Nicolai Scherle Bilaterale Unternehmenskooperationen im Tourismussektor
mirl
Management International Review
Herausg...
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Nicolai Scherle Bilaterale Unternehmenskooperationen im Tourismussektor
mirl
Management International Review
Herausgeber / Editors:
Prof. Dr. Profs, h. c. Dr. h. c. Klaus Macharzina Universitat Hohenheim, Stuttgart
Prof. Dr. Martin K.Welge Universitat Dortmund
Prof. Dr. Michael Kutschker Universitat Eichstatt-lngolstadt
Prof. Dr. Johann Engelhard Universitat Bamberg
In der mir-Edition werden wichtige Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung sowie Werke erfahrener Praktiker auf dem Gebiet des internationalen Managements veroffentlicht. The series mir-Edition includes excellent academic contributions and experiential works of distinguished international managers.
Nicolai Scherle
Bilaterale Unternehmens kooperationen im Tourismussektor Ausgewahlte Erfolgsfaktoren
GAB1£R
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothel< verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet iJber abrufbar. Bibliographic information published by Die Deutsche Bibliothek Die Deutsche Bibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed bibliographic data is available in the Internet at .
Dissertation an der Katholischen Universitat Eichstatt-lngolstadt, 2005, unter dem Titel: Scherle, Nicolai: Bilaterale Unternehmenskooperationen im Tourismussektor vor dem Hintergrund ausgewahlter Erfolgsfaktoren
Dr. Nicolai Scherle ist wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl fur Kulturgeographie an der Katholischen Universitat Eichstatt-lngolstadt. Er ist Mitglied der Royal Geographical Society und des Kompetenznetzwerks fur interkulturelle Kommunikation (FORAREA). Dr. Nicolai Scherle is Senior Lecturer in Cultural Geography at the Catholic University of Eichstattlngolstadt. He is a fellow of the Royal Geographical Society and the Network for Intercultural Communication (FORAREA).
Abonnenten von mir - Management International Review erhalten auf die in der mir-Edition veroffentlichten Bucher 10% Rabatt. Subscribers to mir - Management International Review are entitled to a 10 % price reduction on books published in mir-Edition. 1. Auflage Juli 2006 Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Ulrike Lorcher / Renate Schilling Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschlief^lich aller seiner Telle ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung auRerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vevielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden durften. Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed In Germany ISBN-10 3-8349-0243-8 ISBN-13 978-3-8349-0243-6
Vorwort der Herausgeber Die Internationale Geschaftstatigkeit ist fur Unternehmen, die davon beriihrten Lander und die Weltwirtschaft zum Schliisselfaktor des Erfolgs geworden. Die Herausgeber beabsichtigen mit der Schriftenreihe mir-Edition, die multidimensionalen Managementanforderungen der internationalen Unternehmenstatigkeit wissenschaftlich zu begleiten. Die mir-Edition soil zum einen der empirischen Feststellung und der theoretischen Verarbeitung der in der Praxis des internationalen Managements beobachteten Phanomene dienen. Zum anderen soUen die hierdurch gewonnenen Erkenntnisse in Form von systematisiertem Wissen, DenkanstoEen und Handlungsempfehlungen verfiigbar gemacht werden. Diesem angewandten Wissenschaftsverstandnis fiihlt sich seit nunmehr dreifiig Jahren auch die in iiber 40 Landern gelesene und jiingst von 1380 US-Professoren als „best rated journal" im internationalen Management platzierte Internationale Fachzeitschrift mir - Management International Review - verpflichtet. Wahrend dort allerdings nur kurzgefasste Aufsatze publiziert w^erden, soil hier der breitere Raum der Schriftenreihe den Autoren und Lesern die Moglichkeit zur umfanglichen und vertiefren Auseinandersetzung mit dem jeweils behandelten Problem des internationalen Managements erofFnen. Der Herausgeberpolitik von mir entsprechend, soUen auch in der Schriftenreihe innovative und dem Erkenntnisfortschritt dienende Beitrage einer kritischen OfFentlichkeit vorgestellt werden. Es ist beabsichtigt, neben Forschungsergebnissen, insbesondere des wissenschaftlichen Nachwuchses, auch einschlagige Werke von Praktikern mit profundem Erfahrungswissen im internationalen Management einzubeziehen. Das Auswahlverfahren sieht vor, dass die Herausgeber gemeinsam iiber die VerofFentlichung eines in der Reihe erscheinenden Werkes entscheiden. Sie laden zur Einsendung von Manuskripten in deutscher oder englischer Sprache ein, die bei Auswahl jeweils in der Originalsprache publiziert werden. Die Herausgeber hofFen, mit dieser Schriftenreihe die fachliche Diskussion und praktische Losung von Problemen des internationalen Managements zu stimulieren, und wunschen der mirEdition eine positive Aufnahme in den Zielgruppen von Wissenschaft, Praxis und Studium des internationalen Geschafts.
Klaus Macharzina, Martin K. Welge, Michael Kutschker, Johann Engelhard
Foreword of the Editors Recognizing the importance of international business for firms, countries and the global economy at large, the Series aims at covering the managerial requirements, objectives and tools of international business activity from the standpoint of applied research. The goal of mir-Edition is to explore and analyze the real world phenomena of international management and to offer on a more general level systematic knowledge and advice in terms of practical recommendations to problem solution. This basic understanding of research has also guided the editorial policy of mir - Management International Review - which has had its readers in more than 40 countries for thirty years. While in the Journal naturally there is only room for relatively short treatment of the respective subject matters the Series opens up the possibility for comprehensive and in-depth study and discussion of international management problems. Similar to the editorial policy of mir the volumes of the Series should contribute in an innovative manner to the progress of discovery both in the theoretical and practical dimension. It is therefore intended to include in the Series excellent academic contributions, particularly of the young generation of researchers, but also experiential works of distinguished international managers. Similar to the high aspiration level which has been achieved in mir and which has led to the Journal being ranked number one in International Management by 1380 US professors recently, only contributions of very high quality will be accepted in the Series. The selection decision will be made collectively by the Editors. Manuscripts are invited in English and German; they will be published in the original form. The Editors sincerely hope to stimulate the discussion and to assist in the solution of problems in the area of international management by way of the Series. They wish that mir-Edition will receive a positive welcome among the major target groups which comprise academics, students and managers in international business.
Klaus Macharzina, Martin K. Welge, Michael Kutschker, Johann Engelhard
Geleitwort Tourismus verkorpert in vielerlei Hinsicht Globalisierung par excellence: So sind nicht nur Angebot und Nachfrage weitestgehend globalisiert, sondern es gehort auch zum wesendichen Merkmal der Diensdeistung als solcher, dass Grenzen iiberwunden werden, wobei vor allem innovative Technologien im Transport- und Kommunikationsbereich eine essentielle RoUe spielen und Raum und Zeit schrumpfen lassen. Zudem manifestieren sich in der weltweiten Inwertsetzung touristischer Potentiale geradezu paradigmatisch die komplexen Prozesse einer kulturellen Globalisierung, unter deren Einfluss sich Erwartungshaltungen, Leitbilder und Stereotype ausbilden sowie vorhandene transformieren. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen steigen zum einen die Anforderungen an die beteiligten Akteure, zum anderen sind forschungsorientierte Institutionen zunehmend gehalten, die vielschichtigen Konsequenzen dieser Prozesse zu analysieren und entsprechend zu reagieren. Genau hier setzt die vorliegende Studie von Nicolai Scherle an, mit der insofern wissenschaftliches Neuland betreten wird, als zum ersten Mai die interkulturelle Dimension bilateraler Unternehmenskooperationen im Tourismussektor thematisiert und anhand ausgewahlter Erfolgsfaktoren untersucht wird. Eingebunden in die kulturtheoretische Wende in den Sozialwissenschaften und aufbauend auf dem Leitkonzept des von der Bayerischen Staatsregierung in dankenswerter Weise grof?zugig geforderten interdisziplinaren Forschungsverbunds FORAREA vertritt der Verfasser den Standpunkt, dass okonomisches Handeln in regionale und kulturelle Beziige eingebunden ist. Dabei werden Kultur beziehungsweise interkulturelle Kompetenz als zentrale Ressourcen rezipiert, die letztendlich eine nachhaltige Investition in das qualitative Wachstum von Unternehmen darstellen. Auch aus einer tourismuswissenschaftlichen Perspektive kann man die Untersuchung als Pionierleistung bezeichnen, da sie interkulturelle Aspekte nicht - wie die meisten interkulturellen Studien mit touristischem Hintergrund - zni host-guest relations reduziert, sondern erstmalig die supply-side in das Zentrum des Erkenntnisinteresses riickt. Die Arbeit besticht nicht nur durch eine systematische Auseinandersetzung hinsichtlich der relevanten theoretischen Themenkomplexe, sondern sie zeichnet sich auch durch Eindringlichkeit und Plastizitat der generierten empirischen Ergebnisse aus, wobei Letztere den interkulturellen Kooperationsalltag der touristischen Akteure in seiner schwer zu konzeptualisierenden Komplexitat vor dem Hintergrund ausgewahlter Erfolgsfaktoren transparent werden lassen. Bei seiner problemzentrierten Analyse agiert der Autor mit groSer Empathie als Mediator zwischen den Kulturen, ohne dabei seine wissenschaftliche Distanz aufeugeben. In diesem Rahmen erweist sich der innovative methodische Ansatz der Biperspektivitat als ideales kultursensibles Instrumentarium, um den ausgesprochen reichen interkulturellen Erfahrungsschatz der aus Deutschland und Marokko stammenden Gesprachspartner zu erschliefien. Gleichzeitig
Geleitwort
sensibilisiert er fiir den fremden Erfahrungskontext und eroffnet die Moglichkeit, die eigene kulturelle Weltsicht zu reflektieren. Dem Verfasser gelingt ein bemerkenswerter Spagat in Hinblick auf die Verzahnung von Theorie und Anwendungsbezug. Die gewonnenen Erkenntnisse bieten einen ungemein reichen Fundus aus systematisiertem Wissen, innovativen Denkanstossen und Handiungsempfehlungen. Diese diirften gerade in Bezug auf den zukunftstrachtigen Aspekt der interkulturellen Kompetenz, der in die systemimmanente Dialektik des Verstandnisses von Eigenem und Fremdem eingebunden ist, noch lange Zeit Referenzcharakter besitzen. Nicolai Scherle legt eine Studie vor, in der einerseits zentrale Theorien in der Kultur- und Managementforschung fundiert behandelt und kritisch beleuchtet werden, die andererseits aber auch eine hochst interessante Fallstudie hinsichdich der grenziiberschreitenden Dimension der Tourismusbranche darstellt. Dariiber hinaus zeigt die Untersuchung einmal mehr, dass interdisziplinare und transregionale Forschungsansatze, wie vom Verfasser realisiert, auEerordentlich anregend und produktiv sind - und zwar nicht nur fiir die Wissenschaft, sondern vor allem auch fiir die Wirtschaft, die sich den komplexen Herausforderungen einer zunehmend giobalisierten Welt stellen muss und auf Kooperation mit der scientific community angewiesen ist. Nicht zuletzt deshalb ist die vorhegende Dissertation 2005 mit einem von der Volksbank gestifteten Preis fiir das beste interdisziplinare Projekt an der Katholischen Universitat Eichstatt-Ingolstadt ausgezeichnet worden. Dass Interdisziplinaritat, die sich wie ein roter Faden durch das Werk zieht, in diesem Fall nicht nur als Schlagwort fiingiert, zeigt sich auch darin, dass eine von einem Geographen verfasste Arbeit in einer hoch angesehenen okonomischen Reihe publiziert wird. Zweifelsohne ist es immer subjektiv, ein Werk als Pflichtlektiire zu empfehlen. Die vorliegende Grundlagenarbeit kann jedoch mit guten Griinden all jenen aus Wissenschaft und Praxis zur Lektiire ans Herz gelegt werden, die sich aus einer tourismuswissenschaftlichen Perspektive mit interkulturellen Fragestellungen im internationalen Management auseinander setzen woUen.
Hans Hopfinger
Vorwort „There are friends and enemies. And there are strangers." Zygmunt Bauman „Die Welt riickt zusammen!", so dachte sich auch ein junger angehender Buchhandler, der Anfang der 1990er Jahre in Begleitung dreier KoUegen aufbrach, um eine Destination zu bereisen, die aus einer europaischen Perspektive haufig ausgesprochen pauschal mit BegrifFen wie „fremd" oder gar „exotisch" etikettiert wird: Marokko. Ausgestattet mit einem Interrailticket, einem Reisefiihrer und einem iiberdimensionierten Rucksack konnte dieser Buchhandler zum damaligen Zeitpunkt noch nicht im Geringsten ahnen, dass er eine Dekade spater wieder in diesem Land unterwegs sein wiirde - allerdings unter deutlich modifizierten Vorzeichen! Aus dem Buchhandler war zwischenzeitlich ein Geograph geworden, bei dessen Reiseutensilien es sich inzwischen um ein Flugticket, ein Reisestipendium und eine Liste mit marokkanischen Incoming-Agenturen handelte, wobei Letztere fiir ein Forschungsprojekt gewonnen werden soUten. Als einziges Relikt seiner ersten Reise ins maghrebinische Konigreich war jener Rucksack iibriggeblieben, der bis zum heutigen Tag seinen Dienst erfiillt. Der eben vorgestellte Protagonist ist auch der Autor der vorliegenden Dissertation, die sich aus einer interkulturellen Perspektive mit Unternehmenskooperationen im Tourismussektor beschaftigt und in deren Mittelpunkt das Kooperationsgeschehen zwischen deutschen und marokkanischen Reiseveranstaltern steht. Dabei wird von der Erkenntnis ausgegangen, dass Akteure, die in einem internationalen Kontext agieren und die sich den immer komplexeren Herausforderungen einer zunehmend vernetzten Welt stellen woUen, nicht umhinkommen, iiber eine entsprechende interkulturelle Kompetenz zu verfiigen. Gerade mit der Aufnahme grenziiberschreitender Geschaftsaktivitaten zeigt sich im Vergleich zu rein national tatigen Unternehmen eine nicht zu unterschatzende Heterogenisierung der fur die unternehmerischen Entscheidungstrager relevanten Umwelten. Dass eine Ignoranz dieser Reflexionen ausgesprochen negative Konsequenzen zur Folge haben kann, beweist die Tatsache, dass in den letzten Jahren zahlreiche Internationale Kooperationen gescheitert sind, die unter Beriicksichtigung rein 5konomischer Faktoren hatten erfolgreich sein miissen. Im Fokus der vorliegenden Arbeit stehen Menschen, die in einer Branche arbeiten, die in vielerlei Hinsicht geradezu paradigmatisch Globalisierung verkorpert: So sind im Tourismus nicht nur Angebot und Nachfrage weitestgehend globalisiert, sondern auch die Dienstleistung als solche beruht immer haufiger auf der Uberwindung von Grenzen. Hinzu kommt, dass gerade diese Branche wie kaum eine andere von den Innovationen im Kommunikations- und Transportbereich profitiert hat. Der spezifische Charme hinsichtlich der in dieser Studie relevanten Untersuchungsobjekte ergibt sich insbesondere vor dem Hintergrund, dass die entsprechenden Akteure im Outgoing- beziehungsweise Incoming-Tourismus bereits aufgrund ihres geschaftlichen Selbstverstandnisses ganz unmittelbar mit den komplexen Aspekten interkultureller
XII
Vorwort
Kommunikation konfrontiert sind. Deren Wirken unter den Konditionen ihres interkulturellen Kooperationsalltags ist die folgende Dissertation gewidmet. Damit tragt sie nicht zuletzt dem Umstand Rechnung, dass die Geographie der Freizeit und des Tourismus, aber auch die meisten anderen tourismusspezifischen Disziplinen entsprechenden Problemstellungen auf der supply-side bis dato so gut wie keine Aufmerksamkeit geschenkt haben. Vorworte wecken im Ideaifall nicht nur ein erstes Interesse fiir die anstehende Thematik, sondern sie bieten auch dezidiert die Moghchkeit, innezuhalten und jenen Menschen zu danken, die einen wahrend der letzten Jahre im Rahmen des Forschungsprozesses begleitet haben: Mein aufrichtiger Dank gilt zunachst meinem Doktorvater, Prof. Dr. Hans Hopfinger, Lehrstuhhnhaber fur Kulturgeographie an der KathoHschen Universitat Eichstatt-Ingolstadt. Ein mit vereinten Kraften konzipierter Projektantrag miindete nicht nur in unser gemeinsames Forschungsprojekt, das dutch den interdisziphnaren Bayerischen Forschungsverbund Area-Studies (FORAREA) getragen wurde, sondern bildete auch das Fundament fiir die vorhegende Dissertation. Prof. Dr. Hans Hopfinger hat mir bei deren Ausarbeitung ein hohes MaE an wissenschafthcher Freiheit eingeraumt, mich gieichzeitig aber auch in unermiidhcher Art und Weise durch seine inhalthchen und methodischen Impulse bei der Bearbeitung der komplexen Thematik unterstiitzt. Prof Dr. Vincent Houben vom Lehrstuhl fiir Geschichte und Gesellschaft Siidostasiens an der Humboldt-Universitat in Berlin danke ich fiir die freundliche Ubernahme des Koreferats. Als ehemaliger Projektleiter bei FORAREA zeichnete er sich in Kooperation mit Prof Dr. Hans Hopfinger fiir jenen Themenkomplex verantwortlich, der sich mit Konfliktsituationen in interkulturellen Unternehmenskooperationen beschaftigt und in der vorliegenden Arbeit einen zentralen Part einnimmt. Die zahlreichen Diskussionen mit ihm und seinen beiden Mitarbeitern, Dipl.-Kulturwirtin Claudia Ruppert und Dipl.-Kulturwirt Steffen Henkel, iiber die entsprechende Thematik stellten eine schier unerschopfliche Inspirationsquelle fiir den Forschungsprozess dar. Die interdisziplinare Projektgruppe von FORAREA umfasste noch drei weitere Teilprojekte, deren Mitgliedern ich mich gleichfalls zu aufrichtigem Dank verpflichtet fiihle. Bei verschiedenen Arbeitstreffen und Konferenzen zeigte sich in so manch kontroverser Diskussion, dass die im Rahmen des Projekteverbunds postulierte komplementare Interdisziplinaritat mehr als ein blof?es Lippenbekenntnis darstellte. Eine dadurch implizierte Polyphonic konterkarierte zwar mitunter mein Zeitmanagement, eroffnete mir aber auch neue inhaltliche und methodische Horizonte, die ich heute nicht mehr missen mochte. Dafiir danke ich - in alphabetischer Reihenfolge der einzelnen Teilprojekte - Prof Dr. Dieter Fricke und Dr. Tina Babo (Projekt Fo3A), Prof Dr. Hans-Dieter Haas und Dr. Johannes Rehner (Fo3B) sowie Prof Dr. Torsten Kuhlmann, Dr. Harald Dolles und Dipl.-Sportokonom Oliver Schumann (Fo3F). An dieser Stelle sei auch noch einmal ganz herzlich dem Bayerischen Forschungsverbund Area-Studies (FORAREA) gedankt, der in grof?ziigiger Weise die interdisziplinare Projektgruppe zv^ischen
Vorwort
XIII
Mai 2000 und April 2002finanzierte.Prof. Dr. Horst Kopp als Sprecher sowie Dr. Sonja Hock als Geschaftsfiihrerin von FORAREA schufen die Basis, dass die am Projekteverbund beteiligten Wissenschaftler in jeglicher Hinsicht hervorragende Forschungsbedingungen vorfanden. Prof. Dr. Mohamed Berriane und seine Mitarbeiterin H. Damghi von der Facuite des Lettres et des Sciences Humaines der Universite Mohammed V in Rabat agierten als lokale Kooperationspartner in Marokko und leisteten einen nicht zu unterschatzenden Beitrag fiir die erfolgreiche Umsetzung des Forschungsprojekts. Gerade vor dem Hintergrund eines erfolgreichen managing across cultures war ihr Wirken bei meinen Feldaufenthalten im maghrebinischen Konigreich unentbehrlich. Wahrend meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl fur Kulturgeographie hatte ich das Gliick, von KoUegen umgeben zu sein, die mit grofier Anteilnahme den Fortschritt meiner Dissertation verfolgten. In diesem Zusammenhang mochte ich mich vor allem bei Dr. Gabriele Obermaier, Jiirgen Amann, Dr. Christian Berndt, Dr. Marc Boeckler, Emad Hejazeen und Dr. Stefan Kiiblbock bedanken, deren Anregungen in den einschlagigen KoUoquien, aber auch in privaten Gesprachen stets eine wichtige Bereicherung darstellten. Prof Dr. Hans Hunfeld, emeritierter Lehrstuhlinhaber fiir Didaktik der englischen Sprache und Literatur an der Katholischen Universitat Eichstatt-Ingolstadt, zahlt nicht nur zu den fuhrenden Vertretern einer hermeneutischen Fremdsprachendidaktik, sondern er setzt sich auch seit Jahrzehnten in seinem wissenschaftlichen Werk dafiir ein, dass wir zunehmend von einer positiv zu bewertenden Normalitat des Fremden sprechen konnen. Seinem Einsatz verdanke ich, dass die vorliegende Dissertation zusatzlich von einem grofiziigigen Forschungsstipendium der Maximilian Bickhoff-Universitatsstiftung unterstiitzt wurde. Die beiden Geographen Prof Dr. Denis Cosgrove und Prof Dr. Tim Unwin pragten wahrend meines Auslandsstudiums an der University of London nachhaltig meine Begeisterung fiir ein Each, das wie kaum ein Zweites in der Lage ist, Studenten fiir eine holistische Perspektive zu sensibilisieren, die gerade vor dem Hintergrund einer zunehmend geforderten Interdisziplinaritat immer mehr an Bedeutung gewinnt. Wahrend Prof Dr. Denis Cosgrove zu den profiliertesten Wegbereitern einer New Cultural Geography zahlt, zeichnet sich Prof Dr. Tim Unwin nicht zuletzt dutch seine hervorragenden didaktischen Fahigkeiten aus, mit denen er unzahlige Studenten in seinem von einem globalplayer gesponserten Nischenseminar „Historical Geography of Viticulture" begeistert hat. Dr. Tim Coles, Business Research Fellow an der School of Business and Economics der University of Exeter, steuerte in diversen Gesprachen zahlreiche instruktive Anregungen bei. Zudem verdanke ich ihm wertvoUe Quellen- beziehungsweise Literaturhinweise aus dem angelsachsischen Raum, die ausgesprochen fruchtbar fiir die vorliegende Dissertation in Wert gesetzt werden konnten.
XIV
Vorwort
Dr. StefFen Wippel, Research Fellow am Zentrum Moderner Orient (ZMO), danke ich fur die akribische Durchsicht des Manuskripts. Auch er begleitete - nicht zuletzt aufgrund seiner ausgepragten Affinitat zum Untersuchungsraum - mit groEem Interesse das Forschungsprojekt. Sonja Ludwig und Faisal Jorio vom Staadichen Marokkanischen Fremdenverkehrsamt (O.N.M.T.) in Diisseldorf hatten stets ein ofFenes Ohr in Hinblick auf alle Aspekte, die in irgendeiner Weise den Marokkotourismus betrafen. Dankenswerterweise stellten sie und ihr Team mir zahlreiche Unterlagen zur Verfiigung, die mir ansonsten verborgen geblieben waren. Monika Riviere von der Deutschen Industrie- und Handelskammer in Casablanca und Helga Weber von der Deutschen Botschaft in Rabat verdanke ich zahlreiche Kontakte zu marokkanischen Ansprechpartnern aus Wirtschaft und Politik. Gleichfalls konnte ich dutch ihre Gastfreundschaft wertvolle Einblicke in die Alltagskultur der deutschen Diaspora in Marokko gewinnen. Sandra Sigl, ehemalige Sekretarin am Lehrstuhl fur Kulturgeographie, erklarte sich spontan bereit, einen nicht unerheblichen Teil der umfangreichen Transkriptionsarbeiten zu iibernehmen. Jeder, der mit den Miihen dieser Tatigkeit vertraut ist, v^ird nachvoUziehen konnen, dass ein entsprechendes Angebot keine Selbstverstandlichkeit darstellt. Natalie Walter, Philippe Chesser und Philippe Kersting nahmen sich als natives sehr gewissenhaft der franzosischen Transkriptionen an. Alexandra Kaiser, Dipl.-Kartographin am Lehrstuhl fiir Kulturgeographie, zeichnete sich in gewohnter Professionalitat fiir die ansprechende graphische Umsetzung der vorliegenden Abbildungen und Karten verantwortlich. Dubravko Dolic, M. A., und Dr. Matthias Schlagmiiller gaben so manchen instruktiven Hinweis in Hinblick auf die quantitative Ausw^ertung der Ergebnisse. Den Herausgebern der Management International Review Edition, Prof Dr. Johann Engelhard, Prof Dr. Michael Kutschker, Prof Dr. Klaus Macharzina und Prof Dr. Martin Welge, sei ganz herzlich fiir die Aufnahme der vorliegenden Dissertation in ihre Reihe gedankt. Nach Abschluss des Auswahlverfahrens betreute Renate Schilling vom Gabler Verlag den weiteren Publikationsvorgang, wofiir ich ihr an dieser Stelle sehr herzlich danken mochte. Sich mit einer kulturellen Thematik auseinander zu setzen, impliziert in erster Linie, sich mit Menschen respektive ihren Beziehungen zu beschaftigen. Wahrend meiner Promotionszeit hatte ich demgegeniiber jedoch gerade fur jene Menschen, die mir besonders am Herzen liegen, nur sehr wenig Zeit. Dafiir, dass sie mir als Freunde trotzdem gewogen blieben und letztendlich immer fiir mich da waren, mochte ich mich ganz herzlich bei Dr. Almut Dunnington, Kerstin Melchior, Mareike Notarp, Veronika Pabst, Christiane Strotkotter, Dr. Ingo Bartha, Dr. Bernd
Vorwort
XV
Birgmeier, Manfred Nagl, Leo Pabst, Udo Pabst, Markus Pillmayer, Winfried Schillinger und Volker Schlehe bedanken. Grofiter Dank gebiihrt meinen Eltern - Dipl.-Kfm. Crete Scherle und Dr. Arthur Scherle, der leider viel zu friih verstorben ist - sowie Alexandra Scherle und Dr. Tassilo Scherle, die nicht nur das Fundament und die Voraussetzungen fiir meine Ausbildung respektive meinen akademischen Werdegang geschafFen, sondern mich auch kontinuierlich auf diesem Weg begleitet und unterstiitzt haben. Sie haben mir jene Rahmenbedingungen ermoglicht, die nach Abschluss dieser Arbeit den Unterschied zwischen blofier Erleichterung und Freude ausmachen. Nicht zuletzt mochte ich einen aufrichtigen Dank an meine Interviewpartner aus den deutschen und marokkanischen Unternehmen richten. Das Gleiche gilt in Bezug auf die an dieser Studie partizipierenden Experten. Wohl wissend, dass Gesprache der zentrale Schliissel zum Erlebten sind, liefien sie mich - im Sinne eines wisdom is wealth, so share it - an ihrem reichen Erfahrungsschatz teilhaben. Rund 250 Zitate erschliefien Mosaikstein fiir Mosaikstein diesen Erfahrungsschatz, der in Analogic zu einem realen Mosaik mitunter ausgesprochen komplex anmutet, sich dafiir aber auch dezidiert neuen Entdeckern offnet, die bereit sind, erganzende Mosaiksteine hinzuzufiigen. Ich widme diese Arbeit meinen Gesprachspartnern, die einen Schatz gehoben haben, der einen Beitrag dazu leisten moge, dass interkulturelle Interaktionen im okonomischen Kontext vermehrt mit positiven Konnotationen assoziiert werden.
Nicolai Scherle
Inhaltsverzeichnis
Vorwort der Herausgeber
V
Foreword of the Editors
VII
Geleitwort
IX
Vorwort
XI
Abbildungs- und Kartenverzeichnis Tabellenverzeichnis
XXI XXIII
I
Konzeptionelle Einfiihrung in die Arbeit
1
1.1
Problemstellung
1
1.2
Zentrales Anliegen und forschungsleitende Fragestellungen
5
1.3
Faden der Ariadne
10
1.4
Forschungsstand
14
II
Going international - Unternehtnenstadgkeit im Globalisierungszeitalter unter besonderer Beriicksichtigung der Tourismusbranche
18
II. 1
Grundlagen der Phanomene Globalisierung und Internationalisierung
18
11.2
Internationalisierung von Unternehmenstatigkeit aus historischer Perspektive
25
11.3
Herausforderungen und Ziele internationaler Unternehmenstatigkeit vor dem Hintergrund von Internationalisierung respektive Globalisierung
29
11.4
Zentrale Theorien der internationalen Unternehmenstatigkeit
33
11.5
Internationalisierung mittels bilateraler Kooperationen
38
11.6
Internationalisierung der Tourismuswirtschaft unter besonderer Beriicksichtigung der Reiseveranstalterbranche
44
Strukturen und Implikationen einer fortschreitenden Internationalisierung der Tourismuswirtschaft in Entwicklungslandern
50
III
Kultur, Interkulturalitat und interkultureile Kompetenz
56
111.1
Mysterium und Schliisselbegriff Kultur
56
111.2
Cultural turn ~ Renaissance des Kulturellen in den Humanwissenschaften?
64
111.3
Kultur als Faktor im Kontext des internationalen Managements
G7
111.4
Zwischen Eigenem und Fremdem - Fremderfahrung und Fremdverstehen versus Normalitat des Fremden
73
11.7
111.5
Managing across cultures - interkultureile Kompetenz
80
XVIII
rV
Inhaltsverzeichnis
Projektrelevante strategische Erfolgsfaktoren im interkulturellen Kooperationsalltag aus theoretischer Perspektive
89
IV. 1
Vertrauen
89
IV.2
Konfliktmanagement
96
IV3
Kundenorientierung respektive Beschwerdemanagement
103
IV4
Reiseleiter
112
V
Die Incoming-Destination Marokko im Uberblick
118
VI
Natiirliches und kulturelles Tourismuspotential
118
V.2
Tourismusentwicklung in Marokko aus historischer Perspektive
120
V.3
Okonomische Bedeutung des marokkanischen Tourismus und aktuelle Tendenzen in der Tourismusentwicklung
123
Vision 2010 - Reformen und Zieie der marokkanischen Tourismuspolitik vor dem Hintergrund des Masterplans von Marrakech
127
VI
Methodische Umsetzung des Forschungsprojekts
132
VI. 1
Qualitative Sozialforschung
132
VI.2
Methodologische Prinzipien und Formen des qualitativen Interviews
134
VI.3
Methodenwahl
136
VI.4
Das problemzentrierte Interview und seine Erhebungsinstrumente
138
VI.5
Struktur und Inhalte der Befragungen
142
VI.6
Zielgruppe
147
VII
Partizipierende Kooperationsuntemehmen und Gesprachspartner im Uberblick
151
VII. 1
Zentrale Strukturmerkmale der Kooperationsuntemehmen
151
VII.2
Zentrale Strukturmerkmale der Gesprachspartner
160
VIII
Bilaterale Perspektiven auf den interkulturellen Kooperationsalltag zwischen deutschen und marokkanischen Reiseveranstaltern
166
V.4
VIII. 1
Prdludium (I) - Chancen und Risiken einer grenziiberschreitenden Zusammenarbeit
166
VIII.2
Claims ahstecken - Kooperationsrelevante Ziele
173
VIII. 3
Auf der Suche - Partnersuche und Kooperationsentscheidung
178
VIII.4
Let's go - Implementation der Kooperation vor dem Hintergrund ausgewahlter okonomischer respektive kultureller Aspekte
190
Unser Produkt - Die bilaterale touristische Angebotsgestaltung
200
VIII.5
Inhaltsverzeichnis
XIX
VIII.6
An der Schnittstelle - Interkultureller Mediator Reiseleiter
VIII.7
Vom ewigen Norgkr und vom Kunden als Konig — Das Beschwerdemanagement
213
Zwischen Betroffenheit und Ignoranz - Soziokulturelles und 5kologisches Engagement im Kontext des marokkanischen Incoming-Tourismus
224
VIII.8
206
VIII. 9
Ohne Idufi gar nichts - Vertrauen
231
VIII. 10
Jetzt wird's ernst (I) - Konflikte und Konfliktlosungsansatze
240
VIII. 11
Am Ziel der Wunsche? - Erfolgsbilanzierung
251
VIII. 12
Aus erster Hand (I) - Akteurspezifische Ratschlage fur die bilateraie Zusammenarbeit
263
Top oderflop - Bewertung des Marokkotourismus und seiner Zukunftsperspektiven
273
Einschatzungen des bilateralen Kooperationsgeschehens und des Marokkotourismus im Spiegel projektrelevanter Institutionen
284
Prdludium (II) - Chancen und Risiken geschaftlicher Aktivitaten in Marokko unter besonderer Beriicksichtigung der Tourismusbranche
284
Jetzt wirds ernst (II) - Ausgewahlte Konfliktfelder in der deutschmarokkanischen Zusammenarbeit
289
Bridging the gap - Relevanz der Faktoren Kultur und interkulturelle Kompetenz im bilateralen Kooperationsgeschehen
295
Hier hapert's - Charakteristische Defizite marokkanischer Tourismusstrukturen
304
VIII. 13
IX IX. 1 IX.2 IX. 3 IX.4 IX. 5
GroJ^er Wurfoder alles nur Papier? - Der Masterplan von Marrakech
IX.6
Aus erster Hand (II) - Empfehlungen und Perspektiven im Kontext des
X
313
aktuellen Marokkotourismus
319
Resiimee
328
Literaturverzeichnis Anhang
337 371
Abbildungs- und Kartenverzeichnis Abbildungen Abb. 1:
Konzeptionelles Selbstverstandnis der Arbeit vor dem Hintergrund des Leitkonzepts von FORAREA
4
Abb. 2:
Systematisierung zentraler Internationalisierungstheorien
35
Abb. 3:
Matrix der Kooperationsformen
42
Abb. 4:
Zentrale Akteure, Ebenen und Verflechtungen im Internationalisierungsprozess der Tourismuswirtschaft
Abb. 5:
Problemfeider im Kontext interkulturelier Uberschneidungssituationen im Arbeits- und Geschaftsleben
Abb. 6:
47
84
Modell des Beschwerdeverhaltens bei Kundenzufriedenheit beziehungsweise Kundenunzufriedenheit
109
Abb. 7:
Altersstruktur der Unternehmen
157
Abb. 8:
Anzahl der Mitarbeiter in den Unternehmen
157
Abb. 9:
OfFerierte Reisesparten der Unternehmen
158
Abb. 10:
Dauer der bilateralen Kooperationen
159
Abb. 11: Vorhandensein eines kooperationsspezifischen Mitarbeiters
159
Abb. 12: NationaUtatenstruktur der Gesprachspartner
160
Abb. 13: Altersstruktur der Gesprachspartner
161
Abb. 14:
161
Funktionen der Gesprachspartner innerhalb der Unternehmen
Abb. 15: Berufliche Qualifikationen der Gesprachspartner
162
Abb. 16:
Kooperationsspezifische Ziele
173
Abb. 17:
Formen der Kontaktaufnahme
188
Abb. 18: Kooperationsformen Abb. 19:
Interkukurelle Vorerfahrungen der Gesprachspartner in den bilateralen Kooperationen
Abb. 20:
189
194
Interkukurelle Vorbereitungen der Gesprachspartner in den bilateralen Kooperationen
194
Abb. 21: OfFerierte Reisesparten in den bilateralen Kooperationen
201
Abb. 22: Verantwortungsbereiche im Kontext der touristischen Angebotsgestaltung
202
Abb. 23: Die Relevanz ausgewahlter Vertrauensmerkmale in den bilateralen Kooperationen
233
Abb. 24:
Prototypische Konfliktfelder in den bilateralen Kooperationen
242
Abb. 25:
Konfliktlosungsansatze in den bilateralen Kooperationen
250
XXII
Abb. 26:
Abbildungs- und Kartenverzeichnis
Einschatzung der Zielerreichung in Hinblick auf die wichtigsten Kooperationsziele
Abb. 27:
252
Entwicklung von Umsatz beziehungsweise von Gew^inn und Verlust in den bilateralen Kooperationen
253
Abb. 28:
Stelienw^ert der bilateralen Kooperationen fiir die Unternehmen
254
Abb. 29:
Bereitschaft der Unternehmen, die bilaterale Zusammenarbeit auszubauen
255
Abb. 30: Attraktivitat der einzelnen Reisesparten fiir eine zukiinftige touristische Inwertsetzung in den bilateralen Kooperationen
283
Karten Karte 1: Karte 2:
Die raumliche Verteilung der partizipierenden deutschen Kooperationsunternehmen
151
Die raumliche Verteilung der partizipierenden marokkanischen Kooperationsunternehmen
152
Tabellenverzeichnis Tab. 1:
Zentrale forschungsleitende Fragestellungen
7
Tab. 2:
Zentrale Ziele einer Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten
32
Tab. 3:
Zentrale Bedingungen sowie Einfluss- und Erfolgsfaktoren bei Kooperationen
43
Tab. 4:
Die Transformation vom Fordismus zum Postfordismus aus touristischer Perspektive
48
Tab. 5:
Positive und negative Implikationen des Tourismus in Entwicklungslandern
54
Tab. 6:
Zentrale Phasen der Kulturforschung im internationalen Management
69
Tab. 7:
Charakteristika des universalistischen und des kulturalistischen Ansatzes
71
Tab. 8:
Personale Erfolgsvoraussetzungen im Kontext eines managing across cultures
Tab. 9:
Zentrale Wirkungen von Vertrauen in Kooperationen
87 93
Tab. 10: Ausgewahlte MaEnahmen und Verhaltensmuster zur Konstitution von Vertrauen in partnerschaftlichen Kooperationen Tab. 11: Zentrale positive und negative Wirkungen von Konflikten in Kooperationen
95 99
Tab. 12: Ausgewahlte Pramissen im Kontext eines kultursensiblen Konfliktmanagements Tab. 13: Besonderheiten der Qualitatsv^ahrnehmung bei Dienstleistungen Tab. 14:
102 108
Operative Zielsetzungen eines systematischen und aktiven Beschwerdemanagements
Tab. 15: Zentrale KennzifFern des marokkanischen Tourismus
110 124
Tab. 16:
Der Masterplan von Marrakech und seine zentralen strategischen Richt-
Tab. 17;
linien bis zum Jahr 2010
128
Tab. 18
Erhebungsinstrumente des problemzentrierten Interview's
140
Tab. 19
Zentrale Strukturmerkmale der deutschen Unternehmen
154
Tab. 20:
Zentrale der marokkanischen Zentrale Strukturmerkmale Strukturmerkmale der GesprachspartnerUnternehmen aus den deutschen Unternehmen
155
Tab. 21:
Zentrale Strukturmerkmale der Gesprachspartner aus den marokkanischen Unternehmen
163 164
I
Konzeptionelle Einfiihrung in die Arbeit
1.1
Problemsteilung
„Wer ein Problem definiert, hat es schon halb gelost." Julian Huxley Saas-Fee oder Schanghai, Pinzgau oder Patagonien - der touristischen Inwertsetzung des Globus scheinen, zumindest aus raumlicher Perspektive, keine Grenzen mehr gesetzt zu sein. Selbst peripherste Orte erobern im Zeitalter miiheloser Fortbewegung und globaler Verflechtung zunehmend die Hochglanzprospekte von Reiseveranstaltern oder zieren die gangigen touristischen Medien (vgl. HENNIG 1999a, SCHERLE 2001b und FREYER/SCHERLE 2003). Wahrend noch vor etwas mehr als drei Jahrzehnten Reisen in aufiereuropaische Destinationen zu den groKen Ausnahmen gehorten, zahlen sie zu Beginn des dritten Jahrtausends zu jenen Selbstverstandlichkeiten, die unsere heutige Gesellschaft nicht mehr missen mochte. Der Tiibinger Kulturwissenschaftler BAUSINGER (1991, S. 344) skizziert diese Entwicklung mit den Worten: „Der Versuch, von uberfiillten Ferienregionen auf weniger besuchte Landschaften auszuweichen, aber auch die Marktgesetzlichkeit, welche die Suche nach immer neuen profitablen Objekten anheizt, fuhrt zur Uberwindung riesiger Distanzen und zur touristischen Erschliefiung letzter Reservate." Von der raumlichen Expansion des Tourismus sind zu einem nicht unerheblichen Teil die so genannten Schwellen- und Entwicklungslander betrofFen. Angesichts ihrer vielschichtigen und tief greifenden Probleme, wie Massenarbeitslosigkeit, Verelendung rapide wachsender Bevolkerungsschichten, Verscharfung sozialer und raumlicher Disparitaten, verstarkte Ressourcenzerstorung, gravierende Verschuldung sowie steigende Zahlungsbilanzdefizite, sehen zahlreiche Regierungen dieser Lander im Tourismus ein praktikables Vehikel, um ihre okonomische Entwicklung anzukurbeln. Haufig koUidieren jedoch - insbesondere in Anbetracht der Multidimensionalitat von Entwicklung - die okonomischen Entwicklungsziele mit den soziokulturellen, politischen und okologischen Elementen von Entwicklung (vgl. VORLAUFER 1996). Dennoch wird dieser Umstand immer wieder billigend in Kauf genommen, da man sich nicht selten erhofft, dass eventuelle NegativefFekte dutch den wirtschaftlichen Nutzen kompensiert werden. Die herausragende Bedeutung des Tourismus aus soziookonomischer wie aus interkultureller Perspektive manifestiert sich auch in den Forschungsaktivitaten des Bayerischen Forschungsverbunds Area-Studies (FORAREA), in die die vorliegende Dissertation im Zeitraum von Mai 2000 bis April 2002 eingebunden war. So forderte dieser ausgesprochen interdisziplinare Forschungsverbund - auf dessen konzeptionelles Selbstverstandnis im Verlauf dieses Kapitels noch naher
Kapitel I
eingegangen wird - seit dessen Griindung Mitte der 1990er Jahre acht tourismuswissenschaftliche Projekte, deren Forschungsanliegen primar interkulturelle und okonomische Fragestellungen aufgrifFen und sich zu einem iiberwiegenden Anteil auf Entwicklungslander erstreckten (vgl. Popp 1999a). Konkret bildete die vorliegende Arbeit einen integrativen Bestandteil einer von FORAREA getragenen Projektgruppe, die sich aus einer muitiperspektivischen Sichtweise mit Chancen und Risiken interkultureller Unternehmenskooperationen auseinander setzte. Die an der entsprechenden Projektgruppe beteiligten Wissenschaftler erforschten internationale Kooperationen deutscher Unternehmen in ihren Formen, Voraussetzungen, Auswirkungen und Gestaltungsmoglichkeiten, wobei sich jedes Teilprojekt zum einen auf eine bestimmte Region konzentrierte, zum anderen federfiihrend einen spezifischen inhaltlichen Themenkomplex betreute. Die inhaltliche Vernetzung der einzelnen Teiiprojekte wurde von vier eng aufeinander abgestimmten Themenkomplexen getragen, die - aus unterschiedHchen diszipUnaren BUckwinkeln und unter Verwendung verschiedenartiger Methoden - zentrale Aspekte einer grenziiberschreitenden Zusammenarbeit abdecken sollten. Die vier Themenkomplexe umfassten die Bedeutung von Netzwerkstrukturen beim Eintritt in auslandische Markte, die bilaterale Aufgabenverteilung und deren Erfolgsbewertung, die Konstitution von Vertrauen sowie potentielle Konfliktfelder in der interkulturellen Zusammenarbeit und Ansatze zu deren Losung. Bevor wir uns im Folgenden dem konzeptionellen Selbstverstandnis von FORAREA zuwenden und damit einhergehend die Problemstellung vertiefen, gilt es zunachst, auf die in dieser Dissertation relevanten Akteure einzugehen. Als zentrale Untersuchungsobjekte in Hinblick auf die zu analysierenden Kooperationen fungieren touristische Unternehmen, die ihre Dienste im Outgoing-Tourismus des Herkunftsiandes in Kooperation mit touristischen Unternehmen im Incoming-Tourismus des Zieilandes anbieten, wobei in diesem Fall Erstere aus Deutschland und Letztere aus Marokko stammen. Diese auch als Reiseveranstalter - und im englischen Sprachraum als tour operators - bezeichneten Unternehmen kombinieren verschiedene touristische Teilleistungen zu einem neuen Produkt, das man landlaufig unter dem Begriff Pauschalreise kennt (vgl. Kapitel VI.6). Vor dem Hintergrund der Entfaltung des Tourismus zu einer der v^eltweit fiihrenden Wirtschaftsbranchen haben die entsprechenden Akteure in den letzten Jahrzehnten einen bemerkenswerten Entwicklungsprozess durchlaufen, der ihnen langst eine exzeptionelle Stellung im touristischen System einraumt. So konstatiert IOANNIDES (1998, S. 139), der die in dieser Arbeit relevanten Untersuchungsobjekte treffend als gatekeepers of tourism bezeichnet: „Over the last three decades, tour operators have emerged as key players in the international tourism arena. Together w^ith the airline sector, these ^wholesalers of the travel industry are strategically placed as ,gatekeepers' exercising enormous influence over the geography of origin-destination tourist flows and, ultimately, the fortunes of individual destinations. (...) Their competitive advantage derives from their pivotal position as coordinators responsible for packaging into single products the various elements serving the travel experience (i.e. flights, accommodation, tours, ground transfers), and selling these either through travel agents or directly to consumers at a single, discounted price."
Konzeptionelle Einfiihrung in die Arbeit
3
Ungeachtet ihrer zentralen Bedeutung, die Reiseveranstalter im Kontext des internationalen Tourismus einnehmen, hat man den entsprechenden Akteuren seitens der scientific community bislang verhaltnismaEig wenig Aufmerksamkeit geschenkt (vgl. auch IOANNIDES 1998, WAHAB/ COOPER 2001 und SCHERLE 2004). Einige ausgewahlte Ausnahmen stellen die Beitrage von BRITTON (1982a), VORLAUFER (1993a), SHAWA)C^ILLIAMS (1998) und GO/APPELMAN (2001)
dar, wobei man sich nach wie vor relativ haufig auf die so genannten globalplayers konzentriert. Dieser Umstand ist insbesondere auf folgende zwei Aspekte zuriickzufiihren: Zum einen assoziiert man die Expansion des Tourismus im Zeitalter von Internationalisierung beziehungsweise Globalisierung immer noch primar mit global agierenden Reisekonzernen und Hotelketten, deren Labels an den Stranden von Acapulco genauso prangen wie an den Trekkingrouten des Annapurna. Zum anderen lasst sich anhand entsprechender Akteure - insbesondere wenn man einen kritischen Standpunkt gegeniiber einschlagigen Entwicklungen einnimmt - trefflich auf die Implikationen einer Branche hinweisen, die gerade im Kontext der Entwicklungslanderforschung immer wieder mit negativen Konnotationen etikettiert wird. Angesichts der Tatsache, dass die Tourismusbranche - ungeachtet aller Konzentrationstendenzen wahrend der letzten Jahre - nach wie vor eine vergleichsweise klein- und mittelstandisch gepragte Branche darstellt, soil im Rahmen der vorliegenden Studie ein Fokus auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gelegt werden, ohne dabei die touristischen global players, die gerade in Deutschland eine zunehmend wichtigere RoUe spielen, zu iibergehen. Damit tragt die Dissertation nicht zuletzt dem Umstand Rechnung, dass in jiingster Zeit verstarkt kleine und mittlere Unternehmen ihre Internationalisierung forciert haben. Gleichwohl soUte man in diesem Zusammenhang nicht unerwahnt lassen, dass gerade bei diesen Akteuren der Internationalisierungsspielraum aufgrund zahheicher hmitierender Faktoren ausgesprochen begrenzt ist. Man denke diesbeziiglich an KMU-typische Aspekte wie knappe Eigenkapitalausstattung, Restriktionen bei der ICreditbeschaffijng oder enge Personalkapazitaten. FORAREA versteht sich von seinem konzeptionellen Selbstverstandnis als ein anwendungsbezogener Forschungsverbund, in dem sich Regionalwissenschaftler unterschiedlicher fachlicher Provenienz zusammengeschlossen haben, um ihre Forschungskompetenzen iiber aufiereuropaische Regionen, vorwiegend in Hinblick auf Schwellen- und Entwicklungslander, zu biindeln. Im Kontext der Arbeit von FORAREA geht es einerseits datum, mit interdisziplinarer Grundlagenforschung - im Sinne einer komplementaren Interdisziplinaritat - Synergieeffekte zu erzielen, andererseits aber auch einen konkreten Beitrag zur Intensivierung interkultureller Unternehmenskooperationen zu leisten. Dabei lasst sich entsprechender Forschungsverbund, der seit 2003 als eingetragener Verein unter dem Namen Kompetenznetzwerk fur interkulturelle Kommunikation firmiert, von folgenden konzeptionellen Eckpunkten leiten:
Kapitel I
Abb. 1:
Konzeptionelles Selbstverstandnis der Arbeit vor dem Hintergrund des Leitkonzepts von FORAREA
Quelle: Imagebroschure von FORAREA (2001) Aufbauend auf den konzeptionellen Eckpunkten des Leitkonzepts von FORAREA wird im Rahmen der voriiegenden Dissertation die These vertreten, dass Erfolg respektive Misserfolg einer grenziiberschreitenden Zusammenarbeit nicht alleine auf ein rein okonomisches Verstandnis zuriickzufiihren ist. Vieimehr gilt es, auch die kulturelle Dimension eines grenziiberschreitenden Kooperationsgeschehens zu beriicksichtigen, da eine ausschliefilich okonomische Perzeption bilateraler Unternehmenskooperationen nur allzu leicht die veranderten interkulturellen Anforderungen an die Interaktionspartner iibersieht, die mit den Zv^angen giobaler Wettbev^erbsfahigkeit einhergehen (vgl. FioPFiNGER/ScHERLE 2003). In diesem Zusammenhang v^ird nicht zuletzt an neuere Forschungsergebnisse aus der komparativen Managementforschung angekniipft, die verstarkt einen universalistischen Managementansatz in Frage stellen. Dieser Ansatz, der v^eitgehend einem technizistischen Paradigma folgt, basiert auf der Annahme, dass Wirtschaften im globalen Rahmen auf universellen Prinzipien beruhe und ein entsprechendes Management eine kulturunabhangige Variable darstelle. Zumindest wenn man - im Sinne von MACHARZINA (1999) - eine holistische Perzeption von Unternehmensfiihrung vertritt, so kommt man in einer zunehmend vernetzten Welt nicht umhin, sich auch im okonomischen Kontext verstarkt mit kulturellen respektive interkulturellen Aspekten auseinander zu setzen. Gerade die in dieser Arbeit relevanten grenziiberschreitenden Kooperationen implizieren, dass die betroffenen Akteure adaquat mit interkulturellen Uberschneidungssituationen umgehen konnen und im Idealfall iiber interkulturelle Kompetenz verfiigen. Eine wachsende Sensibilisierung in den Unternehmen fiir ein kulturbezogenes Management ist vor allem durch die Dynamik, Komplexitat und das starker v^erdende Gewicht einschlagiger Umfeldfaktoren, die auf die Unternehmen einwirken und eine adaquate inside-outsidePerspektive erfordern, hervorgerufen worden. Im Kontext der in dieser Arbeit relevanten grenziiberschreitenden Kooperationen kommt hinzu, dass Internationalisierungsstrategien, die unter Einbezug rein okonomischer Faktoren batten erfolgreich sein miissen, in der Praxis jedoch
Konzeptionelle Einfiihrung in die Arbeit
gescheitert sind, den Schluss zulassen, dass ein Vorhandensein von Erfolgsbedingungen wirtschaftlicher Art eine notwendige, keinesfalls aber eine hinreichende Bedingung fiir erfolgreiche Partnerschaften ist. Ein managing across cultures^ das inharente kulturelle Divergenzen iibersieht, lauft somit Gefahr, an EfFektivitat zu verlieren und im schlimmsten Fall zu scheitern (vgl. Kapitel IIL3). Konsequenterweise wird deshalb in Wissenschaft und Praxis immer nachdriicklicher gefordert, Akteure, die in einem internationalen Kontext agieren, fiir betrefFende Problemstellungen zu sensibilisieren. An diesem Punkt setzt auch das konzeptionelle Selbstverstandnis von FORAREA respektive der vorliegenden Dissertation an, das Kultur nicht nur als Ressource begreift, sondern gleichfalls davon ausgeht, dass interkulturelle Kompetenz vor dem Hintergrund einer zunehmend vernetzten Welt ein unverzichtbares Qualifikationsmerkmal darstellt. Bevor im nachfolgenden Kapitel auf das zentrale Anliegen respektive die forschungsleitenden Fragestellungen der Arbeit eingegangen wird, sei abschliefiend kurz skizziert, weshalb sich touristische Unternehmen - die ihre Dienste im Outgoing-Tourismus des Herkunftslandes in Kooperation mit touristischen Unternehmen im Incoming-Tourismus des Ziellands anbieten - geradezu idealtypisch fiir eine interkulturelle Studie eignen. Zunachst einmal gilt ganz grundsatzlich festzuhalten, dass die Tourismusbranche Globalisierung in Reinkultur verkorpert: So sind Angebot und Nachfrage weitestgehend globalisiert, die Dienstleistung als solche besteht aus einem wachsenden Teil in der Uberwindung von Grenzen, und zudem darf nicht vergessen werden, dass gerade diese Branche wie kaum eine andere von den Innovationen im Kommunikations- und Transportbereich profitiert hat. Der spezifische Charme in Hinblick auf die projektrelevanten Untersuchungsobjekte ergibt sich aber nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass die relevanten Unternehmen bereits aufgrund ihres geschaftlichen Selbstverstandnisses ganz unmittelbar mit den komplexen Aspekten interkultureller Kommunikation konfrontiert sind. Im Zentrum entsprechender Kooperationen steht nicht der Austausch von Giitern, sondern die Vermittlung von Reisedienstleistungen, die von Akteuren mit divergierendem kulturellem Hintergrund angeboten beziehungsweise nachgefragt werden.
1.2
Zentrales Anliegen u n d forschungsleitende Fragestellungen
,Alles Wissen und alle Vermehrung unseres Wissens endet nicht mit einem Schlufipunkt, sondern mit Fragezeichen. Ein Plus an Wissen bedeutet ein Plus an Fragestellungen, und jede von ihnen wird immer wieder von neuen Fragestellungen abgelost." Hermann Hesse Wie bereits im vorherigen Kapitel angedeutet wurde, geht im Kontext einer Internationalisierung von Geschaftsaktivitaten im Vergleich zu rein national agierenden Unternehmen eine Heterogenisierung der fiir die betroffenen Akteure relevanten Umwelten einher. Diese spiegelt sich nicht zuletzt in einer erhohten Handlungskomplexitat wider, deren integrative Handhabung zu den Grundproblemen der internationalen Unternehmenstatigkeit zahlt und damit auch als
Kapitel I
Keimzelle respektive Kristallisationspunkt einer entsprechenden wissenschaftlichen Erkenntnisintention gelten sollte (vgl. MACHARZINA/OESTERLE 2002). Wurde im vorherigen Kapitel in zentralen Punkten mit dem inhaklichen Fokus der voriiegenden Arbeit vertraut gemacht, so gilt es im Folgenden, das Anliegen beziehungsweise die forschungsleitenden Fragestellungen der Untersuchung vorzustellen. Ausgehend von dem Faktum, dass nach wie vor ein eklatantes Missverhaltnis in Bezug auf die Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten und dem verfiigbaren Wissen iiber interkulturelles Management besteht (vgl. HOLZMULLER 1997, STUDLEIN 1997 und BITTNER
2002), setzt sich die vorliegende Studie das Ziel, eine Analyse bilateraler Unternehmenskooperationen vorzunehmen. In diesem Kontext stehen Unternehmen aus der Tourismusbranche, die ihre Dienste im Outgoing-Tourismus des Herkunftslandes in Kooperation mit touristischen Unternehmen im Incoming-Tourismus des Ziellandes anbieten, im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses. Diese Untersuchungsobjekte bieten sich nicht nur aufgrund ihres geschaftlichen Selbstverstandnisses, das ausgesprochen interkulturelle Ziige tragt (vgl. Kapitel I.l), fiir ein entsprechendes Forschungsprojekt an, sondern sie sind auch von der einschlagigen scientific community weitgehend ignoriert worden. Wahrend im Zusammenhang tourismusspezifischer Studien, die sich mit interkulturellen Fragestellungen beschaftigen, host-guest relations einen vergleichsweise wichtigen Stellenwert einnehmen, ist eine entsprechende inhaltliche Auseinandersetzung mit der supply-side bislang ausgeblieben (vgl. REISINGER/TURNER 2003 und ScHERLE 2004). Diesbeziiglich sei auch explizit auf Kapitel 1.4 verwiesen, in dem noch einmal ausfiihrlich auf den aktuellen Forschungsstand eingegangen v^ird. Die Analyse der in dieser Dissertation relevanten bilateralen Unternehmenskooperationen zWischen deutschen und marokkanischen Reiseveranstaltern konzentriert sich auf den konkreten interkulturellen Kooperationsalltag der betroffenen Akteure aus den jeweiligen Unternehmen. Zu diesem Zv^eck werden im Rahmen der voriiegenden Arbeit Befragungen in den projektspezifischen Unternehmen durchgefiihrt. Dabei geht die Studie in Analogic zu MOOSMULLER (1997) vom Erleben des Einzelnen aus und versucht, einen Einblick in das gemeinschaftlich konstruierte „Bedeutungsgewebe" (GEERTZ 1995) zu erlangen. Der Einzelne wird in diesem Kontext sow^ohl als Produkt w^ie auch als Produzent von Kultur gesehen. Er ist in seinem Wahrnehmen, Denken und Fiandeln von der Kultur, in der er enkulturiert v^urde, gepragt, zugleich produziert und reproduziert er als kommunikativ handelndes Wesen Kultur. Eine entsprechende Sichtweise impliziert, dass Kultur primar als personales System rezipiert wird, das sein determinierendes und generierendes Wirken im Subjekt entfaltet. Da es sich im Kontext einer Kooperation in der Regel um ein prozessuales Phanomen handelt, das von der Konzeption iiber die Implementation bis zur eigentlichen Kooperation reicht, wird bei den Unternehmensbefragungen auf einer allgemeinen inhaltlichen Ebene eine chronologische Ausdifferenzierung vorgenommen. Dabei zeichnet die strukturelle Anordnung der gestellten Fragen im Wesentlichen den Entwicklungsprozess des interkulturellen Kooperationsgeschehens nach, wobei die Ubergange der einzelnen Phasen, die man keinesfalls als statische Einheiten auffassen sollte, fliefiend sind und sich mitunter iiberschneiden konnen.
Konzeptionelle Einfiihrung in die Arbeit
7
Auf einer eher spezifischen inhaltlichen Ebene rollt die vorliegende Dissertation projektrelevante strategische Erfolgsfaktoren auf, die einerseits in engem Konnex mit den anderen Teilprojekten des Forschungsverbunds FORAREA stehen (vgl. Kapitel I.l), andererseits aber auch dem branchenspezifischen Selbstverstandnis der Untersuchungsobjekte gerecht werden. In Bezug auf die im Rahmen dieser Arbeit relevanten strategischen Erfolgsfaktoren Vertrauen, Konfliktmanagement, Kundenorientierung respektive Beschwerdemanagement sowie Reiseleiter gilt Folgendes anzumerken: Bei den ersten beiden Erfolgsfaktoren handelt es sich um Themenkomplexe, die zum integrativen Bestandteil der Forschungsaktivitaten der Projektgruppe gehoren und von denen angenommen wird, dass sie einen elementaren Einfluss auf die Ausgestaltung des interkulturellen Kooperationsgeschehens ausiiben (vgl. Kapitel IV. 1 und IV.2). Die beiden anderen Erfolgsfaktoren greifen Themenkomplexe auf, die vor dem Hintergrund struktureller Veranderungen im Tourismus zunehmend an Bedeutung gewinnen und in letzter Konsequenz der Wettbewerbssicherung der partizipierenden Akteure dienen (vgl. Kapitel IV.3 und IV.4). Ausgehend von den skizzierten Forschungsanliegen ergeben sich folgende Leitfragen, die im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses stehen: Tab. 1:
Zentrale forschungsleitende Fragestellungen
•
Wie gestaltet sich die Konzeption der interkulturellen Zusammenarbeit vor dem Hintergrund kooperationsrelevanter Ziele respektive einer entsprechenden Partnersuche beziehungsweise Kooperationsentscheidung?
•
Wie gestaltet sich die Implementation der Kooperation vor dem Hintergrund okonomischer und kultureller Aspekte?
•
Welche Formen der Aufgabenverteilung haben sich in den relevanten Kooperationen herauskristallisiert beziehungsweise wie spiegeln sich diese in der entsprechenden touristischen Angebotsgestaltung wider?
•
Welchen Stellenwert nehmen Reiseleiter als zentraler strategischer Erfolgsfaktor unter besonderer Beriicksichtigung ihrer interkulturellen Mediatorenfunktion in den jeweiligen Kooperationen ein?
•
Wie gestaltet sich das interkulturelle Beschwerdemanagement.^
•
Welche Mafinahmen unternehmen die Kooperationspartner, um die soziokulturellen und okologischen Auswirkungen, die ein touristisches Engagement in der relevanten IncomingDestination impliziert, moglichst vertraglich zu halten?
•
Welche Aspekte verlmiipfen die partizipierenden Akteure mit dem strategischen Erfolgsfaktor Vertrauen beziehungsweise welche Erfahrungen haben sie diesbeziiglich in ihren jeweiligen Kooperationen gesammelt?
•
Mit welchen prototypischen Konfliktsituationen werden die Kooperationspartner in der Praxis ihrer interkulturellen Interaktionen konfrontiert und welche Ansatze verfolgen sie, um entsprechende Konflikte zu beheben?
•
Wie wird der Erfolg der jeweiligen Kooperation eingeschatzt?
Quelle: Entwurf des Autors
Kapitel I
Wie die vo ranges tell te Tabelle transparent macht, handelt es sich um ein ausgesprochen komplexes Biindel an Fragestellungen, die inhaltlich so aufeinander abgestimmt wurden, dass sie die zentralen Aspekte des interkulturellen Kooperationsgeschehens widerspiegeln. Dabei ist die Heterogenitat der in den Unternehmensbefragungen aufgeworfenen Themenkomplexe nicht zuletzt das Resultat der facheriibergreifenden Zusammenarbeit, die im Rahmen der Projektgruppe einer komplementaren Interdisziplinaritat verpflichtet ist (vgl. FRICKE et al. 2002). Bei den an dieser Projektgruppe partizipierenden Wissenschaftlern handelt es sich in erster Linie um Geographen, Historiker, Wirtschaftswissenschaftler und Psychologen, die hinsichtlich ihrer Forschungsaktivitaten seit Jahren einen Schwerpunkt auf interkulturelle Fragestellungen legen. Vor dem Hintergrund des von FORAREA postulierten Anwendungsbezugs beinhaltet die Studie auch eine Frage, in der die Akteure - basierend auf ihren einschlagigen Kooperationserfahrungen - gebeten werden, Ratschlage fiir jene Unternehmen zu geben, die eine bilaterale Kooperation anvisieren. Diesbeziiglich sei an dieser Stelle angemerkt, dass Kooperationen nach wie vor ein vergleichsweise ambivalenter Ruf vorauseilt: Zum einen setzt kooperatives Handeln eine klare Definition von Eigeninteressen voraus, zum anderen aber auch die Bereitschaft, Kompromisse eingehen zu konnen. Gekoppelt ist das Zustandekommen einer Kooperation an die Annahme reziproken Verhaltens, welches mit gegenseitigem Vertrauen verbunden ist, das allerdings als riskante Vorleistung aufgrund opportunistischen Verhaltens jederzeit enttauscht werden kann (vgl. LUHMANN 1989 und SARETZKI/WILKEN/WOHLER 2002). Zu guter Letzt wurde im Sinne eines Ausblicks eine Sonderfrage aufgenommen, die eine Einschatzung der Zukunftsaussichten fiir die Tourismusdestination Marokko sowie hinsichtlich der deutsch-marokkanischen Zusammenarbeit im Tourismussektor intendiert. Diese Frage hat im Verlauf des Projekts - nicht zuletzt angesichts der anvisierten Reformen seitens der marokkanischen Tourismuspolitik, aber auch eingedenk der Implikationen, die mit den verstarkten terroristischen Anschlagen seit dem 11. September 2001 einhergehen - erheblich an Brisanz gewonnen. Erganzend zu den Befragungen in den projektrelevanten Unternehmen wurden Expertengesprache durchgefuhrt, um das in den Institutionen verankerte Wissen fiir die vorliegende Studie in Wert zu setzen und um einen noch breiteren Zugang zum Forschungsfeld zu erlangen. Expertengesprache sind fiir spezifische respektive praxisrelevante Fragestellungen von hohem Wert und ermoglichen zudem Diskussionen iiber in der Literatur vernachlassigte Aspekte. Bevor im Folgenden dargelegt wird, wie die methodische Umsetzung der forschungsleitenden Fragestellungen erfolgen soil, sei auf Kapitel VI. 5 verwiesen, das ausfiihrlich Struktur und Inhalte der projektspezifischen Befragungen aufroUt. Eine zur Bearbeitung der aufgeworfenen Fragestellungen geeignete Erhebungsmethode muss nicht nur in der Lage sein, Handlungssituationen beziehungsweise Handlungskontexte vor dem Fiintergrund interkultureller Uberschneidungssituationen nachzuzeichnen, sondern auch
Konzeptionelle Einfiihrung in die Arbeit
die Sichtweisen, Deutungsmuster und Denkschemata entsprechender Situationen zu rekonstruieren. Vor diesem Hintergrund stiitzt sich die Studie im Rahmen ihrer methodischen Umsetzung primar auf Instrumentarien der qualitativen Sozialforschung, die eine perspektivische und interpretierende Herangehensweise ermoglichen (vgl. Kapitel VI.3). Wahrend standardisierte Verfahren eine bestimmte Giiederung der sozialen Wirkiichkeit fesdegen, wird der Befragte bei qualitativen Verfahren veraniasst, seine eigenen Giiederungspunkte ins Spiel zu bringen und damit selbst anzuzeigen, was fiir ihn auf welche Art und Weise relevant ist. Urn entsprechenden methodischen Anforderungen gerecht zu werden, greift die vorliegende Dissertation in erster Linie auf problemzentrierte Interviews zuriick, die sich insbesondere bei cross-culture-Projektcn bewahrt haben (vgl. Kapitel VIA). Angesichts der Komplexitat des Forschungsprojekts, das ausgesprochen explorative Ziige tragt, aber auch eingedenk dessen methodischer Implikationen, wird das Sample bewusst iiberschaubar gehalten, womit die Studie einen deutlichen Fallstudiencharakter aufweist. Die Bearbeitung der projektrelevanten Fragen folgt dezidiert dem Prinzip der Biperspektivitat, was bedeutet, dass fiir jede Fragestellung sowohl die Sichtweise der deutschen als auch der marokkanischen Akteure eingefangen wird. Um dem interkulturellen Charakter des Untersuchungsgegenstands gerecht zu werden, wird zudem darauf geachtet, multiperspektivisch vorzugehen, Aussagen zu relativieren und das Bias moglichst gering zu halten. Insgesamt konnten im Verlauf der knapp zweijahrigen Feldforschungen jeweils 30 problemzentrierte Interviews bei deutschen und marokkanischen Reiseveranstaltern durchgefiihrt werden. Die aus diesen Interviews generierten Ergebnisse bilden das Kernstiick der projektrelevanten Empirie und werden im Rahmen von Kapitel VIII dokumentiert. Die bereits erwahnten Experteninterviews wurden in der Endphase der empirischen Erhebungen durchgefiihrt. Sie dienen primar der inhaltlichen Abrundung der aus den Unternehmensinterviews gewonnenen Resultate und fokussieren ausgewahlte Aspekte zum deutschmarokkanischen Kooperationsgeschehen sowie zu aktuellen Entwicklungen in Hinblick auf den Marokkotourismus. Die entsprechenden Ergebnisse werden im Rahmen eines separaten empirischen Kapitels vorgestellt (vgl. Kapitel IX). Zudem wurden noch einige ausgewahlte Experteninterviews zum interkulturellen Beschwerdemanagement durchgefiihrt, deren Ergebnisse in Kapitel VIII.7 integriert sind. Bei der Auswahl der Experten, die in enger Absprache mit den KoUegen von FORAREA erfolgte, wurde darauf geachtet, eine moglichst grofie Vielfalt an Perspektiven und Erfahrungen in den Forschungsprozess einfliefien zu lassen. Insgesamt konnten 23 Experten fiir eine Partizipation am vorliegenden Forschungsprojekt gewonnen werden, wobei analog zu den Unternehmensbefragungen problemzentrierte Interviews zum Einsatz kamen. Vor dem Hintergrund des forschungsleitenden Prinzips der Biperspektivitat erschien es - nicht zuletzt im Sinne eines bridging the gap - essentiell, aus der relevanten Zielregion einen lokalen KoUegen in das Projekt zu integrieren. Diesbeziiglich konnte mit Prof Dr. M. Berriane von der Universite Mohammed V in Rabat ein Wissenschaftler gewonnen werden, der zum einen
10
Kapitell
mit interkulturellen Themenkomplexen vertraut ist und zum anderen zu den profiliertesten Tourismuswissenschaftlern im Maghreb zahlt. Prof. Dr. M. Berriane und seine wissenschaftliche Mitarbeiterin, H. Damghi, begleiteten die Studie nicht nur im Rahmen der eigendichen Feldarbeit, sondern sie wirkten auch bei der Konkretisierung der zentralen Forschungsfragen sowie bei der Ergebnisinterpretation mit.
1.3
Faden der Ariadne
„Die Ordnung der Ideen muss fortschreiten nach der Ordnung der Gegenstande.'" Giambattista Vice Um die in Kapitel I.l skizzierte Probiemstellung respektive die in Kapitel 1.2 aufgeworfenen Fragestellungen adaquat bearbeiten zu konnen, wurde die vorliegende Arbeit in zehn iibergeordnete Kapitel gegliedert. In einer pragnanten Tour d'horizon soil im Folgenden die inhcJtliche Struktur der Studie vorgestellt werden. Das erste iibergeordnete Kapitel dient - wie die beiden vorangegangenen Unterkapitel bereits deutlich gemacht haben - in erster Linie einer konzeptionellen Einfiihrung in die Arbeit, wobei das nachfolgende Unterkapitel 1.4 noch einen konzisen Uberblick iiber den aktuellen Forschungsstand zur relevanten Thematik vermittelt. Vor dem Hintergrund des konzeptionellen Selbstverstandnisses von FORAREA, in dessen Forschungsaktivitaten die vorliegende Studie eingebunden war, setzt sich das zweite iibergeordnete Kapitel aus einer theoretischen Perspektive mit internationaler Unternehmenstatigkeit im Zeitalter von Internationalisierung beziehungsw^eise Globalisierung auseinander. In diesem Kontext wird zunachst auf die beiden SchlusselbegrifFe Globalisierung und Internationalisierung eingegangen (vgl. Kapitel II. 1). Eingedenk der Komplexitat dieses Sujets handelt es sich im Rahmen des entsprechenden Kapitels primar um einen pragnanten Uberblick iiber die mit diesen Phanomenen assoziierten Tendenzen. Wenn aus Sicht so manchen Unternehmers ein derart komplexes Phanomen wie die Globalisierung als Beginn einer neuen Epoche gefeiert wird, so ist eine solche Feststellung nur dann moglich, wenn man das Neue dem Bisherlgen gegeniiberstellt. Vor diesem Hintergrund bietet das nachfolgende Kapitel eine Tour d'horizon iiber die historische Entwicklung der Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten (vgl. Kapitel II.2). An der Schwelle zum dritten Jahrtausend verkorpert die Internationalisierung von Unternehmenstatigkeit weder unternehmerischen Selbstzweck noch standortbedingten Exodus, sondern sie ist vielmehr ein konstitutives Moment im Aktionsrahmen einer kontinuierlich steigenden Anzahl von Unternehmen. Mit welchen Herausforderungen Unternehmer im Kontext internationaler Unternehmensaktivitaten konfrontiert werden und welche konkreten 2'iele sie mit einem entsprechenden Engagement verbinden, soil in Kapitel 11.3 aufgerollt werden. Kapitel II.4 widmet sich zentralen Theorien der internationalen Unternehmenstatigkeit und
Konzeptionelle Einfiihrung in die Arbeit
11
leitet schliefilich zur Internationalisierung mittels bilateraler Kooperationen iiber, die in den letzten Jahrzehnten angesichts eines verstarkten going international zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Diesbeziiglich werden unter anderem unterschiedliche Kooperationsformen sowie zentrale Einfluss- und Erfolgsfaktoren bei grenziiberschreitenden Kooperationen erortert (vgl. Kapitel II.5). Die beiden letzten Unterkapitel beschaftigen sich explizit mit der Internationalisierung der Tourismuswirtschaft, da in der vorliegenden Studie touristische Akteure im Zentrum des Erkenntnisinteresses stehen. Kapitel II.6 stellt zunachst zentrale Akteure, Ebenen und Verflechtungen im Internationalisierungsprozess der Tourismuswirtschaft vor, wobei ein Schwerpunkt auf den projektrelevanten Reiseveranstaltern liegt. Diesbeziiglich wird aufgezeigt, dass der Tourismus nicht nur in hohem Ma6e von einer zunehmenden Internationalisierung betrofFen ist, sondern sie in vielerlei Hinsicht geradezu paradigmatisch verkorpert: So sind Angebot und Nachfrage weitgehend globalisiert, und die Dienstleistung als solche beruht zu einem wachsenden Teil in der Uberwindung von Grenzen; ein Umstand, der sich nicht zuletzt im geschaftlichen Selbstverstandnis von Reiseveranstaltern manifestiert, deren Produkt - sofern sie ihre Dienste im Outgoing-Tourismus des Herkunftslandes in Kooperation mit einem entsprechenden counterpart im Incoming-Tourismus des Ziellandes anbieten - einen dezidiert interkulturellen Charakter aufweist. Da zu einem nicht unerheblichen Teil Entwicklungslander, wie das dissertationsrelevante Marokko, von den skizzierten Entwicklungen betrofFen sind, widmet sich das abschlieKende Unterkapitel den Strukturen und Implikationen einer fortschreitenden Internationalisierung der Tourismuswirtschaft in den entsprechenden Landern (vgl. Kapitel II.7). Das dritte iibergeordnete theoretische Kapitel greift mit den Themenschwerpunkten Kultur, Interkulturalitat und interkulturelle Kompetenz Aspekte auf, die ebenfalls konstitutiv fur das konzeptionelle Selbstverstandnis von FORAREA sind. Zunachst gilt es, aus einer interdisziplinaren Perspektive eine Standortbestimmung in Hinblick auf das fiir diese Arbeit relevante Kulturverstandnis vorzunehmen (vgl. Kapitel III.l). Vor dem Hintergrund einer sich sukzessive verstarkenden konzeptionellen Neuausrichtung zahlreicher Humanwissenschaften auf kulturrelevante Aspekte anthropogener Lebensbedingungen und Praktiken spricht man seit geraumer Zeit von einem cultural turn. Eingedenk seiner Implikationen auf die Geographie und nicht zuletzt angesichts der engen Verkniipfung von Kultur und unternehmerischem Handeln werden in einem eigenstandigen Kapitel zentrale Aspekte des cultural turns erortert (vgl. Kapitel III.2). Das sich anschlieEende Kapitel beleuchtet die Relevanz des Faktors Kultur im internationalen Management (vgl. Kapitel III.3). Darauf aufbauend wird infolge des ausgesprochen interkulturellen Charakters jeglicher Interaktionen in bilateralen Kooperationen ein eigenes Kapitel dem Forschungsbereich Interkulturalitat gewidmet, wobei ein Schwerpunkt auf den Aspekten Fremderfahrung respektive Fremdverstehen liegt. In diesem Zusammenhang wird nicht nur der Frage nachgegangen, was sich hinter dem komplexen Phanomen der Fremde verbirgt, sondern auch, inwieweit man angesichts weltweiter Transformationsprozesse bereits von einer gewissen Normalitat des Fremden sprechen kann (vgl. Kapitel III.4). Einhergehend mit der fortschreitenden Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten wachsen auch die Herausforderungen an die von diesem Phanomen betroffenen Akteure. Gerade aus einer unter-
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Kapitell
nehmensspezifischen Perspektive ist man immer haufiger bereit, kulturelle Verschiedenheit zu akzeptieren und fruchtbar in Wert zu setzen. In diesem Kontext werden kulturelle Divergenzen nicht nur hingenommen, sondern positiv bewertet und als potentieller strategischer Wettbewerbsvorteil gesehen, wobei der entsprechende Bedarf an interkultureller Kompetenz nicht zuletzt vom Internationalisierungsgrad des jeweiligen Unternehmens abhangig ist. Vor dem Hintergrund dieser Reflexionen ist auch das abschliefiende Kapitel zu sehen, das sich mit dem TKemenkomplex interkulturelle Kompetenz auseinander setzt (vgl. Kapitel III.5). Das anschlieEende iibergeordnete Kapitel IV widmet sich aus einer theoretischen Perspektive den projektrelevanten strategischen Erfolgsfaktoren im interkulturellen Kooperationsalltag. Die Kapitel IV. 1 und IV2 greifen in diesem Zusammenhang die Aspekte Vertrauen respektive Konfliktmanagement auf, die einen konstitutiven Bestandteil der Forschungsaktivitaten von FORAREA bildeten. Damit trug FORAREA dem Umstand Rechnung, dass bis dato beiden Aspekten - ungeachtet ihrer Relevanz vor dem Hintergrund interkultureller Fragestellungen - seitens wissenschafthcher Forschungsvorhaben kaum Aufmerksamkeit zuteil wurde. Die beiden folgenden Unterkapitel IV3 und IV4 riicken mit den Aspekten Kundenorientierung beziehungsweise Beschwerdemanagement sowie Reiseleiter Erfolgsfaktoren in den Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses, die - korrespondierend mit den projektrelevanten Akteuren - einen vorwiegend touristischen Background aufweisen. Beide Erfolgsfaktoren werden gerade im interkulturellen Kontext haufig unterschatzt, obw^ohl sie fiir Reiseveranstalter und IncomingAgenturen hervorragende Moglichkeiten bieten, ihr Unternehmen im Sinne einer kundenorientierten Unternehmensfiihrung zu positionieren. Gegenstand des fiinften Kapitels ist der im Kontext dieser Arbeit relevante Raum, die Destination Marokko, wobei ein Schwerpunkt auf dessen touristischer Inwertsetzung liegt. Zunachst wird das natiirliche und kulturelle Tourismuspotential der Destination vorgestellt (vgl. Kapitel V.l). Das anschlieEende Kapitel V 2 vermittelt einen Riickblick auf die touristische Entwicklung des maghrebinischen Konigreichs und leitet zu einem Kapitel iiber, das iiber die okonomische Bedeutung des marokkanischen Tourismus sowie iiber aktuelle Tendenzen in der Tourismusentwicklung informiert (vgl. Kapitel V.3). Das darauf folgende Kapitel stellt in Grundziigen den Masterplan von Marrakech vor, dessen Reformen und Ziele eine deutliche Verbesserung der bis dato vorwiegend kritisch bewerteten marokkanischen Tourismusstrukturen intendieren und die nordwestafrikanische Destination fiir die Herausforderungen eines zunehmend harteren Wettbewerbs riisten sollen (vgl. Kapitel V4). Kapitel VI ist der methodischen Umsetzung des Forschungsprojekts gewidmet. Um eine kultursensible, auf weitgehend ganzheitliche Erfassung ausgerichtete Problemanalyse durchfiihren zu konnen, wird in dieser Studie primar auf Instrumentarien der qualitativen Sozialforschung zuriickgegriffen, die eine perspektivische und interpretierende Herangehensweise ermoglichen (vgl. Kapitel VI. 1). In diesem Kontext kommen primar qualitative Interviews zum Einsatz, die den Prinzipien von Offenheit, Flexibilitat, Kommunikation, Reflexivitat und Explikation verpflichtet sind und zudem dem Prozesscharakter von Forschung und Gegenstand Rechnung tragen (vgl. Kapitel VI.2). Eine im Rahmen dieser Arbeit adaquate Erhebungsmethode muss
Konzeptionelle Einfiihrung in die Arbeit
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nicht nur in der Lage sein, Handiungssituationen beziehungsweise Handlungskontexte vor dem Hintergrund interkultureller Uberschneidungssituationen nachzuzeichnen, sondern auch die Sichtweisen, Deutungsmuster und Denkschemata entsprechender Situationen zu rekonstruieren. Wahrend standardisierte Verfahren eine bestimmte Gliederung der sozialen Wirklichkeit fesdegen, wird der Befragte bei qualitativen Verfahren dazu veranlasst, seine eigenen Gliederungspunkte ins Spiel zu bringen und damit selbst anzuzeigen, was fiir ihn auf welche Art und Weise relevant ist (vgl. Kapitel VI.3). Vor dem Hintergrund der eben skizzierten Anspriiche beziiglich einer methodischen Umsetzung des Forschungsprojekts erweist sich das problemzentrierte Interview als besonders geeignet. Kapitel VI.4 macht nicht nur mit dem problemzentrierten Interview und seinen Erhebungsinstrumenten vertraut, sondern erlautert auch die Auswertung der im Rahmen dieser Methode generierten Daten. Die beiden abschliefienden Kapitel stellen in Grundziigen Struktur und Inhalte der Befragungen sowie die entsprechende Zielgruppe vor (vgl. Kapitel VI.5 und VI.6). Das siebte iibergeordnete Kapitel, das auch das erste empirische Kapitel der vorliegenden Arbeit ist, macht in seinen beiden Unterkapiteln mit den zentralen Strukturmerkmalen der an dieser Studie partizipierenden Kooperationsunternehmen und Gesprachspartner vertraut. Die im Rahmen der Kapitel VII. 1 und VII.2 prasentierten quantitativen Strukturdaten soUen in erster Linie dem Leser eine erleichterte Kontextualisierung der qualitativen empirischen Ergebnisse ermoglichen. Die qualitativen Ergebnisse der vorliegenden Studie werden im Rahmen von Kapitel VIII vorgestellt, wobei diese um weitere ausgewahlte quantitative Ergebnisse abgerundet werden. Im Mittelpunkt der sich auf 13 Unterkapitel erstreckenden Ausfiihrungen steht der interkulturelle Kooperationsalltag zwischen den projektrelevanten deutschen und marokkanischen Reiseveranstaltern. Da ein eigenstandiges Kapitel Struktur und Inhalte der Befragungen vorstellt (vgl. Kapitel VI.5), konnen die Darlegungen zu diesem iibergeordneten Kapitel knapp gehalten werden. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass die Anordnung der einzelnen Unterkapitel der Struktur des Gesprachsleitfadens folgt, der das Kooperationsgeschehen von der Konzeption iiber die Implementation bis zur eigentlichen Kooperation nachzeichnet. Wie bereits in Kapitel 1.2 angedeutet wurde, fanden erganzend Expertengesprache statt, um das in den Institutionen verankerte Wissen fiir die vorliegende Studie in Wert zu setzen und um einen noch breiteren Zugang zum Forschungsfeld zu erlangen. Entsprechende Experteneinschatzungen, die sich primar auf das bilaterale Kooperationsgeschehen respektive den Marokkotourismus erstrecken, sind in sechs Unterkapiteln des iibergeordneten Kapitels IX dokumentiert. Die inhaltlichen Schwerpunkte der Expertenbefragungen werden - analog zu den Unternehmensbefragungen - ebenfalls in Kapitel VI.5 aufgeroUt. Das Resiimee stellt angesichts der ungemeinen Komplexitat dieser Studie in erster Linie den Versuch einer kritischen Synthese dar. In diesem Kontext soUen nochmals zentrale Ergebnisse der Untersuchung abschliefiend diskutiert werden, wobei selbstverstandlich interkulturelle Aspekte im Fokus stehen.
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1.4
Kapitel I
Forschungsstand
,Jede Wissenschaft hat ihre Zeit." Francesco De Sanctis In Anbetracht der Tatsache, dass jeglicher wissenschaftlicher Erkenntnisfortschritt im Fluss ist und ein Mehr an Wissen stets auch ein Mehr an Fragestellungen generiert, kann es sich im Kontext einer Darlegung des Forschungsstands allenfalls um einen konzisen state-of-the-artUberblick handeln. Dennoch erscheint eine entsprechende Momentaufnahme sinnvoll, da sie dem Leser einen orientierenden Einstieg in die jeweilige Thematik ermoglicht. Angesichts der Komplexitat des vorliegenden Forschungsvorhabens konnen nicht samtliche Aspekte, die im Kontext der vorliegenden Arbeit von Relevanz sind, im Rahmen eines einleitenden Forschungsiiberblicks aufgeroUt werden. Dies verbietet sich alleine schon deshalb, weil der Umfang eines als Einfiihrung konzipierten Kapitels gesprengt wiirde. Vor diesem Hintergrund ist eine Konzentration auf besonders relevante Schv^erpunkte dringend geboten. Wie sieht die entsprechende inhalthche Fokussierung aus? Zunachst einmal gilt es, einige zentrale Reflexionen zur kultur- beziehungsweise sozialgeographischen Forschung iiber den islamischen Orient darzulegen, in die die vorliegende Studie eingebunden ist. In einem zv^eiten Schritt wird schlie{?lich auf das nach wie vor vergleichsweise neue interdisziplinare Wissenschafts- und Anwendungsfeld der Interkulturellen Kommunikation eingegangen. In diesem Kontext soil unter anderem aufgezeigt werden, inwieweit entsprechende Fragestellungen beziehungsweise Themenkomplexe Einzug in die einschlagige Forschung gehalten haben. Die kulturgeographische Orientforschung weist in der deutschsprachigen Geographie eine altehrwiirdige Tradition auf. Dabei standen iiber Jahrzehnte hinweg eine Analyse, Typisierung und Interpretation kulturlandschaftlicher Sachverhalte im Vordergrund. Als ein besonders herausragendes Beispiel kann man die Forschungen von Eugen Wirth in Hinblick auf Struktur und Entwicklung der traditionellen islamisch-orientalischen Stadt anfiihren (vgl. WIRTH 1975). Wahrend sich die meisten Autoren alterer Provenienz primar dem materiellen Substrat als dem Resultat menschlichen Handelns zuwandten, dominiert seit etwa zwei Jahrzehnten eine sozialgeographische Betrachtungsweise, die das anthropogene Handeln an sich in den Fokus des Erkenntnisinteresses riickt (vgl. POPP 1999b). Einhergehend mit dieser Hinwendung zu den Akteuren selbst konnten sukzessive auch Fragestellungen an Bedeutung gewinnen, die in der klassischen Kulturlandschaftsforschung nicht aufgegriffen wurden, wie etwa der Diskurs iiber die Interdependenz von Eigenem und Fremdem. Seit einigen Jahren lasst sich vor dem Hintergrund des sich in den Humanwissenschaften vollziehenden cultural turns eine verstarkte Hinwendung zu kulturspezifischen Fragestellungen beobachten, wobei in diesem Zusammenhang insbesondere die kulturelle Bedingtheit sozialer Phanomene in den Betrachtungsmittelpunkt geriickt wird. Diesbeziiglich ist nicht nur eine
Konzeptionelle Einfiihrung in die Arbeit
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forcierte Beriicksichtigung von Kultur als Erklarungsfaktor fiir soziale, okonomische und politische Phanomene zu verzeichnen, sondern auch eine deudich starkere Akzentuierung raumiicher Aspekte bei der Neuverhandlung dieses zentralen sozialwissenschafdichen SchliisselbegrifFs (vgl. Kapitel III.l und IIL2). Entsprechende Entwickiungslinien manifestieren sich auch in jiingeren kultur- beziehungsweise sozialgeographischen Arbeiten, die sich mit dem islamischen Orient beschaftigen, wobei die Renaissance raumUcher Fragestellungen nicht zuletzt mit den Diskursen um Phanomene wie GlobaUsierung und Regionalisierung korrespondiert. Die meisten dieser Studien integrieren in ihren Forschungsansatzen moderne soziologische respektive anthropologische Konzepte, zudem wird verstarkt iiber Methoden reflektiert und die qualitative Sozialforschung ausgesprochen fruchtbar fiir die Disziplin in Wert gesetzt. Als ausgewahlte Beispiele seien insbesondere die Beitrage von LINDNER (1999), MEYER (1999) und BOECKLER (2005) erwahnt. Langst verbirgt sich hinter dem Terminus cultural turn eine facheriibergreifende Bewegung, die - ausgehend von entsprechenden Trends innerhalb der Ethnologic, verstarkt dutch den postkolonialen Selbstbehauptungsdiskurs und nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer zunehmenden Sensibilisierung fiir kulturelle Divergenzen im Spannungsfeld fortschreitender Globalisierungsund Regionalisierungstendenzen - eine beachtliche Bandbreite unterschiedlicher Phanomene subsumiert (vgl. Kapitel III.2). In diesem Kontext konnte sich in den meisten kultur- beziehungsweise sozialgeographischen Studien, die sich mit dem islamischen Orient beschaftigen, ein interpretativ-konstruktivistisches Kulturverstandnis durchsetzen. Insbesondere im internationalen Kontext wird Kultur als ein ausgesprochen fluides Phanomen rezipiert, das die Konturen von Kulturen zunehmend diffliser und durchlassiger erscheinen lasst. Gleichwohl bleibt Kultur, nicht zuletzt nach dem Selbstverstandnis der vorliegenden Arbeit, an eine gewisse Territorialitat gebunden, wobei diese auch weiterhin einen nicht zu unterschatzenden Einfluss auf Werte und Einstellungen respektive auf Denken und Handeln von Menschen ausiibt. In diesem Zusammenhang sei auf BRAH (1996), MOOSMULLER (1997) und DRECHSEL (1999) verwiesen, die in ihren Arbeiten eindrucksvoU aufzeigen, dass lokale Kulturen im globalen Kontext - ungeachtet der Diskussionen um eine vermeintliche/?^zx transcultura, die in letzter Konsequenz in eine Aufhebung der Kongruenz zwischen Territorium und Kultur miindet (vgl. WELSCH 2000) - nichts von ihrer Bedeutung verloren haben. Kultur setzt vor dem Hintergrund ihres Prozesscharakters, der gerade in der heutigen Zeit angesichts fortschreitender Globalisierungsprozesse zum Tragen kommt, eine interkulturelle Perspektive voraus, wodurch Interkulturalitat langst keinen besonderen Bereich der Kulturwissenschaft, sondern vielmehr eine konstitutive Bedingung ihres Gegenstandes darstellt. Kultur ist letztendlich, im Sinne von DRECHSEL, SCHMIDT und GOLZ (2000), immer schon Interkulturalitat. Entgegen dieser Einsicht gingen gerade in den Wirtschaftswissenschaften Jahrzehnte ins Land, bis der Faktor Kultur und dessen Relevanz fiir Managementprozesse Beriicksichtigung fanden. So konzediert der Dortmunder Okonom MEISSNER (1997, S. 2) in einem Beitrag, der den bezeichnenden Titel „Der Kulturschock in der Betriebswirtschaftslehre" tragt: „Die Entfal-
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Kapitel I
tung des betriebswirtschaftlichen Denkens und damit die Entwicklung betriebswirtschaftiicher Theorien erfolgte in der historischen Perspektive in einem im wesendichen kulturfreien, systemindifFerenten Raum, d. h. es wurde weder die Kultur der einzelnen Unternehmung reflektiert, noch wurden die kulturbezogenen Einfliisse des Umfeldes, z. B. bei den Verbrauchern, den Mitarbeitern, den Lieferanten oder im weiteren Raum der politischen und sozialen OfFendichkeit beriicksichtigt." Bis weit in die zweite Halfte des 20. Jahrhunderts war die Managemendehre weitgehend einem technizistischen Paradigma mit einer funktionalistischen Sichtweise verschrieben, das Unternehmen primar auf Grundiage der SteuerungsgroEen Ertrag und Kosten analysierte. Zumindest wenn man sich, in Analogie zu MACHARZINA (1999), eine holistische Sichtweise von Unternehmensfiihrung zu Eigen macht, so kommt man in einer zunehmend vernetzten Welt nicht umhin, sich verstarkt mit kulturellen respektive interkulturellen Aspekten auseinander zu setzen. Die verstarkte Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten vor dem Hintergrund einer fortschreitenden Globalisierung bringt es mit sich, dass kuiturelle Unterschiede, die die Unternehmensfiihrung in vielfaltiger Art und Weise pragen, immer augenscheinlicher zu einem Diskussionstopos in Wissenschaft und Praxis werden. Insbesondere fiir die betrofFenen Akteure in der Wirtschaft haben sich die entsprechenden Aufgaben und Herausforderungen in den letzten Jahren nachhaltig verandert. Sie sind jetzt nicht mehr nur mit den konventionellen Problemfeldern der Unternehmensfiihrung konfrontiert, sondern miissen sich dariiber hinaus mit kulturellen Unterschieden im Management beschafi:igen. Der skizzierten Problemlage stehen allerdings nach wie vor Forschungsaktivitaten gegeniiber, die vielfach in den Anfangen stecken, auch wenn eine Ignoranz kultureller Fragestellungen vor dem Hintergrund jiingster Erkenntnisse in der interkulturellen Managementforschung als nicht mehr zeitgemafi anzusehen ist (vgl. STUDLEIN 1997,
HASENSTAB 1999,
HOLZMULLER/BERG 2002 und
SCHNEIDER/BARSOUX
2003). Interkulturelle Kommunikation als Wissenschaft ist die Frucht mehrerer Disziplinen und entstand wahrend der 1950er Jahre in den Vereinigten Staaten in einem Stadium, in dem interkulturelle Begegnungen noch nicht so selbstverstandlich waren wie zu Beginn des dritten Jahrtausends (vgl. insbesondere ROTH 1996 und MOOSMULLER 2000). Als Griinder dieses Wissenschafts- und Anwendungsfelds gilt der US-amerikanische Kulturanthropologe Hall, der zwischen 1950 und 1955 am Foreign Service Institute tatig war und sich in diesem Kontext fiir die Entwicklung von Programmen verantwortlich zeichnete, die Mitarbeiter von Regierungsinstitutionen auf ihre Mission im Ausland vorbereiten sollten. In seinem Standardwerk „The Silent Language" geht HALL (1959) davon aus, dass Kultur weitgehend eine verborgene Dimension darstellt und die Menschen steuert, ohne dass sie sich dessen bewusst sind. Wer jedoch, so Hall, der stark von der Psychoanalyse beeinflusst wurde, seine unbewussten Motive nicht kenne, konne auch kein Verstandnis fiir die Handlungen und Motive Anderer aufbringen. Grundlegend ist fiir den Nestor dieser Disziplin, den Verstehensprozess der unbewussten kulturellen Determinierungen anzuregen, wobei er in diesem Zusammenhang vor allem interkulturellen Trainings eine zentrale RoUe zuschreibt. In den Grundannahmen Halls wird
Konzeptionelle Einfuhrung in die Arbeit
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deutlich, dass man kulturelle Divergenzen als systemimmanentes Phanomen respektieren muss, sich gleichfalls aber auch darum bemiihen sollte, mit diesen moglichst efEzient und erfoigreich umzugehen. Als einer ausgesprochen anwendungsbezogenen und relationalen Wissenschaft geht es der Interkulturellen Kommunikatlon nicht um den Vergleich von Kulturen, sondern um die Interaktionen zwischen ihnen. Im Fokus des Erkenntnisinteresses steht stets die Frage, was vonstatten geht, wenn Akteure mit divergierenden Codes miteinander kommunizieren respektive sozial interagieren (vgl. Kapitel III.4). Bevor wir uns im nachfolgenden Kapitel den fiir diese Arbeit zentralen SchliisselbegrifFen Globalisierung beziehungsweise Internationalisierung sowie den mit diesen Phanomenen assoziierten Tendenzen zuwenden, sei abschliefiend noch die Frage aufgeworfen, welche RoUe interkulturelle Aspekte in der Geographie der Freizeit und des Tourismus spielen? Zunachst mochte man meinen, dass diese - nicht zuletzt eingedenk des ausgepragten Internationalisierungsgrads der entsprechenden Branche - eine eminent wichtige RoUe einnehmen, sondiert man jedoch die zu dieser Thematik vorhandene Literatur, so kommt man zu zwei diametralen Ergebnissen: Wahrend host-guest relations nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Diskurse um einen nachhaltigen Tourismus einen vergleichsweise wichtigen Stellenwert in der Forschung einnehmen, ist eine entsprechende inhaltliche Auseinandersetzung mit der supply-side bis dato ausgeblieben (vgl. REISINGER/TURNER 2003 und SCHERLE 2004). Unlangst erschienene Standortbestimmungen und diszipUnhistorische Riickblicke, etwa von SHAW/WILLIAMS (1998/2002), POPP (2001a), BERRIANE (1999a/2003), HOPFINGER (2003), JURCZEK (2003) und WACHOWIAK (2003), besta-
tigen dieses Forschungsdefizit, das keineswegs nur auf den deutschsprachigen Raum beschrankt ist. Hinsichtlich der in dieser Arbeit relevanten Reiseveranstalter, die sich in Bezugnahme auf loANNIDES (1998) trefflich als gatekeepers of tourism bezeichnen lassen, standen bislang primar Struktur und Raummuster vor dem Hintergrund fortschreitender Konzentrationsprozesse im Fokus des Erkenntnisinteresses. Beispielhaft sind in diesem Zusammenhang vor allem die Beitrage von VORLAUFER (1993a/1998), WILLIAMS (1995) und SHAW/WILLIAMS (1998) anzufuhren. Interkulturelle Themenkomplexe, die sich angesichts der in den letzten Jahrzehnten zu konstatierenden globalen Diffusion touristischer Strome geradezu aufgedrangt hatten, wurden im Kontext einer supply-side analysis allenfalls tangiert, nicht jedoch im Rahmen einer eigenstandigen Studie erortert.
II
Going international- Untemehmenstatigkeit im Globalisierungszeitalter unter besonderer Beriicksichtigung der Tourismusbranche
11.1
Grundlagen der Phanomene Globalisierung und Internationalisierung
„Wenn einmal die Geschichte des Begriffs der Globalisierung geschrieben wird, konnte man sie mit dem 20. Juli 1969 beginnen lassen. An diesem Tag setzte der erste Mensch seine plumpen, in seinem Raumanzug wohlverpackten FiiCe auf den Mond. Neil Armstrong sah, was wir Zuriickgebliebenen eher noch klarer auf unseren Fernsehschirmen betrachten konnten: die Erde, also unsere Welt, als Ganze, als Globus mit vertrauten Strukturen, aber aus unvertrauter Perspektive. Der andere Himmelskorper, von dem dieser Anblick sich ergab, machte die Einheit unseres so vielfaltigen, ja in nahezu jeder Hinsicht uneinheitlichen Planeten sichtbar." RalfDahrendorf Perspektivenwechsel tun Not - gerade dann, wenn man sich mit BegrifFen beschaftigt, die nicht nur in aller Munde sind, sondern die sich vor allem dadurch auszeichnen, dass sie polarisieren. 1st iiber die entsprechende Thematik nicht bereits genug geschrieben worden, und sind die zentralen Standpunkte nicht langst integrativer Bestandteil ofFentlicher Diskussionen? Verkorpert Globalisierung vielleicht sogar eine Art ,Naturereignis', dem niemand entrinnen kann, wenn HELBRECHT (1998, S. 101) konstatiert: „Es regnet zur Zeit Globalisierung"? Die ,Mondperspektive' von DAHRENDORF (1998, S. 41) besticht primar dadurch, dass sie unseren MaEstab beziiglich der entsprechenden w^issenschaftlichen Diskurse zurechtriickt. Gelegentlich mag einfach nur ein neuer, zumindest ungew^ohnter Blickwinkel auf scheinbar Bekanntes geniigen, um einen Aspekt in einem anderen Licht zu sehen, denn eines ist sicher: Die Schatten in Platons Hohle als Abbilder der Wirklichkeit sind niemals deckungsgleich, variieren sie doch stets nach der subjektiven Qualitat unseres geistigen Auges. Dazu bedarf es - ungeachtet der Eindringlichkeit des Zitats von Dahrendorf - noch nicht einmal einer ,Mondperspektive', sondern eines Rekurses auf zwei Orte, in deren zentralen Veranstaltungen sich geradezu paradigmatisch divergierende Sichrweisen auf laufende Globalisierungsprozesse w^iderspiegeln: Davos und sein World Economic Forum respektive Porto Alegre und sein Forum SocialMundial. Wahrend das beschauliche schweizerische Stadtchen fiir sich beansprucht, die Wlrtschaftselite mit den w^ichtigsten politischen Entscheidungstragern zusammenzufiihren, versammein sich in der siidbrasilianischen Millionenmetropole Anhanger jener transnationalen Protestbev^egung, die, trotz ihrer ungemeinen Heterogenitat, haufig ausgesprochen pauschal mit dem Terminus Globalisierungsgegner etikettiert w^erden. Dass die mit dem Megatrend Globalisierung verbundenen komplexen Transformationsprozesse v^iderspriichliche Implikationen und Reaktionen hervorrufen, liegt auf der Hand, macht aber auch eine Auseinandersetzung mit der entsprechenden Thematik zu einem schw^ierigen Unterfangen. Folgendes Kapitel geht nicht nur auf die SchliisselbegriflFe Globalisierung beziehungsw^eise Internationalisierung ein, sondern erortert auch die mit diesen Phanomenen assoziierten Tendenzen.
Going international
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Dies geschieht insbesondere vor dem Hintergrund, dass die vorliegende Arbeit ein ausgesprochenes ,Globalisierungsprodukt' darstelit, namlich ais Teilprojekt eines Forschungsverbunds (FORAREA), der einerseits Globaiisierung als eine unternehmensspezifische Herausforderung begreift, andererseits den betrofFenen Akteuren diesbeziiglich eine entsprecliende Sachkompetenz vermittein mochte (vgl. Kapitel I.l). Angesichts der Kompiexitat des Sujets soUte man sich bewusst sein, dass die nachfolgenden Ausfiihrungen alienfalls einen konzisen Uberblick gewahren konnen: eine entsprechende Perspektivenvielfalt ist in diesem Zusammenhang nicht nur das Resultat oftmals erbitterter Poiarisierungen zwischen Kritikern und Befiirwortern von Globaiisierung, sondern auch die Konsequenz eines in der Tat interdisziplinaren Forschens. Seit den 1990er Jahren ist der GlobalisierungsbegrifF massiv in den Fokus des politischen und wissenschaftlichen Diskurses geriickt. Wie man aus der Geschichte ofFentlich wirksam gewordener BegrifFe weiS, spiegelt eine entsprechende Situation stets reale Sachverhalte wider. Problematisch wird das „Plastikwort" (LEGGEWIE 2003, S. 17), wenn es ausschliefilich mit dem Prozess einer globalen Homogenisierung verbunden wird, wodurch ein fragwiirdiges, gegebenenfalls sogar falsches Weltbild entsteht (vgl. SENGHAAS 2002). Globaiisierung ist jedoch nicht, wie haufig von Globalisierungskritikern angefiihrt wird, ein monolithischer Prozess der Vereinheitlichung oder Standardisierung, sondern vielmehr ein multidimensionales Phanomen, das vor allem im Kontext der kulturellen Globaiisierung zum Tragen kommt (vgl. insbesondere Kapitel III.l, in dem dezidiert auf den Aspekt der kulturellen Globaiisierung eingegangen wird). APPADURAI (1990, S. 295 f.) konstatiert in diesem Zusammenhang: „The central problem of todays global interactions is the tension between cultural homogenization and cultural heterogenization. (...) The new global cultural economy has to be understood as a complex, overlapping, disjunctive order, which cannot any longer be understood in terms of existing center-periphery models (even those that might account for multiple centers and peripheries)." Vor diesem Hintergrund soUte man stets, im Sinne des niederlandischen Soziologen NEDERVEEN PiETERSE (1998), von Globaiisierung im Plural ausgehen, wobei die unterschiedlichen Formen und Prozesse in bestimmten Verhaltnissen zueinander stehen, die sich iiberlappen, erganzen, widerstreiten und brechen konnen. Globaiisierung fungiert als SammelbegrifF fiir konkret beschreibbare Strukturen und Interaktionen, die - wie der Terminus als solcher impliziert - eine globale Dimension aufweisen. Gerade bei einem solch umfassenden BegriffsoUte man sich jedoch vor einer ausschlieElichen Verdinglichung hiiten und immer wieder darauf hinweisen, dass auch Makroprozesse Resultate individuellen respektive koUektiven Handelns sind (vgl. OSTERHAMMEL/PETERSSON 2003). Globale Verflechtungen werden von Staaten, Unternehmen, Gruppen und Individuen aufgebaut, erhalten, modifiziert und unter Umstanden zerstort. Sie sind Gegenstand von Interessenkonflikten und generieren Gewinner wie Verlierer. Dabei sind, wie LEGGEWIE (2003) eindrucksvoU aufgezeigt hat, selbst Globalisierungskritiker noch ein zentraler Bestandteil dieses komplexen Phanomens, weswegen es wenig Sinn macht, per se gegen die Globaiisierung zu sein. Hinzu kommt, dass das, was wir haufig Globaiisierung nennen, einen Prozess der Ausbreitung bestimmter regionaler Phanomene - etwa jene besonders gerne angefuhrte Amerikanisierung - darstelit (vgl. HELBRECHT 1998).
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Kapitel II
Lange Zeit wurde Globalisierung vorwiegend auf primar okonomische Konnotationen reduziert, die die seit einigen Dekaden ablaufenden weltwirtschafriichen Strukturveranderungen umschreiben. Dazu zahlen, um nur einige Beispiele anzufiihren, die zunehmend weltweite Verflechtung von Produktion, Handel und Finanzwesen, die Institutionalisierung iiberstaadicher Wirtschaftsregionen, die sukzessive Transformation einer fordistischen zu einer postfordistischen Weltwirtschaft, die Entstofflichung respektive Virtualisierung der Okonomie sowie eine verstarkte internationale Ausdehnung und Vertiefung der zwischenbetrieblichen Arbeitsteilung (vgl. insbesondere DUNNING 1993a, H E I N 1995, MENZEL 1995, BERNDT 1996 und KUTSCH-
KER 1999). Der GlobalisierungsbegrifF ist jedoch im Kontext einer Beschreibung Grenzen transzendierender okonomischer Prozesse zu einseitig, weil er eine sozial homogene Dynamik impliziert, innerhalb derer alle gesellschaftlich relevanten Bereiche gleichermafien in einen globalen Markt integriert werden. Im Gegensatz hierzu geht man heute vor allem im sozialwissenschaftlichen Globalisierungsdiskurs davon aus, dass gerade die okonomische Globalisierung einen zutiefst widerspriichlichen Prozess darstellt, der sich in einer Koinzidenz von integrierenden und fragmentierenden sozialen Prozessen ausdriickt (vgl. NEVER 1995, ALBROW 1998 und MiTTELSTRASS 1999). Dessen ungeachtet wird, nicht zuletzt von Globalisierungskritikern, immer wieder primar die okonomische Dimension von Globalisierung angefiihrt, um die ablaufenden Transformationsprozesse auf den Punkt zu bringen. Gegen diesen weit verbreiteten Okonomismus lasst sich anfiihren, dass das 20. Jahrhundert alien Krisen zum Trotz eine zunehmende Universalisierung der Menschenrechte, den technisch-wissenschaftlichen Fortschritt und vor dem Hintergrund ansteigender grenziiberschreitender Verflechtungen die sukzessive Entstehung einer Weltgesellschaft voranbrachte (vgl. LEGGEWIE 2003). Diese Aspekte, obgleich okonomisch und politisch bestimmt, definieren nicht nur eine okonomische und politische Dimension, sondern auch allgemeine gesellschaftliche und kulturelle Dimensionen, die ihrerseits Spannungen, Widerspriiche, Konflikte und Verwerfimgen generieren. Selbstverstandlich stellt sich die Frage, ob Globalisierung einer bestimmten territorialen Logik folgt. Bislang richtete sich der Diskursfokus vorwiegend auf die globale Ebene, v^eniger auf Prozesse in subnationalen und lokalen Kontexten. Dabei gibt es keine spezifische territoriale Logik ablaufender Globalisierungsprozesse, da heute nichts mehr eindeutig lokal oder global ist, v^obei lokale Kultur schon immer iiberlokale Strukturen beeinflusst hat und umgekehrt. Um die Dialektik des Globalen und des Lokalen verstehen zu konnen, geniigt es nicht, die jeweiligen Mafistabsebenen gegeneinander auszuspielen, da sonst die Vielschichtigkeit der Akteure, Situationen und Einfliisse iibergangen wiirde (vgl. HELBRECHT 1998 und MULLER-MAHN 2002). Differenzierter umschreibt moglicherweise die von ROBERTSON (1998) gepragte Paronomasie „Glokalisierung" das kontinuierliche und systematische Zusammenspiel globaler und lokaler Faktoren, mit der der Autor eine Briicke zwischen den vermeintlich gegensatzlichen Tendenzen von Homogenisierung und Heterogenisierung bauen mochte. Dies geschieht insbesondere vor dem Hintergrund, dass beide Tendenzen in letzter Konsequenz haufig komplementar sind und sich durchdringen. Selbst wenn man kein Anhanger von Wortneuschopfungen ist, soUte man in diesem Kontext bedenken, dass entsprechende Tendenzen zwei Seiten desselben Vorgangs darstellen, v^ie auch das nachfolgende Zitat von GERNDT (2002, S. 262) treffend illustriert: „Globalisierung wirkt sich in unzahligen Aspekten direkt auf unseren Alltag aus. Wir emp-
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fangen die ganze Welt digital im Wohnzimmer und kdnnen sie wahrend unseres Urlaubs (zumindest potentiell) bis in alle Winkel erkunden. Der Globalisierungsvorgang, die Entgrenzung von kulturraumlichen und nationalstaatlichen Gebilden, betont aber nur einen Teilaspekt des Gesamtgeschehens; ihm korrespondieren genauso machtige gegenlaufige Phanomene. Die Internationalisierung der Lebensverhaltnisse hat spiegelbildlich zu einer Aufwertung des lokalen und regionalen Umfeldes gefuhrt. Region als Heimat, als Brennpunkt familiarer und sozialer Beziige, starkt Zugehorigkeitsgefiihle und bietet Orientierungssicherheit." Die ganze Komplexitat und Widerspriichlichkeit an Formen, Reichweiten und Ausdrucksweisen von Globalisierung kulminiert in der von BARBER (1996) vorgenommenen Gegeniiberstellung von „McWorld" und „Dschihad" (vgl. auch Kapitel III.l). In ihr spiegelt sich, zweifelsfrei in iiberspitzter Form, geradezu paradigmatisch die Paradoxie der Megatrends von Globalisierung und Fragmentierung wider: Auf der einen Seite beobachten wir einen Trend zur verstarkten okonomischen Integration, zur Zivilisierung von Weltpolitik sowie zur Universalisierung und Sakularisierung von Kultur und Wertesystemen. Auf der anderen Seite sind wir Zeugen eines zunehmenden Fragmentierungsprozesses, einer Renaissance von staatlicher Zersplitterung und Ethnoprotektionismus sowie kultureller Exklusionen und zivilisatorischer Regressionen, die Schlagworte wie Weltgesellschaft, Weltwirtschaft und Weltkultur deutlich konterkarieren (vgl. MENZEL 1998). Hinzu kommt, dass das vor allem von neoliberalen Protagonisten verkiindete Positivsummenspiel - mit einer erfolgreichen wirtschaftlichen Entwicklung sowohl in den entwickelten als auch in den unterentwickelten Staaten - bis dato weitgehend Makulatur geblieben ist. So hat der Boom der 1990er Jahre, der geradezu paradigmatisch mit der so genannten new economy assoziiert wird, nicht nur das Nord-Siid-Gefalle kaum abbauen konnen, sondern auch die sozialen Disparitaten innerhalb der entwickelten Lander vergroEert. Die Dialektik der skizzierten Prozesse erinnert - wie SCHOLZ (2000/2002) im Kontext seiner Theorie der fragmentierenden Entwicklung aufeeigt - an jene Zeiten, in denen sich ebenso diametral die Vertreter der Modernisierungs- und Dependenztheorien bei der Erklarung respektive Uberwindung von Unterentwicklung gegeniiberstanden. Die Implikationen dieser Entwicklungen konnen derzeit kaum in ihrer ganzen Tragweite abgeschatzt werden. Man kann jedoch davon ausgehen, dass so manche wirtschaftswissenschaftlichen Grundsatze neu geschrieben werden miissen und dass gerade in Landern der so genannten Dritten Welt die soziookonomischen Disparitaten zunehmend demokratiegefahrdende Dimensionen annehmen, da das Vertrauen in demokratische Systeme als Lebens- und Herrschaftsform sinkt. In diesem Kontext sei - unter expliziter Bezugnahme auf das in dieser Arbeit relevante Marokko - die Frage aufgeworfen, ob es wirklich Zufall ist, dass ein Grofiteil jener Attentater, die sich fiir die terroristischen Anschlage von Casablanca und Madrid verantwortlich zeichnen, aus den bidonvilles marokkanischer GrofSstadte stammt. Insbesondere Tanger mutiert immer mehr zu einem Sammelbecken von Desperados aus ganz Nordafrika, die haufig nur darauf warten, von Schleppern endlich das ersehnte Signal zu erhalten, die gefahrliche Reise iiber die Strafie von Gibraltar antreten zu diirfen - wohl wissend, dass dieser keineswegs nur imaginare „Limes" (vgl. RUFIN 1993) ihre personliche Schranke zum vermeintlichen Gliick bildet. Wahrlich eine gewaltige Flerausforderung fiir eine vermeintlich offene Weltgesellschaft!
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Kapitel II
Dem Leser diirfte aufgefallen sein, dass bis dato ausschlief?lich von Globalisierung, nicht jedoch von Internationalisierung gesprochen wurde. Sowohl in der ofFendichen Diskussion als auch in der wissenschaftlichen Literatur werden beide BegrifFe haufig synonym verwendet, ohne in Bezug auf deren Bedeutungsinhalte eine nahere Abgrenzung vorzunehmen. Gelegendich kann man auch den Eindruck gewinnen, Globalisierung verdrange als neues Modewort, das niemand genau definieren, geschweige denn messen kann, sukzessive den wesendich traditionsreicheren Terminus Internationalisierung (vgl. insbesondere GERMANN/RAAB/SETZER 1999, ScHMiD 2000 und MULLER/KORNMEIER 2001). Auf alle Falle weist der Globalisierungsbegriff ein wesentlich groEeres Polarisierungspotential auf und wird dementsprechend gerne von unterschiedlichen Pressuregroups instrumentalisiert. In primar okonomisch konzipierten Publikationen, die sich sowohl aus einer einzel- als auch gesamtwirtschaftlichen Perspektive mit der entsprechenden Thematik beschaftigen, wird Globalisierung in erster Linie als eine Steigerung beziehungsweise als der weitreichendste Grad von Internationalisierung angesehen. So interpretieren beispielsweise WELGE, BOTTCHER und PAUL (1998, S. 1) Globalisierung als „die geographisch weitreichendste Form internationalen Marktengagements im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtung des Weltmarktes." Ungeachtet aller Tendenzen hin zu einer zunehmend globalen Weltwirtschaft ist Globalisierung auch im okonomischen Kontext vielfach ein (utopischer) Idealzustand, der den realen Grad internationaler Verflechtungen kaum in adaquater Weise abbildet. Gerade die okonomische Globalisierung verlauft nicht wirklich, wie der Terminus suggeriert, flachenhaft global, da nicht alle Raume der Welt aktiv an diesen besser als ,Triadisierung' zu bezeichnenden Prozessen partizipieren (vgl. insbesondere MENZEL 1998, SCHOLZ 2000/2002 und LEGGEWIE 2003). Eine weltweite Verflechtung oder gar Verschmelzung aller Markte respektive aller Bereiche von Unternehmungen diirfte letztendlich ein illusorisches Konstrukt bleiben. Eingedenk dieser Uberlegungen soUte man eher vom Trend der Globalisierung oder - will man ganz korrekt sein - von einer moglichen Entwicklung in Richtung Globalisierung sprechen (vgl. ERNST 1999 und SCHMID 2000). Im Rahmen der vorliegenden Arbeit finden beide Termini Verwendung. Dabei soil - vor allem vor dem Hintergrund eines raumdifferenzierenden Blicks und im okonomischen Kontext - Internationalisierung eher den realiter ablaufenden Prozess weltweiter Verflechtungen widerspiegeln, wahrend Globalisierung deren konsequente Weiterentwicklung in ihrer weitreichendsten Form darstellt. Dies impliziert, dass Internationalisierung Globalisierung mit einschlieEt. Beide BegrifFe, deren Abgrenzung nicht zuletzt unter semantischen Gesichtspunkten haarspalterisch wirken mag, sind untrennbar mit einem weiteren Terminus, der Regionalisierung, verbunden, auch wenn - wie GERMANN, RAAB UND SETZER (1999) ZU Recht konstatieren - entsprechende Zusammenhange vergleichsweise selten aufgezeigt werden. Verkorpern Globalisierung und Regionalisierung vor allem Entgrenzungsprozesse, so reprasentiert Regionalisierung das genaue Gegenteil, namlich Begrenzungsprozesse. Doch handelt es sich in diesem Fall nur um einen vermeintlichen Gegensatz, denn Globalisierung und Internationalisierung implizieren sowohl auf einer politisch-okonomischen als auch auf einer kulturellen Ebene keinesfalls einen automatischen Bedeutungsverlust des Regionalen, sondern vielmehr stehen die jeweiligen Entwicklungen in einem dialektischen Verhaltnis zueinander (vgl. insbesondere KRATKE 1995,
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NuHN 1997 und BREIDENBACH/ZUKRIGL 2002). Diesen Umstand kommentiert MITTELSTRASS (1999, S. 223) vor dem Hintergrund seiner Reflexionen iiber die Befindlichkeit des Denkens in einer Informations- und Innovationsgesellschaft wie folgt: „Tatsachlich bildet Regionalitat ein notwendiges Komplement zur Globalitat, nicht nur im allgemein kulturellen, sondern auch im wirtschaftlichen Sinne, oder pointiert ausgedriickt: Gerade Globalisierung bedarf der Regionalisierung, wenn sie nicht selbst orientierungslos, d. h. in diesem Falle wirtschaftlich erfolglos, sein will." Wie zeigen sich konkret die Tendenzen einer Regionalisierung? Aus einer politisch-okonomischen Perspektive sind in diesem Kontext vor allem die Zusammenschliisse zu Freihandelszonen respektive zu Wirtschaftsgemeinschaften zu nennen, aber auch die Bildung regionaler Netzwerke von spezialisierten Unternehmen im Kontext flexibler Produktionssysteme. Regionalisierung als zentripetaler Prozess zielt in diesem Fall „auf die Vergrofierung der koUektiven Starke und der politischen Souveranitat gegen den Rest der Welt. Sie ist damit eine Antwort auf Globalisierung und zugleich ein Prozefi der Starkung der eigenen Krafte fiir den Globalisierungsprozefi." (KAPPEL 1995, S. 82). Eine „Renaissance des Regionalen" (KRATKE 1995, S. 212) ist aber auch aus einer kulturellen Perspektive zu verzeichnen. Man denke, um nur einige ausgewahlte Beispiele zu nennen, an die Wiederbelebung regionaler Traditionen, an das verstarkte Interesse fiir Heimatgeschichte und Heimatliteratur, an die Ruckbesinnung auf regionale Rezepte und nicht zuletzt an den Boom der so genannten heritage industry, wobei sich insbesondere letzteres Phanomen zu einem ausgesprochen prosperierenden Wirtschaftszweig entwickelt hat. Gerade die zunehmende Ausbreitung westlicher Konsumgiiter und Kulturmuster geht mit einer deutlichen Ruckbesinnung auf regionale kulturelle Traditionen einher. WAGNER (2001, S. 15) schreibt in Bezug auf diese Entwicklung: „In Anbetracht des Vereinheitlichungsdrucks weltweit gleicher Kulturangebote werden die Besonderheiten der eigenen Kultur gegeniiber anderen Kulturen hervorgehoben. Kulturelle Identitatssuche in lokalen, regionalen und nationalen Beziigen zur Selbstvergewisserung bildet nicht nur bei Migranten, nationalen Minderheiten und in Landern des Sixdens die andere Seite der kulturellen Internationalisierung. Lokal- und Nationalkulturen als Ausdruck kultureller Traditionen soUen dabei ein Zusammengehorigkeitsgefiihl vermitteln und dadurch den Menschen in den kulturellen Globalisierungsprozessen einen Orientierungspunkt und Identitatsanker bieten." Die bisherigen Ausfiihrungen zu Globalisierung beziehungsweise Internationalisierung machen deutlich, dass angesichts der Komplexitat und Widerspriichlichkeit dieses Themenfeldes eine koharente theoretische Auseinandersetzung sehr schwierig ist, sich beide Phanomene mitunter sogar einer geordneten Beschreibung entziehen. Um die multiplen Strukturen und Prozesse dieses Sujets zu begreifen, miissen - im Sinne von HELBRECHT (1998, S. 107) - „viele Geschichten, viele Geographien und viele Ebenen und Handlungsfelder von Gesellschaft beriicksichtigt werden." Wie lassen sich die wich tigs ten Grundannahmen des dieser Arbeit zugrunde liegenden Verstandnisses beider Schliisselbegriffe auf einen Nenner bringen? Im erkenntnistheoretischen Kontext gehe ich - wie NASSEHI (1999) im Rahmen seiner Reflexionen zum Globalisierungsbegriff - davon aus, dass es sich allenfalls um Beobachtungsbegriffe handeln
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kann, die ein Biindel von miteinander verwobenen Prozessen subsumieren. Vor diesem Hintergrund sind auch die nachfolgenden acht Thesen zu sehen, die nicht nur das grundlegende Verstandnis von Globalisierung respektive Internationalisierung darlegen, sondern auch eine weiterfiihrende Standortbestimmung unter besonderer Beriicksichtigung der in dieser Arbeit besonders relevanten interkulturellen Perspektive ermoglichen: -
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Globalisierung respektive Internationalisierung verkorpern zuallererst Resultate einer kontinuierlichen time-space compression (HARVEY 1990), die mit einer sukzessiven Entgrenzung der Welt einhergehen. Dieser komplexe, in der Kegel asymmetrische Entgrenzungsprozess verlangt immer seltener den Beherrscher des Territoriums und zunehmend haufiger den Meister der Geschwindigkeit (vgl. MENZEL 1998). Globalisierung respektive Internationalisierung implizieren eine verstarkte Intensivierung und Verflechtung weltweiter sozialer Beziehungen, die sich auch dezidiert in einer Zunahme interkultureller Begegnungen widerspiegeln (vgl. MATTHES 1993 und GIDDENS 1995). Dieser Umstand generiert ein verstarktes Bewusstsein von der ,einen Welt', die - zumindest aus einer normativen Perspektive - einer globalen Verantwortung bedarf. Globalisierung respektive Internationalisierung verkorpern Prozesse, die in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen und auf verschiedenen raumlichen Ebenen stattiSnden. Angesichts ihrer multiplen Strukturen und mehrdimensionalen Prozesse gleichen sie einem ,dynamischen, richtungslosen Flachenmosaik' von Stromen, Netzwerken, Akteuren und Institutionen, die sich iiberlappen, erganzen, widerstreiten und brechen konnen (vgl. HELBRECHT 1998).
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Globalisierung respektive Internationalisierung stellen fiir die betrofFenen Akteure aufierst ambivalente Phanomene dar. Die mit ihnen assoziierte Ambiguitat von Homogenitat und Heterogenitat beziehungsweise von Universalismus und Partikularismus manifestiert sich geradezu paradigmatisch in der von ROBERTSON (1998) gepragten Paronomasie ,Glokalisierung', die das Zusammenspiel globaler und lokaler Faktoren im Kontext einer sich sukzessive herauskristallisierenden Weltgesellschaft abbildet. Globalisierung respektive Internationalisierung lassen sich langst nicht mehr ausschliefilich aus der Perspektive eines weit verbreiteten Okonomismus betrachten (vgl. LEGGEWIE 2003). Entgrenzung der Welt impliziert somit nicht nur einen okonomischen, sondern auch einen soziokulturellen Intensivierungsprozess. Anders ausgedriickt: Wenn man von Weltmarkt spricht, kommt man nicht umhin, auch von Weltgesellschaft, global governance oder Weltkultur zu sprechen. Globalisierung respektive Internationalisierung stehen in enger Wechselwirkung mit kulturellen Bestanden, sie beeinflussen diese und werden ihrerseits wiederum von ihnen beeinflusst. Die entsprechende Interdependenz lost die Abgeschlossenheit kultureller Systeme auf, ohne jedoch zwangslaufig deren Existenz auftuheben (vgl. SEIFERT 2000). In diesem Kontext kommt es insbesondere zu einer Intensivierung der Interaktionen, der Querverbindungen und der Interdependenzen, die von einem standigen Oszillieren zwischen Entgrenzung und Begrenzung begleitet werden. Globalisierung respektive Internationalisierung stellen fiir die betrofFenen Akteure in jeglicher Hinsicht eine Herausforderung dar. Ob diese - im Sinne der Globalisierungsbefiir-
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worter - eher mit Chancen oder - im Sinne der Globalisierungskritiker - eher mit Risiken behaftet ist, lasst sich angesichts der Komplexitat der Thematik nur von Einzelfall zu Einzelfall entscheiden. Viel wichtiger erscheint mir in diesem Kontext, dass die jeweiligen Akteure auf die entsprechende Herausforderung adaquat vorbereitet werden. Dieser Aufgabe miissen sich in erster Linie die Bildungseinrichtungen - Schule und Universitat gleichermafien - stellen, wobei dem ,Bruckenfach' Geographie vor dem Hintergrund seiner ausgepragten Interdisziplinaritat und seiner Kompetenz hinsichtlich raumbezogener Aspekte eine besondere Verantwortung zufallt. Globalisierung respektive Internationalisierung erfordern - ungeachtet einer zunehmenden „Normalitat des Fremden" (HUNFELD 1996) - ein gewisses Ma6 an interkultureller Kompetenz, will man die mit diesen Phanomenen einhergehenden komplexen Strukturen und Prozesse nicht nur besser verstehen, sondern auch aktiv gestalten (vgl. THOMAS 1993/1999/2003b und MOOSMULLER 1996/1997). Im Kontext einer zunehmenden Internationalisierung des Wirtschaftslebens, die sich nicht zuletzt in einer deutlichen Zunahme an bilateralen Unternehmenskooperationen widerspiegelt, bedeutet dieser Umstand, dass man Kultur - im Sinne des Leitkonzepts von FORAREA - als Ressource begreifen soUte, wobei kulturelle Unterschiede nicht nur neue Anforderungen stellen, sondern auch potentielle Wettbewerbsvorteile generieren konnen.
11.2
Internationalisierung v o n Unternehmenstatigkeit aus historischer Perspektive
„Nicht die grofien Ereignisse machen die Geschichte, sondern das vereinzelte Tun zerstreuter Menschen bestimmt das Geschehen durch die Art, wie es auf die anderen wirkt, und durch den Geist, der davon ausgeht." Albert Schweitzer Wenn ein derart komplexes Phanomen wie die Globalisierung als eine Erscheinung der letzten Jahrzehnte, vielleicht sogar als Beginn einer neuen Epoche bezeichnet wird, so ist eine solche Feststellung nur dann moglich, wenn man das Neue dem Bisherigen gegeniiberstellt. Leider wird jedoch nach wie vor - gerade in betriebswirtschaftlich ausgerichteten Beitragen - allzu haufig iibersehen, dass heutige Internationalisierungs- beziehungsweise Globalisierungsaspekte das Resultat des Zusammenwirkens und der gegenseitigen Verstarkung langerfristiger Prozesse darstellen (vgl. EDELMAYER/LANDSTEINER/PIEPER 2001 und OSTERHAMMEL/PETERSSON 2003).
Gleichwohl hat vor allem die Entstehung der new economy in ihrer Gegeniiberstellung zur Wirtschaft des Industriezeitalters ein neues Interesse an der Entwicklung der Wirtschaft in friiheren Epochen hervorgerufen. DULFER (2002, S. 71) konstatiert in diesem Zusammenhang: „Das ist ein weites Feld, in dem aber zu alien Zeiten ein dynamisches Element ins Auge fallt: der Unternehmer und seine Unternehmenstatigkeit, die infolge ihres innovativen Charakters schnell auch geographisch-politische Grenzen iiberschreitet. Zwar ist das Unternehmen im Sinne der
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„autonomen Unternehmung" der mikrookonomischen Wirtschaftstheorie ohne Zweifel erst ein Geschopf des wirtschaftlichen Liberalismus im 19. Jh., also einer geistigen Entwicklung, die durch Renaissance, Reformation und Aufklarungsphilosophie gepragt war und die zu einer fortschreitenden politischen Verselbstandigung des Individuums fiihrte. Aber auch in alteren politischen und wirtschaftlichen Ordnungen gab es schon deutliche Vorlaufer, die auf der genialen Erkenntnis eines bestimmten Bedarfs in der Gesellschaft oder bei den Herrschenden beruhten und deren Leistungsangebot ihren Urhebern eine ansonsten unzulassige, individuelle Handlungs- und Verhandlungsfreiheit ermoglichte." Die nachfolgenden Ausfiihrungen bieten eine historisch konzipierte Tour d'horizon liber die Entwicklung der Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten, wobei exemplarisch einige Meilensteine aus den zentralen Epochen von der Vorantike bis zur Neuzeit herausgegrifFen werden. Die Anfange internationaler Unternehmenstatigkeit reichen weit in die Zeit der Vorantike zuriick. Insbesondere die Stadtkulturen im Zweistromland generierten erste Fernhandelsunternehmer, auch wenn die entsprechenden Aktivitaten hochgradig von staatswirtschaftlicher Seite gesteuert wurden und die spezifisch unternehmerische Pragung in der personellen Anbindung an einzelne Personlichkeiten und deren Strategiekonzepte fehlten (vgl. MOORE/LEWIS 1998, MOORE/LEWIS 1999 und DULFER 2002). Die Zeiten, in denen scheinbar ausschliefilich immobile und agrarisch orientierte Gesellschaften das Bild der vorantiken Welt pragten, neigen sich sukzessive ihrem Ende entgegen, auch wenn die bescheidene Quellenlage eine Erforschung grenziiberschreitender Kontakte in dieser Epoche deutlich erschwert. In der griechischen und romischen Antike expandierten die internationalen Unternehmensaktivitaten vor allem in raumlicher Hinsicht; ein Umstand, der sich unter anderem in vermehrten Handelsverbindungen mit Afrika und Indien widerspiegelt. Zudem wurde sukzessive der Tauschhandel vom Ware-gegen-Geld-Geschaft abgelost. Auch diese Epoche ist nach wie vor von einer starken Durchdringung okonomischer Aktivitaten durch politische Herrschaftsstrukturen gepragt. Dieser Aspekt trifFt insbesondere auf das romische Reich zu, was WALLERSTEIN (1986, S. 27 f.) in seiner kontrovers diskutierten Theorie der Weltsysteme zu folgender Aussage veranlasst: „Seine Starke bestand darin, daf? es [das romische Reich, Anm. d. Verf.] durch Gewalt (Tribut und Besteuerung) und durch monopolistische Handelsvorteile den Fluf? der Wirtschaftsstrome von der Peripherie zum Zentrum garantierte. Seine Schwache lag darin, daE die durch die politische Struktur notwendig gemachte Biirokratie dazu neigte, zu viel vom Profit zu absorbieren, besonders dann, wenn Repression und Ausbeutung Revolten nahrten, was dann wiederum zur Erhohung der militarischen Ausgaben fiihrte. Politische Reiche sind ein primitives Instrument okonomischer Herrschaft." Das friihe Mittelalter bot im Einflussbereich der romischen Kirche nur ein bedingt geeignetes Betatigungsfeld fiir unternehmerische Aktivitaten. Zum einen lag die landwirtschaftliche Produktion in rural gepragten Raumen in den Handen adliger Grundbesitzer, die vorwiegend konsumtive Ziele verfolgten, zum anderen war die fast ausschliefilich handwerkliche Produktion in den Stadten vergleichsweise strengen Konventionen der Ziinfte und Gilden unterworfen, die
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ihr jeweiliges Monopol vor lastiger Konkurrenz schiitzten und damit einen innovativen Wettbewerb unterbanden. SCHULTZ (1997, S. 102) schreibt trefFend iiber die damalige Ausweitung des Zunftwesens: „Die Ziinfte verkorperten die BCraft der Schwachen, die aus dem Zusammenschluf? wachst." Doch es gab auch Ausnahmen in Hinblick auf wirtschaftliche Aktivitaten mit grenziiberschreitendem Charakter: Die von Nordafrika nach Spanien iibergesetzten Mauren bo ten christlichen respektive jiidischen Handwerkern und Kiinstlern Beschaftigungsmdglichkeiten, und in der Dogenrepublik Venedig betrieben kaufmannische Patrizierfamilien einen lukrativen grenziiberschreitenden Seehandel mit vorwiegend islamisch gepragten Landern (vgl. DuLFER 2002). Im Hoch- und im Spatmittelalter setzte sich schlieElich eine zunehmende regionale Spezialisierung und Arbeitsteilung der europaischen Wirtschaft dutch. Das europaische Wirtschaftsgefiige Ende des 15. Jahrhunderts mit dem Handelssystem der Hanse im nordeuropaisch-baltischen Raum, dem Handel der oberitalienischen Stadte mit der Levante, einer zunehmenden Stabilitat von Fernhandelsbeziehungen nach Mittel- und Ostasien sowie einer Verbindung der bedeutenden Wirtschaftszentren in Norditalien und Siiddeutschland etablierte zwar noch keine Weltwirtschafr, wohl aber ein regional diversifiziertes europaisches Wirtschaftssystem, in dem innovative Unternehmer konsequent komparative Vorteile nutzten. Die friihe Neuzeit ist nicht nur untrennbar mit dem Aufstieg eines okonomisch potenten Patriziertums in den Stadten verbunden, sondern auch mit der endgiiltigen Durchsetzung des Kolonialismus, der gerade in seinen Anfangen dezidiert von handelsspezifischen Interessen gesteuert wurde. Nicht selten schufen privatwirtschaftliche Unternehmen und Handelsgesellschaften mit ihren informellen Handelsstiitzpunkten die Voraussetzung zur Etablierung eines politisch-institutionalisierten^rw2^/ empires und fungierten somit als wichtige Instrumente der staatlichen Wirtschaftspolitik. Diese Expansion europaischer Strukturen wird in der heutigen Zeit - nicht zuletzt vor dem Hintergrund eines deutlichen zeitlichen Abstands - in der Regel kritisch bewertet, wie unter anderem das folgende Zitat von LANDES (1999, S. 79) beweist: „Die Erschliefiung der Neuen Welt (fiir Europa war sie neu) hatte zwar die Form eines Austausches, aber eines asymmetrischen. MaEgebend war die europaische Sicht. Europa brachte die Sache in Gang, reagierte auf die Entdeckung und entschied iiber die Richtung der weiteren Entwicklungen. Handlungspraktisch betrachtet - wer wirkt auf wen ein? - war dies ein einseitiges Unterfangen." Eine zentrale prozessuale Markierung innerhalb der Neuzeit verkorpert die industrielle Revolution, in der sich sukzessive die Ideen eines wirtschaftlichen Liberalismus durchsetzten. Innovative Produkte, die sich vorwiegend in technischen Erfindungen manifestierten, wurden zunachst in Europa, schliefilich in Ubersee vermarktet. DUNNING (1993b, S. 99) vermerkt iiber die Implikationen der industriellen Revolution: „The industrial revolution dramatically changed both the ability and the incentive of firms and countries to engage in trade and colonizing activities. The 19th century also led to a massive cross-border movement of people, especially from Europe to North America. Capital, technology, management and entrepreneurship all followed to support and sustain these activities." So entstand im 19. Jahrhundert eine ganz neue Epoche internationaler Unternehmenstatigkeit, diesmal - im Gegensatz zu Schumpeters
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Betonung der Innovation - auf Grundlage technologischer Erfindungen und Entwicklungen (vgl. DuLFER 2002). In diese Zeit fallt auch die Geburtsstunde erster multinationaler Unternehmen, die ein weit verzweigtes Netz von Niederlassungen im Ausland aufbauten, um ihre Produkte zu vermarkten, deren Anwendung zu demonstrieren, sie bei Bedarf zu installieren und weitere Kundendiensdeistungen anzubieten (vgl. CHANDLER 1989). Zumindest aus Perspektive von Wirtschaftshistorikern ist heute kaum noch umstritten, dass die Jahrzehnte vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges eine Epoche weitgehender Globalisierung markierten. Diese Globalisierungswelle ebbte jedoch in Hinblick auf die wirtschaftliche Vernetzung zwischen den beiden Weltkriegen ab. Diejenigen Branchen, in denen bereits eine Internationale Strategie verfolgt wurde, bewegten sich nach und nach auf eine landerspezifische Struktur zu. Des Weiteren verwandelten sich viele multinationale Unternehmen in einen Verbund relativ selbstandiger Tochterunternehmen. Die Ursache fiir diese Entwicklung resultierte vor allem aus einem deutlichen Anstieg nationalistischer Tendenzen und den damit einhergehenden ZoUschranken, beides zum groEen Teil verursacht dutch die Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre sowie die beiden Weltkriege (vgl. PORTER 1989 und OSTERHAMMEL/PETERSSON 2003). Von einer ausgepragten Umkehrung der eben skizzierten Entwicklungstendenzen und einer echten Neuentwicklung internationaler Untetnehmensaktivitaten kann erst wieder seit Ende der 1940er Jahre die Rede sein. Diese wird nicht zuletzt von der sukzessiven Implementierung eines rechtlichen und institutionellen Rahmens fiir eine freie Weltwirtschaft getragen, dessen zentrale Saulen wie Weltbank, internationaler Wahrungsfond (IWF) und General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) die okonomische Globalisierung bis heute nachhaltig formen (vgl. FISCHER 1998). Zudem sind in den letzten Jahrzehnten regionale Wirtschaftsgemeinschaften entstanden, die eine Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten - zumindest zwischen den jeweiligen Mitgliedslandern - deutlich erleichtert haben. Neben wirtschaftspolitischen Liberalisierungstendenzen sind als weitere wichtige Pushfaktoren fiir eine Intensivierung grenziiberschreitender Unternehmensaktivitaten die Innovationen im Kommunikations- und Transportsektor zu nennen, so dass die jeweiligen Globalisierungskrafte langst eine Eigendynamik entwickelt haben, die seit geraumer Zeit zunehmend auch kleine und mittlere Unternehmen tangiert (vgl. PORTER 1989). Seit dem Ende der bipolaren Teilung der Welt Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre konnten sich peu a peu - in durchaus unterschiedlichen Varianten - marktwirtschaftliche Ordnungen durchsetzen; ein Umstand, der sich besonders deutlich in der Aufnahme der meisten Transformationslander in die Europaische Union widerspiegelt. Die Herausforderungen, vor denen Unternehmer mit internationalen Ambitionen stehen, sind an der Schwelle zum dritten Jahrtausend angesichts einer bis dato nicht gekannten Intensitat weltweiter Vernetzungen in politischer, okonomischer und kultureller Hinsicht immens und greifen, wie das folgende Zitat verdeutlicht, weit iiber originar betriebswirtschaftliche Aspekte hinaus: „Ob allerdings die Kommunikationspartner sich dabei auch richtig verstehen, nicht nur sprachlich, sondern vom Inhalt, von der Intention her und angesichts unterschiedlicher Wertvorstellungen, ist eine ganz andere Frage. Hier wird deutlich, dass mit diesen Veranderungen auch neue Anforderungen
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in der interkulturellen Unternehmenstatigkeit auf die Partner zukommen. Je konkreter und intensiver die geschaftliche Beziehung ist, desto deutiicher werden kulturelle Divergenzen in der alltaglichen Begegnung spiirbar. Deshalb ist die Beriicksichtigung der gesamten kulturellen Umfeldeinflusse im Auslandsgeschaft aktueller denn je." (DULFER 2002, S. 93). Diese Aussage macht nicht nur deutiich, dass die Managementlehre verstarkt mit neuen, insbesondere interkulturellen Fragestellungen konfrontiert wird, sondern sie zeigt auch, dass sich Unternehmer in der heutigen Zeit eine interkulturelle Ignoranz kaum mehr erlauben konnen. Der historische Riickblick auf die Internationalisierung von Unternehmenstatigkeit zeigt einerseits, dass das Globalisierungsphanomen primar das Resultat des Zusammenwirkens und der gegenseitigen Verstarkung langerfristiger Prozesse darstellt, andererseits wird evident, dass kreative Unternehmer zu alien Zeiten - wenn auch in unterschiedlicher Intensitat und nicht immer vor dem Hintergrund optimaler politischer und okonomischer Pramissen - grenziiberschreitenden Kontakten nachgingen. Somit manifestiert sich in Globalisierung weit mehr als nur ein BegrifF der Gegenwartsdiagnose, sondern vielmehr ein historischer ProzessbegrifF (vgl. OSTERHAMMEL/PETERSSON 2003). Mit welchen konkreten Herausforderungen Unternehmer angesichts fortschreitender Globalisierungsprozesse konfrontiert werden beziehungsweise welche Ziele sie mit einer Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten verkniipfen, wird im folgenden Kapitel aufgeroUt.
II.3
Herausforderungen und Ziele intemationaler Unternehmenstatigkeit vor dem Hintergrund von Internationalisierung respektive Globalisierung
„Das Wissen um das Ziel setzt den Drang nach dem Ziei voraus." Oswald Spengler Die Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten gehort zu den wohl grofiten Herausforderungen fiir die Unternehmensfiihrung im 21. Jahrhundert (vgl. RIEHLE 1997, BERGER 2002 und KRYSTEK/ZUR 2002). Wer sich als Unternehmer den entsprechenden Herausforderungen stellen will, kann sich immer seltener erlauben, eine Unternehmenspolitik zu betreiben, die ausschliefilich auf den Heimatmarkt fokussiert ist. Vor diesem Hintergrund ist Internationalisierung weder unternehmerischer Selbstzweck noch standortbedingter Exodus, sondern vielmehr ein konstitutives Moment im Aktionsrahmen einer sukzessive steigenden Anzahl von Unternehmen. Reduzierte man die Internationalisierung von Unternehmenstatigkeit bis weit in die 1990er Jahre vorwiegend auf multi- und transnationale Konzerne, so ist heute weitgehend unumstritten, dass dieses Phanomen, gerade im Tourismus, nicht unerheblich von kleinen und mittleren Unternehmen getragen wird (vgl. SMERAL 1998, PETERS 2001 und EDEN 2002). Dabei setzt der aus Unternehmensperspektive wichtigste Effekt fortschreitender Internationalisierungsprozesse, namlich die Intensivierung und raumliche Ausdehnung des Wettbewerbs durch zunehmend vernetzte Markte, vor allem klein- und mittelstandische Ak-
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Kapitel II
teure in Entwicklungslandern einem enormen Druck aus, der im schlimmsten Fall zum Verlust der unternehmerischen Unabhangigkeit fiihren kann: „More specifically, the independence of thousands of small and medium-sized enterprises (SMEs), including hotels and tour operators, is at risk, when compared with the multinationals. While globalization of tourism and hospitality will certainly create jobs and boost investment, many developing countries are facing the prospects of a huge growth in leakage of foreign exchange earnings in a sector that has long prided itself on being the biggest foreign exchange generator. (...) The critical issue that does emerge, however, is the impact of globalization on leakage of foreign exchange and on small and medium-sized enterprises, essentially the family-owned companies facing the same pressures as in Europe and North America. While the total sell-out of a company leaves the owner with no fijrther financial risk, the primary downside is the large outflow of income from tourism." (KNOWLES/DIAMANTIS/BEY EL-MOURHABI 2001, S. 12 f). Mit welchen Herausforderungen
Unternehmer im Kontext internationaler Unternehmenstatigkeit konfrontiert sind und welche konkreten Ziele sie mit einem entsprechenden Engagement verbinden, soil nachfolgend aufgeroUt werden. Fiir Unternehmen ist ein going international in der Kegel ein Prozess, der sich aus angestammter, nationaler Unternehmenstatigkeit heraus entwickelt, wobei der Internationalisierungsprozess als solcher ein multidimensionales Konstrukt darstellt, das aus ganz unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden kann (vgl. BAURLE 1996, MACHARZINA 1999 und SWOBODA 2002). Teils getrieben von der skizzierten Intensivierung des Wettbewerbs, teils angezogen von den Chancen zusammenwachsender Markte sind seitens der Unternehmen in den letzten Jahren zahlreiche Formen eines internationalen Engagements eingeleitet worden, wobei im Rahmen von Internationalisierungsstrategien insbesondere die Bedeutung bilateraler Kooperationen zugenommen hat (vgl. Kapitel II.5). In jedem Fall impliziert die Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten neben einer quantitativen VergroEerung der zu bewaltigenden Fiihrungsaufgaben auch eine qualitative Zunahme an Problemstellungen und Losungsanforderungen (vgl. KRYSTEK/ZUR 2002). Das Eindringen auslandischer Wettbewerber auf dem Heimatmarkt respektive der Wegfall nationaler Nischenmarkte, die verstarkte Konkurrenz bei der Bearbeitung auslandischer Markte und last but not least ein deutlicher Wandel von Konsummustern markieren zentrale Herausforderungen im Kontext einer internationalen Unternehmenstatigkeit. Gerade in den exportorientierten Landern der Europaischen Union gehoren grenziiberschreitende Geschaftsbeziehungen zum integrativen Bestandteil betrieblicher Aktivitaten. In Deutschland pflegen heute schatzungsweise rund 80 Prozent der circa 3,2 Millionen Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistung aufienwirtschaftliche Beziehungen (vgl. EDEN 2002). Insbesondere beziiglich kleiner und mittlerer Unternehmen hat sich bei der Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten immer wieder herausgestellt, dass personliche Werthaltungen, auslandsbezogene Einstellungen und Risikoabneigungen der Akteure von zentraler Relevanz sind. Hinzu kommen objektive EinflussgroEen wie beispielsweise fehlende zeitliche Manage-
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mentkapazitaten, begrenzte finanzielle Ressourcen, ein Mangel an auslandsqualifiziertem beziehungsweise interkulturell geschultem Personal sowie haufig ein ausgepragtes Informationsdefizit hinsichtlich institutioneller, rechtlicher und marktspezifischer Auslandsgegebenheiten (vgl. KoHLER 1998). Das Besondere der komplexen Herausforderungen eines internationalen Engagements liegt nicht zuletzt in einer deutlichen Ausweitung des Chancen- und Risikopotentials vor dem Hintergrund gestiegener Erwartungen. KRYSTEK und ZUR (2002, S. 13) konstatieren in diesem Zusammenhang: ,,Angesichts der vielfaltigen Unwagbarkeiten internationaler Unternehmenstatigkeit kann von einer Gleichverteilung der Chancen und Risiken oder einer hinreichenden Einschatzung ihrer Eintrittswahrscheinlichkeiten kaum mehr gesprochen werden. Damit wird Internationalisierung zu unternehmerischer Herausforderung im urspriinglichsten Sinne, und Pioniergeist sowie Risikofreude werden Tugenden, die analytischem Denken und der Beherrschung moderner Managementinstrumente in nichts nachstehen." Innovation und WissensdifFusion sind in der heutigen Zeit mehr denn je die zentralen Determinanten fur die Wettbewerbsfahigkeit von Unternehmen. Insbesondere angesichts starker Konzentrationstendenzen, die die meisten Branchen erfasst haben, stehen gerade kleine und mittlere Unternehmen vor einem hohen Anpassungsdruck. Im Tourismus zeigen sich die Konsequenzen einer fortschreitenden Internationalisierung beziehungsweise Globalisierung auf der Anbieterseite vor allem darin, dass zunehmend transnationale Konzerne mit ihren global distribution systems die touristischen Strome kontrollieren und eine entsprechende Verhandlungsmacht generieren. Umgekehrt ist das Potential klein- und mittelstandischer Unternehmen - mit ihrer niedrigen Wertschopfungs- und Produktivitatsrate sowie ungiinstiger Kostenentwicklung bei Produktionsfaktoren - , economies of scale zu realisieren, sehr gering, und die Verwendung Non computer reservation systems steckt nach wie vor in den Anfangen. Auch in Bezug auf das human resource management sind die Unternehmen vor neue Herausforderungen gestellt; in diesem Zusammenhang seien exemplarisch Aspekte wie Flexibilisierung, Spezialisierung und nicht zuletzt interkulturelle Kompetenz erwahnt (vgl. BAUM 1999 und LEE-ROSS 1999). Nur ausgesprochen innovative Unternehmen sind heute noch in der Lage, erfolgreich im globalen Wettbewerb zu bestehen, wobei gerade im Kontext von Entwicklungslandern iiber Innovation, Ausbildung, Wisstns-spillover und technologische Diffusionen catching ^/-Prozesse gefordert werden konnen (vgl. KAPPEL 2003). Die Motive einer Internationalisierung konnen einerseits unternehmensintern, andererseits unternehmensextern sein, wobei es in der Regel zu einer Uberschneidung der beiden Motivationsebenen kommt (vgl. ERNST 1999). Die unternehmensinterne Motivation basiert primar auf der Realisierung von Umsatz- und Wachstumspotentialen respektive der Verwirklichung der Unternehmerpersonlichkeit. Im Kontext der unternehmensexternen Motivation stehen vorwiegend AnpassungsmaEnahmen vor dem Hintergrund sich verandernder Wettbewerbs- und Marktbedingungen im Vordergrund (vgl. Kapitel II.6). In den letzten Jahren hat beispielsweise der horizontale Wettbewerbsdruck kleine und mittlere Unternehmen zunehmend dazu veranlasst, sich auf ein Nischenprodukt zu konzentrieren; eine Entwicklung, die sich in der Tourismusbranche geradezu paradigmatisch verfolgen lasst.
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Kapitel II
Wirft man einen Blick auf die mit einer Internationalisierung verbundenen Ziele, so ergibt sich ein ausgesprochen vielschichtiges Bild, das nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Unternehmensstruktur, der Branche sowie der jeweiligen Internationalisierungsmotive zu betrachten ist. In diesem Kontext gilt auch zu beriicksichtigen, dass international tatige Unternehmen seit geraumer Zeit mit fundamentalen Wandlungsprozessen konfrontiert sind, die sich in tief greifender und nachhaltiger Weise auf die Internationalisierungsentscheidungen sowie das Management internationaler Aktivitaten auswirken (vgl. HOLTBRUGGE 1996). So hat etwa die Intensivierung des internationalen Technoiogie- und Zeitwettbewerbs dazu gefiihrt, dass traditionelle Vorteile der Internationalisierung, wie die Ausnutzung von Kostendegressions- und Standortvorteilen, sukzessive an Bedeutung verloren haben. Auch wenn aufgrund spezifischer struktureller Dimensionen einer Unternehmung sowie divergierender Rahmenbedingungen die Internationalisierungsziele verschiedene Auspragungen annehmen konnen, so lassen sich dennoch drei grundlegende Oberziele identifizieren, die in gegenseitiger Beziehung zueinander stehen: das Gewinnziel (Rentabilitatsstreben), das Unternehmenssicherungsziel sowie das Unternehmenswachstumsziel. Aus diesen drei formalen Oberzielen leiten sich modular die Ziele einer internationalen Unternehmenstatigkeit ab und tragen zu deren langfristigen Erfiillung bei (vgl. SCHARRER 2000). Hinsichtlich der in dieser Arbeit relevanten bilateralen Kooperationen konnen unter anderem die in folgender Tabelle gelisteten Ziele eine zentrale Rolle spielen: Tab. 2:
Zentrale Ziele einer Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten
marktorientierte Ziele: etwa durch eine effizientere Marktdurchdringung, die sich an den spezifischen lokalen Anforderungen orientiert, kostenorientierte Ziele: etwa durch eine Ausnutzung von SynergieefFekten bei der Produktentwicklung oder durch eine Amortisation beziehungsweise Reduktion von Fixkosten, kompetenzorientierte Ziele: ersva durch eine Schliefiung von Wissensdefiziten in Bezug auf produktspezifische Inhalte und Technologien, zeitorientierte Ziele: etwa Zeitvorteile bei einer gemeinsam beschleunigten Produktentwicklung und Vermarktung, sicherheitsorientierte Ziele: etwa durch eine Risikostreuung bei der komplementaren Verkniipfung verschiedenster Wertschopfungsaktivitaten, ressourcenorientierte Ziele: etwa durch eine ErschlieEung von Humankapital und Infrastruktur, macht- beziehungsweise prestigeorientierte Ziele: etwa durch eine Festigung der Einflussposition gegeniiber Konkurrenten oder durch eine Steigerung des Unternehmensimages mittels der Prasenz auf prestigetrachtigen Auslandsmarkten.
Quelle: Entwurf des Autors in Aniehnung an KAUFMANN (1993), ERNST (1999) und MULLER/KORNMEIER (2002)
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Die Tabeile diirfte deutlich gemacht haben, dass es aus unternehmensspezifischer Perspektive eine ungemein diversifizierte Bandbreite an Zielen gibt, die mit einer Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten einhergehen konnen. All diesen Zielen ist gemeinsam, dass sich die betrofFenen Unternehmen von deren erfolgreicher Umsetzung strategische Vorteile versprechen, die sie auf anderem Wege nur unter wesentlich grofierer Anstrengung oder moglicherweise uberhaupt nicht realisieren konnten. Dass die Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten nicht nur ein wichtiges Thema bei den Entscheidungstragern der Wirtschaft darstellt, sondern seit geraumer Zeit auch das Interesse der scientific community weckt, macht das nachfolgende Kapitel transparent, das sich mit den zentralen Theorien einer internationalen Unternehmenstatigkeit auseinander setzt.
II.4
Zentrale Theorien der internationalen Unternehmenstatigkeit
„Das Hochste ware: zu begreifen, dass alles Faktische schon Theorie ist." Johann Wolfgang von Goethe Wie bereits in Kapitel II.2 dargelegt wurde, stellt die Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten keinesfalls ein grundlegend neues Phanomen dar, allenfalls hat sich deren Intensitat in den letzten Dekaden deutlich gesteigert. So kann es kaum verwundern, dass auch die entsprechenden theoretischen Erklarungsansatze eine ausgesprochen traditionsreiche Vergangenheit aufweisen, die bis zu den Merkantilisten zuriickreicht. Einige traditionelle Ansatze wie die Theorien der absoluten (vgl. SMITH 1775/1976) beziehungsweise komparativen Kostenvorteile (vgl. RiCARDO 1817/1988) zahlen auch heute noch zum Standardprogramm der akademischen Ausbildung von Okonomen, auch wenn diese Theorien im Kontext ihrer Entstehungszeit zu betrachten sind und nur noch bedingt mit der Realitat zu Beginn des dritten Jahrtausends in Einklang zu bringen sind. Die zentrale Bedeutung der Internationalisierungsentscheidung fiir die Unternehmen sowie ihre weitreichenden volkswirtschaftlichen Implikationen fiir die betrofFenen Lander, die Internationale Ressourcenallokation und soziale WohlFahrt begriinden nicht nur ihre praktische, sondern gleichFalls ihre theoretische Relevanz. Die Anerkennung als gerechtFertigter Forschungsgegenstand maniFestiert sich nicht zuletzt in zahlreichen Bemiihungen zur Analyse und Prognose von Verhaltensmustern international agierender Unternehmen (vgl. MACHARZINA 1982).
Um es vorweg zu nehmen: Die Komplexitat des Erkenntnisgegenstands in Bezug auFklassische und neuere Internationalisierungstheorien ist geradezu legendar, auch wenn bis zum heutigen Tag kein integratives Theoriegebaude existiert. Zumindest aus einer postmodernen Wissenschaftsperspektive ist dieses Faktum nicht iiberzubewerten, da man sich zunehmend von universalistischen Erklarungsversuchen, jenen beriihmten Meta-Erzahlungen, verabschiedet und die Fruchtbare Heterogenitat konkurrierender Paradigmen und Methoden nutzt. FFOLTBRUGGE (1996, S. 283), der sich als einer der wenigen deutschen Okonomen mit den Implikationen
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der Postmoderne fur die internationale Unternehmenstatigkeit auseinander gesetzt hat, leitet aus seinen Reflexionen pragmatische Konsequenzen fur ein going international ab: „Die als zentrales Anliegen der Postmoderne herausgearbeitete Aufgabe obsolet gewordener Ganzheitsund Universalitatsanspriiche erfordert von international tatigen Unternehmen vor allem, die Pluralitat und Widerspriichlichkeit der Realitat nicht zu verdrangen, sondern anzuerkennen und positiv nutzbar zu machen. Durch die radikaie Veranderung der Umweltbedingungen wird die statische Dichotomie von DifFerenzierung oder Unifikation, global oder lokal, integration or responsiveness [im Original sind die englischen Termini hervorgehoben, Anm. d. Verf.] durch die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher strategischer Ausrichtungen in unterschiedlichen Unternehmensbereichen, Geschaftsfeldern, Regionen und Internationalisierungsstadien iiberwunden. Der Erfolg international tatiger Unternehmen hangt damit weniger von der richtigen Entscheidung zwischen vermeintlich grundsatzlichen Alternativen, als vielmehr von der Fahigkeit zur simultanen Verfolgung komplementarer Strategien ab. Unternehmen und Mitarbeitern wird dabei eine gleichermaEen hohe Ambiguitatstoleranz und Fahigkeit zum integrativen Denken abverlangt, da nur dadurch der gerade fur international tatige Unternehmen fatalen Tendenz zur Partikularisierung entgegengev^irkt werden kann." Die meisten Theorien der internationalen Unternehmenstatigkeit sind untereinander derart stark divergierenden Fragestellungen verhaftet, dass sich die dadurch implizierte Vielfalt an Reflexionen und Interpretationen einer problembezogenen Analyse weitgehend entzieht (vgl. ENGELHARD/DAHN 2002). Als einigende Klammer der meisten Theorien fungiert jedoch deren Intention, die Wirkungsweise einer der zahlreichen Einflussfaktoren auf die Internationalisierung zu modellieren. In diesem Kontext liefern sie - anhand unterschiedlicher Annahmen, Analyseebenen und Erklarungsfaktoren - mehr oder weniger Partialansatze fiir das Internationalisierungsverhalten von Unternehmen, wobei nur wenige, insbesondere im Falle der klassischen Theorien, klare Entscheidungshilfen fur die entsprechenden Akteure bieten (vgl. KAUFMANN 1993 und PETERS 2001). Die nachfolgenden Ausfiihrungen intendieren einen kritischen Uberblick iiber zentrale Internationalisierungstheorien, wobei sich hinsichtlich deren Systematisierung die Form der internationalen Unternehmenstatigkeit anbietet. Ein Schwerpunkt liegt in diesem Zusammenhang auf Theorien, die der wachsenden Bedeutung von so genannten non-equity forms of international cooperation Rechnung tragen (vgl. WELGE/HOLTBRUGGE 2003) und Internationalisierung als einen Prozess begreifen (vgl. Kapitel II.3). In Anlehnung an KUTSCHKER und SCHMID (2002) lassen sich drei zentrale Theoriestromungen ausgliedern, deren zentrale Erklarungsansatze iiberblicksartig in Abbildung 2 festgehalten sind. Die Abbildung vermag einen Einblick in die groCe Bandbreite der wichtigsten Internationalisierungstheorien bieten, der Versuch einer umfassenden Darstellung der einzelnen Ansatze und Theorien wiirde jedoch unweigerlich den Rahmen dieser Arbeit sprengen - ganz abgesehen davon, dass an derartigen Beitragen inzwischen kein Mangel mehr zu bestehen scheint (vgl. MACHARZINA 1982, BREIT 1991, GLAUM 1996, PERLITZ 2000 und SWOBODA 2002). Die im
Anschluss naher vorgestellten Ansatze und Theorien sind den ubergreifenden Internationalisierungstheorien zuzuordnen, die sich in der Regel nicht auf eine der beiden klassischen Formen
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der internationalen Unternehmenstatigkeit, den Aufienhandel und die Direktinvestitionen, beschranken, sondern vielmehr, unabhangig von der Wahl der Internationalisierungsform, der Frage nachgehen, unter welchen Konditionen eine Internationalisierung stattfindet. Ein Schwerpunkt der Ausfuhrungen liegt in diesem Zusammenhang auf der Internationalisierungsprozessforschung der so genannten Uppsala-Schule, dem verhaltenstheoretischen Ansatz und der postmodernen Theorie des internationalen Managements. Abb. 2:
Systematisierung zentraler Internationalisierungstheorien
Quelle: KUTSCHKER/SCHMID (2002)
PETERS (2001) hat in seiner Studie iiber das Wachstum touristischer Unternehmen ausdriicklich darauf hingewiesen, dass die klassischen makrookonomischen Ansatze der Theorien des internationalen Handels zur Erklarung des Internationalisierungsverhaltens von Dienstleistungsunternehmen - zu denen auch die in dieser Arbeit relevanten Reiseveranstalter zahlen - nur bedingt in Frage kommen, da sie sich in der Regel auf den AuKenhandel von Produktionsgiitern beziehen (etwa RICARDO 1817/1988, HECKSCHER 1919/1949, O H L I N 1931 und LINDER
1961). So sind Erklarungsansatze, die ausschliefilich Export als Internationalisierungsmoglichkeit anfiihren, fiir Dienstleistungen von vergleichsweise geringer Relevanz, da bei einer Vielzahl von Dienstleistungen der direkte Kontakt zwischen Anbieter und Konsument notwendig ist. Hingegen konnen sich aus den entsprechenden Theorien, zumindest teilweise, fruchtbare Aussagen hinsichtlich Faktorausstattung und Technologievorteilen ableiten lassen. PETERS (2001, S. 61) konstatiert in diesem Kontext: ,Auch wenn Exporte fiir Dienstleistungen in vielen Fallen auszuschliefien sind, lassen sich wichtige Push- oder PuUfaktoren des Wachstums erkennen:
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vorteilhafte Faktorausstattung, das innovative differenzierte Produkt selbst oder aber interne Kapazitaten im Sinne von LernefFekten geben AnstoE, international zu wachsen." Eine der interessantesten Internationalisierungsansatze - da in diesem Fall das Erkenntnisinteresse direkt auf die Unternehmerpersonlichkeit gerichtet ist - stellt die verhaltensorientierte beziehungsweise behavioristische Theorie von AHARONI (1966) dar, die trotz ihrer Fokussierung auf Direktinvestitionen wesentlich allgemeiner konzipiert ist und daher auch andere Formen der internationalen Unternehmenstatigkeit zu erklaren vermag (vgl. PETERS 2001 und KUTSCHKER/SCHMID 2002). Aharoni legte seiner Arbeit verbaltenswissenschaftlicheAnnahmen zugrunde und „warf' - wie BAURLE (1996, S. 50) es formuliert - „die restriktiven und vereinfachenden Annahmen der klassischen okonomischen Theorie iiber Bord." Im Mittelpunkt seiner Betrachtungen stehen dabei Entscheidungsprozesse innerhalb der Unternehmung, von denen angenommen wird, dass sie nicht zwangslaufig rational ablaufen, sondern vielmehr irrationale und schwer kalkulierbare Ziige aufweisen. Dabei wird das klassische in der Okonomie gepflegte Menschenbild des rational agierenden economic man durch das des behavioral man ersetzt, der nur iiber unvoUkommene Informationen respektive begrenzte Informationsverarbeitungs- und Problemlosungskapazitaten verfiigt und Entscheidungen nicht zwangslaufig unter dem Primat eines optimizing fallt. AHARONI (1966, S. x) vermerkt in diesem Zusammenhang: „Behavior that had seemed baffling and irrational began to make sense when the decision process as a whole, taking part within an organization and a cultural system, was considered. Once my preconceived notions about how organizations should behave were erased, an orderly system of behavior began to be apparent." Im Kontext des Entscheidungsprozesses hinsichtlich einer Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten zeigt Aharoni auf, dass unter anderem Sozialisationsaspekte, Auslandserfahrungen und damit einhergehend ein gewisser interkultureller Erfahrungshorizont, aber auch vermeintlich uberraschende Motive wie Reiselust oder Prestigedenken eine zentrale Rolle spielen. Bei einer pessimistischen unternehmerischen Einschatzung in Hinblick 2xA€vi\ going international\yt6i2sit% nicht selten so genannter initial forces, etwa unternehmensexterner Vorschlage oder Mitlaufereffekte {bandwagon-effects), die dann letztendlich den entscheidenden Stimulus fur ein Auslandsengagement beisteuern. Der Ansatz von Aharoni ist insbesondere deshalb interessant, weil er im Kontext des Internationalisierungsverhaltens den Blick auf verhaltensspezifische Aspekte legt - die inzwischen integrativer Bestandteil des Erkenntnisinteresses des interkulturellen Managements sind - und somit eine sinnvoUe Erganzung zu rein okonomisch ausgerichteten Internationalisierungstheorien darstellt. Zudem beriicksichtigt er, ahnlich wie die nachfolgend erlauterte Theorie der Uppsala-Schule, den dynamischen Charakter einer Internationalisierung, wobei durchaus kritisch anzumerken ist, dass sich bestimmte Verhaltensannahmen - entsprechend ihres komplexen Charakters - nur schwer operationalisieren lassen (vgl. BAURLE 1996 und SWOBODA 2002). Dem Internationalisierungsprozessansatz von JOHANSON und V\HLNE (1977) kommt das gro6e Verdienst zu, als einer der ersten Ansatze dargelegt zu haben, dass die Internationalisierung von Unternehmensaktivitaten einen Prozess darstellt, in dessen Verlauf die jeweilige Unternehmung sukzessive ihr commitment 2i\x^2M'^2indiis,