Ren Dhark
Die Meister des Chaos Herausgegeben von MANFRED WEINLAND
Die große SF-Saga von Kurt Brand Band 8
Prolog M...
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Ren Dhark
Die Meister des Chaos Herausgegeben von MANFRED WEINLAND
Die große SF-Saga von Kurt Brand Band 8
Prolog Mit einer kleinen Gruppe von Gefährten ist es Ren Dhark gelungen, in die QUIET ZONE einzudringen, einen die Zentrumsregion der Milchstraße abschottenden Bereich, in dem die G'Loorn ihre Fäden ziehen - ein Volk, das zur Bedrohung für die ganze Galaxis geworden ist. Ein Volk, das sich vom Leid und den dabei freigesetzten emotionalen Energien anderer Lebewesen ernährt und das sich nicht scheut, ganze Planetenbevölkerungen auszulöschen, um die Speicherbänke seiner Spindelraumer mit der Seelenqual der Opfer zufallen! Die Gruppe Dhark ist von der POINT OF abgeschnitten, der es noch nicht gelang, in die physikalisch abnorme Zone hinter jener Black Hole-Schale einzudringen, die den Herrschaftsbereich der G'Loorn umgibt. Ralf Larsen führt in Ren Dharks Abwesenheit das Kommando über den Ringraumer. Und unter seiner Regie ist man unablässig dabei, die Gesetzmäßigkeit der QUIET ZONE zu begreifen, um dadurch die Grundlage zu schaffen, Dharks Expedition doch noch zu folgen und ihr bei der Suche nach der Führungsspitze der in ihrer Brutalität beispiellosen G'Loorn beizustehen. Während der Gruppe Dhark, versteckt an Bord eines sogenannten >SammlersFabrik< der Pilzstadt ließ Dhark selbst jetzt noch erschauern. Und nun hatten sie es gleich mit einem ganzen Raumschiff solcher Ungeheuer zu tun! Er hatte den Gedanken kaum zu Ende gebracht, als sich die leise und gepreßt klingende Stimme Tylers meldete: »Nein, es handelt sich 9
nicht um... Seelenfresser.« Dhark setzte das Sichtgerät ab und faßte den Robonenjungen scharf ins Auge. »Worum dann?« Die Tatsache, daß Tyler in seinen Gedanken gelesen hatte, ließ er zunächst unerwähnt. Besondere Umstände erforderten - und erlaubten - mitunter auch besondere Maßnahmen. Seine intensive, gedankliche Beschäftigung mit dem G'Loorn hatte der merkwürdige Junge wahrscheinlich ohne sein Zutun erfaßt. »Augenblick.« Tylers Gesicht unter der filmdünnen, halbstabilen Kapuze des M-Anzuges wirkte verkniffen und angespannt. Seine Lippen waren nur noch zwei dünne, blutleere Striche. Der entrückte Ausdruck, als ginge ihn das hier alles nichts an, war Dhark nur zu gut bekannt und ließ nur eine einzige Schlußfolgerung zu: Der Level zehn-Qualifikant aus Starmoon sondierte mit seinen E.S.P.-Kräften den Spindelraumer...
Das Wesen saß regungslos auf seinem thronähnlichen Sitz, einge sponnen in einen eiförmigen Kokon aus schimmernder Dunkelheit, die ein Eigenleben zu führen schien. Eine Membran, die ihm das Resorbieren der Emotionen erleichterte. Wellenmuster flössen über die sich ausdehnende und wieder zusammenziehende Oberfläche hinweg. Das Wesen kannte jenen Zustand nicht, den andere als Schlaf bezeichneten. Sein Schlaf war etwas anderes, eine Art Ruheperiode, während der es über die Membran mit den vitalisierenden Strömen der Emotionen derer versorgt wurde, die in den Kammern dieses Schiffes eingesperrt waren und unter unsäglichem Leid von ihrer erbärmlichen Existenz Abschied nahmen. Um den Thron herum summten und klickten die Instrumente, die den Zustand des Raumschiffes anzeigten. Sichtschirme an den kon kaven Wänden brachten die Umgebung ins Innere. Es war gerufen worden und unverzüglich aufgebrochen. Jetzt war es hier, auf diesem Planeten, auf dem die Ruhe eines der Seinen gestört worden war. 10
Die alte Ordnung mußte wiederhergestellt werden. Dazu hatte es seine Krieger ausschwärmen lassen. Seine Instru mente hatten ihm die Störenfriede schon wenige Minuten nach der Landung gezeigt. Sie befanden sich nicht einmal sehr weit vom Standort seines Schiffes entfernt. Zweibeinige Wesen, die sich Menschen nannten - Terraner. Labile Individuen... Doch dann erstarrte es abrupt. Weil es eine Veränderung spürte! Wachsam erfühlte es, daß sich ihm etwas... Großes näherte. Ein fremder Geist...? Ja! Der G'Loorn fühlte mit einemmal eine ungewöhnlich starke Präsenz und bereitete sich auf seine Verteidigung vor. In seinem Stoffwechsel wurden Reaktionen ausgelöst, die seine Mentalkräfte mit Energie versorgten. Die Erwartung überlief ihn wie ein kristallener Schauer. Seine vorderen Klauen zuckten in einer konvulsivischen Bewegung, die rasiermesserscharfen Mandibeln öffneten und schlössen sich. Die Tentakel, die aus seinen Schultern sprossen, vibrierten ruckartig. Er wandte den monströsen Kopf hin und her, während die farnähnlichen Fühler, aus denen seine Sinneseinrichtungen bestanden, zitterten und jeden wandernden Gedanken, jeden Pulsschlag in seiner Umgebung prüften. Er war unfähig, Angst zu empfinden. Er kannte auch keine dem entsprechende Regung. Und doch war er verwirrt. Die Signale, die der Andere aussandte, waren ungewöhnlich. Er konnte Furcht spüren, aber auch Aggression und... sondierende Neu gierde! Ein rasches Prickeln durchlief sein komplexes Nervensystem. Noch ehe er seinen Geist verschließen konnte, war der andere schon eingedrungen... ... und wieder verschwunden. Nach dorthin zurück, woher die Schwingungen der anderen Wesen kamen. Das Gehirn des G'Loorn verfinsterte sich unter dem Impuls, den schützenden Kokon zu verlassen, hinauszustürmen und diese schwächlichen Wesen zu zerschmettern, ihnen die Glieder zu bre 11
chen, die Knochen und Sehnen zu zerfetzen und dabei ihr Leiden, während sie qualvoll starben, genußvoll zu assimilieren. Er hätte dies vermocht. Aber eine nebelhafte Erinnerung stoppte diesen Wunsch, noch während er als elektrische Spannung durch seine Nerven blitzte. Es war die Erinnerung an das, was er in dem zeitlosen Augenblick, in dem der Fremde in ihm gewesen war, in dessen Geist hatte lesen können. So kurz dieser Moment auch gewesen war, er hatte erkennen können, daß diese... diese Menschen von einem einzigen Gedanken beseelt waren: Wieder von diesem Planeten zu verschwinden. Wenn er es geschickt genug anstellte, würden sie von ganz allein zu ihm kommen. Und er wußte auch schon, wie er das bewerkstel ligen konnte... Die Erkenntnis überlief ihn wie ein heißer Schauer. Er öffnete die Mandibel zu einem schrecklichen Schrei des Triumphes. Wie in einem Rauschzustand drehte und wand er sich auf seinem Thron. Schließlich gewannen in dem G'Loorn Vernunft und Scharfsinn wieder die Oberhand. Er sandte Botschaften an seine Diener - daß diese Befehle den Tod vieler bedeuten konnten, ließ ihn ungerührt. Aber jetzt, da er Energie verbraucht hatte, wurde er von einem un geheuren Verlangen überwältigt - von HUNGER. Irgendwo in der Tiefe des Schiffes senkten sich blitzende Klingen ins Fleisch vielgliedriger Wesen, schnitten und schlitzten, hieben und trennten. Und begierig sog der G'Loorn auch noch den letzten Rest von Emotion auf, die das aus den gequälten Kreaturen entströmende Leben freisetzte... »Tyler!« Ren Dharks Stimme kam drängend aus dem Helmfunk. »Was ist mit dir?« Tyler stieß einen würgenden Laut aus. Wie aus einem Alptraum erwachend, sagte er schließlich: »Ihre... ihre Individualmuster sind sind nicht identisch...!« 12
»Was meinst du damit?« Tyler bewegte den Kopf wie unter großen Anstrengungen. »Es gibt nur einen G'Loorn an Bord. Der Rest ist... Beim Rest handelt es sich um...«, er suchte nach dem passenden Wort. »Arbeiter? - Drohnen? - Krieger?«
Tyler nickte. »Ja.«
Dhark und Martell wechselten Blicke.
»Was, ja?« wiederholte der Commander.
»Sie sind das alles. Mehr kann ich dazu nicht sagen...«
Der Robonenjunge von Starmoon verfiel wieder in die bekannte
Wortkargheit, derer er sich befleißigte, seit sie auf dieser Zentrumswelt angekommen waren. Dhark musterte Tyler mit einem langen, abschätzenden Blick. Mehr würde er im Augenblick nicht aus ihm herausbekommen, dessen war er sicher. Achselzuckend wandte er sich ab und beobachtete den Spindelraumer weiter durch das Sichtgerät. Aus der weit geöffneten Schleuse ergoß sich eine Flut von amei senhaften Wesen. Die Gestalten sammelten sich am Fuß der Rampe und nahmen Aufstellung. Ein Manöver, das fatal an eine straff ge führte, militärische Aktion erinnerte. Dhark preßte die Augen fester an das Sichtgerät und schaltete den Speziallaser hinzu. Der im unsichtbaren Spektrum angesiedelte Strahl raste auf das Raumschiff zu, fand sein Ziel und kehrte zurück. Sich verändernde Zahlenkolonnen flimmerten über den kleinen Monitor. Immer neue Werte versorgten Dhark mit genauen Entfer nungsangaben. Er justierte die Scharfeinstellung manuell nach.
Die Fläche um den Spindelraumer zoomte heran.
Dhark holte tief Luft.
Das späte Licht des zu Ende gehenden Planetentages spiegelte sich
aufschimmerndem Chitin und brach sich an gezackten Klauen... Es handelte sich eindeutig um insektoide Individuen, die sich ihm Jetzt in aller Deutlichkeit präsentierten! Aber noch etwas wurde erkennbar: Sie ähnelten zwar dem G'Loorn in der Pilzstadt, jedoch nur bezüglich ihrer Größe und Eindruckskraft. Augenscheinlich fehlte ihnen die pflanzliche Komponente, die 13
Dhark bei dem schrecklichen Wesen auf Terra und - noch deutlicher bei dem G'Loorn in der Seelenfabrik erkannt hatte! Trotzdem, als Gegner in dieser Massierung waren sie kaum zu schlagen. Ren Dhark malträtierte seine Unterlippe mit den Zähnen. Warum nur hatte er das verflixte Gefühl, daß eine Auseinandersetzung mit ihnen unvermeidbar sein würde? Jetzt geriet Bewegung in die Ansammlung. Kleine Gruppen spalteten sich ab, strebten auseinander und schlugen verschiedene Richtungen ein, während sich die Hauptstreitmacht auf den Tower zu bewegte. Ein eindeutiges Suchraster. Ren Dhark bekam eine Gänsehaut. Es wurde zur Gewißheit, wo nach sie suchten. »Mein Gott«, murmelte er und war sich bewußt, daß jedes seiner Worte von den anderen über Helmfunk registriert wurde, »da kommt was auf uns zu...« »... und das schneller, als uns lieb sein kann«, zischte John Martell neben ihm. Er deutete in eine bestimmte Richtung. Ren Dhark schwenkte das Sichtgerät. In einiger Entfernung, noch jenseits des Raumhafenkomplexes, sah er mehrere fließende Silhouetten, die sich auf den Terminal zu be wegten, kurz innehielten und im Moment des Stillstands klar erkennbar wurden - ehe sie weiterglitten. Glitten...? Es gab keine bessere Erklärung. Oder wie sonst bezeichnete man eine Fortbewegungsart, die nichts, aber auch gar nichts mit normalem Gehen, Laufen oder Springen gemein hatte? Es schien, als würden diese insektoiden Krieger mit den überpro portionierten Beinen zu einem Schritt ansetzen, dabei verschwinden, um weit entfernt erneut real zu werden! Alles spielte sich so schnell ab, daß sich einem unwillkürlich der Gedanke aufdrängte, die G'Loorn-Krieger besäßen eine Eigenzeit, die sich von der hier herrschenden Zeit grundlegend unterschied. Ein Schritt über eine Distanz von zehn, fünfzehn... zwanzig Me 14
lern! Ohne Zeitverzug! Woran erinnerte ihn das? Er fühlte einen Kälteschauer, der ihn durchrann. Wesen, die sich so bewegten, hatte er schon einmal gesehen. Damals auf Robon, als er aus deren Hand die Daten für das CommutatorEnzephalo erhalten hatte, mit dem die Erdbevölkerung aus ihrer Agonie befreit werden konnte. Man war eindeutig auf der Suche nach ihnen. Der Trupp insektoider Soldaten bewegte sich in seiner unregel mäßigen Formation bereits zwischen Terminal und Versteck. In ihren Chitinpanzern wirkten die Gestalten wie monströse, aufrechtgehende Termiten. Dazu war ein durchdringendes summendes Geräusch wie von einer auf Hochtouren laufenden Fräsmaschine hörbar... Noch hatten man die kleine Gruppe Terraner nicht entdeckt. Eine leise, monotone Stimme klang aus dem Helmfunk: »Hier Gorm.« Der ausgebildete Kämpfer aus Martells Kader hatte inzwischen seinen Standort verändert. Er lag etwa zwanzig Meter entfernt ausge streckt auf einem Dachvorsprung in exponierter Stellung, noch vor allen anderen, und blickte durch das Visier seiner Strahlwaffe. »Bericht!« Das war Martell. Erneut ertönte Gorms Stimme: »Ameisen auf elf Uhr. Nähern sich rasch unserem Standort.« Ameisen! Elf Uhr...! Einen Lidschlag lang mußte Dhark überlegen. Dann dämmerte ihm, daß Gorm sein militärisches Repertoire abspulte. Der Begriff >Ameisen< war klar, damit meinte er die insektoiden Soldaten aus dem Spindelraumer. Und >elf Uhr< bedeutete: links in einem Winkel von fünfundvierzig Grad voraus! Dhark suchte das angegebene Gebiet ab. In der Entfernung entdeckte er einige Schatten, die sich in ihre Richtung bewegten. »Habe sie im Visier«, meldete Gorm. »Soll ich...?« »Nein, nicht schießen!« griff Dhark ein, noch ehe John Martell anderweitig entscheiden konnte, und er setzte hinzu: »Jedenfalls noch nicht!« 15
»Weitere Ameisen, sechs, etwa hundertfünfzig Meter vor uns auf vierzehn Uhr... nähern sich rasch.« »Mist«, war lan Kaplans angespannte Stimme im Helmfunk zu vernehmen. »Sie haben uns festgenagelt!« »Vielleicht auch nicht«, murmelte Szardak. »Vielleicht wissen sie gar nicht, daß wir hier sind«, äußerte sich auch Rani Atawa. »Darauf würde ich keine Wetten annehmen.« Das war Wonzeff. Ich auch nicht, dachte Ren Dhark. Er klemmte die Unterlippe zwischen die Zähne und beobachtete durch das Sichtgerät erneut den Spindelraumer, der inzwischen verlassen auf der Piste stand. Die Rampe war leer. Niemand hielt sich an ihrem Fuß auf. Einladend weit offen stand die Schleuse... Ein irrwitziger Gedanke blitzte in Dhark auf. Er schwenkte das Sichtgerät. Der Mikrocomputer darin aktivierte den Restlichtver stärker, nachdem ein Sensor erkannt hatte, daß das Tageslicht für eine normale Beobachtung nicht mehr ausreichte. Bald würde sich die Nacht über diesen Teil der Namenlosen Welt legen - eine Nacht von bisher ungekannter Qualität... Die Insektenkrieger schwärmten noch immer über das Landefeld und warfen deutliche Schatten, während sie sich immer weiter vom Schiff entfernten. »Okay.« Dhark formulierte seine Worte sorgfältig: »Hört mir zu, alle! Wir müssen diesen Planeten verlassen. Mit jeder Minute, die verstreicht, schwinden unsere Chancen, heil aus der Sache herauszu kommen. Man sucht nach uns, das ist eindeutig. Wir haben mit unserem Eindringen in die Stadt - oder unseren Aktivitäten auf dem Raumhafen - etwas in Gang gesetzt, was nicht mehr zu stoppen ist.« »Steht es wirklich so schlecht um uns?« fragte Anja Field. »Es ist zu befürchten«, nickte Dan Riker. »Ich weiß, worauf Ren anspielt. Wir haben es am eigenen Leib erfahren. Seit wir hier sind, gehen Veränderungen mit uns vor. Haben wir nicht alle festgestellt, daß wir mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatten? Mit Übelkeit, Schwindelanfällen, Phasen vollkommener Desorientie rung? Die Ursache ist immer noch ungeklärt...« 16
»Mykotoxine«, warf Rani Atawa ein. »Sporengifte. Wir wissen doch, daß die Flora dieses Planeten aus Vertretern der Gattung My cophyta besteht, aus Pilzen also. Die überwiegende Anzahl der be kannten Pilzarten, ob nun irdisch oder extraterrestrisch, ist - zu mindest für unseren Metabolismus - giftig. Pilze vermehren sich durch Sporen, die nicht minder toxisch sind.« »Das wäre eine Möglichkeit - aber keine sehr wahrscheinliche«, widersprach Anja Field der Botanikerin. »Die M-Anzüge schützen unsere Atemwege vor dem Eindringen halluzinatorischer Sporengifte, wie wir inzwischen wissen. - Nein, es muß etwas anderes da hinterstecken. Vergessen wir nicht, daß die QUIET ZONE an sich schon im Widerspruch zu allen uns bekannten physikalischen Gesetzen steht. Auch das Magnetfeld dieses Planeten weist Anomalien auf, die nicht natürlichen Ursprungs sein können. Und erst jenes unbe greifliche Übersetzungsfeld, das über der kompletten Pilzstadt liegt... Ich für meinen Teil möchte jedenfalls keine Sekunde länger auf diesem Planeten bleiben!« Nach diesen Worten der Mathematikerin erhob sich lautes Stim mengewirr. »Genau meine Meinung...« »Ich kann das Schicksal Ogars nicht vergessen...«
»Wir müssen von hier weg. Keine Frage!«
»... richtig. Je eher, je besser.«
»Unheimliche Gegend... schon immer gesagt...«
»Stopp!« Dharks Stimme war nicht einmal übermäßig laut, aber in
ihrer Entschlossenheit bewirkte sie, daß das verbale Tohuwabohu endete. »Alle auf einmal und durcheinander bringt nichts. Wer etwas zu sagen hat, soll es in Ruhe vortragen. - Ja, Wonzeff?« »Wie haben Sie sich unsere Flucht von diesem Planeten vorgestellt, Commander?« Die tiefe Stimme des Ukrainers verbreitete Sachlichkeit. Hinter ihr verbarg sich abwägende Überlegung. Dhark war ihm dankbar dafür. »Es gibt nur einen Weg.« »Welchen?« meldete sich nun auch Dan Riker zu Wort. Dhark schwieg. Er hob lediglich die Augenbrauen, als wollte er sagen: Na, welchen schon! »Du willst doch nicht etwa... das Raumschiff entern?« 17
»Genau das«, erwiderte Ren Dhark ruhig. »Es ist unsere einzige Chance, den Planeten zu verlassen, erinnerst du dich?« »Ha, ha«, sagte Riker, aber ohne einen Funken Heiterkeit warf er seinem Freund vor: »Mein Gott! Du willst das wirklich durchziehen!« »Hast du einen besseren Vorschlag?« Riker schüttelte den Kopf. »Na, siehst du...« Dharks Miene verriet, daß ihn nichts mehr von seinem Entschluß abbringen würde. »Ich weiß«, sagte er, »was ich damit von jedem einzelnen verlange. Welches Risiko ein jeder eingeht - mich einge schlossen -, aber mein Gefühl sagt mir, daß wir hier keinen Stunde, keine Minute länger bleiben sollten!« Und dann erläuterte den anderen Gestrandeten seinen Plan. Einen Plan, zu dem es im Grunde keine Alternative gab... Der Abend warf lange Schatten über die fremde Landschaft. Und als die Sonne endgültig unterging, begannen Dhark und sein Trupp mit der Einsatzvorbereitung. Nach allen Seiten sichernd, huschten sie die Rampe hinunter und besetzten nahezu geräuschlos den großen Bodenschweber, mit dem Dhark, Tyler, Martell, Gorm und lan Kaplan aus der Pilzstadt geflohen waren. Es war ein bißchen eng, und man mußte zusammenrük-ken, doch ansonsten gab es keine Schwierigkeiten. John Martell, der die meiste Erfahrung im Umgang mit antigrav gesteuerten Transportvehikeln hatte, startete die Maschine. Mit brummenden Aggregaten bewegte sich der Schweber wenige Handbreit über dem Boden auf Umwegen auf das Ziel zu, das jetzt immer schwieriger auszumachen war. Aber dadurch wurde es auch etwaigen Verfolgern schwergemacht, sie zu entdecken. Sie wollten sämtliche Deckungsmöglichkeiten ausnutzen, ehe sie das letzte Stück über freies Feld in direkter Linie zum Spindelraumer flogen. Deckungen wie beispielsweise die langgestreckte Zone von Lagerhallen und niedrigen Gebäuden, die sich hufeisenförmig hinaus auf das Start- und Landefeld schwangen. »Wie steht's mit den Ameisen?« erkundigte sich John Martell. 18
Ameisen. Wie schnell sich doch ein Begriff einbürgerte. Gorm schüttelte den Kopf, erinnerte sich dann aber, daß diese Bewegung von dem ehemaligen General nicht wahrgenommen werden konnte, da dieser vor den Steuerkonsolen saß. Deshalb sagte er halblaut: »Sie müssen einen lausigen Orientierungssinn haben. Als wir vorhin rechts abgebogen sind, sind sie geradeaus weiter!« Gorm lehnte sich weit aus dem Antigravgleiter und sicherte das Terrain nach hinten. »Unser Glück.« Das war Arc Doorn. Das Genie in Sachen Fremd technik hielt sich an seinem Strahler fest, als hinge davon sein Leben ab - was unter diesen Umständen auch zutreffen konnte. »Vielleicht«, sagte Kaplan. »Möglich aber auch, daß wir in dieser Richtung bereits von einem wirklich großen Aufgebot erwartet werden und sie sich den Weg einfach sparen.« »Das ist es, was ich an Ihnen so schätze, lan, Sie gewinnen den Dingen stets die wirklich positiven Seiten ab!« meinte Janos Szardak. Ren Dhark grinste verhalten. Vielleicht würden sie alle hier auf dieser Welt umkommen, aber solange sie noch Witze rissen, war wenigstens die Moral in Ordnung. Er wandte sich an Martell: »Legen Sie einen Zahn zu, John. Wir haben noch eine gute Wegstrecke vor uns.« »Wie Sie meinen, Dhark.« Der Bodenschweber begann lauter zu brummen, glitt in der selt samen Dunkelheit vorbei an verlassenen Gebäudekomplexen und tauchte in eine gewaltige Halle ein, deren beide Stirnseiten offen waren und zum Durchfahren einluden. Die gewölbte Decke wurde von endlosen Reihen glatter Pylonen gestützt. Welchem Zweck das Gebäude diente, ließ sich in der trüben Helligkeit diffuser LeuchtPlatten nicht feststellen. Martell lenkte das Gefährt riskant dicht über die in den Boden eingelassenen Schienen der straßenbreiten Mitteltrasse und zog dabei eine Staub- und Sporenwolke wie eine träge, fette Raupe hinter sich her. Gebückt stand Dan Riker links neben Martell. Auf der anderen Seite des Piloten befand sich Ren Dhark. Die Visiereinrichtungen ihrer schweren Strahler beleuchteten ihre Gesichter von unten mit 19
grünlich fahlem Schein. Die Wangenknochen warfen Schatten, in denen die Augen versanken. Dhark suchte das vor ihnen liegende Terrain nach verräterischen Bewegungen ab. Aber es war Gorm, der den Feind als erster sichtete. Aus einer gänzlich unerwarteten Richtung. »Achtung: Acht Objekte aus einundzwanzig Uhr. Kommen rasch näher!« Riker und er fuhren gleichzeitig herum. Ihre Augen fanden die angegebene Stelle. In einem Winkel von etwas mehr als fünfundvierzig Grad glitten acht insektoide Schatten von hinten! seitlich auf den Schweber zu. Mit einem Tempo, das Dhark ein gepreßtes Stöhnen entlockte. In Bruchteilen eines Augenblicks zehn, fünfzehn Meter! Sie würden mühelos den Schweber einholen. Eigentlich waren sie immer nur als flirrende Schatten kurzzeitig erkennbar, wenn sie wegen der Pylone ihr Tempo verringern mußten. Über dem Geräusch des Fahrtwindes war ein anderer Laut zu hören: Ein starkes Summen. »Deckung!« schrie Gorm. Die Terraner duckten sich noch tiefer in den Schweber und zogen instinktiv die Köpfe ein. Das starke Summen wie von einem Hornissenschwarm schwoll kurzzeitig an. Etwas zischte und heulte über den Schweber hinweg. Martell machte eine riskante Ausweichbewegung, die die Terraner in ihren Sitzen zum Schwanken brachte. Ein sirrender Blitz fuhr jaulend in einen Pylon weit vor dem Gefährt ein. Dem Krachen einer Explosion folgte ein Bersten und Klirren, als die Säule sich aufspaltete und Trümmerstücke durch die Halle schössen. »Hab ich's nicht gesagt!« klang Gorms laute Stimme aus dem Helmfunk. »Miserable Spurensucher, lausige Schützen. Ich frage mich...«, er verstummte, als der nächste Blitz aufflammte, prasselnd vor dem Bodenschweber in den Hallenboden fuhr und eine meter lange Spur in das Material fräste. »Commander!« drängte Gorms Stimme. »Wir sollten jetzt wirklich etwas unternehmen!« 20
Ren Dhark mußte seine Hoffnung aufgeben, den Spindelraumer völlig ungeschoren zu erreichen, ohne groß in kriegerische Ausein andersetzungen verwickelt zu werden. Das Gesetz des Handelns wurde ihnen aufgezwungen, ob er wollte oder nicht. »Dan, du und ich beschäftigen die Ameisen. Gorm, Sie helfen uns dabei. Alle anderen - 'runter mit den Köpfen!« So schaffte er freies Schußfeld. Martell wich keinen Millimeter von seiner Konsole. Er hielt den Antigravschweber so ruhig wie nur möglich. »Ich werde sie ein bißchen ins Stolpern bringen...« Gorm fingerte eine Thermogranate aus der Gürteltasche. Sein Daumen drückte die Verriegelung nach innen. Der eiförmige Sprengsatz im Fliegenpilz muster flog in hohem Bogen nach hinten. Ein Feuerball wuchs hinter dem Schweber empor. »Mist, verdammter!« fluchte Gorm, als die Schatten völlig intakt weit vor dem Inferno aus ihrer Eigenzeit auftauchten. »Dann eben auf die alte Art.« Er riß den Zweihand-Strahler hoch, atmete tief ein, zielte und drückte den Abzug durch. Der erste Schatten wurde getroffen, als er gerade wieder zu einem weiteren Schritt ansetzte und unsichtbar zu werden drohte. Der Strahl schnitt ihn in zwei Teile. Eine helle Flüssigkeit quoll hervor. Dem zweiten schnitt er die Beine ab. Der Getroffene prallte in vollem Lauf gegen eine der Säulen. Sein Chitinpanzer brach auf, und etwas spritzte nach allen Seiten. Dharks Strahler sandte Feuerlanzen aus, wobei er den Blaster in einem kurzen Schwenk nach rechts führte und auf diese Weise den Gang zwischen zwei Pylonen leerfegte. Unbeirrt näherten sich die verbliebenen Insektenkrieger dem Schweber. Dan Riker griff nun auch ins Geschehen ein. Rosafarbene Strahlen zischten an Dhark vorüber, deren Schein die Luft zum Leuchten brachte. Sie trennten Gliedmaßen von Körpern. Mehrere der Wesen stürzten in einem Wirrwarr übereinander. Innerhalb von zwanzig Sekunden war alles vorbei, und die acht Insektenkrieger, die sie angegriffen hatten, lagen verbrannt und verstümmelt auf dem Hallenboden. Der aufgewirbelte Staub senkte 21
sich und überdeckte alles mit einer feinen, graugrünen Schicht. Aber da hatte der Bodenschweber bereits wieder die Halle verlassen und verschwand in der Dunkelheit. Sein Ziel lag nur noch tausend Meter entfernt.
Der G'Loorn bewegte sich auf seinem Thron. Er nahm seine Sinne auf eine etwas geringere Reichweite zurück. In seinem Verstand wurde das nebelhafte Durcheinander von Bil dern dessen, was seinen Drohnen in einem bestimmten, großen Raum angetan wurde, abgelöst von der klareren Vorstellung, daß sein Plan geglückt war. Sie waren auf dem Weg zu ihm! Voller Vorfreude begannen die Muskeln seines Körpers zu vibrieren. Bald würde er seinen rauschartigen Schmaus halten können. Er vernahm jetzt schon das Krachen zerschmetternder Knochen. Das Reißen von Fleisch. Und die Vorstellung, die nährenden Emotionen in höchster Verzük kung zu genießen, ließ seinen Körper erbeben. »Es könnte eine Falle sein!« Rani Atawas Stimme klang nervös. »Durchaus möglich«, stimmte Wonzeff zu, während er seinen Strahler noch einmal kontrollierte. »Aber wie auch immer, wir werden es früh genug herausfinden!« Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte er, wie sie nickte. Der Bodenschweber hatte die Strecke bis zum Schiff des G'Loorn, abgesehen von zwei minimalen Auseinandersetzungen mit überra schend aufgetauchten Gegnern, ohne größere Zwischenfälle und im Höchsttempo zurückgelegt. Jetzt befanden sich Pjetr Wonzeff und die anderen zehn am Fuß der Rampe, die zur Schleuse des Spindelraumers hinaufführte. Der Eingang zum Schiff war trübe erhellt. Der Anblick der offenen Schleuse wirkte abstoßend und anziehend zugleich. 22
Einladend wie eine Pforte zur Hölle, dachte Rani Atawa und ein Schauder überkam sie. Fast verspürte sie Angst. Ordinäre, hunds gemeine Angst. Es war hirnrissig, was sie vorhatten. Immer mehr kam sie zu dieser Einsicht. Aber ebenso klar erkannte sie, daß es die einzige Möglichkeit war, von hier zu verschwinden. Der Commander hatte ihnen schon im vorhinein klargemacht, welches Wagnis sie bei dieser Mission ein gingen. Jeder hatte das Risiko akzeptiert. Wenn wir nicht sterben wollen, bleibt uns kein anderer Ausweg. Es fragte sich nur, ob dieser Ausweg nicht auch in den Tod führen würde... Die Nacht war weiter fortgeschritten. Kälte - die Temperatur fiel innerhalb kürzester Zeit von verträgli chen zwanzig Grad Celsius während des Tages bis nahezu auf den Gefrierpunkt - und Finsternis nahmen zu. Die strahlend hell leuch tende Akkretionsscheibe würde sich erst kurz vor der planetaren Mitternacht über den Horizont erheben und fast Tageshelligkeit zurückbringen. Ren Dharks Stimme klang im Helmfunk auf: »Alles klar?« Er drehte sich langsam um seine Achse und sah, wie die anderen mit Handzeichen ihre Bereitschaft signalisierten. Spy Gorm atmete tief durch. »Klar zum Einsatz!« meldete er. Dhark konnte seine Zähne hinter dem Helmansatz des M-Anzuges blitzen sehen. Es bestand kein Zweifel daran, daß er es eilig hatte, in Aktion zu treten. John Martells Stimme kam drängend: »Wir sollten uns auf den weg machen. Ich bekomme hier jede Menge Anzeigen herein. Unsere Freunde kehren zurück. Offenbar hat jemand gemerkt, was wir vorhaben, und ruft jetzt seine gesamte Streitmacht zurück.« »Dann los!« Ein weiteres Handzeichen von Dhark, und die Gruppe setzte sich in Bewegung. Schnell, mit konzentrierter Wachsamkeit und nach den Seiten sichernd, liefen sie in Zweierreihen auf die Rampe zu, dann hinauf, 23
passierten eine Art Schwelle - und waren auch schon in einem Vor raum, der ganz nach einer Druckausgleichsschleuse aussah. In dem Raum herrschte ein merkwürdiges Licht, das aus den Wänden zu kommen schien. Wände, die von stumpfgrauer Farbe und wie mit einer dünnen, öligen Schicht überzogen waren. Leitungen sprossen aus ihnen heraus und verschwanden in Boden und Decke. Die elf Terraner kamen sich ein bißchen verloren in der großen Schleuse vor. »Alle an Bord«, meldete lan Kaplan als Schlußlicht. »Wohin jetzt?« fragte Dan Riker. »Nach oben!« bestimmte Dhark. »Wir müssen in die Zentrale. Hat jemand etwas entdecken können, womit sich die innere Schleusentür öffnen ließe?« »Hier, Commander!« Arc Doorn stand neben der Innentür und wies auf ein mehr als zwei Handspannen breites Feld voller Zeichen. Symbole. Eingelassen in Weichplastiktastaturen. Zu groß für menschliche Finger, aber wer wollte hier schon menschliche Maßstäbe ansetzen? »Ich kenne bereits ein paar dieser Symbole«, fuhr Doorn fort. »Ich habe sie im Raumhafen-Terminal an den Türen gesehen. Nichts Aufregendes. Stinknormale Öffnungskodes.« Wie um seine Worte zu beweisen, tanzten seine Finger über die Kontrollen. Mit einem saugenden Laut glitt die innere Tür in die Wand. Eine feuchtkalte Atmosphäre schlug ihnen entgegen. Dahinter ein langer, halbrund geformter Korridor, trübe erhellt und mit ölig schimmernden Wänden. »Dan!« Dhark sah den Freund an. »Du und ich, wir übernehmen die Spitze. John, Sie laufen hinter uns. Dann Tyler und Gorm. Spy, Sie lassen den Jungen nicht aus den Augen. Ihm darf nichts geschehen, unter keinen Umständen. Verstanden?« Spy Gorm ballte die Faust und stieß sie in die Luft. »Ich hüte ihn wie meinen Augapfel, Commander. Kapiert.« »Der Rest uns nach.« Schnell verschwand Dhark durch das Schott ins Innere des Spindelraumers. »Ich weiß nicht, ob mir das gefällt«, meinte Anja Field. »Wenn Sie hier stehenbleiben, werden Sie es auch nie erfahren«, 24
knurrte Doorn und schob sie derb zur Seite. Er packte seinen Strahler fester und folgte Spy Gorm auf dem Fuß.
Der G'Loorn war jetzt hellwach. Innerhalb seines Kokons spürte er die pulsierende Kraft der Ma schinen, die ihn durch die Kabel und Instrumente seines Throns erreichte. Seine Gliedmaßen zuckten im sanften Strom reiner Energien. In seinem Körper ruhten Kräfte, die er schon lange nicht mehr wirklich erprobt hatte. Aber jetzt, da ihm seine Sinne signalisierten, daß sie sich näherten, wurde er sich seiner Fähigkeiten wieder bewußt. Menschen nannten sie sich. Terraner. Sein Augenring glomm voller Verachtung. Narren!
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2. Sie hatten dreizehn Decks überwunden und näherten sich nun endlich dem Bereich, in dem sich nach Dharks Kenntnisstand die Zentrale befinden mußte. Bislang waren sie auf keinerlei Widerstand gestoßen, aber irgendwo schlug der Puls mächtiger Maschinen, wisperten Lufterneuerer. Leichter Geruch nach Ammoniak breitete sich aus. Dhark registrierte ihn. Ammoniak war eine gasförmige Verbindung aus Wasserstoff und Stickstoff. Sollte die Atmosphäre des Schiffes unerwartete Kompo nenten aufweisen? Er befragte die Anzeigen seines Anzugs und rief eine Analyse der atmosphärischen Gaszusammensetzung der Umge bung ab. Sie ergab etwa siebzig Prozent Stickstoffanteil und zwanzig Prozent Sauerstoffgehalt. Die restlichen zehn Prozent setzten sich aus anderen Gasen zusammen. Irgendwo im Schiff schienen elektrolytische Vorgänge abzulaufen, anders war der für die Ammoniakerzeugung notwendige Wasserstoff nicht zu gewinnen... Ohne sein Zutun drängte die Erinnerung an zwei länger zurück liegende Ereignisse in sein Bewußtsein. Einmal die Erinnerung an die erste Begegnung mit den Ducks, an ihr fremdes, merkwürdig unfertig wirkendes Raumschiff, das bis in den letzten Winkel mit kältekonservierten exotischen Lebewesen vollgepfropft gewesen war, die ausnahmslos den Eindruck vermittelt hatten, als seien sie kreuz und quer in der Galaxis eingesammelt worden. Auch an Bord des Duck-Schiffes hatte dieser seltsame Am moniakgeruch vorgeherrscht. Die zweite Erinnerung beruhte auf einem noch viel weiter zurück liegenden Erlebnis: Dem Besuch einer Fischzuchtfarm vor der Küste Jakartas, den er als Junge mit seinem Vater unternommen hatte. 26
Zum Schluß ihrer Besichtigung waren sie in eine Halle gekommen, in der ihnen beißender Ammoniakgeruch die Lungen ätzte. Auf einem langen Tisch hatten eine ganze Reihe von Tintenfischen gelegen. Es hatte sich um anderthalb Meter lange Humboldt-Riesenkraken gehandelt, die von einheimischen Fischern mit Schleppnetzen aus der Tiefsee an die Oberfläche befördert worden waren. Die Kopffüßer hatten denselben intensiven Ammoniakgestank verströmt. Merkwürdig. Zwei Ereignisse, zu unterschiedlichen Zeiten und an gänzlich verschiedenen Orten vermischten sich hier miteinander. Und doch nicht merkwürdig, wenn man sich vor Augen hielt, wovon sich die G'Loorn ernährten. Vielleicht gab es auch an Bord dieses Schiffes große Kryokammern, in denen Lebewesen darauf warteten, aus ihrem Tiefschlaf erweckt zu werden, damit man sie unter unsägli chen Leiden zu Tode foltern konnte. Als Seelennahrung für den Inbegriff des Entsetzlichen. Seelenfresser. So hatte Tyler die G'Loorn genannt. Dhark schürzte sich die trocken gewordenen Lippen, während er hinter Dan Riker hereilte. Bald würde er einem weiteren Vertreter dieser Gattung gegenüberstehen, und hoffentlich würde sein Plan funktionieren. Er spürte ein wachsendes Gefühl der Unruhe. Alles ging viel zu glatt! »Vorsicht!« rief Dan Riker. Vor ihren Augen tat sich ein großer Raum auf, der sich kreisförmig nach links und rechts krümmte und eine Sektion des Schiffes um schloß. Die Zentrale des Spindelraumers. Nur ein vom Boden bis zur Decke reichendes Schott trennte sie noch vom Herzen des Schiffes. Ren Dhark warf einen Blick in die Runde. Eine eigentümliche Spannung hatte von ihm und seinen Leute Besitz ergriffen, je weiter man zur Zentrale vorgedrungen war. Zum einen waren sie erleichtert, daß das Vordringen vergleichsweise friedlich vonstatten ging. Zum anderen, Ren Dhark konnte das nachempfinden, breiteten sich Furcht und Unsicherheit aus. Der Friede war eindeutig zu trügerisch. 27
»Es könnte eine Falle sein«, hatte John Martell, von Riker darauf angesprochen, vor kurzem erst bestätigt. Es war eine Falle! Von allen Seiten kamen sie heran. Zunächst noch unsichtbar hinter der Krümmung des Zentralkorridors. Nur das Summen verriet sie. Ein Summen, das auch aus dem Korridor kam, der sie hierher ge bracht hatte. Sie mußten die ganze Zeit hinter ihnen gewesen sein. Dharks Magen zog sich zu einem kalten Knoten zusammen. »Doorn! Schnell!« Seine Hand deutete auf das große Schott. »Bin schon dabei...« Arc Doorn machte sich in fliegender Eile an der Sensorplatte des Türöffners zu schaffen. Das Summen steigerte sich. »Gorm...« Der Elite-Soldat fuhr herum, riß den Strahler hoch. »Ich habe es gehört, Commander!« Das Ding trat hinter der Korridorkrümmung hervor: zwei Meter groß und mit schwarz glänzendem Chitinpanzer. Jetzt wurde erkennbar, daß die Soldaten der G'Loorn mehr Fang heuschrecken als Ameisen glichen. Wie eine verkleinerte Ausgabe des G'Loorn bewegte der Angreifer sich auf die Gruppe zu. Man konnte die mächtigen Muskelstränge erahnen, die, verborgen unter der Chitinpanzerung der Beine, dem Geschöpf eine ungeheure Sprungkraft verliehen. Die Klauen der oberen Greiforgane hielten einen gedrehten Stab aus bläulich schimmerndem Material. Er war die Quelle des Summgeräuschs. »Gorm! Schießen Sie! - Arc! Wie lange dauert es noch?« Spy Gorm hob die Waffe in Schulterhöhe und schaltete das Laser zielgerät ein. Der rote Punkt tanzte kurz über die Brust der Kreatur und wanderte dann nach oben, wo die Mandibel am vorderen Ende des eiförmigen Kopfes mit dem Augenkranz in ständiger Bewegung waren. »Schon...«, rief Doorn. Gorm drückte ab. Der Strahl trennte den Kopf vom Rumpf. Der Insektoide schien wie in Zeitlupe zu fallen und brach mit seltsam ineinander verknoteten Gliedmaßen zusammen. 28
»... offen!« vollendete der Sibirier sein Versprechen. Arc Doorn mußte noch einmal schreien, ehe die anderen reagierten. Das Schott, das sie von der Zentrale trennte, begann sich fauchend zu heben. Als es hoch genug war, drängten sie ins Innere, wo Doorn sich schon wieder an der inneren Sensorplatte zu schaffen machte. Mit einem Krachen fiel das Schott zurück und sperrte den Strom insektoider Soldaten aus, der die Korridore hochschwappte. Schloß auch alle Geräusche aus. Die Stille war fast mit den Händen zu greifen. Zeit dehnte sich ins Unendliche. Dhark blinzelte, er hatte Mühe, die rötliche Dunkelheit mit seinen Augen zu durchdringen. In die Stille mischte sich ein neuer Laut. Klick - Rii-tsch, Klick - Rii-tsch... Chitinzangen, die sich öffneten und wieder schlössen, öffneten und... Dhark kannte das Geräusch. Ebenso Martell, Tyler, Kaplan und Spy Gorm. Für die anderen war es neu. Rani Atawas Blick glitt an Szardaks Schulter vorbei. »Himmel«, keuchte sie. »Was ist das denn...« Ihre Kiefermuskulatur verkrampfte, und sie verstummte. »Dort... dort. Schauen Sie!« In dem rötlichen Nebel bewegte sich etwas, was Anja Field den Atem stocken ließ. Hinter einem Kokon aus halbdurchsichtiger Schwärze bewegte sich der G'Loorn auf seinem Thron. Ein Schrillen drang aus den weit offenen Mandibeln - in der grauenhaften Parodie eines triumphierenden Lachens. Klauenbewehrte Gliedmaßen streckten sich in Richtung der Terra-ner - Klick - Rii-tsch, Klick - Rii-tsch. Rasch, ohne nachzudenken, hob Dan Riker den Strahler. Seine Finger umkrampften den Abzug. »Nein! Tu das nicht!« hielt ihn Dhark zurück. Seine Finger schlos
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sen sich wie ein Schraubstock um Rikers Handgelenk und drückten den Arm nach unten. »Damit richtest du nichts aus!« Dan Riker fluchte zuerst und starrte den Freund dabei wild an. Dann entspannte er sich und nickte. »Wenn du es sagst...« Und gleichzeitig mit diesen Worten griff etwas Unsichtbares nach Riker und ließ in zur Unbeweglichkeit erstarren. Den anderen erging es nicht besser. Dhark stöhnte auf, unfähig, sich deutlich zu artikulieren. Ein enormer Druck lastete auf seinem Gehirn. Eine Art übelwollende Präsenz. Dunkelheit fiel wie eine Decke über seine Gedanken... Wieder schrillte die furchterregende Stimme des G'Loorn. Das Schott hinter den bewegungsunfähigen Terranern fuhr auf, und eine Schar bewaffneter Insektenkrieger drängte herein. Tyler! schrie es in Dhark. Und noch einmal: Tyler...! Tyler flüsterte etwas. Es war nicht im Helmfunk zu verstehen. Aber er schien nicht im Bann des G'Loorn zu stehen. Tyler, du bist unsere einzige Hoffnung. Du weißt, worum es geht! Tyler drehte den Kopf, blickte nach hinten. Unmenschliche Kon zentration ließ sein Gesicht zu einer Maske erstarren. Wie Stricke standen die Sehnen an seinem Hals hervor. Die Krieger kamen näher. Die Stäbe in ihren Klauen schleuderten Energielanzen, die sich auf die Terraner zubewegten - und wirkungslos vor ihnen zerstoben, von einer unsichtbaren Barriere ins Nirgendwo abgeleitet. Ausgehend von dem Robonenjungen schoß etwas Unbegreifliches auf die Angreifer zu, wischte sie von den Beinen, wirbelte sie durch die Luft und schmetterte sie gegen die Wand. Chitinpanzer barsten, zerplatzten wie Nußschalen. Körperflüssigkeit spritzte hervor. Das mächtige Schott schloß sich mit einem hallenden Geräusch. Eine Flammenzunge lief wie ein Elmsfeuer entlang des Türfalzes und verschweißte das Schott. Dann wandte Tyler wieder den Kopf und blickte nach vorn auf den G'Loorn. Dhark hörte einen Schrei. Er erreichte ihn über die Ohren und entfaltete sich zusätzlich in seinem Kopf. Der Schrei steigerte sich zu einem durchdringenden Kreischen. 30
Ausgangspunkt war der Thron des G'Loorn. Ein schwarzer Keil drang in die Membran, die den G'Loorn schützend umgab, riß sie auf, fegte sie hinweg und ließ den Seelenfresser für alle Augen sichtbar werden, jene schaurig schöne Adaption eines ins Riesenhafte mutierten Hybriden aus Pflanzenintelligenz und mörderischem Insekt mit zwei Beinen und vier klauenbesetzten Armen. Drähte sprossen aus seinem Oberkörper, aus den Schultern. Die farnähnlichen Fühlerstummel des G'Loorn vibrierten mit einem deutlich hörbaren Geräusch. Sie waren auf Tyler gerichtet, mit dem eine merkliche Wandlung vorging. Sein Gesicht war noch immer eine Maske der Konzentration, aber der Junge schien Mittelpunkt eines schwarzen Wirbels zu sein, hinter dem seine Gestalt zeitweise verschwand. Er stand bewegungslos, den Kopf zwischen den mageren Schultern eingesunken. Auf der Stirn pulsierten Adern. Man konnte förmlich sehen, wie ein Geist mit dem anderen rang. Zwischen den beiden materialisierte ein monströses, wirbelndes Kaleidoskop, in dem sich Zeit und Raum aufzuheben schienen. Alles befand sich in gewalttätiger Bewegung. Sternenabgründe taten sich auf. Materienebel wallten. v Planeten rotierten. Dazwischen ein riesiger, leuchtender Strudel, der alles um sich herum verschlang... und wieder ausspie. Das Herz der Milchstraße.
Das ZENTRUM. Der G'Loorn schrillte und tobte. Eingesponnen in sein metallenes Netzgeflecht, schien er auf seinem Thron zu wachsen, sich auszudehnen. Und wurde wieder zurückgeworfen. Die Venen auf Tylers Stirn traten stärker hervor. Die Zähne zu sammengepreßt, senkte er den Kopf, als ob es einem psionischen Sturm zu widerstehen galt. Plötzlich schloß er die Augen. Ein durchdringendes Kreischen erfüllte die Zentrale. Die Insekten
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arme schlugen und zappelten. Verbindungen, die wie metallene Tentakel aussahen, lösten sich mit obszönen Geräuschen aus dem Leib des G'Loorn und trennten ihn von den unterstützenden Maschinen. Der Hybride krümmte sich zusammen, enger und enger, als das Bombardement mentaler Kräfte durch sein Gehirn brandete und ihn seiner Kräfte beraubte. Der Augenkranz wurde milchig. Er zog die Beine an den Leib, kreuzte die vier Klauenarme vor dem Chitinpanzer und senkte den monströsen Schädel. Er war nicht tot. Er atmete. Aber das war auch alles. Und die mentale Fessel um die Terraner löste sich. Sie konnten sich wieder bewegen, konnten handeln! »Was...?« Anja Field taumelte gegen Dan Riker, der sie stützte und beruhigend auf sie einsprach. Dhark atmete tief ein. Er hatte hoch gepokert. Doch letztendlich hatten sie gewonnen. »Du hast ihn unter Kontrolle?« »Er... ist ein harter Brocken«, stöhnte Tyler. »So ohne weiteres hat er sich nicht schlucken lassen... Aber jetzt habe ich ihn.« Die dünne Stimme im Helmfunk, die in merkwürdigem Kontrast zu Tylers Taten stand, zitterte. Er mußte sich auf die Lippen gebissen haben. Ein schmales, rotes Rinnsal versickerte unterhalb seines Kinns. Tyler wandte sein blasses, verzerrtes Gesicht Dhark zu. Unter der halbstabilen Helmkapuze seines M-Anzuges rann Schweiß von seiner Stirn. »Was jetzt?« »Weg von hier. Auf dem schnellsten Weg.« Tyler nickte. Er wußte, was zu tun war. Was er machte, war nicht zu sehen. Lediglich die Auswirkungen des mentalen Zwanges, den er auf den G'Loorn ausübte, wurden deutlich. An den Wänden flammten Bildschirme auf und zeigten die Umgebung des Spindelraumers. Instrumente erwachten zum Leben. Maschinen liefen an. Eine mechanische Stimme spulte ein Programm ab. Von irgendwoher kam ein hallender Ton, und der Spindelraumer erhob sich von der Namenlosen Welt.
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Auf den Schirmen in der Zentrale sah man, wie der Planet kleiner wurde und rasch hinter dem Schiff zurückblieb. Dann war er nicht mehr zu sehen, nur noch seine Sonne. Wenig später war auch sie nur ein Lichtpunkt unter unzähligen anderen. »Ich glaube, wir haben es geschafft!« stellte Anja Field fest. Sie hatte sich, wie die anderen auch, inzwischen von der geistigen Kne belung durch den G'Loorn erholt. Mit leichtem Schaudern blickte sie hinüber zu dem thronartigen Aufsatz, auf dem die monströse Gestalt zusammengesunken hockte. »Sieht so aus«, bestätigte Dan Riker, der sich in ihrer Nähe aufhielt. »Wir haben das System verlassen und bewegen uns mit ziemlich hoher Geschwindigkeit«, sagte Arc Doorn. Dhark nickte stumm. »Wahrscheinlich werden wir in Kürze in den Hyperraum eintreten«, sagte Riker. »Mit welchem Ziel?« Dhark zuckte die Achseln. Das absolute Zentrum war in Reichweite gerückt. Um die QUIET ZONE scharten sich dunkle Materiewolken, in denen Abertausende von Sonnen funkelten. Das Herz der Milchstraße, aus der unvorstellbaren Distanz der Erde gesehen eine dicht gepackte Kugel aus Abermillionen von Sonnen, hatte sich in eine flache Scheibe verwandelt. »Wir sollten uns nach Räumlichkeiten umsehen«, drängte Riker seinen Freund, »in denen wir uns beim Transit aufhalten können. Niemand von uns weiß, wie lange die Reise dauern wird und was uns dabei erwartet. Es könnte unangenehm werden.« »Vermutlich«, murmelte Ren Dhark. »Wohin werden wir transitieren, Commander?« fragte Rani Atawa. »Ich wünschte, ich wüßte es...« Dhark stockte, fuhr herum und blickte zu dem Robonenjungen. »Tyler!« Tyler hatte sich von dem geistigen Kampf mit dem G'Loorn eini germaßen erholt. Nur an seinen noch immer blutunterlaufenen Augen konnte man sehen, welche Anstrengung es ihn gekostet hatte, diese Monstrosität zu bezwingen. Jetzt hielt er den G'Loorn in einer Art hypnotischem Trancezustand und vergewisserte sich ständig auf einer untergeordneten Ebene seines Geistes, daß der Hybride genü 33
gend unter seiner Kontrolle stand. »Ja?« »Tut mir leid, daß ich dich schon wieder bemühen muß...« Tyler winkte mit verlegener Miene ab. »... aber du mußt uns helfen.« Ren Dhark machte eine kurze Pause. Dann erläuterte er dem Robonenjungen von Starmoon, was er sich vorstellte, nämlich dem G'Loorn Informationen abzupressen, die endlich Licht ins Dunkel der Motive seines Volkes bringen und außerdem Hinweise darauf geben würden, wo im Sternengewimmel sich die Heimat dieser sadistischen Rasse befand, die sich an den Seelenqualen anderer intelligenter Spezies berauschte. Tyler blinzelte und starrte Dhark an. »Ich versuche mein Bestes.« »Tu das!« Irgendwo im Schiff erklang eine dumpfe Explosion. Der G'Loorn begriff nicht, wie ihm das hatte passieren können. Er war der Vertreter der am höchsten entwickelten Spezies im ZENTRUM. Wie alle seiner Art war er nahezu unsterblich - falls man die gewaltige Zeitspanne, die er und seinesgleichen lebten, als Un sterblichkeit bezeichnen wollte. Und doch waren seine Fähigkeiten plötzlich auf eine ihm unerklär liche Weise auf Null reduziert. Und nun versuchte man auch noch, ihm Informationen über die Position seiner Ursprungswelt zu entreißen. Das durfte nicht geschehen. Niemals. In Vergangenheit und Zukunft waren die Koordinaten dieses Ortes gegenüber den anderen Völkern der Galaxis geheim gehalten worden. Er wußte auch schon, wie er dieses Geheimnis wahren konnte. Kurz erwog er ein paar Fluchtmöglichkeiten, die ihm zur Verfü gung standen, verwarf sie aber wieder. Die psionische Klammer war zu übermächtig. Nur ein einziger Ausweg stand ihm noch offen... Er war besiegt, aber nicht zur Gänze. Er erinnerte sich der traditio nellen Künste, in denen er einst unterwiesen worden war. Mit einem bislang versteckten Rest seiner Kraft klinkte er sich in das Energiesystem seines Schiffes ein. Er spürte dem Flüstern des 34
Stromes nach und fühlte die pulsierende Macht der Reaktoren und Konverter. Er zwang seinen Körper zur absoluten Reglosigkeit, vergrub seine Gedanken unter einer dämpfenden Schicht nichts sagender Empfindungen, während er im schneidenden Fluß der Energie jenen Bereich fand, auf den es ihm ankam. Dort griff er mit seinen Gedanken hinein - und stieß auf Widerstand. Die Selbstvernichtungsanlage war darauf programmiert, von physi scher Kraft betätigt zu werden. In einem gewaltigen Impuls, der mit einem Schlag fast seine ganze restliche Lebensenergie verschlang und ihn sämtlicher Abwehrkräfte beraubte, unterbrach der G'Loorn den Stromfluß. Einen Moment lang spürte er wieder das Aufflackern seiner alten Überlegenheit, fühlte die Verachtung, wenn er an die Menschen dachte, die sich anmaßten, sich mit einem G'Loorn zu messen, und gleichzeitig die brennende Enttäuschung, daß er sich dem Angriff eines dieser Menschen nicht hatte widersetzen können. Dieses Tyler-Wesen hatte sich als gerissener erwiesen, als er an genommen hatte. Es hatte seine Schwachstelle sofort registriert, hatte entdeckt, daß er über keine natürlichen Psi-Begabungen verfügte, sondern sie nur mit technischen Mitteln nachzuahmen verstand, weshalb es letztendlich auch über ihn hatte triumphieren können. Jetzt würde er dem Terraner diesen Triumph nehmen. i« Er spürte weder Angst noch Bedauern über das, was er getan hatte. Auch nicht darüber, daß er sterben würde. Es war ein leichtes für ihn, die Zellauflösung zu beschleunigen. Sein Tod würde auch das Ende dieser bleichen Kreaturen bedeuten. Er stellte sich ihr Erstaunen vor, ihr Nichtbegreifen, und dann ihr Entsetzen, wenn sie merkten, wie das Schiff unter ihren Füßen zerfiel. Aber dann würde es bereits zu spät sein. Sie würden mit ihm sterben. Und doch, in jenem Zeitintervall, das seinem Ende vorausging, gelangte er zu der klaren Erkenntnis, daß er, das stärkste Geschöpf dieser Galaxis, von einem Menschen gleichsam wie beiläufig be zwungen worden war...! 35
»Was war das?« »Eine Explosion«, sagte Janos Szardak. »Wahrscheinlich eine Granate«, mutmaßte Spy Gorm. »Die Korri dore sind voll von Insektenkrieger. Sie laufen vermutlich Amok, weil wir ihre Königin gefangen halten.« Ein interessanter Aspekt, überlegte Ren Dhark, der bislang noch von niemanden so richtig bedacht worden ist. Bisher sind wir immer davon ausgegangen, daß der G'Loorn männlichen Geschlechts ist. Was, wenn es sich gerade umgekehrt verhält? »Ich glaube, es war eine Explosion«, beharrte Szardak. »Und sie war tief im Schiff. Keinesfalls draußen im Korridor.« Er legte sein Gesicht in Falten und starrte auf Gorm. »Ja, ja«, stimmte der zu und grinste dabei dünn und humorlos. »Eine Explosion. Meinetwegen....« »Mein Gott!« sagte Rani Atawa und starrte in eine bestimmte Rich tung. »Schaut euch das an!« Sie sahen, was sie meinte. Der G'Loorn war auf seinem Thron noch mehr in sich zusammen gesunken. Alles, was an seinem Körper von pflanzlicher Beschaffenheit gewesen war, ging sichtbar in Verwesung über. Wie es im Innern der Chitinpanzerung ausschaute, konnte man nur vermuten. Zwischen den einzelnen Platten sickerte grünliches Sekret hervor. »Ich... ich konnte... konnte nichts dagegen tun«, stammelte Tyler. »Er hat seinem Leben selbst ein Ende gesetzt. Bis ich es merkte, war es schon geschehen. Ich... ich...« Ren Dhark schüttelte den Kopf. »Nicht, Tyler. Es war zu erwarten, daß er sich irgendeine Teufelei ausdenkt. Und sei es sein eigener Tod, um uns keine Informationen geben zu müssen.« Eine weitere Explosion erschütterte die Zentrale, wesentlich stärker als die erste. Diesmal gab es keine Zweifel. »Wir müssen uns in Sicherheit bringen!« Rani Atawa schaute Tyler an und blinzelte, als hätte sie ihn noch nie gesehen. »Was...« »Das Schiff löst sich auf. Der G'Loorn hat einen Selbstvernich 36
tungsmechanismus aktiviert, ohne daß ich es mitbekam,« bekannte Tyler schuldbewußt und verlegen. Die anderen starrten ihn mehr oder weniger entgeistert an. »Wie damals im Kuiper-Gürtel«, murmelte Dhark, ohne sich dessen überhaupt bewußt zu werden. Dan Riker, der wußte, wovon die Rede war, wurde totenbleich. »Dieses Miststück«, sagte lan Kaplan. Gorm hieb in die gleiche Kerbe und machte seiner Wut Luft. Arc Doorn lief zu einem der Monitore, studierte ihn und begann die Kontrollen der unteren Bildleiste zu bedienen. Nach einer Weile wandte er sich fluchend einem anderen Bildschirm zu. Dann dem nächsten, dem übernächsten... kopfschüttelnd. »Ich glaube, wir sitzen wirklich in der Patsche, Commander. Sehen Sie selbst.« Der Bildschirm zeigte eine Innenansicht des Schiffes: Räume voll unbekannter Maschinen und Geräte, lange Fluchten übereinander gestapelter Gegenstände. Ein Reparatur- oder Ersatzteillager. Was auch immer, niemand würde sich je daraus bedienen können. Etwas Ungeheuerliches fraß sich durch den Lagerraum und löste ihn buchstäblich in nichts auf! Vor den Augen der entsetzten Gruppe verschwand eine Sektion nach der anderen. Dann hatte das Nichts die äußere Wandung er reicht. Sie zerfiel. Die Sterne schimmerten herein. Das Ganze geschah in erschreckender Geräuschlosigkeit. Nur ein fernes Seufzen und ein dünnes Summen war über die Lautsprecher der Aufnahmeeinheit zu hören schließlich erreichte das gefräßige Etwas auch die Instrumente der Bordkommunikation. Die Bilder auf den Schirmen flackerten, zerfielen in einem Schauer von Pixeln und zeigten schließlich nur noch elektronisches Schneegestöber. »Ich glaube, wir sollten tatsächlich verschwinden«, sagte John Martell. Die Züge seines schmalen Gesichts waren verkniffen, die Lippen zwei blutleere Striche. Ren Dhark nickte. »Weg - sofort!« »Wie?« fragte Anja Field gepreßt. Sie hatte das Gefühl, sich gleich 37
übergeben zu müssen. »Draußen laufen sicher noch eine ganze Menge Soldaten herum!« »Es gibt da einen Wartungsschacht«, sagte Tyler mit etwas unsicherer Stimme. »Er führt von dieser Zentrale aus bis zur Hülle. Dort ist eine... Notschleuse. Ich habe den Fluchtweg in... in seinen Gedanken gesehen!« »Ich dränge ungern, Tyler, aber wo ist der Eingang dazu?« Dharks Stimme klang angespannt. »Hinter dem Sockel mit dem Thron.« Dhark fuhr herum, sah Doorn an. »Arc...!« »Schon bei der Arbeit!« Der Sibirier verschwand hinter dem Thron des toten Außerirdischen. Wie unregelmäßig geformte Schneekristalle trieben sie im All. Elf silbrig schimmernde Punkte. Nahm man die Größe des Alls zum Vergleich, waren sie nicht mehr als Atome. »Zusammenbleiben«, kam Ren Dharks Stimme aus dem Helmfunk. Sie vermittelte Ruhe, eine Ruhe, die er selbst nicht spürte. Im Gegenteil. Noch keine zwei Minuten waren seit ihrem überstürzten Ausstieg aus dem Schiff des G'Loorn vergangen, und schon hatten sie eine beachtliche Distanz zwischen sich und den Spindelraumer gebracht. Was niemand bedauerte. Niemand mit einem Funken Verstand hielt sich freiwillig in der Nähe eines Schiffes auf, das sich selbst auflöste, und zwar so konsequent, daß nichts davon übrigblieb. Ein Prozeß, den niemand nachvollziehen konnte. Welcher teuflische Intellekt war imstande, so zu agieren? Unaufhaltsam stürzten sie durch den Weltraum der QUIET ZONE. Dhark wandte den Kopf und hielt nach dem Spindelraumer Aus schau. Das von sonderbarem Glanz umhüllte Schiff fiel schnell hinter ihnen zurück und schrumpfte dabei mehr und mehr. Atmosphärereste aus aufgelösten Sektionen blühten kurzzeitig zu weißen, kristallisierten Wölkchen auf. Der Spindelraumer war nur noch ein Torso, der zusehends kleiner wurde. Ein winziger Lichtpunkt in der endlosen 38
Schwärze des Weltraums. Ein letztes Mal blinkte er auf und erlosch dann ganz. Sie waren allein im Weltraum. Verloren... Und erst jetzt ging Ren Dhark die ganze Tragweite dessen auf, was geschehen war. Vom Regen in die Traufe. Die quälenden Gedanken abschüttelnd, spähte Dhark minutenlang angestrengt in das All hinaus, in der ganz und gar verrückten Hoff nung, daß die POINT OF sichtbar werden würde. Doch alles was er sah, waren weit entfernte Sonnen - stetig strahlende Punkte in einem Hintergrund irgendwie labil wirkender Schwärze. Noch nie hatte jemand die Kapazität der Mysterious-Raumanzüge ausgeschöpft. Niemand wußte, wie lange man unter Weltraumbedin gungen darin überleben konnte. Tage? Wie viele Tage? Sie würden die ersten sein, die es herausfanden.
Wie flüchtige Gedanken trieben sie in der grenzenlosen Nacht. Um geben von der Unendlichkeit, durch die Millionen von Sonnen glühten. Sie lebten, aber die Chance, je wieder lebendig auch nur in die Nähe eines Sonnensystem zu gelangen, stand eins zu unendlich. Längst war alle Unterhaltung im Helmfunk verstummt. Es war still geworden. Jeder hing seinen Gedanken nach. Ren Dhark vernahm kein anderes Geräusch als das Rauschen des Blutes in seinen Ohren und über die Helmfunkanlage das charakteri stische Hintergrundrauschen des Alls. Sonst nichts. Weit voraus war zwischen den Sternen ein verwaschener Fleck zu erkennen - interstellare Materie, zu einer dünnen Wolke gestreckt. Dharks Blick verweilte nur kurz daran, aber beinahe im gleichen Augenblick zuckte er erschrocken zusammen. Der verwaschene, trübe Fleck, auf den sie sich zubewegten - er wuchs! 39
Dhark blinzelte.
Hatte er Halluzinationen? Ging der Vorrat an Atemluft bereits zu
Neige? Nein, da kam wirklich etwas auf sie zu! Der Fleck dehnte sich weiter aus, wurde immer größer, bis er die Sterne verdeckte. Tyler fragte über Helmfunk freudig erregt: »Ein Raumschiff?« Jemand antwortete fast ehrfurchtsvoll: »Dann sind wir gerettet!« Dhark erkannte die Stimme von lan Kaplan. Rani Atawa rief: »Siddharta sei gepriesen - wenn es so ist!« Jetzt erklang eine andere Stimme. Ihr Tonfall war tiefer, bedächtiger: »Das gäbe uns eine Chance.« »Eine verdammt kleine Chance, Pjetr!« schränkte Szardak ein. »Immerhin«, brummte Arc Doorn. Das riesenhafte Gebilde hatte angehalten und verdeckte das Licht der entfernten Sonnen. Tyler spürte, wie sich ihm die Nackenhaare aufstellten. Ein unbestimmbares Gefühl der Beunruhigung überfiel ihn. Empfindungen wuchsen in ihm, die ihm sagten, daß etwas nicht stimmte, daß etwas gefährlich und schrecklich falsch war. Etwas - er fand keine präzisere Beschreibung dafür - näherte sich ihnen. Ein Schemen, irgend etwas, das durch den Raum auf sie zuglitt. Der Schemen war vom Umfang her größer als ein Mensch und... Tyler griff mit seinen Gedanken hinaus in die schwarze Tiefe. Sondierend, fragend - es war, als dringe er in einen unendlich tiefen Abgrund vor, der ihn mit magischer Kraft einzusaugen schien. Ein Schwarzes Loch, in dessen Kern etwas zu lauern schien. Was es wirklich war, erkannte er, als er auf die bösartig glitzernden Frag mente stieß... Tyler zog seine sondierenden Gedanken zurück. »Oh, nein!« schrie er. Seine Stimme veränderte sich in einem Aus bruch enttäuschter Hoffnungen und der Vorahnung des Unheils. »Ich spüre die typischen Mentalmuster eines - G'Loorn!« Von der Traufe in den Regen, flüsterte eine sarkastische Stimme in Dharks Kopf. 40
»Eine böse Überraschung nach der anderen«, knurrte er grimmig. »Ich bin neugierig, was als nächstes ge...« In diesem Moment geschah etwas mit ihm. Etwas Unsichtbares packte ihn, zog ihn an sich und ließ ihn mit hoher Geschwindigkeit auf den Schatten zurasen. Mit einem gespenstischen, flackernden Glühen durchdrang er das dunkle Feld - und war im nächsten Augenblick von der Bildfläche verschwunden! Und dann änderte sich die Lage erneut radikal. < Urplötzlich erschien wie aus dem Nichts ein Spindelraumer. Von einem Augenblick zum anderen war er da, verhielt kurz und jagte dann davon - dem enteilenden Schemen hinterher, der Ren Dhark entführt hatte. Grünliche Lichtfinger tasteten durch die Schwärze des Raumes, fokussierten und trafen den unter seinem Tarnfeld flüchtenden Rau mer... ... ohne Wirkung zu zeigen. Weitere acht Spindelraumer materialisierten in der Nähe. Die Hälfte nahm unverzüglich die Verfolgung auf, der Rest näherte sich den Begleitern Ren Dharks... Aus einem der Schiffe löste sich ein blaßblaues Strahlengewitter. Und noch ehe die im Weltraum treibenden Menschen sich fragen konnten, was da auf sie zukam, umfing sie auch schon tiefe Bewußtlosigkeit.
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3.
Der terranische 400-Meter-Raumer SENTINEL glitt mit einem Achtel Lichtgeschwindigkeit inmitten eines Pulks patrouillierender Raum schiffe der Terra-Flotte durch den Weltraum des Col-Systems. Er bewegte sich im vorderen Drittel der breitgefächerten, keilförmigen Formation von TF-Schiffen und befand sich in relativer Nähe zur KARTHAGO, auf der Major Eythan Farr den Oberbefehl über das ins Doppelsonnensystem entsandte Flottenkontingent führte. Die SENTINEL war Flankenschutz der KARTHAGO und würde diese Position unter allen Umständen zu halten versuchen. In den Tiefen der Maschinendecks waren die Konverter auf Nor mallast heruntergefahren, blieben jedoch in Gefechtsbereitschaft. Für sämtliche Decks des Raumers herrschte Alarmstufe Rot. Die Helligkeit im Innern des Schiffes war vom Hauptgefechtscomputer her untergedimmt worden. Die normaloptischen Schirme waren ausge blendet. Stattdessen zeigte sich auf den großen Displays die virtuell von den Schiffscomputern erzeugte dreidimensionale Darstellung des Col-Systems innerhalb eines sphäroiden Gitterrasters, in dem grün leuchtende Dreiecke die Positionen der übrigen Flottenschiffe kenn zeichneten. Die Scanner waren weit offen, drangen tief in den umge benden Raum hinaus und suchten unablässig nach den charakteristi schen Signaturen, die das Auftauchen von Spindelraumern auf den Schirmen sichtbar machen würden. Robert McKinney war in die Betrachtung des virtuellen Rasters vertieft. Wie unterschiedlich eingefärbte Billard-Kugeln kreisten die achtzehn Planeten mit ihren murmelgroßen Monden innerhalb einer tellerförmigen Ebene - die von den Computern des Astrolabs eben falls farbig hervorgehoben wurde - in komplizierten Bahnen um die beiden Sonnen. 42
Die Sensoren machten die chaotischen Ströme der Sonnenwinde um die beiden Sterne in düsterem Rot sichtbar - neben all den anderen geladenen Teilchen aus galaktischen Brutofen: Magnetfeldern, Strahlungen in allen Frequenzen und hyperenergetischen Protuberan zen. McKinney löste den Blick von dem faszinierenden Schauspiel. »Lieutenant Naha!« Der Kopf des Offiziers ruckte herum. »Sir?« »Status?« »Alle Systeme gefechtsbereit, Kapitän«, meldete der Erste Offizier der sentinel. »Sehr gut, Lieutenant«, nickte Robert McKinney. »Cain?« »Sir?« »Etwas zu erkennen?« »Negativ, Sir«, antwortete der Funk- und Ortungs-Offizier von seinem Platz aus. »Geben Sie gut acht, Cain. Ich will, daß sich jeder in Ihrer Abteilung der größten Aufmerksamkeit befleißigt. Diesmal müssen wir gewappnet sein. Derjenige, der mir als erster die Signatur unseres Feindes meldet, darf mit einer belobigenden Eintragung in seine Personalakte rechnen« »Jawohl, Sir«, sagte Ed Cain und forschte verstohlen im Gesicht des Kommandanten nach Zeichen der Anspannung, unter der der Kapitän stehen mußte, seit der terranische Flottenverband - immerhin mehr als ein halbes Hundert Schiffe - bereits binnen sechzig Minuten nach seiner Rematerialisierung im Col-System zehn hochgerüstete Raumer verloren hatte. Zehn Schiffe, die im Höllenfeuer von nur fünf Spindelraumern verglüht waren. Darunter hatte sich auch die syrakus befunden, auf der ein Prototyp des neuentwickelten, reichweitenstarken Tremble-Schocks installiert gewesen war. Und nach und nach neun weitere Schiffe der Terra-Flotte. Cain forschte vergebens im hageren Gesicht seines Vorgesetzten nach tiefer wurzelnden Gemütsregungen. Lediglich die üblicherweise «lasse Narbe zwischen Nasenflügel und linkem Mundwinkel glühte 43
hellrot und gab so etwas über den wahren Erregungszustand ihres Trägers preis. »Sir!« Ein Ortungstechniker hob die Hand. »Ein Spruch von der KARTHAGO!« »Öffnen Sie die Phase«, befahl McKinney so ruhig, als befände er sich auf einem belanglosen Empfang auf Terra. »Jawohl, Sir.« McKinney richtete seine Aufmerksamkeit auf den Hauptschirm, wo binnen Sekunden das Gesicht Major Eythan Farrs, des lederhäutigen Oberbefehlshabers der Flotte, überlebensgroß materialisierte - so wie auch in allen anderen Schiffszentralen des Verbandes. »An alle Einheiten!« kam die Stimme über die Lautsprecher. »Gehen Sie auf Nahbereichsortung. Ich wünsche ein lückenloses Suchraster. Jede noch so kleine Anomalie, jede noch so winzige Struktur erschütterung muß beachtet werden. Nichts darf unseren Scannern entgehen!« »Wir sind bereit, KARTHAGO...« Die Bestätigungen der anderen Raumschiff-Kommandanten liefen im Flaggschiff ein. In gewohnt rascher Folge...
»KARTHAGO-verstanden.« Dann eine helle Stimme, von kaum unterdrückter Wut geprägt: »Bereit, KARTHAGO. Reißen wir ihnen den Arsch auf...!« McKinneys Brauen zuckten. Das war Lewis Cruiser, der ganz offensichtlich und für alle be merkbar nach Blut lechzte. Verständlich, dachte McKinney. Und so wie er dachten viele der Männer und Frauen auf den Schiffen. Denn jedermann in der Flotte wußte, daß der Kapitän der SYRAKUS Cruisers bester Freund gewesen war. Aber jedermann wußte auch, wie Eythan Farrs Reaktion ausfallen würde. Das überlebensgroße Abbild des Majors runzelte die Stirn. »Hat man Ihnen den Verstand geklaut, Cruiser?« Farrs Stimme war kalt wie Eis. »Wir befinden uns im Krieg, Mann! Nicht auf einem privaten Rachefeldzug! Ich werde unter keinen Umständen dulden, daß unsere Mission durch die Eskapaden eines Einzelnen aufs Spiel 44
gesetzt wird. Verstanden?« »Ich kenne meine Pflichten... Sir!« »Verstanden, Cruiser?« »Jawohl, Sir.« v »Habe Sie das wirklich?« Nur langsam verschwand Farrs Zorn aus seiner Stimme. »Ich will's mal so ausdrücken, Cruiser«, sagte er eine Spur versöhnlicher. »Ich brauche jeden erfahrenen Raumschiff-Kommandanten hier im Col-System. Es wäre eine unangemessene Verrin gerung unserer Schlagkraft, wenn ich Sie zurück nach Terra schicken müßte, obwohl man sich dort für die - hm - Verstärkung dankbar zeigen würde, nachdem die Hälfte unserer gesamten Flotte hier pa trouilliert. Der Stab will Sie hier dabei haben. Ich will Sie dabei haben, Cruiser. Reißen Sie sich also zusammen. Ich kann Ihnen versichern, daß die Spindeln für die Zerstörung unserer zehn Schiffe und für die Vernichtung Cattans bezahlen werden. Aber als Teil unserer Gesamtstrategie, nicht als Ergebnis eines privaten Rachefeld zugs. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?« »Überdeutlich, Major... Sir!« »Gut.« Die Bestätigungen aus den Leitständen der anderen Terra-Raumer kamen ohne weitere Verzögerungen. Auf der SENTINEL blickte McKinney auf den Frontschirm. Der fünfte Planet - Hope - schwang eben backbord hinter dem Doppelstern hervor, eine tennisballgroße, gelbweiße Kugel, der man aus der Entfernung nicht die Auswirkungen des Infernos ansah, das ein einzelner Spindelraumer auf ihr verursacht hatte. McKinney kniff die Lippen zusammen, als er über das Vergangene nachdachte. Er spürte den übermächtigen Druck, der auf ihm - auf ihnen allen! - wie ein Berg lastete. Die Erinnerung an die vorausge gangene Schlacht im Weltraum schnürte ihm die Kehle eng. Die Abwehrschirme des Feindes waren weder durch massives Raptor- noch durch Pressorfeuer zu überwinden gewesen. Auch Drehstrahl hatte versagt. Bis Hilfe in letzter Minute über eine Quelle gekommen war, die sich als die POINT OF herausgestellt hatte. 45
Wie Ren Dhark an die Daten gelangt war, war für die Besatzungen des Flottenverbands der TF nicht von Belang. Wichtig war einzig und allein die Tatsache gewesen, daß die Rechner der Waffenleitsysteme es unter Verwendung der neuen Daten plötzlich geschafft hatten, die zuvor unüberwindlichen gegnerischen Schutzschirme mit einem kombinierten Beschüß aus Raptor und Pressor aufzubrechen. Als der erste Spindelraumer zwischen den Bahnen des zwölften und dreizehnten Planeten in hyperenergetischer Glut vergangen war, hatten sich die restlichen Schiffe der G'Loorn fast fluchtartig in den Hyperraum zurückgezogen - ganz offenkundig überrascht vom un erwarteten Erfolg der Gegenwehr. Und seitdem patrouillieren wir im Col-System, dachte Robert McKinney düster, seitdem ist jede Frau und jeder Mann an Bord darauf gefaßt, daß eine Flotte der G'Loorn auftaucht, um eine kon zentrierte Attacke gegen das kontinentale Intervallum über Deluge zu fliegen - und gegen uns. Je länger dieses Warten noch andauert, desto nervöser werden wir... Er biß sich hart auf die Innenseite seiner Wange und spürte, wie Kälte seinen Rücken hinablief angesichts der Tatsache, daß niemand vorhersagen konnte, wann und mit welcher Stärke der nächste An griff erfolgen würde - es konnte morgen sein oder erst in einem Jahr. Niemand - außer den G'Loorn selbst - wußte es... An Bord der POINT OF Professor Gerd Dongen erwachte von einer Sekunde zur anderen, öffnete die Augen und warf die leichte Decke von sich. Vermeintlicher Sonnenschein strömte durch ein vermeintlich halb geöffnetes Fenster. Exotische Vogelstimmen erfüllten die Luft, und eine melodische Frauenstimme wünschte ihm einen wunderschönen Morgen... Dongen erinnerte sich, daß er dem Weckprogramm aufgetragen hatte, ihn mit dieser morgendlichen Sequenz zu wecken. Das tat es auch - egal, ob es sich um die länger dauernde Nachtruhe oder nur um ein kleines Nickerchen handelte, wie es sich Dongen gerade für 46
eine knappe halbe Stunde geleistet hatte. Er knurrte: »Schluß der Vorstellung. Programm Ende!« Das Sonnenlicht verschwand. Die Vogelstimmen verstummten. Ebenso die sanfte Frauenstimme. Das leise Hintergrundmurmeln eines imaginären Baches degenerierte zum Summen der Kabinenklimatisierung, als das Programm der Wirklichkeit wich. Eine Wirklichkeit, die sich POINT OF nannte. Gähnend richtete Dongen sich vollends auf.
Der Monitor über der Tür sprach an.
»Ja?« Dongens Stimme aktivierte den Sichtmodus.
Ralf Larsen blickte auf ihn herab. »Professor. Wir sind in etwa
dreißig Minuten soweit. Ich dachte mir, daß Sie gerne dabei sein möchten. Oder sollen wir ohne Sie beginnen...?« »Unterstehen Sie sich.« Dongen lächelte. »Danke, daß Sie mich geweckt haben. Ich werde gleich drüben sein.« Minuten später betrat Dongen die Zentrale der POINT OF, einen Schnelldurchlauf der Hygienezelle hinter und eine Menge Erwartungen vor sich. Er fühlte sich auf eine nicht erklärbare Weise unbehaglich und in hohem Maß irritiert. Noch immer gab es kein Lebenszeichen von Dhark und dessen Gruppe. Hinzu kam, daß ein für ihn und die anderen emminent wichtiges Experiment bevorstand - der Versuch, mehr über die rätselhafte Wirkungsweise der QUIET ZONE und ihren Einfluß auf die Intervallfelder herauszufinden. Erklärtes Ziel war es, in der >Stillen Zone< operieren zu können, ohne daß Intervallfeld und Sternensog sofort nach dem Eindringen kollabierten. »Schon mitten in der Arbeit?« Gerd Dongen grüßte in die Runde. Kontinuumexperte H. C. Vandekamp warf die Arme in die Luft und klagte übertrieben theatralisch: »Jemand hier an Bord muß die Arbeit ja machen. Während Sie sich noch in Ihren seidenen Kissen wälzten, habe ich mich um den Flash gekümmert.« Das Stimmengemurmel in der Zentrale der POINT OF ging um ein Paar Dezibel zurück. Die Aufmerksamkeit aller Anwesenden galt jetzt den beiden Kollegen, die sich gern wie Kontrahenten aufführten. Dongen nahm in einem der halbkreisförmig angeordneten Glieder 47
sessel Platz und lächelte unverbindlich zu den nicht wirklich ernst gemeinten Vorwürfen seines Rivalen im positivsten Sinne. »Einmal davon abgesehen, daß ich nicht einmal weiß, wie sich seidene Kissen anfühlen - wenn ich nicht genau wüßte, daß diese physische Arbeit, denn auf die bezieht sich wohl Ihre Bemerkung, überwiegend von Technikern durchgeführt wurde, die auf Ihr Geheiß ohne Pause daran arbeiteten, dann - aber nur dann! - würde ich mich jetzt wohl betroffen fühlen. So aber...« Er hob im gespielten Bedauern die Schultern. Der Kontinuumexperte räusperte sich und wandte sich dem Ersten Offizier zu. »Larsen, sind wir soweit?« Ralf Larsen bewegte seinen Sitz etwas nach links in Richtung der Ortungskonsolen. Dort saß Tino Grappa vor den Ortungsinstrumenten »Tino...?« Der Mailänder hob die zur Faust geballte Rechte und streckte den Daumen nach oben. »Alle Systeme klar!« »Ausgezeichnet, starten wir die 028!« befahl Larsen. »Flash schleust aus«, sagte Grappa. Unverändert stand die POINT OF an der Grenze zur QUIET ZONE. Sie hatte diese Warteposition seit ihrer Rückkehr von Coral's Stern nicht mehr aufgegeben. Die 028 verließ das Depot. Unbemannt. Via Gedanken Steuerung gelenkt, wie vorgesehen. Außerhalb der Ringraumer-Hülle beschleunigte das zirka drei Meter lange, zylindrische Beiboot und jagte in Richtung der QUIET ZONE. »Geschafft!« Grappa stieß einen lauten Seufzer aus, als die 028 den vorgesehenen Kurs wie an einer Schnur abspulte. »Abwarten«, klang die Stimme Vandekamps durch die Zentrale. »Noch sind wir nicht in der QUIET ZONE. Noch wissen wir nichts über...« 48
»Meine Bemerkung bezog sich ausschließlich auf den Startvor gang«, unterbrach ihn Grappa süffisant. Vandekamp hüstelte leicht, während Gerd Dongen und vor allem Ralf Larsen unverblümt grinsten. Ein Techniker meldete an Tino Grappa, daß die Systeme der 028 in vollem Umfang funktionierten. Die Automatik des Ringraumers stimmte sich via Checkmaster darauf ab. Dann waren alle Parameter eingestellt, und es hieß abwarten. Wieder einmal. Wie schon so oft in der Vergangenheit... »Ich habe gar nicht gewußt, daß etwas so schrecklich langweilig sein kann«, klagte Leon Bebir auf dem Ko-Sitz laut in die Stille der Zentrale. »Was meinen Sie...?« Larsen sah flüchtig zu ihm hinüber. »Na, darauf zu warten, daß etwas geschieht!« Larsen schüttelte den Kopf. »Mann, Bebir! Seien Sie nicht so ungeduldig. Es ist doch erst ein paar Minuten her, seit die 028 den Hangar verlassen hat - und Sie verlangen schon Ergebnisse?« Larsen drehte seinen Sessel wieder in Richtung der Bildkugel. »Grappa?« Der Ortungsspezialist schüttelte den Kopf. »Zu früh, Sir. Das wissen Sie doch selbst. Ich...« »Schon gut.« Larsen winkte ab. »Sie informieren mich, sobald sich etwas ergibt. Üben wir uns in Geduld.« Auch die Wissenschaft übte sich in dieser Disziplin. Notgedrungen. Zu H. C. Vandekamp, Pal Hertog und Gerd Dongen hatte sich noch der Astronom Jerome Sheffield gesellt. Sein Kollege, Jens Lionel, zog es vor, im Astro-Lab zu bleiben und die Geschehnisse von dort aus zu verfolgen. Die Wissenschaftler hatten sich unter die Galerie zurückgezogen, um die Arbeit der übrigen Zentrale-Besatzung nicht zu stören. Ge genstand ihrer Diskussion war die Gravitationskonstante im Innern 49
der QUIET ZONE, deren physikalisches Anderssein gegenüber den Verhältnissen außerhalb dieser Sphäre nach Meinung Vandekamps und noch einiger anderer an Bord - von den Schwerkrafteinflüssen der Black Hole-Schale verursacht sein könnte. Zwar hatte man, allen voran Vandekamp, schon ein paar marginale Erfolge bei der Erfor schung der QUIET ZONE und ihrer Wirkung auf die Intervallfelder verbucht, aber der Durchbruch, der Schlüssel zum vollständigen Begreifen des Phänomens, stand noch aus. Da halfen auch die wiederentdeckten Berechnungen eines Teams von Astrophysikern der Princeton University nicht viel weiter, das zur Jahrtau send wende erstmals eine viertausend Lichtjahre breite Wolke aus Antimaterie im Kern der Milchstraße entdeckt hatte, die diesem Kern wie eine Fontäne entstieg. Jene Astrophysiker waren darauf bei Energiemessungen mit Hilfe eines Gamma-Strahlen-Observatoriums der NASA aufmerksam geworden. Antimaterie bestand aus Teilchen mit denselben Eigenschaften wie normale Materie, allerdings mit umgekehrter elektrischer Ladung. Ergebnis eines Katastrophen-Szenarios aus der Verschmelzung zweier Neutronen sterne, die gleichsam die Kadaver von Sonnen sind und auch nach deren Tod fortbestehen. Am Ende eines langen, feurigen Lebens schleudert ein massereicher Stern in einer gewaltigen Explosion, die als Supernova registriert wird, fast seine gesamte Gashülle ins All hinaus. Von dem ausgebrannten Ball bleibt nur der innere Kern übrig, eine unvorstellbar hoch verdichtete Kugel - nur wenige Kilo meter im Durchmesser, aber so schwer, daß ein Teelöffel Materie dieser Sternenleiche soviel wiegt wie ein ganzer Berg. Viele solcher Neutronensterne treten paarweise auf. Allein in der Milchstraße registrierten die Astrophysiker rund 30 000 dieser Zwil linge. Die Kolosse ziehen einander mit einer derartigen Kraft an, daß die Entfernung zwischen ihnen mehr und mehr schrumpft, wobei sie sich immer schneller umkreisen. Das geschieht zuletzt in der Größen ordnung von eintausend Mal in der Sekunde. Das Ende ist ein stellarer Kannibalismus. Sobald die beiden Neu tronensterne sich berühren, absorbiert der schwerere von beiden den leichteren restlos. Bei der Verschmelzung, die nur Sekundenbruchteile dauert, strahlt der Fresser eine gigantische, rund 20 Milliarden 50
Grad heiße Lichtfackel aus Antimaterie ab, die alle Sterne im Um kreis überstrahlt. Nach der Mahlzeit ist er auf einmal so schwer geworden, daß er sich in ein Schwarzes Loch verwandelt. Die bei der Verschmelzung freigesetzte kosmische AntimaterieStrahlung, so eine von Sheffields Mutmaßungen, könnte die energeti schen Verhältnisse sowie die physikalischen Grundgesetze innerhalb der QUIET ZONE in ihr Gegenteil verkehrt haben. Aber diese Hypo these hatte sich mittlerweile als Trugschluß und Holzweg herausge stellt. Vandekamp hingegen war nie von seiner einmal vertretenen Meinung abgewichen, daß das in seiner Struktur unbegreiflich veränderte RaumZeitgefüge innerhalb der QUIET ZONE mit den Black Holes zusammenhängen müsse. Und schließlich war es ihm mit Hilfe des Checkmasters tatsächlich gelungen, eine veränderte Gravitationskonstante innerhalb der Schale nachzuweisen, was seine Hypothese untermauerte. Die endgültige Richtigkeit seiner Theorie sollte der Testflug der 028 unter Beweis stellen. Vorsichtig hatte man den künstlichen Mim weltraum des Beibootes in seinem Energiefluß an die Gravokon stante der QUIET ZONE angeglichen... Unvermittelt meldete der Checkmaster: Achtung, erste Flugdaten! Larsen bestätigte. Seine Finger tanzten über die Kontrollen der Kommandokonsole. In der Bildkugel konnten alle, die entsprechend bewandert waren, die ersten Dateneinblendungen ablesen. Professor Dongen lehnte sich in seinem Sitz zurück. Wenn er den Blick hob, spürte er die Faszination dessen, was er zu sehen bekam: In der Bildkugel, die über der zentralen Steuerkonsole schwebte, zeigten sich Sterne. Hunderttausende... Millionen von Sternen. Ein wahrer Dschungel. Ein Meer aus dicht zusammengedrängten Sonnen aller Spektralklassen, daneben Dunkelwolken und geheimnisvoll glühende Nebel! Der Checkmaster der POINT OF mit seiner noch immer nicht ausge loteten Kapazität lieferte gestochen scharfe 3-D-Bilder des Alls sowie eine zusätzliche virtuelle Simulation. »Ist es nicht faszinierend, Professor, dieses Szenario Schwarzer Löcher, die sich wie eine löchrige Schale um das Zentrum der Milch 51
Straße erstrecken und uns den Blick auf das noch tiefer liegende Herz der Galaxis trüben?«. »Das ist es«, bestätigte Dongen die mehr rhetorische Bemerkung Sheffields, der fortfuhr: »Wenn man bedenkt, wie vertraut uns heute das Konzept des Schwarzen Loches ist, vermag man kaum zu glauben, daß es noch vor hundert Jahren nur als vage und strittige Mo dellvorstellung in den Köpfen von Astrophysikern und Astronomen herumspukte. Wenn das, was wir heute mit eigenen Augen sehen dürfen, schon Männern wie Einstein und Chandrasekhar, Landau oder Hewish zuteil geworden wäre...« »Oder Wissenschaftlern wie Penrose, Wheeler und Schwarzschild«, warf Hertog ein. »Auch Oppenheimer sollte man nicht vergessen.« »Früher galt es als unmöglich, die materielle Existenz Schwarzer Löcher zu beweisen«, referierte Jerome Sheffield erneut, »da Schwarze Löcher definitionsgemäß ja kein Licht emittieren. Außerdem sind Schwarze Löcher stellaren Ursprungs so winzig - etwa fünfzehn Kilometer oder weniger im Durchmesser - und so unglaublich fern der Erde, der damaligen Beobachtungsplattform, daß sie bestenfalls als winzige dunkle Flecken am riesigen Firmament auszumachen waren. Damals war es kaum vorstellbar, daß man Schwarze Löcher jemals direkt beobachten könnte...« »Nun, das gelingt uns ja auch heute noch nicht«, warf Vandekamp ein, »es sei denn, wir würden direkt in eines hineinfliegen!« »Sind Sie sicher?« mischte sich Mike Doraner ein, der zufällig anwesend war und der Unterhaltung der Wissenschaftler mit offen sichtlichem Interesse folgte. »Was ist mit all den schönen Aufnahmen von Schwarzen Löchern in den Sternkatalogen oder anderen Bild trägern?« »Sicher bin ich sicher!« erregte sich Vandekamp und schnappte hörbar nach Luft, da jemand es wagte, seine Kompetenz anzuzwei feln. Noch dazu ein Nichtwissenschaftler! »Damit will unser allseits verehrter Kontinuumexperte sagen«, erklärte Hertog gelassen, «daß wir nur die Auswirkung dessen sehen, was Schwarze Löcher verursachen.« »Wie soll ich das verstehen?« zeigte sich Doraner erstaunt. »Das hat etwas mit der Krümmung der Raum-Zeit in der Nähe 52
einer sphärischen, unendlich großen Masse zu tun«, fuhr Hertog fort, während Vandekamp ostentativ schwieg. »Ein Schwarzes Loch ist eine Art bodenlose Grube in der Raum-Zeit. Die Krümmung in seinem Innern ist so stark, daß es alle dort befindlichen Objekte dazu zwingt, sich in spiralförmigen Bahnen auf sein Zentrum zuzubewegen. Aber nicht nur im Innern eines Schwarzen Loches haben wir es mit seltsamem Verhalten zu tun, sondern die unmittelbare Umgebung kann ebenfalls nicht als normal bezeichnet werden. Ein Schwarzes Loch verändert nämlich auch die Raum-Zeit in seiner Nachbarschaft. Es ist nichts anderes als eine unvorstellbar gigantische Schwerkraftfalle. Alle Materie, die den Weg dieses Molochs kreuzt, wird unweigerlich von ihm angezogen: Asteroiden, Planetoidenbrocken, Staub aus Dunkelwolken, Trümmer von kollabierenden Sternen, Riesenmengen gasförmigen Materials. Das alles wirbelt um das Schwarze Loch herum und bildet eine Wolke, die man als Akkretionsscheibe bezeichnet. Wenn sich nun diese Wolke von der Scheibe aus spiral förmig auf das Schwarze Loch zubewegt, erhitzt sie sich nach den Gesetzen der Thermodynamik und gibt etliches an Strahlung ab sichtbare Strahlung. Jedenfalls so lange, bis die Wolke den Ereignis horizont überschreitet und die Gravitation nicht einmal mehr Licht entweichen läßt. Daß wir das Schwarze Loch trotzdem nicht mit unseren Augen sehen können - abgesehen bei Röntgenaufnahmen des Astro-Labs - liegt daran, daß die glühende Akkretionsscheibe alles überstrahlt. »Und wohin verschwindet der ganze Sternenmüll?« brachte Doraner die Problematik auf den Punkt. »Darüber sind auch heute noch die Meinungen geteilt. Manche vermuten, daß Schwarze Löcher Passagen in andere Universen dar stellen, Sternentore, die in höherdimensionale Kontinuen oder in sonst vom normalen Universum isolierte Bereiche des Kosmos füh ren... Aber das wird so lange ungeklärt bleiben, bis jemand die Reise in oder durch ein Schwarzes Loch heil übersteht und davon berichten kann... Wie wäre es, möchten Sie es nicht versuchen?« »Brrr!« Mike Doraner schüttelte sich übertrieben. »Nein, danke, ich wüßte da etwas...« Er kam nicht dazu, den Satz zu vollenden. 53
Der Checkmaster meldete: Achtung! Eintritt der 028 in den als QUIET ZONE definierten Bereich in zehn Sekunden! Die 028 näherte sich jener imaginären Grenze, die den Übergang zwischen der QUIET ZONE und dem normalen Universum markierte. Sobald man diese Schwelle überwand, das hatten Rul Warren und Mike Doraner mit der 023 bei ihrem Testflug in die Schale herausge funden, erloschen Intervallfeld und Sternensog schlagartig. Ob es dieses Mal genauso ablaufen würde? Die Technik der Flash arbeitete einwandfrei. Noch war nichts wirklich Gravierendes zu vermelden. Eintritt! Ralf Larsen verfolgte die eintreffenden Daten aus dem unbemannten Beiboot und zugleich die Meldungen, die aus den einzelnen Stationen in der Zentrale ankamen. »Wie weit?« Es war Dongen, der die Frage an Larsen richtete. Der Interims-Kommandant überflog die von der Ortung überspielten Entfernungsangaben. »Zwei Billionen Kilometer - und zunehmend.« »Na«, kommentierte Leon Bebir respektlos, »dann wird es ihn ja jeden Moment erwischen.« Larsens Kopf ruckte herum. »Unken Sie hier nicht herum, Bebir. Kümmern Sie sich um Ihre Arbeit. - Grappa?« »Aufbau des Intervallums!« Der Checkmaster hatte den Vorgang per Gedankensteuerung ani miert. »Intervallum steht, Kommandant. Es scheint stabil... oh, ver dammt!« Grappa gab einen tiefen Kehllaut von sich. »Seht euch bloß das an!« Jeder in der Zentrale des Ringraumers sah in der Bildkugel, was er meinte. Übergangslos erschien weit vor der POINT OF eine blau-weiß strah lende Miniatursonne im Weltraum - dort, wo gerade noch die Position der 028 markiert gewesen war! In der kleineren Bildkugel der Astro-Station erschien die Szenen wiedergabe im Röntgen- und Infrarotbereich, so daß die Energiestoß 54
fronten, die vom Explosionspunkt aus ringförmig durch die QUIET ZONE liefen und großflächig deren Struktur erschütterten, klar auszu machen waren. Gleißende Helligkeit drang über das kugelförmige Hologramm der Bildübertragung in die Zentrale des Ringraumers, und so schnell, wie die Explosion aufgeflammt war, erlosch sie auch wieder. Auf den korrespondierenden Überwachungsmonitoren der Ortung zeigte sich Sekunden später nur noch binäres Schneegestöber. »Ich hab's geahnt«, flüsterte jemand. »Das war wohl ein Schuß in den Ofen«, meinte ein anderer ent geistert. Vandekamp machte erst ein verblüfftes, dann ein ungläubiges Gesicht. Schließlich, als ihm aufging, was gerade geschehen war, stieß er lauthals eine Reihe von Verwünschungen aus. Normaler weise war es nicht seine Art, aber jetzt konnte er sich kaum bremsen. Ein solches Desaster hatte er nicht erwartet. Zum Glück hatte sich niemand an Bord der 028 befunden! Hertog legte ihm beschwichtigend die Hand auf die Schulter. »Nehmen Sie es nicht zu tragisch«, tröstete er den Wissenschaftler. »Es ist nicht Ihre Schuld. Sie haben gute Arbeit geleistet.« Vandekamp warf einen schiefen Blick zu Gerd Dongen. »Davon scheint hier nicht jeder überzeugt zu sein.« Der Wissenschaftler schüttelte den Kopf. »Unsinn!« stellte er mit Nachdruck klar. »Das bilden Sie sich nur ein. Es gibt immer wieder Rückschläge. Die ganze menschliche Entwicklung basiert auf einer ununterbrochene Kette von Irrtümern, Rückschlägen und erneuten Versuchen. Deshalb nennt man es auch...« »Evolution?« warf Mike Doraner ein. »Ganz recht!« bekräftigte Dongen mit einem offenen Lächeln. »Wie geht es nun weiter?« wollte Pal Hertog wissen, der das Ganze etwas nüchterner betrachtete. Im Gegensatz zu H. C. Vandekamp war er mehr der Pragmatiker, der nach einem Fehlschlag nicht die Schuld bei sich suchte, sondern einfach einen neuen Versuch nachschob. "Wir haben sicher ein paar Daten hereinbekommen, die wir verwerten, auf die wir aufbauen kön...« »Nein«, schnitt Larsen ihm das Wort ab. »Keine Einsätze mehr mit 55
den Flash! Die sind viel zu wertvoll, um für unausgegorene Experi mente herzuhalten!« »Aber wir haben doch...« »Nein!« wiederholte Ralf Larsen noch etwas schärfer. »Das Risiko ist zu hoch!« »Risiko hin, Risiko her«, meinte Hertog uneinsichtig. »Wenn wir nichts riskieren, werden wir auch nie Fortschritte erzielen.« »Im Augenblick«, sagte der Erste Offizier, »sehe ich keine Ver anlassung, ein erneutes Wagnis einzugehen.« »Und was ist mit Dhark und den anderen?« warf Dongen ein. Larsens Miene verdüsterte sich. »Natürlich können wir Dhark und die anderen nicht unbegrenzt einem unbekannten Schicksal überlas sen«, sagte er. »Aber wir brauchen einfach mehr gesicherte Erkennt nisse über die physikalischen Eigenschaften, die jenseits der Schale herrschen.« Er schwieg einen Moment. »Genau da sind Sie gefordert, meine Herren. Finden Sie einen Weg, der uns bei voller Manövrier fähigkeit hineinbringt! - Und damit Schluß der Debatte!«
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4.
Der Duck, den man >Donald< getauft hatte, befand sich noch immer in demselben isolierten Bereich der Medostation, in dem er bereits seit seiner Gefangennahme unter permanenter Beobachtung stand. Auch das modifizierte Amphi-Energiefeld hatte man belassen. Eine Vorkehrung, um diejenigen Besatzungsmitglieder der POINT OF zu beruhigen, die eine Gefährdung der Schiffssicherheit befürchteten. Viele glaubten allerdings nicht daran, daß von dem Wesen, das Chris Shanton im letzten Moment aus dem explodierenden DuckRaumer über Coral Eins geborgen hatte, eine tatsächliche Bedrohung ausgehen konnte. Aber Glauben war eine Sache, Wissen eine andere. Und so blieb es bei der Abschottung. Für alle Fälle... Amye Shivaa saß seit Stunden jenseits der transparenten Barriere und wartete auf eine Regung des Duck. Anonga hatte sich für eine kurze Ruheperiode zurückgezogen. Sein Gesicht war durch die ständige Anspannung bei der Arbeit mit dem Duck schon ganz wächsern gewesen. Donald, der Duck... Eine höchst irdische Wortspielerei für ein ganz und gar fremd artiges Lebewesen. Das äußere Erscheinungsbild des kleinwüchsigen Geschöpfes wirkte beinahe grotesk zusammengewürfelt: Kugelkör per, kurze Beine mit - es gab keine treffendere Entsprechung als dieses Wort - Entenfüßen. Der Pilzkopf mit den vier rundum an geordneten Augen verfügte über zwei Mundöffnungen. Ein nasen ähnliches Sinnesorgan ließ sich nicht erkennen. Ebensowenig wie geschlechtsspezifische Merkmale. Nicht einmal, ob es sich um ein männliches oder weibliches Wesen handelte, wußte man bisher si cher zu sagen, obwohl man aus rational nicht belegbaren Gründen eher geneigt war, zu ersterem zu tendieren. 57
Die beiden Armpaare hatte er - in einer Geste der Resignation? -im Schoß verschränkt und aufgestützt. Der Raum, in dem er sich befand, war, abgesehen von ein paar Sitzgelegenheiten und einem Monitor, leer. Der Duck hatte sich, nachdem man ihn in diese Quarantänekammer gesteckt hatte, auf einem Polster niedergelassen, die Augen geschlossen und seither kaum wieder gerührt. Die Untersuchungen mit den Einrichtungen der Medostation, die von Anonga unter den wachsamen Augen bewaffneter Besatzungs mitglieder durchgeführt worden waren, hatten nichts Aufsehenerre gendes ergeben. Der Duck war ein Warmblüter. Sein Metabolismus funktionierte ähnlich dem der Menschen. Falls er überhaupt irgend welche Bedürfnisse hatte, ließ er sie nicht nach außen dringen. Seine konsequente Nahrungsverweigerung führte dazu, daß seine Lebens zeichen permanent schwächer wurden. »Na, wie fühlen wir uns denn heute?« murmelte die 36jährige Marsgeborene. Wie fühlen wir uns denn heute? Der Checkmaster projizierte Amye Shivaas Worte ins Gehirn des Ducks und versuchte ihn dahingehend zu beeinflussen, daß er in die Lage versetzt wurde, zu verstehen, was man von ihm wollte. Natürlich auch mit dem Hintergedanken, den Extraterrestrier auf diese Weise zu zwingen, etwas von dem preiszugeben, was in seinem Innern vorging vorgehen mußte. Mit welcher Intensität der Checkmaster dies tat, verspürte die Marsianerin am eigenen Leib: In ihrem Hinterkopf entwickelte sich ein feiner, pochender Schmerz. Mehr lästig als wirklich schmerzhaft, aber bestens dazu geeignet, ihre Konzentration zu beeinträchtigen. »Wer bist du?« Diesmal flüsterte Amye Shivaa nur noch. »Rede mit mir!« Wieder dieses leichte Ziehen im Hinterkopf. Sie atmete tief durch. Setzte neu an... »Rede mit -« ... und verstummte. 58
Der Duck bewegte sich plötzlich. In einer Geste, die Erschöpfung oder Verzweiflung auszudrücken schien, beugte er sich langsam nach vorn und legte den Kopf in die Greifwerkzeuge des oberen Armpaares. Es war eine so menschliche Geste, daß die Frau für einen Augenblick den Atem anhielt. Dann reagierte sie. Ihre Hand drückte einen Kontakt auf der Konsole vor ihr. Anongas Gesicht erschien auf der kleinen Bildscheibe. Mit wirrem Haarschopf und dunkel geränderten Augen blickte er sie an. Ihr Alarm hatte ihn aus einem kurzen Schlummer gerissen. »Ja...?« »Er bewegt sich«, sagte Amye Shivaa. Anonga beugte sich soweit vor, bis nur noch seine Augen von der Aufnahmeoptik erfaßt wurden. »Er macht was?« »Er bewegt sich«, wiederholte sie. Anonga fuhr sich durchs Haar. »Informieren Sie die anderen. Ich bin gleich bei Ihnen...!« »Kommen Sie - schnell!« Amye Shivaa winkte den Männern zu, die gerade um die Ecke des gekrümmten Korridors bogen. Zu Anonga hatten sich noch Ralf Larsen, Professor Dongen und Pal Hertog gesellt. Überhastet betraten sie die Medostation der POINT OF. Der Duck hockte noch immer auf seinem Sitz. »Also. Was gibt es Neues über - hm - Donald zu berichten?« Ralf Larsen blickte fragend in die Runde. Amye Shivaa strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Dann schilderte sie in knappen präzisen Worten ihre Eindrücke während der Sitzung mit dem Duck. »Ich verstehe nicht«, schloß sie den Bericht, »was seine Reaktion bedeutet. Vielleicht ist er bereit, mit uns zu kooperieren?« Dongen warf ihr einen forschenden Blick zu. »Wie kommen Sie denn darauf?« »Es ist nur eine Vermutung.« Sie zuckte die Schultern. »Wirklich nur eine Vermutung, oder haben Sie einen konkreten
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Hinweis?« Sie wehrte ab. »Er reagierte einfach auf meine Bitte, mit mir zu reden...« »Via Checkmaster formuliert?« »Natürlich!« »Wie hat sich das bemerkbar gemacht?« »Was meinen Sie?« »Versetzte Ihre Befragung ihn in Angst? Hat sie ihn aufgeregt?« Shivaa schüttelte langsam den Kopf. »Seine Reaktion war unspezifisch. Keiner Norm zuzuordnen. Er reagierte eben so.« »Niemand reagiert nur einfach so!« Amye Shivaa zeigte ein schwaches Lächeln. »Er vielleicht schon.« »Ich reagiere auch bisweilen einfach nur so«, meinte Pal Hertog versonnen. »Dazu brauche ich nicht einmal den Checkmaster.« Das kurze Gelächter, das seine Bemerkung auslöste, wirkte auf gewisse Weise entspannend. Shivaa blickte auf die Uhr. »Der Tag ist fast um«, sagte sie. »Ma chen wir weiter, oder lassen wir es für heute gut sein?« Larsen blickte mit gerunzelten Augenbrauen auf den Duck, der inzwischen seine alte Haltung wieder eingenommen hatte, mit ge kreuzten Beinen und in den Schoß gelegten Händen. »Ich bin mir sicher«, murmelte Larsen, »er weiß, was vorgeht. Auf irgendeine Art und Weise versteht er uns, und er scheint sich für etwas Bestimmtes zu interessieren.« »Wenn Ihre Vermutung stimmt, wird es auch eine Möglichkeit geben, mit ihm in Kontakt zu treten«, sagte Anonga. »Also machen wir weiter?« Larsen nickte. »Sie machen weiter!« Nachdem sie wieder allein mit dem Fremden war, stellte die Mars geborene von neuem die Verbindung mit Gedankensteuerung und Checkmaster her. Rede mit mir! dachte sie intensiv.
Und wieder: Rede mit mir...
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Stunden später hatten sich die anderen ein weiteres Mal bei Amye Shivaa und dem Duck eingefunden. Larsen stellte sich neben die Frau. »Ich hoffe, es handelt sich nicht wieder nur um einen blinden Alarm.« Sie erwiderte nichts. Hertog trat erregt hinzu. »Er reagiert erkennbar. Ich bin sicher, daß er seine Lage beurteilen und einschätzen kann. Vielleicht hat er endlich eingesehen, daß er keine Chance hat, wenn er gegen uns arbeitet - nur mit uns.« Zermürbt vom ständigen telepathischen Bombardement der Gedan kensteuerung in Verbindung mit dem Checkmaster schien der Wider stand des Ducks zerbrochen zu sein. Er hob den Kopf, starrte durch die transparente Abschirmung auf die Menschen der POINT OF. WAS WOLLT IHR?
Die Schrift erschien auf dem bereitgestellten Monitor. »Informationen«, erwiderte Amye Shivaa. Der Duck hatte seinen Widerstand aufgegeben, was bedeutete, daß sein Geist offen war, um dem Checkmaster einen telepathischen Zugang zu seinem Gehirn zu verschaffen. Ohne sein Wissen konnten so Informationen abgezapft werden, auch wenn er die nicht preisgeben wollte. Und so war es. Während Amye Shivaa mit dem üblichen Frage/Antwort-Prozedere begann, empfing der Checkmaster auch die gesamte Gedanken-Peripherie, die sich um den Fragekomplex erstreckte. Auf einem externen Monitor ließ der Checkmaster die Informationen abrollen, die er aus dem Duck holte, während er auf einer anderen Ebene normal über Gedankensteuerung mit ihm kommunizierte. Larsen beugte sich zu Shivaa hinab. »Sukooren«, wisperte sie. Ihre Augen verfolgten gebannt die Inter pretationen des Checkmasters, die dieser aus den Gedanken des Duck generierte und auf dem Schirm abrollen ließ. »Es ist der Name ihres olkes. Sie sind Vasallen der... der G'Loorn! Sie - sie durchkämmen in deren Auftrag die Galaxis, um überall Stichproben intelligenten Lebens zu nehmen. Dabei sind... sind bestimmte Kriterien zu erfül .61
len...« Sie unterdrückte ein Würgen. »Sie sind wie Viehhändler, die übers Land fahren und die Qualität der zu kaufenden Ware begut achten. Um Himmels willen, was sind das für Fieslinge!?« »Lassen Sie den Checkmaster nach den Koordinaten des Heimat systems der Sukooren fragen.« Wieder rollten neue Zeilen über den Schirm Larsen wandte sich der Bordsprechanlage zu, über die er Verbindung zur Zentrale hielt. »Bebir!« »Chef?« »Wie sieht es oben aus?« »Wir erhalten gerade die Daten des Ducks. Sheffield nimmt sich des Problems der Koordinaten an.« »Und - kann er schon was sagen?« Bebir wiegte den Kopf. »Er meint, daß es Koordinaten innerhalb der quiet zone sind.« »Verdammt! Und wir haben noch keine Möglichkeit, dort hinein zu fliegen...« Larsens Körper wirkte angespannt, fast verkrampft. Lang sam richtete er sich auf. Shivaa sah zu ihm auf. »Trotzdem: Die Arbeit mit dem Checkmaster hat sich gelohnt. Ich...« Sie brach mit ungläubigem Blick ab. »Seht... seht doch!« flüsterte sie und verfolgte wie gebannt, was hinter der transparenten Absperrung der Medostation vorging. Der Duck hatte sich völlig überraschend erhoben und watschelte langsam durch den Raum auf die Absperrung zu. rede mit mir! Die Schrift auf Amyes Monitor war so überraschend, daß die Men schen zunächst gar nicht begriffen, was sich da abspielte. Mit wem suchte der Duck jetzt Kontakt aufzunehmen? Und als ihnen aufging, was er zu tun beabsichtigte, war es fast zu spät. »Mein Gott!« Fassungslos schüttelte Hertog den Kopf. »Er versucht mittels Checkmaster die Gedankensteuerung für sich zu nutzen!« Aber da brach das Chaos bereits über die POINT OF herein. Ein harter Ruck erschütterte den Ringraumer, und für den Bruchteil eines Augenblicks schien es, als ginge alles in den freien Fall über. Amye Shivaa schrie gellend auf. Ihr drehte sich der Magen um und 62
sie glaubte, wie ein Stein aus großer Höhe zu stürzen. Dann setzten die Andrucksabsorber wieder mit Macht ein, erzeugten jedoch Schwerkraftfelder, die über ein normalverträgliches Maß hinaus gingen! Shivaa kippte zu Boden, traf mit dem Gesicht voran auf und konnte nur im allerletzten Augenblick die Hände zwischen sich und den Boden bringen, um Schlimmeres zu verhindern. Die POINT OF brach seitwärts aus. Trotz der Supertechnik der My sterious kamen die enormen Scherkräfte durch, wenn auch um den Faktor zigtausend abgeschwächt. Aber der verbleibende Rest genügte, um jeden, der noch stand, von den Beinen zu stoßen. Ralf Larsen wurde von einer unsichtbaren Faust getroffen, die ihn gegen die Wand der Medostation schleuderte. Die enorme Wucht des Aufpralls verdrehte ihm die Schulter. Noch während er vor Schmerz aufstöhnte und an der Wand entlang zu Boden glitt, registrierte er wie in einer Zeitlupen-Sequenz, was weiter um ihn herum geschah. »Was ist denn los bei euch?« schrie Miles Congollon verärgert aus dem Maschinenraum. Die Bordsprechanlage übertrug seine Stimme ins ganze Schiff. »Mir fliegen gleich die Konverter um die Ohren! Unternehmt etwas, verdammt nochmal!« »Ich kann diesen Kahn nicht halten!« Das war Leon Bebir aus der Zentrale. »Himmel, welcher Idiot treibt da Spielchen mit dem Check master?« Das Astro-Lab bat um Aufklärung, warum ihnen jemand den Zu griff auf ihre Checkmaster-Partition blockierte? Und in der Quarantänestation klammerte sich der Sukoore mit allen sechs Gliedmaßen an seinen Sitz, völlig in die geistige Zwiesprache mit Gedankensteuerung und Checkmaster vertieft. Die Störmeldungen aus allen Bereichen des Schiffes überschlugen sich. Erst eine kurze Periode relativer Ruhe verschaffte der Medo station eine kleine Atempause. »Phpbos und Deimos«, keuchte Shivaa erstickt, »seine Manipulationen dienen offenbar dazu, die POINT OF in seine Gewalt zu bringen!« »Vielleicht lag das schon die ganze Zeit in seiner Absicht, und er hat uns nur hingehalten«, murmelte Hertog, der sich mit wachsblei chem Gesicht an eine Konsolenverkleidung klammerte 63
Ralf Larsen erhob sich ächzend auf die Knie. Er schmeckte Blut auf der Zunge, weil er sich bei seinem Sturz auf die Lippen gebissen hatte. Dann kam er mit einem Ruck auf die Beine. »Ich werde dem Spuk ein Ende setzen«, knurrte er wild und schob sich zur Tür, die in den Isolationsbereich führte. Er griff nach oben und fuhr mit der Hand über den Sensorschalter. Das transparente Hindernis hätte jetzt eigentlich zur Seite gleiten müssen, doch die Tür bewegte sich nicht. »Verdammt!« explodierte Larsen. »Er hat den Zugang gesperrt, deaktiviert, außer Kraft gesetzt.« Er überlegte kurz. Dann wandte er sich in Richtung einer der Verbindungsstellen zur Bordsprechanlage. »Bebir!« »Chef?« Leon Bebirs schweißüberströmtes, angespanntes Gesicht blickte von der Bildscheibe. »Haben Sie noch Zugang zum Checkmaster?« »Eingeschränkt, ja.« »Wie sieht es mit den Türcodes der Medostation aus?« »Sekunde...«, er sprach kurz mit jemandem außerhalb des Erfas sungsbereichs der Aufnahmeoptik. »Was ist?« drängte Larsen. »Kein Problem. Kann ich beeinflussen.« »Dann tun Sie das! Worauf warten Sie denn noch?« Einen Lidschlag später fuhr die Trennwand fauchend zur Seite. Larsen stürzte mit gezogenem Paraschocker in den Raum. Und schoß... Mit einem kreischenden Laut brach der Duck zusammen. Ein Ruck, der die POINT OF durchlief, schleuderte ihn die entlegendste Ecke, wo er seltsam verkrümmt liegen blieb. Anonga folgte Amye Shivaa in den Raum und schob Larsen zur Seite, dessen Hand noch immer den Schocker umklammert hielt. Neben dem Sukooren kniete Anonga nieder. Sekunden dehnten sich zu Ewigkeiten. Schließlich erhob sich der Arzt wieder. »Er ist tot«, sagte er. »Sein ohnehin geschwächter Metabolismus hat den Betäubungsschock nicht verkraftet...« 64
»Verdammt!« brach es aus Ralf Larsen heraus. »Das habe ich nicht gewollt...« Von den Decks und Stationen der POINT OF kamen inzwischen wieder Klarmeldungen. »So wie es vielleicht auch nicht in Donalds Absicht gelegen hat, uns wirklichen Schaden zuzufügen«, meinte Amye Shivaa leise und starrte auf den kleinen Körper, der mit verdrehten Gliedmaßen wie eine achtlos weggeworfene Stoffpuppe in der Ecke des Quarantäne raumes lag. »Was weder bewiesen noch widerlegt werden kann«, erwiderte Anonga. »Jetzt nicht mehr. Vielleicht wollte dieser Duck nur sein Leben retten. Die Beeinflussung der Gedankensteuerung sah er wohl als seine letzte Chance an. Dummerweise - und zu unserem Glück kam er mit dem Checkmaster überhaupt nicht zurecht. Deshalb brach hier an Bord das kurzzeitige Chaos aus...« »Fakt ist jedenfalls«, warf Gerd Dongen ein, »daß er früher oder später aufgrund seiner sturen Nahrungsverweigerung wahrscheinlich ohnehin an Entkräftung gestorben wäre!« »Was nichts daran ändert, wie ich mich jetzt fühle«, meinte Larsen. »Sie können sich nicht für alles verantwortlich fühlen«, beharrte Dongen. Larsen nickte verhalten. »Vermutlich haben Sie recht. Trotzdem brauche ich etwas Zeit, um das zu verdauen.« »Wir haben aber keine Zeit«, stellte Pal Hertog ebenso ruhig wie kategorisch fest. »Immerhin hat Donald uns etwas hinterlassen: Einmal kennen wir nun definitiv die Rolle, die sein Volk in der Nah rungskette der ominösen G'Loorn spielt, und zum zweiten die Position seines Heimatsystems!« »Was ungeheuer hilfreich ist«, griente Dongen. »Es liegt innerhalb der QUIET ZONE!« »Und ist somit für uns vorläufig unerreichbar«, unterstrich Larsen. Er musterte die beiden Wissenschaftler lange Augenblicke und sagte dann schleppend: »Es hilft nichts, meine Herren. Sie müssen Ihre Bemühungen verdoppeln, was sage ich - verdreifachen. Es muß ein Weg gefunden werden, um überlichtschnell in der QUIET ZONE manövrieren zu können, ohne daß es die POINT OF zerlegt...!« 65
5.
Ren Dhark kam übergangslos wieder zu sich und hatte dabei das Gefühl, als würde ihm langsam eine mit Nadeln durchsetzte Decke vom Leib gezogen. Er zitterte und schwitzte.
Ohne genau zu wissen warum, erfüllte ihn tiefer Zorn.
Um ihn war Dunkelheit. Wieviel Zeit vergangen war, seit ihn diese
unbegreifliche Kraft aus dem All gepflückt hatte, konnte er nicht sagen. Vielleicht zehn Minuten, vielleicht eine halbe Stunde - viel leicht auch viel länger. Er saß zusammengesunken in seinem Sitz und begriff noch immer nichts. Er saß...? Seine tastenden Fingerspitzen fühlten kühle Glätte.
Aber ja, er saß auf einer glatten, metallenen Unterlage!
Überrascht und in höchstem Maße beunruhigt stellte er fest, daß er
keinen Raumanzug mehr trug, sondern nur noch die Bordkombination. Wer hatte den M-Anzug entfernt? Dhark stellte diesen Punkt zunächst einmal beiseite. Er war im Augenblick nicht so relevant. Wichtiger schien ihm die Frage zu sein, wo er hier war. Wieder versuchte er, sich zu erinnern. Den letzten klaren Augenblick hatte er inmitten seiner Leute ge habt, treibend im Raum innerhalb der QUIET ZONE. Als noch einmal Hoffnung aufgeflackert war, nachdem erkennbar geworden war, daß sich ein Schiff näherte. - Diese Hoffnung hatte sich grausam in ihr Gegenteil verkehrt. Die Stimmung in der Gruppe hatte zwischen Enttäuschung, Wut und Verzweiflung geschwankt. 66
Enttäuschung, weil es ihnen trotz intensivster Anstrengungen nicht gelungen war, etwas in der QUIET ZONE zu bewegen. Wut, weil der G'Loorn im Spindelraumer sich ihren Bemühungen, Informationen über sein Volk und die Lage seines Heimatsystems zu erhalten, dadurch entzogen hatte, daß er sich in einem nicht nachvoll ziehbaren Akt selbst getötet hatte. Verzweiflung, nicht so sehr über das eigene Scheitern, sondern weil der Tod des hybriden Außerirdischen den Wert der ganzen Gefahren und Ängste, der Anstrengungen und Entbehrungen der letzten vierundzwanzig Stunden im nachhinein auf Null herunter fuhr... Die ganze Skala menschlicher Empfindungen hatten sie durchlebt hatte er durchlebt. Und was war letztendlich daraus geworden? Er war gefangen. In einem Kerker, an einem unbekannten Ort! Seine Gedanken liefen auf Hochtouren. Wie war er eigentlich in diese verzweifelte Lage gekommen? Und wie, zum Teufel, sollte er diesmal einen Ausweg finden? Es fiel ihm keine Antwort ein. Wie groß der Raum wohl war, in dem er sich befand? »Hallo!« sagte er, weil ihm im Augenblick nichts besseres einfiel. Seine Stimme klang fremd und gedämpft. Sie versickerte förmlich in der Dunkelheit. Keine Wand reflektierte sie, warf sie zu ihm zurück. Es schien ihm, als befände er sich im Mittelpunkt eines schallschluk kenden Raumes. Von allen Seiten gleich weit entfernt. Orientierungslos. Bezugslos. Plötzlich dämmerte es ihm. Null-Umwelt... Das mußte es sein! Er erinnerte sich an Experimente, die zur Jahrtausendwende auf der Erde entwickelt worden waren. Die Forscher hatten damals zuerst mit jungen Hunden experimentiert, die von Geburt an in einer NullUmwelt aufgewachsen waren. Die ersten sechs Wochen nach der Geburt hatte man sie in völliger Dunkelheit gehalten, bei konstanter Temperatur und konstanter Stille. Dann hatte man sie plötzlich in die 67
Wirklichkeit des Lebens versetzt. Und sie hatten sich ganz merkwürdig benommen... Sehen hatten sie zwar können, denn ihre Augen reagierten auf Licht. Aber sie hatten ihre visuellen Eindrücke nicht arrangieren können, waren ungebremst gegen Wände gelaufen und ähnliches mehr. Sie hatten einfach nicht begriffen, was Sinnesreizung bedeutete...! Später, viel später waren Versuche an Menschen gemacht worden. Menschen, deren Sinne von allen Reizeinflüssen der Umwelt isoliert worden waren! Dazu hatte man die Versuchsperson in einen schalldichten Raum gesteckt, ihr Pappröhren über Arme und Beine gestülpt, damit sie nichts fühlen, die Augen verbunden, damit sie nicht sehen und die Ohren verstopft, damit sie nichts hören konnte. Und so hatte sie eine Zeitlang zubringen müssen. Nach wenigen Stunden bereits hatten sich die Versuchsobjekte ausgesprochen seltsam verhalten. Allerdings, so glaubte er sich schwach zu erinnern, hatten die Experimente nicht die erhofften Resultate erbracht. Es hatte sich zwar eine erhöhte Beeinflußbarkeit und Fügsamkeit bei den Probanten gezeigt, aber von einer wirklich gezielten Beeinflussung war man weit entfernt gewesen... Aber auch hier schien ihn jemand zu testen! Wer immer in der Lage war, ihn, Dhark, aus einer Gruppe von Menschen im Weltraum herauszugreifen und ihn irgendwohin zu transportieren - der verfügte gewiß noch über wesentlich probatere Mittel und Wege. Dhark lachte verkrampft in die Dunkelheit. Kein Oben, kein Unten, kein Sinnesreiz. Nichts zu hören, zu riechen, zu sehen, zu fühlen. Doch, halt, das stimmte nicht ganz - er fühlte. Seine Finger glitten über die stumpfe Oberfläche des Möbelstückes, auf dem er saß! Er spannte die Arme gegen den Druck des ihn fesselnden Kraft felds, bis sie schmerzten. Dabei zwang er sich, auf das Gefühl in seinen Händen zu achten. So verging eine beträchtliche Spanne Zeit... Dann merkte Dhark plötzlich, daß seine Hände und Beine frei waren. Irgend jemand hatte das Kraftfeld deaktiviert. Er hatte zwi schenzeitlich wohl geschlafen oder das Bewußtsein verloren. 68
Er erinnerte sich nicht. Er wollte aufstehen, sich bewegen, umhergehen, aber er hatte Scheu vor der Schwärze, die ihn wie ein Mantel umgab. Er würde die Orientierung verlieren, sicher würde er das. Deshalb redete er sich ein: Ich bin in einem kleinen Raum. Da draußen ist das medizinische Labor der POINT OF, und Anonga hält mich unter Quarantänever schluß. Es gibt eine Tür hinaus in das Labor, ich muß nur aufstehen und hinausgehen. Die Tür ist hier vorn. Vorn! Nein, hinten! Aber wo - ist hinten... ? Er seufzte, weshalb sollte er sich mit diesem Problem befassen? Er versuchte, sich zu entspannen. Er mußte ja nur abwarten, bis sie ihn holten. So einfach war das. Aber sein ganzes Kartenhaus stürzte mit Getöse in sich zusammen, als Licht aufflackerte und sichtbar wurde, wo er sich wirklich befand: In einem großen, runden, spärlich beleuchteten Raum ohne nennenswerte Einrichtung, wenn man von den Leuchtplatten an der gewölbten Decke absah. Für einen Moment hielt Dhark den Raum für leer. Doch als sich seine Augen an das Licht gewöhnt hatten, sah er eine Estrade, auf der in einem thronartigen Gebilde eine riesige schwarze Gestalt hockte, die er nur zu gut kannte. Ein G'Loorn! Dhark starrte auf den Außerirdischen. Seine Gedanken rotierten. Du hast eine bemerkenswerte Gabe, von einer Katastrophe in die nächste zu stolpern, meldete sich wieder die eine Zeitlang stumm gewesene Stimme in seinem Kopf. Dhark lachte rauh und begrub den hämischen Schwätzer tief in den Abgründen seines Geistes. Noch immer hing sein Blick gebannt an dem Außerirdischen. Ein leises Schaben und Scharren ertönte, als der G'Loorn sich auf seinem Thron bewegte. Die kammbesetzten Gliedmaßen falteten sich neu. Die Mandibeln klickten. Fühler vibrierten in Dharks Richtung. »Sehr beruhigend ist dein Anblick ja gerade nicht«, murmelte Dhark und wappnete sich insgeheim gegen alle erdenklichen Schrek-ken. 69
Irgend etwas tat sich. Ein Druck begann auf seinem Gehirn zu lasten. Wieder drang eine Art von... Präsenz... mit der Schärfe kalten Stahls in ihn ein. Dhark keuchte erstickt auf, als er die Kälte spürte, die in seinen Erinnerungen aaste bis in die verborgensten Winkel. Er schüttelte den Kopf, als könnte ihn das von der Aufdringlichkeit des G'Loorn befreien. »Irgendwie kannst du meine Gedanken lesen«, artikulierte er mit rauher Stimme. Die Präsenz verließ ihn wieder, ebenso das Gefühl scharfer Kälte. Der monströse Schädel neigte sich und sah auf Dhark herab. Der fremden, insektoiden Physiognomie waren Gefühlsäußerungen wie Freude, Haß und Trauer, Wut und Zorn oder Gleichgültigkeit nicht anzusehen. Die ganze Palette menschlicher, nein, humanoider Arti kulation von Gemütszuständen fehlte dem G'Loorn gänzlich. Trotz dem: Die Art, wie er den schrecklichen Insektenschädel hin und her bewegte, erinnerte vertrackt an die Nachsicht, die eine überlegene Rasse einer unterlegenen entgegenbringen mochte. »Ich habe dich gerettet.« »Aber nicht weil du mich magst«, antwortete Ren Dhark mecha nisch - und verstummte verblüfft, als ihm aufging, daß der G'Loorn zu ihm gesprochen hatte. Mittels desselben Übersetzungsfeldes, das - wenn auch wesentlich gewaltiger - in der Pilzstadt aktiviert gewesen war? Dort wie hier schien es, als würde jemand an der Justierung eines Geräts hantieren, um eine Sendung klarer und deutlicher zu emp fangen - durch die Hintergrundkulisse von Lauten aus einer nicht menschlichen Kehle. »Was ist das - >magst