Obsidian -Zyklus Nr. 9 von 12
Braune Pest von Arndt Elimer
ie mächtige Stadt knirschte. Teile der Aufbauten polterten in die Tiefe, schlugen auf der Plattform und in das Gelände neben dem Fluss ein. Ein Dröhnen breitete sich über das Delta aus. Metall schrammte über Metall. Das Kreischen ging mir durch Mark und Bein. Der Lärm trieb uns in die Flucht. Die Vecorat lösten die Gasse auf, die sie gebildet hatten. Schweigend rannten die dürrbeinigen Wesen flussaufwärts. Nimm dich vor ihnen in Acht! Schmerzhaft stach die Warnung des Extrasinns durch mein Bewusstsein. Ein gewaltiger Schlag folgte, der das Delta erbeben ließ. Der Boden hob sich, dann breitete sich in meinem Magen ein Gefühl von Schwerelosigkeit aus. Es ging abwärts...
D
Arndt Ellmer
1.
»Weg hier!«, schrie ich. Der von hartem, schlingenblättri gem Gras überwucherte Boden gab nach-zehn, zwanzig Zentimeter. Die Grasnarbe riss an unzähligen Stellen auf. M it Wasser übersättigter Sand drängte hervor und klebte an meinen Stiefeln fest. Blasen stiegen auf, es roch nach Moder. Ich packte die »Seherin von Yandan« unter den Armen, zog müh sam die Stiefel aus dem Dreck und rannte hinter den insektoiden Lebe wesen her, die ich für Individualver former hielt - die berüchtigten IVs, uralte Feinde der Arkoniden. Ich macht e kleine, s chnelle Schritte. Sie verhinderten, dass die Stiefel lange Kontakt zum Boden hielten und sich festsogen. Die Sehe rin hing w ie ein Sack an meiner Seite. Sie erweckte nicht den Ein druck, als bekäme sie etwas von den Vorgängen mit. Ein Stück flussaufwärts existierte eine kleine Anhöhe, auf der sich die Insektoiden sammelten. Eine rettende Insel für Schiffbrü chige!, dachte ich sarkastisch. Leider sind es deren zu viele. Wir hatten Glück im Unglück. Der Boden um diesen Buckel mitten im Delta bestand aus Felsgestein. Vor sichtig setzte ich die Frau ab. Sie' starrte durch mich hindurch, legte dann den Kopf schief, als lausche sie auf irgendetwas. Ihre Lippen be wegten sich lautlos und unaufhör lich. Sie war noch ziemlich jung. Ich schätzte ihr Alter auf 30 Jahre. Sie hatte eine schlanke, trotz des Ge wands erkennbare knabenhafte Fi gur. Ihr klass isch s chönes Ges icht
mit den dunkelbraunen M andelau gen wurde von halblangem, glattem Haar eingerahmt, das ebenfalls von dunkelbrauner Farbe war. Trotz der Entrückung zeigte ihr Gesicht einen überheblich arroganten Ausdruck; Das dunkle Samtbraun ihrer Haut verlieh ihr etwas Exotisches. Auch der bunte Kragenschmuck auf dem weißen Kleid erinnerte an ägyptische Schönheiten, wie ich sie von meiner Zeit auf Terra her kannte. Auf dem Kopf saß ein Hut, ähnlich einem Zy linder ohne Krempe, allerdings von asymmetrischer Form. Die Ähnlichkeit mit der ägypti schen Mode zu Zeiten Nofretetes war verblüffend. Mit dem Hut hätte man sie aus großer Entfernung ohne wei teres für die Pharaonengattin halten können. Ob sie meinen fassungslosen Blick bemerkte, mit dem ich sie nach wie vor musterte, wusste ich nicht. Dass ich sie ansah, nahm sie jedoch wahr. »Weißt du, wo mein Freund Cisoph Tonk ist?«, wiederholte sie ihre Frage. »Nein, nicht genau«, wich ich aus. Nach meinem Kenntnisstand hatte er sich zuletzt in der TOSOMA auf gehalten. Woher kannte die Akonin Cisoph Tonk? Und wieso bezeichnete sie das Besatzungsmitglied der TOSOM A als ihren Freund? Die Wächter der Eis gruft hatten erzählt, dass vor kurzem eine große Kugel von außen in der ObsidianKluft angekommen war. Es lag nahe, dass es sich um die TOSOMA han delte. Sie war in der Nähe gewesen, als die Transition in die Kluft statt gefunden hatte. Hatte wenigstens ein Teil der Besatzung den Transfer un beschadet überstanden?
Braune Pest
»Sagen dir folgende N amen etwas?«, forschte ich. »Khemo-M assai, Cayry, Zuunarik, da Vokoban ...« Die Akohin-schüttelte stumm den Kopf. »Wo hast duTonk gesehen?«, fragte ich die Frau, die uns und unser Ziel kannte, ohne dass wir ihr vorher begegnet waren. Sardaengar und Litrak bezeichnete sie als Gefahren,
die alle Welten bedrohten. Und sie wollte uns zum Canyon der Visionen begleiten. M it »allen Welten« meinte die Seherin zweifellos Vinara und die vier Spiegelwelten. Und den Kristallmond, ergänzte der Extrasinn. Um ihn dreht sich in dieser Welt alles. Die vier Spiegelwelten waren aus
Was bisher geschah: Im März 1225Neuer Galaktischer Zeitrechnung, das demJahr4812 alter Zeit entspricht, hältsich Atlan, der un sterbliche Arkonide, im Kugelsternhaufen Omega Centauri auf. Dieser Sternhaufen ist von den zentralen
Schauplätzen der Milchstraße nicht weit entfernt, war aber über Jahrzehntausende von der »Außenwelt« aus
nicht zugänglich.
Nach vielen Abenteuern hältsich Atlan miteinigenBesatzungsmitgliedern des Raumschiffes TOSOMA auf der
sogenannten Stahlwelt auf.Als eine schwarze Quader-Plattform materialisiert, erinnert sich Atlan an die »Ver gessene Positronik«. Dieses Gebilde durchstreiftseit Jahrtausenden dieMilchstraße, ohne dass Aufgabe und
Herkunft bekannt sind.
Ein Transmittersprung geht schief-Atlan und einige seiner Begleiter landen auf der »Vergessenen Positronik«.
Währenddessen versuchtdie Besatzung der TOSOMA,in das Gescheheneinzugreifen.Doch es kommtzu einer
nichtgewollten Transition.
Sowohl Atlanals auch dieTOSOMA-Besatzung kommenin einem merkwürdigen Gebiet des Universums her aus - eine Sonnesowie fünf Planeten, diesich aufgleicher Umlaufbahn befinden, umgeben von einer Wolke
aus Obsidian. Einer der fünf Planeten wird darüber hinaus von einem Kristallmond umkreist.
Das RaumschiffTOSOMA stürzt auf einem der fünf Planeten ab.Die Besatzung wirdgerettet und von eigenar tigenRobotern inihre neuenUnterkünftegebracht. Gemeinsam machensich die Oberlebenden auf die Suche
nachdem unsterblichenArkoniden. Der Zweite Pilot der TOSOMAführteine Expedition der TOSOMA-Besatzung
zum Hauptkontinent Viina.Nachdem ihr Boot kentert, setzen die Gefährten ihren Weg ins Land der Silbersäu len mit einer Dampflokomotive fort.
Atlan undden Archivar JörgeJavales verschlägt es auf VinaraVier. Sie werdeninZwistigkeiten der Afalharo ver wickelt und müssenin der Folge fliehen.Dabei geraten siein dieFänge termitenähnlicher Tiere, die sie in Ko kons spinnen.
Atlan wird von seinem neuen Begleiter Tamiljon befreit,Zusammen erreichen sie das Obsidiantor, das sie nach
VinaraDrei befördern soll. Tamiljon muss unter allen Umständen dorthingelangen, da eineMission vongrößter
Bedeutung davon abhängt.
Lethem da Vokoban undseine Begleiter geraten bei der Erkundung der »Schwarzen Perle« in einen Hinterhalt.
Sie können fliehen und erreichen dieTaneran-Schlucht amRand vonMertras, dem Land der Silbersäulen. Ohne
viel Zeit zu-verlieren, setzen sie ihre beschwerliche Reise zur Gebirgsfestung Grataar fort. ,
Zur gleichenZeit befindet sich Atlan auf VinaraDrei in höchster Not.Der Arkonide ist in Begleitung Tamiljons
und Vertretern des Litrak-Ordens unterwegs zurCasoreen-Gletscherregion. Der Unsterbliche dringt mit den Or densleuten durch ein Eislabyrinthin den Kerker des »Untoten Gottes« vor und befreit Litrak aus seinem Ge fängnis. Auf der Flucht aktiviert der Kristallene verborgene Aggregate, die die Stadtim Eis zum Leben erwecken. Ein Ruck geht durch den Eisboden. Atlan und die verbleibenden Ordensanhänger drohen von den abbrechenden Eisbrocken erschlagen zu werden. Sie rettensich in dieMitte der Stadtin der Hoffnung, dort Schutz zu finden. EineTransition versetzt Atlan und Tamiljonin eine unbekannte Gegend und nicht, wie erhofft, in den »Canyon der Visionen«. Lethem da Vokoban und seine Begleiter trauen ihren Augen nicht, als die totgeglaubte Li daZoltral plötzlich auftaucht. Viel Zeit, um sich von demSchockzu erholen, bleibtihnen nicht. Gemeinsam versuchen sie, die Ober fläche der Technostadtzu erreichen.
6 Arndt Ellmer
der Psi-M aterie des Kristallmondes ges chaffen, hatte Sardaengars Pro jektion behauptet. Als Reaktion auf ihn und andere in die Obsidian-Kluf t Verschlagene. »Weißt du, wo sich Sardaengar aufhält?« Sie reagierte nicht. Ihre Trance er wies sich als ziemlich hartnäckig. Weder Geräusche noch ein Tätscheln der Wangen holten sie in die Wirk lichkeit zurück. Ein paar der Insektoiden traten zu uns. Sie fassten die Seherin vorsich tig an den Armen und führten sie ein Stück zur Seite. Unauffällig musterte ich diese We sen. Uns Arkoniden war es wohl an geboren, zwei M eter großen Insekten von grünlich grauer Farbe mit M iss trauen zu begegnen. Die Vecorat zeigten jedoch keinerlei Feindselig keit. Sie beachteten mich und Tamil jon mit dem gebotenen Interesse, aber ihre Aufmerksamkeit galt vor allem der abgestürzten Stadt und dem Shainshar, das in ihr wütete. Sie sind vor langer Zeit in die Ob sidian-Kluft verschlagen worden und haben mit den aus der Milch straße bekannten Individualverfor mern wenig gemeinsam, dachte ich. Narr! Du bist zu vertrauensselig, warf mir der Extrasinn vor. Sie lau ern nur auf eine Gelegenheit, um dir den Garaus machen zu können, Ich hielt die Warnung für übertrie ben, den Nachsatz des Logiksektors für lachhaft: Es muss nicht unbe dingt eine Übernahme deines Kör pers sein. »Atlan«, sagte Tamiljon in diesem Augenblick und deutete flussab wärts. Die ehemalige Eisgruft hatte sich mit ihrem Sockel in den morastigen
Untergrund des Deltas gebohrt. M it deutlicher Schlagseite erinnerte sie an einen Ozeanriesen, den die Flut an den Strand gespült hatte: Diese Stadt würde sich nie mehr in den Himmel erheben. Dafür sorgte schon das Shainshar, dem Tamiljons Hinweis galt. Ein Teil der Stadt war in sich zu sammengebrochen. Drei Außen türme fehlten, ebenso die Kugelpy ramiden, soweit wir sie von unserem Standort aus erkennen konnten. Der Sockel wies an vielen Stellen Risse auf, die sich schnell erweiterten. Braune, fransige Wucherungen drängten nach draußen. Ein Don nern wie von einem den ganzen Kon tinent umspannenden . Gewitter kündigte weitere, großmaßstäbliche Zerstörungen im Innern der Stadt an. Die Spitzen der letzten Türme, die wir erkennen konnten, ver schwanden. Es dröhnte wie ein lee rer Schiffsrumpf, in den ein Kran führer wahllos Schrott hineinfallen ließ. Das Shainshar fraß mit einer Zü gellosigkeit, die in der Natur ge wöhnlich nicht vorkam. Und es war unersättlich. Überall im Sockel der Stadt bilde ten sich Öffnungen. Wie Krakenarme drängten die Wucherungen ins Freie, spalteten letzte Trümmer, die von der Eisgruft übrig geblieben waren. »Es frisst die Technostadt auf«, sagte ich. »Danach wird es sich wei ter ausbreiten.« Ich entdeckte Fetzen der Braunen Pest auch im Wasser des Flusses, der sich in einen See ergoss. Die Flut welle, die der Absturz erzeugt hatte, trug sie schnell davon. Ein paar Stunden höchstens, schätzte ich, bis das Shainshar das offene Meer er
Braune Pest
reicht und sich über den ganzen Pla neten verteilt. Der Braunen P est widerstand nichts. Auch nicht das Festland und seine Bewohner. Ich ging zu der Seherin. Ihr Blick war jetzt klar. Offensichtlich hatte sie die Trance überwunden. »Wir ha ben nicht viel Zeit. Beantworte uns schnell ein paar Fragen.« »Eine Seherin gibt Antworten, ohne die Fragen gehört zu haben.« Sie wandte sich an die Insektoiden. »Bringt mir meinen Stuhl.« Zwei der Wesen näherten sich mit einer klapprigen alten Sitzgelegen heit, deren M echanik quietschte. Wo haben die Vecorat bloß diesen verlotterten Klappstuhl ausgegra ben? Die Seherin s ank in das Polster und schloss die Augen.
Ein metallisches Flüstern lag in der Luft. Es kam von der Tech nostadt. »Das hört sich an wie ein Totenge sang«, murmelte Tamiljon. »Die Eis gruft beklagt ihren eigenen Unter gang.« Litrak hatte bei seinem Versuch, mit der Eisgruft nach Vinara zum Canyon der Visionen zu transitieren, offensichtlich schwere Fehler began gen. Dies hier war nicht der Canyon, sondern Vinara Fünf. Oder war es Absicht gewesen? Hatte Litrak uns an einen anderen Ort geschickt, wäh rend er die Obsidiansäule beim Ba sislager I zu erreichen suchte und von dort direkt zum Canyon ging? Die Seherin musste uns helfen, die Antworten auf unsere Fragen zu fin den.
Wenn sie weiß, wo unser Ziel liegt, und die Gefahren kennt, die den Wel ten des Obsidian-Systems drohen, kennt sie bestimmt auch die Hinter gründe, überlegte ich, während ich ungeduldig auf ihre ersten Worte aus berufenem M und wartete. »Ihr befindet euch im ZandaranDelta von Vinara Fünf«, flüsterte die Seherin nach einer Weile. »In der Nähe liegt Yandan, die Hauptstadt des Reiches Tanalagan.« »Ein Reich der Vecorat?« Ich be nutzte absichtlich die arkonidische Bezeichnung für jenes Fremdvolk aus den Tiefen der M ilchstraße, das sich selbst VeCoRat XaKuZeFToNaCiZ nannte. Diese insektoiden Ge schöpfe verfügten über die beängsti gende Fähigkeit, ihr Bewusstsein ausdem eigenen Körper zu lösen und es in einen anderen zu übertragen. Des sen Bewusstsein wurde in den Veco rat-Körper geschleudert, in dem es zur Handlungs unfähigkeit ver dammt war. Es konnte den erstarrten Insektenkörper nicht benutzen. Die Vecorat galten seit Jahrtausenden als Erzfeinde der Arkoniden. Die Seherin öffnete blitzartig die Augen. Ein Lächeln umspielte ihren Mund. »Ja. Ich bin Anee, die Seherin von Yandan. Königin Drizzt-Rilice wollte meinen Träumen nicht glau ben, aber ich sah euch schon vor vie len Nächten das erste M al und er kannte die bevorstehende Gefahr. Kein Vecorat wird verhindern kön nen ...« Sie brach ab und hustete laut. »Sprich weiter! Was wolltest du sagen?« Sie fuhr mit einem leisen Schrei von ihrem Klappstuhl hoch. »Es kommt näher. Es bringt den Tod für uns alle!«
8 Arndt Ellmer
Sie deutete anklagend auf die ge strandete Stadt. Das Shainshar überwucherte inzwischen alle Ge bäude, drängte aus allen Rissen. Nach oben wuchs es zu schaumarti gen Wolkengebilden, von denen der Wind immer wieder Stücke abriss und mit sich forttrug. »Verteilt euch!«, rief ich laut. »Weicht dem Zeug aus! Lebensge fahr!« Die Vecorat schienen nur langsam zu begreifen, in welcher Gefahr sie schwebten. Erste Flocken näherten sich dem Boden. Wo sie Pflanzen oder Tiere trafen, löste sich das organi sche Gewebe sofort auf und verwan delte sich in eine brodelnde M asse. Die Vecorat staksten auseinander. Um sich schnell fortbewegen zu kön nen, mussten sie sich auf ihre sechs Gliedmaßen stützen und rennen. Ei nen traf eine Shainshar-Flocke am Rückenpanzer. Augenblicklich zer setzte sich das Chitingewebe. Der Vecorat gab ein schrilles Zirpen von sich. Er zappelte, warf sich auf den Rücken, aber das Shainshar kannte keine Gnade. Innerhalb kurzer Zeit löste sich die M olekularstruktur des Körpers vollständig auf. Die Individualverformer rannten in grotes ken Sprüngen davon. Die ' Seherin zögerte noch, wollte in ihrer Beschreibung der Gefahr fortfahren. Ich zog sie mit mir fort. Hinter ihr segelte eine Flocke auf den Klapp stuhl, der sofort seine Konsistenz än derte. Die Lache brodelte eine Weile, dann wogte dort, wo sie gewesen war, ein flacher Haufen der Braunen Pest, der mich irgendwie an einen terrani schen Kuhfladen erinnerte. Endlich schien die Akonin zu be greifen, dass sie selbst ebenfalls in Lebens gefahr schwebte. M it einem
heftigen Ruck befreite sie sich aus meinem Griff und rannte davon. ' »Schneller, Atlan«, keuchte Tamil jon hinter mir. Ich warf einen Blick über die Schulter. Der ehemalige Diener eines Kristallwächters hielt sich den Hals, als bekäme er zu wenig Luft. Es konnte nicht an der NanoHalskrause liegen. Die lag locker auf den Schlüsselbeinen des schwarz häutigen Humanoiden. Dennoch verzerrte sich sein Ges icht im Schmerz. »Gib mir deine Hand«, sagte ich. Er schüttelte den Kopf, es schien ihm noch stärkere Schmerzen zu be reiten. Ein Schatten fiel auf ihn. Er stammte von einer dieser Flocken. Sie verdunkelt e die Sonne und senkte sich auf ihn herab. »Schnell nach links!«, schrie ich. Tamiljon schlug geistesgegenwär tig einen Haken. Keine zwei M eter entfernt berührte das Shainshar den Boden. Tamil] on taumelte. Hilfe su chend streckte er einen Arm nach mir aus, während er mit dem anderen das Gleichgewicht zu halten suchte. Ich packte sein Handgelenk und zog ihn weiter. Das Shainshar verfehlte ihn. Im Zickzack rannten wir nach Norden, immer den Himmel über und hinter uns im Blick. Das Ge lände stieg etwas an. Nach schät zungsweise zwei Kilbmetern hatten wir die Vecorat und ihre Seherin überholt. Ich hielt an. »Der Wind hat ge dreht.« Die Flocken drifteten nach Wes ten, über das Delta hinweg. Anee war völlig außer Atem. »Die Luftströmungen - des Zaman-Sees haben - uns das - Leben gerettet.« Die Vecorat bildeten zwei Reihen.
Braune Pest
Sie nahmen die Seherin in ihre M itte, setzten sie sich auf die verschränk ten, oberen Armpaare. Wir warfen einen Blick zurück. Die Plattform und ihre Aufbauten sanken immer mehr in sich zusam men. " Die Shainshar-Wucherungen erreichten inzwischen die Größe von Türmen, die nach und nach abbra chen und ausflockten. »Wie weit ist es bis nach Yandan?«, erkundigte ich mich. »Dreißig Runtsch. Wir erreichen die Stadt am späten Nachmittag.« Sie deutete an der Wasserader ent lang nach Norden. Undeutlich schälte sich eine befes tigte Uferzone aus dem vormittägli chen Dunst. Ich entdeckte Kaianla gen und kleinere Schiffe. Sie hatten die aufwärts wandernde Flutwelle unbeschadet überstanden. »Wir segeln den Barik hinauf«, sagte die Seherin. »Der Wind steht günstig, die Vecorat sind geschickte Segler.« Ich deutete zum Himmel hinauf. In höheren Luftschichten tauchten ers te Flocken auf, die nach Norden strebten.
Hoch über uns lösten sich die Shainshar-F locken in der großen Hitze auf. Etwa ein Drittel der unre gelmäßigen Gebilde verschwand auf diese Weise. Die anderen trieben weiter mit dem Wind, der plötzlich in alle Richtungen zu wehen schien. Anee verdrehte übergangslos die Augen, bis ich nur noch das Weiß der Augäpfel sah. » Sternenfall auf Vinara«, flüsterte sie mit rauer Stimme. »Immer mehr Trümmer regnen herab, viele kleine
zwar, aber auch immer mehr große.« Ein einziges Trümmerstück von ein paar Kilometern Durchmesser, das in die Planetenkruste einschlug, konnte den Untergang aller Intelli genzwesen, Pflanzen und Tiere auf Vinara herbeiführen. Wem es nicht rechtzeitig gelang, den Planeten zu verlassen, hatte keine Überlebens chance. Wir erreichten den ersten Engpass im Fluss. Die nach Norden zu immer höher auflaufende Flutwelle hatte einen Bootshafen überrollt und meh rere Dutzend kleiner und mittelgro ßer Boote in den Barik gespült. Sie verstopften einen Großteil der Fahr rinne. Die Vecorat verschwanden unter Deck und kehrten mit langen Stan gen zurück. Sie benutzten sie teils als Ruder, teils als Abstandshalter. Im Zickzack dirigierten sie das Boot durch die Trümmer. Am Ufer ent deckte ich Hundertschaften der Ein heimischen. Sie räumten auf und un terhielten sich in ihrer zirpend-ras selnden M uttersprache. »Vor der Stadt gibt es Schwierig keiten«, wandte sich Anee an mich. »Die Flutwelle hat den Aro-See und die umliegenden Kanäle zum Über laufen gebracht. Die aufgestaute Flutwelle erreichte eine Höhe wie unser hinterer M ast.« Ich schätzte seine Länge auf knapp fünf M eter. »Die Probleme werden mit dem Eintreffen der Bräunen Pest nicht weniger. Wenn sie Yandan er reicht, muss die Stadt evakuiert sein. Die Vecorat dort drüben täten gut daran, alles stehen und liegen zu las sen.« ' Die Akonin musterte mich mit ab sehätzendem Blick. »Es wird Zeit, dass du dich mit der M entalität der
10 Arndt Ellmer
Vec'orat auseinander setzt. Yandan ist nicht irgendeine Stadt. Sie ist das Nest, der Stock des Vecqrat-Volkes. Diese Wesen werden ihn nicht aufge ben. Lieber gehen sie mit ihm unter. In Yandan leben die Seelen der Ver storbenen und der Ungeborenen mit ten unter ihnen.« »Das ist gleichbedeutend mit dem Untergang ihres Reiches?« »Vielleicht hat das Schicksal es ebenso vorherbestimmt wie meine Begegnung mit dir. M ein Original habe ich gesucht, dich aber gefun den.« Ein Original und seine Kopie? In stinktiv spürte ich, dass wir vor der Lösung eines weiteren Rätsels stan den. Dass es sich bei Vinara Zwei bis Fünf um Spiegelwelten des Original planeten handelte, wusste ich. Fer ner hatten die Krakenwesen von bio phorischen Spiegelwesen gespro chen. Damit ließ sich der Gedanke, dass auch Lebewesen gespiegelt worden sein könnten, nicht mehr von der Hand weisen. Die Holoprojek tion Sardaengars in der Eis gruft hatte den Begriff »Spiegelwesen« ebenfalls benutzt. »Bitte erkläre mir das etwas ge nauer«, bat ich. »Seit meiner frühesten Jugend bin ich mir bewusst, dass ich nicht allein lebe«, fuhr die Akonin fort. »Zwar als Individuum vollständig, aber den noch nur als ein Teil von etwas Grö ßerem. Häufig s ind damals Ein drücke und Bilder meines >Vorbilds< auf mich übergesprungen. Ich erfuhr Dinge, die sich in einer identischen Landschaft, aber eben nicht in mei ner Umgebung abspielten. Und doch war ich es, der es erlebte. Eine Art >Über-IchOrt der Kraft< die große Obsidianperle.« Sie nestelte avn ihrem Kragen schmuck und zog eine Kette mit ei ner Perle daran hervor. Ich schätzte ihren Durchmesser auf acht Zenti meter. Die Seherin sah nur auf die Perle, die sich übergangslos in weißes Licht hüllte, eine flackernde Aureole aus winzigen energetischen Entladun gen. Hastig ließ Anee sie wieder unter ihrem Gewand verschwinden. »Von diesem Zeitpunkt an existierte eine ständige Verbindung zu meinem Vor bild. Ich nannte es >Große Schwes ter^« Anees Kinn sank auf die Brust. Sie schloss die Augen. Ihr Atem ging hektisch. »Du hast noch immer Verbindung zu ihr?«, fragte ich leise. »Nein«, fuhr sie mich an. »Es nimmt mich mit, was alles geschehen ist. Es ist längst Vergangenheit, Ar konide!« Du Ausbund an Einfühlungsver mögen!, lästerte der Extrasinn. »M eine Große Schwester ist Ci soph Tonk begegnet. Sie scheint et was für ihn empfunden zu haben. Freundschaft - vielleicht Liebe? Ich weiß es nicht. Bald schlugen die Bil der und Stimmungen in Entsetzen und Schmerz um. Ich wollte das alles nicht sehen. Das Ereignis - es ging um Cisoph Tonk, da bin ich mir ganz sicher. Etwas Schlimmes muss ge schehen sein...« Ein Stöhnen entrang Anees Brust. Ich sah, dass ihre Hände leicht zitter ten.
Braune Pest 11
»Sprich weiter«, flüsterte ich, ob wohl s ich alles in mir dagegen wehrte, mehr zu erfahren. »Ein entstellter Körper, irgendwo in der Wildnis.« Die Akonin fuhr auf, starrte mich wütend an. »Es ist eine Qual, solche Bilder immer und im mer wieder sehen zu müssen und keine M öglichkeit zu haben, die Tür zu schließen. Es sei denn, ich beginge Selbstmord. Aber bin ich sie dann wirklich los? Die ganze Zeit ver suchte ich, die Eindrücke klarer und deutlicher werden zu lassen. Ich wollte Kontakt zu meiner Großen Schwester herstellen. Es ging nicht. Ich kenne weder ihren Namen noch den Ort, an dem sie lebte.« »Lebte?« »Vor einigen Tagen riss die Verbin dung zwischen uns ab,' von einem Augenblick auf den anderen, als habe jemand mit einem M esser die unsichtbare Schnur durchtrennt. Es war wie ein heftiger Schlag. Ich be griff, dass meine Große Schwester nicht mehr am Leben war.« Anee lachte rau, ehe sie fortfuhr: »Ich war froh und traurig zugleich. Und ich war allein, endlich allein, unverfälscht und echt, keine Kopie.« »Ein Spiegelwesen?« Die Akonin sah mich irritiert an. »Ich verstehe nicht...« »Schon gut. Nicht so wichtig.« Die Vecorat hatten inzwischen den Engpass passiert. Sie räumten die Stangen weg und setzten die Segel. Vereinzelt zogen weiße Cumulus wolken über den Himmel. Dazwi schen sammelten sich braune Flo cken zu dichten Gruppen, als wollten sie sich zur Reise in den Norden sam meln. Irgendwie sah es aus, als stecke Absicht dahinter. Vielleicht lenkt der Ins tinkt das
Shainshar, sich in alle Richtungen gleichz eitig zu ver teilen, Stütz punkte zu errichten und von dort aus flächendeckend vorzurücken, über legte ich. Eine schnellere und effekti vere Methode gibt es nicht.
Noch sah ich die Zusammenhänge undeutlich und wie durch einen ima ginären Nebel hindurch. Eine unbe kannte Kraft hatte mich in die Obsi dian-Kluft versetzt, in der sich ge heimnisvolle Dinge ereigneten. Gleichzeitig schien das System aus fünf Planeten und dem 1126 Kilome ter durchmessenden Kristallmond vor dem Untergang zu stehen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis der erste große Asteroid des Obsidian-Ringes auf der Oberfläche Vinaras einschlug und alles Leben vernichtete. Fünf Welten auf einer gemeinsa men Umlaufbahn, vier davon offen bar psionische Kopien des Originals, ein solches System musste extrem empfindlich gegenüber Veränderun gen sein, Oder extrem elastisch!, korrigierte mich der Extrasinn. Du begehst au ßerdem den Fehler, dich zu sehr auf Nebensächlichkeiten zu konzentrie ren. Und was ist nach deiner Ansicht die Hauptsache? Du stehst wieder einmal im Mittel punkt kosmischer Ereignisse. Li traks Ausspruch lässt keinen Zweifel zu. »Ich kann dich nicht töten, Kos mokratenknecht!«, hatte das durch sichtige Kristallwesen vom Ausse hen einer Gottesanbeterin gebrüllt, »Du hast mich gerettet! Nach all den Jahrmillionen ... Eine Ewigkeit lasst
12 Arndt Ellmer
ihr mich allein, niemand hilft mir ... Was ich erleiden musste ...« Seit jenem Zeitpunkt in der Eis gruft argwöhnte ich, dass die Kos mokraten mich wieder einmal vor ihren Karren gespannt hatten. Vielleicht war es aber auch nur die Aura eines Ritt ers der Tiefe, die, Litrak zu seinem Ausspruch veran lasst hatte. Inzwischen war ich der Projektion Sardaengars begegnet, hatte aus dem Mund des Perlenschleifers und Ver räters Enhamor die panischen Worte des »Herrn der Welten« vernommen. »Kristallprinz! Was hast du nur ge tan? Litrak ist frei! Wer soll ihn jetzt noch aufhalten?« Ich wusste aus dem Mund der Se herin, dass Sardaengar nicht irgend eine Vermutung aus gesprochen hatte. Das Schicksal der ObsidianKluft hing offensichtlich an einem seidenen Faden. Ich ging zum Heck des Segelboots. Mein Blick schweifte über das Delta, das sich als riesige Schilf- und Bin senlandschaft bis zum M eer er streckte, eingerahmt von mehreren Flussläufen und dem Zaman-See in der M itte. Flussabwärts ragte als winziger brauner Fleck in einer grü nen und grünblauen Umgebung die Technostadt auf, besser gesagt das, was das Shainshar von ihr übrig ge lassen hatte. »Atlan?« Ich wandte mich um. Tamiljon stand mit hängenden Schultern da. »Ich möchte mich bedanken. Du hast mir mit deiner Warnung das Le ben gerettet. Wir sind jetzt quitt.« Ich versuchte in dem schwarzhäu tigen, haarlos en Gesicht mit den leicht gelblichen Augäpfeln zu lesen. Von Anfang anwar ich diesem Wesen
mit gemischten Gefühlen entgegen getreten. M eine Vorbehalte hatten sich in der Zeit unseres Zusammen seins eher verstärkt. Dass er mir damals das Leben gerettet hatte, traf zwar zu, aber Jörge Javales, der 87-jährige Archivar der TOSOMA, war dabei gestorben. »Quitt sind wir keineswegs«, ant wortete ich. Täuschte ich mich, oder sah Ta miljon krank aus? Irgendwie hatte ich den Eindruck, als sei er ge schwächt. Vielleicht lag es ja auch an den langsamen, etwas unbeholfe nen Bewegungen, mit denen er sich entfernte. In seinem Hals steckte ein Splitter Litraks. Hatte das von mir aus der Eisgruft befreite Wesen so etwas wie eine Verbindung zu uns? Vermutlich war Litrak permanent über unseren Standort informiert. In einer Welt, in der psimaterielle Kristalle eine Hauptrolle spielten und in der ein Wesen wie Sardaengar aus dem Mund eines Perlenschleifers sprach, musste ich von solchen Gege benheiten ausgehen. Wer bist du, Sardaengar? Ich erin nerte mich an das schallende Geläch ter Tamiljons, nachdem Sardaengar aus Enhamors M und gesprochen hatte. Hatte er sich über etwas amü siert, was Litrak ihm durch den Kris tall mitgeteilt hatte? Frag ihn!, drängte mein Extrasinn. Er kann nicht anders und muss dir die Wahrheit sagen. M it dem Halsband aus Nanomo dulen konnte ich Tamiljon jederzeit zwingen. • Später!, antwortete ich. Im Augenblick bereiteten mir die Flockenherden am Himmel größeres Kopfzerbrechen.
•
Braune Pest 13
Kythara rührte sich. Er s ah ihre Hände, die über den Metallboden tas- . In den ersten Augenblicken hatte teten. Ein Stück hinter ihr s chüttel Lethem da Vokoban das Gefühl, der ten Scaul, Zanargun und Ondaix ihre Entzerrungsschmerz zerreiße seinen Benommenheit ab. Nur bei dem Fonshoord schienen Körper in winzig kleine Fetzen. Er stöhnte und stützte sich dann hastig die Symptome der Transition nicht abzuklingen. Er brüllte weiter, als am Boden ab, weil er das Gleichge wicht zu verlieren drohte. M ühsam hätten ihn die Ovalroboter auf ein gelang es ihm, den Oberkörper auf Dutzend Spieße gesteckt. zurichten. Lethem holte tief Luft. Er riss die Vor Lethems Augen drehten sich Arme hoch und schwenkte sie hin feurige Kreise in Regenbogenfarben. und her, um Dismeeder auf sich auf Nach und nach vers chwanden sie merksam zu machen. Es half nichts. und machten einer nüchternen Welt Hastig bedeckte er wieder seine Oh aus Schwarz und Weiß Platz. In ihr ren. schienen sich die Atome langsam Wo war Li? Er hielt nach ihr Aus wieder zu M olekülen zusammenzu schau, aber da hingen nur die golde setzen. nen Ovalroboter in der N ähe, Der Fonshoord irgendwo in seiner stumme Zeugen eines Vorgangs, der Nähe stieß ein Brüllen aus, kurze, für sie nichts Außergewöhnliches darstellte. Die Roboter rührten sich abgehackte Laute, begleitet von ei nem gewaltigen Stampfen seiner nicht, warteten ab. Lethem nahm es zwölf Beine. Wieder kämpfte der Ar als Zeichen, dass die Frau in ihrem konide um sein Gleichgewicht. In ei seltsamen Paillettenanzug die Tech ner gewaltigen Willensanstrengung nostadt zumindest teilweise unter gelang es ihm, die Arme hochzuneh ihrer Kontrolle hatte. men und die Handflächen auf die Oh Kythara verließ den Platz, an dem ren zu pressen. sie kauerte, kroch auf den Fonshoord Der Lärm ließ kaum nennenswert zu. Lethem sah, dass sie ihre Lippen nach. bewegte. Dismeeder brach sein Ge Dafür wich der Schmerz fast über brüll ab, schlang die vier Armtenta gangslos. Das Flirren verschwand, kel um den Bauch und torkelte. »Vorsicht!«, schrie die Varganin. die Konturen der Umgebung - zu nächst nur verschwommen zu erken »Hinter dir!« Sie sprang auf. nen - erhielten ihre alte Schärfe und Erleichtert beobachtete Lethem, wie sie innehielt und ihm beruhigend die Farben zurück. Der Fonshoord brüllte noch immer zuwinkte. im Stakkato. Lethem empfand es als »Beinahe hättest du Li da Zoltral akustischen Wackelkontakt, gerade erschlagen«, hörte er die Frau sagen. Li da Zoltral, Atlans Freundin, die so, als setze sein Gehör in regelmäßi Frau von Arkon, die zunächst in der gen Abständen aus. »Sei still«, murmelte er ohne jede ATLANTIS und dann in der TO Chance, dass Dismeeder ihn hörte. SOMA an der Seite des Unsterbli »M ir platzen gleich die Trommel chen gewesen war; Li, die in der felle.« Stahlwelt gestorben war und deren 2.
14 Arndt Ellmer
Körper der Kos m okrat enrobot er Sam kar m it genom m en hat t e. Von Sam kar hie ß es, das s e s sich um den echt en Igsori an von Veylt han delt e, der einst um seine Beruf ung z um Rit t er der T iefe bet rogen wor den war. Let hem wus st e da s von At lan, a ber es sa gt e ihm ni cht son derli ch vie l. Die Exi st enz der Rit t er war ihm be kannt , auch deren Be de ut un g in fer ner Vergan genheit . M ehr wusst e er aller din gs nicht . Sch wan ken d ka m der Arkoni de auf di e Beine. Dis m ee der zo g si ch ein St ück zu rück. W o er n iem an den gefähr det e, wälzt e er sich am Bo den, bis der Ent zerr un gs sch m erz verkl un gen war. Für ihn war e s eine neue Erfahrun g, er wirkt e reichlich verwirrt . Kyt hara blie b bei ihm , t ät schelt e seinen rie si gen Hals und redet e ber uhi gen d a uf ihn ein, bis e r wi e der k lar denk en konnt e. Let hem wankt e z u der St e lle, an der di e Arkoni din la g. Ein Sp lit t er de s A st eroi den hat t e ihren Anz ug un d den Körper durchs chla gen. A us der W un de an der Brust und am Rü cken sickert e noch im m er Bl ut . W inzi ge M engen nur, aber daf ür ohne Unt erlass. Der s elt sam e Anz ug hat t e einen t ransparent en Helm entfalt et , der ih ren Kopf um h üllt e. Li at m et e sch wer un d unr e gel m ä ßi g. Let he m wo llt e den Hel m öffnen, dam it sie bes ser Luft bekam . E s gin g nicht . Die M e dof unkt ion ihres selt sam en Anz ugs war je doch akt iv, wie si e s el bst ge sa gt hat t e. Z wis chenzeit lich war Li be wusst los. Der Schm erz un d die T ransit ion fordert en ihren T ribut . Let hem rief s ich in Er inner un g, was di e Arkoni din ges a gt hatt e. Ihre
Kont rolle über di e T echnost adt funkt ioniert e nur t eilwe ise. Un d ihre Gerät e z ei gt en an, das s si e m it wei t eren, schweren Ast eroideneinschl ä gen rechnen m us st en. Deshal b al so die T ransit ion! Wo sind wir he rausgekommen?, fragt e si ch der Arkon i de. I st das Vinara Z wei, wie sie sagte? Sardaen gar weilt e verm ut lich hier auf dies er Spie gel welt . Und wo Sardaengar ist, tref fen w ir v iell eicht auch At lan. Noch im m er ruht e Let hem s Blick auf der Art genossin. E s ga b n ur eine sinnvolle Erklärun g für da s Erschei nen der T ot en. Sam k ar hat t e sie re anim iert un d sofort wi e der in den Einsat z ge schi ckt . P arallel zur T O SOM A m usst e sie in di e O bsi dianKluft überge wechse lt sein, vielleicht sogar m it dem sel ben T ransit ionsvor gang. W enn der Kosm okrat enbot e sie ge schickt hat t e, hat t e sie ein en Auf t rag. Lethem fragt e .sich, welcher es war. Sie hat t e sich in der Ge bir gsst a t ion aufgehalt en. Ihre Bem erkun g über Sar da en gar s A ufent halt sort hat t e nicht gerade fre un ds chaft lic h geklun gen. Let hem m ut m a ßt e, da ss si e dem Uralt en Herrn der W elt en nicht un be din gt freun dl ich ge sinnt war. Er schät zt e die Konst ell at ionen ab, di e sich dara us unt er Um st änden er ga ben. W enn At lan m it Sardaen gar zu sam m enar beit et e, m usst e ihn di e Ge gnerschaft zu Li da Zolt ral wie ein Schock t reffen. Viellei cht lag das so gar im Int eresse einer der M ächt e im Hint ergr und. Hoffent lich erwa cht e Li ba ld. So lange si e be wusst los war, konnt e sie ihre Inform at ionen n icht we it erge ben. Un d die, dar über war s ich der Arkonide nach den let zt en Ereignis
Braune Pest
15
sen im Klaren, brauchten sie drin gend. Lethem fragte sich, wieso ausge rechnet Li schwer verletzt wurde, während alle anderen keine Blessu ren davongetragen hatten, nicht ein mal der riesige Fonshoord. Fast war er geneigt zu glauben, dass kein Zu fall dahinter steckte. Allerdings sah es so aus, als befänden sie sich erst einmal in Sicherheit. Die Ovalrobo ter schwebten noch immer reglos in der Luft, als seien sie abgeschaltet oder warteten auf Befehle. Lethem half Scaul, Zanargun und Ondaix auf die Beine, dann kümmer ten sie sich um Kythara und den Fonshoord. Dismeeder jaulte leise vor sich hin, während die Varganin seinen Kopf tätschelte. »Es ist alles in Ordnung«, beruhigte sie ihn. »Die Stadt hat eine Trans ition durchge führt.« Lethem war nicht sicher, ob das fünfgeschlechtige Riesenwesen mit dies em Begriff etwas anfangen konnte. »Lass es gut sein«, sagte er. Viel leicht war es besser, wenn der Fon shoord vorerst nicht erfuhr, dass sie sich nicht mehr auf der Welt befan den, die er kannte.
Lethem schätzte den Durchmesser der Technostadt auf mehr als einen Kilometer. Der golden schimmernde Sockel war einige hundert M eter hoch und von unregelmäßigem Grundriss. Zwischen verschnörkel ten Aufbauten ragten zierliche Türmchen auf, hin und wieder eine Zwiebelkuppel. Es gab architekto nisch gewagte Ausleger, durch glä serne Brücken und Viadukte verbun
den. An den vielfältig geometrisch und asymmetrisch gestalteten Fas saden/zogen sich Arkaden und Säu lenreihen entlang. Es gab Balkone, Erker und Terrassen, alles auf etliche Dutzend Ebenen oder mehr verteilt. Manche trugen üppige Vegetation in der Art von hängenden Gärten. Im Aüßenbereich ragten lange Kris tallstacheln in alle Himmelsrichtun gen. Blauweiße Lichtbögen und Ent ladungen zuckten an ihnen entlang. An Seifenblasen erinnernde, bis zu etwa dreißig M eter durchmessende Sphären trieben einzeln oder in Trauben um die Plattform, landeten, stiegen wieder hoch. M anche ver schwanden übergangslos und tauch ten nicht wieder auf. Lebewesen schien es in der Tech nostadt nicht zu geben, zumindest hatte Lethem bisher keine entdeckt. Der Arkonide musterte die Oval roboter in der Nähe. Die obere Run dung mit ihren Sensoren glich einem filigran facettierten Rubin. Die un tere wies eine Perforation auf, ver mutlich handelte es sich um die Öff nungen für die Prallfeldprojekto ren. Die M aschinen rührten sich nicht. Sie verhielten sich, als würden sie auf Befehle warten. Lethem nahm es als Anzeichen dafür, dass Li da Zol tral die Stadt tatsächlich bis zu ei nem gewissen Grad unter ihre Kon trolle gebracht hatte. Er wandte sich um. »Alles in Ord nung, Dismeeder?« »Ja, es geht mir gut.« Lethem ging zum Rand der Platt form. Die Gefährten folgten ihm. Nur der Fonshoord blieb an Ort und Stelle, ein einsamer und aufmerksa mer Wächter über die bewusstlose Arkonidin.
16 Arndt Ellmer
»Wir überfliegen einen Ozean«, stellte der Zweite Pilot der TOSOMA fest. »Kann jemand etwas mit dem Küstenverlauf dort drüben anfan gen?« Seine Frage galt den beiden Viin ghodorern. Ondaix schob die mächtigen Schultern nach vorn. Die buschigen Augenbrauen zuckten. Der Springer lachte belustigt, sagte aber nichts. Lethem musterte die Varganin. Sie schüttelte verhalten den Kopf, eine Geste, die sie ihm und den beiden an deren TOSOMA-Angehörigen abge schaut hatte. »Wasser sieht überall gleich aus«, sagte sie. Die Technostadt sank tiefer. Le them schätzte die Distanz von der Plattformunterseite bis zur Wasser oberfläche auf nicht einmal hundert Meter. »Warten wir eine Weile.« Scaul Relum Falk schwitzte schon wieder. »In Flugrichtung scheint sich etwas zu tun.« Undeutlich erst, dann immer schärfer tauchte eine Küstenlinie, aus dem Dunst auf. Einzelne Inseln ragten^ aus dem Wasser. Ein Stück dahinter leuchteten tiefblaue Fäden von mäandrierenden Wasserläufen. Kythara räusperte sich. »Die Konturen kommen mir bekannt vor. Was sich da.aus dem Dunst schält, ist die Lagunenstadt Giascon auf Vinara Zwei.« Li da Zoltral hatte ihr Ziel also er reicht. Irgendwo auf dieser Welt hielt sich Sardaengar auf. In Giascon vielleicht... Lethem rannte zu der Arkonidin hinüber. Sie war noch immer ohne Bewusstsein. Aber sie atmete gleich mäßiger als vorher. Die M edofunk
tion ihres Anzugs schien zu funktio nieren. »Wach auf«, flüsterte er. »Es ist wichtig. Wir sind angekommen ...« Ein Flattern der Augenlider hinter der ges chlossenen Helmscheibe hätte ihm genügt . A ber da war nichts. Li konnte ihn nicht hören. »Vorsicht!«, rief Kythara in diesem Augenblick. »Die Roboter...«
Der Boden erzitterte - nicht von den M aschinen. Es war mehr ein Be ben, das die ganze Stadt eriasste. Tief aus dem Innern des Sockels unter ih ren Füßen drang ein Wummern, das alsbald in ein Stampfen überging. Die Plattform zitterte stärker. Lethems Blick wanderte hastig zwischen den Robotern und Giascon hin und her. Die Technostadt hielt Kurs. Ihre leichte Neigung blieb un verändert, die Abweichung betrug höchstens zwei Grad aus der Waag rechten. Die goldenen Ovalroboter hielten für ein paar Augenblicke inne. Als sie sich erneut in Bewegung setzten, taten sie es mit Nachdruck. Und sie ließen keinen Zweifel daran, was sie vorhatten. Blitzartig fuhren sie Ten takel aus, die sich um die Körper und Gliedmaßen der »Fahrgäste« wickel ten. »Leistet keine Gegenwehr, sie wäre sinnlos«, sagte der Arkonide. Die Roboter verfügten nicht nur über größere Körperkräfte, sie be stimmten auch, was auf und in der Technostadt geschah. Der Ovalrobo ter hob Lethem mühelos hoch und trug ihn davon. Der Arkonide ver renkte sich den Hals, um den Blick kontakt mit den Gefährten zu behal
Braune Pest 17
ten. Dismeeder peitschte erregt mit seinem mächtigen Schw anz, aber nach einem Zuruf Kytharas ergab er sich ebenfalls in sein Schicksal. Die Tentakel der Roboter waren zu kurz für ihn. Die M aschinen setzten Prall felder ein. Zwischen hohen Arkaden führte ihr Weg in einen Röhrengang, an des sen Ende eine Halle mit Antigrav schächten lag. Die Roboter transpor tierten sie nach unten ins Innere der Technostadt. Lethem zählte ab. Sie waren voll zählig mit Ausnahme Li da Zoltrals. Die Arkonidin genoss eine Sonder behandlung, was ihn nicht groß ver wunderte. Die Ovalroboter akzep tierten sie als Befehlshaberin. Eine Arkonidin! . Lethem wandte sich an seinem Transporteur. »Gleich kommt ein Seitengang. Setz uns darin ab!«, ver langte er. Die M aschine ignorierte ihn. Of fensichtlich gehörte mehr zum Sta tus eines Befehlshabers, als Arko nide zu sein. Bei allen Sternengöt tern! Tief unter ihnen flammten Schein werfer auf. Sie beleuchteten das Ende des Schachtes und eine Halle, in der sich weitere Roboter aufhiel ten. Die M aschinen setzten sie mitten in der Halle ab. Der Ring ihrer Bewacher war großzügig dimensioniert. Es lag an dem Fonshoord, der mit seinen fast 30 M etern Körperlänge mit knapper Not durch den größten Schacht gepasst hatte. Jetzt schienen die M aschinen so etwas wie Respekt vor dem Platzbedarf des Riesen zu entwickeln. Wir müssen hier wieder raus, bevor Giascon hinter uns liegt, dachte Le them. Bloß wie?
Es gelang ihm, mit den Fingern der rechten Hand an das M ultifunkti onsarmband am linken Handgelenk zu kommen. Er aktivierte das Funk gerät. »Da Vokoban an da Zoltral«, sagte er. Seine Stimme klang heiser, der Mund war wie ausgedörrt. Die Luft in der Stadt wies keine nennenswerte Feuchtigkeit auf. »Hol uns schnell hier raus!« Sie antwortete nicht, war offen sichtlich immer noch bewusstlos. Er erkannte es Augenblicke später, als die Roboter sie als Letzte der Gruppe in einem Prallfeld hereinschoben. Verzweifelt blickte Lethem um sich auf der Suche nach einer M öglich keit, den sturen M aschinen ein Schnippchen zu schlagen und zu ent kommen. Er fand nichts außer blan ken M etallwänden und ein paar Kor ridoren, an denen Schutzfelder flim merten. Die Hilflosigkeit versetzte ihn in Wut. Am liebsten wäre er mit blan ken Fäusten auf seinen Transporteur losgegangen. Kythara sagte etwas, aber er be achtete es nicht. Wenn es ihnen ge lang, drei oder vier der M aschinen lahm zu legen, reichte das als Schutzschild für die Vorderseite. Den Rücken hielten sie sich mit dem Fonshoord frei. So musste es gehen! Lethem über legte, wie er seinen Ovalroboter am besten hereinlegte, damit der ihm mehr Spielraum gab oder ihn auf dem Boden absetzte ... 3.
Yandan lag an einem Hügel mitten zwischen den Flussläufen des Zan
18 Arndt Ellmer
daran-Deltas. Wuchtige M auern fassten die Stadt ein, die Tore waren groß und ziemlich breit. Zurzeit standen sie offen, damit das Wasser abfließen konnte: Die Flutwelle der abgestürzten Technostadt hatte in den unteren Vierteln zwischen dem Hafen und dem Barik Schäden ange richtet und Leben gefordert. Von der Reling aus sah ich Kisten, in die die Vecorat ertrunkene oder von Trümmern erschlagene Artge nossen legten und abtransportierten. Überall lagen zerschmetterte oder leckgeschlagene Boote. Transport karren entdeckte ich so gut wie keine. Das Leben der Stadt spielte sich hauptsächlich auf den Wasser straßen ab. »Es hat die Stadt unvorbereitet ge troffen«, stellte die Seherin fest. Ihre Begleiter holten die Segel ein. M it zitterndem Ruder glitt das Boot zwischen Holztrümmern und allerlei Unrat entlang bis an die Kaimauer, die ein Stück weiter nördlich in die Stadtmauer überging. Der Barik führte im Osten an Yan dan vorbei. Ein breiter K anal zweigte nach links ab. Nach Anees Aussage war das der Stadtkanal. Er teilte Stadt und Hügel in zwei Hälf ten und verband den Fluss mit den Seen im Westen und anderen Fluss läufen wie dem Nirik. An einer der wenigen noch intak ten Anlegestellen warf einer der Vecorat das Seil mit der Schlaufe aus. Es traf den Poller an der Kai mauer, rutschte über den Kopf und hielt. Während das Boot langsam vorbeiglitt, spannte sich das Seil und bremste das Boot ab. Die Vecorat zo gen das Fahrzeug gegen die M auer, bis es stilllag. »Dort! Sieh nur!«Tamiljon deutete
auf einen der Wehrgänge an der Stadtmauer. Bewaffnete Vecorat zo gen auf. Sie formierten sich und mar schierten die Treppe herab, die vom Wehrgang der Stadtmauer zum Kai führte. »Das gilt uns«, sagte ich zu der Akonin. »Wie sicher sind wir in dei ner Begleitung?« »M ein Wort ist Befehl. Wen ich in die Stadt bringe, der wird als Freund empfangen.« »Dann bin ich beruhigt.« Innerlich war ich alles andere als das. Die Vecorat trugen lange Speere mit M e tallspitzen in ihren unteren Armpaa ren. Auf ein Kommando des Anfüh rers hin brachten sie die Waffen aus der Senkrechten in die Waagrechte, so dass sie mit den Spitzen auf uns deuteten. »Vielleicht sollten wir lieber wei terfahren«, meinte Tamiljon mit un überhörbarer Hast. Eigentlich war ich seiner M einung, aber ich entschloss mich, der Seherin zu vertrauen. Wenigstens vorläufig. Anee gab eine Reihe zirpender Laute von sich. Die Vecorat verließen das Boot und räumten den Unrat und die Trümmer zur Seite, die die Flut welle zurückgelassen hatte.. Erste Schaulustige strömten herbei. Erneut gab die Seherin Anweisun gen. Ihre Begleiter bahnten eine Gasse durch die Menge. »Folgt mir!«, sagte die Akonin. »Es ist Zeit!« So schnell es ging, kletterten wir aus dem Boot und hasteten hinter ihr her. Überall gab es Pfützen, Über bleibsel der Flutwelle. Anee schloss zu ihren Begleitern auf. Die Schaulustigen musterten uns schweigend aus ihren großen Fa cettenaugen. Ihre Kopffühler schim
Braune Pest
19
inerten bronzefarben, sie bewegten sich unruhig hin und her. Rechts marschierten die Bewaff neten im Gleichschritt die Treppe von der Stadtmauer herab. Anee und ihre Wächter w andten sich nach links, dem Fuß der Mauer zu. Die Se herin mahnte ihre Wächter zur Eile. Die Bewaffneten kamen zu spät. Wir erreichten eine Tür in der M auer. Das Holz war geborsten und sah ziemlich vermodert aus. Es war kein Wunder, dass es dem Wasserdruck nicht standgehalten hatte. Anee scheuchte ihre Vecorat durch die Öffnung. Dahinter schloss sich ein Hof an, von dem ein halbes Dut zend tunnelartiger Gänge in die Stadt führte. Wir erhas chten ein paar Blicke in die Häuser, die unmit telbar an die Stadtmauer gebaut wa ren. Die Treppen zu den Kellerräu men standen noch immer unter Was ser. Aus den oberen Räumen hörten wir aufgeregtes Zirpen der Bewoh ner. Unsere Kolonne geriet ins Sto cken. Die ersten Vecorat kehrten aus dem Tunnel in den Innenhof zurück. »Draußen stehen ebenfalls Gardis ten der Königin«, wandte sich die Akonin an mich. »Bist du bereit, ih ren Anweisungen zu folgen?« »Natürlich. Da mir in deiner Be gleitung nichts geschehen kann ...« Die Vecorat nahmen uns in ihre M itte. Anee setzte sich an die Spitze der Gruppe. Im Tunnel war es feucht, der Boden glitschig. Wir rutschten mit unseren Stiefeln wie auf einer Eisbahn. Die Vecorat hatten keine Probleme damit. Hinter dem Durchgang erstreckte sich eine breite Straße. Sie führte vom Stadttor schnurgerade nach Nordwesten. »Die Soldaten haben den Befehl,
uns zur Königin zu bringen.« Anee deutete zu den einachsigen Karren, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite warteten. »Sie schickt euch deshalb ihre Leibgarde und die besten Fahrzeuge, die der Palast be sitzt. Die Weyln wurden von ihr mit der Hand großgezogen.« Die Karren hatten Holzräder und waren ziemlich roh gezimmert. Et was weniger klobig sahen die Zug tiere aus, die Anee als Weyln bezeich net hatte. Sie ähnelten terranis chen Straußen, stammten jedoch eher von Reptilien als von Vögeln ab. Ihre ge schuppte Haut schillerte in Regenbo genfarben. Die Tiere erreichten ein Stockmaß von ungefähr eineinhalb M etern, in ihren Proportionen ent sprachen sie Kälbern. Die Köpfe be saßen eine verblüffende Ähnlichkeit mit denen von Waranen. Wie bei Fleisch fressenden Sauriern waren die Vorderbeine zurückgebildet, die hohen Hinterbeine zeigten Muskula tur pur. Als sie unsere Witterung auf nahmen, stießen sie ein lautes Zi schen aus. »Die Weyln sind ungefährlich.« Die Akonin versuchte uns zu beruhi gen. »Aber sie kennen euren Geruch noch nicht und betrachten euch des halb als Gefahr.« »Sag ihnen, wir tun ihnen ganz be stimmt nichts.« Ich musterte Tamil jon, der sich die ganze Zeit ständig hinter meinem Rücken gehalten hatte. Seine Ges ichtshaut verlor nach und nach ihre tiefe Schwärze, tendierte nach Anthrazit-Dunkel grau. »He!«, rief ich. »Was ist mit dir los?« »Nichts. Aber vielleicht sollten wir so schnell wie möglich weiter.« Ich stimmte ihm in Gedanken zu. Der Aufenthalt in Yandan brachte
20 Arndt Ellmer
uns unserem Ziel nicht näher. Aber vielleicht brauchten wir die Vecorat noch. Oder ihre Zugtiere. Dass die Seherin uns auf unserem weiteren Weg begleiten würde, bezweifelte ich keinen Augenblick. Zu dritt bestiegen wir den mittle ren der drei Wagen. Die Begleiter der Seherin verteilten sich auf die übri gen. Die königlichen Gardisten kreis ten die Kolonne ein. Ein heftiges An einanderschlagen der Holzspeere stellte für die Weyln das Zeichen zum Aufbruch dar. Die Zugtiere hatten einen ruckar tigen Gang, der die Karren ständig hin und her riss. Den Rädern fehlte die vollkommene, runde Form, und sie liefen unregelmäßig in ihrer Achse. Wir schwankten schlimmer als auf Kamelen oder Elefanten mit ungleich langen Beinen. Die Prachtstraße führte geradeaus durch Yandan, so weit das Auge reichte. Die Häuser links und rechts hatten meist zwei oder drei Stock werke mit einem Flachdach, das als Terrasse ausgelegt war. Kunstvoll aus Holz geschnitzte Geländer und Fenstergitter zeugten von Detail freude und Kunstverständnis. In den Innenhöfen und Durchgängen sahen wir farbenprächtige Zelte von Händ lern, die ihre Waren feilboten. Das Gezwitscher der Vecorat vermischte sich mit dem Knarren und Quiet schen unserer Karren zu einem exo tischen, fast schon modernen Techno-M ix. In Yandan pulsierte das Leben. Dass ab und zu braune Flo cken am Himmel vorbeischwebten, bemerkte keiner. Und selbst wenn, störte es niemanden. Ich wünschte mir, wir hätten eine etwas schnellere Fortbewegungsart gewählt, etwa eine Bootsfahrt auf
dem Stadtkanal. Angesichts der Be waffnung unserer königlichen Es korte hielt ich es allerdings für mü ßig, einen entsprechenden Vorschlag zu machen. Nach zehn Runtsch - ich schätzte die Strecke auf fünf Kilometer tauchte rechter Hand eine silberne Säule auf, hundertfünfzig M eter hoch und nicht zu übersehen. Ihr Schatten fiel über die Dächer und Fassaden der Gebäude bis fast zum Stadtkanal. Um ihren Sockel grup pierte sich im Halbkreis ein Dut zend kleiner, zwiebeiförmiger Bau werke. »Das ist meine Wirkungsstätte, das Yanazan-Orakel«, sagte die Akonin. »Hier legen wir eine Rast ein.«
Vom Säulengang unter den Kapi tellen fiel mein Blick auf den schlan ken Zylinder im Mittelpunkt des ar chitektonischen Arrangements. Sei ne Oberfläche unterschied sich nicht von der, die wir an anderen Säulen gesehen hatten. Einst spiegelblank, war sie inzwischen stumpf, wie von einer dünnen O xidationsschicht überzogen. »Bitte lass uns nicht zu lange hier verweilen«, bat ich. »Die Bevölke rung der Stadt benötigt dringend Aufklärung über die Braune Pest.« Anees Blick traf mich, sie verzog fast spöttisch den M und. »Was bist du doch für ein seltsamer Kerl. Ich gäbe viel darum, meinen Eindruck in Worte fassen zu können. Aber du hast Recht. Ich habe Boten zur Köni gin geschickt, die sie auf unsere An kunft und euer Anliegen vorbereiten sollen. M ehr kann ich nicht tun. Die Vecorat sind zu nervös. Unbedachte
Braune Pest 21
Worte würden Hysterie und Panik auslösen.« »Sie haben genug Augen im Kopf, um die braunen Flocken und Wolken in der Luft zu erkennen. Wenn das Zeug erst auf die Stadt sinkt und das Shainshär seine tödliche Wirkung entfaltet, ist alles zu spät.« »Dieser Fall wird nicht eintreten. Hörst du die Signale?« Ich lauschte. In der Ferne erklang ein Brausen, ab und zu durchbrochen von einzelnen schrillen Tönen. »Das sind Burnusshörner«, sagte die Seherin. »Sie verkünden den Stillstand.« »Stillstand wofür?« »Für alle Vecorat im Delta.« »Aber das ist verrückt.«, entfuhr es mir. »Statt Evakuierung darf keiner mehr seinen Platz verlassen?« »Nur für kurze Zeit, um die Über sicht zu bewahren. Die Königin schickt Botenvögel aus.« Ich verzog das Gesicht. »Die Hälfte kommt unterwegs mit braunen Flo cken in Berührung und fällt als bro delnde M asse vom Himmel.« »Das mag sein. Die andere Hälfte reicht jedoch aus, um alle Gruppen und Siedlungen im Delta zu infor mieren.« »Und dann?« »Bis dahin hat die Königin uns eine Audienz gewährt und ihre Ent scheidung getroffen.« »Für die Obsidian-Kluft ist es bis dahin vielleicht schon zu spät. Wir müssen auf dem schnellsten Weg in den Canyon der Visionen.« Litrak war vermutlich schon dort, und Sardaengars Ankunft würde wohl auch nicht lange auf sich war ten lassen. Wenn beide zusammen trafen, entstand dann wirklich diese schreckliche Bedrohung, deren Fol
gen .niemand mehr verhindern konnte? »Was weißt du noch?«, fragte ich. »Was hat deine Große Schwester dir an weiteren Informationen gege ben?« »Nichts. Ich kenne ein paar Be griffe wie die >Insel der Verdamm- . ten< und die >Ebene der WracksQui vive< versuchen, dachte ich sarkas tisqh. Erneut drängten die Erinne rungen an die Französische Revolu tion in mein Bewusstsein. Dann fiel endlich der Groschen, und ich wuss te, warum mir die Ereignisse des Jah res 1789 nach Christus ständig durch den Kopf gingen. Es waren die Speere, eine simple optische Asso ziation. Eigentlich ähnelten sie mehr den Jagdspießen des einfachen Man nes, ein gleichmäßig geschliffener Holzstock mit einer flachen M etall spitze darauf. Ähnliche Speere kannte ich von Terra unter dem Be griff »Saufeder«. Das Portal schwang auf. Ge dämpftes Rotlicht empfing uns. Die Wächter trugen schwarze Umhänge, die den gesamten Körper verhüllten und nur die Gliedmaßen und den Kopf frei ließen. Statt Speeren hat ten sie Dreikantstöcke aus M etall, die vorn spitz zuliefen. Die Kanten glänzten vom scharfen Schliff. Die Vecorat stießen mit ihnen in unsere Richtung. Diesmal beließ die Seherin es nicht bei einem bösartigen Zischen. Sie trat vor. Erschrocken zogen die Wächter ihre Waffen zurück. Hätten sie es nicht getan, Anee hätte sich selbst durchbohrt. Sie kannte die M entalität dieses Zweigvolks der In dividualverformer genau, sonst wäre sie ein solches Risiko niemals einge gangen. Durch einen Gang erreichten wir einen grün beleuchteten Saal mit prächtigen Holzschnitzereien. Wur zelwerk und Bäume waren inte griert. Ungefähr in der M itte hing an dicken Seilen ein M etallgitter von
Braune Pest
31
der Decke, aus dessen Unterseite un terarmlange M etalldornen ragten. Dunkle Flecken auf dem Kassetten boden vervollständigten den Ein druck. Die hohe Ger ichtsbarkeit führ t ihre Urteile vor Ort gleich s elbs t aus! Ich hegte keinen Zweifel, dass es sich um eine Hinrichtungsmaschine handelte. Der insektoide Delinquent wurde auf den Boden gelegt, dann fiel das Gitter herab. Die Dornen durchbohrten den Chitinpanzer und töteten den Verurteilten. Es wun derte mich nicht, dass die Wächter uns genau unter diesem Gitter halten ließen. »Rührt euch nicht!«, zischten sie gemeinschaftlich. Ich musterte die Seherin von der Seite. Ihr Gesicht blieb unbewegt. Aber ihre Augen leuchteten. Sie hielt die Hände geballt, ließ sie dann aber blitzschnell in den weiten Ärmeln ih res Gewandes verschwinden. Im Hintergrund, wo ich im schummri gen Licht so gut wie keine Einzelhei ten erkennen konnte, bewegte sich etwas. Die Wand glitt zur Seite. Da hinter ragte ein Thron in grellem Blaulicht auf. »Lang lebe Drizzt-Rilice, unsere Königin!«, zirpten die Wächter und warfen sich zu Boden. Der Thron stand auf einem Podest, das langsam nach vorne fuhr. Beim Näherkommen entpuppte er sich mehr als Gestell denn als Sitzgele genheit. Drizzt-Rilice sah aus wie alle Vecorat, denen wir bisher begeg net waren. Lediglich ihr Hinterleib war.doppelt so groß. Sie benötigte die Thronstütze, damit sie sich keine Quetschungen holte. Ein zweites Unterscheidungs
merkmal entdeckte ich, als das Po dest anhielt. Die Augen der VecoratKönigin waren größer, die einzelnen Facetten schienen stärker gewölbt. »So weit ist es schon gekommen«, sagte sie. »Müssen wir uns selbst in der Obsidian-Kluft vor den Arkoni den in Acht nehmen?« Da hast du's! Schmerzhaft dran gen die Worte des Extrasinns in mein Bewusstsein. Hättest du besser auf meine Warnung gehört! Doch nun war es zu spät. Die Kö nigin erkannte in mir als Erste ihres Volkes einen Arkoniden. Wusste sie noch mehr über die Ver gangenheit? Viel sprach dafür. Köni ginnen in Insektenreichen verfügten häufig über eine kollektive Intelli genz, die auch das Wissen über die Vergangenheit beinhaltete. Die Vecorat waren seit jeher die Erz feinde der Arkoniden gewesen. M it ihrer Fähigkeit der Bewusstseins übernahme hatten die Individual verformer das Große Imperium an den Rand des Abgrunds getrieben. Wusste Drizzt-Rilice all das, oder hatte sich das Wissen über unzählige Generationen nur rudimentär erhal ten? Die Vecorat-Königin starrte mich an, lauernd und feindselig, wie ich mir einbildete. Der Blick aus den rie sigen Facettenaugen, konnte er tat sächlich hasserfüllt sein? Ich richtete meine Aufmerksam keit nach innen. Jeden Augenblick rechnete ich mit einem Angriff. Es musste ein Leichtes für eine VecoratKönigin sein, mein Bewusstsein zu übernehmen. Die M entalstabilisie rung verhinderte lediglich hypnoti sche Angriffe, nicht aber einen kom pletten Bewusstseinsaustausch. Ein Zupfen und Z iehen ...? Ich
32 Arndt Ellmer
spannte meine M uskeln an, um mich nach vom auf die Königin werfen zu können. Nichts geschah. Die typischen Symptome eines Bewusstseinswech sels - das Ziehen im Kopf, der flüch tige Eindruck von Dunkelheit, ge folgt von einer ungewohnt verzerrten Perspektive durch die Augen eines Individualverformers - blieben aus. Drizzt-Rilice fixierte mich schwei gend. Ihre M andibeln klackten im Rhythmus meines Atems. »Sind die Arkoniden etwa die Her ren der Technostädte?«, fragte sie un vermittelt. »Nein. M einen Begleiter und mich hat es zufällig in die fliegende Stadt verschlagen. M it dem Absturz haben wir ebenfalls nichts zu tun, es han delt sich um die Auswirkungen der Braunen Pest, die mit der Stadt nach Vinara Fünf kam. Bringe dein Volk in Sicherheit,' Drizzt-Rilice. Noch ist Zeit dazu.« Die Königin gab ein Zischeln von sich, das an eine Schlange erinnerte. Anee bewegte sich unruhig. Ich sah, wie ihre Nackenhärchen sich auf richteten. »Niemand und nichts besiegt das Reich Tanalagan«, verkündete Drizzt-Rilice. »Die Braune Pest ist kein gewöhn licher Gegner«, warnte ich eindring lich. »Sie vernichtet alles, was ihr in den Weg kommt, Organisches wie Anorganisches. Vermutlich könnte man sie nur mit Energiewaffen ver nichten, aber die funktionieren in der Obsidian-Kluft nicht.« Wieder das Zischeln. Drizzt-Rilice streckte alle vier Arme in seine Rich tung aus. »Er ist gekommen, um uns zu verderben. Legt ihn unter das Git ter!«
Das hieß so viel wie »Tötet ihn!« In diesem Augenblick hielt ich die Warnung meines Extrasinns nicht mehr für übertrieben, die Veeorat könnten nur auf eine Gelegenheit lauern, um mir den Garaus zu ma chen. Sie brauchten dazu auch keine Übernahme meines Körpers. Anee trat zwischen die Wächter und mich. »Ich war Augenzeugin der Vorgänge, meine Königin. M it eige nen Augen habe ich die Wirkung der braunen Wucherungen erlebt. Atlan sagt die Wahrheit. Vergiss, welchem Volk er entstammt. Er ist gekommen, um Tanalagans Bewohner vor Scha den zu bewahren!« Die Königin zeigte noch immer mit allen vieren in meine Richtung. »Vollstreckt jetzt das Urteil!« Die Wächter stießen Tamiljon zur Seite und packten mich.
Die Unlust eines Unsterblichen, von einem mittelalterlichen Folter instrument erschlagen zu werden, war bei mir vermutlich noch nie so groß gewesen wie in diesen Augen blicken. Ich taxierte das halbe Dut zend Wächter, die mich gepackt hiel ten. Ihre Kräfte waren gewaltig, die Hebelwirkung der starren Gliedma ßen enorm. Aber gegen ein paar ge schickt angebrachte Dagor-Griffe vermochten die Veeorat wohl auch im Dutzend nichts auszurichten. Allerdings hielt ich es für müßig, bei diesen Wesen nach Dagorpunk ten für einen sinnvollen Angriff zu suchen. Ein gezielter Schlag mit der Handkante gegen die Weichteile zwi schen Kopf und Panzer konnte jeden von ihnen enthaupten, hätte mich aber nicht weitergebracht. Also muss
Braune Pest 33
te ich mir mit ein paar harmloseren Tricks behelfen. Beinstellen zum Beispiel. Eine schnelle Drehung meines Unterkör pers, eine Verlagerung des Schwer punkts, und die ersten beiden kipp ten über meine Unterschenkel nach hinten weg und lagen genau an der Stelle, wo nach Auffassung ihrer Kö nigin ich hingehörte. Die nächsten zwei lagen, ehe sie die Geschehnisse richtig verarbeitet hatten. Die letz ten beiden fällte ich mit Hilfe der Hebelwirkung ihrer Arme. Der Schwung riss sie nach vorn an mir vorbei. Sie kamen unmittelbar vor dem Podest zu liegen. »Ich möchte nicht unhöflich er scheinen«, wandte ich mich an Drizzt-Rilice. »Aber meine Anwe senheit in Yandan dient nicht dem Zweck, unter einem Nussknacker für Chitinpanzer zu enden. Du hast da für doch sicherlich Verständnis.« »M eine Entscheidung ist unwiderruflich!«, schleuderte sie mir entge gen. »Die Seherin wird nun meinen Befehl ausführen.« Ich machte mit der Hand eine ein ladende Bewegung Richtung Aus gang. »Etwas frische Luft wird uns sicher gut tun.« Die Vecorat-Königin sah sich ver mutlich zum ersten Mal mit einem Anarchisten konfrontiert, der sich ihren Anordnungen widers etzte. Eine Weile blieb sie starr auf ihrem Gestell sitzen. Dann sprang sie auf, sodass ihr mächtiger Hinterleib ge gen das Podest prallte. Bestimmt tat es weh, aber sie beachtete es nicht. M it ihren eigenen Händen wollte sie ausführen, wozu andere nicht in der Lage waren. Fangenspielen war auch ganz lus tig, allerdings nicht in einer Situa
tion, in der die Existenz eines ganzen Volkes auf dem Spiel stand. Auf dem Korridor erklang das Klacken von Vecorat-Stiefelsohlen. Drizzt-Rilice hielt inne. Erwartungsvoll richtete sie ihre Facetten auf die Tür, die Au genblicke später aufflog. Statt der erwarteten Soldaten stürmte ein ein zelner Vecorat herein. Er trug prachtvoll verzierte G ewänder, gleich mehrere davon übereinander, vermutlich ein Zeichen für seinen hohen Rang. »General Agustox-Drox!«, zirpte die Königin. Sichtlich verwirrt, weil sie nicht auf ihrem Thron saß, blieb der Gene ral stehen und verbeugte s ich bis zum Boden. Die beiden unterhielten sich summend und pfeifend, ab und zu mit schrillen Lauten vermischt. Ich hatte mich in meinem bisherigen Leben nie mit der Sprache der Indi vidualverformer befasst, verstand dementsprechend auch nichts von ihrer Unterhaltung. Stattdessen be obachtete ich die Seherin, deren M iene sich sichtlich aufhellte. Alles noch mal gut gegangen, dachte ich. Drizzt-Rilice fuhr vor mir zurück. Diesmal vermied sie es, mich unmit telbar anzustarren. »Was weißt du sonst noch über die Braune Pest?« fragte sie. »Und was schlägst du vor?« Die Nachrichten des Generals schienen so bedenklich zu sein, dass die Königin ihre uralten Erinnerun gen an die Feindschaft vergaß und sich der augenblicklichen Situation ihres Reiches widmete. »Wenn wir nichts gegen das Shainshar unternehmen, w ird es nach und nach den ganzen Planeten befallen. Dann dauert es nicht mehr
34 Arndt Ellmer
lange, bis kein einziges Lebewesen mehr existiert. Wir müssen schnell nach M öglichkeiten suchen, wie wir ihm Einhalt gebieten können. Wasser hilft nichts, Luft auch nicht. Viel leicht Hitze. Oder Säure.« Es kam auf ein paar Versuche an. Ich wandte mich an Anee. »Bring uns zu der Stelle in der Stadt, von wo aus wir den besten Überblick ha ben.« Ein Stöhnen Tamiljons ließ mich innehalten. Das Gesicht des M annes war verzerrt. Er griff Halt suchend um sich, dann brach er mit einem Wimmern zusammen. »Litrak ...« M ehr kam nicht über seine Lippen. Fassungslos starrte ich auf seinen Hals. Die Haut spannte sich übermä ßig stark und bekam feine Risse. Lachsfarbene Flüssigkeit sickerte hervor. Im Zeitraffertempo schoben sich kristalline Ranken aus den Wunden. Ich kniete mich neben ihn. Er at mete hektisch und mit halb geöffne tem Mund. »Tamiljon!« Er reagierte nicht. Ich tätschelte seine Wangen. Litraks Kristall bringt ihn um! Ich musste das Halsband entfer nen oder versuchen, die Kristalle mit seiner Hilfe zurückzudrängen. Has tig konzentrierte ich mich mit mei nen Gedanken auf die Nanomodule. Nichts geschah. Die Module reagier ten nicht. Die Halsbandfunktion er hielten sie weiter aufrecht, aber den Befehl zur Veränderung führten sie nicht aus. Es könnte an einer Wechselwir kung mit den Kristallranken liegen, überlegte ich. Ein Test mit dem Nano-Armband an meinem Handge lenk bestätigte es. Die M odule rea
gierten sofort auf meinen Gedanken befehl und zogen sich zu einem Ring zusammen. Auf einmal kauerte sich auch Anee rieben den M ann in seinem pech schwarzen Overall. Sie schloss die Augen, hielt die Hände wie ein Dach über seinen Kopf. Nach einer Weile sanken ihre Arme herab. »Ich kann nichts tun«, flüsterte sie heiser. »Er ist ins Koma gefallen. Wenn ihm je mand helfen kann, dann ein Arzt mit entsprechenden Gerätschaften.« Vinara Fünf mit seiner altertümli chen Hochkultur war kaum der rich tige Ort für eine High-Tech-Klinik. Die gab es höchstens in der TO SOMA. Ihr Götter Arkons! Lasst mich eine Spur des Schiffes und seiner Besat zung finden! Die Kristallranken wuchsen wei ter. Inzwischen waren sie fast so dick wie ein kleiner Finger. Ich legte die Hände an das NanoHalsband und versuchte, es zu öff nen. Gleichzeitig schickte ich wieder einen Gedankenbefehl an die M ikro module. Es half nichts. Das Band gab keinen M illimeter nach. Die Kris talle wuchsen weiter, funkelten und glitzerten wie Litraks Körper, als er hinaus auf den Gletscher geflohen war. »Er erstickt vielleicht daran«, hauchte die Seherin. »Und wir müs sen zusehen.« 6.
Lethem da Vokoban spürte Boden unter den Füßen. Die Tentakel lösten sich von seiner Brust und seinen Hüften. Verdutzt sah er sich um. Erst in diesem M oment drang es in sein
Braune Pest 35
Bewusstsein, dass Kythara etwas ge sagt hatte. Er lauschte den Worten der Varganin nach. »Lasst uns sofort los!«, hatten sie gelautet. Zu seiner Verwunderung gehorch ten ihr die M aschinen, während sie seine Aufforderung ignoriert hatten. Finde dich endlich damit ab, Le them, sagte er sich. Du bist keine Persönlichkeit, die führen kann. Als Schiffskommandant bist du be stimmt ebenso eine Pfeife wie als Gruppenführer oder Expeditionslei ter. M üdigkeit übermannte ihn, er fühlte sich kraftlos. Er hatte Tasias Tod nicht verhindert. Das Unglück hätte ihn warnen sollen. Aber offen sichtlich fehlte ihm die Kraft, Auto rität zu beweisen und sich auf verän derte Bedingungen einzustellen. Ci soph Tonk und Hurakin lebten eben falls nicht mehr. Enaa von Amenonters Enthauptung hatte Le them endgültig in schwere Selbst zweifel gestürzt. Seither fragte er sich, ob er das Kommando nicht bes s er abgeben oder s ich von der Gruppe trennen sollte. Und es hörte nicht auf. Kaum war Li da Zoltral zu ihnen gestoßen, wurde sie schwer verwundet und kämpfte mit dem Tod. Die bittere Frage drängte immer heftiger in sei nem Innern. Am liebsten hätte er sie laut hinausgeschrien. Wer ist der Nächste, den ich auf dem Gewissen habe? Stattdessen wandte er sich an die Roboter. »Warum habt ihr uns ins In nere der Plattform gebracht?« »Es geschieht zu eurem Schutz«, lautete die verblüffende und doch logische Antwort. »Nicht alle Funktionen der Technostadt können hun
dertprozentig gewährleistet wer den.« Das Absinken, die Beinaheab stürze, das meinte die M aschine. Die Roboter hatten die M itglieder der Gruppe aus der Gefahrenzone auf die Plattform geholt. Jetzt schien eine Automatik irgendwo im Innern der Technostadt die Gefahrenstufe erhöht zu haben. »Sag es uns ruhig so, wie es ist«, knurrte Lethem. »Es ist schlimmer geworden. Der Absturz der Stadt steht bevor.« »Alles geschieht zu eurem Schutz«, lautete die wenig flexible Zweitant wort. Die Ovalroboter zogen sich an den Rand der Halle zurück, sie gaben die zahlreichen Öffnungen frei, die Kor ridore und die breiten Straßen, die in die Stadt hineinführten. Die in Rich tung Peripherie blieben versperrt. Lethem setzte sich in Bewegung. Seine Begleiter erwarteten von ihm Entschlossenheit. Der Arkonide wandte sich an Kythara. »Dismeeder soll bei Li bleiben. Wir anderen se hen uns in der Stadt um.« Die Varganin stimmte ihm zu, sie machten sich auf den Weg.
Die M etallwände des Korridors endeten in einem Gummipuffer. Da hinter erstreckte sich eine durch sichtige Welt, die Lethem an ein Spiegellabyrinth erinnerte. Der Bo den, die Wände, die Decke - alles be stand aus glasklarem Kristall von höchster Reinheit, wie er gewöhn lich nur auf synthetischem Weg her gestellt werden konnte. Durch Lichtbrechung schimmerte er bei je der Bewegung des Kopfes und der
36 Arndt Ellmer
Augen in anderen Farben des Spek trums. Dennoch entstand im Gehirn der feste Eindruck, eine Steilkante mit einem Abgrund vor sich zu ha ben. Die Gruppe blieb stehen, während die Roboter weiterschwebten. Le them versuchte, den Pfad durch die ses Labyrinth zu finden. Es gelang ihm nicht. Bei längerem Schauen auf eine Stelle verzerrten sich die Per spektiven, narrten die Lichtreflexe das arkonidische Gehirn. Hektisches Bewegen der Augäpfel erleichterte es wenigstens ein klein wenig.Vorsich tig setzte er einen Fuß vor den ande ren. Nach ein paar Schritten in das scheinbare Nichts wich das Gefühl, der Boden könne jeden Augenblick unter dem eigenen Körpergewicht zerbrechen. Scaul kauerte sich nieder und legte die Hände an das Gesicht, um seitli chen Lichteinfall zu verhindern. »Es sieht aus, als gäbe es Dutzende oder Hunderte von Etagen unter diesem Fußboden«, sagte .der Terraner. »Die Farben verändern sich unabhängig von meinen eigenen Bewegungen. Das könnten andere Lebewes en sein.« Bisher hatten sie keine Hinweis e auf Bewohner der Technostadt ge funden. »Bestimmt sind es Roboter«, über legte Zanargun laut. »Lasst uns wei tergehen.« Lethem beobachtete das halbe Dutzend M aschinen, die sie begleite ten. Sie schwebten weiter, folgten den gewundenen Pfaden des Kris tallgangs, ohne ein einziges M al mit den Wänden zu kollidieren. Kythara deutete auf den Boden. »Falls ihr es noch nicht bemerkt habt, es gibt mehrere filigrane Rillen.
Sie verlaufen in der M itte des Gan ges.« Sie vertrauten sich ihrer Führung .an. Das vermeintliche Labyrinth er wies sich auch nicht als komplizier ter als die Korridorsysteme in einem Raumschiff. Da Bezugspunkte fehl ten, erschien es größer und verwir render. Es vermittelte das Gefühl, mitten im Leerraum zu hängen. Zwanzig Meter allerhöchstem, schätzte Lethem die Distanz, bis sie den Gang hinter sich gelassen hat ten. Eine ovale Halle schloss sich an. Goldfarbene Adern durchzogen die Wände, den Boden und die Decke. Sie bildeten ein Orientierungsmus ter. Drei der Roboter blieben zurück, die anderen schwebten voraus. »Einer von euch könnte den Stadt führer machen«, dröhnte Ondaix, aber die M aschinen reagierten nicht. Lethem gewann den Eindruck, dass sie nur auf eine bestimmte Art Kommunikation programmiert wa ren. Er schloss zu ihnen auf. »Erklärt uns die Stadt!« »Das ist nur im Zentrum möglich«, lautete die nichts sagende Antwort. »Dann möchten wir dorthin.« Le them schritt schneller aus. Bisher hatten sie sich in eine Richtung be wegt, und die führte in etwa zum mathematischen M ittelpunkt des einen Kilometer durchmessendenGebildes. Zanargun blieb plötzlich stehen. »Da! Seht nur!« Die goldfarbenen Adern im hinte ren Teil des Ovals lösten sich über gangslos auf. Dort fehlte eine Wand, wo sie bisher eine gesehen hatten. Die Halle endete an einer Balus trade. Drei Brücken führten über ei nen Abgrund hinweg, der in schwin delerregende Tiefen zu reichen schien.
Braune Pest
T
Es handelte sich um eine optische Täuschung, die so lange existierte, wie sie sich auf der Balustrade auf hielten. Erst einmal auf der Brücke, erwies sich der Abgrund als höchs tens fünf M eter messende Vertiefung. Im Kampfeinsatz wäre Lethem ohne Probleme hinabgesprungen. »Seht ihr die blauen und grauen Flecken?«, fragte er. Sie besaßen annähernd Quader form. Vermutlich handelte es sich um einen M aschinenraum. Lethem legte das Ohr auf den Boden. Er lauschte nach Geräuschen und Vibrationen, die es aber nicht gab. Das Innere der Technostadt erwies sich immer mehr als architektonisches Wunderwerk. Der Gedanke, das alles könnte durch einen Crash oder durch Feindeinwir kung zerstört werden, verursachte Lethem beinahe körperlichen Schmerz. Nervös zwirbelte er die En den seines Schnurrbarts. »Weiter!« Am Ende der drei Brücken ragte eine Kristallwand auf, in die Türen eingelassen waren, Gebilde aus grellrotem Rubin mit pyramidenför miger Oberflächenstruktur. Dahin ter erstreckten sich anthrazitfarbene Korridore, die den Übergang in die gewohnte Welt aus M etall markier ten. Nur die Gummipuffer fehlten, ansonsten glich die Umgebung der, aus der sie gekommen waren. Schließlich erreichten sie eine Halle mit weiteren Ovalrobotern. Die M aschinen bildeten eine breite Front von einer Wand zu anderen. »Halt! Keinen Schritt weiter!«, hallte es der kleinen Gruppe entge gen. Lethem blieb stehen. Die drei Ro boter, die sie bisher begleitet hatten, waren bereits ein Stück hinter ihnen im Korridor stehen geblieben.
37
»Lasst uns durch!«, verlangte Kythara. »Wir haben keine Zeit zu verlieren!« Die Roboter rührten sich nicht. Die Gewährleistung, wie es der Aus kunftsroboter genannt hatte, endete offensichtlich an dieser Stelle. Bis hierher hatte Li die Technostadt un ter ihre Kontrolle gebracht, aber nicht weiter. Das Zentrum war nach wie vor autark. Die Roboter sahen sie als uner wünschte Eindringlinge an. M it Waf fengewalt kam man ihnen vermut lich nicht bei, selbst wenn die Sys teme ihrer Einsatzanzüge im Innern der Stadt reibungs los funktionier ten. Sie mussten sich etwas anderes einfallen lassen.
»Wir brechen unseren Ausflug ab«, sagte Lethem mit eindringlicher Stimme. Die Roboter registrierten die Aussage, vermutlich aber nicht den Tonfall.' Die Gefährten wussten sofort, dass er etwas Bestimmtes plante. Lethem warf Kythara einen durchdringenden Blick zu. Die Var ganin schloss kurz die Augen zum Zeichen, dass sie verstanden hatte. Der Zweite Pilot der TOSOMA mus terte seinen Chronographen. »In ei ner Viertelstunde erreicht die Un terseite der Technostadt den Bo den. Vermutlich prallt sie gegen das Gebirge ganz im Südosten von Gias con.« »Das Zittern spricht in der Tat Bände«, stimmte Kythara ihm zu. »Ich habe in den Technostädten von Vinara Drei und Vier die Erfahrung gemacht, dass die Steuerautomaten der Städte keinen Einfluss mehr auf
38 Arndt Ellmer
die Situation haben. Sie sind nicht in der Lage, ihre eigenen Programme zu ändern. Und das müssten sie tun, wenn sie den sich verschiebenden Gravitationsverhältnissen Rech nung tragen wollten.« Lethem verbiss sich mit Mühe ein Grinsen. Kytharas Vorstoß war nicht mehr als ein Schuss ins Blaue, aber er ging genau in die Richtung, in die er ihn haben wollte. »Du meinst ...«, sagte er betont langsam. »Es geschieht nicht erst hinter der Stadt. Das Gebilde rast mitten in die Häuserfronten Gias cons. Aber es gibt einen Schutzmechanismus, der verhindert, dass Lebewesen zu Scha den kommen. Dieser M echanismus dürfte in Kürze anlaufen.« »Die Selbstzerstörungsanlage.« »Genau.«
»Sofort raus!«, brüllte Lethem und drängte seine Begleiter in den Korri dor. Ob sie mit ihrem Bluff tatsächlich ins Schwarze getroffen hatten, muss te sich in den nächsten Sekunden zeigen. Nichts geschah. Die Roboter verfolgten stumm ihren überhaste ten Rückzug. Lethem verließ die Halle, erreichte das Ende des Korri dors und rannte weiter. »Kommt zurück!«, hallte es in die sem Augenblick hinter ihnen. Lethem ließ sich seinen Triumph nicht anmerken. Erneut legte er die Strecke im Spurt zurück. »Ihr lasst uns ein?«
»Wir halten euch für autorisiert, die Systeme der fliegenden Stadt zu korrigieren.« Die Roboter lösten ihre Barriere Huf. »Wir danken euch«, sagte Kvthara. »Kehrt jetzt auf eure Standardposi
tionen zurück. Wir versuchen die Stadt durchzustarten.« Sie behauptete es einfach so, ohne zu wissen, ob sie mit den Steueran lagen überhaupt zurechtkamen. Ihr Bluff funktioniert e auch nur so lange, wie die Roboter nicht in der Lage waren, den Wahrheitsgehalt ih rer Aussagen nachzuprüfen, etwa, dass Kythara nie in den Technostäd ten von Vinara III und IV gewesen war. So schnell es ging, folgten sie ihren eigenen drei Robotern. Die M aschi nen bauten ein Prallfeld um die Gruppe auf, das sie auf schätzungs weise hundert Stundenkilometer be schleunigte. Auf diese Weise schaff ten sie es innerhalb von zwei M inu ten bis ins Zentrum. Die Steuerzentrale des riesigen Gebildes bestand aus einer Gruppe sich überschneidender ovaler Räu me. Die Wände waren identisch mit der Verkleidung der gigantischen Rechenanlage. Auf Dutzenden Bild schirmen wanderten alle möglichen Anzeigen entlang. Gemeinsam wa ren ihnen die grellrote Farbe und das hektische Blinken. »Das sieht gar nicht gut aus«, stieß Ondaix hervor. »Bei der Insel der Verdammten, wir sollten von hier verschwinden!« Lethem beachtete ihn nicht, trat in die M itte der Anlage und musterte die Konsole, die auf eine zentrale Steuerung des gesamten Systems hindeutete. Schmauchspuren zwi schen den Sensorfeldern und Blasen des milchigen M aterials deuteten darauf hin, dass da nichts mehr zu machen war. Nacheinander untersuchten sie alle Bedienungskonsolen in der Steuers ektion. Überall ergab s ich
Braune Pest 39
das gleiche Bild. Eine Reparatur war nicht möglich. »Wir brauchen Informat ionen über die Städt e, ihre Ges chichte und ihren Zweck«, sagte er zu den Ovalrobotern. Wenn sie s chon nichts ausrichteten, wollten sie we nigstens nicht mit leeren Händen abziehen. Drei Holoprojektionen entstanden mitten im Raum. Sie zeigten Tech nostädte im Flug über unbekannten Landschaften, die aber eindeutig zu den Spiegelwelten oder der Original welt gehörten. Angenehme Kunst stimmen lieferten die angeforderten Informationen. Die Technostädte waren ebenso wie die Silbersäulen und "die Obsidiantore aus der PsiM aterie des Kristallmondes geschaf fen worden. Ihre Hauptaufgabe be stand darin, zu Hunderten über Vinara und den vier Spiegelwelten zu fliegen und dabei den künstlichen Orbit der fünf Welten auf ihrer ge meinsamen Umlaufbahn zu stabili sieren. Über Jahrtausende war ihnen das auch gelungen. Doch mit einem M al schienen alle Technostädte aus gefallen oder in ihrer Funktion ge stört zu sein. Lethem war die Bedeutung dieser Aussagen sofort klar. Die VinaraPlaneten wurden nicht nur durch die Kometeneinschläge bedroht, sie würden früher oder später auch aus ihren Umlaufbahnen torkeln. Eher früher! Die Flutkatastrophen und Vulkanausbrüche, die damit einher gingen, standen denen durch Astero ideneinschläge in nichts nach. Die Existenz aller Bewohner- der fünf Welten war akut bedroht! Eins der Hologramme zeigte Bil der und Daten von der Originalwelt Vinara. Die Einschläge von Asteroi
den nahmen zu, die mehr als einen Kilometer Durchmesser hatten. Si mulationen zeigten Einschlagskra ter von bis zu fünfzig Kilometern Durchmesser. Die dadurch ausgelös ten Beben zerstörten alle Gebäude im Umkreis von mehr als hundert Ki lometern. N eunzig P rozent der Bäume fielen dem einsetzenden Or kan zum Opfer. Die beim Einschlag entstandene Energie entfachte ge waltige Brände, die halbe Konti nente abfackelte. Dem Rauch, der Hitze, dem Beben und dem Orkan fielen mehr als achtzig Prozent der Bevölkerung sofort zum Opfer. Der Rest überlebte die erste Stunde nach dem Einschlag nicht. Die fünf Gefährten sahen sich an. Fast mechanisch wandten sie sich zum Ausgang. »Die Systeme sind so schwer ge schädigt, dass s ich kein Eingriff mehr durchführen lässt«, sagte Kythara in Richtung der Roboter. Die nahmen es kommentarlos zur Kenntnis. Draußen projizierten sie erneut ein Prallfeld zur Beschleuni gung. Lethem trieb sie zusätzlich an. Sie mussten auf dem schnellsten Weg zu Li zurück. Wenn jemand helfen konnte, dann nur sie. Und irgendwann musste sie schließlich erwa chen. Der Arkonide befürchtete al lerdings, dass es bis dahin zu spät war. In der Halle warteten die Zen trumsroboter. Sie hatten sich auf Kytharas Geheiß hin zurückgezogen. Nun aber standen sie wieder da und bildeten eine Kette. Lethem ballte die Hände. »Was ist jetzt schon wieder los?« »Ihr werdet die Stadt erst verlas sen, wenn ihr sie gerettet habt.« »Sie ist nicht zu retten. Eingriffe in
40 Arndt Ellmer
die Steuerung sind nicht mehr mög lich.« Wieder zitterte sekundenlang der Boden. Dann ging ein Ruck durch die Stadt, der Lethem und seine Beglei ter fast zu Boden warf. »Reicht euch das immer noch nicht?«, fuhr er die M aschinen an. »Ihr solltet zusehen, dass alle Lebe wesen die Stadt verlassen, ehe es zu spät ist.« Die Roboter reagierten nicht. Sie rührten sich auch nicht, als Lethem, Kythara und die anderen sich zwi schen und unter ihnen hindurch zwängten. »Gebt euren Kollegen in der Halle Bescheid«, sagte der Arkonide zu den robotischen Begleitern. »Sie sollen die Frau und den Fonshoord hinauf an die Oberfläche bringen. « »Es ist zur Zeit keine Funkverbin dung möglich«, lautete die Antwort. Ondaix stieß einen lästerlichen Fluch aus und sprach ihnen allen da mit aus der Seele.
Sie hörten den Fonshoord schon von weitem brüllen. Dismeeder schlug mit dem Schwanz Dellen in die Hallenwände. Die Roboter schwebten hoch über ihm, unternah men aber nichts. Lethem sah sofort, dass Li da Zol tral nicht mehr an ihrem Platz lag. »Wo ist die Frau?« »In Sicherheit!«, lautete die Ant wort. Lethem deutete zu den Antigravs. »Wir kehren an die Oberfläche zu rück.« Ohne auf die Roboter zu warten, rannten sie zu dem Schacht, durch den die M aschinen sie hinunterge
tragen hatten. Das Prallfeld arbei tete unregelmäßig. Einmal versetzte es sie sogar für Sekunden in Still stand, ehe es weiterging. Unaufhör iich stand ihnen die Gefahr eines Ab sturzes vor Augen. Als endlich der Fonshoord als Letzter ins Freie sprang, atmete Lethem auf. »Li? Bitte melden!« Lethem bear beitete sein Funkgerät. Hier oben funktionierte es, aber das Rauschen im Empfänger war stärker gewor den. »Li da Zoltral! Bei den Göttern Arkons, warum antw ort est du nicht?« Es gab zwei Erklärungen. Die M e dofunktion ihres Paillettenanzugs hatte sie in ein künstliches Koma versetzt. Oder sie war tot. Lethem klammerte sich an die erste der bei den. Den vier Robotern warf er einen wütenden Blick zu. »Wo ist Li da Zol tral?« »Sie ist in Sicherheit.« »Wir wollen auch in Sicherheit sein. Bringt uns zu ihr.« Die M aschinen verweigerten die Zusammenarbeit auch dann, als Kythara den Befehl wiederholte. »Scaul, Zanargun, Ondaix, wir ge hen sie suchen. Sollte die Stadt in der Zwischenzeit abstürzen, treffen sich mögliche Überlebende in Giascon.« Sie marschierten in unterschiedli che Richtungen. Die Technostadt schwankte leicht. Die höchsten Spit zen der Kristalltürme beschrieben kleine Kreise am hellen Himmel. Lethem nahm sich jene Gegend der Stadt vor, wo die Roboter sie anfangs abgesetzt hatten. Er sprintete zwi schen den hoch aufragenden Fassa den der Gebäude entlang, suchte die hängenden Gärten auf und hielt von oben Ausschau in die breiten Stra ßen, die sternförmig Richtung Zen
Braune Pest
trum führten. Hoch oben flirrten dunkelblaue Blitze an den Kristall- • stacheln der Stadt, ab und zu von violetten Streifen durchzogen. Die Farbveränderung erweckte den Ein druck, als könne das System jeden Augenblick zusammenbrechen. Li, wo bist du? Wieder versuchte er es über Funk, aber sein Empfänger blieb stumm. Er versetzte dem M ultifunktions armband einen wütenden Schlag. Ich muss noch höher hinauf, damit ich einen besseren Überblick be komme! Er entdeckte eine Rampe, die nach oben führte, und rannte hinauf. Eine schätzungsweise zweihundert M eter lange Terrasse erstreckte sich zwi schen den Gebäuden. Im hinteren Teil schraubte sich ein Wendelgang ohne Treppenstufen noch weiter hin auf zu einer Aussichtsplattform. Li da Zoltral lag ganz vorn am Me tallgeländer und in derselben Kör perhaltung, wie die Roboter sie un ten in der Halle abgelegt hatten. Er rätselte, wieso die Roboter sie hier heraufgebracht hatten. Schließlich fiel ihm die Antwort ein. Von hier oben hatte man die beste Aussicht. Rechneten die M aschinen damit, dass sie bald erwachte? Oder gab es einen anderen Grund? Der Kommandant gehört auf die Brücke! Jenseits des Geländers schimmer ten goldene Körper. Die vier Roboter tauchten auf und verteilten sich um die Arkonidin, als hielten sie Toten wache. Es darf nicht wahr sein! »Was ist mit ihr?«, keuchte Lethem. Erwartete er allen Ernstes eine Antwort? Ein zweiter Ruck ging durch die
Stadt, heftiger als beim ersten M al und länger. Die Kristalltürme hoch über der Plattform knirschten leise. Dem Ruck folgte ein Rumpeln. Es hörte sich an, als hätten sich tief im Innern des Sockels gewaltige M a schinen losgerissen, die jetzt quer durch die Anlagen bis zum tiefsten Punkt rutschten. Lethem versuchte, sich mit den Gefährten in Verbindung zu setzen. Diesmal klappte es. Trotz des Rau schens konnte er sich verständlich machen. Er beschrieb ihnen, wo er sich aufhielt. »Sobald ihr hier seid, verlassen wir die Technostadt.« Nacheinander trafen sie ein. Scaul lief der Schweiß in Bächen über das Gesicht, diesmal vom Rennen. »Wie denn?« Lethem deutete auf die Roboter. »So, wie sie uns hergeschafft haben, sollen sie uns wieder wegbringen.« Kythara wandte sich an die M a schinen. »Schafft uns hinüber zur Stadt. Uns und die Bewusstlose.« Die Roboter reagierten nicht, zo gen den Ring um die Arkonidin en ger. Rührt sie bloß nicht an, bedeutete es. Lethem trat an das Geländer und klammerte sich an den waagrechten Abschlussstäben fest. Er starrte hinab auf das Wasser. Die tief dunkle Farbe wich dort hellerem Blau, wo die vorgelagerten Inseln aufragten. Dahinter erstreckte sich bis Giascon eine mit smaragdfarbenem Wasser gefüllte Lagune. Der Arkonide mus terte den Rand der Technostadt. Von einem vorspringenden Zacken ragte das untere Ende in sein Blickfeld. Es befand sich seiner Schätzung nach höchstens noch zehn M eter über der Wasseroberfläche.
42 Arndt Ellmer
last und dem nördlichen Obsidiantor in unmittelbarer Nähe des Stadtka nals. Wir verließen das schnittige Boot der Königin und kletterten die rauen, für menschliche Füße viel zu kurzen Stufen empor. Ich zählte et was mehr als zweihundert, bis wir endlich auf der Plattform standen. Yandan bei Nacht bot einen male rischen Anblick. In den meisten Vier teln markierten Windfackeln die Giebel der Häuser, eine Angewohn heit, für die ich spontan keine Erklä rung fand. »Es handelt sich um eine alte Tra dition«, sagte Anee auf meine Frage. »Sie erinnert an jene Zeit, als die Vorfahren der Vecorat noch fliegen konnten. Damals wurden die höchs ten Punkte der Gebäude nachts mit Liqhtern markiert, als Orientierung für die Flieger. Was allerdings die fahl schimmernden Flächen zu be-, deuten haben, kann ich nicht sagen.« Sie existierten unregelmäßig über die Stadt verteilt, und es gab sie teil weise an den unmöglichsten Stellen, auf Zinnen, auf D ächern, in den Gassen und Straßen. Ein paar trie ben auf dem Wasser des Stadtka nals. »Es ist Shainshar!«, stieß ich her vor. Das Zeug war inzwischen über all. Ein Blick gegen den nächtlichen Himmel zeigte leuchtende Flocken, die mit dem Wind nach Nordwesten trieben. Ab und zu sank eine tiefer, als habe sie sich ein bestimmtes Ziel ausgesucht. »Sie sind im Süden und Osten der Stadt«, hauchte die 'Seherin. »Sieh 7. nur. Das Hafenbecken ist voll da »Da oben, das ist Thalim Bhuross«, von.« "Sie sind uns auf unserem Weg ge sagte die Seherin. folgt, konstatierte der Extrasinn. Ge Der Aussichtspunkt lag nahe der rade so, als gehörten sie zu uns. Verbindungslinie zwischen dem Pa
Stürzte sie dieses M al tatsächlich ab? Oder lief es so ab, wie sie es mehr mals miterlebt hatten? Existierte etwa ein Kollisionswarnsystem, das den Koloss im letzten Moment immer wieder in die Höhe brachte? Ein dritter Ruck durchlief die Stadt, auch er kam tief aus ihrem In nern. Die Plattform wackelte. Die Kreiselbewegung verstärkte sich. »Haltet euch fest!«, schrie der Ar konide. Seiner M einung nach stan den die Prallfeldgeneratoren kurz vor dem Exitus. Seine Warnung kam zu spät. Der vierte Schlag glich in seiner Stärke dem Ruck, den eine Kollision verur sachen musste. Ondaix, Scaul und Zanargun stürzten. Ondaix hatte noch Glück. Er fiel gegen einen der Roboter, dessen Prallfeld ihn abfing. Die beiden anderen knallten gegen das Geländer. Lethem streckte geistesgegenwär tig einen Arm aus. Kythara gelang es, sich daran festzuhalten. Er zog sie zu sich heran. Stumm deutete er in die Tiefe. Die Technostadt prallte nicht an das Gebirge im Südosten, sie krachte auch nicht in das Häusermeer Gias qohs. Sie stürzte über der Lagune ab. Wenn sie sich nicht überschlägt und explodiert, kommen wir mit ei nem blauen Auge davon, dachte Le them. Die Chancen standen allerdings schlecht.
Braune Pest 43
Im trüben Licht am Hafen sahen wir die letzten Boote untergehen. »Gebt Alarm für die ganze Stadt. Yandan muss evakuiert werden«, sagte ich. »Die Königin wird ihren Palast nicht verlassen, solange sie lebt.« »Ich verstehe. Und solange sie bleibt, geht auch keiner aus ihrem Volk.« »Du sagst es.« »Dann führen wir einen aussichts losen Kampf, es sei denn ...« »Sprich weiter.« »Später. Komm!« Ich hastete die Stufen hinab zum Kanal. Immer wieder warf ich einen Blick nach oben, um gefährliche Flocken rechtzeitig zu erkennen und ihnen auszuweichen. Die Vecorat im Boot waren schon unruhig. Sie deu teten auf seltsam leuchtende Flä chen, die mit der Strömung den Ka nal entlanggetrieben kamen, »Ich bleibe hier«, sagte ich. »Gib du der Königin Bescheid. Wir brau chen alles Petroleum und jeden Al kohol, der in der Stadt zu finden ist. Und überhaupt alles, was flüssig ist und brennt.« »Ich kümmere mich darum.« Sie ging an Bord. Ich versetzte dem Boot einen Stoß, der es nach Westen trieb. Die Vecorat legten sich in die Riemen, setzten zusätzlich ein Segel. Es reichte aus, schneller als die Strö mung zu werden. Die leuchtenden Fladen im Wasser holten sie nicht ein. »Bringt die Boote an Land, bis die Flocken vorbeigetrieben sind«, rief ich ihnen nach. Eine Weile sah ich das Windlicht am Heck, dann ver schwand es im Dunst, der sich über den Stadtkanal senkte. • Ich suchte Schutz unter der
Treppe. Vor meinem inneren Auge zogen die Ereignisse der letzten Tage vorbei. Viel Erfreuliches entdeckte ich nicht. Die Befreiung Litraks aus seiner Eisgruft - sie war ein Fehler, dessen Folgen ich noch nicht über schaute. Egal, was es gewesen war, wenn Litrak und Sardaengar zusam mentrafen, würde etwas Schreckli ches geschehen. So hatte die Seherin es prophezeit, und ich hatte keinen Grund, ihr nicht zu glauben. Litrak befand sich auf dem Weg nach Vinara in den Canyon der Visio nen. Ob er schon angekommen war, entzog s ich meiner Kenntnis. Er hatte die Eisgruft gestartet, sie hatte mitsamt dem Shainshar eine Tran sition nach Vinara V durchgeführt. Wir hatten es nicht verhindern kön nen. Höchstens Sardaengar wäre das möglich gewesen, aber wir wussten nicht, wo dieses Wesen war, dessen Projektion zu mir gesprochen hatte. Er hatte mich identifiziert und sich mir als alter Bekannter offenbart. Aber sosehr ich auch mein fotografi sches Gedächtnis durchforstete, ich kam nicht darauf, wer dahinter steckte. , Die M itglieder des Litrak-Ordens in M alenke hatten ihn als »Mann der tausend Gestalten« bezeichnet. Das stimmte mit meinen Visionen über ein, in der ich ein Wesen in ständig wechs elnden G estalt en ges ehen hatte und mit Dutzenden von Ge sichtern. Dies es Wes en war mir fremd und gleichzeitig vertraut vor gekommen. Plötzlich ahnte ich dumpf, wel chem Volk Sardaengar angehörte. Spiegelwelten ... Spiegelpersonen ... Spiegelfeld?, dachte ich und erin nert e mich daran, dass die s o ge
44 Arndt Ellmer
nannten Cynos Geschöpfe mit der Gabe zur Para-M odulation waren, die sie dazu befähigte, die Gestalt je der Wesensform mittels eines hyper physikalischen Spiegelfeldes darzu stellen, so dass diese pseudomateri ellen Projektionen, deren Ursprung die übergeordnete Matrix des eigent lichen Wesens war, in jeder Hinsicht sinnlich wahrgenommen werden konnten. Gesicht, Statur, Schuh größe, alles konnten sie variabel wählen. • Im Tod erstarrten, diese Wesen zu Obelisken, die keinen Schatten war fen. Ursprünglich hatten sie die Statt halterfunktion des Schwarms inne gehabt, der am 29. November 3440 per Giganttransition in der von der Verdummung heimgesuchten Milch straße erschienen war. Erst im Ver lauf der damaligen Ereignisse wurde herausgefunden, dass die Cynos für rund eine M illion Jahre, nach dem Verrät Von Heeze Goort und der Revolte der Karduuhls aus dem Schwärm vertrieben, als »Heimliche Herrscher« in der M ilchstraße gelebt hatten, viele auch auf der Erde. Ich kannte etliche, Schmitt, Nostrada mus, aber auch Nahith Nonfarmale und den »echten« Cagliostro. Als der Schwärm auf seinem Rund kurs nach einer M illion Jahren in die M ilchstraße zurückkehrte, gelang es den Cynos mit Hilfe der Terraner, die Herrschaft zurückzuerobern. Unter ihrer Führung verließ das gigantische Gebilde Anfang Juni 3443 die M ilch straße und zog weiter... War Sardaengar einer der Cynos? Ich war mir keineswegs sicher. Aber die Ahnung, dass es sich bei Sar daengar um einen Cyno handelte, machte vieles verständlicher. Sofern
es sich bei ihm gar um einen der ex trem langlebigen Mago handelte, würde das sogar ins Bild der Varga nengestalt passen. Aber noch immer erhielt ich keine Antwort auf meine Frage, in welcher Gestalt er mir womöglich sogar auf der Erde - be gegnet war. Du vergeudest deine Zeit, sagte ich mir. Sieh lieber zu, dass du in Yandan einen Erfolg erzielst! Vermutlich war ich der erste Ar konide, der sein Leben für die Ret tung von Individualverf ormern ein setzte.
Aufgeregtes Zirpen drang aus ei ner der Gassen, die den steilen Hang unterhalb der Plattform hinaufführ ten. Jemand schlug mit einem Ge genstand einen hastigen Trommel wirbel auf eine Tür oder Holzwand. Ein Alarmzeichen vermutlich. In der Nachbarschaft regten sich erste Vecorat. Ihr schrilles Summen besei tigte meine letzten Zweifel, rworum es ging. Ich spurtete los, die schätzungs weise sechzehnprozentige Steigung hinauf. Fackeln flammten auf, ein paar Kerzenlichter verbreiteten schwankenden Schein. Das dritte Haus von oben auf der linken Stra ßenseite musste es sein. Die ersten Vecorat traten auf die Straße. Sie hörten mich kommen, rotteten sich blitzschnell zusammen, als müssten sie ein Bollwerk gegen mich bilden. Dann erkannten sie, dass ich einer der beiden Fremden sein musste. Sie zischelten mir etwas zu und gaben den Weg frei. Es klang undeutlich, aber ich hörte den Fluch auf die Braune Pest heraus.
Braune Pest 45
»Bleibt, wo ihr seid«, warnte ich sie. Zehn M eter entfernt wogte die' braune M asse hin und her, stülpte sich zu Trichtern auf und bildete sich überschlagende Wellen aus. Flocken segelten heran. Sie verschmolzen mit der M asse zu einem Berg, der sich um das Haus verteilte. Hinter der ver schlossenen Tür hörte ich die Bewoh ner angstvoll an den Wänden krat zen. Das Shainshar setzte zum Angriff gegen das Haus an. Holzteile und Wurzelwerk verwandelten sich übergangslos in brodelnde Pfützen, das M auerwerk fing an, sich zu zer setzen. Es ging um Sekunden. Die letzten M eter legte ich im Spurt zurück. Die Braune Pest spürte meine An näherung. Unruhig wogten die Bro cken auf und ab. Ich beobachtete die Wellenbewegungen, die durch das organische M aterial jagten. M it jedem Schritt, den ich tat, schrumpfte das Shainshar ein Stück, Es zog sich vor mir zurück wie die M eeresbran dung bei ablaufendem Wasser. Eine Lücke von drei, vier M etern ent stand, die bis fast zur H austür reichte. Ein weiterer Schritt von mir, und die Tür war frei. »Kommt heraus!«, rief ich. »Beeilt euch!« Erst spähten die Vecorat zaghaft durch den Türspalt. Dann trippelten sie den schmalen Pfad entlang ins Freie. Ein paar trugen Bündel aus Tuch oder Leder bei sich. »Ist noch jemand im Haus?« »Niemand.« Ich ging in die Knie. Die Wuche rungen wichen noch ein Stück weiter zurück. Was ist es, wovor ihr euch fürchtet?
Die Ritteraura oder die Vitalenergie meines Aktivatorchips? Das Zeug wogte stärker und höher, als könne es meine Anwesenheit nicht länger ertragen. Bis auf eine Distanz von fünfeinhalb M etern zuckte es zurück, dann hielt es an. Merke es dir genau!, meldete sich der Extrasinn. Das ist die maximale Entfernung, die du herausschinden kannst. Ich seufzte. Auf diese Weise konnte ich das Leben Einzelner retten, aber nicht die Einwohner einer ganzen Stadt.
Von einem Augenblick zum ande ren tauchten sie auf. Sie kamen aus den Häusern, quollen aus Türen im Berghang oder hüpften den steilen Hang herab. Auf der Südseite des Stadtkanals entdeckte ich sie als vage Schatten im schummrigen Fa ckellicht. Du solltest jetzt besser verschwin den, warnte der Extrasinn. Nein, ich bleibe. Die Urängste aller Arkoniden angesichts der Bedrohung eines gan zen Volkes lösten sie sich in Wohlge fallen auf. Längst war mir klar, dass die Individualverformer in der Obsi dian-Kluft nichts mit ihren Artge nossen in der M ilchstraße gemein sam hatten. Wenn sie von ihrer ge fährlichen Fähigkeit des Bewusst seinstauschs hätten Gebrauch ma chen wollen, hätten sie dazu ausrei chend Gelegenheit gehabt. Im Ange sicht der Königin Drizzt-Rilice hatte ich sogar fest damit gerechnet. Um mich von Angriffen auf ihre Wächter abzuhalten, hätte sie nur meinen Körper zu übernehmen brauchen.
46 Arndt Ellmer
Sie hatte es nicht getan. M ein zweites Argument war das Verhalten der Seherin. Es hatte nie auf die Existenz einer derartigen Ge fahr hingedeutet. M it anderen Wor ten, die Gefahr eines Bewusstseins tauschs existierte nicht. Die Vecorat von Yandan waren keine Individual verformer, wie ich sie kannte. Mein Extrasinn schwieg zu diesen Gedanken. Ihm fehlten die Argu mente. Vielleicht sollte ich den Tag in meinem fotografischen Kalender rot ankreuzen. Die Ins ektoiden erreichten den Fuß der Treppe, unter der ich noch immer stand. Sie brachten Fackeln und anderes brennbares M aterial mit, das sich zum Entfachen eines Feuers verwenden ließ. »Die Königin unterstellt uns dei nem Befehl«, riefen sie. »Wir sollen hier warten, bis die Boote eintref fen.« »Verteilt euch am Ufer nach Wes ten und Osten. Behaltet vor allem den Himmel im Auge. Die Zahl der Flocken hat zugenommen.« Sie zogen ab. Entlang des Kanals bildeten sie eine Reihe. Auf der Süd seite stand das Fackelspalier bereits. Den Fehler erkannte ich, als es fast zu spät war. Durch die Gassen der Südstadt wälzten sich fahl schim mernde M assen. Sie zwängten s ich zwischen den Gebäuden hindurch, begleitet vom Poltern einstürzender M auern. Ich formte mit den Händen einen Schalltricht er um meinen Mund. »Flieht, bevor das Zeug euch einkesselt!« Sie lauschten reglos. Ich wieder holte die Warnung mehrmals. End lich begriffen sie, was ich meinte. Sie rannten nach Westen zur nächsten Bootsanlegestelle. Was Beine hatte,
stieg in die Nussschalen. Die größten fassten gerade mal zwanzig Perso nen. Die Flucht aus der Südstadt und dem Gebiet um den Hafen setzte ein. Ich rief ein paar der Vecorat herbei und instruierte sie. Auf keinen Fall durfte der Uferbereich auf der Nord seite Lagerplatz für die Flüchtlinge werden. »Organisiert Fluchtwege nach Norden und Nordwesten«, trug ich ihnen auf. »Die Einwohner sollen so weit wie möglich zum Stadtrand vordringen.« Sie machten sich an die Arbeit. Im Westen sah ich Lichter auf dem Was ser tanzen. Erste Boote tauchten auf. Ein Stück dahinter entdeckte ich große Flöße mit Ladung. Drizzt-Rilice hatte endgültig be griffen, worum es ging. 8.
Der Boden neigte sich zur Seite. Scaul, Zanargun und Ondaix rutsch ten erneut bis ans Geländer. Hastig klammerten sie sich daran fest. Le them hatte nur Augen für die Artge nossin. Die Roboter umringten sie. Ihre Prallfelder bewirkten, dass Lis Körper nicht wegrutschte. Vergeb lich suchte Lethem hinter der Helm scheibe nach einem Lebenszeichen. Wenn Li starb oder schon tot war, wieso sagten die Roboter dann nichts? Weil es nicht stimmt, gab er sich selbst die Antwort. Verlier jetzt nicht die Nerven. Die Kreiselbewegung der Stadt richtete den Boden wieder auf. Langsam wanderte er durch die Ho rizontale und dann nach oben, bis die Gefährten mehr am Geländer hingen
Braune Pest 47
als standen. Die riesige Stadt mit ih ren Kristallbrücken und Stegen zwi schen den Gebäuden lag jetzt zu ei nem Großteil unter ihnen. Lethem sah ganze Gärten, die sich von ihrem Untergrund lösten, Pflanzenteppi che, mit Bäumen gespickt, die seit lich davonrutschten und mit Getöse in den Häuserschluchten ver schwanden. Ein leichtes Ruckein der Stadt folgte - weit drüben über dem Wasser brach eine erste Turmspitze ab und bohrte sich in die Lagune. Die Hälfte des Trümmerstücks ragte aus dem Wasser. Gemessen an seiner Länge schätzte Lethem die Wasser tiefe auf etwa zehn M eter. »Es reicht nicht«, stieß er hervor. »Das Wasser ist viel zu flach, um die Stadt abzufangen. Der Koloss wird sich tief in den Untergrund boh ren.« Langsam senkte sich der Boden auf dieser Seite der Stadt wieder.' Das Ruckein verstärkte sich. Stau nend verfolgte Lethem, dass die Kreiselbewegung sich dabei ab schwächte. Die Steuerautomatik nutzte alle verfügbaren M öglichkei ten, um das Gebilde zu stabilisieren. Vielleicht war es auch Zufall. »Die Einwohner sammeln sich an den Uferpromenaden«, s agte Ky thara in diesem Augenblick. Ihre Stimme klang noch rauchiger und erotischer als sonst. »Ob sie sich der Bedeutung des Vorgangs bewusst sind?« Lethem fiel auf, dass die Bewohner Giascons keine Angst vor dem Ko loss hatten, der langsam auf sie zu taumelte. Die Technostädte gehörten zu den alltäglichen Erscheinungen am Himmel ihres Planeten. Dass eine von ihnen so weit herunterkam, stellte eine Sensation dar, aber keine
Gefahr. Über Jahrtaus ende hatte sich dieses Bewusstsein entwickelt. Noch nie war eine Technostadt abge stürzt. Warum sollte sie es ausge rechnet jetzt tun? Die langsame An näherung deutete in ihren Augen eher darauf hin, dass der Koloss et was von Giascpn und seinen Bewoh nern wollte. Tief im Sockel entstand ein Brum men. M aschinen liefen an, deren Größe und Leistung Lethem nur er ahnen konnte. Dem Brummen folgte ein Dröhnen, das die gesamte Stadt erfasste. Alles fing an zu zittern, als die Technostadt sich mit gewaltigem Energieeinsatz ein wenig aufrich tete, den vorderen Teil um drei, vier Grad anhob und in dieser Position stabilisierte. Fast gleichzeitig brach das Prall feld eines der Ovalroboter zusam men. Er krachte zu Boden, rutschte über die Balustrade und verschwand in der Öffnung des Wendelgangs. Sie hörten das schleifende Geräusch, mit dem er entlang der Wandung ab wärts sauste. Unten schoss er auf die Hochterrasse hinaus, wo er schließ lich liegen blieb. »Haltet die Frau fest!«, schrie Le them die drei verbliebenen M aschi nen an. Übergangslos entstand der Ein druck, als bliebe die Stadt mitten in der Luft stehen. Die Technostadt war mit dem Heck in die Fluten der La gune eingetaucht. Augenblicke spä ter hörten sie ein Rauschen, das schnell in ein Tosen überging. Der Sockel fing an zu bocken und zu krei schen. Hochbrücken zersprangen klirrend, ein Kristallregen ergoss sich über die Stadt. M it einem dump fen Ächzen brach der Wendelgang in sich zusammen.
48 Arndt Ellmer
Lethems Finger klammerten sich an das Geländer, dass die Knöchel weiß hervortraten. Langsam neigte sich der Boden wieder in die Hori zontale, richtete sich das Geländer auf. Dann kam der Ruck. Er zerstörte innerhalb eines Sekundenbruchteils fast alle Stege und Brücken, knickte die Türme im oberen Drittel ein, brachte Hochterrassen und Balus traden zum Einsturz. Das Geländer knirschte, an mehreren Stellen bra chen Verstrebungen durch. Stücke jagten wie Geschosse davon. Es grenzte an ein Wunder, dass niemand verletzt wurde. Die Gefährten lauschten in die Stille hinein, die übergangslos herrschte. Die Technostadt lag reglos da, die P lattform hatte sich in den Boden der Lagune gegraben. Statt smaragdgrünen Wassers umgab dreckig braune Brühe den Koloss. Ein paar Augenblicke hielten die Ge fährten den Atem an. Dann ent spannten sich ihre Gesichter. Sie wa ren doch noch mit einem blauen Auge davongekommen. Giascon und seine Bewohner wa ren bis auf Rufweite herangerückt. Drüben schien noch immer niemand davon auszugehen, dass es sich um einen Unfall handeln könnte. Lethems erste Schritte führten ihn zu Li da Zoltral. Ihre Augenlider flat terten, kurz darauf öffnete sie sie ganz. Ein staunender Blick traf Le them. »Alles in Ordnung«, versicherte er hastig. »Wie geht es dir?« Sie war blass, bewegte schwach die Lippen. »Es ist ...«, verstand er die gehauchten Worte, »... nichts in Ordnung.« Sie versuchte sich aufzurichten, aber es ging nicht. Lethem gab den
Robotern Anweisung, sie im Prall feld ein Stück anzuheben. »Litrak!«, murmelte Li da Zoltral. »Er wurde befreit! Die Zeit drängt, die gesamte Obsidian-Kluft ist in Aufruhr!« Lethem wechselte einen bedeutsa men Blick mit den Gefährten. Sie kannten die Legenden über den »Un toten Gott«. »Ich ... ich ...«, fuhr die Arkonidin fort und versuchte erneut, sich auf zurichten. »Ich spüre Sardaengar. Er - kommt - er kommt...«
Noch immer liefen die Bewohner der Lagunenstadt zusammen. Sie drängten sich an den Kais und auf den Plätzen am Hafenviertel. Sie be völkerten die zahlreichen Docks, die wie Zacken eines Raubfischgebisses aus den Kaimauern ragten. Sie ver stopften die Straßen und Gassen, je der in dem Bemühen, einen Blick auf die goldfarben schimmernde Stadt zu erhäschen, die aus dem Himmel gekommen war. Lethem war überzeugt, dass kei ner der Bewohner sich über die ei gentliche Funktion der fliegenden Städte im Klaren war. Manche moch ten die Schatten am Himmel für Fata Morganas gehalten haben, wehende Schatten eines unbekannten Einflus ses. Dass es Zusammenhänge mit den Obsidiantoren und den Silbersäulen gab, ahnten sie höchstens, wenn sie die alten Legenden durchforsteten. »Seht ihr, was ich sehe?«, fragte der Arkonide. Die Gefährten wussten nicht, was er meinte. Er deutete auf die Gestalten am Ufer. Trotz der Ent fernung sah man deutlich, dass nur ein geringer Teil der Wesen Huma
Braune Pest 49
noide waren. Der Großteil von Gias cons Population - Lethem kniff die Augen zusammen, um die Lichtflut zu bändigen - zählte zu Völkerschaf ten, die er ziemlich gut kannte, Che borparner und Hasproner, vereinzelt Chretkor dazwischen. Es sah aus, als gäben sich nichthumanoide Völker schaften der M ilchstraße hier ein Stelldichein. Lethem trat zu den Robotern. »Stellt Li auf die Füße!« Die Roboter schwebten aufwärts. Das Prallfeld hob die Arkonidin in die Senkrechte. Sie schwankte ein wenig. Eine der M aschinen reichte ihr einen Tentakel, auf den sie sich stützte. »Die Eisgruft«, ächzte sie. »Ein Schwachsinniger muss Litrak aus seinem Ewigen Gefängnis befreit ha ben.« Sie wandte ruckartig den Kopf. Ihr Blick schien Lethem zu durch bohren. Übergangslos fühlte er sich in ihrer Nähe unwohl. Li da Zoltral war tot. Die Frau konnte nicht das Original sein, eher eine M atrize, eine Dublette. Wie anders wäre es einem Kosmokratendiener wie Samkar sonst möglich gew esen, die Frau nach so kurzer Zeit lebendig in die Obsidian-Kluf t zu schicken? »Die Kräfte sind in Aufruhr gera ten«, fuhr Li mit brüchiger Stimme fort. »Wir dürfen nicht zulassen, dass die Obsidian-Kluft untergeht.« »Das ist also dein Auftrag«, stellte Lethem fest. »Ich soll das Schlimmste verhin dern, ja. Alles lässt sich sowieso nicht rückgängig machen.« Sie hob langsam einen Arm, die Bewegung bereitete ihr M ühe. Lethem ahnte, dass sie genesen würde, aber es brauchte seine Zeit. Diese Zeit stand ihr nicht zur Verfü
gung. »Ich muss weg von hier. Hin unter, hinunter. Helft mir!« Lethem wandte sich an die Robo ter. »Holt ein paar eurer Kollegen und bringt uns nach Giascon.« Weitere der goldfarbenen Ovale tauchten auf. Diesmal ließen sich die Roboter mehr Zeit als zuvor bei der Rettung vor der Bergfeste Grataar. Dicht über dem Wasser der Lagune transportierten sie ihre Gäste zum westlichen Ende der Stadt, wo eine breite M ole in die Lagune hinein ragte, vermutlich als Bollwerk gegen gefährliche Strömungen. An der Spitze der Mole setzten die Goldenen ihre Last ab und bildeten einen wei ten Kreis um die Gruppe. Lethem richtete seine Aufmerk ,samkeit auf die Schaulustigen an der Kaimauer. Sie rückten neugierig nä her. Doch plötzlich stoben sie ausein ander. Schreiend flüchteten sie, aber da die M enge von allen Seiten nach drängte, blieb ihnen nur die Flucht nach vorn. Erst Dutzende, dann Hunderte sprangen ins Wasser, schwammen und wateten hastig zu den Treppen und Rampen am nächs ten Kai hinüber. Lethem entdeckte die Gestalt, vor der die Giasconer die Flucht ergrif fen. Sie ähnelte einem riesigen Insekt von mehreren M etern Länge. Der Körper schien eine kristalline, halb durchsichtige Struktur zu haben, umgeben von einem bläulichen Schimmer. Der bewegliche und im Vergleich zum Körper sehr kleine Kopf hatte eine dreieckige Form mit großen, seitlich liegenden Facetten augen. Der M und mit seinen Beißund Greif werkzeugen stand deutlich vor. Li stöhnte. »Sardaengar in einem solchen Körper«, zischte s ie dann.
50 Arndt Ellmer
nur das Große Imperium attackiert und an den Rand des Abgrunds ge trieben, sie wären zu Zeiten der Drit ten M acht auch über Terra hergefal len - zu einem Zeitpunkt, als Perry und seine Freunde nicht viel mehr besessen hatten als ein paar Psycho strahler aus dem Fundus von Crests Forschungsschiff sowie eine Hand voll terranischer M utanten. Erst im 25. Jahrhundert hatte die USO wieder mit ihnen zu tun bekom men. Nach dem Ende der MonosDiktatur hatte es keine Berichte über ein Auftauchen dieser Geschöpfe ge geben. Entweder waren sie aus ge storben oder lebten unerkannt unter uns. Vielleicht hatten sie sich auch in einen abgelegenen Teil der Galaxis zurückgezogen. Der Gedanke, möglicherweise mit schuld am Untergang der letzten Vecorat zu sein, jagte mir einen eis kalten Schauer über den Rücken. »Wo ist Tamiljon?«, rief ich der Akonin zu. Sie stieg gerade aus ei nem der Boote. »Er ist noch immer ohne Bewusst sein. Warum fragst du?« Ich informierte sie über seine tele kinetischen Fähigkeiten, die sich auf Vitalenergie aus meinem Aktivator chip stützten. »Ein Seelensauger«, stieß sie ent setzt hervor. »Das habe ich nicht ge ahnt.« Seelensauger - so konnte man es auch nennen. Tamiljon saugte die Lebensenergie aus seinem Opfer, um seine Parakraft aktivieren zu kön 9. nen. »Atlan, wir sollten ihn töten!« In der M ilchstraße und vor allem daheim in Thantur-Lok hätte man Anee wirkte wie verwandelt. Ich schüttelte den Kopf. »Nein, das mich angesichts meiner Kooperation werden wir nicht. Nicht, solange wir mit den Vecorat für verrückt erklärt. keinen Grund dafür haben.« Viel Individualverformer hatten nicht
»Der Cyno hat verloren. Jetzt steht er vollständig unter der Kontrolle des Kristallmondes!« Ein Cyno in der Obsidian-Kluft. Lethem begriff, dass sie noch viel zu wenig über die Zusammenhänge wussten. »Er scheint nicht dein Freund zu sein, oder?« Die Arkonidin gab ihm keine Ant wort, löste sich langsam von dem Ro boter, der sie stützte. Erst schwankte sie, dann aber normalisierten sich ihr Gang und ihre Körperhaltung. »Bleib hier«, warnte Lethem. Sie beachtete ihn nicht. Über gangslos verwandelte sie sich in eine lebende K ampfmas chine und stürmte die M ole entlang auf den Nachbarkai zu. Das Kristallinsekt wartete reglos. Als Li sich auf Sardaengar warf, blockte dieser ihre tödlichen Schläge schon in der Distanz ab. Beinahe rücksichtsvoll schob er die verbissen Kämpfende von sich, wich ein Stück zurück - Lethem stockte unwillkür lich der Atem. Sardaengar hob das vordere, vergrößerte Fangbeinpaar und richtete es auf Li. Grellweiße Strahlen schössen hervor und hüll ten die Arkonidin ein. Lethem sah ei nen vagen Schattenriss, der zu Bo den sank. Aus und vorbei!, dachte Lethem. Das grelle Leuchtfeld blieb beste hen. Sardaengar aber wandte sich ab und stürmte davon.
Braune Pest
51
leicht ist der Grund längst vorhan den, fügte ich in Gedanken hinzu. Wir sehen ihn nur nicht. Ich blickte das befestigte Kanal ufer entlang. Die Vecorat leerten den Inhalt der Fässer in die Wasserrinne an der Kaimauer. Es roch nach Steinöl. »Wir erhalten ein Signal, sobald alle Gruppen entlang des Kanals mit den Vorbereitungen fertig sind.« Die Seherin schien sich gef asst zu haben. »Sag ihnen, sie sollen sich beei len.« Ich deutete zum Südufer. Das Shainshar rückte näher. Fahle Fladen wogten auf das Südufer zu. Die Vecorat hatten den Bezirk ver lassen und sich teilweise mit provi sorisch installierten Seilzügen ans Nordufer gerettet. Wie viele Opfer die Braune Pest in Yandan inzwi schen gefordert hatte, würden'wir wohl nie erfahren. Anee summte etwas in der Sprache der Insektoiden. Diese gaben es wei ter. Wir hörten, wie das Summen am Kanal ent lang nach Westen und Osten lief, bis es sich in der Ferne verlor. Weitere Vecorat stießen zu den Gruppen. Die Vorbereitungen gingen zügig voran. »Dort!« Die Seherin von Yandan deutete auf den Kanal. Die schim mernden Wucherungen türmten sich auf der Südseite inzwischen meter hoch. Immer mehr drängten durch die Gassen nach. An den Häusern barsten Türen und Holzschnittfens ter. Der Druck der braunen M assen nahm überhand. Erste Brocken stürzten ins Wasser. Das Zeug war leicht, es ging nicht unter. In Windeseile erstreckte sich die M asse zu einem mehrere Qua dratmeter großen Fladen. Er trieb langs am mit der St römung nach
Westen, geriet dabei schnell und un ter wellenförmigen Bewegungen in die M itte des schätzungsweise fünf zig M eter breiten Kanals und hielt auf das Nordufer zu. Ich stieß einen leisen Fluch aus. »Sieh genau hin. M an könnte glau ben, es weiß genau, was es will.« " »Denkst du wirklich ...« »Nein, es kann nicht sein. Das Zeug reagiert instinktiv. Aber dafür ist es verdammt konsequent.« Den noch blieb ein ganz merkwürdiges Gefühl in der M agengegend. Am Südufer ragte inzwischen ein gewaltiger brauner Gletscher auf, der sich den Kanal entlangzog und ununterbrochen kalbte. Wenn diese riesigen M engen alle über das Hafen becken und den Barik gekommen waren, existierte die Südstadt inzwi schen nur noch dem Namen nach. »Aufpassen!«, rief ich. Die ersten Fladen erreichten Ufernähe. »Und jetzt - anzünden!« An drei Dutzend Stellen senkten sich Fackeln in die mit Petroleum gefüllte Rinne, die gewöhnlich das Regenwasser sammelte. Sofort lo derte ein F lammenvorhang von ei nem M eter Höhe auf. Das Steinöl von Vinara V brannte gut und er zeugte Hitze. »Achtung! Gießt Öl nach! Öffnet überall dort die Abläufe, wo das Zeug an Land kriechen will.« Die Vecorat taten wie geheißen. Aber die Braune Pest kroch nicht heran. Sie warf sich aus dem Wasser an Land. M eterhohe Fladen schnell ten an der Kaimauer empor, warfen sich auf das Feuer und schmorten unter der Hitze zu kleinen Klumpen.. Wieder flackerte das Feuer auf. Öl lief durch die Abläufe ins Wasser, entzündete sich. Die Hitze trieb die
52 Arndt Ellmer
Fladen vom Ufer weg, verschmorte einen Teil davon. Ich hörte ein Dutzend klatschender Geräusche irgendwo hinter den Vecorat. Plötzlich lagen glimmende Flocken herum, die sich hastig in Richtung Kanal schoben. »Vorsicht, hinter euch!« Wir sprangen auf, griffen uns Ersatzfa ckeln und entzündeten sie. Es gelang uns, einen Großteil der Flocken zu verbrennen. Aber dann benötigten wir die Fackeln zum Ausleuchten des Himmels, von dem es Shainshar zu regnen begann. Ich rief die Vecorat zurück. Sie entzündeten das Öl in den offenen Fässern, dann flohen sie zu uns und den Petroleumreserven. Das Klat schen nahm zu. Es hörte sich an, als fielen nasse Tücher vom Himmel. Ir gendwo im Osten und im Westen er klangen zwei Signalhörner. Es war das Zeichen, dass die Vorbereitungen entlang dem Stadtkanal beendet wa ren. Wir wussten jetzt, dass wir die sen Kampf nicht gewinnen konnten. »Gib den Rückzugsbefehl«, bat ich Anee. Ein Stück im Westen hatten gewal tige M engen der Braunen Pest die Flammenwand auf der Kaimauer er stickt und machten sich über die Holzboote her. Der Rückweg in den Palast war uns damit abgeschnitten. Die Seherin summte laut Signale, die Vecorat gaben sie hastig weiter. »Was liegt im Norden der Stadt hinter Thalim Bhuross?«, fragte ich. »Der Imraptan-Bezirk.« »Gut. Die Vecorat sollen sich dort sammeln und erkunden, wie schnell die Braune Pest vordringt.« »Und wir?« »Wir versuchen, uns bis zu deinem Tempel durchzuschlagen.«
»Viel wird nicht mehr von ihm üb rig sein.« »Falls doch, haben wir noch eine Chance, das Shainshar dort zu be kämpfen, wo es herkommt. In der Technostadt.« Es war ein Gedanke, aus der Ver zweiflung geboren. Hätte ich Litrak nicht aus seiner Eis gruft befreit, hätte er die Technostadt nicht ge startet. Und das Shainshar hätte kei nen Weg ins Freie gefunden. Wir wä ren nicht nach Vinara V gelangt, son dern vermutlich direkt auf die Origi nalwelt. An allem war ich schuld, ein unsterblicher Arkonide, den unbe greifliche M ächte hierher versetzt hatten. Wenn niemand dir sagt, wie alles zusammenhängt, kann sich auch kei ner bei dir beschweren, wenn du ei nen'Fehler begehst, lautete der lako nische Kommentar des Extrasinns.
Yandän schien wie aus gestorben. Unsere Schritte bildeten das einzige Geräusch in den leeren Straßen und Gassen. Nur die Fackeln und Wind lichter brannten. Sie zauberten ge spenstische Schatten auf die Fassa den und den Boden. Anee bliebplötzlich stehen. »Da!« In einem Innenhof sah ich ein zweiachsiges Gefährt, vor dem vier Weyln in ihrem Geschirr standen und an ein paar Knochen nagten. »Ein Prunk-Kampfwagen der Garde, ich erkenne das Emblem des Generals. Da es sich um keine Ka serne handelt, vermute ich, dass seine Familie hier wohnt.« Wir riefen nach Agustox Drox. Niemand antwortete. Die Vecorat hatten bereits das Weite gesucht.
Braune Pest 53
»Wir nehmen ihn, dann kommen wir schneller voran.« Augenblicke später saßen wir in den weichen Samtpolstern. Anee nahm die Leinen auf und schnalzte mit der Zunge. Die Weyln warfen den Knochen einen letzten schiefen Blick zu und setzten sich in Bewegung. Anee holte alles aus diesen Tieren heraus. Irgendwie schienen sie zu dem einen aus geprägten Instinkt ähnlich dem des Shainshar zu be sitzen. An mehreren Kreuzungen stoppten sie, verweigerten den Ge horsam und zogen den Wagen in eine andere Straße. Die Akonin passte ihre Route dem Willen der Tiere an. Ohne auch nur eine einzige Wuche rung oder eine Flocke von dem brau nen Zeug zu Gesicht zu bekommen, erreichten wir die Prachtstraße. Die Entfernung bis zur Silber säule und dem Tempel schätzte ich auf etwas mehr als einen Kilometer. Diesmal erhoben die Weyln keine Einwände gegen die Route. Die Braune Pest befand sich nicht in der Nähe. Ich fand das seltsam, denn sie war uns am M orgen den Barik hin aufgefolgt und hatte den Südosten der Stadt bedroht. Es gab nur eine Erklärung. »Im Wasser ist das Zeug sehr viel schneller als an Land«, sagte ich. Es war der Stadtmauer bis zum Zaman-Ufer gefolgt und von dort ins Hafenbecken eingedrungen. Warum es den Südostteil der Stadt bisher verschont hatte und gezielt auf den P alast und den Stadtkanal vor rückte, blieb allerdings ein Rätsel. Anee gab mir keine Antwort. Sie jagte die Weyln die Prachtstraße ent lang und hatte Mühe, die Zugtiere zu bremsen. Sie schössen an dem Halb kreis der Tempelgebäude vorüber.
Die Akonin lenkte die Tiere in einem weiten Bogen zum ursprünglichen Ziel zurück. Unmittelbar vor der Säule brachte sie den Wagen zum Stehen. Ich sprang ab. »Warte hier auf mich. Es dauert nicht lange.« »Wie lange?« »Eine halbe Stunde, schätze ich.« »Ich komme mit.« »Die Säule lässt dich nicht hinein.« Ich trat drei Schritte nach vorn und ' streckte die Hand mit dem Armband aus. Sie verschwand in dem matt an gelaufenen M aterial. Anee stieß ei nen Ruf des Erstaunens aus. Ich zö gerte einen Augenblick, dann trat ich ein. Drinnen fand ich wie in der Eis gruft einen fünf M eter durchmessenden Raum mit gewölbter Decke. Ein angenehmes Flüstern hieß mich will kommen und vermittelte mir das Ge fühl, unter Freunden zu sein. In mei nem Kopf entstand ein mentaler Im puls. Melde volle Funktionsbereit schaft, Herr! Erwarte deine Befehle. Ich brauche ein Fluggerät für vier Personen mit einer ausdauernden, internen Energieversorgung und starken Scheinwerfern. Planetarer oder interplanetarer Einsatz? Planetarer. Ein Hologramm baute sich vor mir auf. Es zeigte ein windschnittiges Gefährt in Leichtbauweise, aerody namisch gestylt und mit Bedie nungselementen, die auf humanoide Benutzer zugeschnitten waren. Ich bin mit dem Modell einverstan den. Bitte gedulde dich ein wenig. Aus der Wandung des Turmes lös ten sich winzige Silbertröpfchen, die kleinsten Komplexe aus Nanomodu len, die der Turm erzeugen konnte.
r
54
Erst waren es wenige, dann immer mehr. Bald strömten Tausende und Abertausende heraus, vereinigten sich zu einem dichten, waagrecht verlaufenden Wasserfall, der sich von außen in Richtung Zentrum des Hohlraums ergoss. Dort fügte er sich zu flirrenden Umrissen des im Holo gramm beschriebenen Flugzeugs zu sammen. Nur wenige M inuten dau erte es, bis die Umrisse feste Oberflä chen erhielten und sich im Innern er ste Bedienungselemente erkennen ließen. Keine zehn M inuten vergin gen, dann senkte sich das Flugzeug nach unten, die Holoprojektion er losch. Stets zu Diensten, teilte die men tale Stimme der Silbersäule mit. Ich danke dir. Bring das Flugzeug nach draußen. Gern. Ich diffundierte durch die Wan dung, sah das erschrockene Gesicht der Akonin im Kampfwagen und hörte das nervöse Stampfen der Weyln. »Ich ahnte es. Du hattest keinen Erfolg. Was jetzt?« »Warte ein paar Augenblicke.« Das Fluggerät glitt ins Freie. Erst trat die stumpfe Bugnase zu Tage, dann folgte der schmale, fast grazile Rumpf. Einen Viertelmeter über dem Boden blieb das Nanomodulprodukt schweben. »Bitte steig um.« Anee ließ es sich nicht zweimal sa gen. Sie warf die Leinen nach vorn über die beiden hinteren Tiere. Ein paar zischelnde Laute folgten. Die Weyln warfen ihre Köpfe hin und her, öffneten weit die Nüstern, dann rannten sie mit dem Prunkwagen da von. Ich half der Seherin an Bord und
Arndt Eilmer
kümmerte mich anschließend um die Steuerung des Fluggeräts. Sie ent sprach dem Standardtypus, den ich von meinem Umgang mit Kosmokra ten, Rittern der Tiefe und Dienervöl kern der Hohen Mächte her kannte. Sie funktionierte hauptsächlich nach denselben ‡ logischen Prinzi pien, wie wir sie auch in den galak tischen Flotten der M ilchstraße be nutzten. Die Scheinwerfer schwenkten teils nach oben, teils nach unten. Auf diese Weise konnten wir das Gelände beobachten und gleichzeitig fliegendes Shainshar rechtzeitig erkennen. Ich ließ das Nanomodulgefährt bis über die Giebel der Häuser steigen. Wo die Prachtstraße bisher leer ge wesen war, wogten braune Wuche rungen und drängten immer schnel ler nach Osten und Norden. Ich be schleunigte und lenkte das Fluggerät nach Süden über den See. »Ich kann an diesem Vehikel keine Waffensysteme erkennen«, sagte Anee nach einer Weile. »Wozu? Energiewaffen funktionie ren nicht, und mit Feststoffgeschos sen auf die Braune Pest schießen nützt nichts. Die muss man dort be kämpfen, wo sie entstanden ist.« 10. Im Licht der Scheinwerfer bot sich ein erschreckendes Bild. Der Durch messer des Klumpens betrug höchs tens noch vierhundert M eter. Der Sockel der Technostadt war in sich' zusammengesunken. Dort, wo sich die Wölbung befunden hatte, exis tierten jetzt Dellen mit Schluchten und Kratern. Die Außentürme, Zwiebelkuppeln und Kugelpyrami
Braune Pest
55
den waren vers chwunden, in die Tiefe gestürzt und vom Shainshar aufgefressen. Nur in der M itte hielten die tra genden Elemente der Konstruktion noch. Um das Wrack wogte eine schätzungsweise fünfzig M eter hohe M asse aus braunen Wucherungen. Auf dem Untergrund fanden sie ga rantiert nichts mehr zu fressen, höchstens das blanke Gestein. Den noch schien die M enge seit dem M or gen ununterbrochen gewachsen zu sein. Flocken stiegen in großen Schwär men auf, wirbelten im Wind durch einander, der vom M eer her Richtung Stadt wehte. Ich flog mehrere Ausweichmanö ver, bis ich die Südschneise erreichte und den Anflug wagte. »Bei Tagesanbruch war das noch eine voll funktionsfähige Stadt«, sagte ich. »Jetzt ist es ein Trümmer haufen.« Die Seherin von Yandan schwieg, richtete ihre Aufmerksamkeit auf das Zentrum der Stadt. »Wo willst du landen?« Ich deutete auf das mit Schmelz wasser gefüllte Loch, das einmal die Gruft Litraks gewesen war. Der Verbrecher kehrt immer an den Ort seiner Tat zurück, spottete der Extrasinn. Litraks Befreiung geschah unwis sentlich. Das weißt du genau. M anchmal wünschte ich mir, die gefährliche Prozedur der ARK SUM M IA nie mitgemacht zu haben und keinen Extrasinn zu besitzen. Ande rerseits hatte er mir durch logische Schlussfolgerungen oder Warnungen schon unzählige M ale das Leben ge rettet und mir geholfen, ganze Völker vor dem Untergang zu bewahren.
In einem weiten Bogen lenkte ich das Flugzeug von Südosten herein, bis es auf der Süd-Nord-Achse wie auf einer Landebahn nach unten sank. Am Rand des Sockels brodelte es noch immer. Das Licht der starken Scheinwerfer fiel beim Überflug in die Krater und Schluchten. Unten wogte die Braune Pest, fraß in ihrer Unersättlichkeit alles auf, was sie fassen konnte und als Nahrung ein stufte. Ich war überzeugt, dass es in der Technostadt nichts gab, was für diese wilden Wucherungen unge nießbar war. »Gerade so, als seien sie außer Kontrolle geraten ...« »Wovon sprichst du?« »Das Shainshar - es wird den gan zen Planeten kahl fressen, wenn nie mand ihm Einhalt gebietet.« Das Fluggerät sank tiefer. Ich ließ es eine Weile kreisen. Die Wucherun gen behielten ihr Verhalten bei. Von dem, was sich im Zentrum der Platt form abspielte, schienen sie keine Notiz zu nehmen. »Ich muss als Erstes in eine der sil bernen Säulen«, sagte ich. »Achte auf die braunen Flocken«, riet ich Anee. »Bringe dich bei Gefahr unter dem Rumpf in Sicherheit. Gib mir dann Klopfzeichen.« Dicht neben der Silbersäule hielt ich das Fluggerät einen halben Meter über dem Boden an und sprang ab. M it ausgestreckten Armen tauchte ich in das M aterial ein, fand einen Hohlraum mit denselben Ausmaßen wie bei den anderen Säulen vor. Willkommen, hoher Herr, empfing mich die Gedankenstimme. Was kann ich für dich tun? Du weißt, was draußen geschieht? Es ist mir bekannt. Ich kann nichts dagegen tun.
56 Arndt Ellmer i
Ich muss eine Möglichkeit finden, wie ich dem Shainshar Einhalt ge bieten kann. Das wird schwierig. Der braune Organismus vermehrt sich rasend schnell. Ein Teil der Streben unter der Oberfläche ist zerstört. Die Belas tungsgrenze liegt nur noch bei acht zehn Tonnen pro Quadratmeter. Gibt es keine Waffen dagegen, die funktionieren? Oder einen Transmit ter vielleicht, m it dem man die Braune Pest ins Weltall abstrahlen kann? Gegen das Shainshar gibt es kein Mittel. Solange es auf Vinara Fünf et was zu fressen findet, wird es existie ren. Und danach? Danach frisst es sich selbst auf, verzehrt dadurch mit der Zeit seine eigene Energie und stirbt irgendwann nach ein paar tausend Jahren ab. Es ist entartet. Entartet! Automatisch dachte ich an die PÄN-THAU-RA-Tragödie. Lief es in der Obsidian-Kluft eben falls auf den drohenden Untergan g allen organischen Lebens hinaus? M ein Extrasinn hatte Recht. Die M ächte, die mich und vermutlich auch die TOSOMA hierher gebracht hatten, wussten um die Gefahr für dieses seltsame Miniaturuniversum und nicht nur für das. Die Belastungsgrenze liegt nur noch bei zehn Tonnen pro Quadrat meter!, warnte mich die Säule. Geh, bevor es zu spät ist. Ich danke dir. Augenblicke später stand ich draußen. Anee hing über dem Rand des Fluggeräts. Als sie mich entdeckte, deutete sie zu einem Turm. »Er neigt sich zur Seite. Siehst du
die Delle im Boden? Es dauert nicht mehr lange, bis das M aterial reißt.« So schnell es ging, kletterte ich in das Flugzeug. Am Turm entstand ein Riss. Braunes M aterial drängte ins Freie, begleitet von Explosionen und dem Zischen von Kurzschlüssen. Übergangslos hüllte sich der Turm in einen Funkenregen. Das Oberflä chenmaterial verfärbte sich. Unser Fluggerät .raste senkrecht nach oben. Die Silbersäule daneben wackelte. Sie streifte das Nanomo dulgerät leicht, richtete aber zum Glück keinen Schaden an. Ein Angstschrei drang in mein Bewusst sein. Es war die Säule, die um Hilfe rief. Augenblicke später krachte sie auf die Oberfläche der Plattform und zersplitterte. Unser Abschied von der Tech nostadt glich einer Flucht. Und er war endgültig. Der Turm schwankte , eine Weile, wobei er sich wie ein Kreisel drehte. Dann brach er ein. M it der Wucht eines abstürzenden Raumschiffs raste er in den Sockel hinein. Tonnen von braunem M ate rial schleuderten nach allen Seiten und in die Höhe. Anee stöhnte, klammerte sich an 'einer der Haltestangen fest. Wir wa ren schon hoch genug, die Braune Pest erreichte das Fluggerät nicht. Zehn, fünfzehn M eter darunter er reichten die Fetzen den höchsten Punkt ihrer Bahn, bevor sie zurück auf die Plattform stürzten. Der Ein schlag des Turms zerriss den Sockel. Er brach weiter ein. Die Technostadt veränderte ihre Gestalt jetzt unauf hörlich. Immer mehr ähnelte sie ei nem krustenverklebten Fladen. Nie mand, der sie jetzt so sah, hätte in ihr die Eis gruft wiedererkannt. Sturm kam auf. D ie Seherin be
Braune Pest 57
feuchtete einen Finger und streckte ihn nach oben. »Der Seewind nimmt zu. Bald geht die Sonne auf.«
Das Licht der Scheinwerfer geis terte über die Südstadt. Die Braune Pest füllte inzwischen alle Gassen und Straßen aus. Ein stetes Schmat zen und Brodeln begleitete das Vor dringen. »Die Säule«, flüsterte Anee. »Auch sie fällt.« Von den Tempelbauten war längst nichts mehr zu sehen. Der hundert fünfzig M eter hohe Zylinder neigte s ich immer mehr zur Seit e und stürzte schließlich in die Braune Pest. Sekunden vergingen, dann war er in der M asse der Wucherungen untergegangen. Die Seherin knirschte mit den Zähnen. »Und jetzt?« Ich blieb ihr die Antwort schuldig. Wir flogen dorthin, wo sie unsere Hilfe am öhesten benötigten. Ein Teil des Palastes ragte noch aus der orga nischen Masse heraus. Hoch oben auf den Türmen sah ich Vecorat mit Fa ckeln stehen. Sie warten auf uns, erkannte ich. Die Lichter sollen uns den Weg wei sen. Drizzt-Rilice konnte' gar nicht si cher sein, dass wir noch lebt en. Selbst wenn sie Nachricht von den Vorgängen am Kanal erhalten hatte, über unseren Verbleib gab es keine Informationen. Meine Hochachtung vor der Köni gin stieg. Ein paar der Vecorat verschwanden von den Türmen. Sie hatten unser fliegendes Objekt entdeckt. Die
braune M asse schob sich immer hö her an den Mauern des Palastes em por. Der Vorgang spielte sich in Schü ben ab, folgte präzise den physikali schen Vorgaben der M echanik. M it jedem M eter, den das Zeug höher kletterte, verstärkte sich darunter die Basis zu einem schrägen Damm, der das anwachsende Gewicht stützte und verhinderte, dass das Shaüishar zurück auf den Boden stürzte. Wo es Fenster in dem Mauerwerk gab, sprengte das Zeug die Holzgitter und drängte in die Zimmer und Gänge. Wir hörten schrille Insekten schreie. Es war höchste Zeit. Während am Kanal Häuser einstürzten und eine Barriere aus Steinen sich auftürmte, ließ ich das Fluggerät hinuntersin ken. »Dort, in den Innenhof!« Anee deutete auf die kunstvoll verzierten Holzornamente, die eine Art Balda chin über dem Areal bildeten. Wir sahen Vecorat, die sich hastig von einem Gebäudeflügel zum nächs ten bewegten. »Passt auf, da unten!«, rief ich zur Warnung. Die Höflinge verschwan den in den Gebäuden. Augenblicke später durchschlug das F luggerät den Baldachin, der den Innenhof ge gen das Sonnenlicht abschirmte. Ich landete. Die Vecorat umringten das Vehikel. Ich schwang mich über den Rand. »Holt die Königin! Wo ist Tamiljon?« Sie führten uns in ein mit weichen Polstern ausgestattetes Zimmer. Der Schwarzhäutige war noch immer be wusstlos. Die Kristalle wucherten vom Hals auf seine Schultern und den Nacken hinab und rahmten sein Gesicht ein, als könne sich der Kopf aus eigener Kraft nicht mehr auf
58 Arndt Ellmer
recht halten und sie müssten ihn stützen. Ich kniete neben Tamiljon nieder. Zu meinen Freunden zählte ich ihn nicht gerade. Er hatte mich die ganze Zeit unseres gemeinsamen Weges im Unklaren über seine Absichten ge lassen, hatte sich schließlich als Ge genspieler erwiesen. Er hatte mir fal sche Informationen gegeben und trug dadurch eine M itschuld an der Befreiung Litraks aus seinem Eis kerker. Aber dann hatte ihn der Splitter getroffen, und jetzt hüllten die Auswüchse des Kristalls seinen Körper immer mehr ein. Ich tätschelte die Wange des Schwarzhäutigen. »Wach auf! Wir brauchen dich!« Er rührte sich nicht. Ich verlangte ein Riechfläschchen oder irgendein scharf riechendes Gewürz. Anee brachte schließlich ein Duftöl der Königin. Es stank ein wenig nach Ammoniak und Rosenwasser, eine scheußliche M ischung. Ich hielt es Tamiljon unter die Nase. Er zuckte nicht einmal. »Wach auf«, versuchte ich es erneut. »Wir brauchen dich!« Ein Klaps links und einer rechts auf die Wange schienen Wunder zu wirken. Die Nasenflügel zuckten plötzlich, Tamiljon drehte den Kopf vom Riechfläschchen weg. Blitzartig öffnete er die Augen. »Atlan, ist es schon Morgen?« Er schien zu glauben, eine ganz ge wöhnliche Nacht verbracht zu ha ben. »Die Sonne geht bald auf. Das Shainshar dringt in den Palast ein. Komm!« Er sprang auf. Die Kristalle an sei nem Hals knirschten. Tamiljon tat, als bemerke er es nicht.
Wieder erklangen Schreie im Pa last.Die Königinsaß in der Falle. Wir rannten hinter den Vecorat her, die uns führten. An der prunkvollen Treppe in die königlichen Gemächer erstarrten sie. Die Braune Pest wälzte sich die Treppe hinauf. »Versuch es!«, forderte ich denTe lekineten auf. »Nimm dir so viel Vi talenergie, wie du brauchst. Aber zerquetsche das Zeug.« Ich s ah, w ie sein Ges icht zur M aske erstarrte. Jeder M uskel und jede Sehne spannte sich. Ein wenig traten ihm die Augen aus dem Kopf. Dann spürte ich den plötzlichen Sog, als entziehe Tamiljon mir jegliche Lebensenergie. M üdigkeit erfasste mich sofort, verbunden mit nachlas sender Konzentration. Einen Augen blick überlegte ich, wo ich war. Die braune Masse geriet ins Stocken. Für einen kurzen Augenblick nur, dann setzte sie ihren Weg nach oben fort. Schweiß lief übergangslos in Bä chen über Tamiljons Gesicht. »Ent artetes Leben«, stieß er hervor und bestätigte damit, was ich von der Sil bersäule in der Technostadt wusste. »Ich schaffe es nicht!« Das Shainshar witterte uns, bil dete Beulen in unsere Richtung aus. »Geh zur Seite.« Wenn irgendje mand jetzt noch etwas bewirken konnte, dann ich. Langsani setzte ich mich in Bewegung. Die Beulen zuck ten blitzschnell zurück. Meine Aus strahlung löste eine Reaktion .aus, der es nicht widerstehen konnte. Vielleicht auch ein Urinstinkt. Ich bewegte mich vorsichtig zur Treppe. Die Masse wich aus, so weit sie konnte. Sie floss die Stufen hinab an mir vorbei. Da jedoch von unten immer mehr Shainshar nachdrängte, geriet der Vorgang ins Stocken. Die
Braune Pest 59
Wucherungen in meiner Nähe änder ten die Farbe. Gleichzeitig löste sich der molekulare Zusammenhalt der M asse auf. Das Shainshar zerfiel zu Staub. Ich macht e einen Schritt nach vorn, dann den zweiten. Es versuchte zu fliehen, kam aber nicht vom Fleck. Der Zerfallsprozess ging weiter bis zu einem Abstand von fünfeinhalb M etern. Dort hörte er auf. Als sei das eine Art Sicherheitsab stand oder eine genetisch verankerte Ehrfurchtsdistanz zu einem Ritter der Triefe, dachte ich. Oder zu einem der sieben bezie hungsweise acht Mächtigen! »Holt die Königin und ihre Beglei ter herunter!«, wandte ich mich an die Vecorat. »Beeilt euch!« Auf dem unteren Teil der Treppe staute sich weiteres Shainshar und erreichte bald die D ecke. Die Sub stanz wucherte viel zu schnell, der Wind verteilte die Flocken nach wie vor wie Wattebäusche über die Stadt und das Land. Allein hätte ich es nie geschafft, die entstandene M asse zu dezimieren oder irgendwann ganz zu zerstören. Die Vecorat kehrten mit ihrer Kö nigin zurück. »Du musst den Palast aufgeben«, sagte ich. »Alles andere wäre Selbst mord.« »Ich verlasse mein Nest nicht. Mein Volk soll gehen. Eine neue Kö nigin wird ihm erwachsen, wenn die alte tot ist.« »Dein Volk braucht eine Anführe rin wie dich. Bis die neue Königin er wachsen und reif ist, kann vieles ge schehen.« »Was willst du?« »Dein Volk versammelt sich im Imraptan-Bezirk. An dessen nordöstli
chem Rand steht ein Obsidiantor. Wir werden es benutzen und die Stadt auf diese Weise verlassen.« Ich sprach es nicht aus, aber Yan dan war nicht mehr zu halten, kein Stadtteil, keine Straße, nicht einmal der Kanal. Die Braune Pest würde sich innerhalb von zwei, drei Tagen über das gesamte Delta und bis zu den Gebirgszügen im Westen und Osten ausbreiten. Vinara V war dem Untergang geweiht - ein ganzer Pla net mit allem, was auf ihm existierte. Und wenn du durch das Obsidian tor auf eine andere der vier Welten gehst und selbst winzige Partikel des Shainshars dir durch den Transmit ter folgen, bist du ein Massenmör der, dachte ich niedergeschlagen. Drizzt-Rilice musterte nacheinan der ihre Zofen und Gardisten. »M ich bringt kein Shainshar hier weg. Ich werde auch nicht zulassen, dass ihr geht.« Das war konsequent, aber es war keine Lösung. Die Königin würde es kaum verstehen. Ich wechselte einen Blick mit der Seherin. Sie senkte fast unmerklich die Lider. Blitzschnell streckte ich den rechten Arm aus. Zwei meiner Finger berührten die Königin seit-
Die Welt von Jetzt Einstiegshilfe anfordern: Pabel-Moewig Verlag KG PERRY RHODAN-Kommunikation Karlsruher Straße 31 76437 Rastatt Bitte ⁄ 1,44 Rückporto beilegen.
60 Arndt Ellmer
lieh am Hals. Wenn sie überhaupt et was spürte, dann ein sanftes Strei cheln. M ein Dagorgriff legte einen Teil ihrer wichtigsten Nervenknoten zwischen Gehirn und Körper lahm. Drizzt-Rilice faltete sich zusammen wie Anees einstiger Klappstuhl. Die Gardisten fingen sie auf und betteten sie auf ein paar Tücher. Ich deutete zur Tür. »Wir bringen sie zum Fluggerät.« Hinter uns brandete die Braune Pest erneut die Treppe herauf. 11. Unser Flugzeug hing hoch über dem Palast. Anee, Tamiljon und Drizzt-Rilice waren an Bord. Aus der Vogelperspektive dirigierten wir den Abzug der Garde und des Personals. Der Weg nach Imraptan war ihnen abgeschnitten, aber am Kanal ent lang nach Westen gab es noch keine Wucherungen. Der Wind hatte ge dreht, er blies aus Nordwesten. Er trieb die Flocken zurück in jene Richtung, aus der sie gekommen wa ren. »Selbst wenn es den Vecorat ge lingt, bis auf die andere Seite des Kontinents zu kommen, haben s ie höchstens ein paar Wochen oder Monate Frist«, sagte die Seherin leise. »Eine Frist, die sich nutzen lässt Sie reicht, um die Standorte weiterer Obsidiantore auf Vinara Fünf in Er fahrung zu bringen und die Vecorat zu evakuieren.« Die Akonin musterte mich von der Seit e. »D aran glaubst du s elbst nicht, oder?« »Vielleicht ...«Wenn wir es auf diesem Weg nicht schafften, gab es im mer noch das Kugelschiff, bei dem es
sich nur um die TOSOMA handeln konnte. Wir mussten es finden. M it ihm war es kein Problem, ein paar hunderttausend oder selbst M illio nen Vecorat auf eine der anderen Spiegelwelten oder die Originalwelt zu transportieren. »Vertraue mir, Anee. Es gibt eine Rettung für diese Wesen.« Wir verabschiedeten uns von den Flüchtlingen durch . Zurufe und überflogen Imraptan. Am östlichen Horizont zeigte sich der erste oran gefarbene Lichtstreifen des begin nenden Tages. Zwanzig Runtsch wa ren es vom Palast bis zum Obsidian tor. Irgendetwas stimmte nicht. In den Straßen und Gassen des nördlichen Stadtbezirks entdeckten wir keinen einzigen Vecorat. Wir erwarteten Flüchtlingsströme nach Norden und Nordwesten, stattdessen fanden wir fahl leuchtende Flächen bis zum Stadtrand. »Das Zeug hat uns an der Nase herumgeführt«, murmelte Tamiljon. »Es ist den Barik hinauf- und durch den Aro-See an der östlichen Peri pherie entlanggewandert, um die Stadt einzukreisen. Das kann man nicht mehr als bloßen Jagdinstinkt bezeichnen.« Ich nahm Kurs auf das Obsidian tor. Es lag in einer Geröllebene zwi schen Imraptan und den Ausläufern der Oststadt. Als ich hinschaute, schwappte eine mehrere Meter hohe Shainshar-M auer zwischen den Häusern hervor. In hektischen Wel len ergoss sie sich in die Ebene, strömte nach Norden, hinter unse rem Fluggerät her. »Das ist Zauberei, Magie«, stöhnte die Seherin. »Die Braune Pest will unsere Flucht vereiteln.«
Braune Pest___________________________________________________________ ^
Ich belastete den Antrieb der Nanomaschine bis an die oberste Grenze, aber das Shainshar blieb uns auf den Fersen. »Schneller, Atlan!«, feuerte Tamil-
jon mich an. »Häng das verfluchte Zeug ab!« »Tut mir Leid. Schneller geht es nicht.« Die Braune Pest holte auf ...
EN D E
Atlans Kampf gegen die Braune Pest auf Vinara V scheint aussichtslos. Die
Stadt Yandan s teht kurz vor der Zerstörung, überall breiten sich braune
Flecken aus. Der Unsterbliche steuert ein Obsidiantor an, die einzige Ret tung ...
Ralf Schuders Roman
IM LAND DER SILBERSÄULEN beschreibt die weiteren Ereignisse auf den Vinara-Welten, die aus ihrer gemeinsamen Umlaufbahn zu stürzen drohen., Band zehn dieser zwölfbändigen Miniserie erscheint in zwei Wochen überall im Zeitschriftenhandel.
Atlan Obsidian - erscheint zweiwöchentlich in der Pabel-Moewig Verlag KG, 76437 Rastatt. Internet: www.vpm-online.de. Redaktion: Sabine Kropp, Postfach 2352, 76413 Rastart. Titelillustration: Swen Papenbrock. Innenillustration: Dietmar Krüger. Druck: VPM Druck KG, 76437 Rastatt, www.vpm-druck.de. Vertrieb: VU Verlagsunion KG, 65396 Walluf, Postfach 5707, 65047 Wiesbaden, T el.: 06123/620-0. Marketing: Klaus Bollhöfener. Anzeigenleitung: Pabel-Moewig Verlag KG, 76437 Rastatt. Anzeigenleiterund verantwortlich: Rainer Groß. Zurzeit gilt Anzeigenpreisliste Nr. 29. Unsere Romanserien dürfen in Leihbüchereien nicht verliehen und nicht zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden; derWiederverkauf ist verboten. Alleinvertrieb und Auslieferung in Österreich: Pressegroßvertrieb Salzburg Gesellschaft m.b.H., Niederalm 300, A-5081 Anif. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie gewerbsmäßige Weiterverbreitung In Lesezirkeln nurmit vorheriger Zustimmung des Verlages. Für unverlangte Manuskriptsendungen wird Keine Gewähr übernommen. Printed in Germany. August 2004. Internet: http://www.Perry-Rhodan.net und E-Mail:
[email protected] Einzelhaft-Nachbestellungen richten Sie bitte an:TRANSQALAXIS-Buchv eraand, Postfach 1127,61362 Friedrichsdorf/ Taunus. Lieferung erfolgt gegen Vbrauskasse (zuzügl. ⁄ 3,- Versandkosten, Ausland ⁄ 5,50) oder per Nachnahme (zuzügl.« 5,50 Versandkosten).