Victor H asler / Amen Es liegt auf der H a nd, d ass bei den k erygm a tischen Au ssagen der Evangelien und d er in ihn...
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Victor H asler / Amen Es liegt auf der H a nd, d ass bei den k erygm a tischen Au ssagen der Evangelien und d er in ihn en ve ra rbeiteten Traditionen d en Worten Jesu eIn e hohe Bedeutun g zukommt. Län gs t w urde ihre k a techetisc he und paräne tische V erwendun g im L eben und in der Üb erliefe run g der ersten G emeinden erk a nnt. O ffe ne F ragen aber erh eben sich , sobald m an th eolo gisch die christologisc he R eleva nz der H erren w orte v isiert oder histori sch zw isch en den Worten des irdi sc hen und d es erhöhten J esus unterscheidet. Im synoptischen T ex tb es t and erscheint n un a n mindes tens 115 Stell en ein J es usWOrt entwe der mit der E inführungsformel «Wahrlich ich sage euc h» oder mit einer ä hnli chen , einführend en F ormulierung ve rbunden. \X' as bedeuten diese E inführun ge n? Bilden sie ein K en nzeichen für di e Sp r ache d es histori schen J esus? H a ndelt es sich da bei um ein M erkm al für eine besond ers w ichtige, christolo gische Offenbarung? Oder bean spr uchen di ese fo rmelve rbund enen Logien ein e besondere Autoritä t, weil sie Glieder einer vo n den Aposteln Tr adition skette we itergege benen darstellen? D ie vorli egende Untersuchung we ist mit Hilfe eIner red ak tionsth eologischen An alyse aller m it einer Formel ve rbundenen Lo gien n ach, d ass die F ormeln in einem weiten Umfan g zu r H ervorh ebung einer kerygm a tischen A ussage V erwendun g find en . D adu rch leistet sie in ers ter Linie einen die heutige Bemühun g be-
tätige nd en und ve rti efe nd en BeitLlg z ur Erhebu ng der Th eologie de r Evangelisten , ihrer G emeinden l: nd Tradition en. Vo r ihrer E ntfaltu ng und W ei terbildun g in der re dak tion ellen Komp osit ion h at die E in führ un gsfo rmel einen bes ti mmten Trad ition sweg z urückgelegt und dabei gewisse F unktion en erfüllt . Darum f ührt der A utor den Leser imme r wie der von der redaktionsth eologischen In terpr et atio n zu r ück auf den t ra ditio nsgesch ichtli chen W eg, den d ie F ormel inn erh alb des imm er noch w enig erhell ten R aum es de r griec hisch sp re ch en den G emeinden dur chschri tten hat . D em heuti ge n Trend, die Phäno mene der synoptischen Traditi on auf eine judenchris tli che, hebräisch sprechend e Urg emeinde z ur ückzufi.ihren oder sie wenigst ens theologisch und tr adi tion sgesc hi chtlich m it ihr zu ve rbinden, folgt d ie Un ters uchun g nicht. Wen n n ach dem historischen Sitz im L eben ge fr agt w ird, da nn erla uben die vorgeleg ten A n alysen viel mehr die These, da ss es sich bei der F orm el «Am en ich sage euch » um eine ch a rismatische Formel h a ndelt, die der Prophet im G ottesdienst ein er h ellenisti sc hen G em einde z ur A nki.i ndi gun g ei n er Weisun g des erhöhten Ky rios in die ko nkrete E xis tenzsitu ation hinein ge brau cht hat. D amit fä llt ein neues Li cht auf die fri.ih chris tliche Proph etie 111 der griechischen K irc he und au f die Bedeutun g, welche sie fi.ir die Bildung und Weitergabe des cha ri smatischen Herrenwo rtes ausgeüb t haben muss. GO TTHELF- VERLAG ZÜR I CH j STUTTGART
Victor Hasler AMEN
Victor Hasler
AMEN Redaktionsgeschichtliche Untersuchung zur Einführungsformel der Herrenworte «Wahrlich ich sage euch»
Gotthelf-Verlag, Zürich und Stuttgart
Publiziert mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung Auflage: 1000 Exemplare Gotthelf-Verlag Zürich 1969 Gesamtherstellung CVB-Druck Zürich
HENRIETTE und CHRISTOPH
VORWORT
Im Zusammenhang mit einem damals geplanten Beitrag zur Redaktionstheologie des Matthäus stieß ich vor zehn Jahren auf die ungeklärten Probleme der Amen-Formeln innerhalb der synoptischen Tradition. Vielfacher persönlicher und beruflicher Beanspruchung abgerungen, reifte seither ihre Untersuchung zur vor liegenden Gestalt. Der kundige Leser wird bald merken, wieviel ich den genannten und ungenannten Autoren, deren Veröffentlichungen in diesen Jahren die traditionsgeschichtliche Erforschung der Evangelien gefördert haben, schulde. Herzlich danke ich der Evang. Theol. Fakultät in Bem, welche die im Dezember 1966 eingereichte Arbeit als Habilitationsschrift entgegengenommen hat. Dem Schweizerischen Nationalfonds und der Bernischen Hochschulstiftung zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, wie auch der Stipendienkommission der Langstiftung danke ich für die in Aussicht gestellten Druckkostenbeiträge. Dank und Anerkennung schulde ich dem Gotthelf-Verlag und der Druckerei der Christlichen Vereinsbuchhandlung in Zürich für alles Wohlwollen und die sachkundige Beratung, nicht zuletzt auch der Zentralbibliothek in Solothurn für die zuverlässige und prompte Beschaffung der Literatur. BerniSolothurn, nach Ostern 1969.
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EINLEITUNG
§ 1: Aufgabe und Methode a) In einem A. Wikenhauser gewidmeten Aufsa:tz über die «Kennzeichen der ipsissima vox Jesu» 1953 stellt J. Jeremias 1 erstmals die AEYro uJLLv-Formeln der synoptischen Tradition zusammen und glaubt, in den Amen-Formeln ein sprachliches Merkmal für die authentischen und göttliche Vollmacht beanspruchenden Worte Jesu gefunden zu haben. Dieses «Amen, ich sage euch» will auch E. Lohmeyer in seinem Mt-Kommentar 1956 2 nicht nur als eine feierliche, rhetorische Formel gelten lassen, sondern sieht in ihm «das untrügliche Siegel dessen, der als der noch verborgene Herr der Endzeit als der Menschensohn offenbarend redet». Mit J. Schniewind 3 spricht G. Friedrich 4 von einer «Proklamationsformel» des Messias-Königs, in der sich «die Vollmacht und die Autorität des eschatologischen Propheten» zeige. 1958 hat H. Schürmann 5 den ganzen Formelbestand in einer gedrängten Arbeit über die Sprache des Christus nochmals und in sorgfältiger Beobachtung der synoptischen Differenzierung dargelegt. Er versteht die Formel als Kenn1 2 3 4 5
Jeremias, Kennzeichen 145ff. Lohmeyer, Mt 108 f. 116. Schniewind, Mt 66. Friedrich, 1CQOOOE'UXOf.tEVOL Mk V. 25. Bedenkt man die matth. Elemente und den Pleonasmus bei Mk, dann ist mit der Wahrscheinlichkeit zu rechnen, daß es sich in V.25 um eine sekundäre Auffüllung des Mk-Textes handelt. Dazu paßt, daß Mt die Mk-Vorlage nur bis V. 24 liest. e) Die Umgestaltung der Mk-Vorlage in Mt 21,20 ff erhärtet auf ihre Weise unsere Beobachtung. Aus der mkn. Spruchzusammenstellung entstand bei Mt eine lebendige Gesprächssituation. Die Aufreihungsformel des Mk wird bei Mt zur Beteuerungsformel. Das «Habt Glauben an Gott!» in Mk 11,22 und die Mahnung des angereihten Logions vom Bitten ohne zweifelnde Gedanken schmelzt Mt zu einem Ganzen zusammen, das in Mt 21,22 einen seelsorgerlichen Zielpunkt erhält: Die Erhörung eines wirklich gläubigen Gebetes wird versichert. Bei Mk liegt das Gewicht der Komposition auf dem Imperativ: «Seid gläubig!» Bei Mt aber geht es wie in Mt 7,7 ff um die Zusage «Es gibt Erhörung, wenn ihr nur recht betet!»
§ 13: Die Opfergabe der Witwe und die Verheißung anläßlieh der Salbung Mk 12,43 und 14,9 (Lk 21,3; Mt 26, 13)
a) Mk 12, 40 gibt mit ut OLXLm 'tWV X't1(>wv das Stichwort, an welches Mk V. 41 ff die kleine Anekdote anhängt. 44 Sofort 44 Hinweise bei Buhmann, Tradition 32 Anm. 4; 63; Dibelius, Formgeschichte 261 Anm.2. 44
fällt auf, wie Jesus die Jünger zu sich beordert, um ihnen eine gespreizte Belehrung über die unscheinbare Begebenheit zu bieten. Die A-Formel leitet dabei kein Herrenwort ein, sondern eine breite Wiederholung der flüchtig gestellten Szene. Das Lob über die Witwe zielt so wenig wie jenes über die Frau in Bethanien Mk 14, 3 ff (vgl. V.7) auf die soziale Verpflichtung gegenüber den Armen in der christlichen Gemeinde, sondern auf die Haltung der armen Frau in der Gemeinde. Die Größe ihrer Hingabe zeigt sich nicht am äußern Umfang, sondern in ihrer Bereitschaft, selbst auf ihren geringen Besitz um des Reiches Gottes willen zu verzichten. Die einführende A-Formel betont eine nach der Szene redaktionell gebildete und J esus in den Mund gelegte Gemeindeparänese. Lk 21, 1-4 zeigt, daß Lk die Formel des Mk nicht anders verstanden hat. Wie in 12,44 übersetzt er Amen. Dazu strafft er das ganze Stück zu einer belehrenden Zwischenbemerkung über wahre Frömmigkeit. b) Mk 14, 3-7 bilden ein biographisches Apophthegma, das in V. 7 seine Spitze und seinen Abschluß findet. In V. 8 liegt ein erster, in V. 9 ein zweiter Anhang vor. V. 7 ist Gemeindebildung. Das Leben Jesu liegt abgeschlossen hinter ihr. Dazu ist die eschatologische Erwartung gedämpft. Für Arme sorgen kann die Gemeinde noch längere Zeit. Der erste Anhang Mk V. 8 interpretiert die Szene als symbolische Salbung des Leichnams Christi. Das mit der Szene ursprünglich verbundene soziale Problem wandelt sich in die Frage der Pietät gegenüber dem begrabenen Christus. Die dadurch erreichte Beziehung auf die Passion erlaubte Mk die Einfügung in die Passionsgeschichte. Die in V. 8 noch durchschimmernde Fragestellung überrascht, weil sie mit einem längeren Liegen im Grab rechnet. Wie dem auch sei, V. 9 setzt V. 8 voraus: Wo immer das Evangelium vom leidenden Messias gepredigt wird, wird auch erzählt, was die Frau getan hat. Ein Zusammenhang mit der Mitteilung dieser Tat anläßlich 45
der Missionspredigt und der göttlichen Belohnung der Frau im Endgericht ist nicht einzusehen. 45 Mk versteht aber die Tat nicht als Liebeserweis, sondern über V. 8 als eine geheime Aussage über das Begräbnis Jesu. Für Mk wurde der Leichnam Christi als des verborgenen Messias ohne Ehrung beigesetzt. Erst nach Ostern wird J esus als der Christus erkannt und gepredigt. Diese Frau hatte mit ihrer Salbung den Schleier der Heimlichkeit zerrissen und in J esus den Christus erkannt. Dies mußte natürlich anläßlich der Salbung den Anwesenden verborgen bleiben, aber in der nachösterlichen Verkündigung des in Jesus gekommenen Messias wird nun auch die Salbung verständlich. Darum gehört die Tat der Frau zur Frohbotschaft des Markus, die das Leben und Sterben J esu so darlegt, daß Christus als der heimlich Gekommene erkannt wird. 46 Mk 14, 9 ist nicht Gemeindebildung, sondern Bildung der Redaktion selber. Die Formel ist wieder wie in Mk 12,43 redaktionell eingesetzt und dient der Unterstreichung eines entscheidenden theologischen Anliegens des Evangelisten. c) Joh 12, 1-8 wechselt vom Haus des geheilten Aussätzigen Simon ins Haus des auferweckten Lazarus und identifiziert die unbekannte Frau mit Maria. Aus der in Mk 14, 10 f gegebenen Mitteilung wird der aufbegehrende Judas Ischarioth in die johanneische Salbungsperikope eingetragen. Diese 45 Die Deutung auf Gottesengel, die der Welt die Siegesbotschaft verkündi'gen und Gott im Gericht an die Liebestat der Frau erinnern sollen, hängt bei Jeremias, Abendmahlsworte 242 Anm.4 nicht nur mit einem bestimmten Jesusbild, sondern auch mit dem Verständnis der A-Forme1 als einem Kennzeichen eines ursprünglichen Jesuswortes zusammen. Beyer, Syntax 196 Anm. 2 lehnt diese Interpretation aus sprachlichen Gründen ab. 46 Burkill, Revelati'on 230 Anm.202 bemerkt: «Her deed reveals something of the great love which early Christian piety bestowed upon the Messiah», ohne daß er zwis~hen V. 8 und 9 trennt und die mkn. Absicht faßt. Auch Grässer, Parusieverzögerung 41 versteht V. 8 f zusammen als neue Pointe der Gemeinde. 46
moralische Apostrophierung des Judas war Joh nur möglich, weil das Joh-Evg. die Perikope mit dem Logion Mk V.7 abgeschlossen vorfand. - Lk 7,36 ff. verlegt die Szene in das Haus eines Pharisäers Simon und charakterisiert die Frau als Dirne, der Jesus mit 'AEyw OOL Vergebung der Sünden zuspricht (V. 47). Mit dem Logion Mk V. 7 konnte Lk aus seinem sozialen Verständnis heraus nichts anfangen. Darum schnitt er die Pointe weg und goß das Stück gänzlich um. Nur Mt 26,6 ff hat in der Reihenfolge des Mk und mit dem Anhang und dem Amen-Logion übernommen. Die Bemerkung Mk V. 7 konnte auch Mt nicht brauchen. Sie widersprach seiner Auffassung von der geforderten neuen Gerechtigkeit.
§ 14: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen und der Ruf zur Wachsamkeit Mk 13, 30. 37 (Mt 24,34; Lk 21,32)
a) Die auch von den Seitenreferenten übernommene einleitende Formel erfüllt vorerst die Funktion der Anreihung. Die Stichwortverbindungen der hier zusammengeordneten Einzelsprüche sind längst erkannt. 47 Auch eine Verwandtschaft des Logions mit jenem in Mk 9, 1 liegt auf der Hand. Sie besteht freilich mehr in der entsprechenden theologischen Absicht, mit welcher Mk die Logien in die Komposition einreihte. Für 13, 30 wird diese sichtbar, wenn die doppelte Zielfrage 13,4 nach dem Wann und dem Zeichen der Parusie am Anfang des ganzen Kapitels erkannt wird. 48 Nicht nach der Ablauffolge der apokalyptischen Endereignisse wird gefragt. Mk setzt die Bekanntschaft mit diesen Endereignissen vielmehr voraus. In einer Art tour d'horizon erwähnt er 47 So Lohmeyer, Mk 282; Kümmel, Verheißung 53.84. 48 So Grässer, Parusieverzögerung 129 Anm. 1. 47
wohl diese allgemein bekannten Endereignisse 49, aber dann lässt er sie durch «noch nicht» oder «und dann», vgl. V.7. 10. 13. 21. 23.26. 27, ausdrücklich als Vorzeichen der Parusie fallen. Das Wissen um die Endereignisse und das nahende Ende waren für Mk und seine Gemeinde keine Frage. Sie lebten im Eschaton. Aber die Parusie blieb noch aus. Darum liegt bei 'tuihu nuv'tu der Ton auf nuv'tu. Nicht die apoka~ lyptische Chronologie, sondern der Kairos der Parusie ist Problem. 50 So fällt auch auf den unmittelbar angeschobenen Spruch von den nicht vergehenden Worten J esu ein besseres Licht: Mit den Worten sind die Verheißungen der Parusie des Menschensohnes gemeint. Himmel und Erde werden vergehen, diese Verheißungen aber nicht hinfallen, sondern in der einbrechenden Parusie in Erfüllung gehen. Der Versuch, die J esusworte als bleibende Gültigkeit beanspruchende, neue Gesetzesworte der kommenden Reichsordnung oder gar der christlichen Gemeinschaft zu verstehen, kombiniert in unerlaubter Weise mit Mt 5, 17 ff. So gehört V. 31 eng zur Aussage von V.30: Das gegenwärtige Geschlecht 51 wird den Kairos der Parusie noch erleben. Freilich möchte dabei Mk, sowenig wie in 9, 1 seine Gemeinde einfach trösten, sondern vielmehr in betonter Weise zu nicht erlahmender Bereitschaft aufrufen. Darum nun die kurzen, sich drängenden Imperative der V. 33 ff. Darum die redaktionelle Verklammerung der Jesuszeit mit der Markuszeit in V. 37: «Was ich 49 Auch Marxsen, Mk 127 erkennt, daß die mkn. Aussage im Bogen zwischen V.4 und 37 hängt. Vgl. ibo 101-140 die grundsätzliche Diskussion mit Kümmel. 50 «Mag Mk 13 aus Traditionsstücken komponiert sein wie immer, der Leser soll wissen: den Termin jenes Tages weiß Gott allein! Alle (bto'X.aA.U'ljn~ behält ihr entscheidendes Mysterium!» Fascher, Beobachtungen 252 Anm. 13. 51 Mit Recht verteidi:gen Kümmel, Verheißung 54; Bultmann, Tradition Erg. Heft 19 und Marxsen, Mk 133 die Beschränkung auf die Generation Jesu. Freilich denkt Kümmel hier wie bei 9, 1 an ein genuines Jesuswort. 48
aber euch (= den Jüngern) sage, das sage ich allen (= allen Christen zur Zeit des Mk): Wachet!» Der Begriff yertyoeeiv sitzt in der eschatologischen Paränese des Evangelisten. Von Mk 13, 24. 35. 37 dringt er über 13,33 bei Mt ein, nämlich in Mt 24, 42 und 24, 43. Der andere Ort bei Mk ist die ebenfalls auf die eschatologische Drangsal bezogene Gethsemaneszene Mk 14, 34. 37. 38, mit direkter übernahme in Mt 26, 38. 40. 41. b) Man wird Formel und Logion in Entsprechung zur Beurteilung von 9, 1 in der Nähe der charismatischen Weisung sehen müssen, wenn nach ihrer Herkunft gefragt wird. Die Redaktion selber ist an dieser Fragestellung nicht interessiert, sie tradiert und komponiert aufgenommenes Gut im Charisma eigener paränetischer Verkündigung. Die Mk 13, 30 eingesetzte Formel erfüllt, indem sie über ihre formale Funktion der Verklammerung des Logions hinauswächst, von neuem ihre ursprüngliche Aufgabe, das mahnende Wort des Erhöhten in die angestrengte Situation der Gemeinde zu stellen. Auch die integrierte Formel in V. 37 erhellt, wie und an welchem Ort die Redaktion die Formel in V.30 versteht. Neben der formalen Aufgabe der Logienanreihung dient sie Mk als Stilmittel der Gemeindeparänese. Es gehört zu seiner Gesamtkonzeption, daß diese Mahnung auf die unmittelbar erwartete Parusie ausgerichtet ist und darum auch die andringliche Direktheit seines missionarisch verstandenen Kerygmas aufweist.
§ 15: Die Worte in der Passionsgeschichte Die Bezeichnung des Verräters Mk 14,18 (Mt 26,21)
Das Trinken im Reiche Gottes Mk 14, 25 (Mt 26, 29; Lk 22,18)
Die Ankündigung der Verleugnung Mk 14, 30 (Mt 26,34; Lk 22,34) 49
a) Mt 26,21 übernimmt Formel und Logion wörtlich aus Mk 14, 18. Die für Mk typisch nachhinkende Schriftanführung «der mit mir ißt» fehlt bei Mt. Auch Joh 13, 21 bleibt ohne Schriftzitat. Vorher aber zitiert Joh 13, 18 LXX Ps 40, 10. Dazu kommt, daß Mk 14, 18 nur vom Essen, nicht aber vom Brot spricht, also ungenau auf die Schriftstelle verweist. Doch darf nicht vorschnell auf eine sekundäre Glosse geschlossen werden. Vermutlich hat Joh die vor(?)mkn. 52 Tradition in einer durch die Gemeindereflexion weitergewachsenen Gestalt vor sich. Die Verankerung des Verrates in der Schriftweissagung liegt nach Mk 14, 21 durchaus in der Absicht des Evangelisten. Mk betont, daß einer der Zwölf der Verräter ist. Diese Hervorhebung des Einen aber ist auch das Merkmal der Schriftstelle. Warum verzichtet Mk auf genaue Zitierung der Schriftstelle und genügt ihm eine Anspielung? Er nimmt Allgemeingut auf. Die Gemeinde verstand schon vor Mk das Leiden und auch den Verrat durch Judas als einen in der Schrift geweissagten und darum notwendigen Ablauf des göttlichen Heilsplanes. Warum aber lässt Mk Jesus selber auf die Schriftnotwendigkeit des Judasverrates hinweisen? Die Konzeption des Evangelisten von der geheimen Offenbarung des Messias erstreckt sich bis in den Jüngerkreis Jesu. Dazu muß gesehen werden, daß gleichsam als Kehrseite dieser Konzeption eine Theorie der Verstockung parallelläuft. 53 Im Judasverrat greift sie in den Jüngerkreis hinüber. Die Szene der Verräterbezeichnung ist ebenfalls traditionell. Auch das Jesu in den Mund gelegte Wort ist ein Detail der Kultlegende. Für Mk aber bietet sich eine Gelegenheit zur theologisch erheblichen Aussage. 52 Vgl. Schweizer, Herrenmahl 380 Anm. 29; Tödt, Menschensohn 134. 377 (= mkn.); Jeremias, Abendmahlsworte 91. 94; Hahn, Hoheitstite147 Anm.1 (= vormkn.). 53 Gni'lka, Verstockung 31: «Er spricht sogar von ihrer Herzenshärte und ihrer Verstockung.» 50
b ) Das an das Kelchwort angeschlossene Verzichtwort Mk 14,25 wurzelt mit dem singulären Ausdruck 1:0 YE'V'YHUl 1:ij~ a!-lJtEAou, dessen Verbindung mit JtL'VEL'V Ex., mit der Erwähnung «jenes Tages» und wohl auch von X.UL'VO'V in der Terminologie der Passahliturgie. Auch die Verbindung mit einer einführenden Formel ist traditionell. Freilich führen Mt 26,29 und Lk 22, 16. 18 diese Formel ohne Amen, sondern mit ÖE resp. yaQ. Joh 6, 53 führt ein Wort, das vom Essen des Fleisches des Menschensohnes und vom Trinken seines Blutes spricht, durch eine Formel mit doppeltem Amen ein. Wenn die johanneische Bildung auch in keiner Weise das synoptische Verzichtwort aufweist, so gehört sie doch in den Raum der hellenistischen Abendmahlsfeier, in der auch die synoptische Tradition die A-Formel vorgefunden haben kann. Die Semitismen in Mk 14, 25 beweisen nicht mehr als die Nähe zur Tradition der hebräisch sprechenden Urgemeinde. 54 Ober die Herkunft der A-Formel sagen sie noch nichts aus. In den Stellen Mk 5, 3; 7, 12; 9, 8; 10, 8; 12,34 und 15,5 zeigt Mk eine gewisse Vorliebe für den Gebrauch von O\JX.El:L. Lk übernimmt diese betonte Verneinung nur in Lk 22, 16, wo er die Verzichterklärung auf die Passahmahlzeit umformt. 55 Mt 26, 29 und Lk 22, 18 lassen O\JX.E1:L fallen und betonen mit aJt' liQl:L resp. aJto 'tou 'VU'V den heilsgeschichtlich qualifizierten Zeitpunkt. Besonders für die lkn. Auffassung beginnt von nun an die Zeit der Kirche, die anstelle des jüdischen Passah das von J esus eingesetzte Abendmahl feiert. Mk verfolgt eine 54 Wenn auch Lohmeyer, Mk 30 auf die Semitismen aufmerksam macht und Jeremias, Abendmahlsworte 174 ff sie nachweist, so gilt trotzdem die Bemerkung Wilckens, überlieferung 298: «Die urchristliche überlieferung gerade auch des hellenistischen Chri'stentums ist wesenhaft in jüdischer Tradition beheimatet.» Semitismen sprechen nicht gegen einen Sitz in der griechischen Gemeinde. 55 Kümmel, Verheißung 25 und Conzelmann, Mitte 106 sprechen im Anschluß an Dibelius, Formgeschichte 211 von einer historisierenden Umbildung des Lk. 51
andere Absicht. Während er das Brotwort ohne jeglichen Zusatz erwähnt, widmet er dem Kelch der Danksagung alle Aufmerksamkeit. Er unterstreicht, wie alle aus dem Kelch getrunken hatten. Er betont die Verbindung des Kelches mit dem Gedanken an den im Blute Jesu geschlossenen neuen Bund, wie er in der von Paulus 1. Kor 11, 25 weitergegebenen Tradition erscheint. Wie nach Mk 10, 45 der Menschensohn sein Leben zum Lösegeld für viele hingegeben hat, so ist auch sein Tod das Bundesblut, das er für viele ausgegossen hat. Dabei aber versteht Mk das Abendmahl 56 nicht wie Lk in erster Linie als Erinnerungsmahl, sondern als Hoffnungsmahl. Der Kelch ist ihm wichtig, weil er auf die Wiederkunft des Menschensohnes weist. 57 Seine Parusie wird die Vollendung des neuen Bundes und damit den Einbruch des Reiches Gottes bringen. Der Tod des Menschensohnes ist für Mk Unterpfand der Hoffnung auf die eschatologische Erlösung durch den wiederkommenden Menschensohn. Darum ergänzt er das Kelchwort, mit der A-Formel eingeführt und hervorgehoben, durch ein aus traditionellen, kultischen Elementen geformtes Jesuswort, das den Blick auf die Parusie richtet. c) Die Vorhersage der Verleugnung Petri ist verschieden überliefert. Mt 26,34 übernimmt die A-Formel wörtlich von Mk 14, 30, ecp't') statt ÄE"{EL vielleicht in Anlehnung an ecp't') Mk V.29; OU O~~EQOV und M~ übergeht Mt. Lk. 22,34 zeigt die meisten Unterschiede. Trotzdem er sonst eine A-Formel bei Mk nie mit der bloßen Kurzformel wiedergibt, ist die Annahme eines besonderen Überlieferungsstranges hier nicht nötig. Die Veränderungen lassen sich aus der Eigenart des Lk erklären. ~{, ersetzt er durch den Namen des Petrus und stellt 56 Vgl. zur «Bearbeitung des Mk-Textes» Buhmann, Tradition Erg. Heft S.42. 57 Grässer, Parusieverzögerung 54.56 unterstreicht das Bewußtsein unmittelbarer Naherwartung; mkn. oder vormkn.? 52
ihn als Apposition zu aoL ~~f.A.EQOV fügt er zum Hahnenschrei und benötigt darum die Angabe «diese Nacht» nicht mehr. Die Erwähnung des zweimaligen Hahnenschreis läßt er mit Mt und Joh 13, 38 fallen. 'A3t<XQv~a'Yl mildert er mit f.A.TJ ELro3t6~ 'tL~ von V. 16. Dieser schickt seinen ÖO;:;AO~ nochmals hinaus in die Straßen und an die Zäune der Stadt mit dem Auftrag: «Nötige zum Kommen, damit mein Haus voll werde!» Dieser Befehl zur Nötigung V. 23 b gehört zur lkn. Interpretation. Mit der Formel aber wechselt V.24 das Subjekt. Der Hausherr des Gleichnisses müßte sich an den Diener, nicht an eine Mehrzahl richten. 'Av~(> ist freifreilich lkn. Vorzugswort, aber V. 24 macht mit 'toov ävö(>oov einen überladenen Eindruck. Die Beobachtung, daß bei Lk ein mit der Formel eingeführtes Logion ein Gleichnis abschließt, kann in Q wenigstens für Mt 18, 13 f / Lk 15, 7 und wohl auch für Mt 24, 47 / Lk 12, 44 geltend gemacht werden. Auch in der Q-Gestalt deutet Jesus das dargebotene Gleichnis, indem er das Erzählte kommentiert und mit der Formel eingeleitet die Verurteilung der Erstgeladenen ausspricht. Es handelt sich nicht um die bloße Androhung eines Ausschlusses, sondern um die Erklärung des bereits vollzogenen Ausschlusses. Parabel und abschließendes Logion werden als Weisung einer Gemeinde verständlich, die Jesu Wort weitergab, weil sie sich der Heidenmission zuwandte und diese rechtfertigte. b) Wie hat Lk die übernommene Q-Formel verstanden? Lk hat die Parabel bei den Tischgesprächen untergebracht, die nach 14, 1 an einem Sabbat im Hause eines Obersten der Pharisäer stattfinden. Aber schon V. 7 setzt etwas ab, nimmt weder auf den Sabbat noch auf"die Pharisäer Bezug, sondern schildert eine allgemein zutreffende Situation. Die Seligpreisung mit der Erwähnung der Belohnung in der Auferstehung der Gerechten V.14 verbindet mit dem dritten «Tischgespräch», welches durch V. 15 verklammert ist: Einer der zu Tische Liegenden formt eine weitere Seligpreisung. Sie nimmt den Begriff des <payeiv ä(>'tov V. 1, aber auch f.ta%a(>LO~ V. 14 und die Beziehung auf das Eschaton auf. Die Parabel von der Mahlzeit wird dadurch zu einer Aussage über das 106
Mahl mit dem gekommenen Menschensohn. Die Zuordnung an eine Pharisäermahlzeit täuscht nicht darüber hinweg, daß es Lk nicht um Pharisäerpolemik, sondern um die wiederholte und eindringende Ermahnung der Gemeinde zu einem Leben in der Nachfolge geht. Seine Gemeinde soll sich nicht in der Sorge um irdischen Besitz verlieren, sondern bei äußerer Anspruchslosigkeit zur Wahrnehmung der missionarischen Verpflichtung zurückkehren. Schon V. 12 ff ruft auf, die gesellschaftliche Gewohnheit zu durchbrechen und sie durch diakonisches Handeln an den Ärmsten zu ersetzen. Diese «proletarische öffnung» der Gemeinde entspringt missionarischen Motiven. 123 Diakonie geschieht nicht um ihrer selbst willen, sondern soll die leeren Plätze an der Festtafel im Reiche Gottes füllen! Zum Verzicht auf äußere Lebensgüter rufen darum in wiederholter Eindringlichkeit die Sprüche 14, 25 ff. V.25 zeigt äußerlich den Szenenwechsel: Jesus wendet sich an die zusammengeströmten ÖXAOL 3tOAAOL. Kat ExaAEoEv 3tOAAOU~ heisst es auch V. 16, während Mt direkt von den «Berufenen», also von einer ganz bestimmten Auswahl spricht. Mt betont die Einladung durch die Wiederholung. Lk bringt die Doppelung bei den neu zu Berufenden an. Das Gewicht liegt nicht auf dem Ausschluß der Erstgeladenen, sondern auf der neu zu ergehenden Einladung. Weil Lk an das eschatologische Mahl denkt, wird die ursprüngliche Ausschließung der Erstgeladenen auf eine Drohung reduziert. Wer sich durch Besitz, Handel und Ehe nicht binden läßt und darum die Forderungen der Jüngerschaft erfüllt, gehört zu jenen, die das immer noch Platz bietende Haus füllen helfen. So hat die lkn. Paränese eine doppelte Tendenz: Sie ruft die Wohlstandschristen in die Askese der Nachfolge und gibt der missionarischen Verpflichtung der Gemeinde eine ganz bestimmte Stoßrichtung. 123 Vgl. Jeremias, Gleichnisse 38 und Hasler, Hochzeit 27: Zum Missionsbefehl kommt die soziale Indikation hinzu. 107
§ 45: Macht euch Freunde Lk 16, 9 a) Mit der Formel setzt Lk 16, 9 neu ein. V.8 bildet den ursprünglichen Abschluß des Gleichnisses. Mit %UQLO~ V. 8 ist nicht der reiche Mann des Gleichnisses V. 3. 5 gemeint, sondern J esus. Auch zwischen V. 8 a und b wird eine Naht spürbar. V. 8 a enthält lediglich ein Urteil über das Verhalten des Verwalters, eine Bemerkung zur Bildhälfte, die aber die Beziehungen zur Sachhälfte nicht völlig aufdeckt. Warum lobt Jesus den Verwalter? Der Verwalter gilt als weise, weil er, bevor er zur Rechenschaft gezogen und entlassen wird, die Frist bis zu seiner gewissen Verurteilung ausnützt und sich für nachher die ihm gegenüber verpflichteten Freunde sichert. So wird ein erster Sinn erkennbar: Wer andern Schuld erläßt, wird im Endgericht eher bestehen. ~Qov(fA.(O~ V. 8 a wirkte als Stichwort für die Verbindung mit der V. 8 b folgenden Sentenz. Sie erscheint mit Ö'tL als Begründung des überraschenden Urteils V. 8 a, verschiebt aber sogleich den Sinn ins Allgemeine. Die Weltkinder stehen den Söhnen des Lichtes gegenüber. Ihre entschlossene und folgerichtige Klugheit in einer Krisensituation soll diesen als Vorbild dienen. b) Mit V. 9 beginnt eine dritte Deutung. Die mit %aL Ej'OO verbundene und umgestellte Kurzformel 124 des Lk erfüllt die Funktion der Anreihung. «Macht euch mit Hilfe von Geld und Gut Freunde, damit sie euch einmal in die ewigen Zelte aufnehmen, wenn der Mamon hinfällt.» Diese Interpretation schließt an die zweite Deutung auf allgemeine Klugheit an. Als Söhne des Lichtes sollen die Jünger, gemeint sind die Christen, auf ihre Weise mit Geld und Gut klug umgehen. Wie sich der listige Verwalter mit dem schlauen Schulden124 Wenn Jeremias, Gleichnisse 34 Anm.2 und 37 Anm.l u. Ä. als Ei'gentümlichkeit der lkn. Quelle hinstellen möchte, dann sind die angezogenen Stellen nicht beweiskräftig. Lk 6, 27 ist die Umstellung deutlich redaktionell; in Lk 11,9 ist die Formel in Q sehr unwahrscheinlich und Lk 12, 22 ist die v. 1. sekundär. 108
erlaß Freunde sicherte, damit er, vor die Türe gesetzt, bei diesen Freunden unterkommen kann, so mögen auch die Christen ihr Geld und Gut dazu benützen, um sich Freunde zu gewinnen, die einmal im Jüngsten Gericht vor den Richter treten werden und bezeugen können, wie viel Gutes die Christen an ihnen gewirkt hatten. 125 Die Bildhälfte V. 4 b wird also ausgelegt, indem der Gesichtspunkt der Sentenz V. 8 b berücksichtigt wird. Mamon bildet darauf das Stichwort zur Anreihung der beiden Sprüche V. 10 ff und V. 13. Der sachlich verbindende Gedanke ist der der Haushalterschaft. Lk versteht darunter die rechte Haltung gegenüber dem irdischen Gut. In V. 11 bricht die missionarische Verpflichtung durch. Die Glaubwürdigkeit der Verkündigung fällt dahin, wenn der Jünger «den ungerechten Mamon» nicht entsprechend einsetzt. Das Sprichwort V. 10 wird ausgelegt. V. 12 nimmt wieder den Gesichtspunkt der himmlischen Belohnung von V.9 auf. V. 13 ist aus Q aufgenommen. So sind V. 9-12 als redaktionelle Bildung zu betrachten. Die Formel dient der Verklammerung und der Hervorhebung der durchgehenden lkn. Paränese.
§ 46: Zwei auf einem Bett Lk 17, 34 Die Bearbeitung und Ergänzung der Mk- und Q- Vorlagen im Abschnitt 17,22-37 ist offensichtlich. Lk 17, 34 darf nur bedingt Q zugeteilt werden. Daß Mt 24,40 die heiden Männer aus dem Bett geholt und auf den Acker gestellt hätte, ist reine Vermutung. Tall'tTI 'tu 'V'U%'tL Lk 17, 34 hängt gänzlich in der Luft. 126 Nicht von der Nacht, sondern vom Tag, und
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125 «En redigeant ce V. 9, Luc a voulu donner la parole une seconde conclusion, la premi-ere (V. 8) lui paraissant insuffisante... La seule maniere chretienne de se faire des amis l'aide de l'argent, c'est de le distribuer aux pauvres.» Descamps, Composition 50. 126 Die Schwierigkeit mit 'tu{,.tn 'tu 'Vux,'tL empfindet auch Kümmel, Verheißung 37 Anm. 83.
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zwar vom Tag des Menschensohnes (V. 24.30.31), ist im Kontext (wie Mt zeigt, wohl auch in Q) die Rede. Trotzdem kann die formale Entsprechung zu Mt 24, 40 nicht zufällig sein. Dazu geht Lk 17, 34 dem in Q nachweisbaren Wort von den mahlenden Frauen voran und ist kaum diesem nachgebildet worden. Der Sprachgebrauch von V. 34 ist nicht spezifisch lkn. Immerhin sei auf Lk 12, 20 hingewiesen, wo Lk im Gleichnis vom reichen Toren unvermittelt die Stimme Gottes einführt und ebenfalls unmotiviert den Ausdruck 'tull1;n 'tf\ VU'X'tL anführt. Mag nun Lk das Wort in Q gelesen oder anderswo aufgenommen haben 127, er kehrt damit wieder zur Q- Vorlage zurück. Weil er die Naht empfand, überbrückte er sie, indem er seine Kurzformel als Klammer voransetzte. 128
§ 47: Recht schaffen in Kürze Lk 18, 8 Schon mit V. 6 geht Lk im Gleichnis 18, 1 ff von der Bildzur Sachhälfte über, indem er mit eI3tEV ÖB (, 'XUQLO~ neu einsetzt, Jesus vorerst die Hörer aufmerken und dann V.7 in der Form einer rhetorischen Frage eine Anwendung auf die Erwählten folgen läßt. Wenn schon ein ungerechter Richter sich von einer unablässig bittenden Witwe erweichen läßt, seines Amtes zu walten, wie viel eher dann Gott! Derselbe Schluß begegnet uns im Q-Wort Mt 7, 11 / Lk 11, 13. Die Gemeinde soll wissen: Wie die Witwe durch ihr beständiges Bitten (vgl. Lk 11, 5-8) Gehör erlangt, so wird auch das unablässige Flehen der Auserwählten zu Gott als einem gerechten Richter die noch ausstehende Rechtfertigung verschaffen. 127 Strobel, Nacht 21 vermutet eine· Quelle, die mit dem nächtlichen Kommen des Menschensohnes rechnet. 128 Strobel, Nacht 21 spürt die formale Verwendung der Formel, wenn er bemerkt, daß man sie lieber an einer andern, sachlich-christologisch tieferen Stelle der Rede sehen wollte. 110
V. 8 a schließt nun Lk in Vertiefung der rhetorischen Frage, durch seine Kurzformel zu einer Aussage verbunden, die Vergewisserung an: Gott wird die Rechtfertigung in Kürze schaffen. V. 7 und 8 a gehören eng zusammen und bilden eine geschlossene redaktionelle Aussage. Das wiederholte 3tOLELV 't~v Ex.Mx.'YJo'LV verklammert. Was ist aber unter Ex.Mx.'YJO'L~ zu verstehen? Wie Lk 11, 5 ff auf die Gabe des h1. Geistes 11, 13 b hinführen, so muß auch hier V. 8 a ergänzt werden. Wie der ungerechte Richter der bittenden Witwe Gerechtigkeit verschafft, indem er ihr das ihr Zustehende, aber Vorenthaltene zugehen läßt, so schenkt Gott der Gemeinde mit der Gabe des h1. Geistes die Rechtfertigung ihrer angefochtenen Existenz. 129 In der Apg wird Lk nicht müde, diese Rechtfertigung immer wieder neu zu zeigen, vg1. dazu Apg 1,5; 2,4.38 f.; 4,31; 9,31; 10,44 ff; 15,8; 19,6. Ist damit der redaktionstheologische Zusammenhang erkannt, dann entfallen die Versuche, 18, 6 ff mit dem Problem der Parusieverzögerung in Verbindung zu bringen. Weder handelt es sich um vorlkn. Erwartung des eschatologischen Gerichtes und des Eintretens der Gottesherrschaft in kurzer Frist, noch um ein verkrampftes Erbeten einer baldigen, nicht mehr weiterhin aufgeschobenen Parusie durch die lkn. Gemeinde. Nur V. 8b erweist sich als Nachtrag einer Hand, die Lk im Sinne der Menschensohnerwartung interpretierte. Die lkn. Formel aber erfüllt wieder als Abschluß einer Parabel die Funktion der redaktionellen Interpretation.
§ 48: Der gerechtfertigte Zöllner Lk 18, 14 Die Kurzformel Lk 18, 14 begegnet wieder als Einleitung einer abschließenden Gleichnisdeutung. Der Gegensatz Pharisäer / Zöllner durchzieht das ganze Evangelium. Lk versteht 129 Vgl. zum Geistverständnis des Lk Schweizer,
.7tVEÜIL(l
S. 401, 33 H.
111
ihn als einen typischen, nicht historischen. Zur Einleitung der drei Verlorenen-Gleichnisse Lk 15 murren die Pharisäer und Schriftgelehrten, weil sich J esus zu den Sündern setzt. Wie in der Schlüsselstelle Lk 16, 15, so wendet sich auch Lk 18, 9 ff allgemein an solche, die sich als gerechtfertigt betrachten und die übrigen verachten. Man darf Lk nicht mit dem Gegensatz einer sogenannten jüdischen Gesetzesgerechtigkeit zur geschenkten Glaubensgerechtigkeit belasten. Lk bekämpft nicht den frommen Lebenswandel, sondern die Verachtung des Sünders, der im Gegenteil gesucht, zur Reue und Umkehr geführt werden muß. Darum ist der Zöllner nicht einfach Sünder, sondern einer, der nicht wagt, seine Augen himmelwärts zu heben, der in Trauer an seine Brust schlägt und Worte aus Ps 51 betet. Man darf nicht fragen, worin das Gerechtfertigtsein des nach Hause zurückkehrenden Zöllners besteht. Gesichtspunkt ist der vor Gott reuige Sünder. Von ihm darf es keine selbstgerechte Distanzierung geben: Der V. 14 b aufgenommene zweigliedrige Maschal ist sehr wohl als redaktionelle Beifügung verständlich.
§ 49: Die Worte im lkn. Passionsbericht Lk 22,16.37.43 a) Die Verzichtworte Jesu anläßlich des letzten Mahles wurden im Zusammenhang mit Mk 14, 25 bereits besprochen. Wenn Lk neben der mkn. Kurzform auch eine Langform des Abendmahlberichtes gekannt hat, so läßt sich Lk 22, 16 dennoch als redaktionelle Bildung verstehen. Die aus Mk vorausgenommene und verdoppelte Erklärung auf den Verzicht des Passahmahles betont die Ersetzung der jüdischen Feier durch das christliche Abendmahl. b) Die Formel Lk 22,37 liegt mitten in der redaktionellen Komposition 22, 35-38, welche verschiedene Traditionselemente zu einem mühsamen Dialog zwischen Jesus und 112
seinen Jüngern zusammenstellt. Was bezweckt Lk damit? Voraus geht V.31 die Eröffnung an Petrus, daß der Satan ihn in Versuchung führen und seinen Glauben gefährden werde. Dann folgt knapp die Anzeige der Verleugnung, wobei die A-Formel bei Mk nur im kurzen Ä.. OOL, IIlhQB anklingt. Der Ton liegt für Lk nicht auf dem Ereignis der Verleugnung, sondern, wie V. 31 verrät, auf der für die Jesusjünger kommenden Zeit der Drangsal, in welcher der nachmals bekehrte Petrus sie stärken wird. Die Drangsal kommt nicht nur über Jesus, sondern auch über die ganze Jesusgemeinde, weil die Geschicke nach den in der Schrift gegebenen Ankündigungen abrollen müssen. 130 22, 35 ff hat keinen andern Sinn, als gerade dies hervorzuheben. Die Aufforderung, den Mantel zu veräußern und dafür ein Schwert zu kaufen, ist nicht der Ruf zu zelotischem Aufstand und siegreichem Endkampf mit Waffengewalt 131, sondern symbolischer Hinweis auf die nun beginnende Leidens- und Verfolgungszeit. 132 Für Jesus selber geht diese mit der Kreuzigung zwischen den Verbrechern zu Ende 133, für die Jüngerschaft aber nicht. Zwei Schwerter genügen, denn Lk will zugleich, wie mit V. 49 ff, das zelotische Mißverständnis abwehren. Die verwendete Formel dient lediglich der Hervorhebung des schriftgemäßen Ablaufes. Das beigefügte yaQ verklammert mit dem Hinweis auf die geforderte Entsagung und Leidensbereitschaft. 130 Apg 13,29 liegt di'eselbe lkn. Formulierung vor. Die dritte Leidensankündigung verbindet nur Lk 18, 31 mit dem Schriftbeweis. Mit Recht betont Schubert, Structure 178, daß die besondere literarische, historische und theologische Verwendung des Lk in Lk 24 ihren Höhepunkt erreicht. 131 Nach Hahn, Hohei'tstitel167 H. Vgl. daselbst seine Diskussion mit Schürmann, Rehkopf, Cullmann u. a. 132 Vgl. Conze1mann, Mitte 74 H. 133 TBABO''fHj'Vut E'V E~ot und 1:0 3tBQL E~OU 1:EAO~ EieBt sind identisch. Gut übersetzt die Zürcher Bibel: «denn was mir bestimmt ist, kommt jetzt zu Ende»; falsch aber Bauer, Wb s. v.: «meine Lebensarbeit i'st zu Ende.» . 113
c) In Lk 23, 39-43 geht es Lk nicht um das Problem der Parusie, sondern um den Begriff der Sünderbekehrung innerhalb seiner missionarischen Konzeption. Darum darf auch kein Gegensatz zwischen der Frage des Schächers und der Antwort Jesu, zwischen Reich Gottes und Paradies, herausgelesen werden. Es geht Lk nicht um die Korrektur einer Basileia-Vorstellung. Der Schächer bittet mit den Worten Josephs im Gefängnis Gn 40, 14 «Gedenke meiner!» Darauf liegt der Ton. Die Basileia erscheint als eine transzendente Größe. 134 Der sterbende J esus befindet sich im Aufbruch in das himmlische Reich seines Vaters. Zur Zeit des Evangelisten sitzt darum Christus zur Rechten des Vaters, während seine Gemeinde auf Erden durch die Verfolgungsleiden hindurch muß. Der Tod des Stephanus Apg 7,54 ff. 59 zeigt dieselbe Vorstellung. Zum Verständnis von O'~""EQOV 23,43 helfen die übrigen Stellen im Sondergut: Lk 2, 11 wird den verachteten Hirten das Heil durch die Geburt des O'ro't~Q als gegenwärtig verkündigt. Lk 13, 32 f soll Herodes ausgerichtet werden, daß J esus heute und morgen Dämonen austreiben, Kranke heilen und dabei durch die Dörfer und Städte wandern muß, weil er sich so auf der von Gott vorherbestimmten Reise nach J erusalem befindet. J esu Leidensweg ist auch der gottbestimmte Weg der Gemeinde. Endlich Lk 19, 5.9: Jesus «muß» «heute» bei Zachäus einkehren, denn, wie der beigefügte Menschensohn-Spruch sagt, ist er gekommen, zu retten, was verloren ist. Warum muß er und warum gerade heute? Für Lk steht Jesus vor Jerusalem, am Ende seiner Wanderung. In Jerusalem «muß» er nach der Schrift sterben. Vor dem Ende aber erstreckt sich die Zeit des Heils, das Heute der Begegnung des reuigen Sünders mit dem O'ro't~Q. Die aus Mk bekannte A-Formel versteht Lk als Stilmittel zur Beteuerung eines ihm wichtigen Sachverhaltes. In Lk 23, 43 verdichtet 134 Vgl. Kümmel, Verheißung 67 f. 114
sich seine ganze Konzeption. Unmittelbar vor dem schriftgebundenen Ende vollzieht sich nochmals das «Heute des Heils», die Zuwendung der O'oo'trlQLU an den reuigen, sich zum Kyrios wendenden Sünder.
115
Zweiter Teil
Die Bedeutung der Formel
4. Kapitel
DER REDAKTIONSTHEOLOGISCHE SINN
Die über die formkritisch verfahrende Analyse hinausführende Einsicht einer redaktionsgeschichtlichen Exegese besteht darin, daß die Evangelisten die Tradition nicht nur gesammelt und geordnet, sondern ihren theologischen Konzeptionen entsprechend und in Berücksichtigung der innem und äußern Situation ihrer Gemeinden tiefgreifend verändert haben. Unsere Analyse der einzelnen Formelstellen ist dieser grundlegenden Struktur der Evangelien immer wieder begegnet. Nun gilt es, die Resultate zusammenzustellen und die redaktionstheologische Bedeutung der Formelverwendung bei jedem Evangelisten herauszuarbeiten.
§ 50: Die Formeln bei Markus a) In formaler Hinsicht ergab sich für die 16 Formelstellen bei Mk das folgende Bild. 6 mal übernimmt Mk die A-Formel zusammen mit einem isolierbaren Einzel10gion aus der Tradition (Mk 3,28 f; 9, 1; 10, 15; 10,29 f; 11,23 und 13, 30). 3 mal übernimmt er sie innerhalb der Passionstradition in Verbindung mit Situationsworten (Mk 14, 18.25.30). 3 mal verbindet Mk die A-Formel mit eigenen Wortbildungen (Mk 8, 12; 12,43; 14,9). Fraglich bleibt Mk 9,41, wo Mk die A-Formel eher mit einem tradierten Logion aufgenommen hat. 3 mal fügt Mk eine von ihm abgewandelte Formel 119
ohne Amen zu eigenen Formulierungen (Mk 9, 13; 11,24; 13, 37). Zur Erhebung des theologischen Formelgebrauches beginnen wir mit der Besprechung jener Stellen, die sich als redaktionelle Bildungen verstehen lassen. In ihnen muß auch die Absicht des Evangelisten besonders hervortreten.
b) Redaktionelle Formeln: Mk 8,12: Mk fügt die Formel in ein umgebildetes Situationswort ein und formt so eine schwurähnliche Beteuerung. Er unterstreicht: «Diese Generation erhält überhaupt kein Zeichen!» Damit gelingt ihm ein starker Ausdruck seiner eigentlichen überzeugung. Wenn er Jesus unwillig und aufseufzend die Forderung eines apokalyptischen Zeichens zurückweisen läßt, dann polemisiert er nicht gegen die verstockten Pharisäer, sondern verbindet mit diesen noch traditionellen Momenten die Meinung, daß auch der Gemeinde keine Zeichen am Himmel geschenkt werden. So warnt Mk vor falscher Spekulation mit endzeitlichen Vorzeichen der Parusie. Der erwartete Menschensohn wird unangemeldet und plötzlich eintreffen. Mk 9,13: Mit der formelähnlichen, antithetischen Einführung stellt Mk der herumgebotenen Argumentation, die Parusie sei noch in weiter Ferne, weil nicht einmal der verheißene Elias eingetroffen wäre, die Erklärung entgegen: Elias ist schon gekommen! Und nicht nur Elias, sondern auch, freilich durch sein Leiden verborgen, der Messias! Darum steht die Parusie vielmehr vor der Tür, und erhöhte Wachsamkei t ist geboten! Mk 9,41: Der formelverbundene Hinweis auf Belohnung muß in redaktionstheologischer Hinsicht zusammen mit den in Mk 3, 28 fund 10,29 betonten Aussagen gesehen werden. Der «fremde Exorzist» heilt im Namen Jesu und gehört darum zur Gemeinde. Seine Tätigkeit ist legitim, auch wenn er sie nicht innerhalb eines geordneten Raumes ausübt. Er 120
nimmt eben trotzdem Anteil an der charismatisch vermittelten Wirksamkeit des Erhöhten und er wird dafür seinen verheißenen Lohn empfangen. Wenn schon ein dem Bedürftigen dargereichter Becher Wasser belohnt werden wird, wieviel mehr dieser Dienst an den Kranken! So wird ein paränetischer Gesichtspunkt der Formelverwendung deutlich. Wahrscheinlich aber ist die Formel zusammen mit dem Logion aus altem Gut der christlichen Gerichtspredigt übernommen worden. Mk 12, 43: Das traditionelle Motiv, zur kleinen Szene gestal tet, bildet den Anlaß, die Jünger herbeizurufen, um ihnen eine Belehrung über die vollständige Hingabe zugehen zu lassen. Für Mk wendet sich dabei Jesus an die Jünger als den spätern Lehrern der Gemeinde. Diese soll ermahnt werden, nicht nur vom Oberfluß zu geben, sondern vielmehr um des Evangeliums willen auf Hab und Gut zu verzichten. Die Formel leitet ein künstliches Situationswort ein, das lang und breit die unmißverständliche Forderung vor die Gemeinde stellt. Mk 14, 9: Auch hier faßt das redaktionell gebildete Situationswort die aufgearbeitete Szene im Blick auf die nun nicht paränetische, sondern christologische Interpretation des Evangelisten zusammen und schließt sie ab. Die kostbare Gabe der unbekannten Frau zu Bethanien, die als Typus für das angesprochene Gemeindeglied steht, zeigt, daß die Hingabe des Besitzes aus dem Glauben an den gekommenen und darum in der Gemeinde gegenwärtigen Gottessohn 135 zu geschehen hat. c) Traditionelle Formeln, die ein Einzellogion einführen: Mk 3, 28 f: Das zweigliedrige Logion über den Ausschluß der Geisteslästerung von der Vergebung benötigt Mk, um 135 Schulz, Botschaft 151: «Das Mysterium der Gottesherrschaft ist nichts anderes als die geheime Epiphanie des Gottessohnes.» 121
die Angriffe und Vorwürfe auf die Tätigkeit der charismatischen Krankenheiler und Exorzisten zurückzuweisen. Wer die geistbewirkte Heiltätigkeit als Dämonenzauber abtun will, verleugnet das Evangelium. Er verachtet denselben Geist, der in Jesus wirksam war und in dessen Kraft Jesus jene Wundertaten vollbrachte, die ihn vor der Gemeinde als den verborgenen Sohn Gottes ausweisen. Mit der A-Formel schließt Mk das Logion unmittelbar an das Beelzebul-Gespräch an. Als betonte Zusammenfassung des Interpretationsgefälles steht so das Logion am Schluß des ganzen Abschnittes. Mk 9,1: Das Logion beschließt eine ganze, von Mk zusammengestellte Spruchreihe, die mit Mk 8, 34 nach der Zurückweisung des Petrus anläßlich der ersten Leidensverkündigung ihren Anfang nimmt. Die Petrusszene wird dadurch für die Gemeindesituation ausgelegt. Mk ruft zur überwindung der Leidensscheu und mahnt zu treuem Durchalten, weil die Parusie bald und unerwartet eintreten kann. Mk 10, 15: Der Einlaßspruch schließt mit Stichwortverbindung an die Szene von der Kindersegnung an. Das Logion versteht er als Aufforderung an seine Gemeinde, im Blick auf die plötzlich einbrechende Parusie auch die Kinder durch die Taufe für das Reich Gottes zu versiegeln. Mk 10, 29 f: Das formelverbundene, schon vielfach ergänzte Logion von der Belohnung der Nachfolge schiebt Mk, zur kleinen Gesprächsszene ausgebaut, an die Perikope vom reichen Jüngling an. Weil aber das aufgenommene Wort gar nicht die gestellte Frage nach der Einlaßbedingung ins Reich Gottes beantwortet, sondern eine Belohnung für die verzichtreiche Nachfolge verheißt, muß Mk uminterpretieren. Besitz und Familie gibt es nur unter beständiger Bedrohung durch die Verfolgung. Eine Garantie kann es in der unsichern Zeit nicht geben. Wer aber trotzdem die Nachfolge auf sich nimmt, weil er um des Evangeliums willen zu allen Opfern bereit ist, der wird einmal im kommenden Aeon mit der Gabe 122
des ewigen Lebens hundertfältig entschädigt werden. Mit dem formelverbundenen und erweiterten Logion interpretiert Mk abschließend die ganze Szene. Seine Antwort auf die Frage des reichen Mannes lautet nun: Wer zur entsagungsvollen Nachfolge in Verfolgungszeiten bereit ist, der erlangt das ewige Leben. Mk 11,23 f: Die beiden, je mit einer Formel verbundenen Logien fassen wiederum die ganze, in einem großen Bogen über den Abschnitt Mk 11, 12-21 führende Interpretation des Evangelisten zusammen. Nach Mk besitzen die Jünger auch nach dem Tode ihres Herrn die Wunderkraft Jesu. Darum fügt er nun das alte Wort vom bergeversetzenden Glauben an. Wie Jesus in seiner Vollmacht den gesunden, blättergrünen Feigenbaum verdorren lassen konnte, so sagt Jesus nach der Meinung des Evangelisten auch den Jüngern und den Gliedern seiner Gemeinde die wundertätige Geisteskraft zu, durch welche sogar Berge ins Meer versetzt werden können. Einzige Bedingung ist ein nicht zweifelnder Glaube. Am Geist Gottes fehlt es nicht, aber am Glauben der Jünger! Ein starker Glaube aber, der die Wundertaten ermöglicht, zeigt sich im Gebet. Durch das Gebet empfängt der Glaubende die Geisteskraft zur Ausübung der Wunder. Jesus hat den Tempel gereinigt und ihn zum geistigen Tempel des Gebets für die Heidenchristen gemacht. Diesen Zusammenhang zwischen Glauben und Beten fand Mk im übernommenen, formelverbundenen Wort V.23 noch zu wenig ausgedrückt und darum wiederholte er diese Formel mit ÖUl -roiho A. u. und verband ihn mit dem aufgenommenen Wort V. 24. So hat Mk seine Interpretation mit der Aufforderung zum erhörlichen, gläubigen Beten und zum wundertätigen Glauben zu Ende geführt. Mk 13, 30. 37: In den die synoptische Apokalypse beschließenden Mahnungen tritt die redaktionelle Intention unverhüllt zu Tage. Wieder setzt Mk mit dem angeschlossenen, 123
mit der A-Formel verbundenen Einzelspruch den betonten Schluß akzent. Er ist ihm so wichtig, daß er ihn durch eine Reihe weiterer Weckworte ausdehnt und darauf, als eine schöne Bestätigung seines Formelgebrauches und ganz in der Art seiner nachhinkenden Wiederholungen, mit dem formelähnlich gebildeten Aufruf an alle pathetisch abschließt.
d) Traditionelle Formeln, die ein Situationswort einführen: In der Leidensgeschichte finden sich drei Formelstellen, die Mk zusammen mit der Passionstradition aufgenommen hat. Die Formeln führen keine allgemeingültigen Einzelsprüche ein, die sich aus ihrem Kontext heraus isolieren lassen. Es handelt sich vielmehr um Logien, die Jesus in der unwiederholbaren Situation des erzählten Ereignisablaufes gesprochen hat. Wir bezeichnen sie darum kurz als Situationsworte. Mk 14,18: Auf die Intention des interpretierenden Evangelisten weisen die nachhinkende Anspielung auf LXX Ps 40, 10 und die Anmerkung in V.22, daß der Menschensohn seinen gottbestimmten Weg abschreitet. So erinnert Mk daran: die verborgene Hoheit Jesu zeigt sich gerade darin, daß J esus den göttlichen und in der Schrift geweissagten Weg auch durch die Leiden und bis in den Tod zu Ende ging. Parallel dazu läuft aber noch eine paränetische Interpretationslinie. Betont Mk das Moment «Einer unter euch» im Zusammenhang der nachher werweisenden Jünger, so wird dahinter die angefochtene Gemeinde sichtbar, die, durch wankend und treulos gewordene Glieder beunruhigt, zum Durchhalten aufgerufen wird. Mk 14,25: Das Verzichtwort schließt Mk unmittelbar an das Kelchwort an. Damit bringt er das theologische Verständnis, mit welchem er die Einsetzung des Herrenmahles wiedergibt, zu einer betonten Darstellung. Das bereits hervorgehobene Kelchwort tritt nun in seiner gemeinten Bezugnahme auf die Vollendung des neuen Bundes beim Einbruch 124
der Basileia am Tage des Menschensohnes klar hervor. Wieder wird so der kerygmatisch ausgezeichnete Ort sichtbar, den Mk durch die Verwendung und Stellung eines formelverbundenen Logions zu bezeichnen pflegt. Mk 14, 30: Mk V. 31 betont, daß Petrus nach der Anzeige der Verleugnung und zwar zusammen mit den übrigen Jüngern beteuerte, J esus niemals zu verleugnen, selbst, wenn er mit ihm sterben sollte. Die nachhinkende Beteuerung ist auffällig. Mk will damit keineswegs die Großmauligkeit des Petrus und seiner Jünger hervorheben und mit Ironie die leichtfertige Selbstsicherheit unterstreichen. Mk meint es ernst. Er denkt an die Situation seiner Gemeinde. Begleitet die Verleugnung nach einer dunkeln Zulassung Gottes die Jüngerschar, so auch die bedrohte Gemeinde als eine immer wieder eintreffende Möglichkeit. Darum soll sie sich auch, obwohl nach Gottes Plan immer wieder Verleugnung vorkommen wird, wie Petrus und die andern Jünger immer neu zur Treue und Todesbereitschaft bekennen. Nochmals wird so der paränetische Gebrauch der Formel deutlich. e) Zusammenfassung: Mk braucht die Formeln zur Hervorhebung der kerygmatischen Struktur seines Evangeliums. Dabei wird diese in einer doppelten Weise sichtbar. Sie tritt als eine christologische und eine paränetische in Erscheinung. Die formelverbundenen Logien stehen am Schluß einer kleinern oder größern Kompositionseinheit. Sie bringen dadurch den bei der Zusammenordnung der überlieferungen leitenden, theologischen Duktus des Evangelisten zum Ausdruck. Das christologische Moment der formelbetonten kerygmatischen Aussage umfaßt folgenden Inhalt: Die Parusie des Menschensohnes wird unangemeldet und plötzlich noch innerhalb der zur Zeit des Evangelisten lebenden Generation eintreffen. Bis zu diesem Ereignis wirkt in der sich dehnenden Zwischenzeit 125
der bereits heimlich gekommene und nach Ostern offenbarte Gottessohn in der Gemeinde durch die geistgewirkten Wundertaten weiter. In seinem Auftrag wirken die charismatischen Heiler. Wer sich gegen sie stellt, der lästert den hl. Geist und damit zugleich das der Gemeinde anvertraute, christologische Kerygma. Die Kindertaufe wird zum Bekenntnis der in diesem Kerygma eingeschlossenen Vollendungshoffnung. Auch die Feier des Abendmahls mit ihrer Betonung des gemeinsamen Kelches blickt in diese Zukunft. Das paränetische Moment der Botschaft unterstreicht die Formel bei der Warnung der Gemeinde vor der Apokalyptisierung ihrer Parusieerwartung. Das Rechnen mit endzeitlichen Vorzeichen und Ereignissen lenkt die wartende Gemeinde von einer echten Bereitschaft ab. Die von ihr zu fordernde Wachsamkeit zeigt sich vielmehr im gläubigen, von allen Zweifeln freien Beten, durch welches Christus die erbetenen Wundertaten bewirken wird. Zur Bereitschaft gehört aber auch der willige Verzicht auf eine gesicherte Existenz, die innere Freiheit von Bindungen an Familie, Geld und Gut. Endlich betont Mk die überwindung der Angst vor Leiden und Tod und fordert zur letzten Treue und Bewährung in den drohenden Verfolgungen auf.
§ 51: Die Formeln bei Matthäus a) Einleitend geben wir einen statistischen überblick über die Eintragungen und übernahmen, wie sie sich uns auf Grund der Analyse des Formelbestandes ergeben haben. Von den 56 Mt-Formeln finden wir 16 im Mk-Gut, 22 im Q-Gut und 18 im Sondergut. 10 Formeln übernimmt Mt aus der Mk-Vorlage, nämlich: 10,42; 12,31; 16,28; 17, 12; 18,3; 21,21; 24,34; 26, 13. 21. 34. 6 mal trägt Mt eine Formel in den Mk-Text ein, nämlich: 19, 9. 23. 24; 24, 2; 26,29. 64. 126
Aus dem Traditionsgut der Redequelle übernimmt Mt 15 Formeln, nämlich: 3, 9; 5,26. 44; 6,25. 29; 8, 10; 10, 15; 11, 9.11. 22; 13, 17; 18, 13; 23,36.39; 24,47. Dazu kommen 2 Repetitionen: 8,11 repetiert 8, 10 und 11,24 repetiert 10, 15. 5 mal trägt Mt die Formel ins Q-Gut ein, nämlich 3 mal aus Mk: 5, 18 aus Mk 13, 30; 17,20 aus Mk 11,23 und 19,28 aus Mk 10, 29. 5, 32. 39 sind als redaktionelle Eintragungen in Q zu beurteilen. Von den 18 Formeln im Mt-Sondergut sind 6 Formeln traditionell, nämlich: 6,2. 5. 16; 10,23; vielleicht 18, 10; sicher wieder 18, 18. 12 Formeln hat Mt in das Sondergut resp. in seine eigenen Bildungen eingetragen, nämlich: 5, 20 aus Q Mt 11, 7 ff / Lk 7, 24 ff; 12, 36 aus Q Mt 3, 9 / Lk 3, 8. Die übrigen Formeln hat Mt von sich aus eingefügt: 5,22.28.34; 12,6; 18, 19; 21,31. 43; 25, 12.40.45. Für die nun folgende Darstellung des redaktionstheologischen Formelgebrauches besprechen wir wiederum zuerst die redaktionellen Eintragungen, weil bei ihnen die Motive besonders deutlich hervortreten müssen. Dann beobachten wir, in welcher Weise diese Motive auch bei den traditionellen Stellen zum Tragen kommen. b) Wir beginnen mit dem Formelgebrauch im Sondergut und heben die Bedeutung der redaktionellen Einfügung hervor: Mt 5, 22.28. (32).34. (39. 44): Mt ergänzt die in der Q-Vorlage 5, 44 / Lk 6, 27 vorgefundene Formelverbindung mit eyw und verschärft zu einer antithetischen, gegen die jüdische Schriftauslegung gerichteten Aussage. Mit eyw betont Mt die Autorität der messianischen Auslegung, welche allein die radikale Erfassung des im Gesetz liegenden Willens Gottes erlaubt. Die Verbindung der Antithesen mit dem grundsätzlichen Schlüsselwort 5,20 erläutert, worin die Intention der so erweiterten und vermehrten Formel besteht. Das kontradiktorische Moment beschränkt sich nicht nur auf eine Ver127
inner lichung im Sinne einer Gesinnungsethik, sondern fordert das Ja zu Jesus als dem gekommenen Messias. Der Evangelist stellt die atl. Tora mitsamt ihrer schriftgelehrten, kasuistischen Deutung in das heilsgeschichtliche Ereignis der messianischen Erfüllung. Mt 12, 6: Die Formel erscheint in ihrer an Q erinnernden Form als in das Logion integriert. Mt benützt sie lediglich als ein rhetorisches Stilmittel, um die polemische Aussage der Perikope mit Hilfe der doppelt wiederholten, ironischen Frage «Habt ihr nicht gelesen?» zum Hosea-Zitat als der eigentlichen Spitze vorzutreiben. MEi~ov bezieht Mt nicht persönlich auf die Gegenwart des Messias, sondern auf das Verhalten der unschuldig getadelten Jünger. Diese halten sich vielmehr an das messianische Verständnis des Gesetzes. Ihr Gehorsam ist darum größer als die Heiligung von Sabbat und Tempel nach den pharisäischen Vorschriften. Mt 18, 19: Hier begegnen wir dem paränetischen Zweck des Formelgebrauches. Die Formel weist betont auf den Satz, der den Komplex abschließt und als Skopus den sachlichen Zusammenhang herausstellt. Er fordert die Vergebung gegenüber dem schuldig gewordenen Bruder. Sie geschieht durch das Gebet von zwei bis drei Brüdern, die dadurch die Bei1egung des Konfliktes unter die Autorität des Christus präsens stellen. Mt nimmt die traditionelle Formel aus dem vorangehenden V. 18 auf und führt sein Anliegen weiter. Die durch den Sünder gestörte Gemeinschaft ordnet sich nicht einfach durch einen gemeinderechtlichen Schiedsspruch, sondern durch das brüderliche Gebet, das sich vom erhöhten Messias die Vergebung erbittet und schenken läßt. Mt 21,31.43: Mt benötigt die Formel zur Hervorhebung des Unglaubens und der Unbußfertigkeit der jüdischen Führung. Selbst Zöllner und Dirnen glaubten der messianischen Ankündigung des Täufers, nicht aber die Pharisäer und AItesten. Darum sind sie noch viel schlechter und verdam128
mungswürdiger als jene! Auch die Formel V. 43 liegt entsprechend. L\LU -coii-co verklammert mit der Allegorie und dem Schriftzitat und die Formel betont die vom Evangelisten daraus gezogene K9nsequenz. In einer aus dem Unglauben stammenden Bosheit verfolgte und tötete Israel die Propheten und den als Messias gesandten Gottessohn. Darum wird Israel im Endgericht bestraft werden. Nicht Israel, sondern ein gläubiges Volk wird dann das Reich Gottes empfangen. Mt 25,12.40.45: Die in Erinnerung an eine Q-Formel V. 12 in die Bildhälfte des Gleichnisses eingefügte und mit Amen ergänzte Formel hebt den drastischen Abschluß des Bildes hervor. Der Bräutigam öffnet die bereits geschlossene Türe zum Festsaal nicht mehr und erklärt, die säumigen Gäste nicht mehr zu kennen! Der Formelgebrauch wird deutlich. Die Formel verbürgt hier nicht die Hoheit eines Herrenwortes, sie zitiert auch nicht, sondern erfüllt die Aufgabe der Beteuerung der Aussage «Ich kenne euch nicht!» Weil die Anwendung sich für Mt von selbst versteht, wird die Formel zur Bekräfcigungsformel der redaktionellen Aussage. Die Gemeinde wird beschworen, die von ihr geforderte bessere Gerechtigkeit zu verwirklichen, bevor es zu spät sein wird. Die formelverbundenen, sich gegensätzlich entsprechenden Logien V. 40. 45 ziehen die zwischen Gleichnis und Rede schillernde Komposition gänzlich in die Sachhälfte hinüber. Wieder beschwört der Evangelist seine Gemeinde im Blick auf das Gericht des Menschensohnes. Allein die Werke der Barmherzigkeit werden die Türe zur Basileia öffnen. c) Mt 5, 20 und 12,36 sind die beiden Eintragungen von Q-Forme1n in das Sondergut. Die Formel 5, 20 verklammert die Drohung an die Jünger mit dem programmatischen Komplex 5, 17 ff. V.20 faßt den Sinn zusammen. Die messianische Gesetzesinterpretation Jesu befähigt die Gemeinde im Unterschied zur Exegese der Schriftgelehrten zum Tun des in 129
der Tora geoffenbarten Gotteswillens und damit zum Empfang der Basileia nach bestandenem Endgericht. Auch 12,36 zeigt die Orientierung am gerichtseschatologischen Thema. Wohl bleibt die polemische Verwendung in Q Mt 3, 9 / Lk 3, 8 noch brauchbar. Der Evangelist verstärkt ja gerade ab Kp. 12 die eigene Polemik gegen sein Pharisäer- und Israelbild. Aber seine Polemik ist zugleich die Folie, von der er die Mahnung an die Adresse seiner Gemeinde abhebt. Nicht nur die Pharisäer werden für ihre wegwerfende Verlästerung des Messias im Endgericht bestraft werden, sondern die Gemeinde soll wissen, daß sich auch ihr Bekenntnis zum Messias im Gericht erst noch zu bewähren hat. d) Bevor wir zur Beobachtung der redaktionellen Eintragungen in das Q-Gut weiterschreiten, fassen wir die besprochenen Stellen im S-Gut zusammen. Mit der A-Formel unterstreicht Mt den paränetischen oder polemischen Bezug auf das Endgericht und bezeichnet damit die mehrheitlich am Ende der Perikopen gelegenen Interpretationsschwerpunkte. Nur einmal (12,6) liegt die Formel nicht in diesem Schwerpunkt, sondern führt das Interpretatiönsgefälle weiter. Diese Formel führt lediglich das unbetonte M, während die übrigen eine betonte Ergänzung (EYW, &f.A.~V, 3tUALV, ßL