beiden Gefährten, und sowohl Clark als auch Crook nickten. »Dann habt ihr Gewißheit, daß jene Räume tödlich sind, auch für uns, Cha raua. In diesem Fall gebt Bericht an Terra. Dort wird man dann wissen, was zu tun ist.« Charaua starrte die drei Menschen an. »Und wir, die Nogks, eure Freunde, sollen wir tatenlos bleiben und uns feige damit zufriedengeben, daß ihr euch ge opfert habt, für uns?« drangen seine Im pulse in ihr Bewußtsein. Huxley erhob sich, Crook und Clark folgten seinem Beispiel. »Das ist unsere Bedingung, Cha raua, die einzige, die wir als Gegenleis tung von euch verlangen. Denn unnöti ge Opfer sind kein Beweis von Tapfer keit und Freundschaft, sondern von Un fähigkeit und mangelnder Selbstdiszip lin.« Das waren harte Worte. Huxley wußte, daß sogar er mit ihnen eigentlich die Grenze des Erlaubten fast über schritten hatte. Er spürte die überaus heftige Reaktion Charauas. Doch Charaua fing sich wieder, wenn auch seine Fühler noch eine ganze Weile voller Erregung zuckten. Schließ lich, nach langen Minuten absoluten Schweigens, vernahmen die drei Män ner erneut seine Impulse.
»Für einen Nogk ist es schwer, dei ne Forderung zu billigen, denn sie wi derspricht unseren eigenen Empfindun gen. Es ist für uns undenkbar, einen Freund einfach im Stich zu lassen. Wir würden alles versuchen, dich und deine Gefährten zu retten, auch wenn es uns die Hälfte unserer Kampfschiffe kosten sollte. Trotzdem will ich über das, was du eben gesagt hast, nachdenken. Viel leicht begreife ich es dann. Denn ich spüre, daß du recht hast, ich fühle, daß wir Nogks von euch Terranern manches annehmen, manches lernen sollten. Auch wenn es uns noch so fremd ist.« Er unterbrach sich. Seine leuchtend rote Uniform, von deren Schultern gol dene, eigentümlich schimmernde Strei fen bis zu den Handwurzeln hinablie fen, ließen Charaua in diesem Augen blick selbst Huxley fremdartig und ver schlossen erschienen. Doch schon die nächsten Impulse lösten die Verkrampfung wieder. »Kommt jetzt, ich werde dafür sor gen, daß ihr bis zum Start eures Schiffes in einen erholsamen Schlaf verfallt. Denn ihr werdet eure Kräfte brauchen, ihr werdet ausgeruht sein müssen, um eure Aufgabe zu erfüllen und - um hier her zurückzukehren.« Charaua führte sie in ein Gewölbe unmittelbar neben seinem Wohnraum. Es besaß keine Fenster. Statt dessen glomm unter seiner sphärenhaften De cke eine jener künstlichen Sonnen, wie Huxley sie von der CHARR her kannte. Charaua deutete auf einige längliche Konturensitze, die sich wie von Geister hand bewegt zu regelrechten Liegen umbildeten und sich dabei genau auf die Körpermaße der Terraner einstellten. »Legt euch dorthin und wartet, bis meine Meegs bei euch sind. Ich werde euch abholen, sobald der Ringraumer
mit allem Notwendigen für die Expedi tion versehen ist.« Charaua verließ das Sonnengewöl be. Huxley, Clark und Crook streckten sich auf den überaus bequemen, jede Kontur ihrer Körper sofort annahmen. Und mit einem Mal spürten sie, wie hundemüde und erschöpft sie im Grun de genommen waren... Als Huxley und seine beiden Ge fährten wieder erwachten, fühlten sie sich wie neugeboren. Die künstliche Sonne im Scheitelpunkt des Gewölbes verstrahlte ein weiches, gleichmäßiges Licht. Charaua stand vor ihnen und sah sie aus seinen dunklen Augen an. »Es ist Zeit, Terraner. Euer Schiff ist mit allem versehen, was ihr braucht. Sechs Meegs werden euch begleiten. Sie wissen, was sie erwartet.« Huxley, Crook und Clark richteten sich ruckartig auf. Keiner von ihnen konnte sich erinnern, sich jemals so aus geruht und so frisch gefühlt zu haben. Huxley dehnte seinen geschmeidi gen Körper, der nach wie vor einem harten Konditionstraining unterworfen wurde, so oft das möglich war. Er ging zu Clark hinüber, während er seine Uniform in Ordnung brachte. »Da wäre noch ein Punkt, Clark« sagte er. Der Colonel blickte auf. »Ja?« »Haben Sie schon darüber nachge dacht, wieviel Mann Besatzung wir für die EUROPA benötigen? Ich wäre da für, auf keinen Fall mehr Leute mitzu nehmen, als wir unbedingt brauchen!« Clark nickte. »Entspricht genau meiner Vorstel lung, Huxley. Es genügt, wenn wir die
beiden Waffensteuerungen, die Funk-Z, die Ortungen und die Antriebsaggregate besetzen. Außerdem brauchen wir die verfügbaren Wissenschaftler und MAntriebs-Spezialisten. Im übrigen läßt sich die EUROPA über Automatik auch von einem einzigen Mann fliegen. Den Leitstand übernehmen wir drei – Sie, Crook und ich. Das dürfte genügen und sogar eine ideale Besetzung sein, wie man sie längst nicht immer zur Verfü gung hat!« Clark grinste und schloß seine Bordkombination. Dann wandte er sich an Charaua, der ihre Unterhaltung schweigend verfolgt hatte. »Ich nehme an, daß meine Leute in zwischen informiert sind?« Der Nogk nickte. »Deine Männer warten bereits im Raumhafen. Du hast eine ausgezeichne te Besatzung, Terraner. Dein Erster Of fizier hat bereits eine Auswahl unter deinen Gefährten getroffen, wie du sie eben vorgeschlagen hast!« Clark fuhr überrascht herum. »Kenny!« Er pfiff durch die Zähne. »So viel Umsicht hätte ich diesem jun gen Burschen noch gar nicht zugetraut!« Er wandte sich Huxley zu und grinste. »Noch etwas: Es könnte vielleicht nicht schaden, wenn wir Ihre Crew und die des Majors in Bereitschaft legen. Sollte etwas schiefgehen, könnten uns die CHARR und die FO 1 immer noch wesentlich eher zu Hilfe kommen als ein Schiff unserer Freunde! Wir haben das vorhin ja gründlich genug erörtert!« »Geht in Ordnung, Clark. Charaua wird alles Nötige veranlassen. Im übri gen werden wir von Ihrem Schiff aus ständig Verbindung mit den Tastersta
tionen Reets halten!« * Als die EUROPA von der Piste des Raumhafens abhob und in den nacht schwarzen, nur von wenigen Sternen er hellten Himmel emporstieg, erwartete die Männer an Bord des Ringraumers noch eine Überraschung. Unter ihnen lag die Pyramidenstadt der Nogk in wei chem, rötlichem Licht. Die transparen ten, durchschnittlich gut tausend Meter hohen Pyramiden schienen zu glühen. Durch ihre Wandungen drang das Licht der künstlichen Sonnen, wie sie die Nogk auch an Bord ihrer ellipsenförmi gen Raumer verwendeten. Die ganze Stadt war in eine milde, angenehme Helligkeit getaucht. Es gab keine Schallen, keine dunklen Winkel. Major Crook starrte mit zusammen gezogenen Brauen auf das immer klei ner und kleiner werdende Bild der Stadt. »Sie hatten recht, Huxley!« bemerk te er dann in seiner wortkargen, kurzen Art. »Diese Nogk verfügen über techni sche Fähigkeiten, wie wir sie uns auf Terra noch nicht einmal träumen lassen können. Sie hatten keineswegs zuviel versprochen!« Er schüttelte den Kopf. Durch die Detektorschulung an Bord der CHARR war er inzwischen über die Lebensge wohnheiten der Nogk informiert. Er wußte, daß diese eigentümlichen Wesen außerhalb ihrer Schlafperioden keinerlei Ruhe benötigen. Ging hinter dem Hori zont ihres Wohnplaneten die rote Rie sensonne Corr unter, erstrahlten die künstlichen Sonnen innerhalb der Pyra miden. »Das Prinzip dieser künstlichen
Sonnen sollten wir übernehmen!« brummte Colonel Clark, während er den Kurs seines Schilfes kontrollierte. »Sie sind stufenlos regelbar, haben eine na hezu unbegrenzte Brenndauer bei nur sehr geringem Energiebedarf und ver mögen Licht in jeder nur denkbaren spektralen Zusammensetzung zu liefern. Ich schlage vor, Huxley, Sie kümmern sich nach unserer Rückkehr mal um die ses Problem. Ich glaube kaum, daß Cha raua Ihnen eine diesbezügliche Bitte ab schlagen wird!« Huxley nickte, während seine grau en Augen zwischendurch immer wieder die Ortungen kontrollierten. »Ich werde dran denken, Clark!« er widerte er. »Jene Sonnen müssen von den Nogk erst in allerletzter Zeit so weit entwickelt worden sein, daß sie sich auch innerhalb der Wohnpyramiden in stallieren ließen. Im System Tantal wa ren sie noch an die mathematisch exakt berechneten Gewölbe im Inneren der Ellipsenraumer gebunden!« Danach verstummte die Unierhal tung bis auf die Anweisungen, die Clark den Männern seiner Besatzung hin und wieder gab. Die EUROPA beschleunigte. Inner halb weniger Minuten schrumpfte Reet, dann das ganze, fünfzehn Planeten um fassende System der Sonne Corr unter ihren Blicken zusammen. Clark schaltete die Bordsprechanla ge ein. »Zentrale an Funk-Z, Verbindung miteinander hergestellt, die Leitzentrale soll uns über Leitimpulse genau in den Kurs einweisen, den die verschollenen Raumer der Nogk geflogen sind! Ab weichungen müssen augenblicklich kor rigiert werden!« »Aye, Sir, ich verständige Reet!« Der Funkoffizier verschwand vom Bild
schirm. Doch Clark sprach schon wei ter. »Zentrale an C-Deck! Alle Antriebs aggregate genau überwachen, geringste Veränderung sofort überprüfen, Ergeb nis an Zentrale!« Der Chief, ein etwa vierzigjähriger Spezialist der M-Technik, der vom ers ten bis zum letzten Tag den Bau des Ringraumers beaufsichtigt und maßgeb lich an der späteren Installation und den Probeläufen der drei Mysterious-Trieb werke mitgewirkt hatte, nickte. Trotzdem schaltete sich Huxley nach einem fragenden Blick zu Clark ebenfalls in das Gespräch ein. »Denken Sie daran, Chief«, sagte er, »wir sind bereits über 300.000 Lichtjah re von unserer Milchstraße entfernt. Mit jeder Sekunde entfernen wir uns gegen wärtig um weitere 100.000 Kilometer. Wir müssen jeden Augenblick damit rechnen, daß wir den Einflußbereich des Halos endgültig verlassen und in das Exspect geraten. Sie erkennen das am sprunghaft ansteigenden Energiever brauch. Achten Sie bitte sorgfältig auf Ihre Instrumente, Chief. Denn mit dem Eintritt ins Exspect wird die Sache ge fährlich!« Huxley warf einen Blick zu den sechs Meegs hinüber, die hinter ihren Instrumenten auf der die Zentrale ring förmig umlaufenden Galerie saßen. Aber noch schienen sie unverändert, noch vermochten auch Huxleys scharfe Augen keine bedrohlichen Anzeichen bei ihnen zu entdecken. Er nahm sich jedoch vor, höllisch aufzupassen, denn er vergaß keine Se kunde, daß er der einzige Mann an Bord dieses Schiffes war, der bereits Erfah rungen mit den Tücken und Gefahren des Exspects gesammelt hatte. Aber es geschah nichts. Die
EUROPA beschleunigte weiter und er reichte kurz darauf Lichtgeschwindig keit. Der Zeitpunkt der ersten Transition in den Leerraum zwischen zwei Gala xien war gekommen. Er verglich noch einmal die letzten Informationen der Tasterstation auf Reet mit ihrer eigenen Position. »Ohne jeden Zweifel sind die drei verschollenen Nogkraumer zumindest bis hierher gekommen!« knurrte er dann. Abermals warf er einen Blick auf eine Folie, die in diesem Moment vom Suprasensor ausgestoßen wurde. »Auch das vierte Schiff hat sich aus diesem Raum noch einmal gemeldet! Kurz danach muß es dann in Transition gegangen sein, und zwar mit genau den gleichen Daten wie die drei anderen vor ihm!« Er schwang plötzlich in seinem Sitz herum. »Warten Sie noch mit der Transiti on, Clark! Ich werde auf Reet rückfra gen, ob die Nogk uns genaue Angaben über die Geschwindigkeit des Such schiffes kurz vor seinem Sprung ins Ex spect machen können. Danach könnte unser Suprasensor wenigstens die Koor dinaten bestimmen!« Clark nickte und machte sich zu sammen mit Crook daran, die EUROPA etwas abzubremsen. Die Antwort von Reet kam mit einer Verzögerung von nur wenigen Minuten. Anschließend übernahm Huxley die Ar beit, den Suprasensor mit den Angaben zu füttern. Huxley reichte das Resultat dem ne ben ihm sitzenden Clark. »Versuchen wir es, Clark!« brumm te er, und der Kommandant der EUROPA nickte. Der Ringraumer beschleunigte aber
mals. Und dann, von einer Sekunde zur anderen, war es soweit. Schon daran merkten die Männer im Innern des Rau mers, daß etwas nicht stimmte. Das erste, was Clark nach der Tran sition in die Augen sprang, war die Warnlampe am Instrumentenpult. Der Colonel wirbelte herum. Dann sah er nach den anderen Instrumenten. »Verdammt! Huxley, Crook, unsere Sprungdistanz hat nicht gestimmt! Wir befinden uns tief im Exspect! Viel tie fer, als wir sein dürften.« Huxley glitt aus seinem Sessel und lief zu Clark hinüber. »Welche Distanz hatten Sie in den Suprasensor gegeben, Clark?« »5.000 Lichtjahre, genau wie be sprochen.« Der grauhaarige Colonel nickte. Et was Ähnliches war ihm schon einmal passiert, damals auf dem Zug der Nogk. Sie konnten die Sprünge bemessen wie sie wollten, immer fielen die Distanzen anders aus. Huxley überlegte fieberhaft. Damals hatte sich die Sprungdistanz von Mal zu Mal verringert, gleichzeitig war der Energieverbrauch sprunghaft angestie gen. In diesem Moment meldete sich der Chief aus dem C-Deck. »Unsere Aggregate arbeiten mit höchster Last, obwohl ich an den Ein stellungen gar nichts verändert habe. Es ist, als ob jemand die Energie förmlich aus ihnen heraussaugt.« Huxley nickte abermals. »Schalten Sie vorübergehend ab, Chief. Setzen Sie einfach alles still. Las sen Sie vorläufig nur die Aggregate für die Bordversorgung laufen. Wir müssen erst einmal herausbekommen, wo wir
uns befinden und wie weit wir ins Ex spect vorgestoßen sind. Denn daß wir drin sind, das ist uns ja wohl allen klar, oder?« Der Chief nickte. Dann verschwand sein schmales Intellektuellengesicht vom Schirm. Gleich darauf verstummte das dumpfe Summen, das bisher den Leit stand der EUROPA erfüllt hatte. Huxley ging zu Crook hinüber. »Was machen die Ortungen, Crook? Irgendwelche Kontakte?« Er wollte sich schon abwenden, als der hagere Major ihn zurückhielt. »Warten Sie, Huxley! Die Materie ortung hat angesprochen.« Colonel Clark war mit einem Satz bei den beiden. Crook versuchte, den Oszillo genauer einzuregulieren. Er brauchte unverhältnismäßig lange, aber das laß nicht etwa daran, daß er sich un geschickt anstellte. Irgend etwas stimm te nicht, die Blips kamen verzerrt, un deutlich. Eine Erscheinung, die Clark an den Ortungssystemen seines Schiffes noch nie beobachtet hatte. Doch dann, plötzlich, wurden sie klar. »Einer der verschollenen Nogkrau mer!« Crook starrte ungläubig auf den Schirm und wandte sich dann Huxley und Clark zu, die unmittelbar hinter ihm standen und ihm über die Schulter blickten. Unwillkürlich sah Huxley zur Gale rie empor, wo die sechs Nogk eben noch vor ihren Instrumenten gesessen hatten. Und dann blieb er stocksteif ste hen, unfähig, auch nur eine einzige Be wegung, einen einzigen Schritt zu tun. Die Plätze der Meegs waren leer. Clark sah, wie der grauhaarige Co lonel plötzlich seine gesunde braune
Gesichtsfarbe verlor. Er wurde kreide bleich, während ihn eine entsetzliche Ahnung beschlich. Er riß sich aus seiner Erstarrung, während sein geschulter Verstand be reits begriff, was dort oben auf der Ga lerie geschehen war. Unwillkürlich schössen ihm bruchstückhaft die letzten Impulse des Meeg durch den Kopf, der auf der obersten Terrasse jener alten Ringstadt vor seinen Augen zerfallen war. Seine Mahnung, Charaua notfalls sogar mit Gewalt daran zu hindern, an einer Expedition zur Erforschung des Exspects teilzunehmen. »Die Meegs!« stieß er hervor, noch immer einen winzigen Hoffnungsschim mer in sich, daß er sich vielleicht doch irrte, daß sie vielleicht nur bewußtlos vor ihren Instrumenten lagen. »Was...?« Clark unterbrach sich und warf nun ebenfalls einen Blick zur Galerie hinauf. Huxley jedoch hatte inzwischen sei nen Schock endgültig überwunden. Mit einigen Sätzen durchmaß er die Strecke bis zu jener metallenen Treppe, die auf die Galerie führte. Dann flog er die Stu fen förmlich hinauf. Bevor er noch oben war, erkannte er schon, daß hier jede Eile vergebens sein würde. Den sechs Meegs vermochte niemand mehr zu helfen. Ihre Unifor men lagen zusammengesunken in den Konturensitzen. Neben den Sitzen aber, wie herabgerieselt, sechs fast gleichgro ße, kegelförmige Anhäufungen des bräunlichen Staubes. Colonel Huxley, der Mann, den so leicht nichts umzuwerfen vermochte, drehte sich langsam zu seinen beiden Gefährten herum. »Sie sind tot!« sagte er. »Zerfallen zu Staub, genau wie jener Meeg auf Nogk II, von dem ich euch erzählt
habe.« Ohne ein weiteres Wort setzte er sich auf die oberste Treppenstufe und starrte vor sich hin, während Clark und Crook langsam zu ihm heraufkamen. Huxley dachte voller Entsetzen da ran, daß direkt neben seinem eigenen Sitz Charaua den gleichen Tod gefun den hätte, wäre er von jenem Meeg nicht so eindringlich gewarnt worden. Denn nie wäre es Huxley von selbst in den Sinn gekommen, Charaua praktisch zu zwingen, auf Reet zu bleiben, indem er ihn mit seinen eigenen Waffen schlug, ihn an seine Pflichten dem Im perium gegenüber erinnerte. Ausgerech net Charaua, in dessen Leben es außer seiner Freundschaft zu ihm nie etwas Wichtigeres gegeben hatte als Pflichter füllung. Und dann, als Huxley schon dachte, er wäre über das Schlimmste hinweg, fuhr er plötzlich so heftig in sich zusam men, daß sogar Major Crook ruckartig herumzuckte und Huxley aus seinen seltsam durchdringenden Augen fra gend anstarrte. Der Colonel stand auf. Er trat auf die beiden Gefährten zu. In dieser Se kunde erst war ihm klargeworden, wie nahe die ganze Rasse der Nogk damals ihrem Untergang gewesen war, als sie vom System Tantal mit ihren Schiffen zur Andromeda aufgehrochen war. Ein einziger falscher Sprung, eine falsche Kopplungskoordinate, die die Ellipsen raumer weit genug ins Exspect hinein geschleudert hätte, und von einer Se kunde zur anderen hätte es im Innern der Schiffe nur noch jene kegelförmigen Anhäufungen bräunlichen Staubes ge geben. Im Universum hingegen eine Geisterflotte von vielen Tausenden von Schiffen. Leer, mit zuckenden, flackernden Kontrollen, mit Aggregaten, die in jeder weiteren Sekunde ihre Energie ins
Vakuum abgaben. Bis auch damit Schluß gewesen wäre. In den Schiffen jener Geisterflotte wären die Lichter ausgegangen, nach und nach wären so gar die beiden künstlichen Sonnen in den Räumern erloschen und die eisige Kälte des Weltraums in jeden Winkel der Ellipsenraumer gekrochen. Und dann, dann wäre jene Flotte von Toten schiffen Äonen hindurch durch das Ex spect getrieben. Vielleicht hätte sie die Gravitation im Laufe der Zeit zu einem golden schimmernden Klumpen vereint, bis eines fernen Tages eine andere Ras se sie gefunden und das ganze Ausmaß jener Tragödie erfaßt hätte, die sich ir gendwann einmal im Raum zwischen zwei benachbarten Galaxien abgespielt haben mußte. Zwischen zwei Galaxien, die den Begriffen jener Rasse nach viel leicht nur einen Raumsprung voneinan der entfernt waren, gemessen an jenen anderen Entfernungen, die das Univer sum in seiner Unendlichkeit noch be reithielt. Huxley starrte seine beiden Gefähr ten an. Dann aber ging ein Ruck durch seinen hageren Körper. Er erhob sich. »Clark«, krächzte er mit kaum ver ständlicher Stimme, »lassen Sie einen Doc kommen. Er soll die Überreste je ner Unglücklichen in Gefäße füllen und diese dann fest verschließen. Wir wer den sie mit nach Reet nehmen. Und jetzt will ich versuchen, ob ich mit Reet von hier aus Verbindung bekomme. Ich will Charaua berichten, was geschehen ist, ich will ihn und seine Nogk noch einmal warnen.« Huxley ging mit steifen, hölzernen Bewegungen die Treppe hinab. Gleich darauf versuchte er über den hyperstar ken To-Funksender der EUROPA Ver bindung mit Reet zu bekommen. Zu sei ner Überraschung kam sie auf Anhieb zustande. Klar und deutlich erklang die
Stimme Maxwells, seines Zweiten Offi ziers, der sich offenbar im Wechsel mit den anderen Männer seiner Crew die Wache an der Tasterstation teilte, deren Frequenzen für die Dauer der Expediti on einzig und allein dem Ringraumer vorbehalten waren. Über die Tasterstati on war es der EUROPA sogar möglich, Bildfunk von Reet zu empfangen und auch dorthin abzustrahlen. »Geben Sie mir Charaua, Maxwell, aber rasch.« Huxleys Stimme klang immer noch heiser. Es dauerte einige Sekunden, bis Charaua auf dem Schirm des Ringrau mers sichtbar wurde. »Der Meeg hatte recht mit seiner Warnung, Charaua!« begann Huxley ohne alle Umschweife seinen Bericht. »Wir befinden uns im Exspect, wenn wir auch noch nicht ermitteln konnten, wo. Die sechs Meegs sind tot. Zu Staub zerfallen.« Huxley sah das Erschrecken nicht nur, das durch den Körper Charauas ging, er spürte auch den Impuls, der wie ein Schrei schmerzlich durch sein Bewußtsein brach. Doch gleich darauf hatte sich der Herrscher der Nogk wieder fest in der Gewalt. »Das war es also! Deshalb kehrte keines unserer Schiffe wieder zurück! Huxley, weißt du, was das für meine Rasse bedeutet?« Huxley nickte langsam. »Ich weiß es, Charaua. Ihr könnt unsere Galaxis nicht verlassen. Es gibt für euch und eure Raumer eine Zone, hinter der der Tod beginnt. Der voll ständige und unabänderliche Tod.« Huxley spürte, wie es in Charaua ar beitete. Er würde viel Zeit brauchen, um diesen neuen Schlag wirklich zu über winden. Diese Entscheidung war für
seine Rasse endgültig. Doch Huxley ließ Charaua keine Zeit zu weiteren Überlegungen. Er warf einen Blick auf den Schirm der Materieortung. »Eines eurer Expeditionsschiffe ha ben wir gefunden. Es treibt im Exspect. Ich nehme an, daß es sich um das vierte handelt, das ihr als Suchschiff den drei anderen vorher verschollenen hinterher schicktet. Wir werden versuchen, es zu errei chen und festzustellen, was dort gesche hen ist.« Charaua nickte Huxley zu. Doch der Colonel war noch nicht fertig. »Schicke uns einen Verband Ellip senraumer entgegen, aber nur so weit, wie der Halo reicht. Geht kein Risiko ein. Meine CHARR soll mit meinen Männern und der Besatzung Major Crooks unverzüglich starten. Wir wer den versuchen, euren treibenden Rau mer mittels Intervallschlepp dem Ex spect zu entreißen. Wahrscheinlich ist die Energieversorgung unseres Ringrau mers hinterher derartig erschöpft, daß auch wir Hilfe brauchen. Richte mei nem Ersten und meinem Zweiten Offi zier aus, daß die Männer Crooks die in der CHARR und der FO 1 deponierten Beiboote der JAPETUS sofort einsatz bereit machen sollen. Wir werden sie brauchen, sobald wir dem Exspect ent ronnen sind. Wir melden uns wieder, wenn wir Näheres über euer Suchschiff in Erfahrung gebracht haben. Versucht bitte, unsere Position von Reet aus zu bestimmen. Ich bezweifle, ob es uns von hier aus exakt möglich sein wird.« »Du kannst dich auf mich verlassen, Huxley. Du und deine Gefährten! Ich werde selbst an Bord der CHARR sein, Freund.« »Aber vergiß unsere Abmachung
nicht, Charaua.« Der Nogk schüttelte den Kopf. So etwas wie Trauer lag sekundenlang in seinen großen, dunklen Facettenaugen. »Wenn alles vorbei ist, Huxley, wird der Rat des Imperiums zusammen treten. Er wird ein Verbot für unsere Raumer erlassen, jemals wieder in das Exspect einzudringen. Auch auf Reet hat es inzwischen Überraschungen ge geben. Es sind bisher fünfzig kobalt blaue Nogk geschlüpft. Sie haben Tan tal zu ihrem Führer erwählt. Die Unter suchungen unserer Meegs sind noch nicht abgeschlossen. Tote haben wir bisher noch nicht zu beklagen. In die sem Punkt hat sich jener Meeg auf Nogk II hoffentlich geirrt. Aber über all diese Dinge werden wir später noch miteinander beraten, Huxley. Nach der Rückkehr eures Ringraumers wirst du nicht sofort nach Terra zurückkehren können, richte dich schon jetzt darauf ein. Denn der Rat unseres Imperiums wird viele wichtige Entscheidungen für die Zukunft treffen werden müssen. Wir wollen dich dazu hören, Huxley.« Charaua nickte seinem terranischen Freund abermals zu, dann verblaßte sein Bild. Der Arzt kam und erfüllte seine traurige Pflicht. Auch er wurde kreide bleich im Gesicht, als er den wahren Sachverhalt erfuhr. Unruhig fuhr er sich über sein dichtes, blondes Haar. Er sah die drei Offiziere an. »Vielleicht hat hier die Natur in ih rer Weisheit eine unüberwindliche Bar riere errichtet!« sagte er leise. »Haben Sie einmal darüber nachgedacht, daß wir, würden wir je in unsere Nachbarga laxis gelangen, möglicherweise für die dortigen Rassen absolut tödliche Mikro ben einschleppen könnten? Oder auch umgekehrt? Wir müssen doch zugeben,
wenn wir ehrlich bleiben, daß wir alle miteinander über die Andromeda-Gala xis nicht viel wissen! Aus dieser Entfer nung läßt sich ja nicht einmal mit Si cherheit bestimmen, welcher Sternentyp das Gros ihrer Sonnen ausmacht! Nein, vielleicht später einmal, aber im Mo ment gebärden wir alle uns wirklich noch wie die Kinder, die, kaum daß sie eine Sache in ihren Händen halten, von der sie noch gar nicht wissen, was sie alles damit anfangen können, bereits nach der nächsten greifen!« Ohne eine Erwiderung abzuwarten, verließ der Doc die Zentrale. Major Crook starrte ihm mit gefurchter Stirn hinterher. Das Verhalten des Arztes fand keinesfalls seine Billigung, auch wenn er ihm im Stillen sogar recht ge ben mußte. Doch davon merkten Clark und Huxley nichts. Sie waren bereits damit beschäftigt, die ungefähre Entfernung des treibenden Nogkraumers zu bestim men. Bei dem Schiff handelte es sich, wie sie nach und nach herausfanden, um einen Ellipsenraumer der 900-MeterKlasse. Clark rutschte in seinen Konturen sitz. Dann stellte er die Verbindung zum Deck her, in dem die drei Antriebs aggregate der EUROPA untergebracht waren. Der Chief meldete sich sofort. »Wie steht es, Chief, ist bei Ihnen alles in Ordnung?« Der Chefingenieur der EUROPA nickte. »Gut, dann geben Sie Energie auf die Antriebe. Aber seien Sie vorsichtig, wir müssen uns an einen treibenden Nogkraumer heranmanövrieren. Unsere Distanzortungen versagen leider aus ei nem mir noch nicht bekannten Grund. Aber wir haben einen ungefähren Wert über die Materieortung bekommen.
Wenn wir das Schiff untersucht haben, dann versuchen wir, es im Intervall schlepp aus dem Exspect in den Halo zurückzubringen. Treffen Sie bitte so fort alle Vorbereitungen. Sollten unsere Energiereserven dabei zum Teufel ge hen, dann ist es auch nicht weiter schlimm, denn im Halo erwartet uns ein Verband von Ellipsenraumem und Hux leys FO 1. Ende.« Der Chief nickte nur kurz. Gleich darauf erfüllte das leise Brummen der Antriebe wieder die Zentrale. Langsam beschleunigte der Ringraumer, aber er tat sich sehr schwer dabei. Das bemerk ten die drei Männer in der Zentrale ganz deutlich. Clark fragte nach. »Der Energieverbrauch ist gewaltig, Sir!« bekam er vom Chief zu hören. »Er steht in überhaupt keinem Verhältnis mehr zur Leistung. Hoffentlich schaffen wir noch die Bergung des Nogkschif fes.« Sie erreichten den Nogkraumer in einer knappen Stunde Bordzeit. Huxley erhob sich aus seinem Kon turensitz, nachdem er das Schiff kritisch gemustert hatte. Es wies keinerlei äu ßerlich erkennbare Schäden auf. »Kommen Sie, Crook! Wir beide gehen hinüber.« Er wandte sich an Clark. »Gehen Sie mit der EUROPA so dicht wie möglich heran. Ich möchte mich in diesem teuflischen Exspect nicht gern auf einen Beibootantrieb ver lassen müssen. Crook und ich leinen uns an der EUROPA an, fast wie in den Anfängen der Raumfahrt. Dann versu chen wir unser Glück mit einem kräfti gen Schwung. Wenn es nicht klappen sollte, versuchen wir es eben nochmals. Aber auf diese Weise kann wenigstens absolut nichts passieren! Nichts gegen
die Technik, doch oft sind die primiti ven Methoden die besseren.« Zusammen mit Crook verließ er die Zentrale und machte sich auf den Weg zur Hauptschleuse. Dort legten sie beide die Raumanzüge an, hakten die Sicher heitsleinen an ihren Gürteln und in den für sie vorgesehenen Ösen im Innern der Schleusenkammern fest und warte ten, bis Clark die Kammer über Pumpen entleerte und dann das Außenschott öff nete. Huxley und Crook erkannten auf den ersten Blick, daß Clark inzwischen ein geradezu meisterhaftes Manöver mit seinem Ringraumer durchgeführt hatte. Vor sich erblickten sie den gewalti gen, goldschimmernden Rumpf des El lipsenraumers. Zum Greifen nahe trieb er neben der EUROPA durch die Un endlichkeit. Weit hinten, fast vom Druckkörper des Ellipsenraumers verdeckt, erblick ten die beiden Männer den hellen Fleck ihrer Beimatgalaxis, der Milchstraße. Auf ein Zeichen Huxleys sprangen sie beide zugleich. Ihre Körper trieben durch die Dunkelheit des Raumes, den keine Sonne mehr erhellte. Erst als die starken Scheinwerfer der EUROPA plötzlich aufflammten und ihr Ziel hell beleuchteten, wich der Druck, die Beklommenheit, die diese gähnende, schwarze Leere rings um sie herum in ihnen hatte aufkommen lassen. Huxley atmete auf. Er neigte zwar nicht dazu, jenen gefürchteten Raum koller zu bekommen, aber ihm war an gesichts des Riesenraumers, in dem es sicherlich keinerlei Leben mehr gab, gar nicht wohl in seiner Haut. Und Crook, diesem unerschrockenen Mann, der schon so manches Schiff samt Besat zung mit seiner JAPETUS in todesmuti gem Einsatz gerettet hatte, erging es
nicht um einen Deut besser. Als sie endlich gegen den Druck körper des Ellipsenraumers trieben und Huxley die Sicherheitsleine von seinem Gürtel loshakte und sie mittels eines Magnetankers an dem Nogkraumer be festigte, schüttelte er sich instinktiv. Crook sah es und wunderte sich kei neswegs. »Wenn ich hier heil heraus bin, Crook«, sagte Huxley über die Sprech anlage seines Raumhelmes, »dann wer de ich endlich einmal Urlaub machen. Ganz gleich, was passiert. Im Moment habe ich die Nase gestrichen voll, das können Sie mir ruhig glauben.« Er fing den dankbaren Blick auf, den der Major ihm zuwarf. Wenig später erreichten sie eines der Schotts an der Unterseite des Rau mers. Huxley brauchte keine zwei Mi nuten, um den Öffnungscode aus sei nem Aktivator abzustrahlen. Dann war tete er gespannt, ob überhaupt noch so viel Energie in den Speichern des Rau mers vorhanden war, wie benötigt wur de, um das Lamellenschott zu öffnen. Er hatte Glück. Die Detektoren sprachen an, und gleich darauf war Huxley auch schon in der Schleusen kammer des Nogkraumers verschwun den. Er wartete, bis Crook heran war, dann schloß er das Außenschott, um nun die innere Lamelle öffnen zu kön nen. Ihre schlimmsten Erwartungen wur den noch übertroffen. Sie durchsuchten den Ellipsenraumer gründlichst, und Huxley kannte sich in Schiffen dieser Bauart aus. Wenn er bisher noch gehofft hatte, daß vielleicht die künstlichen Sonnen wenigstens einige Nogk gerettet hätten, so sah er sich getäuscht. Von der Besatzung lebte niemand mehr. Die Uniformen lagen immer noch dort, wo
ihre Träger sich im Moment des Todes befunden hatten. Schon daran erkannte Huxley, daß die Nogk vom Tod über rascht worden waren, genau wie die Meegs an Bord der EUROPA. Nur jene kleinen Anhäufungen von bräunlichem Staub verrieten noch den Hergang der Katastrophe. Die Untersuchung der Speicherbän ke ergab, daß sie so gut wie leer waren. Die Versorgung der Antriebe war schon lange zusammengebrochen. Die beiden künstlichen Sonnen glommen nur noch schwach. Die Ener gieversorgung des Raumers stand kurz vor dem Zusammenhruch. »Gehen wir, Crook!« sagte Huxley nach über drei Stunden gründlicher Un tersuchung. »Hier können wir nichts mehr tun. Bemühen wir uns, den Rau mer in genau dem Zustand zu belassen, wie wir ihn vorgefunden haben. Viel leicht vermögen die Meegs noch etwas herauszufinden.« Auf dem gleichen Weg, auf dem sie gekommen waren, verließen sie den El lipsenraumer wieder. An Bord der EUROPA erwartete sie bereits Colonel Clark. Seine gefurchte Stirn verhieß nichts Gutes. Er streckte Huxley und Crook eine Folie hin. Es war die vor einigen Minu ten eingetroffene Positionsbestimmung der Tasterstation auf Reet. Huxley und Crook warfen einen Blick darauf und starrten dann Clark wie auf Verabredung völlig entgeistert an. »Das ist nicht möglich, Clark!« ächzte Crook. Der Colonel nickte. »Das habe ich auch gesagt, aber Reet behauptet, daß die Angaben mehr fach überprüft seien und einfach stim
men müßten! Und demnach befinden wir uns von unserer Milchstraße fast eine Million Lichtjahre entfernt. Kein Wunder, daß die Meegs sofort gestor ben sind, kein Wunder, daß der Ellip senraumer nur noch dahintreibt und daß sich auch dort kein lebendes Wesen mehr an Bord befindet!« Der Colonel nagte verbissen auf sei ner Oberlippe. »Wir sollten schleunigst sehen, daß wir zurückkommen. Versuchen wir, ob wir den Ellipsenraumer mitnehmen kön nen!« Huxley hatte den letzten Worten Clarks schon kaum mehr zugehört. Er hatte eine Idee, ihn beschäftigte in die sem Augenblick ein ganz besonderes Problem. »Clark«, begann er schließlich, »wir haben doch Sonden an Bord, die mit von den Nogk entwickelten Meßgeräten für das Exspect ausgerüstet sind, oder?« »Ja, aber warum?« »450 Millionen Lichtjahre!« mur melte Huxley statt einer Antwort. »Schi cken Sie eine solche Sonde los, Clark. Ich möchte sehen, was passiert! Jagen Sie sie noch tiefer in das Exspect hi nein. Ich habe eine ganz bestimmte Ver mutung. Das Ergebnis wird, wenn ich recht habe, von größter Wichtigkeit für uns sein.« Clark sah den grauhaarigen Colonel an. Doch dann zuckte er mit den Ach seln. »Gut, wird gemacht, Huxley, aber dann nichts wie weg. Ist mir ein uner hört ungemütlicher Gedanke, so tief in diesem verdammten Exspect zu stecken! Ich möchte bloß wissen, wie das ge schehen konnte! Der Suprasensor...« »Ist noch nicht den drei Triebwer
ken angepaßt, Clark! Wir werden das auf Reet untersuchen. Entweder war das Schlamperei der Techniker, oder aber sogar wieder einer jener Sabotageakte, wie sie in der letzten Zeit so oft vorge kommen sind. Zu oft für meinen Ge schmack. Ich denke da nur an Caruso, der mit seinen Männern im vorigen Jahr beinahe das Opfer eines solchen An schlags auf die GINOK geworden wäre. Crook hat sie dem Tod im wahrsten Sinn des Wortes gerade noch von der Schippe geholt.« Colonel Clarks Augen hatten sich zu schmalen Schlitzen verengt. »Verdammt, Huxley, Sie könnten recht haben! Kleinere Unregelmäßigkei ten und Unstimmigkeiten sind mir schon des öfteren aufgefallen. Und hier draußen, an der Schwelle zum Nichts, addieren sich derartige Fehler wahr scheinlich ins Riesenhafte.« Abermals nagte er an seiner Ober lippe herum. Doch dann gab er sich ei nen Ruck. »Also die Sonde.« Er gab die nötigen Anweisungen. Kurz darauf löste sich ein länglicher Körper von der EUROPA, und jagte un ter ungeheurer Beschleunigung davon. Er kam jedoch nicht weit. Bereits nach fünf Minuten gab es auf den Skalen der Kontrollschirme einen heftigen Aus schlag. Sekunden später, nachdem über die Schirme der Suprasensoren in blitz schneller Folge steile, tief ins Negativ potential ausschlagende Amplituden zuckten, stand plötzlich eine gleißende, winzige Sonne in der Schwärze des Ex spects. Geblendet schlossen die Männer ihre Augen, und als sie sie wieder auf machten, war alles vorbei. »Genau das hatte ich erwartet!« ließ Huxley sich gleich darauf vernehmen.
»Und was der Sonde passiert ist, das passiert wahrscheinlich auch jedem Schiff, das sich zu weit ins Exspect vor wagt. Ich glaube, es gibt im Exspect eine kritische Schwelle, an der die Energie von diesem energetischen Vakuum weit schneller aufgesaugt wird, als die Ag gregate sie liefern können. Die Folge ist dann eine Fehlsteuerung der Speicher, die blitzschnell zur Kettenreaktion führt und in einer Explosion, in einer plötzli chen Freisetzung aller vorhandenen Energien, endet. Der Zeitpunkt, oder besser gesagt, die Entfernung, der Ort im Exspect, an dem sich jene Initial schwelle befindet, ist wahrscheinlich für die einzelnen Schiffe verschieden. Mas se, die zur Verfügung stehenden Ener giemengen und die Schnelligkeit, mit der sie von den Aggregaten abgegeben werden können, spielen vermutlich in diesem Teufelskreis eine entscheidende Rolle.« Der grauhaarige Colonel sah seine beiden Gefährten an. »Ich glaube, wir haben ganz unver schämtes Glück gehabt, daß unser Su prasensor die EUROPA nicht noch tie fer in das Exspect hinausgeschleudert hat!« * Die Transition ins Halo zurück ver lief weit besser, als die Männer im In nern des Ringraumers angenommen hat ten. Im Gegenteil: Der Nogkraumer, den sie im Intervallschlepp mit sich führten, wirkte offenbar als ausgleichender Fak tor. Zwar kam die EUROPA an einer ganz anderen Stelle, als es den Berech nungen nach hätte sein müssen, ins Normalkontinuum zurück, zwar halten die Energiereserven nach dem Sprung
aus dem Exspect einen bedenklichen Tiefstand erreicht, aber der Ringraumer hatte es geschafft. Der Verband der Nogkraumer spür te das Schiff bald auf. Und dann klappte alles wie am Schnürchen. Die großen Beiboote der JAPETUS schwärmten aus. Ihre Kugelkörper ka men aus den Bootsdecks der CHARR und der FO 1 hervorgeschossen. Die Männer Crooks zeigten, was sie konn ten. In Rekordzeit hatten sie den bewe gungsunfähigen Ellipsenraumer an zwei Bergungseinheiten der Nogk gekoppelt, die sofort damit beganzen, das Schiff abzuschleppen. Noch bevor die Riesensonne Corr an diesem Tag hinter der Pyramiden stadt versank, setzte die EUROPA ihre Teleskopstützen auf die Landepiste des Raumhafens. Huxley, Clark und Crook verließen das Schiff und standen wenige Augenblicke später einer Abordnung von Meegs gegenüber, die sie sofort in ihre Behandlungsräume brachten, um sie einer vorsorglichen, aber sehr ge nauen Untersuchung zu unterziehen. Dasselbe geschah mit den Männern der EUROPA. Erst später, als das rotgelbe, warme Licht der Sonne Corr durch die trapez förmigen Fenster seines Wohnraumes fiel, erfuhr Huxley, daß ihn die Meegs in einen vierzehntägigen Tiefschlaf ver setzt hatten. Charaua, der vor ihm stand, schien zu lächeln, als Huxley bei dieser Nach richt erschrocken von seinem Konturen lager emporfuhr. »Es war notwendig für dich und deine Gefährten, Huxley! Das Exspect hatte seine Klauen auch schon nach euch ausgestreckt. Du wirst dich jetzt eine ganze Weile bei uns erholen, alles andere habe ich für dich bereits erledigt.
Eine Gruppe von Kurierraumern ist un terwegs nach Terra, Sie haben jenen Ringraumer mitgenommen, ohne den ihr das Exspect niemals wieder hättet verlassen können. In seinen Speichern und in denen unserer Schiffe befinden sich alle Infor mationen, die deine Brüder auf Terra brauchen. Du hast also gar keinen Grund zur Unruhe. Ich bitte dich, Hux ley, für eine Weile hierzubleiben und mein Gast zu sein! Später wird eine Delegation von Terranem hier eintreffen, dann wird der Rat des Imperiums zusammentreten, und wir wollen gemeinsam beraten, was weiter geschehen soll. Für uns Nogk steht nun endgültig fest, daß wir hier in diesem System bleiben werden. Jeden falls alle, die sind wie ich...« Huxley sah Charaua aufmerksam an. »Was heißt das, Charaua? Was willst du damit sagen: alle, die sind wie ich?« Der Nogk zögerte eine Weile. Doch dann richteten sich seine Augen aber mals auf Huxley und ließen ihn nicht mehr los. »Deswegen bitte ich dich, für eine Weile hierzubleiben. In den Tagen, an denen du im Tiefschlaf gelegen hast, wurden abermals hundert blaue Nogk geboren. Mit Tantal gibt es jetzt 150 ih rer Art. Und sie sind anders als wir. Ge nau wissen wir es noch nicht, Huxley, aber es scheint, als wüchse mit ihnen eine Generation heran, die nicht mehr aus strahlungsabhängigen Mutanten be steht. Damit schließt sich ein großer, über Jahrmillionen währender Kreis in der Geschichte unserer Rasse: Nicht länger mehr werden Unschuldige für die Taten ihrer Erzeuger zu büßen haben. Aber darüber will ich später noch mit
dir reden, Huxley.« Charaua wandte sich nach den letz ten Impulsen um und glitt mit der seiner Rasse eigenen Schnelligkeit dem Aus gang zu. Dort blieb er noch einmal ste hen und sah seinen terranischen Freund an. »Es ist schade um jeden Tag, Hux ley, an dem denkende Wesen einander bekämpfen. Wir, Terraner und Nogk, sind zusammen stark genug, um wenigs tens einem Teil unserer Galaxis den Frieden zu garantieren. Es muß uns nur ernst damit sein!« Noch lange, nachdem Charaua ge gangen war, stand Huxley an einem der trapezförmigen Fenster und blickte auf die Pyramidenstadt und den Raumhafen hinunter. »Es muß uns nur ernst damit sein!« hallten die Impulse Charauas in seinem Inneren nach. Der Nogk hatte recht. Vielleicht mußte eine Rasse erst durch machen, was die Nogk im Laufe ihrer langen Geschichte durchgemacht hatten, um trotz äußerer Macht und Stärke zu solcher Denkungsart zu gelangen! Huxley trat langsam vom Fenster zurück. Er wußte plötzlich, daß er dies mal noch lange bei den Nogk und sei nem Freund Charaua zu Gast sein wür de... ENDE