Gilmore Girls Der Ernst des Lebens Band 4 Erscheinungsdatum: 2004 Seiten: 191 ISBN: 3802532627 Amazon-Verkaufsr.: 15310 ...
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Gilmore Girls Der Ernst des Lebens Band 4 Erscheinungsdatum: 2004 Seiten: 191 ISBN: 3802532627 Amazon-Verkaufsr.: 15310 Durchsch. Kundenbew.: 4/5 Scanner: Crazy2001 K-leser: klr CCC C C C CCC
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2004
Dieses E-Book ist Freeware und somit nicht für den Verkauf bestimmt.
Arme Rory! Kaum hat das neue Schuljahr begonnen, geht der Kleinkrieg mit ihrer Dauerrivalin Paris in die nächste Runde. Und nach ihrem Flirt mit der überkandidelten Schülerinnenvereinigung Puffs fliegt Rory sogar fast von der Schule. Aber was ist das alles gegen Grandmas grandiose Idee, sie in ein Ballkleid zu zwängen und in die gute Gesellschaft einzuführen? Hätte sie doch bloß auf die Warnungen ihrer Mutter Lorelai gehört. Oder rechtzeitig das Weite gesucht. Nun aber gibt es kein Zurück mehr. Rory bleibt nichts anderes übrig, als sich unter den Augen ihrer Großmutter, die natürlich Feuer und Flamme ist, in eine Lady zu verwandeln. Aber cool sein können echte Gilmore Girls auch noch später ...
Helen Pai
Gilmore Girls
DER ERNST DES LEBENS
Roman
Aus dem Amerikanischen von Antje Görnig
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Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten
sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Der Roman »Gilmore Girls – Der Ernst des Lebens«
entstand auf der Basis der gleichnamigen Fernsehserie von
Amy Sherman-Palladino, produziert von Warner Bros,
ausgestrahlt bei Vox.
Erstveröffentlichung bei Harper Collms Publishers, Inc. New York, 2002.
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
Gilmore Girls. The Other Side of Summer.
Copyright © 2004 Warner Bros. Entertainment Inc.
GILMORE GIRLS and all related characters and elements are trademarks of and
© Warner Bros. Entertainment Inc.
WB SHIELD:TM ©Warner Bros. Entertainment Inc.
(sO4)VGSC 1991
© der deutschsprachigen Ausgabe:
Egmont vgs Verlagsgesellschaft Köln, 2004
Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Ralf Schmitz
Produktion: Elisabeth Hardenbicker
Umschlaggestaltung: Sens, Köln
Senderlogo: ©Vox 2004
Titelfoto: © 2004 Warner Bros.
Satz: Hans Winkens, Wegberg
Printed in Germany
ISBN 3-8025-3262-7
Besuchen Sie unsere Homepage: www.vgs.de
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Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass es eine verstörende Vielzahl von Songs über das Ende der Schule und die Sommerferien gibt, aber nur sehr wenige über den Herbst und die Rückkehr in den Unterricht? Vertrauen Sie mir, ich weiß es, ich habe zusammen mit meinen besten Freundinnen recherchiert – Lane Kim, die alles über Musik weiß, und meiner Mom Lorelai Gilmore, die fast alles über alles weiß. Wir haben schließlich einen Song von den White Stripes gefunden, einer Band aus Detroit, die aus Jack und Meg White besteht. »We’re Going to Be Friends« ist schlicht, fast wie ein Beatles-Song, und er handelt von den Freuden der Kindheit und der aufregenden Zeit des Schulbeginns. Offenbar gibt es eine Kontroverse darüber, ob Jack und Meg Geschwister oder ein ehemaliges Ehepaar sind, aber für mich ist die Frage wichtiger, wie Detroit, die Automobilhauptstadt der Welt und eine Metropole, die uns Alice Cooper, Iggy Pop und Eminem geschenkt hat, eine Band hervorbringen konnte, die einen derart unschuldigen und eingängigen Song geschrieben hat? Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich mag den Sommer. Ich finde den Sommer toll. Ich liebe nur zufälligerweise die Schule, und ich spüre diese Aufregung, von der die White Stripes singen, jedes Mal, wenn ich an die Schule denke. So kam es, dass ich am ersten Tag des Herbstsemesters mit großer Erwartung im Luke’s Diner saß und mit meiner Mom frühstückte. Es gibt keinen besseren Ort als das Luke’s, um den Tag zu beginnen. Dort gibt es, Hand aufs Herz, den besten Kaffee der Welt, obwohl ich das natürlich nicht mit Sicherheit weiß, -3-
da ich meine Heimatstadt Stars Hollow, Connecticut, noch nicht oft verlassen habe. Aber das wird sich ändern, sobald ich die nächste Christiane Amanpour bin, um die Welt reise und berichte, was dort so los ist, und natürlich überall den Kaffee probiere, damit ich meine längst getroffene Entscheidung untermauern kann. Um dorthin zu kommen, muss ich natürlich erst mal die Highschool beenden und nach Harvard gehen, der Universität meiner Träume, aber das bedeutet, dass ich rechtzeitig zum Schulbeginn auf der Matte stehe. Also beendete ich mein Frühstück, sah zu, wie Mom ihres verzehrte und starrte sie ungeduldig an. »Wie sind die Eier?«, fragte ich schließlich in der Hoffnung, sie anzutreiben. »Gut«, antwortete Mom. »Das freut mich«, sagte ich. Mom aß unbeirrt weiter, und ich starrte sie an, während ich ungeduldig mit den Fingern trommelte. »Sie sind noch immer gut«, sagte Mom und warf mir einen Blick zu. »Das freut mich noch immer.« »Hör zu, Freak, wir werden uns nicht verspäten.« »Es ist der erste Schultag. Ich will früh genug dort sein.« »Wir werden früh genug dort sein. Versprochen.« »Ich habe in diesem Jahr andere Kurse. Meine Routen sind nicht mehr dieselben. Ich habe noch nicht den schnellsten Weg gefunden. Und mein Spind ist auch verlegt worden, sodass ich nicht einmal weiß, ob er in Ordnung ist, und vielleicht werde ich einen neuen bekommen, und Gott allein weiß, wie lange das dauern oder wo er sein wird, und das könnte den ganzen Tag ins Chaos stürzen.« Mom lächelte mich an. »Ich bin bloß -4-
aufgeregt«, schloss ich und erwiderte ihr Lächeln. Lane kam durch die Tür gestürmt. »Oh, Gott sei Dank, dass ihr noch nicht gegangen seid«, rief sie, eilte an unseren Tisch und setzte sich. »Nein… was ist los?«, fragte ich. »Ich habe den tollsten Plattenladen der Welt gefunden, er ist zehn Minuten von unserer Schule entfernt, und ich frage mich, wie sehr du mich liebst«, sagte Lana und nahm ihren Rucksack ab. Was war denn das für eine verrückte Frage? Schließlich ist sie abgesehen von Mom schon immer meine beste Freundin gewesen. Ich würde alles für sie tun. »Adresse«, sagte ich, als ich mich zur Seite beugte, um ein Blatt Papier und einen Kugelschreiber aus meiner Tasche zu nehmen. »Record Breaker, Incorporated. 2453 Berlin Turnpike.« Ich schrieb es auf. »In Ordnung. Jetzt deine Bestellung.« »Ja«, sagte Lane aufgeregt. Sie brachte ihre zerlesene Ausgabe von The MOJO Collection zum Vorschein und schlug sie auf. The MOJO Collection, ein monströses Buch über die Geschichte des Popalbums, wird von den Leuten von MOJO herausgegeben, Englands führendem Rockmagazin. Die Zeitschrift beauftragte führende Musikjournalisten damit, die ihrer Meinung nach wichtigsten Alben zusammenzustellen, die jemals aufgenommen wurden, und ihre Bedeutung für die populäre Musik einzuschätzen. Lane hat ihre Anweisungen befolgt, ihre eigene CD-Sammlung eingeschätzt und für unzulänglich befunden, und versucht seitdem, sie zu verbessern. »Charles Mingus, The Black Saint and the Sinner Lady«, las Lane vor. -5-
»Richtig«, nickte ich und schrieb es auf. »The Sonics, Here Are the Sonics.« »Brenn mir eine Kopie. Weiter.« »MC5, Kick Out the jams, Fairport Convention, Liege and Lief, Bee Gees, Odessa…« »Bee Gees. Wirklich?«, fragte ich überrascht. Sie schlug das Buch zu und legte ehrfürchtig ihre Hand darauf. »Nun, MOJO sagt…« »Dann muss es wohl stimmen.« »Okay, das war’s. Jetzt muss ich nur noch eine Platte von Whistler, Chaucer, Detroit und Greenhill finden, dann bin ich endlich mit den Sechzigern durch«, fuhr Lane fort, während sie mir das Geld gab. »Ich werde heute noch vorbeischauen. Spätestens morgen«, versprach ich. »Ich liebe es, wenn du wieder zur Schule gehst«, erklärte sie mit einem breiten Lächeln. »Ich auch«, sagte ich und lächelte ebenfalls. Mom stand auf und wandte sich zum Tresen. »Hey!«, rief ich ihr zu. »Ich hole Donuts für später«, entgegnete sie. »Danach fahre ich dich zur Schule, und die netten Männer in den weißen Kitteln werden dich abholen.« Taylor Doose, Besitzer von Doose’s Market und selbst ernanntes Stadtoberhaupt, drängte sich mit seiner Pfadfindergruppe vorbei, und Mom trat zur Seite und wartete ungeduldig, während sie sich über ihre Bestellung stritten. Schließlich fiel sie ihnen ins Wort: »Hey, Donuts, bitte.« »Wir waren zuerst hier«, sagte eines der Kinder. »Auf dem Planeten?«, erwiderte Mom. »Hä?«, antwortete das verwirrte Kind. »Du hast verloren«, sagte Mom und wandte sich an Luke; »Schokolade, Zimt und Streusel.« -6-
Ehe Luke die Bestellung ausführen konnte, klingelte das Telefon, und alle stöhnten auf. »Komm schon!«, drängte Mom. »Haltet alle die Klappe!«, befahl Luke. Er nahm den Hörer ab, und wir alle sahen ihn ungeduldig an. Mom ging schließlich hinter den Tresen, nahm eine Tüte und steckte einige Donuts hinein. Ich stand auf und fühlte mich der Schule einen Schritt näher. »Das ist unglaublich!«, schrie Luke ins Telefon. Alle drehten sich um und starrten ihn an. »Du wirst dich nie ändern, nicht wahr? Okay, schön! Mach, was du willst! Triff die Vorbereitungen. Ich muss arbeiten. Wir reden später weiter!« Dann knallte er den Hörer auf die Gabel. »Alles okay?«, erkundigte sich Mom. »Hast du eine Schwester?«, wollte Luke wissen. »Äh… nein«, erwiderte Mom. »Ich aber«, warf eines der Kinder ein. »Du hast mein Mitgefühl«, sagte Luke und stapfte die Treppe zu seinem Büro hinauf. Mom sah ihm nach, bis ich sie daran erinnerte, dass die Zeit lief. Sie nahm ihre Tüte mit den Donuts, und endlich war ich auf dem Weg zur Schule. Mom setzte mich vor dem imposanten Tor der Chilton Prep School ab und ich ging hinein. Die Korridore waren voller uniformierter Kids, die ihre Spinde und Klassenzimmer suchten. An der Wand hing ein Banner mit der Aufschrift WILLKOMMEN ZURÜCK IN CHILTON. Mir blieben noch ein paar Minuten, also suchte ich meinen Spind, legte einige Bücher hinein und machte mich dann auf den Weg zu meiner ersten Unterrichtsstunde. Als ich mich dem Klassenzimmer näherte, kamen mir aus der anderen Richtung Paris Geller und ihre besten Freundinnen Madeline Lynn und -7-
Louise Grant entgegen. Paris starrte mich einen Moment eisig an, bevor sie den Raum betrat. »Okay, zweite Runde«, seufzte ich. Paris Geller verabscheut mich aus mancherlei Gründen, aber hauptsächlich, weil ich lebe. Im vergangenen Jahr kam sie an meinem ersten Tag in Chilton auf mich zu und wollte wissen, ob ich Lust hätte« für die Schülerzeitung The Franklin zu arbeiten. Dann erzählte sie mir, dass sie deren Herausgeberin werden würde, derzeit die Klassenbeste sei und nach ihrem Abschluss die Abschiedsrede bei der Schulentlassungsfeier halten wollte. Und von da an ging’s bergab. Es war extrem ermüdend, von Paris gehasst zu werden, sie war inzwischen tatsächlich die Herausgeberin von The Franklin, und ich gehörte zu ihrem Mitarbeiterstab. Ich ging ins Klassenzimmer und marschierte sofort zu Paris. »Fünf Sekunden?«, fragte ich. »Vier.« »Gut.« »Jetzt sind’s nur noch drei.« »Paris, so muss das nicht laufen.« »Nein?« »Du und ich werden zusammen eine Menge Zeit im Unterricht und bei der Arbeit an The Franklin verbringen.« »Schon klar.« »Wir werden in demselben Raum sitzen, uns den Sauerstoff teilen müssen, hin und wieder Blickkontakt haben…« »Das lässt sich vermeiden«, unterbrach sie mich. »Hör zu, ich sage nicht, dass wir Freundinnen sein sollten, ich will gar nicht mit dir befreundet sein. Ich sage nur, dass wir vielleicht so tun sollten, als spielten wir -8-
eine Rolle im richtigen Leben.« »Richtiges Leben?«, fragte Paris. »Ja. Im richtigen Leben gibt es immer Leute, die man nicht mag, mit denen man aber auskommen muss.« »Dessen bin ich mir durchaus bewusst.« »Deshalb schlage ich vor, dass wir miteinander auskommen.« Ich hielt das für einen vernünftigen Vorschlag, aber Paris war offenbar anderer Ansicht. »Du hast nur Angst, dass ich dir bei der Arbeit an The Franklin das Leben zur Hölle machen werde. Vor allem, da ich die Herausgeberin bin und du… oh, wie war noch mal das Wort?… nicht«, sagte Paris. »Wenn du die kostbare Energie, die du normalerweise in die Zeitung stecken solltest, lieber damit verschwenden willst, mir das Leben zu vermiesen, so ist das deine Entscheidung. Ich habe nur eine Alternative vorgeschlagen«, erklärte ich. Paris dachte einen Moment darüber nach. »Die Zeitung könnte in diesem Jahr richtig toll werden«, fuhr ich fort. »Ich weiß«, antwortete Paris ein wenig trotzig. »Können wir uns nicht einfach darauf einigen und alles andere vergessen?«, fragte ich hoffnungsvoll. Louise und Madeline kamen herüber. »Alles okay?«, fragte Louise. »Ja, alles ist in Ordnung«, antwortete ich. »Wir unterhalten uns nur«, sagte Paris. »Unterhalten? Ihr beide?«, entfuhr es Madeline. »Über The Franklin«, fügte Paris hinzu. »Oh.« Madeline dachte einen Moment nach. »Nein, das kommt mir trotzdem seltsam vor.« »Hey, hör zu, wir alle arbeiten zusammen an der Zeitung, und es wird eine Menge langer Nachmittage und -9-
Wochenenden geben…«, sagte Paris. »Wochenenden?«, unterbrach Louise. »Wir müssen irgendwie miteinander auskommen«, erklärte Paris mit einem Blick zu mir. »Richtig?« »Richtig«, bestätigte ich ein wenig überrascht, dass mein Vortrag anscheinend doch von Erfolg gekrönt war. »Es tut mir Leid«, sagte Louise. »Aber zurück zu den Wochenenden.« »Okay, dann machen wir es so«, fuhr Paris fort, die Louise völlig ignorierte. »Nun, die erste Redaktionskonferenz von The Franklin findet heute statt.« »Ja, so ist es«, nickte ich. »Um vier Uhr«, sagte Paris. »Klingt gut«, meinte ich. Paris und ich sahen uns einen Moment an. Wie es schien, hatten wir einen Waffenstillstand geschlossen. Wir nahmen unsere Plätze ein und bereiteten uns auf den Unterricht vor. »Von Wochenenden war nie die Rede. Ich brauche meine Wochenenden. Ich erledige all das an den Wochenenden!«, beklagte sich Louise weiter und wies auf ihre Haare, ihr Gesicht und ihren Körper. Als der Unterricht begann, sah ich zu Paris hinüber und lächelte freundlich. Um zehn vor vier ging ich zum Redaktionsraum von The Franklin. Da ich früh dran war, setzte ich mich vor dem Redaktionsraum auf die Bank und nahm Selected Letters of Dawn Powell aus meinem Rucksack. Powell war eine erfolgreiche Schriftstellerin, die für ihren satirischen Humor bekannt war. Etwas satirischer Humor kann einem Mädchen nicht schaden, sagte ich mir und begann zu lesen, während ich auf das Eintreffen der - 10 -
anderen Redaktionsmitglieder wartete. Nach ein paar Minuten bemerkte ich, dass Stimmen aus dem Raum drangen, daher trat ich ein und stellte fest, dass die gesamte Redaktion bereits versammelt und die Konferenz in vollem Gang war. Paris saß am Kopfende des langen Konferenztisches und sprach zu der Gruppe, zu der auch Mrs O’Malley gehörte, die Beraterin der Zeitung. »Die Titelseite ist öde. Sie ist schlimmer als öde. Sie ist vollkommen meinungsfrei. Entscheidet euch für eine Partei, Leute«, sagte Paris gerade, als ich hereinkam. »Oh, Rory«, nickte sie und verstummte, damit auch ja alle mein verspätetes Erscheinen mitbekamen. »Hey«, murmelte ich verwirrt. »Nett von Ihnen, dass Sie auch noch zu uns stoßen, Ms Gilmore«, sagte Mrs O’Malley. »Ich… ich dachte, wir fangen um vier an«, stotterte ich. »Nein. Wir fangen um Punkt viertel nach drei an«, erwiderte Mrs O’Malley. Ich versuchte ihr die Umstände zu erklären, aber Paris unterbrach mich. »Hör zu, wir verschwenden nur unsere Zeit.« Ich funkelte Paris an. Offenbar war der Waffenstillstand schon wieder beendet. Mrs O’Malley bat mich, Platz zu nehmen, und Paris setzte die Konferenz fort. »Okay, wir waren gerade dabei, die Aufträge zu verteilen. Nun, Rory, da du so spät gekommen bist, sind die meisten interessanten Themen unglücklicherweise bereits vergeben.« »Oh, ich bin schockiert«, sagte ich. »Warte, warte, lass mich mal auf meiner Liste nachsehen. Vielleicht ist noch etwas für dich übrig.« Angesichts der unschuldigen Miene, die Paris jetzt - 11 -
aufsetzte, konnte ich nur den Kopf schütteln. »Okay, hier ist etwas«, erklärte sie. »Der neue Parkplatz wird gepflastert.« »Und?« »Und du kannst darüber berichten.« »Über was berichten?« »Den Fortschritt beim Pflastern.« »Ist das dein Ernst?« »Absolut. Ich bin sicher, dass es irgendwo einen Aufhänger gibt. Ist für den Umweltschutz gesorgt? Wie sieht der finanzielle Hintergrund aus? Hätte man vielleicht Ziegelstein nehmen können, vor allem, wenn man die Architektur des Gebäudes bedenkt…?« »Ja, ja, ich verstehe, was du meinst«, fiel ich ihr ins Wort. »Aber, hey«, fuhr Paris fort und sah mich direkt an, »wenn du es für unter deiner Würde hältst, kannst du auch bis zur nächsten Ausgabe warten und die Zeit für eine schöne Maniküre nutzen.« »Das ist schon okay«, sagte ich. »Oder für eine Massage.« »Ich mache es ja.« »Aromatherapie. Dann riechst du ein paar Tage wie ein Pfirsich.« »Ich sagte, ich mache es, okay? Ich schreibe über das Pflaster.« Ich schenkte Paris mein bestes falsches Lächeln. »Okay. Gut. Nun, ich schätze, das war’s dann.« Alle standen vom Tisch auf und gingen. Paris trat an einen der Computer, und ich folgte ihr. »Probleme, Ms Gilmore?«, fragte Paris, ohne vom Bildschirm aufzublicken. »Nein. Absolut keine Probleme. Ich liebe diesen - 12 -
Auftrag.« »Das freut mich.« »Ich werde den besten Artikel über Pflastersteine schreiben, den du je gelesen hast.« »Das hoffe ich.« »Und nächste Woche, wenn du mir den Knüller über die Installation der neuen Kupferrohre gibst, werde ich genauso begeistert sein.« »Ich steh auf Teamspieler.« »Und ganz gleich, wie verrückt, dumm und sinnlos die Aufträge sind, die du mir gibst, ich werde nicht kündigen, und ich werde nicht zurückstecken. Du kannst also heute Abend nach Hause gehen und über die Tatsache nachdenken, dass, ganz gleich, was du tust, und ganz gleich, wie böse du bist, am Ende des Jahres in meinem Highschool-Studienbuch stehen wird, dass ich für The Franklin gearbeitet habe. Wenn du mich jetzt entschuldigst, ich muss noch einen Text über die Entstehung von Beton lesen.« Ich wandte mich ab und marschierte davon. »Am Dienstag liegen tausend Worte auf meinem Schreibtisch!«, rief sie mir nach. Und es wurde noch schlimmer. Als ich den Korridor hinunterging, traf ich Max Medina, meinen Englischlehrer und den Ex-Verlobten meiner Mutter. Dies war das erste Mal, dass wir uns über den Weg liefen, seit sie die Hochzeit abgesagt hatte, und keiner von uns wusste, was er tun oder wie er reagieren sollte. Also handelten wir instinktiv. Max versuchte mich anzusprechen, und ich rannte in die andere Richtung davon, bevor er das erste Wort herausbekommen konnte. Während der Busfahrt nach Hause ließ der Schock nach, Max getroffen zu haben, und ich dachte daran, wie - 13 -
Paris mich ausgetrickst und dafür gesorgt hatte, dass ich zu spät zur ersten Redaktionskonferenz des neuen Schuljahrs kam. Als ich Mom im Luke’s traf, war ich richtig sauer. »Oh, mein Gott, ich hasse sie!«, sagte ich, als ich das Lokal betrat. »Oh, ich auch!«, stimmte meine Mom zu. »Du hast keine Ahnung, von wem ich rede.« »Solidarität, Schwester.« Ich nahm neben Mom Platz, trank einen Schluck Kaffee und erklärte dann: »Paris…« »Oh, nun ja, das hätte ich wissen müssen«, sagte Mom. »Sie denkt, sie kann mich von der Schülerzeitung vergraulen, aber das kann sie nicht«, fuhr ich fort. »Nein, kann sie nicht«, bekräftigte Mom. »Ich habe noch nie jemanden wie sie getroffen. Ihr beharrliches Festhalten an diesem dummen Groll, der völlig unbegründet ist und niemals enden wird, zeigt ein Maß an Entschlossenheit, das ich nie für möglich gehalten hätte. Ich fange allmählich an, sie zu bewundern.« »Der erste Tag war also Mist?«, fragte Mom. »Nur die Redaktionskonferenz war Mist. Der Rest war gut.« »Schön, ich bin froh, das zu hören.« Sie schwieg einen Moment, ehe sie fortfuhr. »Hast du… zufällig Max getroffen?« Jetzt war ich an der Reihe, einen Moment zu schweigen. »Eigentlich nicht.« »Nein?« Mom wirkte ein wenig überrascht. »Nein. Unsere Wege haben sich einfach nicht gekreuzt«, sagte ich vorsichtig. »Ist er nicht dein Literaturlehrer?«, fragte Mom. - 14 -
»Ja, aber vor mir sitzen sehr große Leute«, erwiderte ich. »Rory…« »Ich habe ihn auf dem Korridor gesehen und bin in die andere Richtung gegangen und…« »Warum?« »Ich weiß es nicht. Ich dachte, es ist das, was du willst.« »Nur weil Max nicht mehr ein Teil meines Lebens ist, heißt das nicht, dass er kein Teil deines Lebens sein kann. Er muss ein Teil deines Lebens sein. Du musst ihn sehen und mit ihm reden, und das ist okay. Es ist gut. Ich weiß, dass im Moment alles verkorkst zu sein scheint, aber ich will nicht, dass du ihm aus dem Weg gehst. Vor allem nicht wegen mir. Okay?« »In Ordnung.« »Es tut mir Leid, dass ich dich in diese Lage gebracht habe«, fügte Mom sanft hinzu. »Das ist schon okay. Ich setze es auf die Liste«, erwiderte ich. »Mein Gott, diese Liste wird ziemlich lang«, sagte Mom mit einem Lächeln. »Du hast ja keine Ahnung.« Ich lächelte zurück. »Nach Hause?« »Ich folge dir.« Wir wollten schon nach draußen gehen, als Mom eine ihrer weltberühmten beiläufigen Fragen stellte. »Hey, haben wir genug Pappteller?« »Ich weiß es nicht. Lass mich einen Blick in das extrem detaillierte Verzeichnis werfen, das ich über deinen monatlichen Verbrauch an Papptellern führe«, erwiderte ich. Was sollte man sonst auf eine derartige Frage antworten? - 15 -
»Okay, wenn du sarkastisch wirst, will ich meine blauen Flip-Flops zurück«, sagte Mom. »Ich denke, „wir haben nur noch ein paar«, erklärte ich, als wir die Tür passierten. »Warum?« »Wir haben morgen Abend ein kleines Treffen«, erklärte Mom, während wir nach Hause gingen. »Was für eine Art Treffen?«, wollte ich wissen. »Nun, Lukes Neffe ist hier, und ich dachte, wir könnten vielleicht dafür sorgen, dass er sich etwas mehr zu Hause fühlt«, erklärte Mom. Ich war irgendwie überrascht. Ich hatte keine Ahnung, dass Luke einen Neffen hatte. Sie fügte hinzu, dass sein Neffe Jess nach Stars Hollow ziehen würde. »Hast du ihn schon kennen gelernt?«, fragte ich. »Ein wenig.« »Wie ist er so?« »Nun, ich will mal so sagen, er ist nicht gerade der ideale Ersatzmann für diesen neuen Trottel in der Show.« Wir gingen weiter die Straße hinunter Richtung Doose’s Market und passierten die Bücherei, was mich daran erinnerte, dass ich mich zwar gerne an den Vorbereitungen für das Willkommen-in-Stars-HollowAbendessen beteiligt hätte, mich aber auf die Recherche über Pflastersteine konzentrieren musste. Mom stimmte unter der Bedingung zu, dass diese Recherche die Band Pavement einschloss. Wir einigten uns schließlich darauf, dass ich bei meinen Nachforschungen Songs von Pavement hören würde. Ich betrat die Bücherei, um meinen Artikel zu beginnen, und Mom ging weiter nach Hause. Am nächsten Nachmittag kehrte ich in den Redaktionsraum von The Franklin zurück. Ich hatte meinen Artikel früher am Tag abgegeben, saß allein im - 16 -
Zimmer und las, als Paris hereinkam. »Oh, hallo«, sagte sie ein wenig überrascht, mich zu sehen. »Hi«, erwiderte ich. »Du bist früh dran.« »Nun ja, ich wollte nicht schon wieder zu spät kommen wie beim letzten Mal.« Ich lächelte sie süffisant an. »Das wird nicht noch mal passieren.« Paris nahm ihren Platz am Ende des Tisches ein, mir direkt gegenüber, während die anderen Redaktionsmitglieder hereinströmten. »Hey. Hast du schon gehört, dass Kimber Slately und Tristin das neue Megapaar sind?«, fragte Madeline, als sie mit Louise eintrat. »Ich dachte, Kimber und Sean Asher wären dieses Jahr John und Jackie«, erwiderte Louise. »Nein. Sean ist jetzt mit Deeds McGuire zusammen. Was Jeff Trainer in Dottie Lords Arme getrieben hat, sodass Madison Malins zum ersten Mal, seit er Kapitän des Lacrosse-Teams wurde, allein ist.« Louise war beeindruckt. »Du bist immer über alles auf dem Laufenden. Du hast anscheinend ein Händchen für so was.« »Ich weiß«, entgegnete Madeline. »Hey, Paris, was hältst du davon, wenn ich eine Klatschkolumne für The Franklin schreibe?« »Hm«, machte sie. »Ich weiß nicht. Das ist schwierig. Ich meine, es geht hier um The Franklin, eine Zeitung, die schon seit fast hundert Jahren existiert. Es gab mindestens zehn ehemalige Herausgeberinnen von The Franklin, die später für die New-York Times gearbeitet haben. Sechs sind zur Washington Post gegangen. Drei schreiben für den New Yorker. Ich glaube, eine hat sogar - 17 -
den Pulitzer-Preis gewonnen. Aber Schwamm drüber. Ich könnte die erste Herausgeberin in der Geschichte von The Franklin sein, die eine Kolumne bringt, in der es ausschließlich darum geht, wen Bifry zuletzt angebaggert hat. Ein Dilemma. Weißt du, ich werde später darauf zurückkommen.« Madeline musste eine Sekunde darüber nachdenken. »Okay«, sagte sie, noch immer nicht ganz sicher, was Paris meinte. Mrs O’Malley kam mit einem Stapel Unterlagen in den Raum und wandte sich an die Gruppe. »Oh, gut, wir sind alle hier. Und dazu noch pünktlich«, fügte sie mit einem Seitenblick auf mich hinzu. »Wunderbar. Nun, ich habe alle Artikel gelesen. Sie waren alle ausgezeichnet. Flott, informativ, gut recherchiert… Paris, Sie sollten sehr stolz auf das Team sein, dass Sie dieses Jahr zusammengestellt haben.« »Vielen Dank.« Paris lächelte geschmeichelt. »Ich meine, wenn Sie eine Reporterin haben, die ein unglaublich banales und scheinbar unwichtiges Thema wie die Pflasterung eines Fakultätsparkplatzes in einen bittersüßen Artikel über die Tatsache verwandeln kann, dass alles und jeder irgendwann veraltet sein wird, dann haben Sie wirklich etwas erreicht. Ms Gilmore, ich war gerührt.« Paris rutschte unbehaglich auf ihrem Stuhl hin und her. »Das habe ich alles Paris zu verdanken«, sagte ich, als Paris mir ein falsches Lächeln schenkte. Mrs O’Malley wandte sich an Paris. »Ich rate Ihnen, Ms Gilmore beim nächsten Mal etwas zu geben, das etwas mehr Pep hat.« »Oh, ja. Tolle Idee«, gab Paris zurück. Mrs O’Malley forderte die Redaktionsmitglieder auf, - 18 -
am Layout zu arbeiten, und ich ging zu einem der Computer und nahm davor Platz. Paris marschierte umgehend hinter mir her. »Nun, gratuliere«, sagte sie. »Danke«, antwortete ich und blickte zu ihr auf. »Du musst sehr stolz auf dich sein«, fuhr sie fort. »Ich verstecke mich nicht, wenn ich an einem Spiegel vorbeigehe«, erwiderte ich. »Ich schätze, es gehört zu meinem Job als Herausgeberin, dafür zu sorgen, dass unsere besten Autorinnen unsere besten Artikel schreiben. Deshalb… werde ich dir eins unserer besten Themen geben.« Ich sah sie misstrauisch an. »Ahha…« »Titelseite. Titelstory. Obere Hälfte.« »Komm zum Haken, Paris.« »Kein Haken.« »Kein Haken«, wiederholte ich skeptisch. »Ich würde das Schuljahr gern mit einem Porträt des Lehrers beginnen, der im letzten Jahr zum beliebtesten Pädagogen gewählt wurde. Du weißt schon, ein tief schürfendes, rückhaltloses Interview. Alle wollen es. Du hast es«, sagte Paris aufrichtig. »Du machst Witze«, meinte ich, noch immer ein wenig argwöhnisch. »Nein.« Sie schien wirklich keine Witze zu machen. »Nun, danke«, sagte ich, als ich mich wieder dem Computer zuwandte. »Keine Ursache. Also mach dich an die Arbeit und beschaffe dir so schnell wie möglich einen Gesprächstermin bei Mr Medina.« »Was?« »Ich weiß, das kommt ein bisschen plötzlich, aber ich hätte es gern als Aufhänger für unsere erste Ausgabe.« - 19 -
»Mr Medina?« »Er hat einen Erdrutschsieg errungen.« »Aber…«. »Tut mir Leid, gibt es ein Problem?« Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte, also schwieg ich. Paris flötete: »Ich meine, gibt es irgendeinen Grund, warum du ihn nicht interviewen willst? Schließlich solltest von allen Leuten du am besten in der Lage sein, eine echt tiefschürfende Story aus ihm herauszuholen, vor allem, da er mit deiner Mutter verlobt ist.« Ich schwieg weiter. »Sie sind doch noch immer verlobt, oder?«, fuhr Paris mit geheuchelter Besorgnis fort. »Halten wir das Privatleben meiner Mutter lieber da raus, okay?« »Oh, das klingt übel«, meinte Paris. »Es ist nicht übel, es geht dich bloß nichts an«, widersprach ich. »Schön. Willst du das Interview oder nicht?« Ich kämpfte einen Moment mit mir und antwortete schließlich: »Ja, ich will das Interview.« »Gut. Und hol mehr aus ihm heraus als nur seine Lieblingsfarbe, okay?« Paris marschierte extrem selbstzufrieden davon. Woher wusste sie, dass zwischen Max und meiner Mom etwas vorgefallen war? Sie musste gestern gesehen haben, wie ich ihm ausgewichen war, nachdem ich den Redaktionsraum verlassen hatte. Es war sicherlich nicht das erste Mal, dass Paris etwas sah, von dem ich nicht wollte, dass sie es sah. In meinen ersten Tagen in Chilton hatte sie beobachtet, wie meine Mom und Max in seinem Klassenzimmer geknutscht hatten. Klar, das war nicht gerade besonders schlau von ihnen gewesen, aber musste - 20 -
von allen Schülern in Chilton ausgerechnet Paris sie sehen? Aber dies war ein wichtiger Artikel, und ich musste nur einen Weg finden, ihn zu schreiben, ohne Max wirklich zu interviewen.
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An diesem Abend fand das große Abendessen statt. Und das meine ich wörtlich. Die beste Freundin meiner Mutter, Sookie St. James, plante ein Festmahl, auf das Heinrich der Achte stolz gewesen wäre. Sie wollte sichergehen, dass Lukes Neffe sich willkommen fühlte, und brachte ständig neue Einwände vor (»Was ist, wenn er keine Milchprodukte mag?«, hatte sie zum Beispiel einfühlsam gefragt). Also standen sie und ihr Freund Jackson in der Küche, wo sie Schmorbraten, Hähnchenflügel, Stampikartoffeln und vier verschiedene Sorten Salat zubereiteten, und ich glaube, ich habe sogar das Wort »Grillkäse« gehört. Während sie kochten, stellte ich meine Fragen für das Interview mit Max zusammen. Schließlich gelangte ich zu dem Schluss, dass eine gute Journalistin objektiv sein und ihre persönlichen Gefühle beiseite schieben sollte, und vereinbarte für den Nachmittag des folgenden Tages ein Treffen mit Max. Mom steckte ihren Kopf herein und fragte, ob ich an den Feierlichkeiten teilnehmen wollte. »In einer Sekunde«, erwiderte ich, während ich mich auf den Computermonitor konzentrierte. »Du klingst gereizt«, meinte Mom. »Ich konzentriere mich.« »Okay, konzentriere dich nicht zu sehr. Die Jungs mögen euch dumm. Richtig, Jackson?« »Wenn du um einen Baum biegen kannst, geh einfach weiter«, rief Jackson aus der Küche. Es klopfte an der Tür, und Mom verschwand um zu öffnen. Ein paar Minuten später kamen Luke und sein Neffe Tess in die Küche, und Mom stellte sie Sookie und - 22 -
Jackson vor. Ich saß noch immer an meinem Schreibtisch, drehte mich aber kurz um und sagte Hallo, um dann meine Sachen wegzuräumen und später zu ihnen zu stoßen. Jess sah aus, als wäre er etwa in meinem Alter, und er hatte dunkle Augen und dunkle Haare. Er kam in mein Zimmer. »Ich bin Rory.« »Ja, das dachte ich mir schon.« »Nett, dich kennen zu lernen.« Jess näherte sich meinem Schreibtisch, blieb aber stehen, als er all die Bücher in den Regalen bemerkte. »Wow, auf Platten stehst du wohl nicht gerade.« »Oh, ich lese viel«, erwiderte ich. »Liest du?« »Nicht viel.« Er schlug meine Ausgabe von Allen Ginsbergs Howl auf. »Ich könnte es dir leihen, wenn du willst. Es ist toll.« Jess klappte das Buch zu und legte es weg. »Nein, danke.« »Nun, falls du deine Meinung änderst…« Er näherte sich mir weiter, als meine Mutter mit zwei großen Schüsseln voller Essen hereinkam und erklärte, dass das Festmahl im Wohnzimmer serviert werden würde. »Bin sofort da«, sagte ich, als Sookie, Jackson und Luke vorbeikamen und ebenfalls Schüsseln und Teller mit Essen trugen. Jess schob die Spitzengardine vor dem Fenster zur Seite. »Kann man es öffnen?« »Oh, ja, du musst es nur entriegeln und dann drücken.« »Toll«, sagte er und entriegelte das Fenster. »Sollen wir?« »Sollen wir was?« »Abhauen.« »Nein«, sagte ich lachend. - 23 -
»Warum nicht?« »Weil es Dienstagabend in Stars Hollow ist. Wir könnten nirgendwo hin. Der rund um die Uhr geöffnete Minimarkt hat vor zwanzig Minuten geschlossen.« »Dann werden wir eben spazieren gehen oder uns auf eine Bank setzen und unsere Schuhe anstarren.« »Hör zu, Sookie hat eine Tonne richtig tolles Essen gekocht, und ich verhungere. Auch wenn es im Moment nicht danach aussieht, werden wir dabei eine Menge Spaß haben. Vertrau mir«, sagte ich mit einem Lächeln. »Ich kenne dich nicht mal.« »Sehe ich etwa nicht vertrauenswürdig aus?« »Kann sein.« »Okay, gut, gehen wir essen.« Ich verließ mein Zimmer und trat an den Kühlschrank. Jess folgte mir langsam. »Willst du ein Wasser?«, fragte ich. »Oh, ich hole es mir schon«, erwiderte er. »Okay.« Ich ging zu den anderen ins Wohnzimmer. In dei Mitte des Raumes war ein großer Tisch aufgestellt, und Sookie arrangierte gerade die Platten mit Essen. Ich setzte mich neben meine Mom. »Hey, Rory, wo ist Jess?«, fragte Luke. »Er holt sich ein Wasser«, erklärte ich. Mom gab Luke einen Teller, auf dem sich himmelhoch Essen türmte. »Hier.« »Es tut mir Leid, du musst mich mit dir verwechselt haben«, sagte Luke. »Oh, zu viel?« Mom nahm den Teller wieder an sich und fügte einen weiteren Schlag Stampfkartoffeln hinzu. »Ich habe das Knoblauchbrot vergessen«, rief Sookie. »Ich hole es schon«, sagte Mom, reichte Luke seinen noch volleren Teller und verschwand in der Küche. - 24 -
Mom war eine Weile fort, und Jess war noch immer nicht am Tisch aufgetaucht, daher stand Luke auf, um nach ihnen zu sehen. Eine kurze Weile später kehrte Mom mit dem Knoblauchbrot und einem wütenden Gesichtsausdruck an den Tisch zurück. Sie erzählte uns, dass Luke und Jess gegangen waren und nicht mit uns essen würden. Und dann waren wir zu viert und hatten genug zu essen, um ein kleines Land zu ernähren. Der nächste Morgen erwies sich als schwierig. Mom wich aus, als ich sie nach dem Streit am vergangenen Abend fragte, aber es reichte mir schon, dass sie sich weigerte, ins Luke’s zu gehen. Also standen wir vor der Tür des Lokals, während im Innern köstlicher Kaffee auf uns wartete. »Du bist total kindisch«, sagte ich zu ihr. »Bin ich nicht«, erwiderte sie kindisch. »Und jetzt werden wir nie wieder ins Luke’s gehen und einfach verhungern.« »Rory, wir haben uns furchtbar gestritten, okay? Nicht wie Nick und Nora. Sondern wie Sid und Nancy, und ich werde nicht hineingehen.« »Aber der Kaffee ist dort drinnen. Und es ist Teilchentag. Willst du mir allen Ernstes weismachen, dass du dir von einem dummen Streit den Teilchentag verderben lassen willst?«, appellierte ich an ihre Vernunft. »Nein, das werde ich nicht.« »Gut«, sagte ich erleichtert. »Also geh rein und bestell zwei Kaffee und zwei Teilchen zum Mitnehmen«, befahl Mom. »Du machst Witze?« »Vergiss die Servietten nicht.« »Mom, er wird wissen, was los ist. Er ist nicht dumm.« - 25 -
»Hey, er kann nicht beweisen, dass du das alles nicht für dich allein bestellst, oder? Nein. Also mach schon. Husch, husch. Mommy wartet hier.« Ich seufzte und betrat das Lokal. Luke stand hinter dem Tresen, und ich baute mich vor ihm auf. »Hey, Luke.« »Rory«, grüßte er. Er wirkte recht freundlich. »Ah, ich möchte zwei Kaffee und zwei Kirschteilchen zum Mitnehmen, bitte«, sagte ich. »Zwei Kaffee und zwei Kirschteilchen.« Er sah mich misstrauisch an. »Oh, und ein paar Servietten«, fügte ich hinzu. »Eins davon ist für sie, nicht wahr?« »Für wen? Oh, nein, nein, nein, die sind alle für mich. Ich bin heute superhungrig. Ich wollte schon drei bestellen, aber das entscheide ich erst, wenn ich eins gegessen habe.« »Ich sag dir was. Ich werde dir ein Teilchen und eine Tasse Kaffee geben. Du kannst dich dort drüben hinsetzen und essen, und wenn du fertig bist, dort drüben, wo ich dich sehen kann, bring ich dir das zweite.« »Du willst wirklich hier herumstehen und mir zusehen, wie ich ein Teilchen esse?« »Im Kabelfernsehen läuft nichts, und ich brauche dringend Unterhaltung.« »Okay, aber das ist verrückt. Ihr hattet also einen Streit? Große Sache. Du weißt, dass ihr euch sowieso wieder versöhnen werdet, und es gibt keinen besseren Tag zum Versöhnen als den Teilchen tag. Der glücklichste aller Tage. Der Tag, an dem wir alle bei einem leckeren Teilchen und einer Tasse Kaffee sagen: >Hey, lasst uns vergeben und vergessen.Ich fass es nicht< oder >Hol mich der TeufelHä, hä?Hallo, nett Sie kennen zu lernen< auf - 126 -
Bummelantisch«, wandte sich Luke an Mia. »Du brauchst mich nicht hier unten«, stellte Jess fest wandte sich ab und ging die Treppe hinauf. Luke entschuldigte sich für Jess, und Mia gab sich verständnisvoll. »Du warst in seinem Alter auch nicht gerade gesprächig«, erinnerte sie ihn. »Das stimmt, du kanntest Luke schon, als er noch ein Junge war«, sagte Mom strahlend. »Ich kann mir Luke gar nicht als Junge vorstellen«, wendete ich mich an Mia. »Er war diesem jungen Mann sehr ähnlich. Kurz angebunden, Dummheit war ihm ein Gräuel. Klugheit aber auch. Sehr verschlossen…«, berichtete Mia. »Können wir das Thema wechseln?«, fragte Luke. »Er hat den Leuten geholfen, ihre Einkäufe nach Hause zu tragen…«, fuhr Mia fort. »Wow, wow, sehr pfadfindermäßig«, sagte ich. »… für einen Vierteldollar pro Tasche«, fügte Mia hinzu. »Wow, wow, sehr John-Birch-Society-mäßig«, sagte Mom. »Er war nie ohne sein Skateboard unterwegs…« »Warst du gut?«, erkundigte sich Mom. »Ich kam zurecht«, erklärte Luke. »Das muss in dem Jahr gewesen sein, in dem du überall, wo du hingingst, dasselbe Hemd getragen hast.« »Ich erinnere mich nicht daran«, sagte Luke nervös. »Das muss ein Flanellhemd gewesen sein«, vermutete Mom. »Nein, es war ein T-Shirt dieser Fernsehserie, dieser… berühmten.« »Es ist nicht wichtig«, sagte Luke hastig. »Star Trek, genau.« - 127 -
Mom und ich brachen in Gelächter aus. »Oh, mein Gott! Oh, mein Gott!«, stöhnte Mom. »Hört auf«, befahl Luke. »Du warst ein Trekkie?«, fragte ich, unfähig, das breite Grinsen von meinem Gesicht zu vertreiben. »Ich war kein Trekkie.« »Oh-oh, ich glaube, zu leugnen, dass du ein Trekkie warst, verstößt gegen die Oberste Direktive«, erklärte Mom. »Zweifellos, Captain.« »Es war ein Geschenk von meiner Tante. Ich habe es getragen, um ihr eine Freude zu machen«, behauptete Luke. »Ich würde nie irgendeiner meiner Tanten eine derartige Freude machen«, entgegnete Mom. »Habe ich etwas gesagt, das ich nicht sagen sollte?«, fragte Mia. »Nein, nein, Mia. Ich „werde nur alle Termine für die nächsten drei Monate absagen müssen, weil ich mich totlache«, erwiderte Mom. Die Glöckchen an der Tür bimmelten, und mit wütendem Gesicht stürzte Taylor herein. »Luke, ich muss mit dir reden, und zwar sofort«, rief er. »Was ist los, Taylor?« »Ich habe eine gründliche Befragung aller Leute vorgenommen, die gestern Nacht zufälligerweise Zeuge des vorgetäuschten Mordes vor meinem Laden geworden sind.« »Es hat einen vorgetäuschten Mord gegeben?«, flüsterte Mia uns zu. »Ja, diese Stadt ist zu langweilig für einen echten Mord«, erwiderte Mom. »Aber du bist nur eine Beam-mich-hoch-Scotty - 128 -
Bemerkung davon entfernt, das Opfer eines Mordes zu werden«, sagte ich zu Mom. Luke wandte sich von Taylor ab und ging hinter den Tresen. »Luke, wirst du mir wohl zuhören?«, sagte Taylor. »Was hat das alles mit mir zu tun?« »Drei Leute haben berichtet, dass sie Jess gestern Abend in dieser Gegend herumlungern gesehen haben. Als würde er auf irgendwas lauern.« »Gestern Abend waren eine Menge Leute unterwegs. Ich weiß das, weil ich einige davon bedient habe. Ich werde dir ihre Namen geben, und du kannst sie auf deine Liste der Verdächtigen setzen«, entgegnete Luke. »Eine weitere Person hat beobachtet, wie Jess vor zwei Tagen mit etwas, das Kreide zu sein schien, aus einem Künstlerbedarfsladen gekommen ist«, fuhr Taylor fort. »Du scheinst mich zu nerven, Taylor.« »Was wirst du unternehmen, Luke?« »Unternehmen?« »Jetzt, da du die Ergebnisse meiner Untersuchung kennst.« »Absolut nichts. Aber danke für die Info.« »Du musst etwas tun. Die Leute wollen Taten sehen.« »Mit den Leuten meinst du dich«, stellte Luke fest. »Es geht nicht nur um mich«, erklärte Taylor. »Ich spreche für die Stars Hollow Industrie- und Handelskammer, die Stars Hollow Tourismuszentrale, die Stars Hollow Nachbarschaftswache und die Stars Hollow Bürgervereinigung für ein sauberes Stars Hollow.« »Die alle mit dir identisch sind«, sagte Luke. Taylor wurde wieder wütend. »Wirst du jetzt etwas tun?«, wollte er wissen. - 129 -
»Ja, das werde ich«, erwiderte Luke. »Ich werde so tun, als wärest du nie hier gewesen.« »Schön. Wie du willst. Aber ich warne dich – es wird eine Menge unzufriedener Leute in der S.H.I.H.K. der S.H.T.A. der S.H.N.WO. und der S.H.B.S.S.H. geben.« »F.E.I.N.«, gab Luke zurück. »Ah, du bist unmöglich! Du bist unmöglich!«, schrie Taylor und wandte sich ab, um den Laden zu verlassen. Dann, herzlich und süß: »Oh, hi, Mia.« »Schön, dich zu sehen, Taylor«, grüßte Mia ihn. Taylor stürmte nach draußen, und Luke nahm seine Arbeit hinter dem Tresen wieder auf. »Junge, ich muss raus aus Santa Barbara«, seufzte Mia. »Ich vermisse das Kleinstadttheater.« Dann sah sie uns an und fügte hinzu: »Und ich vermisse euch. Hey, ist euch klar, dass es fast auf den Tag genau fünfzehn Jahre her ist?« Mom lächelte sie an. »Ja, das stimmt.« »Was?«, fragte ich. »Der Tag, an dem dieser dünne, kleine Teenager im Inn auftauchte«, erwiderte Mia. »Wie hast du uns gefunden?« »Der Stern von Bethlehem… und die Gelben Seiten«, antwortete Mom. »Sie hatte dieses winzig kleine Wesen in ihren Armen…«, erinnerte sich Mia. »Ein kleines Wesen namens Rory«, erklärte Mom und zwickte mir in die Wange. »Okay, keine körperlichen nostalgischen Anwandlungen«, wehrte ich ab. »Du bist zu mir marschiert, hast mir direkt in die Augen gesehen und gesagt >Ich suche einen Job. Irgendeinen JobScheißegalirgendeinen Job< gegeben. Die anderen Zimmermädchen haben dich gehasst.« »Weil sie so langsam waren«, sagte Mom. »Du warst etwas Besonderes«, erklärte Mia liebevoll. »Mia, warum ziehst du nicht wieder hierher? Wir vermissen dich«, sagte ich. »Du solltest uns wenigstens öfter besuchen«, fügte Mom hinzu. »Du bleibst nicht einmal über Nacht. Früher bist du viel häufiger gekommen.« »Ich muss es nicht mehr. Du hast mich überflüssig gemacht«, sagte Mia zu Mom. »Das habe ich nicht«, protestierte Mom. »Sei nicht so bescheiden. Das Inn läuft großartig. Es wurde nie so gut geführt und war noch nie so erfolgreich«, erklärte Mia. Mom und ich wechselten einen Blick und sahen dann schuldbewusst auf den Tisch. »Es ist so, als würde das Inn jetzt dir gehören«, fuhr Mia fort, ohne unsere Reaktion zu bemerken. »Ohne dich wüsste ich nicht, was ich tun sollte. Ich wäre verloren.« »Verloren, ja…«, sagte Mom. »Ja…«, fügte ich hinzu. »Ihr seht traurig aus. Warum?«, fragte Mia. - 131 -
»Oh, nichts«, sagte Mom hastig und trank einen Schluck Kaffee. Ich blickte auf und versuchte Mia beruhigend anzulächeln. Am nächsten Tag besuchte ich Grandma, um für mein Porträt Modell zu sitzen. Sie war aufgeregt, als ich ankam, ließ mich sofort ein Kleid anziehen, führte mich auf die Veranda und drückte mich in einen großen Sessel. Der Porträtmaler war bereits da und bereit. Grandma bat mich, einen Arm zu heben. Die Position war unglaublich unbequem, und ich rutschte ständig hin und her, was wiederum den Maler verärgerte. Schließlich war Grandma so frustriert, dass sie Mom anrief, um ihr zu sagen, wie unmöglich sich ihr Kind benahm. »Sie will nicht anständig posieren«, sagte Grandma in das Telefon. »Ich versuche es, Grandma, es ist bloß unbequem«, rief ich. Ich stellte mich nicht absichtlich an, aber mit einem Arm über meinem Kopf dazusitzen, fiel mir wirklich schwer. Außerdem wollte Grandma einen Schwan in dem Bild haben, und der Schwan machte mich richtig nervös. Schwäne sind gemein. Um genau zu sein, lief der Schwan die ganze Zeit auf der Veranda herum, während sein Halter ihn in eine Ecke zu treiben versuchte, aber wenig Erfolg damit hatte, da er ihm auch nicht zu nahe kommen wollte. Wäre ich nicht mittendrin gewesen, hätte ich diese Vorstellung wahrscheinlich sogar lustig gefunden. »Ich nehme an, du würdest sie einfach in einem Sessel sitzen und ein Buch lesen lassen«, sagte Grandma in das Telefon. Ich spitzte die Ohren. Das klang großartig. Mom musste zugestimmt haben, denn Grandmas Reaktion fiel nicht gerade begeistert aus. Doch Mom hatte Grandma - 132 -
offenbar von ihrer Idee überzeugt, denn Grandma forderte mich auf, meinen Arm herunterzunehmen, und wies den Halter an, den Schwan wegzuschaffen. Ich stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, als ich meinen Arm senkte, während der Schwan ein unheimliches, lautes Kreischen von sich gab. Aus Protest? Oder aus Erleichterung? Dann gingen Grandma und ich in die Bibliothek und suchten ein passendes Buch für das Porträt aus. Walt Whitmans Grashalme. Ah, schon viel besser, dachte ich, als ich mich mit dem Buch hinsetzte und der Maler seine Arbeit begann. An diesem Abend fand eine Bürgerversammlung statt, also schauten Mom und ich im Inn vorbei, um Mia abzuholen, und zusammen gingen wir hinüber zu Miss Patty. »Wir kommen zu spät«, sagte ich besorgt zu meiner Mom. Ich hasse es, zu spät zu kommen. »Wir kommen nicht zu spät«, erwiderte Mom. »Als wir uns das letzte Mal verspätet haben, hat Taylor gesagt, das nächste Mal würde Konsequenzen haben«, erinnerte ich Mom. »Das hat er nicht. Er sagte, es würde ernste Konsequenzen haben«, korrigierte Mom mich. »Mia, wie viel Uhr ist es? Kommen wir zu spät?«, fragte ich. »Ich hoffe es«, erwiderte Mia. »Mia!«, mahnte meine Mom. »Es tut mir Leid, aber es ist zwei Jahre her, seit ich eine Bürgerversammlung besucht habe, und ich möchte, dass die Fetzen fliegen.« Luke war gerade aus seinem Lokal gekommen und schloss ab, als wir ihn passierten. »Aha!«, rief Mom und - 133 -
ließ Luke zusammenfahren. »Jesses. Schleicht euch nicht so an mich heran«, knurrte Luke. »Ja, Mann, da habe ich aber Glück, dass du deinen Phaser auf Betäubung gestellt hast, wie?«, scherzte Mom. Ich kicherte. »Wenigstens kommen wir nicht zu spät«, sagte ich. »Luke kommt nie zu spät.« »Eigentlich sind wir zwei Minuten zu früh dran«, informierte Luke uns. »Ja!«, rief Mom. »Wir sollten einen Preis kriegen, weil wir pünktlich kommen«, fügte ich hinzu. »Hey, Luke, geh zurück in dein Lokal und hole uns Kuchen als Belohnung dafür, dass wir pünktlich sind«, forderte Mom ihn auf. »Dann würdet ihr euch verspäten«, antwortete Luke. »Ein witziges Dilemma«, meinte Mom. »Aber ich will Kuchen!« »Du belästigst mich«, sagte Luke. »Ich belästige dich nicht. Wir sind deine Groupies«, sagte Mom. Dann fügte sie schmachtend hinzu: »Oh, Luke, du bist so wundervoll. Sei mein Mann.« »Nein, sei mein Mann«, sagte ich. »Ich werde auf der Bürgerversammlung mehr Polizeischutz beantragen«, erwiderte Luke trocken, als wir die Treppe zu Miss Pattys Studio hinaufgingen. Wir öffneten die Tür, traten ein und stellten überrascht fest, dass der Raum voll war und die Versammlung bereits begonnen hatte. Taylor war auf dem Podium, und Miss Patty saß neben ihm. Alle drehten sich um und starrten uns schuldbewusst an, als wir hereinkamen. Mia wandte sich entzückt an meine Mom. »Ich denke, wir kommen doch zu spät.« - 134 -
Luke wollte wissen, was vor sich ging. »Die Versammlung sollte um acht beginnen, Taylor«, sagte er mit einem Blick auf die Uhr. »Es ist eine Minute vor acht.« Taylor gab schließlich zu, dass sie früher angefangen hatten, um einen speziellen Punkt zu besprechen, der die Geschäftsleute der Stadt betraf. »Ich gehöre zu den Geschäftsleuten, aber mir hat man davon nichts gesagt«, protestierte Luke. Alle im Raum drehten die Köpfe und wechselten unbehagliche Blicke. Dann gab Taylor zu, dass Luke nicht eingeladen worden war, weil sie das Jess-Problem diskutierten. »Das Jess-Problem?« Luke kochte vor Wut. Er wandte sich von Taylor ab, um seine Selbstbeherrschung zurückzugewinnen. Mom und ich drängten uns an ihm vorbei und nahmen uns zwei Stühle in der hinteren Reihe, während Mia einen Platz am anderen Ende fand. »Oh-oh«, machte ich. »Wenn das der Wilde Westen wäre, würden wir jetzt die Pferde zur Seite schieben und in den Wassertrog springen«, flüsterte Mom, als wir uns niederließen. »Verdammt, Taylor!«, schrie Luke. »Luke, Schätzchen, beruhige dich«, ermahnte ihn Miss! Patty. »Schließlich«, fuhr Taylor fort, »ist es allein deine Schuld Hättest du die Angelegenheit nicht so kalt lächelnd abgetan müssten wir das jetzt nicht tun. Aber ich hatte Umsatzeinbußen durch die Tat deines HooliganNeffen.« »Wieso hattest du Einbußen, Taylor?«, fragte Luke. »Wenn du an jenem Tag etwas später aufgemacht hast, sind deine Kunden einfach später wiedergekommen.« - 135 -
»Eben nicht. Als Mrs Lanahan an jenem Morgen nicht den Kopfsalat für ihr Mittagessen kaufen konnte, ist sie direkt nach Woodbury gefahren, um den Salat bei der Konkurrenz zu kaufen«, erklärte Taylor. »Ist das nicht richtig, Miss Lanahan?« Vor uns saß die uralte Mrs Lanahan, die tief schlief. Taylor weckte sie, ehe er fortfuhr: »Außerdem hat sie anderen Doose’s Marfeet-Kunden erzählt, dass der Woodbury-Salat frischer ist. Damit kann ich dieses Geschäft abschreiben.« »Okay. Schön«, lenkte Luke ein. Dann stürmte er zur Frontseite des Raumes und zog seine Brieftasche aus der Gesäßtasche. »Wie viel kostet ein Kopfsalat, Taylor? Einen Dollar?« Er knallte einen Geldschein auf das Podium. »Gib mir fünf Köpfe.« »Hier geht es nicht nur um den Kopfsalat junger Mann. Es liegen zahlreiche Anklagen gegen deinen Neffen vor. Er hat das Geld für die Rettung der Brücke gestohlen.« »Er hat es zurückgegeben…«, erwiderte Luke. »Er hat einen Gartenzwerg aus Babettes Garten geklaut.« »Pierpont wurde ebenfalls zurückgegeben.« »Er hat einen meiner Tanzkurse gestört«, ergänzte Miss Patty. »Er hat einen Gartenschlauch von meinem Hof gestohlen«, warf Fran ein. »Mein Sohn sagte, er hat letzte Woche den Feueralarm in der Schule ausgelöst«, schimpfte Andrew, ein anderer Bürger. »Ich habe gehört, er kontrolliert das Wetter und hat das Drehbuch zu Glitter geschrieben!«, rief Mom übermütig. Dann stand Bootsy auf. Da heute offenbar der Tag der Bürgerversammlung war, an dem jeder über Luke - 136 -
herfallen konnte, warf er Luke Dinge vor, die bis zurück ins erste Schuljahr reichten. Taylor unterbrach die streitenden Männer und lenkte die Diskussion wieder auf die Gegenwart. »Jungs, bitte. Hier geht es um die einhellige Meinung der Bürgerschaft, dass Stars Hollow ein besserer Ort war, bevor Jess hier aufgetaucht ist.« »Also wird die Hälfte des Raumes den Teer besorgen und die andere die Federn?«, fragte Luke frustriert und stürmte in den hinteren Teil des Raumes. »Nun, von Teeren und Federn war nicht die Rede«, wehrte Taylor ab. »Obwohl…« »Hör zu, ich habe mein ganzes Leben in dieser Stadt verbracht. Ich lebe länger hier als die meisten anderen«, begann Luke. Bootsy unterbrach ihn. »Das muss ich korrigieren. Ich bin fünf Wochen älter als du, was bedeutet, dass ich fünf Wochen länger hier lebe.« Luke ignorierte ihn und fuhr fort: »Ich habe nie jemanden belästigt, ich habe mich um meine eigenen Angelegenheiten gekümmert, und ich habe immer getan, was ich konnte. Ich bezahle meine Steuern und helfe den Leuten, wo ich kann. Okay, ich habe mich nicht an der Verschönerung der Stadt beteiligt, weil es mir verrückt vorkam, aber ich habe sie auch nicht verhindert.« »Worauf willst du hinaus, Luke?«, wollte Taylor wissen. Mom stand auf. »Er will damit sagen…« Sie wandte sich an Luke. »Darf ich?« »Nur zu«, nickte er. Mom fuhr fort: »Er will damit sagen, wenn es ein Problem gibt…« »Und ich sage nicht, dass es ein Problem gibt«, unterbrach Luke. - 137 -
»Richtig. Er sagt nicht, dass es ein Problem gibt. Aber wenn, gebt ihm Zeit, es zu lösen, bevor ihr mit Fackeln und Mistgabeln sein Lokal stürmt«, beendete Mom ihrer Satz. »Richtig«, stimmte Luke zu. »Ich habe es hier mit einem Problem zu tun, von dem ich nicht unbedingt glaube, dass ich es habe.« Mom sah ihn an, nicht ganz sicher, was er gerade gesagt hatte. »Genau«, stimmte sie trotzdem zu. »Den letzten Teil habe ich nicht verstanden«, bemerkte Taylor verwirrt. Mom verdeutlichte es ihm. »Lasst ihn in Ruhe, denn was ihr macht, stinkt zum Himmel.« »Ich bin hier fertig«, erklärte Luke. »Ich bin mit euch allen fertig. Oh, eigentlich wollte ich länger öffnen für den Fall, dass einer von euch nach der Versammlung etwas essen will. Vergesst es.« Und Luke verließ den Raum, während die Leute enttäuscht murmelten, weil sie nach der Versammlung nichts mehr zu essen bekamen. »Seine Truthahn-Burger sind sehr trocken«, hörte ich Bootsy behaupten, als wir nach draußen gingen. »Nun, ich muss sagen, das war ziemlich aufregend«, meinte Mia, als wir die Treppe hinunterstiegen. »Und ein wenig verstörend«, fügte Mom hinzu. »Wie es aussieht, braucht die ganze Stadt eine Auszeit.« »Denkst du, Luke ist okay?«, fragte ich. »Ich denke schon«, sagte Mom. »Er muss sich nur wieder beruhigen.« Luke tat mir Leid. Er half seiner Schwester nach Kräften, und die Stadt stellte sich gegen ihn. Und Jess machte es ihm auch nicht leichter, was mich ebenfalls erboste. Und da mein Freund die letzten beiden Tage damit verbracht hatte, den Kreideumriss vom Pflaster zu - 138 -
kratzen, entschloss ich mich, Dean einen Besuch abzustatten. »Gute Idee. Nichts beschleunigt die Putzaktion mehr als dein Gesicht auf seinem«, nickte Mom. »Sie gehört dir, Mia«, sagte ich. »Ich übernehme sie«, erwiderte Mia und legte ihren Arm um Moms Schultern, während sie die Straße hinuntergingen. Mom schlief, als ich nach Hause kam, und war am nächsten Morgen, als ich zur Schule ging, ein wenig mürrisch. Sie arbeitete noch, als ich von der Schule heimkehrte, doch dann kam Dean vorbei, und wir gingen auf einen Kaffee ins Luke’s. »Hey, ich muss im Market vorbeischauen«, sagte er, als wir die Straße entlang schlenderten. »Aber es ist dein freier Tag.« »Ja, ich muss meinen Gehaltsscheck abholen. Wenn ich ihn nicht bis vier abhole, schließt Taylor ihn in einen Safe ein, der mit einer Schaltuhr gesichert ist, und wenn ich mich beschwere, hält er mir einen Vortrag darüber, dass man Schecks wegen des Zinseszinses sofort bei der Bank einreichen muss, und dann tut mir vom vielen Nicken der Kopf weh, auch wenn ich gar nicht zuhöre, und…« »Geh, geh«, sagte ich. »Ich bin gleich wieder da.« Er verschwand im Market, während ich draußen wartete. Nach einer Minute tauchte Jess auf. »Du solltest hier nicht allein herumstehen. Ich habe gehört, dies hier ist eine ziemlich gefährliche Ecke.« Ich war noch immer ein wenig vergrätzt wegen der Bürgerversammlung. »Mir geht’s gut«, erwiderte ich knapp. - 139 -
»Bist du heute kurz angebunden?«, fragte er. »Ziemlich.« »Hm.« Er schwieg einen Moment. »Habe ich dich irgendwie gekränkt?« »Mich?« »Ja.« »Nein.« »Gut.« »Aber du solltest diese Frage besser Luke stellen«, fügte ich hinzu. »Das heißt?« »Du hast die ganze Stadt gegen ihn aufgebracht.« »Wirklich? Womit?« »Du weißt, was du getan hast.« »Na ja, ich bin mit den Gesetzen in dieser Stadt nicht vertraut, also könntest du eine Menge Dinge meinen. Dass ich Kaugummipapier fallen gelassen habe. Dass ich an einem Sonntag Arm in Arm mit einer Angehörigen des anderen Geschlechts spazieren gegangen bin…« Ich wies auf den Boden, wo der Kreideumriss noch immer schwach zu erkennen war. »Ah…«, machte Jess. »Was ist damit?« »Du hast das getan. Die ganze Stadt weiß, dass du es getan hast. Es hat deswegen sogar eine Versammlung gegeben.« »Du bist also wirklich zu dieser bizarren Bürgerversammlung gegangen?« »Ja, das bin ich. Und Luke auch. Und als er dort ankam, sind alle über ihn hergefallen. Und alle wollen, dass du verschwindest.« »Wow. Hammer.« »Und er stand da und hat alle angebrüllt und dich verteidigt und Taylor seinen Salatverlust ersetzt…« - 140 -
»Seinen was?« »Und jetzt ist Luke ein Ausgestoßener, und alles wegen dir.« Jess antwortete nicht. »Was für ein Schock. Es scheint dich überhaupt nicht zu kümmern«, fauchte ich wütend. »Das habe ich nicht gesagt.« »Geh. Ich habe es satt, mit dir zu reden«, fügte ich hinzu. »Schön.« Er wandte sich ab und ging davon. »Luke und seine Gefühle sind dir völlig egal!«, schrie ich, sodass Jess stehen blieb. »Du hast den toten Punkt wohl überwunden, was?«, sagte er, drehte sich um und kam zu mir zurück. »Er sorgt für dich, und du machst ihm nur das Leben schwer. Ich schätze, das ist es, was man tun muss, wenn man versucht, Holden Caufield zu sein, aber ich finde, es stinkt. Luke hat eine Menge für meine Mom und mich getan, und es gefällt mir nicht, dass er angegriffen wird. Okay, jetzt ist ein neuer toter Punkt erreicht.« Ich wandte mich von ihm ab. Jess blieb einen Moment stehen. »Ich habe nicht gedacht, dass sie so über ihn herfallen würden«, sagte er schließlich. »Komisch. Ich habe dich nie für ahnungslos gehalten. Mein Fehler.« »Okay. Ich hab’s kapiert.« Ich drehte mich um und sah ihn an. »Wirklich«, beharrte er. »Ich hab’s kapiert.« Irgendwie glaubte ich ihm. »Hast du es wenigstens witzig gefunden?«, fragte Jess. Ich musste lächeln, obwohl ich es nicht wollte, als ich an den Umriss dachte. Ich unterdrückte das Lächeln. »Darum geht es nicht«, sagte ich. - 141 -
Jess lächelte. »Ja, ja, du hast es witzig gefunden«, nickte er. »Ich hab ihn«, sagte Dean, als er aus dem Laden kam. Er bemerkte Jess. »Oh, hey.« »Ah, Dean, ich denke nicht, dass ihr euch kennt. Das ist Jess«, stellte ich vor. Zu Jess sagte ich: »Das ist Dean.« »Dein Freund?«, fragte Jess. »Natürlich«, bestätigte ich. »Tut mir Leid, das hast du nicht gesagt«, meinte er zu mir. »Wie geht’s?«, fragte er Dean. »Gut. Gut«, antwortete Dean. »Okay«, sagte ich hastig, »wir sehen uns.« »Das scheint sich nicht vermeiden zu lassen, nicht wahr?«, erwiderte Jess und zog ab. Wir drehten uns um und machten uns auf den Weg zum Luke’s. An diesem Abend standen Mom und ich vor der Tür von Grandmas und Grandpas Haus. Mom hatte noch immer schlechte Laune. »Ich frage mich, ob Grandpa noch immer in Akron ist«, sagte ich, als sie klingelte. »Ich hoffe um Akrons willen, dass er nach Boise weitergefahren ist«, antwortete sie. Ein weiteres neues Hausmädchen öffnete die Tür. »Hi, wir sind die Tochter und die Enkelin«, sagte Mom schroff und drängte sich an dem Hausmädchen vorbei. Ich lächelte entschuldigend und folgte meiner Mom. »Du bist sehr unhöflich«, stellte ich fest, als wir das Haus betraten. »Ich habe nur Kopfschmerzen.« Grandma begrüßte uns. »Oh, gut, kommt, kommt, kommt, es ist fertig und es ist großartig«, sagte sie aufgeregt, als sie uns in Grandpas Arbeitszimmer führte und uns das Porträt zeigte. - 142 -
»Ta-taa«, sagte Grandma stolz. »Wow…«, machte ich. »Wie findest du es?«, fragte Grandma. »Es ist…Wahnsinn«, erwiderte ich. »Wahnsinn?« »Nun, mich zu sehen… hier… an der Wand… aber es gefällt mir. Es ist gut, schätze ich. Es ist bloß… Ich sollte wahrscheinlich nicht darüber urteilen.« »Ich denke, Richard wird es einfach lieben, es ist das perfekte Geschenk, meinst du nicht auch?«, fragte Grandma Mom. »Hm-hmm«, gab Mom brummig zurück. »Du musst doch zugeben«, sagte Grandma stolz, »es ist besser geworden, als du dachtest.« »Ja«, sagte Mom, noch immer kurz angebunden. »Nun, komm schon. Sag etwas mehr dazu«, ermutigte Grandma sie. »Es ist großartig, Mom. Es ist wundervoll. Es liegt nur eine Stufe unter Rembrandt«, antwortete Mom sarkastisch. »Du brauchst gar nicht so schnippisch zu tun«, sagte Grandma. »Was willst du von mir? Ich würde ein paar Wunderkerzen anzünden und auf und ab hüpfen und >Ein Hoch auf das Gemälde< rufen, aber mir sind die Wunderkerzen ausgegangen, und meine Füße tun zu weh, um zu hüpfen. Aber ich verspreche dir, dass ich nächste Woche, wenn ich mehr Energie habe, ein Liebeslied für den Kronleuchter schreiben werde.« Verletzt von diesem Ausbruch verließ Grandma das Zimmer. »Mom…« Ich zeigte auf meine hinausstürmende Grandma. Mom drehte sich um und folgte ihr in die Küche. Beide tauchten ein paar Minuten - 143 -
später wieder auf, und alles schien in Ordnung zu sein, aber das Abendessen verlief ungewöhnlich schweigsam. Als wir gingen, brachte ich Mom dazu, mir zu erzählen, was ihr so nachhaltig die Laune verdorben hatte. Nach der Bürgerversammlung hatte Mom Mia ihren Plan anvertraut, zusammen mit Sookie einen Gasthof zu eröffnen. Mia war erstaunt und unterstützend. Doch dann fragte sie Mom, ob sie ihr Vorhaben nicht so schnell wie möglich in die Tat umsetzen wollte, da sie bereits nach einem Grund gesucht hatte das Inn zu verkaufen. Monas emotionale Reaktion auf den Verkauf des Inns, das für sie eine Art Zuhause war, fiel derart heftig aus, dass sie unwillkürlich an ihrer Fähigkeit zu zweifeln begann, ein eigenes Lokal zu fuhren. Sie ließ ihre Laune an Sookie aus, kritisierte alles, was sie machte, und es kam zu einem heftigen Streit. Das war früher am Tag passiert. Seitdem musste sie immer wieder daran denken. Sie wusste, dass sie im Unrecht war, aber sie wusste nicht, wie sie sich mit Sookie wieder vertragen und ihr sagen sollte, dass sie an sie glaubte und fest von ihrem Erfolg als Leiterinnen eines Gasthofs überzeugt war. Die Sache deprimierte sie, und sie war sich nicht sicher, wie sie es Sookie beibringen sollte. Am nächsten Tag kam Luke vorbei, um den Chuppa, den er für Mom gebaut hatte, auf seine Wetterfestigkeit hin zu überprüfen. Er erwähnte, dass Sookie im Diner vorbeigeschaut hatte, und wechselte schnell das Thema, als er fragte wie sich ihre Pläne mit dem Gasthof entwickelten, und erfuhr, dass die Dinge im Moment nicht so gut liefen. Mom erzählte ihm, wie sie durchgedreht war, als Mia gesagt hatte dass sie das Inn verkaufen würde, und wie sie es an Sookie ausgelassen hatte. Luke versicherte ihr, dass sie nur Angst hatte, was - 144 -
jedem passierte, wenn man etwas Großes unternahm. Er erzählte ihr von dem Tag, an dem er das Diner eröffnet hatte. Er war so nervös gewesen, dass er ins Hinterzimmer rannte, sich übergab, seinen Kopf auf den Boden hämmerte und ohnmächtig wurde. Es dauerte ein Jahr, bis ihm das Diner Spaß gemacht hatte. Was sie fühlte, war demnach normal. Also ging Mom ins Inn, entschuldigte sich bei Sookie und erzählte ihr, dass sie noch immer den Gasthof mit ihr eröffnen wollte. Sookie war verständlicherweise zurückhaltend und ließ Mom versprechen, dass sie nicht noch einmal ausflippen würde, denn sie konnte es sich nicht leisten, auf einen Streich ihre Geschäftspartnerin und beste Freundin zu verlieren. Mom stimmte zu. Seitdem sind ihre Gasthofpläne wieder auf Kurs. »Oh, Mann, es ist so eine Erleichterung, diese SookieSache geklärt zu haben«, sagte Mom, nachdem sie mir das Ende der Geschichte beim Frühstück im Luke’s erzählt hatte. »Ich weiß. Ich hasse es auch, mit Freunden zu streiten«, erwiderte ich. »Dafür sind Feinde da.« »Und Gott weiß, dass wir genug davon haben.« »Leute, die mit offenem Mund krümelige Dinge essen.« »Leute, die Leihbücher mit Eselsohren verschandeln.« »Leute, die beim Reden spucken.« Ich rieb mir das Gesicht. »Oh, verdammt, du hast mir ins Auge gespuckt.« »Das habe ich nicht.« »Hast du doch.« »Du bist voll davon.« »Luke, wo bleibt mein Toast?«, fragte ich. »Es wird eine Weile dauern«, erwiderte er. »Mein - 145 -
großer Toaster ist kaputt, deshalb muss ich mit diesem kleinen arbeiten.« Jess drehte sich um, drückte den Knopf an dem großen Toaster, sodass er einrastete, wandte sich wieder ab und wischte weiter den Tresen. »Wie hast du das gemacht?«, fragte Luke überrascht. Er drückte den Knopf, und er rastete erneut ein. Der Toaster funktionierte wieder. »Du wirst ihn noch kaputtmachen«, sagte Jess zu Luke. »Er war kaputt«, entgegnete Luke. »Dann muss er sich irgendwie erholt haben«, meinte Jess. »Unbelebte Objekte erholen sich normalerweise nicht einfach so«, erwiderte Luke. »Hast du ihn repariert?« »Bitte«, sagte Jess abweisend. »Jess…« »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest. Ich repariere keine Sachen.« »Aber gestern war er…« »Ich muss zur Schule.« Jess wandte sich zur Tür und griff unterwegs nach seinem Mantel. Als er die Tür öffnete, warf er mir einen Blick zu. Ich lächelte anerkennend, und er ging nach draußen. Vielleicht war er am Ende doch kein so schlechter Kerl.
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Aus egoistischen Gründen war ich heilfroh, dass sich Mom und Sookie wieder versöhnt hatten. Moms andere beste Freundin war nicht nur richtig süß, sondern auch eine unglaubliche Köchin, und manchmal half es, sie in der Nähe zu haben. An diesem Abend zum Beispiel waren Sookie und ich in der Küche und starrten ein großes Paket an. Sie war herübergekommen, und wir hatten beschlossen, uns einen Film anzusehen, sodass Mom zur Videothek aufgebrochen war, um ein paar Videos auszuleihen. Während sie weg war, wurde das Paket geliefert, adressiert an Mom und Max, offenbar von jemandem geschickt, der nicht mitbekommen hatte, dass die Hochzeit abgesagt worden war. Wir wollten unbedingt wissen, was in dem Paket war, also stellten wir es auf den Küchentisch und warteten darauf, dass Mom nach Hause kam. Dabei positionierten wir uns so, dass sie das Paket beim Hereinkommen nicht sofort entdecken würde. »Ich bin wieder da!«, rief Mom ein paar Minuten später von der Haustür. »Küche!«, rief ich zurück. »Okay, ich konnte mich nicht entscheiden, deshalb habe ich The Shining und Leoparden küsst man nicht mitgebracht«, sagte sie, als sie sich näherte. »Nun, ich weiß, dass ihr denkt, dass das erste Video ein Film über einen mörderischen Vater ist. Und das andere…« Sie betrat die Küche und verharrte, als sie uns dort stehen sah. Vermutlich machten wir ziemlich schuldbewusste Gesichter. »Hallo«, sagte sie misstrauisch. »Hi«, nickte Sookie. - 147 -
»Hi, Mom.« »Was habt ihr kaputtgemacht?«, fragte Mom. »Nichts. Nun, den Grill. Aber das ist für dich gekommen. Wie traten beiseite und enthüllten das große Geschenkpaket auf dem Tisch. »Und für Max«, fügte Sookie hinzu. Mom ging zu dem Paket. »Wir denken, dass es ein Hochzeitsgeschenk ist«, sagte ich. Mom las den Adressenaufkleber. »Lorelai Gilmore und Max Medina. Wow, ich schätze, Neuigkeiten verbreiten sich nicht immer schnell.« »Wirst du es aufmachen?«, fragte Sookie. »Nein«, erwiderte Mom. »Aber – bist du nicht neugierig?«, wollte Sookie wissen. »Lasst es einfach dort stehen. Ich werde es morgen zurückschicken«, sagte Mom. »Aber es ist ohne Absender«, erklärte ich. »Ist eine Karte dabei?«, »Nein«, sagte Sookie. »Vielleicht liegt drinnen eine«, sagte ich hoffnungsvoll. »Mit dem Absender«, fügte Sookie hinzu. »Natürlich bedeutet das, dass du es öffnen musst, um es herauszufinden«, schloss ich. »Schön, gib mir ein Messer«, bat Mom. Ich lief los, um eins zu holen. »Oh, das ist so aufregend…«, sagte Sookie. Mom warf ihr einen Blick zu. »Vielleicht auch nicht.« Ich gab ihr ein Messer, und als sie das Packpapier aufgeschnitten hatte, half ich ihr, den Rest des Pakets aufzureißen, und wir enthüllten eine große, verchromte Maschine. »Eine Eismaschine!«, rief ich aufgeregt. »Eine Musso Lussino 4080!« Natürlich kannte Sookie - 148 -
den Hersteller und das Modell. »Jemand hat mir eine faschistische Eismaschine geschickt?«, wollte Mom wissen. »Italienisches Design, rostfreier Stahlbehälter mit Chromverkleidung«, sagte Sookie ehrfürchtig. »Ich wusste nicht, dass sie in den Staaten erhältlich sind.« »Und keine Karte«, stellte Mom fest. »Perfekt.« »Sie hat ihre eigene Gefriereinheit, sodass du nicht vorkühlen musst.« Mom versuchte sie zu unterbrechen, aber Sookie war viel zu aufgeregt. »Und Jackson hat gerade seine Apfelernte eingebracht. Wir können Apfelweineiskreme machen!« »Ja, das können wir, wenn wir seine Eismaschine benutzen, aber II Duce hier wird zurückgeschickt«, sagte Mom nachdrücklich. »An wen? Vielleicht ist sie eine Waise«, meinte ich. »Das stimmt. Wir müssen ihr ein Zuhause geben«, fügte Sookie hinzu. »Okay, noch einmal – ich erinnere an die Tatsache, dass dies ein Hochzeitsgeschenk ist, und da ich nicht geheiratet habe, bin ich weder nach Gottes noch nach Emily Posts Gesetz berechtigt, sie zu behalten«, ereiferte sich Mom. »Aber gibt es nicht ein Gesetz über verspätete Geschenke?«, fragte ich. »Du meinst, wenn sie nach einem bestimmten Datum eintreffen, verwirkt der Schenkende jedes Recht auf Rückgabe?«, sagte Sookie. »Genau«, nickte ich. »Netter Versuch«, sagte Mom. »Es stimmt«, fuhr Sookie fort. »Ich habe es bei Martha Stewart gesehen. In einer ihrer Doppelsendungen. In der ersten Hälfte ging es um Hundemassagen, und es gab - 149 -
einen Chow-Chow, und sie rieb ihn…« »Sookie…«, fiel Mom ihr ins Wort. »Aber in der zweiten Hälfte ging es um Geschenke, und sie sagte, wenn es später als zehn Wochen…« »Acht«, korrigierte ich. »Acht Wochen eintrifft, dann muss man es nicht mehr zurückgeben.« Sookie und ich verschränkten sehr zufrieden mit unserem Argument die Arme. »Okay«, sagte Mom, »offenbar entwickelt sich dies zu einem der Momente, die St. Petrus auf einem großen Videomonitor zeigen wird, wenn ich sterbe, und ich für meinen Teil möchte nicht uns drei sehen, wie wir mit Apfelweineiskreme im Gesicht herumstolpern, während es um mein Seelenheil geht. Bis wir herausfinden, wer die Maschine geschickt hat, rührt niemand sie an. Und«, fügte sie hinzu, als sie nach einer Videokassette griff, »wir sehen uns The Shining an.« Sie machte kehrt und ging ins Wohnzimmer. Sookie und ich warfen der Eismaschine einen traurigen Blick zu. »Ich wette, Max hätte sie uns behalten lassen«, sagte Sookie bekümmert, als wir Mom in den anderen Raum folgten, um uns den Film anzusehen. Die Dinge in der Schule waren seit dem PuffsZwischenfall relativ normal verlaufen. Paris und ich hatten sogar ein System erarbeitet, das es ihr ermöglichte, mich nicht zu hassen, während wir zusammen an der Zeitung arbeiteten. Aber ich hätte wissen müssen, dass dieser Frieden nicht von langer Dauer sein würde, richtig? Ja, ich weiß. Aber ich wusste es nicht. Ich war in Professorin Andresens Shakespeare-Kurs und machte mir Notizen, während sie redete. »Ob Sie es nun glauben oder nicht, Shakespeare hat - 150 -
wahrscheinlich nie gewollt, dass seine Stücke von Schülern gelesen werden, die an Pulten sitzen und denen Einser-Zensuren wichtiger sind als das Schicksal von Macbeth. Seine Stücke sollten erfahren, erlebt werden. Wenn wir dies berücksichtigen…« Sie verteilte Unterlagen. »Ihr werdet euch in fünf Gruppen aufteilen, und jede Gruppe wird für einen Akt von Romeo und Julia verantwortlich sein. Das Stück wird Sonntag in einer Woche aufgeführt. Ihr werdet einen Regisseur benennen, die Rollen besetzen, die Szene proben und auf eure individuelle Weise interpretieren. Letztes Jahr haben wir Richard III. aufgeführt. Eine Gruppe hat ihre Szene als Mafiosi gespielt, eine andere hat ihre in der Zeit des Römischen Imperiums angesiedelt, aber mein Favorit war die dramatische letzte Szene, die in den letzten Tagen der Sonny and Cher Show spielte. Denkt immer daran, ganz gleich, welche Interpretation ihr wählt, sie sollte unterstreichen, worum es eurer Meinung nach in der Szene geht.« Es klingelte und alle sprangen auf. »Und wenn die Liebe zur Sprache des Barden euch nicht inspiriert, dann denkt daran, dass dieses Projekt zu fünfzig Prozent eure Zensur bestimmen wird«, rief Professorin Andresen uns hinterher. Die Klasse strömte nach draußen, während Paris, Madeline, Louise und ich noch einen Moment sitzen blieben. Wir alle sahen auf unsere Unterlagen. »Fünfter Akt«, sagte Madeline fröhlich. »Fünfter Akt«, erklärte eine gleichgültige Louise. »Fünfter Akt?«, fragte Paris mich. »Fünfter Akt«, sagte ich resigniert. Paris seufzte. »Warum nähen sie uns nicht einfach zusammen und nennen uns Chang und Eng?« Wir standen auf und verließen den Klassenraum. Henry - 151 -
kam zu mir, als ich auf den Korridor trat. Henry Cho ist der koreanisch-amerikanische Junge mit dem strahlenden Lächeln, der letztes Jahr auf Madelines Party Lane angebaggert hat. Kaum war er durch die Tür gekommen, hatte er sich auch schon auf sie gestürzt, und obwohl sie zuerst zögerte, hält sie ihn mittlerweile für das total perfekte Fester-Freund-Material. Wenn da nicht Mrs Kim wäre. Und Lane ist mit ihrer typischen Logik fest davon überzeugt, dass alles nur noch schlimmer werden könnte, wenn sie ihrer Mom erzählt, dass sie mit einem koreanischen Jungen geht, gegen den sie vermutlich nicht einmal etwas einzuwenden haben würde. Also ruft Henry mich an, und ich hole Lane ans Telefon, damit sie miteinander reden können. Das ist meine Pflicht als beste Freundin. Außerdem mag ich Henry. Und es ist amüsant zu sehen, wie Lane für einen koreanischen Jungen schwärmt, etwas, das sie ihr ganzes Leben lang vermieden hat. Henry hielt seine Unterlagen hoch. »Dritter Akt. Schwertkampf. Du?« »Fünfter Akt. Sterbeszene.« »Nett. Also heute Abend acht Uhr?« »Ich sag Lane Bescheid.« Paris kam zu mir und flötete zuckersüß: »Rory, tut mir Leid, dass ich störe, hi, Henry, aber sieh mal, wir alle stehen dort drüben und versuchen einen Spiel- und Probeplan zu erstellen, und ich bin sicher, dass das, worüber ihr beide euch hier unterhaltet, viel faszinierender und wichtiger und, nun ja, sagen wir spaßiger ist. Aber ich möchte eine Eins für diese Aufgabe bekommen, und deshalb müsst ihr, fürchte ich, ein anderes Mal über eure Sockenhalter und Feten diskutieren.« Sie lächelte uns an und ging davon. - 152 -
»Also, das war unheimlich«, sagte Henry. »Sie ist noch viel unheimlicher, wenn sie ein Megafon in die Hände bekommt«, prophezeite ich ihm. Henry wandte sich ab, und ich ging zu Paris, Madeline und Louise. »Ich sage, wir treffen uns in der Cafeteria«, erklärte Paris. »Die Akustik ist der im Großen Saal ähnlich und… oh, nun, seht mal, wer da kommt.« »Tut mir Leid.« »Spar dir das«, erwiderte Paris. »Hey, hey, hey, seht mal, wer nach der Suspendierung wieder da ist«, sagte Louise und zeigte an uns vorbei den Korridor hinunter. Wir alle drehten uns um und sahen Tristin zusammen mit Duncan und Bowman, zwei älteren Jungen. Tristin Dugray war der größte Fehler, den ich je gemacht habe. Seit meinem ersten Tag in Chilton hatte er sich mir gegenüber immer nur gemein verhalten und nannte mich »Maria« (wie in Jungfrau Maria), aber als Dean und ich uns im letzten Jahr für kurze Zeit getrennt hatten, habe ich ihn auf Madelines Party geküsst. Es war zuerst peinlich, doch Tristin und ich haben über den Kuss geredet und sind zu dem Schluss gelangt, dass es nur wegen unserer kürzlichen Trennungen passierte. Das war das erste Mal, dass er sich mir gegenüber als normaler Mensch zu erkennen gegeben hatte, und ich war danach so zufrieden, dass ich ihn überzeugte, dass es eine gute Idee wäre, Paris um eine Verabredung zu bitten. Er hatte gesagt, er würde darüber nachdenken, und ging am Ende tatsächlich mit ihr aus. Paris war überglücklich. Aber Tristin war nicht wirklich interessiert an ihr, und als sie herausfand, dass Tristin sich nur mit ihr verabredet hatte, weil ich es vorgeschlagen hatte, verabscheute sie mich noch mehr als vor diesem Date. Als müsste ich ihr noch - 153 -
einen weiteren Grund geben, mich zu hassen. Ich hatte Tristin seitdem kaum gesehen. Seit die Schule in diesem Herbst wieder begonnen hatte, war er häufiger suspendiert, als er am Unterricht teilgenommen hatte. »Tristin war schon wieder suspendiert?«, fragte ich. »Oh, als hättest du nicht bemerkt, dass er weg war«, sagte Paris schnippisch. »Was hat er diesmal angestellt?« »Er hat Mr Macafeers Wagen auseinander genommen und im Korridor des Wissenschaftsgebäudes wieder zusammengebaut«, informierte Madeline mich. »Du machst Witze«, sagte ich. »Naja, er hat es nicht allein getan. Duncan und Bowman haben ihm geholfen«, erklärte Louise. »Und die Mechaniker, die sie bezahlt haben, um die eigentliche Arbeit zu machen«, fügte Madeline hinzu. »Hey, jeder, der dumm genug ist, um mit Butch Cassidy und Sundance Kid herumzuhängen, verdient, was er bekommt«, meinte Paris. »Seit wann ist er mit diesen Kerlen zusammen?«, fragte ich. »Das neue Jahr begann, und sie waren da. Alle drei, Seite an Seite«, sagte Madeline. »Praktisch gleich angezogen«, erklärte Louise. »Sehr On-the-Town-mißig«, meinte Madeline. Paris ging davon, und Madeline und Louise folgten ihr. Ich sah zu Tristin hinüber, wandte mich dann ab und folgte ihnen den Korridor hinunter. Als ich an diesem Abend heimkam, war Mom im Wohnzimmer und telefonierte, mit einem Kugelschreiber und einer Liste in der Hand, um ihr Versprechen zu halten und herauszufinden, wer das Hochzeitsgeschenk geschickt hatte. Ich hatte unterwegs im Luke’s - 154 -
vorbeigeschaut und Kaffee gekauft. Mom nickte mir dankbar zu, als ich ihr den Becher gab, dann ging ich in mein Zimmer, um mein Schuljackett aufzuhängen. Schließlich kehrte ich ins Wohnzimmer zurück und setzte mich zu ihr auf die Couch. Sie legte den Hörer auf und seufzte frustriert. »Ist es nicht unheimlich, dass sich meine Eltern als die Normalen in der Familie erweisen?«, sagte sie. »Kein Glück?« »Tja, ich habe die Pennsylvania-Gilmores noch nicht erreicht…Wie war dein Tag?«, fragte sie und legte ihre Liste beiseite. »Ich muss zusammen mit Paris, Madeline und Louise den fünften Akt von Romeo und Julia auffuhren«, erzählte ich ihr. »Wirklich.« »Paris hat sich selbst zur Regisseurin ernannt.« »Nett. Welche Rolle wirst du spielen?« »Ich bin mir noch nicht sicher. Sie brütet noch immer über den Probeaufnahmen, aber wir werden es morgen erfahren.« »Probeaufnahmen.« »Vierundzwanzig Takes.« »Ich hätte gern eine Kopie davon.« »Vergiss es.« »Ich würde sie übers Internet verkaufen. Ein Vermögen machen«, sagte sie, stand von der Couch auf und ging in die Küche. Wie eine Reklamesprecherin fuhr sie fort: »Zuerst haben wir Ihnen Pamela und Tommy Lee präsentiert. Jetzt bereiten Sie sich auf die verrückten Eskapaden von Rory und dem Barden vor.« Ich nahm die Liste, die sie zurückgelassen hatte, und blätterte sie durch. »Oh, und ich habe Paris gesagt, dass - 155 -
du unsere Kostüme schneidern wirst, und du sollst morgen um drei zu einer Konzeptbesprechung kommen.« »Was?«, fragte Mom, als sie mit einem Becher Cool Whip und einem Löffel wieder in der Tür auftauchte. »Ja. Sie braucht einen Lebenslauf und Proben deiner früheren Arbeiten und Referenzen…« »Will sie auch noch meinen nackten Hintern küssen?«, fragte Mom, den Mund voller Cool Whip. »Wenn du meinst, dass es dich von den anderen Bewerbern abheben wird, ja. Hey«, sagte ich und wedelte mit der Liste, »ich wusste nicht, dass es jemand namens Bunny in unserer Familie gibt.« »Oh«, erwiderte Mom ernst, »die kannst du von der Liste streichen.« »Arme Bunny…« Das Telefon klingelte, und ich nahm den Hörer ab. »Hallo?« »Hey«, sagte Henry. »Henry, hi.« »Rufe ich zu spät an?«, fragte er. »Nein, genau rechtzeitig. Warte.« Ich drückte eine Taste am Telefon. »Hey, Schatz«, unterbrach mich Mom, während sie ihre Sachen einsammelte. »Ich muss zum Kurs. Auf dem Tisch liegt Geld für eine Pizza.« »Danke«, sagte ich, als ich die Taste für Lanes gespeicherte Nummer drückte und Mom wieder in der Küche verschwand, um ihre anderen Sachen zu holen. Mrs Kim nahm ab. »Hallo, Mrs Kim, hier ist Rory. Kann ich bitte mit Lane sprechen?«, sagte ich in den Hörer. »Lane lernt«, erwiderte Mrs Kim knapp. »Mama? Ist es für mich?«, hörte ich Lane im Hintergrund rufen. - 156 -
»Warum?«, wollte Mrs Kim wissen. »Weil ich einen Anruf von Rory erwarte und…« »Hast du deine Matheaufgaben gemacht?«, fragte Mrs Kim. »Ja.« »Geschichte?« »Ja.« »Biologie?« »Nein.« »Warum nicht?« »Ich habe keine Biologie.« »Warum nicht?« »Weil ich letztes Jahr Biologie hatte.« »Und das genügt? Ein Jahr, und du weißt alles, was es zu wissen gibt?« »Nun, ich…« »Morgen suchen wir für dich eine Privatschule.« »Mama, bitte, das Telefon.« »Fünf Minuten. Ich zähle.« »Hallo?«, sagte Lane ins Telefon. »Lane, warte.« Ich drückte eine Taste und holte Henry in die Leitung. »Henry?« »Hier«, erwiderte er. »Lane?« »Hier«, antwortete sie. »Okay, Leute. Wir reden später weiter.« Ich lächelte und legte den Hörer auf, damit sie sich ungestört unterhalten konnten. Dann griff ich wieder nach Moms Liste. Mom kam ins Wohnzimmer zurück. Sie hatte ihre Jacke angezogen und hielt ihre Büchertasche in der Hand. »Okay. Ich bin weg. Hey, tust du mir einen Gefallen und erledigst einige dieser Anrufe für mich?« - 157 -
»Findest du nicht, dass du ein bisschen übertreibst?« »Wie meinst du das?« »Ich meine, ich verstehe, dass du die Eismaschine zurückgeben willst, aber du hast dich ehrlich bemüht, dich mit der Person in Verbindung zu setzen, die sie geschickt hat, und…« »Ich will der Sache ein Ende machen. Ich muss das tun. Okay?« »Okay.« Ich nahm die Liste und gab mich ganz geschäftsmäßig. »Onkel Randolph…« Ich griff nach dem Telefon, als Mom nach draußen ging. »Oh, tut mir Leid, Leute«, sagte ich in den Hörer, als Mom sich umdrehte. »Sie sind gleich fertig«, erklärte ich ihr. »Okay, aber warte nicht zu lange. Ich glaube, Randolph ist Bunnys älterer Bruder.« »Verstanden.« Und Mom ging zu dem Kurs, während ich darauf wartete, dass Lane und Henry ihr Gespräch beendeten. Unsere Shakespeare-Gruppe traf sich am nächsten Tag nach der Schule in der Cafeteria. Ich ging hinein und traf auf Louise, die ihre Nägel feilte, und Madeline, die in einer Ausgabe des Jane-Magazins blätterte. Außerdem saß dort noch ein irgendwie verschüchtert wirkender Junge, der ein unbehagliches Gesicht machte und völlig fehl am Platz zu sein schien. Ich ging zum Tisch hinüber. »Hey.« »Hey«, erwiderte Madeline. »… we’re the Monkees«, sang Louise, den Gruß vervollständigend. »Wo ist Paris?«, fragte ich und setzte mich. »Sie wird in einer Minute hier sein«, antwortete Madeline. »Sie sagte, sie müsste noch etwas erledigen.« Ich sah den Jungen neben mir an. »Hi, ich bin Rory.« - 158 -
»Ich bin Brad. Ich bin aus dem Shakespeare-Kurs der dritten Stunde.« »Er ist die Antwort auf unseren Mangel an Jungs«, informierte mich Louise. »Ist das nicht super?« »Nun, vielleicht sollten wir schon mal anfangen«, schlug ich vor. Madeline blickte überrascht von ihrem Magazin auf. »Ohne Paris?« »Das könnte tödlich sein«, warnte Louise, während sie weiter ihre Nägel feilte. »Wir könnten wenigstens über das geplante Motiv reden«, sagte ich. »Wir machen es auf die traditionelle elisabethanische Art«, erklärte Paris, als sie mit einem großen Karton voller Requisiten hereinkam. »Elisabethanisch?«, fragte ich, als Paris den Karton abstellte. »Aber ich dachte, es geht darum…« »Es geht darum, eine Eins zu bekommen«, unterbrach Paris, »und nicht darum, Romeo und Julia zu einem Vegas-Stück umzufunktionieren. Außerdem haben wir die Sterbeszene. Die ist klassisch. Und berühmt.« Dann bemerkte sie den neuen Jungen und fragte: »Und wer bist du?« Brad zitterte fast, als er antwortete. »Ich bin, äh, Brad. Ich bin aus dem Shakespeare-Kurs der dritten Stunde, Ma’am.« »Okay«, sagte Paris, als sie eine fotokopierte Broschüre verteilte, »ich möchte jetzt, dass jeder von euch die Kapitel über die Schauspielerei liest, die ich heute aus Housemans Memoiren fotokopiert habe. Alle sind bis Freitag gebucht, und wenn ihr eine Probe versäumt, solltet ihr besser ein ärztliches Attest vorlegen.« Sie zog ein Schwert aus dem Karton. - 159 -
»Sag mir, dass du das nicht zu Hause herumliegen hast«, bat ich. Paris ignorierte mich und richtete ihre Aufmerksamkeit auf Brad. »Wir sind knapp an Jungs. Das macht dich zu Romeo.« Brad war entsetzt. Paris fuhr fort: »Louise, du kannst Friar spielen.« »Wie bitte?«, protestierte Louise. »Sieh einer an, hier steckt die ganze Gang«, fiel ihr Tristin ins Wort, als er den Raum betrat. Er kam an den Tisch, drehte einen Stuhl um und ließ sich darauf nieder. »Wir sind mitten in einer Besprechung«, informierte Paris ihn. »Ja, tut mir Leid, dass ich mich verspätet habe.« »Was denkst du, was du hier machst?«, sagte Paris. »Professorin Andresen hat mich vergessen, als sie die Gruppen einteilte«, erklärte Tristin, »und sie sagte mir, ich soll mir eine aussuchen.« »Schön, du hast vier andere Akte, die du auswählen kannst. Entscheide dich für einen davon.« »Nun ja, Summers ist im ersten Akt. Beth und Jessica sind im zweiten Akt. Kate ist im dritten Akt. Und Cläre, Kathy und Mary sind im vierten Akt, sodass dieser hier der einzige ist, der frei von Ex-Freundinnen ist«, erwiderte Tristin. »Werden wir damit für unseren guten Geschmack bestraft?«, fragte Paris sardonisch. »Oh, Paris, du kränkst mich. Brauchst du mich denn überhaupt nicht mehr?« »Doch, wir brauchen dich«, sagte Louise und beugte sich nach vorn. »Du kannst unser Romeo sein.« »Brad ist Romeo«, warf ich hastig ein. »Setz deine andere Kontaktlinse ein, Grandma. Tristin ist Romeo. Brad kann die zweite Wache links sein«, fuhr - 160 -
Louise fort. »Nein«, widersprach Paris nachdrücklich. Madeline blickte von ihrer Zeitschrift auf. »Aber sie hat irgendwie Recht, Paris. Tristin ist der geborene Romeo.« »Hey, ich bin die Regisseurin, und ich entscheide, wer für was geboren ist, und Brad ist Romeo«, beharrte Paris. »Nicht einmal die Hölle ist schlimmer als ein verschmähtes Weib«, raunte Louise nicht besonders leise Madeline zu. »Was hast du gesagt?«, fragte Paris. »Nur dass hier vielleicht jemand seine Führungsqualitäten von persönlichen Gefühlen beeinträchtigen lässt«, sagte Louise zu Paris. »Mein einziges Gefühl ist, dass ich die wichtigste Rolle nicht jemanden geben will, der es nicht einmal schafft, sich auf dieser Schule zu halten«, gab Paris zurück. »Ich sage nur eins.« Louise machte eine Pause. »Fünfzig Prozent unserer Zensur.« Paris war hin und her gerissen und stand kurz vor dem Überkochen. »Werdet ihr euch auch noch die Augen auskratzen, oder lasst ihr es bei einem verbalen Schlagabtausch bewenden?«, fragte Tristin, der den Streit, den er ausgelöst hatte, augenscheinlich genoss. Paris wandte sich an mich. »Wie denkst du darüber?« Alle Blicke richteten sich auf mich. »Nun…« Ich sah Brad an. »Wie gut kannst du vor vielen Leuten sprechen?« »Ich neige dazu, mich zu übergeben«, antwortete Brad schnell. Ich sah Paris an. Sie seufzte und richtete ihre Aufmerksamkeit auf Tristin. »Schön! Aber ich schwöre, wenn du es verpatzt, wirst du beten, dass man dich - 161 -
suspendiert.« Tristins Pager piepte. Er warf einen Blick auf das Display und erklärte dann, dass er etwas zu erledigen hatte. »Sind wir hier fertig?«, fragte er, als er aufstand. »Morgen Abend wird geprobt«, rief Paris, als Tristin nach draußen ging. »Gut«, sagte Louise, mit dem Ergebnis zufrieden. »Dann kann Brad Friar Tuck und ich die Julia spielen.« »Falsch«, erwiderte Paris. »Hey«, protestierte Louise. »Von Julia wird erwartet, dass sie keusch ist.« »Oh.« Louise widmete sich wieder ihren Nägeln. Madeline beugte sich vor. »Dann…«, sagte sie hoffnungsvoll. »Und sie hat mehr als drei Sätze«, eröffnete Paris ihr. »Oh.« Madeline lehnte sich zurück und starrte wieder in ihre Zeitschrift. Paris wandte sich an mich. »Oh, nein«, protestierte ich. »Oh, ja«, bekräftigte Paris. »Nein.« »Zu spät«, informierte Paris mich. »Wie kann es zu spät sein? Wir haben, doch noch gar nicht angefangen.« »Du bist Julia. Du kannst am besten vor Leuten reden, du hast definitiv etwas von einem obdachlosen Kind an dir, und du wirst tot großartig aussehen. Nächster Punkt der Tagesordnung. Ich habe mich heute Morgen nach einer Location umgesehen, und ich denke, der hintere Schulhof…« Paris redete weiter, aber ich hörte ihr nicht mehr zu. Ich konnte nicht fassen, dass ich die Julia für Tristins Romeo spielen musste. - 162 -
Ich traf Mom nach der Schule auf einen Kaffee, dann gingen wir nach Hause. Sie war aufgeregt, weil sie sich entschlossen hatte, ihre erste Post-Max-Verabredung anzunehmen und mit einem Mann aus ihrem Betriebswirtschaftskurs auszugehen, der schon seit Wochen mit ihr flirtete. Offenbar hatte Mom immer den letzten Burrito aus dem Automaten genommen, und das führte irgendwie dazu, dass er sie um ein Date bat. Ich weiß, es ist verrückt, aber ich war wirklich froh und ermutigte sie zu ihrer Verabredung. Wir kamen nach Hause, und Mom setzte sich an den Küchentisch, um vor ihrem Rendezvous weiter an meinem Kostüm zu arbeiten. Ich zog meine Schuluniform aus, und als ich in die Küche zurückkam, rief Lane an. Ihre Mutter war ursprünglich anderer Meinung gewesen, aber jetzt hatte sie nichts mehr dagegen, dass sich Lane am Sonntag das Theaterstück ansah. »Das ist erstaunlich! Was hat ihre Meinung geändert?«, fragte ich, als ich ins Wohnzimmer ging. »Ich habe ihr Romeo und Julia mit Leo und Ciaire Danes gezeigt«, erklärte Lane. »Wirklich? Ich hätte erwartet, dass sie ihn hasst.« »Oh, sie hasst ihn auch. Aber du kannst darauf vertrauen, dass meine Mom in der größten Liebesgeschichte der Welt nur eine Warnung davor sieht, was passiert, wenn Kinder ihren Eltern nicht gehorchen.« »Nun, ich nehme an, du kannst deinen Eltern noch immer nicht von Henry erzählen«, sagte ich, als ich mich im Wohnzimmer setzte. Lane senkte ihre Stimme. »Ich meine, welche Möglichkeiten habe ich noch, wenn ich es ihnen erzähle? Wenn sie ihn hassen, ist es vorbei. Wenn sie ihn lieben, muss ich ihn scheußlich finden, und es ist auch vorbei. - 163 -
So, wie es jetzt ist, ist es toll.« »Du meinst, dass du ihn am Telefon Rory nennst, für den Fall, dass deine Mutter zuhört.« »Ich habe mich an meinen Käfig gewöhnt, Rory.« Dann rief Mrs Kim nach Lane, und sie verabschiedete sich hastig und legte auf. Mom kam herein und trug Julias prachtvollen Kopfschmuck. Sie drehte sich wie ein Model im Kreis. »Was dünkt meiner Lady?« »Dass du dich zum Turnier verspäten wirst?« »Ich meinte, was hältst du von dem lieblichen Kopfschmuck, den die kunstfertige Hand deiner Mutter genäht hat?« Sie deutete eine Verbeugung an. »Ich bin überaus zufrieden, aber hat meine holde Mutter mal auf die Uhr gesehen?« Ich wies auf die Uhr an der Wand hinter ihr. Sie drehte sich um. »Oh, Mist!« Sie nahm den Kopfschmuck ab und rannte die Treppe hinauf, um sich für ihr Date fertig zu machen, als das Telefon erneut klingelte. »Hallo?« Es war Paris, die mit ihrem Handy aus Chilton anrief. »Zwei andere Gruppen proben im Großen Saal der Schule, obwohl ich ihn ausdrücklich für uns reserviert habe und die Reservierung zweimal bestätigen ließ, aber umsonst. Jedenfalls werden sie dort sein, und ich will nicht, dass sie uns ausspionieren.« »Ich denke nicht, dass das Ende von Romeo und Julia ein großes Geheimnis ist.« »Hallo, ich meine natürlich unsere Interpretation.« »Oh, richtig.« »Ich bin ins Web gegangen und habe eine Site namens MissPatty.net gefunden. In deiner Stadt.« »Es gibt eine Site namens MissPatty.net?«, fragte ich - 164 -
überrascht. »Hast du schon davon gehört?« »Nun…« »Ist der Raum groß genug?«, unterbrach Paris. »Die Site spricht von hundertvierzig Quadratmetern.« »Weißt du, ich würde lieber woanders proben.« »Hör zu, ich habe schon genug Sorgen, auch ohne mir den Kopf darüber zerbrechen zu müssen, dass es dir peinlich ist, wo du wohnst.« »Es ist mir nicht peinlich. Ich… will nur mein Schulleben von meinem Privatleben trennen. Du verstehst?« »Nein. Madeline und Louise sind bereits auf dem Weg. Ich sehe dich in einer halben Stunde.« Paris unterbrach die Verbindung. Ich legte den Hörer auf und wollte schon ins Zimmer meiner Mutter gehen, um ihr zu erzählen, was gerade passiert war, als sie die Treppe herunterkam und den Raum absuchte. »Hast du meine Tasche mit den Perlen und dem Pelz gesehen, die irgendwie an Stalins Kopf erinnert? Aha…«, rief sie, als sie sie entdeckte. »Wir proben jetzt hier«, brach es aus mir heraus. »Was?«, fragte Mom, als sie an den Schreibtisch trat und in ihrer Tasche kramte. »Unsere Shakespeare-Gruppe«, erklärte ich, während ich ihr folgte. »Paris wollte nicht, dass wir ausspioniert werden, und deshalb proben wir jetzt in Stars Hollow. Das ist Mist.« Ich konnte es nicht fassen. »Nun, wenigstens musst du nicht extra nach Hartford fahren. Warum machst du also so ein Gesicht?«, fragte sie, drehte sich zum Spiegel an der Wand um und trug Lippenstift auf. »Es ist bloß…Tristin ist in unserer Gruppe.« - 165 -
»Oh, ja, das hast du mir erzählt.« »Richtig, und Tristin… er ist in unserer Gruppe… was bedeutet, dass er dabei ist… und Dean lebt hier… deshalb ist es Mist.« Mom drehte sich um und sah mich an. »Okay, weißt du was, Vanna, ich brauche ein paar weitere Vokale.« »Ich muss es ihm sagen.« »Wem sagen?« »Dean.« »Dean was sagen?« »Dass…Tristin… und ich… dass wir uns… auf dieser blöden Party geküsst haben«, stieß ich schließlich hervor. »Ooh«, machte Mom ein wenig überrascht. »Ich habe keine Wahl.« »Nun…«, sagte Mom und puderte ihre Nase. »Denn wenn Tristin Dean sieht, dann wird er es ihm erzählen, und dann wird alles noch viel schlimmer sein, weil es dann so aussieht, als hätte ich es ihm verschwiegen.« »Okay, beruhige dich.« »Was auch der Fall ist. Ich habe es ihm verschwiegen! Ich kann es nicht glauben! Ich muss es ihm sagen.« Mom dachte einen Moment darüber nach. »Du hast Recht.« »Habe ich?«, fragte ich, überrascht, dass sie mir zustimmte. »Jaah. Ich denke, du solltest es ihm sagen«, meinte Mom ermutigend. »Natürlich, klar, ich muss es tun.« »Ja. Dann kann Dean während des Stücks, wenn Tristin auftritt und dich tot vorfindet und eine Giftphiole aus der Tasche zieht, um sich auch zu töten, aus dem Zuschauersaal springen und ihm den Kopf abreißen und - 166 -
ein Maß an Realismus beisteuern, wie es nur wenige Produktionen zuvor gesehen haben. Du wirst eine Eins bekommen, das Actors Studio wird durchdrehen und James Lipton wird dich nach deinem Lieblingsfluch fragen. Das ist ein toller Plan.« »Du bist mir keine Hilfe«, stellte ich fest, wandte mich ab und ging zur Couch. »Immerhin helfe ich, einen Mord zu verhindern.« Ich sank auf die Couch und legte mich hin. »Ich muss es ihm sagen, ich habe keine Wahl.« »Okay, schön«, sagte Mom und kam zu mir. »Probier es zuerst bei mir aus.« »Was?«, fragte ich, als Mom meine Beine hob und sich auf die Couch setzte. »Tu so, als wäre ich Dean. Wenn du es ihm erzählen willst, solltest du dir besser vorher überlegen, was du sagen wirst.« »Ernsthaft?« »Ernsthaft.« Ich setzte mich auf und sammelte mich. »Okay.« Ich sah meine Mom an. »Dean«, sagte ich. »Rory«, antwortete Mom mit tiefer Stimme. Ich warf ihr einen Blick zu. »Tut mir Leid. Jetzt ernsthaft.« Ich sammelte mich erneut und fing noch einmal von vorne an. »Okay, Dean. Weißt du noch letztes Jahr, als wir uns getrennt hatten… und wir nicht mehr zusammen waren, weil… wir uns getrennt hatten…« »Das ist gut. Erwähne es dreimal. Mach weiter«, ermunterte mich Mom. »Und da war diese Party, und ich ging hin. Und, äh, Tristin war da, und irgendwie, ich bin mir nicht ganz sicher wie, aber wir landeten schließlich in diesem - 167 -
Zimmer und wir… haben uns geküsst.« »Du und Tristin?«, hakte Mom/Dean nach. »Jaah.« »Auf die Hand?« »Nein.« »Wange?« »Nein.« »Hat er dich geküsst oder hast du ihn geküsst?« »Irgendwie… wir beide«, antwortete ich. »Du hast ihn also geküsst?« »Ja.« »Wann?« »Das habe ich dir bereits dreimal gesagt. Als wir uns getrennt hatten«, fauchte ich verärgert. »Okay, es ist keine gute Idee, ihn anzuschreien.« »Tut mir Leid.« Mom/Dean fuhr fort: »Wann während der Trennung?« »Wie meinst du das?« »Ich meine, wie lange waren wir getrennt, als du Tristin geküsst hast?« »Ah… nun… es war an dem Abend nach der Trennung.« »Du meinst, an dem Abend, nachdem ich dir gesagt habe, dass ich dich liebe.« »Ja.« »Also an dem Abend, nachdem ich dir gesagt habe, dass ich dich liebe, hast du Tristin geküsst?«, fragte Mom/Dean. »Ich bin ein schrecklicher Mensch!«, ging mir auf. »Warte…«, versuchte Mom mich zu beruhigen. »Er hat absolut Recht! Er hat mir gesagt, dass er mich liebt, und ich gehe los und küsse Tristin.« »Hey, das war ich, nicht Dean.« - 168 -
»Ich hasse mich!« »Du hast nichts Unrechtes getan! Du warst verletzt und verwirrt und von ihm getrennt. Du hast nichts Unrechtes getan.« »Sag das Dean.« »Nein, denn wir werden Dean gar nichts sagen.« »Mom…« »Hör mir zu. Ich weiß, du bist Miss Ehrlich, ich habe die Schärpe im Schrank gesehen, aber das ist die Art Ehrlichkeit, die nur dazu führt, dass du dich weniger schuldig fühlen wirst, während Dean zutiefst verletzt sein wird. Diese Art Ehrlichkeit wird möglicherweise die wirklich gute Beziehung zerstören, die ihr jetzt habt. Willst du das?« »Nein, das will ich nicht.« »Also gut. Entspann dich. Bleib ruhig. Alles wird gut.« Sie hatte Recht. »Okay.« »Ich muss gehen. Kann ich dir noch eine weitere Frage stellen?« Ich blickte zu ihr auf und nickte. Sie senkte die Stimme und wurde wieder zu Dean. »Findest du meine Frisur cool?« »Bye«, sagte ich. »Denn an manchen Tagen sehe ich sie an und denke cool, und an manchen Tagen denke ich, sie könnte cooler sein«, fuhr Mom/Dean unbeirrt fort. Ich stieß sie von der Couch und legte mich wieder hin. »Ich werde nicht auf dich warten.« »Heute dachte ich, die linke Seite ist cool und die rechte Seite nicht so cool«, fügte Mom/Dean noch hinzu, bevor sie von der Couch aufstand. Ich musste unwillkürlich lächeln. »Bye«, sagte ich noch einmal. - 169 -
»Bye«, wiederholte Mom, griff nach ihrer Handtasche und verschwand durch die Haustür. Als ich Miss Pattys Tanzstudio erreichte, traf ich dort auf Paris, die Miss Patty und ihren Senioren-Yogakurs mit wütenden Blicken bedachte. Madeline, Louise und Brad kamen hinter mir herein. »Ist das die Besetzung von Cocoon?«, fragte Louise. Paris sah die Gruppe an. »Wo ist Tristin?«, wollte sie wissen. »Er sagte, er wollte mit euch kommen.« »Oh, er ist hier. Er ist nur kurz zum Market gegangen«, erklärte Madeline. Ich riss meinen Kopf herum. »Was?« »Er brauchte Zigaretten. Nur für den Fall, dass wir noch nicht wissen, wie böse er ist«, erzählte Louise uns. »Ah… ich bin gleich wieder da«, sagte ich. »Wohin gehst du?«, wollte Paris wissen. »Es dauert nur eine Sekunde«, rief ich und lief die Treppe hinunter. Ich rannte hinüber zum Market und kam gerade rechtzeitig an, um zu sehen, wie Tristin Geld auf ein aufgeplatztes Päckchen Mehl warf, das er offenbar gerade absichtlich fallen gelassen hatte. Dean sah aus, als wollte er Tristin schlagen, aber ich packte ihn und zog ihn nach draußen. »In Ordnung! Ich bin draußen«, sagte Dean wütend. »Es tut mir wirklich Leid, dass ich es dir nicht schon früher gesagt habe, aber…Tristin…« »… spielt den Romeo für deine Julia. Ja, das habe ich gehört.« »Aber er war zuerst nicht mal in unserer Gruppe, und dann wollte ihn niemand haben, und dann hat Paris unsere Probe hierher verlegt, und zwar heute, und ich hatte keine Zeit, es dir zu sagen.« - 170 -
»Du und Tristin macht eine Menge zusammen in dieser Schule.« »Es ist nur ein Projekt. Mehr nicht.« »Du und Tristin spielt Romeo und Julia. Perfekt. Wirklich, wirklich hervorragend.« »Ich weiß, dass du es hasst.« »Oh, ja. Ich hasse es. Und wie ich es hasse.« »Aber wir spielen die Szene am Sonntag, und der ist vorbei. Und dann heißt es wieder >Tristin? Wer? Tut mir Leid, ich kenne keinen Tristinalles»Und so im Kusse sterb ich!Und so im Kusse sterb ich.< Richtig. Und dann küsse ich sie, richtig?« »Ja. Du sagst >Und so im Kusse sterb ichText!< schreist, bist du draußen.« Sie wandte sich an Brad. »Lern schon mal deinen Text!« Brad griff hastig nach dem Textbuch und machte sich an die Arbeit. Wir begannen noch einmal von vorn. »Oh, wackerer Apotheker! Dein Trank wirkt schnell. Und so im Kusse sterb ich.« Tristin/Romeo beugte sich zu mir herab, um mich zu küssen, sah kurz zu Dean hinüber und wich zurück, ehe er sein Vorhaben in die Tat umgesetzt hatte. »Was ist?«, fragte Paris. »Es ist nur so, da das unser letzter Kuss ist, muss ich ständig an unseren ersten Kuss denken. Du weißt schon, - 183 -
auf der Party«, sinnierte Tristin. Ich setzte mich auf. »Was?« »Leg dich hin«, befahl Paris. »Du bist tot!« »Das sind wir alle«, murmelte Louise. Tristin wandte sich an mich. »Du erinnerst dich doch an den Kuss… im ersten Akt, auf Capulets Maskenparty?« »Was ist damit?«, wollte Paris ungeduldig wissen. »Nun, ich habe nur versucht, mir etwas auszudenken, das diesen Kuss zu etwas Besonderem macht.« »Tristin…«, warnte ich. »Ich denke, sie sollte weinen«, sagte Tristin. »Was?«, rief ich entsetzt. »Sie ist tot! Du bist tot! Leg dich hin!«, befahl Paris. »Aber das ist ja das Schöne daran. Niemand wird erwarten, dass sie weint«, erklärte Tristin. »Ich schon«, warf Dean ein. »Weißt du, es ist komisch, dass du das sagst«, meinte Tristin und zeigte auf Dean. Ich stand hastig auf. »Ich brauche fünf Minuten.« »Wisst ihr was? Machen wir fünf Minuten Pause. Auf diese Weise könnt ihr alle eure Termine für heute Abend absagen, denn wir bleiben so lange hier, bis alles stimmt!« Paris stürmte aus Miss Pattys Tanzstudio. Madeline folgte ihr. Louise zog ein Handy aus der Tasche, wählte und bemerkte dann, dass Brad ebenfalls nach seinem Handy griff und es aufklappte. »Wen könntest du schon anrufen?«, fragte sie, als sie an ihm vorbei zur Tür ging. Ich schlenderte zu Dean, während Tristin zur Seite trat und so tat, als würde er seinen Text lernen. »Er ist unglaublich«, fauchte Dean verärgert. »Dean, ich möchte wirklich, dass du gehst«, sagte ich. »Was?« - 184 -
»Die Vorstellung morgen bestimmt zu fünfzig Prozent über meine Zensur, und du stehst hier herum und starrst Tristin an, als wolltest du ihn herausfordern oder so was.« »Mir gefällt nicht, wie er mit dir umgeht.« »Mir gefällt es auch nicht, aber wir müssen mit der Szene fertig werden, und das können wir nicht, solange du hier herumstehst…Dean, bitte!« Dean seufzte frustriert. »Schön. Ruf mich später an.« Er beugte sich zu mir, um mich zu küssen, funkelte Tristin hinter mir an und ging dann hinaus. »Weißt du, mir ist aufgefallen, dass du nicht geweint hast, als du ihn geküsst hast«, sagte Tristin und baute sich vor mir auf. »Das macht mich ein bisschen unsicher.« Ich starrte ihn an. »Was ist los mit dir?«, fragte ich wütend. »Wow! Ich glaube, im Koma hast du mir besser gefallen.« »Ich dachte, du wolltest nichts sagen!« »Habe ich das gesagt?« »Du machst es jedem unmöglich, nett zu dir zu sein! Kein Wunder, dass du in unsere Gruppe kommen musstest! Jeder, der einmal mit dir ausgegangen ist, hätte es besser gewusst!« Tristins Pager piepte. Er warf einen Blick auf das Display und sagte dann: »Schade, ich wünschte wirklich, ich könnte mir weiter anhören, wie erbärmlich ich bin. Unglücklicherweise muss ich ein paar Freunde treffen.« Tristin griff nach seiner Jacke und ging, als Paris hinter mir zurück in das Studio kam. »Wohin gehst du? Wohin gehst du?«, fragte sie und stürmte an mir vorbei, um Tristin aufzuhalten. »Wir sind noch nicht fertig! Hey! Ich bin die Regisseurin hier! Tristin!« - 185 -
Brad folgte Paris. »Tristin«, rief er. »Komm zurück! Bitte!« Ich stand da und starrte die Tür an. Wie hatte es nur so weit kommen können?
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12
Mom, Sookie, Lane und Dean standen in der letzten Reihe des Publikums, das überwiegend aus ChiltonEltern und -Schülern bestand und gebannt die von einem Höhlenmenschen-Romeo und einer HöhlenmenschenJulia aufgeführte Balkonszene im zweiten Akt verfolgte. Ich rannte in meinem Julia-Kostüm mit dem prächtigen Kopfschmuck zu ihnen. »Oh, sieh dich an, du siehst wie eine Prinzessin aus«, sagte Sookie stolz. »Sieht sie nicht wie eine Prinzessin aus?« »Ja«, stimmte Dean zu, »sie sieht wunderschön aus.« »Mom hat das Kleid gemacht«, berichtete ich. »Von dem Mädchen darin ganz zu schweigen«, fügte Mom hinzu. »Hallo, das muss jetzt nicht sein«, ermahnte ich sie. »Ich wollte es nur erwähnen«, sagte Mom. »Ich bin ein wenig nervös«, gestand ich. »Oh, du wirst großartig sein«, versicherte Lane. Die Menge geriet in Bewegung. »Ich glaube, der dritte Akt fängt an«, sagte ich zu Lane. »Henrys Akt!«, rief Lane aufgeregt. »Wie sehe ich aus?« »Du solltest dir vielleicht ein Telefon vor das Gesicht halten, damit dich niemand erkennt«, erwiderte ich. Lane lächelte mich an. »Bye.« Sie rannte davon und drängte sich durch die Menge, als Paris auftauchte und meinen Arm ergriff. »Ich brauche dich!« Sie zog mich auf den Korridor. »Er ist nicht hier!«, sagte sie verzweifelt. »Wer ist nicht hier?«, fragte ich. »Tristin! Ich habe überall nachgesehen! Ich habe ihn zu - 187 -
Hause angerufen! Auf seinem Handy! Ich habe drei Mädchen angerufen, von denen ich weiß, dass er mit ihnen geht.« »Paris, beruhige dich.« Sie starrte mich an. »Hast du nicht zugehört? Er ist nicht hier! Wir sind in zwanzig Minuten dran, und wir haben keinen Romeo! Wir werden versagen!« »Wir werden nicht versagen.« »Denkst du, Harvard nimmt Leute, die bei Shakespeare versagen? Auf keinen Fall! Ich kann es nicht beweisen, aber ich bin ziemlich sicher, wenn man bei Shakespeare versagt, kommt man nicht nach Harvard!« »Okay, vielleicht ist er in einer der Toiletten und raucht eine Zigarette«, spekulierte ich. »Gute Idee«, sagte Paris. »Du siehst in der östlichen Herrentoilette nach! Ich übernehme die westliche!« Paris rannte in eine Richtung, während ich die andere nahm. Ein paar Minuten später trafen wir uns in einem Korridor auf der anderen Seite des Gebäudes. Ohne Tristin. Paris war noch verzweifelter als zuvor. »Ich wusste, dass er das tun würde! Aber niemand wollte auf mich hören! Es hieß nur >Macht Tristin zu Romeo, er ist heiß
die ist sauer«, schloss Tristin. »Wie meinst du das, er hat dich von der Schule genommen? Was ist passiert?«, fragte ich. »Nichts. Ich habe den alten Mann bloß wütend gemacht, das ist alles.« »Was hast du angestellt? Tristin? Komm schon, sag es mir.« »Ich bin in Schwierigkeiten geraten.« »Schwierigkeiten…wodurch…?« »Durch Duncan und Bowman. Und… den Safe von Bowmans Dad.« »Oh, nein.« »Ich meine, Bowman hatte einen Schlüssel, es sollte keine große Sache sein, aber dann ist dieser stumme Alarm losgegangen…« »Du hast den Safe von Bowmans Dad ausgeraubt«, sagte ich und verzog voller Abscheu das Gesicht. »Ja.« »Dumm.« »Ja«, wiederholte er leise. »Nun, okay, du könntest dich entschuldigen, richtig? Und das Geld zurückgeben, und du könntest erklären, dass du, ich weiß nicht, unter großem Druck gestanden hast.« »Das habe ich auch. Als ich seinen Safe ausgeraubt habe.« »Warum hast du das getan?« »Keine Ahnung. Aber ich schätze, das ist etwas, über das ich nachdenken kann, wenn ich in der Militärschule bin.« »Militärschule?« »Die Polizei lässt unsere Eltern die Sache unter sich regeln, und in meinem Fall bedeutet das die Militärschule - 189 -
in North Carolina.« »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.« »Ich schätze, du bist vor Erleichterung überwältigt, dass ich bald weg sein werde.« Ich sah ihn einen Moment an. »Nein, es tut mir schrecklich Leid«, sagte ich ehrlich. »Ich bin ein großer Junge«, meinte er. »Ich komm schon damit klar.« »Gibt es nichts, das du…« »Nein. Mein Dad ist deswegen extra von den Fidschis nach Hause gekommen. Er kommt normalerweise nicht von den Fidschis nach Hause.« Ein Mann tauchte am Ende des Korridors auf. »Tristin«, rief er. »Komm jetzt.« »Ich muss gehen«, sagte Tristin. Er beugte sich zu mir. »Nun… ich würde dich zum Abschied küssen, aber, na ja…« Er wies zur Tür. »Dein Freund beobachtet uns.« Ich sah hin und entdeckte Dean, der jede Bewegung von Tristin misstrauisch beäugte. Tristin sah mich an. »Pass gut auf dich auf…« Er schwieg einen Moment, lächelte dann und fügte hinzu: »Maria.« Die Erinnerung ließ mich ebenfalls lächeln. Ich sah zu, wie er den Korridor hinunter zu seinem Vater ging. Es war irgendwie traurig, ihn gehen zu sehen, vor allem auf diese Weise. Dann tauchte Paris auf. Als Romeo verkleidet. »Warum stehst du hier noch herum? Lass uns gehen! Und du solltest besser ein Pfefferminzbonbon lutschen!« Ich folgte ihr in den Großen Saal, um unseren Akt aufzuführen. Trotz aller Behinderungen spielten wir gut, und Harvard ist fürs Erste gesichert. Aber es war eine große Erleichterung, als ich das hinter mir hatte. Ich rannte in die Garderobe, um Mom und - 190 -
Sookie abzuholen. Dann schnappten wir uns Dean und Lane und kehrten nach Stars Hollow zurück. Lane musste nach Hause, aber Mom, Sookie, Dean und ich gingen ins Luke’s, um zu feiern. »Hey, hast du Paris wirklich geküsst, oder war das nur Theater?«, fragte Dean, als wir das Diner betraten. »Eine Lady küsst und schweigt«, erklärte ich ihm. Wir setzten uns an einen Tisch, während Mom an den Tresen trat, um zur Feier des Tages Burger und Chili-Pommes zu bestellen. Da außer uns niemand da war, überredete Mom Luke kurz darauf, sich zu uns zu setzen. Selbst Jess schien zu vergessen, dass er alle Welt hasste, und brachte uns Kuchen, bevor er nach oben verschwand. Ein paar Minuten später dröhnte »Lovefool« von den Cardigans durch das Diner. Luke stand auf, um Jess zu sagen, dass er die Musik ausmachen sollte, aber Mom hielt ihn zurück und bat ihn, noch mehr Tee zu holen. Als Nächstes erklang »#1 Crash« von Garbage, und ich kapierte, dass Jess Songs aus Romeo und Julia von Baz Luhrmann spielte. Als wir unsere Sachen einsammelten, um zu gehen, folgten die Butthole Surfers mit »Whatever (I Had a Dream)«. Wir verabschiedeten uns und wandten uns zur Tür. Luke schloss hinter uns ab, und ich hörte, wie Jess den letzten Song des Abends auflegte, der nicht aus dem Soundtrack stammte, und als wir nach Hause gingen, sangen die Vandals »So Long, Farewell« durch das offene Fenster von Lukes Apartment.
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